Darmstädter Tagblatt 1923


12. März 1923

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Bezugspreis:
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R0 M. jrei Haus. Beſtellungen nehnen ent=
gegen
: die Geſchäftsſtelle Rheinſtraße 23 ( Fern=
ſprecher
1, 2390 und 2391), die Agenturen und alle
Poſtämter. Verantwortlichkeit für Aufnahme von
Anzeigen an beſtimmien Tagen wird nicht übernom=
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. Nichterſcheinen einzelner Nummern infolge
höherer Gewalt berechtigt den Be ieher nicht zur Kür=
zung
des Bezugspreiſes. Beſtellungen und Abbeſtel=
lungen
durch Fernrut ohne Verbindlichkeit für uuns.

Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
186. Zabrgang
Nachdruck ſämtlicher mit verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe Darmſt. Tagbl. geſtatlet.

Nummer 70

Montag, den 12. März 1923

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Streiß uſw, erliſcht jede Verpſtichtung auf Er=
füllung
der Anzeigenauſträge und Leiſtung von
Schadenerſatz. Bei Konhurs oder gerichtlicher Bei=
treibun
,; fällt jeder Rabatt wen

Einzelnummer 150.00 Mk.

Kein Hypothekenſperrgeſetz.
Berlin, 11. März. (Tel.=Union.) Halbamtlich wird mit=
geteilt
: Wie ſeinerzeit mitgeteilt wurde, hat die Reichsregierung
geſetzgeberiſche Maßnahmen zur Kündigung der Rück=
zahlung
von Hypotheken oder zu ihrer Aufwertung
nicht in Ausſicht genommen. Mit demſelben Gegenſtand be=
ſchäſtigte
ſich am 9. d. M. der Rechtsausſchuß des Reichstags
aus Anlaß eines Antrages Dr. Düringers und Genofſen, durch
Geſetz die Rückzahlung der vor dem 1. Januar 1922 eingetrage=
nen
Hypotheken für die Dauer von ſünf Jahren nur mit Zu=
ſtimmung
des Gläubigers zu geſtatten. Der Reichsminiſter der
Juſtiz legte bei dieſer Gelegenheit den Standpunkt der Reichs=
regierung
zur Frage eines Sherrgeſetzes und zu der damit un=
treunpar
verknüpften Frage der Aufwertung der Hypotheken
unter leingehender Erörterung des Geſamtprohlems und ſeiner
Rückwirkung auf weite Gebieje des wirtſchaftlichen Lebens dar.
Nach längerer Ausſprache ſchloß ſich der Ausſchuß mit über
ziegender Mehrheit dieſen Ausführungen an. Demgemäß wurde
der Antrag auf Erlaß eines Sperrgeſetzes ab=
gelehnt
. Angenommen wurde lediglich ein hiermit nur loſe
zuſammenhängender Antrag des Abg. Emminger, der die Mitwwir=
kung
der Gerichte zur billigen Berückſichtigung der Geidentwer=
tung
bei gewiſſen formalen rechtlichen Verhältniſſen, Altenteilen.
Unterhaltungsanſprüchen, u. a., wünſcht. Dieſe Angelegenheit,
mit der ſiüch die Reichsregierung ohnehin aus Anaß eines von
Preußen im Reichsrat geſtellten Antrages beſchäftigt, edarf noch
weiterer Erörterung.

Vom Tage.

Nach dem Genfer Berichterſtatter des Temps wird der Völker=
bundsrat
nicht vor dem 12. April zu einer ordentlichen Sitzung
zuſammentreten.
Der franzöſiſche Kriegsminiſter hat gegen die kommuniſtiſche Gu=
manité
wegeni einer Reihe von Artikeln, die in dem Blatt erſchienen
ſind, Klage erhoben mit der Begründung, daß ſie die Abſicht hätten,
das Vertrauen im Lande zu untergraben, die franzöſiſchen Truppen zu
ſchädigen und den Widerſtand der Bevölkerung im Saargebiet zu be=
günſtigen
. Die Anklage lautet gegen den Geſchäftsführer der Hu=
manité
, van de Putte, auf Verleumdung der Armee. Van de Putte
hat gemeinſam mit dem kommuniſtiſchen Abgeordneten die Verant=
wortlichkeit
für die Artikel übernommen.
Der amerikaniſche Arbeiterführer Gompers iſt an Influenza
und Lungenentzündung ſchwer erkrankt.
Der engliſche Botfchafter in Paris, Lord Crewe, iſt an einer
Lungenentzündung infolge Grippe erkrankt.
Nach einer Hatasmeldung aus Peking hat die chineſiſche Regierung
heute vormittag der japaniſchen Geſaudtſchaft notifiziert, ſie wünſche
den chineſiſch=jaßaniſchen Vertrag von 1915 mit den
21. Forderungen rückgängig zu machen. Die chineſiſche Regierung
beruft ſich darauf, daß vom Parlament ein Beſchluß in dieſem Sinne
gefaßt wvorden ſei.
Nach einer Blättermeldung aus Kobleuz hat die Interalliierte
Rheinlandkommtiſſion auf Antrag des franzöſiſchen Oberkommiſſars die
endgültige Ausſchließung des Simpliziſſimns in
den beſetzten Gebieten bekannt gegeben.

Das Schreckensregiment am Rhein und Ruht.
Immer neue Verhaftungen und Ausweiſungen. Schikanöſe Repreſſalien.

Wachſender Widerſtand,

2 franzöſiſche Offiziere ermordet.
Recklinghauſen, 12. März. (Wolff.) Im benachbarten
Buer wurden in der Nacht vom 10. zum 11. März zwei
franzöſiſche Offiziere ermordet. Einzelheiten über
die Tat fehlen noch. Nach einer Lesart ſoll der Mord von zwei
Belgiern begangen ſein, die mit den Franzoſen in Streit
geraten waren, nach einer anderen Lesart ſoll der Burſche
der Offiziere der Täter ſein.
Zuer, 12. März. (Wolff.) Die Frauzoſen ergriffen die
ſchärfſten Repreſſalien gegenüber der Bevölkerung. Der
Oberbürgermeiſter wurde aus dem Bett heraus verhaftet.
Alle Wirtſchaſten ſind geſchloſſen. Aus der Kirche kommende Bür=
ger
wurden von beaffneten Trupps auseinandergetrieben, mit
Kolbenſchlügen und Reitpeitſche übel zugerichtet und
gezluungen, Plakate anzuſchlagen, die die franzöſiſchen Repreſſa=
lien
ankündigten. Als die Plakate von der erregten Bevöl=
kerung
ſämtlich wieder abgeriſſen wurden, verhafteten
die Fianzoſen eine Reihe von Bürgern, nahmien ihnen die Päſſe
ab und befahlen, die ganze Nacht Wache an den Plakaten
zu ſtchen. Falls trotzdem die Plakate wieder abgeriſſen würden,
ſollen die Zivilwachen erſchoſſen werden.
Wie verlautet, haben ſich zwei deutſche Ziviliſten den ſran=
zöſiſchen
Behörden geſtellt, die ausſagen, geſehen zu haben, daß
die beiden Offiziere von franzöſiſchen Soldaten er=
ſchoſſen
wurden.
Dortmund, 12. März. (Tel.=Union.) Hier hat geſtern
eine Schießerei zwiſchen franzöſiſchen Soldaten und Zivi=
liſten
ſtattgefunden. Ein Polizeikommiſſar erhielt einen Schuß
durch den Arm. Ein Franzoſe ſoll getötet und fünf
berletzt ſein. Auf ſeiten der Deutſchen gab es vier Ver=
wundete
.
Verhaftete Kommuniſten.
Nannheim, 10. März. (Wolff.) In der Nähe der von
den Franzoſen beſchlagnahmten Hildaſchole wurden geſtern
zwei Zettelankleber verhaftet, die Plakate in ſranzöſi=
ſcher
und deutſcher Sprache für kommuniftiſche Propaganda an=
geilebt
hatten. Auf einem derſelben ſieht man Pvincaré inmitten
eintes Friedhofes und darunter die Worte Gest Ia guerre
Wie die Arbeiterzeitung, das kommuniſtiſthze Organ für Baden
und die Pfalz, ſchreibt, ſind nicht nur dieſe zwei Perſonen, ſon=
Lern 10 Kommuniſten von den Franzoſen bisher ver=
haftet
worden.
Verhaftet, verurteilt und verſchleppt.
Wetter, 11. März. (Tel.=Union.) Bürgermeiſter Herr=
mann
und eif andere Verurteilte und Verhaftete ſind von Düſ=
ſeldorf
nach Kraft transportiert worden. Der jugendliche Win=
ſelmann
aus Witten wurde im Hotel Deutſches Haus ver
haftet, weil er franzöſiſche Offiziere beſchimpft hatte.
Mit Beute wieder abgerückt.
Eſſen, 11. März. (Tel.=Unio.) Gegen 3.20 Uhr nach=
mittags
haben die Franzoſen den geſtern morgen beſetzten
Bahnhof Rauxel unter Mitnahme von zwvei Lokomotiven
Und 30 beladenen Wagen wieder freigegeben. Von den
übrigen heute morgen beſetzten Bahnhöfen ſind die Truppen
noch nicht zurückgenommen.
Auſhebung des Belagerungszuſtandes.
Bochum, 11. März. (Tel.=Union.) Der verſchärfte
Belagerungszuſtand iſt heute aufgehoben worden.
Die Geſchäfte in der Stadt ſind noch geſchloſſen.

Die amerikaniſchen Beſatzungskoſten.
Paris, 10. März. (Wolff.) Der Pariſer Ausſchuß
zur Regelung der amerikaniſchen Beſatzungskoſten

Die Kanzlerrede und die Weltiage.

Von

fazungskoften aus den künftigen Zahlungen Dentſch=
lands
vorſehen. Dieſe Vorſchläge, die der belgiſche, der fran=
zöſiſche
, der Eigliſche und der italieniſche Delegierte ausgearbeitet
hätten, ſeien dem Vertreter der Vereinigten Staaten unier=
breitet
worden, der ſie, nachdem er ſich die Einwilligungserktä=
rungen
verſchafft hat, ſeiner Regierung vorlegen wird. Die
nächſte Sitzung wird am komnienden Mitttooch nachmittag ſtatt=
finden
. Der Intrauſigeant beziffert die von den Vereinigten
Staaten geforderte Ziffer auf 1310 Millionen Goldmark. Das
Blatt ſcheint anzunehmen, daß die Alliierten die Aurechnung
der von den Amerikanern beſchlagnahmten deutſchen Schiffe auf
dieſe Summe vorſehen. Die dann übrig bleibenden 800 Millio=
nen
Goldmark ſollen zinslos in 12 Jahren abgezahlt werden.
Anwachſen des Widerſtandes.
Paris, 10. März. (Wolff.) Der Temps veröffentlicht eine
Meldung aus Düſſeldorf, in der es heißt, ſeit geſtern ſtelle
man ein Anwachſen des Widerſtandes der Beam=
ten
und Angeſtellten der öffentlichen Dienſtftellen im
Ruhrgebiet, beſonders in Düſſelderf, ſeſt. Für heute abend
werde der Gas=, Waſſer= und Elektrizitätsſtreik in Ausſicht ge=
ſtellt
. Man wiſſe aber noch nicht, ob die Gewerkſchaften bereit
ſeien, die Anweiſungen zu befolgen.
Das Brüſſeler Gewaltprogramm.
IU. Paris, /11. März. Der Iutranſigeant, das einzig

Prof. Dr. Otto Hoetzſch, M. d. R.
Vielleicht zieht jetzt die Entſcheidung im deutſch=franzöſiſchen
Konflikt langſam herauf. Aus dieſem Gefühl heraus hat Dr.

Regierung zu bezeiſghnen. Man wird dieſer Reſe faſt in allen
Punkten ohne Einſchränkung zuſtimmen können. In einer Wucht,
die an die berühmte Unabhängigkeitserklärung der 13 amerika=
niſchen
Kolonien, und ihre Aufzählung der Rechtsverletzungen
durch den engliſchen König erinnern, zählte er vor der Welt die
Rechtsverletzungen, Greueltaten und Beſtialitäten dieſer fran=
zöſiſchen
Politik auf, die damit ſelbſt auch in ihrem Sinne rein
nichts erreicht hat.
Nur iſt es mit dieſer Aufzählung nicht gefan. Wie komzt
all das, wirkungsvoll und erſhütternd, wie es iſt, an die Adreſſe
der Völker auf der anderen Seite? Wie komnt es drüben in die
Zeitungen und in die Vorſtellungen der Menſchen? In Frauk=
reich
, in England und in Nordamerika?! Daß daſür die deutſch=
Propaganda bei weitem nicht das Nötige leiſtet, iſt unbeſtreit=
bar
. Freilich ſind die Schwierigkeiten ſehr groß, aber bisher ſind
auch die Verſuche, ſie zu überwinden, ſowohl die amtlichen wie
die nichtamtlichen, recht beſcheiden getöeſen. Alles redet von der
Notwendigkeit deutſcher Propaganda und ſordert ſie, und wie
wenige haben eine Vorftellung von ihrer Schwierigkeit, wie
wenige bemühen ſich, darin das zu tun, worauf es ankommt und
was allein Nutzen ſchaffen kann!
Die Haltung, die Deutſchland in dieſem Könftikt einnimmi,
iſt klar bezeichnet. Es denkt nicht daran, zu kapitulieren. Es
denkt nicht daran, ſich, ſo ſehr das Poincaré möchte, prooozieren
zu laſſen, und wird nicht durch einen Ausbruch elementarer Auf=
lehnung
dem Gegner die erwünſchte Waffe in die Hand geben.
Aber mit ernſten Worten wurde eine Warnung ausgeſprochen,
ein Signal gegeben, daß dieſe Erregung nicht ſpurlos am deut=
ſchen
Volke vorübergeht und daß nicht auf unabſehbare Zeit
auf dem Volke fo herumgetrampelt werden kann, wie es Fraul=
reich
heute tut.

Pian iun ben erticheindendein Derchau d Pcluzurs har =s uicht ge=
wellt
. Er wollte die Gewalt, wie das franzöſiſche Gelſeluch jetzt
auch beweiſt. Er wollte die Beſetzung der Ruhr aus politifchen

Geſüßtspuniten. Nach ſieben Wochen des Kampfes hat er nichts
erreicht, und er Efindet ſich jetzt in einer Sackgaſſe.
Die anderen Mäcte, die Garauten des Verſailler Vertrages,
ſehen zu, und keiner rührt einen Finzer, obiohl Fraukreich dock
das Recht verletzt, das guch die anderen Mäcte mitgeſchaffen
haben in dieſen Vertrage, ein Recht, auf de für manche der
Uinterzeichner des Vertrgges die Eriſtenz ihres Stagtes geradezu

Aef Puerden in d ichen eio iſchlef eu Leunn e ein
länder bei allen künftigen Beſprechungen auszuſchlie=
ßen
. Von den geplanten weiteren Zwangsmaßnahmen er=
wähnte
das Blatt die ſchärfere Handhabung der Zollvorſchriften.
Ferner werde man ſich mit der Zivilvermaltung der Eiſenbahnen
und mit der Frage beſchäftigen, welche Eiſenbahnen von den
Velgiern und welche von den Franzoſen verwaltet und in wel=
cher
Weiſe ſchließlich die Einnahmen und Ausgaben zwiſchen
Fraukreich und Belgien aufgeteilt werden ſollen.
Frankreichs Orientpolitik.
Paris, 10. März. (Bolff.) Das Journal des De
bats ſchreibt zur Orientfrage: Nachdem Frankreich ſeine
einſtnglige Poſition im türkiſchen Orient verloren habe, wäre es
bedauerlich, wenn es ſich das Griechentum zum Feinde machte,
das Frankreich zu einem großen Teile ſeine Weltſtellung der=
dauke
und das ihm dafür höchſt erkenntlich und ſeit dem Zu=
ſammenbruch
des konſtantiniſchen Regimes bereit geweſen ſei,

die freundſchaftlichen Beziehungen zu Frankreich aus der Zeit
vor dem Kriege wieder anzuknüpfen. Dieſe Beziehungen ſeien
nicht allein für die Helleniſten und die Archäologen allein bon
Jutereſſe, ſie ſeien auch für einen umfangreichen Handel von
Bedeutung, der zur Blüite mehrerer franzöſiſcher Induſtrien
ſein Teil beitrage. Wenn man Griechenland niedertrete, wie .s
die franzöſiſchen Türkenfreunde in der letzten Zeit verſucht hät=
ten
. mache man Frankreich ärmer, und man beraube ſich außer=
dem
in der weiten Welt eines änßerſt koſtbaren Propaganda=
inſtruments
. Nachdem Griechenland von Konſtantin befreit ſei,
habe es ſich an die Arbeit im Innern begeben. Trotz ſeiner
Niedergeſchlagenheit werde Griechenland keine neuen Opfer zu=
gunſten
der Türken bringen; ſeine wiederorganiſierte Armee ſei
bereit, über die Mariza zu ſchreiten, wenn die Leute in Angora
zu ſeinem Schaden die Bedingungen von Lauſanne abändern
wollten. Trotzdem aber frünſche Griechenland vielleicht mit
Ausnahme einiger hitziger Militärs aufrichtig den Frieden.
Jetzt ſei der Augenblick gekommen, in Griechenland neue Shi=
pathien
zu erwerben und ihm zu beweiſen, daß Frankreich nicht
der zwiſchen beiden Läudern beſtehenden Traditionen vergeſſe.

Auif e eragechant un in ei e egeiſet ueiſi e ie
Tage der Befreiuug vom fremden Bann.
Wir glauben nieht, daß auf die Dauer die übrigen Staaten
der franzöſiſchen Politik ſo wie heute zuſehen werden. Zu ſeür
iſt auch für dieſe Frankreich der Unruheſtifter, der Eurpöa nicht
zur Ruhe kommen läßt. Die Idee einer Fntervention liegt vor
allem für die engliſche Politik geradezu zwangsweiſe im Wege
der Entwicklung, und ebenſo drängt es darauf in Amerika. Aber
ſo lange es gedauert hat, ehe die Vereinigten Staaten in den
Krieg eingetreten ſind, ebenſo lange wird es dauern, ehe ſie in
den Frieden eintreten. Vorausgehen meuß dabei England. E
hat im Schuldenabkommen mit Amerika einen erheblichen Schritt
vorwärts getan. Es wartet nun ab, ob endlich die Orientfragen
zur Ruße kommen, ob die Türken von Angoxg im großen und
ganzen den Frieden von Lauſanne annehrnen. Währenddey kärt
ſich die öffentliche Meinung in England immer mehr. W=nn
heute Bonar Law eingreifen würde, würde er die Arbeiterpar=
tei
, die Lideralen und den weitaus größten Teil der Konſerva=
tiben
ſür ſich haben. Aber er ſteht nech auf dem Standpung,
daß die franzöſiſche Politik erſt einmal wirflich auflaufen müffe,
ehe eine Ausſicht beſtehe, im Sinne der wirtſchaftlichen Vernnuft
mit Erfolg zu intervenieren.
Darüber kaun noch eine gruze Zeit vergehen. Dieſe Zeit
muß von Deutſchland, vom deutſchen Volke ausgehalten werden.
Es ſteht die Exiſtenz ſeines Reiches und ſeiner Wirtſchaft auf
dem Spiele. Und auf der Hand liegt, wie fehr die nach Juter=
vention
ſtrebenden Kräfte in England und Nordamerika ge=
ſtärkt
werden, wenn ſie die lieberzengung haben, der deut=
ſche
Widerſtand keinesfalls vor der Zeit zuſanunenbrechen und
erlahmen wird.
Den Willen, in dieſem paſſiten WLiderſtand auszuhalten,
bis Deutſchland, frei von der feindlichen Beſetzung im Ruhr=
gebiet
, geſichert gegen alle ſolche Sanktionen und Rechtsbrüche,
und gleichberechtigt mit den Gegnern, mit dieſen über die Re=
parationsfragen
ſprechen kann, den hat im Anſchluß an Cunos
Rede, ſo gut wie der ganze Reichstag bekundet. In dieſem
Kampfe Deutſchlands geht es uu die ganze Eriſtenz ſeinor Wirt=
ſchaft
, um die Exiſtenz ſeines Reiches. Und dieſen Kazpf führt
Deutſchland nicht nur für ſich. Es führt ihn auch für alle, die
nicht wünſchen können, daß Frankreichs Imperialismus zum
Siege komme. Es führt ihn daher, wenn nicht für die Welt,
ſo doch jedenfalls ſür das ganze nichtfranzöſiſche Eurppa, ſowoh!
das Europa, das im Kriege gegen Deutſchland ſtand, wie das
Europa, das neutral dem Kriege zuſah und heute wie im Kriege
unter der franzöſiſchen Politik leidet!

Angora nimmt den Friedensvertrag an.
TI. Paris 11. März. Aus Konſtantinopel wird gemel=
det
: Die Gegenvorſchläge der Angoraregierung konnten infolge
ihrer Ausdehnung von 88 Seiten nicht telegraphiſch übermittelt
werden, vielmehr wird ſie ein Sonderkurier nach Pgris über=

itortalen Bediugungen des Anſchensbernag
bedingungslos annehmen.

[ ][  ][ ]

Seite 2.

Ausgewieſen!
Von
Pfarrer A. Korell, M. d. R.
* Was ſich jetzt vollendet hat, fing ſchon im Juli 1919 an.
Der Hochverräter Dorten wollte ſeine erſte öffentliche Verſamme=
lung
halten. Infolge meines Eingreifens blieb er fern. Die
wenigen Worte, die ich damals mit Erlaubnis des franzöſiſchen
Kommandanten an die Verſammlung richtete, trugen mir die
erſte inoffizielle Verwarnung ein. Eine zweite folgte einige
Wochen darauf, weil ich eine öffentliche Demonſtration veran=
ſtaltet
und dabei Worte gebraucht habe, welche die Ordnung
ftören. Es handelte ſich um die Grabrede für einen deutſchen
Feldzugsteilnehmer.
Von da ab wurde ich in den Blättern der Hochverräter
forigeſetzt denunziert und, obwohl ich 22 Jahre im heute be=
jetzten
Gebiet wohnte, als aus dem Oſten zugewanderter Hetzer
verdächtigt.
Im Jahre 1920 trat ich in den Reichstag ein und verſpaadte
einen großen Teil meiner Arbeitskraft auf die literariſche und
redneriſche Darſtellung der Zuſtände im beſetzten Gebiet und
der Ziele der franzöſiſchen Politik. Ich bemühte mich auch, das
Ausland ins Bild zu ſetzen. Immer habe ich mich nach beſtem
Können bemüht, ſachlich und wahrheitsgemäß, ohne Uebertrei=
bungen
und Kränkungen, die Dinge zu ſchildern, wie ſie ſind.
Das iſt mir manchmal ſchwer gefallen. Als in Ingelheim, mei=
niem
Wohnhort, ohne jeden Grund ein armes deutſches Mäd=
chen
hinterrückts erſchoſſen wurde, als in der Nähe in wenigen
Monaten vier entſetzliche Morde an deutſchen Männern und
Frauen geſchahen, habe ich deutlich und offen die Dinge beim
Namen genannt, mich aber immer bemüht, anderer und meine
Empörung in den Grenzen zu halten, die bei einem Bewohner
des beſetzten Gebietes geboten ſind. Ich wollte ſo lange als
möglich der parlamentariſche Anwalt meiner Heimatprovinz
Rheinheſſen bleiben. Ich glaube in der Vertretung der unter
Einquartierungslaſten, Mißhandlungen, wirtſchaftlichen Schüden
und Schikanen aller Art ſchwer leidenden Bevölkerung Rhein=
heſſens
, Heſſen=Naſſaus und der Nahegegend nichts verſäumt zu
haben.
Am 24. März 1922 erfolgte meine Vernehmung vor der fran=
zöſiſchen
Behörde in Mainz, wo man mir in höflicher Form
verſchiedene Reden und Aufſätze zum Vorwurf machte. Die inter=
alliierte
Rheinlandkommiſſion beſchloß dann, mich auszuweiſen,
wei, ich meine Haltung nicht ändere. Dieſer Beſchluß, in ver=
letzende
Ausdrücke gefaßt, wurde mir mündlich mitgeteilt. In
meiner Tätigkeit fuhr ich fort, nunmehr die Ausweiſung vor
Augen. Es galt, ſo zu handeln, daß ich weder abſichtlich die
Ausweiſung herbeiführte, um innerlich feſt dieſes Unglück be=
ſtehen
zu können, noch um einen Schritt von dem Wege meiner
deutſchen und parlamentariſchen Pflicht abzuweichen. Ende 1922
erfolgte eine neue Beſchwerde über Reden am Rand des be=
ſetzten
Gebietes.
Die Ereigniſſe an der Ruhr zündeten am Rhein. Was wir
Führer im Laufe der Jahre manchmal vermißten, die aktive
Teilnahme der breiten Volksmaſſen, entſtand über Nacht ſpon=
tan
aus der Bevölkerung heraus. Der 24. Januar 1923, der
Tag des Thyſſen=Prozeſſes in Mainz, mit den ungeheuren, von
allen Volksſchichten getragenen Demonſtrationen, iſt ein unver=
geßliches
Ereignis. Wir haben uns alle bemüht, in dieſen Tagen
ſojohl die Glut der einheitlichen Geſinnung und der opferwilli=
gen
Hintanſetzung perſönlicher Rückſichten zu ſtärken, wie auch
von Gewalttätigkeiten abzuraten. Es war ein Stück ſchwerer
und innerlich höchſt anſtrengender Arbeit. Ich ſchäme mich nicht,
dara mitgewirkt zu haben.
Dann kam der Eiſenbahnerſtreik mit Zugentgleiſungen ge=
rade
in meiner engeren Heimat. Wir wurden in den Belage=
rungszuſtand
verſetzt, die Preſſe völlig unterdrückt, dann hörte
die Poſt auf zu arbeiten, und wir lebten tagelang döllig abge=
ſchnitten
von jedem Verkehr und jeder Information. Um ſo
enger ſchloſſen wir uns über die Parteien hinweg zuſammen.
Nachden: das Aergſte überſtanden war, verreiſte ich nach dem
Süden Deutſchlands, und dort in München erreichte mich aus
dem Munde eines Reichstagskollegen die Nachricht von meiner
Ausweiſung.
Nacb der Heimat, dem Rhein, dem geliebten Strom, und zu
den Schickſalsgenoſſen, die weiter aushalten müſſen und wverden,
darf ich nicht mehr zurück. Ich will aber die Hand nicht vom
Pfluge nehmen und wie bisher, ſoweit es in meinen Kräften
ſteht, mithelfen, daß der deutſche Rhein wieder frei wird.

Pfarrer Korell erhielt u. a. nachſtehende Telegramme:
Ihre Ausweiſung aus Ihrer heſſiſchen Heimat am Rhein
iſt eine Vergewaltigung urſprünglichſten Menſchenrechts, wie der
wichtigſten demokratiſchen Einrichtungen, ein Ehrenmal für Sie
auf alle Zeit, eine Schmach für die, die dieſe Willkür uater
Mißbrauch des Namens der Demokratie befahlen. Die Reichs=
regierung
danlt Ihnen wie allen Volksvertretern des Rhein=
landes
, die für Freiheit und Heimat trotz ihrer Bedrohung wir=
ken
, aufrichtig in verpflichtender Treue.
gez.: Reichskanzler Cuno.
Empörung über Ihre Ausweiſung allgemein. Wärmſter
Dank namens Heſſenlandes dem mt= und kraftvollen Vor=
kämpfer
deutſchen Rechts im beſetzten Gebiet.
gez.: Staatspräſident Ulrich.
Die Antwort der franzöſiſchen Regierung
auf die deutſche Denkſchrift.
Die Rechtswidrigkeit der Sanktionsmaßnahmen.
Berlin 11. März. Von unterrichteter Seite wird der
Telegraphen=Union geſchrieben: Havas veröffentlicht
die vor einigen Tagen angekündigte Zirkularnote der franzöſi=
ſchen
Regierung, worin dieſe die deutſche Denkſchrift vom 15.
Februar über die Rechts= und Vertragswidrigkeit der franzö=
ſiſch
=belgiſchen Maßnahmen zu widerlegen ſucht. Die Antwort iſt
in ihrer rechtlichen Beweisführung ſo fadenſcheinig, daß
man ſie nur als den Verſuch einer großen Irrefüh=
rung
der öffentlichen Meinung bezeichnen kann.
1. Nach der franzöſiſchen Zirkularnote ſoll die Note der Re=
parationskommiſſion
vom 21. März 1922, die für den Fall von
Rückſtänden bei den deutſchen Naturallieferungen ausdrücklich
die Zahlung einer Erſatzfumme in bar vorſehe, durch den deut=
ſchen
Antrag auf Gewährung eines Moratoriums ihre Bedeu=
tung
verloren haben. Das iſt ſchon deshalb nicht richtig, weil die
Redarationskommiſſion über den Antrag im Laufe des Jahres
1922 gar nicht entſchieden hat. Solange eine ſolche Entſcheidung
nicht vorliege, iſt die Note der Reparationskommiſſion die Nechts=
grundlage
für die deutſchen Verpflichtungen. Tatſächlich hat
Deutſchland auch ſeine Leiſtungen gemäß der Note bis zum
Schluß des Jahres 1922 und ſogar noch darüber hinaus fort=
geſetzt
. Die gegenteilige Behauptung der franzöſiſchen Zirkular=
note
iſt vollſtändig aus der Luft gegriffen.
2. Die franzöſiſche Regierung will ihre Befugnis zu terri=
torialen
Sanktionen aus dem § 18 mit der Begründung her=
leiten
, daß die Beſetzung des Ruhrgebiets von den alliierten Re=
gierungen
ſchon in zwei früheren Fällen vorgeſehen worden ſei
ohne daß Deutſchland dagegen proteſtiert habe. In dem Proto=
koll
von Spa iſt die Beſetzung des Ruhrgebiets allerdings an=
gedroht
worden. Dieſe Androhung beweiſt nicht, daß die Be=
ſetzung
rechtmäßig geweſen wäre. Vor allem verſchweigt aber
die franzöſiſche Regierung, daß die deutſche Delegation das Pro=
tokoll
vom 16. Juli 1920 nur unter ausdrücklichem
Vorbehalt desjenigen Artikels unterzeichnet hat, worin von
dem Plan der Beſetzung des Ruhrgebiets die Rede war. Aehn=
lich
liegt dr
Londoner Ultimatum vom

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 12. März 1923.

Rummer 70.

3. Die franzöſiſche Regierung will das deutſche Argument,
daß die Rückſtände bei den Holz= und Kohlenlieferungen in
keinerlei Verhältnis zu den franzöſiſchen Sanktionen ſtehen, mit
der Begründung entkräften, daß Deutſchland den Vertrag von
Verſailles von ſeinem Inkrafttreten an nicht vorſchriftsmäßig
erfüllt habe. Dieſe Behauptung geht ſchon deshalb fehl, weil
die franzöſiſche und die belgiſche Regierung ihre Entſchließung
zum Einbruch in das Ruhrgebiet nach ihrer amtlichen Notifi=
kakion
an die deutſche Regierung vom 10. Januar 1923 nicht auf
das allgemeine Verhalten Deutſchlands in der Erfüllung des Frie=
densvertrages
, ſondern ausſchließlich auf die beiden Beſchlüſſ=
der
Reparationskommiſſion über die Rückſtände bei den Holz=
und Kohlenlieferungen geſtützt haben. Tatſächlich war für ſie
auch eine andere Möglichkeit, ſich des § 18 zu bedienen, nicht
gegeben. Ueberdies ſind aber die von der franzöſiſchen Regie=
rung
zum Nachweis der mangelhaften Vertragserfüllung ange=
gebenen
Ziele völlig irreführend. Legt man die allein maß=
gebenden
Feſtſetzungen des Lieferungs=Solls für jede Periode
durch die Reparationskommiſſion zugrunde, ſo ergibt ſich, daß
Deutſchkand bis zu dem in der Zirkularnote angegebenen Datum
des 31. Auguſt 1922 insgeſamt 52,5 Millionen Tonnen zu lie=
fern
hatte und 49,9 Millionen Tonnen geliefert hat. Außerdem
muß aber erneut betont werden, daß auch die geringfügigen
Rückſtände nur auf das Konto unberechtigter Qualitätsforde=
rungen
zu ſchreiben ſind. Ebenſo unrichtig ſind die Angaben
über den Geſamtwert der deutſchen Reparations=
leiſtungen
für die Zeit vor und nach dem 1. Mai 1921. Um
gegenüber der franzöſiſchen Darſtellung ein richtiges Bild der
deutſchen Geſamtleiſtungen an die Alliierten zu geben, braucht
nur auf den in den letzten Wochen mit den Einzelheiten der Be=
rechtung
wiederholt veröffentlichten Betrag hingewieſen zu wer=
den
, der den tatſächlichen Wert der Leiſtungen darſtellt, nämlich
auf den Betrag von 46 (ſechsundvierzig) Milliarden Goldmark.
4. Ohne Zuſtimmung der anderen beteiligten Alliierten
gegen Deutſchland vorgehend, will ſich die franzöſiſche Regierung
auf den Beſchluß der britiſchen Regierung vom Oktober 1920
berufen, wodurch dieſe damals verzichtet habe, deutſches Privat=
eigentum
in England auf Grund des § 18 zu beſchlagnahmen.
Dieſe Argumentation der franzöſiſchen Regierung verdient kaum
eine andere Bezeichnung, als die eines ſchlechten Scherzes. Die
britiſche Regierung hat den in Rede ſtehenden Verzicht aus
eigener Initiative ausgeſprochen. Außerdem muß aber her=
vorgehoben
ſverden, daß die Frage der Nechtmäßigkeit des
britiſchen Verzichtes nicht auf eine Stufe geſtellt wer=
den
kann mit der jetzt zur Erörterung ſtehenden Frage, ob eine
alliierte Macht auf eigene Fauſt Sanktionen gegen Deutſchland
durchführen darf.
Die Kritik, welche die deutſche Denkſchrift an den während
der Okkupation getroffenen Maßnahmen der franzöſiſchen und
belgiſchen Befehlshaber übt, wird in der Zirkularnote mit all=
gemeinen
Behauptungen beandortet, die nirgends den Kern
der Sache treffen. Zunächſt beginnt die Zirkularnote in Ueber=
einſtimmung
mit einer früheren Havasmeldung, das in der deut=
ſchen
Denkſchrift zitierte völkerrechtliche Werk des Franzoſen
Robin über die Okkupation in Friedenszeiten zu widerlegen.
Es handelt ſich um eine gewöhnliche Doktorarbeit, die von der
Payiſer Fakultät mit dem Vermerk verſehen ſei, daß die An=
ſicht
des Verfaſſers nicht als von der Fakultät gebilligt ange=
ſehen
werden könne. In dem uns vorliegenden Exemplar des
800 Seiten ſtarken Buches findet ſich ein ſolcher Vermerk nicht,
wohl aber findet ſich darin, wie wir ſchon früher mitgeteilt
haben, ein Vorwort des Profeſſors Renault, des damaliaen
Juſtitiars des franzöſiſchen Außenminiſteriums, der die Arbeit
mit Worten höchſter Anerkennung den Staatsmännern und
Diplomaten zur Beachtung empfiehlt. Ferner hat der bekannte
franzöſiſche Völkerrechtslehrer Fauchille in ſeiner letzten Aus=
gabe
des Buches des Völkerrechts von Bofils das Robinſche
Buch nicht nur als ein ſehr bemerkenswertes Werk bezeichnet,
ſondern ſich deſſen Ergebniſſen in den weſentlichen Punkten an=
geſchloſſen
. Wir laſſen aber den Wert des Robinſchen Buches
ganz dahingeſtellt. Die deutſche Denkſchrift iſt in der Beweis=
kraft
ihrer Darlegungen davon völlig unabhängig. Dieſen Dar=
legungen
ſelbſt will die Zikularnote mit dem ſeltſamen Einwand
begegnen, daß das Verhalten der Okkupationsarmee eine Folge
der deutſchen Kriegsführung in Frankreich ſei. Der Einwand
iſt um ſo unlogiſcher, als ihm unmitelbar der Satz folgt, Frank=
teich
habe ſtändig die Haager Landkriegsordnung beachtet. Wie
es mit der Beachtung der Landkriegsordnung auf Seiten Frank=
reichs
ſteht, ergibt ſich daraus, daß ſich die Zirkularnote für die
Rechtmäßigkeit der Kohlenrequiſitionen und der Abſchnürung
der beſetzten Gebiete vom übrigen Deutſchland lediglich auf den
paſſiven Widerſtand Deutſchlands berufen kann. Sie
verſteift ſich dabei auf die Behauptung, daß dieſer paſſive Wider=
ſtand
ein Bruch des Vertrages von Verſailles ſei. Eine der=
artige
Theſe bedarf keiner Widerlegung. Noch willkürlicher iſt
die Begründung, welche die Zikularnote für die ſonſtigen An=
ordnungen
der franzöſiſchen und belgiſchen Befehlshaber im
Einbruchsgebiet und für die neuen Ordonnanzen der Rhein=
landkommiſſion
gibt. Die Ordonnanzen ſeien regelrecht nach
dem Rheinlandabkommen erlaſſen und ſeien ebenſo regelrecht
auf das Einbruchsgebiet ausgedehnt worden. Wir brauchen in
dieſer Hinſicht nur auf die vor wenigen Tagen im engliſchen
Parlament abgegebene Erklärung eines britiſchen Regierungs=
vertreters
zu verweiſen, der feſtgeſtellt habe, daß die Rheinland=
kommiſſion
Ordonnanzen nur für das altbeſetzte Gebiet erlaſſen
darf. Die Rechtswidrigkeit der neuen Ordonnanzen für das
altbeſetzte Gebiet will die Zirkularnote mit einem Urteil des
Reichsgerichts vom 25. September 1922 beweiſen, das die Be=
amten
und die Bevölkerung des beſetzten Gebiets angeblich für
verpflichtet erklärt, die Anordnungen der Beſatzungsbehörde,
ungeachtet entgegenſtehender Weiſungen deutſcher Behörden, zu
befolgen. Die Reichsregierung hat der Rheinlandkommiſſion
demgegenüber ſchon bei einer anderen Gelegenheit früher ein=
gehend
dargelegt, daß eine derartige Auslegung des Urteils
falſch ſei. Hinſichtlich der in der deutſchen Denkſchrift an letzter
Stelle behandelten Beſetzung der badiſchen Städte Offenburg und
Appenweier beſchränkt ſich die Zirkularnote auf die einfache Wie=
derholung
der Behauptung der franzöſiſchen Regierung, daß
dieſe Beſetzung die Sanktion für die Einſtellung von zwei inter=
nationalen
Zugverbindungen und für andere, nicht näher be=
zeichnete
deutſche Vertragsverletzungen ſei. Auf die Ausführun=
gen
der deutſchen Denkſchrift, welche die Völkerrechtswid=
rigkeit
der Beſetzung ſelbſt für einen hier nicht zutreffenden
Fall nachgewieſen hat, daß auf deutſcher Seite eine formale Nicht=
erfüllung
des Vertrages zugegeben werden mußte, geht die Zirku=
larnote
mit keinem Wort ein.
Als Geſamtergebnis können wir hiernach feſtſtellen, daß die
Ausführungen der franzöſiſchen Zirkularnote in allen Punk=
ten
unhaltbar ſind. Sie können die deutſchen Argumente
nicht erſchüttern, tragen vielmehr durch ihre Oberflächlichkeit,
Unrichtigkeit und Unwahrhaftigkeit lediglich dazu bei
den franzöſiſchen Rechtsbruch bloßzuſtellen.
Die Münchner Hochverratsaffäre.
München, 10. März. (Wolff.) Zur Münchener Hochver=
ratsangelegenheit
wird amtlich mitgeteilt: Nach den bisheri=
gen
Erhebungen iſt anzunehmen, daß wenigſtens vom Theater=
direktor
Fuchs und vom Kapellmeiſter Machhaus beabſih=
tigt
worden iſt, die baheriſche Regierung zu beſeitigen und an
ihre Stelle einen Regentſchaftsrat zu ſetzen, der die Vorbedin=
gungen
für einen Uebergang zur künftigen Monarchie bilden
ſollie. Die Errichtung ſollte aber nicht Selbſtzwveck ſein, ſondern
nur ein Mittel zur Abwehr der drohenden bolſchewiſtiſchen Ge=
fahr
. Um ſich angeblich für diefen Plan die wohlwollende Neu=
tialität
Frankreichs zu ſichern, traten die beiden Genannten mit
dem franzöſiſchen Agenten Richert in Verbindung, deſſen Feſt=
nahne
nicht gelang. Alle Nachrichten über Waffenlieferungen an
die Verſchwörer ſind falſch. Ebenſo falſch ſind die Mitteilungen
über die Beteiligung politiſcher oder in der Oeffentlichkeit ſtehen=
der
belannter Perſönlichkeiten. Keine politiſche Partei wußte
etwas von dem Unternehmen.

Stadt und Land.
Darmſtadt, 12. März.
Sparſamkeit im Kohlenverbrauch,
Nachdem es nunmehr dem Reichskommiſſar für die Kohlen=
verteilung
gelungen iſt, eine Ueberſicht darüber zu ſchaffen, in
welchem Umfange es möglich ſein wird, aus deutſchen unbeſetz=
ten
Steinkohlenbezirken Erſatz für die bekanntlich in hieſiger
Gegend vollkommen ausfallenden Ruhrſteinkohlen zu ſchaffen.
muß eindringlich darauf aufmerkſam gemacht werden, daß dieſe
Aushilfsmaßnahmen nur für unbedingt lebenswich=
tige
Betriebe möglich ſein werden. Zu dieſen
lebenswichtigen Betrieben gehören außer den öffentlichen Wer=
ken
(Gas=, Waſſer= und Elektrizitätswerke) in der Hauptſache
nur noch Nahrungsmittelbetriebe. Wenn es auch für die übrige
Induſtrie augenblicklich unter Ausnützung des gegenwärtigen
Markſtandes noch möglich iſt, ſich engliſche Kohlen zu annähernd
den gleichen Preiſen zu beſchaffen, wie ſie für Ruhrſteinkohlen
gezahlt weiden müßten, ſo muß doch im Intereſſe der Volks=
wirtſchaft
und der betroffenen Induſtrie im beſonderen zu äußer=
ſter
Sparſamkeit in der Verwendung guter Steinkohlenſorten
geraten werden. Die Induſtrie hat bereits mehrere Male, zu=
letzt
nach dem Abkomen von Spa, bewieſen, daß ſie ſich den
Zeiten allergrößten Steinkohlenmangels anzupaſſen verſteht. Die
damals geſammelten Erfahrungen müſſen nun wieder ausge=
nützt
werden. Unter Anwendung des Grundſatzes, daß gute
Steinkohlen nur dort verfeuert werden dürfen, wo ſich der gleiche
Zweck mit minderwertiger Kohlenſorte nicht erreichen läßt, muß
wieder zu ausgiebiger Verwendung der Rohbraunkohle über=
gegangen
werden. Nur ſo wird es der Induſtrie möglich ſein,
eine Stillegung ihrer Betriebe aus Kohlenmangel für die nächſte
Zeit zu verhüten.
Es muß andererſeits auch erwartet werden, daß jeder un=
nötige
Verbrauch, auch der minderwertiger Sorten, unterbleibt.
Alle überflüſſigen Aufwendungen werden daher eingeſtellt wer=
den
müſſen. Hierher gehören z. B. alle Lichtreklamen, auch über=
mäßige
Schaufenſterbeleuchtung und dergleichen. In dieſer Be=
ziehung
dürften in Kürze Einſchränkungsvorſchriften der Lan=
desbehörden
zu erwarten ſein.
Sollten trotz aller Sparmaßnahmen einzelne Firmen nicht
in der Lage ſein, ohne fremde Unterſtützung ſich ſelbſt die nötigen
Brennſtoffe, zu beſchaffen, dann wollen ſich dieſelben an die
Preußiſch=Heſſiſche Kohlenwirtſchaftsſtelle, Frankfurt a. M.,
Obermainſtraße 51 I, Tel. H. 9284, wenden, welche verſuchen
wird, aus etwa greifbaren Beſtänden eine ſofortige Aushilfe zu
beſchaffen. Es empfiehlt ſich aber, derartige Mitteilungen nicht
im letzten Moment zu machen, ſondern ſtets ſo frühzeitig an die
Kohlenwirtſchaftsſtelle heranzutreten, daß derſelben tatſächlich
die Schaffung einer Aushilfe noch möglich iſt.

Fraget der Geldentwertung. Unter Bezugnahme auf die in vori
ger Woche ſtattgehabte Anzeige weiſen wir nochmals darauf hin, daß der
Vortrag des Herrn Rechtsanwalts und Notar Staedel heuts aben!
im Fürſtenſaal ſtattfindet. Angeſichts der zur Erörterung gelangender
Fragen, welche bei der augenblicklichen Wirtſchaftslage und den Wäh
rungsverhältniſſen von der größten praktiſchen Bedeutung ſind, dar
wohl mit einem ſtarken Beſuch des Vortrages gerechnet werden.
Ruhrhilfe. Berichtigung. In der geſtrigen Veröffentlichun
der von der Heſſiſchen Landwirtſchaft gemeldeten Spender
zur Ruhrhilfe muß es ſtatt Erfelden Beerfelden heißen.

H.T. Der Familienabend der Turngemeinde Darmſtadt 1846 wurd
auf allgemeinen Wunſch am vergangenen Samstag mit vollem Pro
gramm vor einer nicht gerade ſehr zahlreichen Zuhörerſchaft wieder
holt. Die Vortragsfolge begann das Theſta=Orcheſter, mit einen
ſchwungvollen Exöffnungsmarſch, nach dem die Singmannſchaft zwe
prächtige Chöre, durchdrungen vom Glauben an das deutſche Vater
land, unter Leitung ihres Chormeiſters Kehr mit ausgezeichneter Modi
lationsfähigkeit zu Gehör brachte. Dazwiſchen ſtellten verſchiedene Al
teilungen einige nette Gruppen, die den vollen Beifall der Anweſende
fanden. Alsdann folgte, ſozufagen als zweiter Teil, die Aufführun
von Wilkes Operette Verliebte Leute‟. Die Operette mit einer au=
geprägten
Eingangsouvertüre bringt in vielem Anklänge an Strauſ
Wagner u. a., die in freier Kompoſition zu wirkungsvollen Schlager
intoniert wurden. Walzer auf Walzer und darüber ein Inhaltsgebäud
das, ſtofflich wohl unmittelbar in der Nachkriegszeit entſtanden, m
einer Fülle möglicher und unmöglicher, jedenfalls aber komiſcher Szene
eine dramatiſche Verwicklung aufbaut, die ſich zum Schluß in dre
liebende Paare auflöſt. So iſt das ganze Stück auf Schlager berechne
und ſeine Wirkung hängt von deren Gelingen ab. Aber die Spielle
tung des Herrn Bauer hatte dank der ihr zur Verfügung ſtehenden tüd
tigen Kräfte dieſe Stellen vorzüglich herausgearbeitet, ſodaß das Pr
blikum ſeine helle Freude etlebte und durch ſpontanen Beifall be
offener Szene vielfach zu Wiederholungen nötigte, vor allem bei de
Szenen des Barons v. Uchſen (des Herrn Knörzer) und des Euſebir
Nudelmeier (des Herrn Bauer). Neben dieſen Glanzleiſtungen urwüc
ſiger Komik frappierten die Damen Frl. Wagner (Komteß Gertrud
Walz (Ly de la Gu) und Weber (Thusnelda Morgenröte) durch ausg
zeichnetes Spiel. Nicht zuletzt auch in guter Enſemblewirkung de
Graf Arno v. Lesko (des Herrn Göbel) und in kleineren Rollen Gräfi
Bünau (des Frl. Bonarius), Aſſeſſor v. Düſen (des Herrn Exner) un
Amandus (des Herrn Reichert). Die Geſamtwirkung in dem hübſche
Bühnenbild wurde nicht unerheblich begünſtigt durch die flotten Tan
vorführungen, und durch den, der vor dem Vorhang das Orcheſter m
ſicherer Hand leitete: Herr Laun. Den Mitwirkenden aber möge de
Beifall, dem Spielleiter der verdiente Lorbeerkranz die Anerkennun
des Publikums bewieſen haben.
RDV. Gebühren für Reiſegepäck auf Landpoſtfahrten. Für das m
den Landpoſtfahrten beförderte Reiſegepäck, das der Reiſende nicht a.
ſeinem Schoß oder unter ſeinem Sitzplatz unterbringen kann, werder
wie die Reichszentrale für Deutſche Verkehrswerbung mitteilt, vo
jetzt ab beſondere Gebühren erhoben; dieſe Gebühr wird von dem f1
die Landpoſtfahrten zuſtändigen Poſtamt in Anlehnung an die Pake
gebühr und den zu entrichtenden Perſonenfahrpreis feſtgeſetzt. Bei de
Kraftpoſten wurden ſchon bisher beſondere Gebühren für Reiſegepü
erhoben.
Heimatpflegekurſus. Der Kurſus beginnt Dienstag, den 13. Mär
vormittags 9 Uhr, im Saale der Städtiſchen Akademie für Tonkun/
Eliſabethenſtraße 36. Er findet außerordentliches Intereſſe, nicht blt
in den Reihen der heſſiſchen Lehrerſchaft, ſondern auch unter Pfarrer,
Jugendpflegern, Gewerkſchaftsbeamten und Führern der Jugendbew
gung. Erfreulich iſt, daß trotz der außerordentlich erſchwerten Verkehr
bedingungen eine größere Anzahl von Anmeldungen aus dem beſetzke
Gebiet vorliegen. Aus Rheinheſſen wollen eine Reihe von Lehrei
und Lehrerinnen ſogar zu Fuß nach Darmſtadt wandern, um an di
ſem Lehrgang teilnehmen zu können.
u. Schöffengericht I. Aus Rache hat ſich der 22jährige Taglöhn
Johann Jobſt von hier einer ebenſo dreiſten wie gemeinen falſche
Anſchuldigung wider beſſeres Wiſſen ſchuldig gemacht. Er ſtahl ſeine
zeit während der Beſchäftigung bei Gutspächter Pitthan auf de
Karlshof in der Nähe ein Fahrrad, wofür er rechtskräftig zu 8 Monak
Gefängnis verurteilt worden iſt. Dazu trug das belaſtende Zeugn
eines gewiſſen A. bei, und als Vergeltung gedachte J. jenen in
Verfahren wegen Hehlerei zu verſtricken. Er wußte, daß A. auf de
genannten Gut Getreide gekauft und durch den Verwalter Tr. ordnung
mäßig erhalten hatte, bezichtigte aber in ſeiner Anzeige bei der Po.
zei, 2r. habe im Einverſtändnis mit dem andern jeweils einen halbe
Zentner zu viel gewogen. Die Haltloſigkeit des Vorwurfs und der bo
Glaube des Angeklagten ſind klar erwieſen, und das Urteil lautet un
Einbeziehung der Diebſtahlsſtrafe mnmehr auf insgeſamt 1 Jahr G.
fängnis, obwohl J. auf der Lüge beharrt. Der 40jährige, bisher 1
beſtrafte Arbeiter Adolf Krahn von hier erhielt wegen fortgeſetzk
Diebſtahls 3 Monate Gefängnis. Er duar in der Merckſchen Fabrik /e
längeren Jahren bei entſprechendem Lohn beſchäftigt und wurde ein
Tages beim Verlaſſen des Betriebs mit einer Flaſche entwender
Sprits abgefaßt. Die Hausſuchung ergab noch weiteren ſolchen nel
anderen Stoffen und 250 Gramm aus gleicher Quelle herrührend
Feinſilber von insgeſamt etwa 60 000 Mark Wert. Von einer in d
Hauptſache bereits längſt rechtskräftig erledigten hieſigen Kokainſchiebng
war noch die ſeitens des Johann Graile von München damals 4
leiſtete Beihilfe rückſtändig. Der wegen Betrugsverſuchs nebſt unbefd
tem Arzneimittelhandel zu 2 Monaten Gefängnis und 5000 Mark Gel
ſtrafe verurteilte eigentliche Schieber hatte ſich der Vermittlung L=
bedient
, um angeblich Kokain (in Wirklichkeit wertloſes Zeug) wei=
zu
veräußern, was ſcheiterte. Gr. war ſelbſt von jenem über die 2
ſchaffenheit der Ware getäuſcht, aber ſtrafbar, weil keine Genehmign!
zum fraglichen Handel vorlag. Erſt kürzlich gelang die Ermittein
ſeines Aufenthalts. Er iſt von Beruf Opernſänger, zurzeit Hausdiene
23 Jahre alt, unbeſtraft, und wurde für die Beihilfe zu 2 Wochen 9"
fängnis verurteilt, die dur
zige Unterſuchungshaft verbüßt ſil

[ ][  ][ ]

Rummer 20.

v. Straſkammer. In der Schlägerei zweier Landwirte aus Klee=
ſtadt
hat die Miſtgabel als gefährliches Werkzeug gedient, und es war
deshalb der Angeklagte Johann Ohl ſchöffengerichtlich zu 20000 Mark
Geldſtrafe nebſt einer Buße von 10 000 Mark für den verletzten Wör=
ner
verurteilt. Letzterer focht in ſeiner Eigenſchaft als Nebenkläger
dieſes ihm zu milde erſcheinende Erkenntnis an, und es fand nochmals
Beizeisaufnahme ſtatt. Die beiden waren über frühere Redereien auf
dem Felde zuerſt in Wortſtreit geraten, worauf O. mit der Miſtgabel
zum Angriff überging und dem Gegner durch Stiche, ſowie Schläge ver=
ſchiedene
Wunden beibrachte. Die dabei noch gefallenen Beleidigungen
hilden den Gegenſtand eines beſonderen Privatklageverfahrens. Das
Berufungsgericht erhöhte die Körperverletzungsſtrafe auf 50 000 Mark
und die Buße auf 20000 Mark unter Belaſtung O,8 mit ſämtlichen
Koſten. Verworfen wurde ferner die auf Freiſpruch gerichtete Be=
rufung
des vom Schöffengericht wegen ſchweren Diebſtahls zu 3 Mo=
naten
Gefängnis verurteilten Wilhelm Pitz aus Bensheim. Es han=
delt
ſich um die mittels nächtlichen Einſteigens ausgeführte Entwendung
eines Ballen Tabaks von 1½ Zentnern Gewicht und damaligem Wert
von 5000 Mark aus dem Lager der dortigen Firma Auler. P. hatte
ſelbſt urſprünglich eingeräumt, Wache geſtanden zu haben, während der
Mittäter Neuter die Beute aus dem Fenſter beförderte, erhielt auch
nach dem in Frankfurt bewirkten Abſatz einen Teil des Erlöſes. Dem=
gegenüber
verfingen ſeine nunmehrigen Ausreben nicht. Die erſtinſtanz=
lichen
Strafen der übrigen am Diebſtahl bzw. der Begünſtigung und
Hehlerei Beteiligten ſind rechtskräftig.
*8 Geſetz zum Schutze der Hypothekengläubiger. Ein Antrag Düi=
ringer
(Deutſchnatl.) und dreier weiterer Parteien will die Nückzahlung
von Hhpotheken durch 4 Jahre an die Zuſtimmung der Gläubiger bin=
den
. Der Antrag iſt in der Reichstagsſitzung vom 8. d. M. bereits ohne
Debatte an den Rechtsausſchuß überwieſen worden.
Konzert.
E.N. Die zwei Vörtragswochen der Volkshoch=
ſchule
begannen mit einer Beethoven=Brahms= Mor=
genfeier
im Kleinen Haus des Landestheaters. Frieda
Schumann, noch in beſter Erinnerung von der ruſſiſcher
Kunſt gewidmeten Feier, und Kapellmeiſter Robert Laugs
ſpielten zwei Sonaten für Violine und Klavier. Lange wurde in
Darmſtadt die Kammermuſik mit Klavier ſehr veinachläſſigt, und
nun hörten wir ſogar an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Kla=
viertrios
und Violinſonaten der beiden genannten Meiſter. Be. de
hatten ihre Rollen vertauſcht, heute war Beethoven in ſeiner
C=Moll=Sonate der Leidenſchaftliche, während die A=Dur=Sonate
eines der freundlichſten, liebenswürdigſten Werke von Brahms,
iſt. Ganz verſchieden war die künſtleriſche Auffaſſung der Aus=
führenden
. Die Gäſte aus Kaſſel ſpielten akademiſch im beſten
Sinne des Wortes. Klarheit der Wiedergabe, ſchöner Ton, liebe=
volles
Nachbilden der Abſichten der Komponiſten, alles bereitete
hohen Genuß, aber die unmittelbare Wärme des Neuſchaffens
war bei Roſenſtock=Drumm=Andreae größer. Wir Darmſtädter
ſind durch Balling und Drumm nun ſchon ſeit einigen Jahren
gewohnt, Vorbildliches in der Phraſierung des Vortrags zu
hören, Roſenſtock bekennt ſich zu gleicher Auffaſſung, und dadurch
fehlt dem Hörer ein Faktor moderner Muſikaufführung auch bei
der Wiedergabe älterer Muſik, wenn im herkömmlichen Stil
muſiziert wird. So empfand man auch in dem Be thovenſchen
langſamen Satz die verſchiedene Darſtellung der gleichen akkor=
diſchen
Begleittiguren in Violine und Klavier als eine Unvoll=
komenheit
. Brahms, der von ſelbſt zu freierem Vortrag auf=
fordert
, lag den beiden Gäſten entſchieden beſſer. Im ganzen
ſind wir herzlich dankbar, die beiden herrlichen Sonaten mit
ſolcher Künſterſchaft ausgeführt gehört zu haben.
An Stelle des aus Kaſſel nicht beurlaubten Sängers trug
Fräulein Albrecht vom hieſigen Landestheaters vier Lieder
von Brahms in ihrer ſchlichten und herzlichen Art vor. Es iſt
ein befonderer Genuß, ihre warme, nie forcierte, angenehme
Stimme zu hören. Herr Dietrich begleitete ſie. Ein kurzer
Vorſpruch des Leiters der Volkshochſchule, Dr. Bräuning=
Oktavio, enträtſelte für viele zum erſtenmal die Hieroglyphen
des Mottos: Du ſollſt das den beiden Vortragswochen wie ein
Weckruf vorangeſchickt wird, und vertiefte den Gedanken in ſeiner
Bedeutung für den Augenblick. Die gut beſuchte Veranſtaltung
war reich an innerem Wert und fand reichen Dank.

Dattz=ſtädter Taxblatt, Montag, dent 12. März 1923.

Seite 3.

Frage einnehme. In der erſten /Hälfte ſeiner Rede ſei er Feuer und
Flamme, daß gebaut würde, in der zweiten Hälfte male er alles mit
ſchwärzeſten Farben aus, ſo daß jedem Bauluſtigen dadurch von vorn=
herein
jede Courage nach ſolchen Worten abgekauft wurde. Beſonders
ein Redner wies darauf hin, welch große Werte die Stadt in ihren Wäl=
dern
, Wieſen und Aeckern beſitzt, wie ungeheuer wichtig es ſei, ſofort zu
bauen und nicht wieder in den Fehler zu fallen wie die ganzen Jahre
her, aus verkehrtem Sparſamkeitsprinzip zu warten und dieſe Frage
hinauszuſchieben, bis die Materialien ſo ungeheuer teuer im Werte ge=
ſtiegen
ſeien, daß an ein Bauen überhaupt nicht mehr gedacht werden
könne. Vergebens. Nach langer Ausſprache wurde zur weiteren
Klärung dieſe Frage wiederum zurückgeſtellt. Beſtattungs=
weſen
: Nachdem der letzte Beſchluß betr. Einführung des Beſtat=
tungsweſens
nochmals einer Reviſion durch die Finanzkommifſion unter=
zogen
wurde, wurde der Antrag desſelben, daß ſämtliche Koſten inkl.
Sarg von der Gemeinde getragen werden, einſtimmig angenommen
Lediglich für die Herſtellungskoſten des Sarges durch den Schreiner
haben die Angehörigen aufzukommen, während das Holz dem Schrei=
ner
von der Stadt freigeſtellt wird. Infolge der fortſchreitenden
Teuerung und Geldentwertung iſt unter dem Vorſitz des Bürgermeiſters
zwiſchen den örtlichen Vertretern des Hausbeſitzervereins und des
Mietervereins beſchloſſen worden, ab 1. März d. J., vorerſt nur für
dieſen Monat gültig, folgende Hundertſätze zur Grundmiete zu erheben:
Für Zinſen 60, Betriebskoſten 30, Brandverſicherung 100, Verwaltungs=
koſten
60, laufende Inſtandſetzungskoſten 600, große Inſtandſetzungs=
koſten
1550, Summe 2400 oder den 25fachen Betrag der Friedensmiete.
Für größere gewerbliche Betriebe wurde ein weiterer Zuſchlag von 500
Hundertſätzen vereinbart, ſodaß hier der 30fache Betrag bezahlt werden
muß.
Beſteht die Goldwährung noch zu Recht?
* Das Reichsmünzgeſetz vom 1. Juni 1909 beſtimmt in 8 1: Im
Deutſchen Reiche gilt die Goldwährung. Ihre Rechnungseinheit bildet
die Mark welche in 100 Pfennige eingeteiit wird. Das Geſetz vom
4. Auguſt 1914 betr. Aenderung des Münzgeſetzes beſagt: § 1. Bis
auf weiteres werden die Vorſchriften im § 9 Abf. 2 Satz 2 und 3 des
Münzgeſetzes vom 1. Juni 1909 dahin geändert, daß anſtelle der Gold=
münzen
Reichskaſſenſcheine und Reichséankuo=; verabfolgt werden
können. § 2. Der Bundesrgt wird ermächtigi, den Zeitpunkt zu beſtim=
men
, zu welchem die im § 1 dieſes Geſetzes bezeichneten Vorſchriften
wieder in Kraft treten. § 9 Abſ. 2 Satz 2 und 3 des Münzgeſetzes hat
folgenden Wortlaut: Der Bundesrat bezeichnet diejenigen Kaſſen,
welche Goldmünzen gegen Einzahlung von Silbermünzen in Beträgen
von mindeſtens 200 Mark oder von Nickel= und Kupfermünzen in Be=
trägen
von mindeſtens 50 Mark auf Verlangen verabfolgen. Er ſetzt
zugleich die näheren Bedingungen des Umtanſches feſt. Wenn auch
das Gold als Umlaufsmittel verſchwunden iſt, ſo iſt die Währung doch
als Wertmeſſer beſtehen geblieben. Die Goldwährunrg iſt bis zur
Stunde durch ein Geſetz nicht beſeitigt und beſteht zu Recht.

r. Pfungſtadt, 11. März. Aus dem Ruhrgebiet werden 50
Kinder in hieſigen Familien, die ſich dazu bereit erklärt haben, unter=
gebracht
werden.
ds. Hetpenheim a. d. B., 11. März. Bei der am 5. März abgehal=
tenen
Stadtratsſitzung ſtand als erſter und wichtigſter Punkt
wiederum die Wohnungsbaufrage zur Erörterung. Welch außergewöhn=
liches
Intereſſe gerade dieſer z. Z. brennendſten Frage von Seiten der
ganzen Bevölkerung bei der hier herrſchenden großen Wohnungsnot
entgegengebracht wird, zeigte der überaus ſtarke Beſuch aus allen Schich=
ten
der Einwohnerſchaft, die gekommen waren, um ſich die Debatten
anzuhören und auf den endlichen Beſchluß hofften, daß endlich einmal
mit friſchem Wagemut dieſe Frage geregelt und eine Reihe kleiner
Häuſer gebaut würden. Doch leider kam es noch nicht dazu. Obwohl
der Bürgermeiſter bei ſeiner Eingangsrede in allen Tonarten darauf
hinwies, daß es umbedingt erforderlich fei, daß gebaut würde und immer
und immer wieder darauf hinwies, wie groß hier das Wohnungselend
iſt, ſo betonte er in der zweiten Hälfte ſeiner Rede, welch ungeheure
Koſten dieſe Neubauten z. Z. verurſachen wüirden und daß die Stadt
eine Anleihe von 400 Millionen Mark zum Bau von ca. 10 kleinen Häus=
chen
aufnehmen müſſe und er nie und nimmer ſeine Zuſtimmung dazu
geben könne, bevor nicht die Aufbringung des Geldes geregelt ſei. Eine
lebhafte Debatte ſchloß ſich an dieſe Ausführungen und der Bürger=
meiſter
mußte ſich von verſchiedenen Stadträten in der Diskuſſion den
Vorwurf machen laſſen, daß er wiederum keine klare Stellung zu dieſer

Reich und Ausland.
Empfang eines Hapagbampfers in Spanien.
D.A.I. Der Habagdampfer Toledo iſt auf ſeiner erſten Ausreiſe
in dem ſpaniſchen Hafen La Coruna von den dortigen Behörden und
einer Abordnung der Stadt Toledo feſtlich empfangen worden. Beim
Feſteſſen an Bord betonte der Vertreter der Hamburg=Amerika=Linie
die engen wirtſchaftlichen Beziehungen zwiſchen Deutſchland und
Spanien. Das finde auch darin feinen Ausdruck, daß die Mehrzahl der
Schiffe der Hamburg=Amerika=Linie den Namen ſpaniſcher Städte
trügen. Der Bürgermeiſter von Toledo überreichte zum Dank eine künſt=
leriſch
ausgeführte Adreſſe der Stadt. Beſatzung und Paſſagiere des
Dampfers waren Gegenſtand herzlicher Kundgebungen ſeitens der
Bevölkerung.
Der Dampfer=Fahrplan nach Helgoland.
RDV. Die Dampferverbindung nach Helgoland wird vom 6. März
bis einſchließlich 15. Mai wöchentlich einmal durchgeführt, und zwar, ab
Kuxhaven jeden Dienstag ab 12 Uhr mittags, an Helgoland 3 bzw. 4 Uhr;
ab Helgoland jeden Donnerstag (am 6. und 20. 3., am 3. und 17. 4.
und am 1. und 15. 5.) um 11 Uhr vormittags, an den übrigen Donners=
tagen
um 9,30 bzw. 10 Uhr vormittags, an Kuxhaben 2 Uhr nachmitmgs.
am 15. 3., 29. 3. und 12. 4. um 12 Uhr mittags. Der Fahrpreis be=
trägt
für die einfache Fahrt 8000 Mark, Gepäck (10 Kg.) 240 Mark.
In dieſem Jahre werden auf Helgoland eimige neue Hotels eröffnet
werden; das Kurhaus iſt von der Hotelbetriebs=Geſellſchaft m. b. H.
Helgoland übernommen und gründlich in Stand geſetzt worden. Das
ehemalige Offiziers=Kaſino im Oberland iſt ebenfalls von der Hotel=
betriebs
=Geſellſchaft übernommen und zu einem erſtklaſſigen Reſtaurant
hergerichtet worden. Das Kurhaus iſt vom Mai bis Oktober, das Kaſino
während des ganzen Jahres geöffnet.

Stimmen aus dem Leſerkreiſe.
(Für die Veröffentlichungen unter dieſer Ueberſchrift übernimmt die Redakiion
ſeinerle: Verantwortung; für ſie bleibt auf Grund des s 21 Abſ. 2 des Preſſe=
geſetzes
in vollem Umfange der Einſender verantwortlich.)
Einſendungen, die nicht verwendet werden, können nicht zurückgeſandt, die Ablehnung
nicht begründet werden.
Im Oktober 1921 lieh ich einem Hauskäufer auf Hypotheke
34 000 Mark. Damals koſtete das Haus 85 000 Mark. Jetzt verkaufte
der Herr das Haus für 6 000 000 Mark wovon er mir 34 000 Mark zu=
rückzahlte
. Iſt das nicht herrlich? Wo bleibt die Gerechtigkeit? Ob
er das Haus herſtellen ließ, ſodaß wenigſtens die Mieter zufrieden ſein
können, weiß ich nicht. Wäre hier nicht die Schaffung eines Geſetzes
zweckmäßig, daß in Fällen vorliegender Art der Gewinn mit einem
großen Prozentſatz dem Reich, Staat, Stadt oder Gemeinde zufallen
müßte, die aus dem Betrag neue Wohnungen bauen könnten? Der
Hyprthekengläubiger muß ja auch mit ſeinem Betrag zufrieden ſein,
warum kann dann nicht auch der Hausbeſitzer der hier 51000 Mark zu
erhalten hätte, zufrieden ſein? Auf alle Fälle müßte darauf beſtanden
werden, daß bei einem Hausverkauf aus dem Gewinn das Haus innen
und außen, ſoweit notwendig, herzuſtellen wäre. Dann würden auch
wieder aus Ruinen Häuſer werden, wenn vielleicht auch etwas
ſpät.
A. Sch.

Ausbau des Seeheimer Rathauſes zu einer Polizei=
dienerwohnung
?
Befrenden in allen Kreiſen der Bevölkerung Seeheims hat ein
Gemeinderatsbeſchluß der vorletzten Sitzung hervorgerufen, betr. Aus=
bau
des Seeheimer Rathauſes zu eimer Polizeidienerwohnung, der mit
8 gegen 5 Stimmen genehmigt wunde. Iſt es bei uns in Seeheim wirk=
lich
nun ſo weit mit der Wohnungsnot gekommen, daß man im Rathaus
anfängt, meterdicke Wände durchzubrechen und zu verſetzen, den Trep=
penaufgang
entfernt, der erſt vor einigen Jahrzehnten, durch Entfernung
einer ſtattlichen doppelten und überdachten ſteinernen Freitveppe, nen
geſchaffen wurde. Das Zimmer für die Gemeindewage muß verkleinert
wwerden; kein Sektionszimmer wird mehr vorhanden ſein. Die Bequem=
lichkeiten
des neuen Treppenaufganges zum Arbeitszimmer der Bürger=
meiſterei
fallen für immer fort. Mehrere Millionen Mark werden ver=
baut
werden, und der Polizeidiener hat eine dunkle, kalte Woh=
nung
, die in keiner Weiſe genügen wird und viel Geld koſtet. Wenn
auch der Ausbau bereits genehmigt iſt, und der Bauplan fertig (die Ge=
nehmigung
vom Kreisbauamt bezweifle ich), ſo glaube ich doch im Namen
vieler Bürger Seeheims die Bitde ausſprechen zu düirfen, dieſen Punkt
nochmals auf die Tagesordnung kommender Gemeinderatsſitzungen zu
ſetzen und zu erwägen, ob nicht eine andere Möglichkeit beſteht, in See
heim für den Polizeidiener eine Wohnung zu ſchaffen, die weniger die
Gemeindekaſſe belaſtet, wie die oben erwähnte.
Spiel, Sport und Turnen.
Fußball.
Eintracht=Frankfurt,Sportverein‟=Darmſtadt
3: 1 (Halbzeit 2:0).
e Das in beſter Verfaſſung befindliche Stadion hatte geſtern wie=
der
einen großen Tag. Zahlreiche Zuſchauer, echtes Fußballer=Wetter
und einen anſprechenden Gegner gaben den Anhängern des Sport=
vereins
den nötigen Reiz. Eintracht=Frankfurt, eine Mannſchaft von
Namen und Klang, verfehlte nicht, wie vorauszuſehen war, ihre An=
ziehungskraft
. Es verdient alle Anerkennung, daß der Sportverein
keinen Gegner von Stärke ſcheut, ſobald er in der Lage iſt, die aufzu=
wendenden
Koſten für ein ſolches Spiel zu beſtreiten. Trotzdem wird man
geſtehen müſſen, in gewiſſem Sinne hat der heutige Gegner etwas ent=
täuſcht
. Hätte ſich Eintracht die Eigenart mancher Frankfurter Mann=
ſchaften
nicht ebenfalls zu eigen gemacht, wir Darmſtädter würden ihr
ſicher jene Sympathie entgegengebracht haben, die manchen anderen
Mannſchaften ſchon zuteil wurde. Das vorlaute Urteil gegen den
Schiedsrichter und die andauernden Reklamationen konnten nicht ge=
fallen
. Das Spiel wäre mit einem Mißton geendet, wenn ſich nicht
einzelne Spieler in der zweiten Halbzeit gefunden hätten. Hierin konnte
uns der ſonſt ſympathiſche Gegner nicht gefallen. Ihre Spielweiſe iſt
eine forſche, mit Erfolg bringendem Draufgehen. Ihre Stütze iſt die
Verteidigung und der Torwächter. Das Spiel beſitzt Syſtem und den
ſtarken Mannſchaften anhaftenden nötigen Elan für den Erfolg. Sport=
vereins
Mannſchaft hat ſchon Beſſeres geleiſtet, hielt ſich aber trotzdem
recht wacker. Es hieß den Einzelnen der Mannſchaft zurückſetzen,
würde man den Anderen beſonders loben. Was die Mannſchaft um
den Erfolg gegen einen ſolchen Gegner bringt, iſt das unvorteilhafte
Syſtem, mit dem die Mannſchaft ſpielt. Das zum Erfolg führende Zu=
ſammenſpiel
hat ihr auch heute wieder der Gegner voraus. Das Spiel
war während der ganzen Zeit offen. Die Tore das Verdienſt geſchickter
Zuſammenarbeit, die bis auf eins nicht zu verhindern waren. Im
ſchnellen. Durchbruch ſchoß Weber für Frankfurt das erſte Tor, und
Szabo gelingt infolge eines Fehlers der Darmſtädter Verteidigung bald
darauf das zweite. Ein für Darmſtadt wegen Faul gegebenen Elf=
meter
ſchießt Stephan, Sackmann in die Hände. Das dritte Tor für
Frankfurt erzielte Beutler infolge eines Eckballes, wobei Ellenbeck zu
früh und zu weit das Tor verlaſſen hatte. Darmſtadts Stürmer gaben
Sackmann mehr Arbeit als ſeinem Gegenüber. In feiner Manier
meiſterte Erſterer hervorragend die ſcharfen Schüſſe. In der zweiten
Halbzeit erſt bewegte ſich das Spiel in ruhigeren Bahnen, bis auf einige
Vorſtöße, die der Schiedsrichter hatte unterbinden müſſen. Kurz vor
Schluß konnte Jacobi unverhofft für Darmſtadt den Ehrentreffer er=
zielen
. Herr Becker aus Pfungſtadt als Schiedsrichter konnte nicht
immer befriedigen. Abgeſehen von allen Begleiterſcheinungen; wir ſahen
Eintracht gerne in Darmſtadt. Der Dank gebührt ihnen einesteils
für ihr Kommen, dem Sportverein anderenteils für ſeine Vermittelung.
H.M. Die Darmſtädter Turnerſchaft errang bei dem
geſtrigen Geländelauf des Turngaues Main=Rhein (D. T.) in Alsbach
folgende Siege: A.=Klaſſe: Einzellauf: 1. Meyer, T. G.D. 1846; 3. Michl,
T. G. D. 1846. Mannſchaftslauf: 1. T. G.D. 1846. Jugendklaſſe,
Einzellauf: 1. Sauerwein, T. G.D. 1846; 2. Will, T. G.D. 1846; 4. Faß=
ler
, Tgſ. D. 1875; 5. Schönwolf, T.G.D. 1846; 6. Hotz, Tgſ. D. 1875.
Mannſchaftslauf: 1. T.G. D. 1846 I., 1. Tgſ. D. 1875; 2. T.G. D. 1846, II:
Die Wanderabteilung der Turngemeinde am Woogs=
platz
unternahm am geſtrigen Sonntag bei herrlichem Wetter eine
ſchöne Wanderung in die vordere Bergſtraße. Frühſtücks= und Mittags=
raſt
konnten im Freien vorgenommen werden. Während der Mittags=
raſt
auf der Ruine der Raubritterburg Tannenburg bei Jugenheim hielt
einer der Turnbrüder eine Vorleſung über die geſchichtliche Bedeutung
der Burgruine und ihrer einſtigen Bewohner.

Tageskalender.
Landestheater, Großes Haus: Geſchloſſen. Kleines Haus,
Anfang 4, 6 und 8 Uhr, Film: Chriſtoph Kolumbus und die Ent=
deckung
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Rechtsanwalt Staedel über Fragen der Geldentwertung. Union=,
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lungen
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Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, Stadt und Land.
Reich und Ausland: Max Streeſe; für den Inſeratenteil: Paul
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Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 12. März 1923.

Nummer 70.

Landwirtſchaft, Sartenbau, Kleintzierzucht und Siedlungsweſen

Die künſtlichen Düngemittel, ihr Ankauf
und ihre Verwendung.
Von
Oberſekretär Kadel=Darmſtadt.
I.
Die deutſche Landwirtſchaft muß es als ihre Aufgabe an=
ſehen
, ſo viel Nahrungsmittel zu erzeugen, als die 60 Millionen
Bewohner des Deutſchen Reichs zu ihrem Lebensunterhalt nötig
haben. Auf ſolcher Ernährung aus eigener Produktion beruht
die wirtſchaftliche Unabhängigkeit eines Landes. Je geringer die
inländiſche Produktion iſt, um ſo mehr muß der Import zu Hilfe
kommen und um ſo größer wird dann auch die Verſchuldung an
das Ausland ſein. Das Ziel, auf das die deutſche Landwirtſchaft
hinzuarbeiten hat, iſt alſo: Steigerung der inländiſchen
Vieh= und Getreideproduktion. Daß dieſes Ziel zu
erreichen iſt, unterliegt gar keinem Zweifel, und die letzten fünf=
undzwanzig
Jahre vor dem Kriege zeigen, welch große Erfolge
die deutſche Landwirtſchaft aufzuweiſen hat. Betrachten wir uns
die Ernteſtatiſtik, ſo ſehen wir, daß die Durchſchnittserträge pro
Hektar geſtiegen ſind, beiſpielsweiſe bei
Roggen . . von 11 Dz. auf 17 Dz.
Beizen .:3 15 Dz. 20 Dz.
Gerſte 15 Dz. 20 Dz.
Hafer. . 14 2z. 19 Dz=
Wieſenheu .. 32 Dz. 42 Dz.
Das ſind Fortſchritte, die durchaus geeignet ſind, uns dem geſteck=
ten
Ziele näher zu bringen. Aber die deutſche Landwirt=
ſchaft
darf ſich damit nicht begnügen, denn die
jetzt geernteten Durchſchnittserträge bedeuten
noch lange nicht das Erreichbare. Bei Anwendung
der modernen Betriebsmittel, bei Befolgung der durch wiſſen=
ſchaftliche
Forſchung feſtgeſtellten Grundſätze und durch intenſive
Zuſammenarbeit von Théorie und Praxis wird ſicher noch eine
weitere bedeutende Steigerung der Ernteerträge möglich ſein.
Einer der Faktoren, die hierbei zu berückſichtigen ſind, iſt die
Ernährung der Kulturpflanzen. Die Zeiten, wo
man ausſchließlich durch Stallmiftdüngung dem Boden die er=
ſorderlichen
Nährſtoffe zuführte, ſind vorüber, und ſeit einigen
Jahrzehnten iſt ein neuer Induſtriezweig zu ungeahnter Ent=
wicklung
gekommen: die chemiſche Düngerinduſtrie.
Welche Bedeutung dieſe erlangt hat, geht aus dem Verbrauch von
lüinſtlichen Düngemitteln herte, der im Jahre 1912 in Deutſch=

land betragen hat: Damals im Werte von rund Dz. Millionen Mark. Thouasmehl 22 000 000 Superdhosphat und 14.500 000 Kaliſalze 26 000 000 Chileſalpeter 10 630 0 ſchwefelf. Ammoniak 1250 000 Guano und Knochenmehl 1 100 60 Kalkſtickſtoff, Kalkſalpeter I.
Stickſtoffdüngemittel. organ.
1000 000 Falkdüngemittel ca. 8000 000 12 Geſamtwert: 649 Mill.

Obgleich Deutſchland mit dieſem Verbrauch unter den Kultur=
ländern
mit an erſter Stelle marſchiert, läßt die Verwendung
künſtlicher Düngemittel bei uns doch noch recht zu wünſchen
übrig. Insbeſondere in den ſogenannten Kleinbetrieben, die
einen recht ſtattlichen Teil unſerer landwirtſchaftlich benutzten
Fläche innehaben, werden wie an diefer Stelle unlängſt be=
reits
ausgeführt worden iſt die künſtlichen Düngemittel noch
viel zu wenig und viel zu ſelten angewandt, und es darf be=
hauptet
werden, daß die geringen Ernteerträge, die man in
dieſen Kreiſen antrifft, zu einem erheblichen Teil auf das Unter=
laſſen
einer rationellen Düngung zurückzuführen ſind. Aber auch
in den Kreiſen der im Nebenberuf tätigen Landwirte ſind
künſtliche Düngemittel zum größten Teil ſo unbekannte Dinge,
und Bezug und Verwendung derſelben bieten ſo große Schwierig=
teiten
, daß es augezeigt iſt, in kurzen Aufſätzen das weite Ge=
biet
der künſtlichen Düngemittel näher zu beſprechen, um ſo Ver=
ſtändnis
und Intereſſe dafür auch bei der erfreulicherweiſe all=
jährlich
wachſenden Zahl der ſtädtiſchen Garten= und Ackerbeſitzer
trachzurufen. Unſere Nahrungsmittelnöte zwingen auch die
zahlreichen in den Städten wohnenden Landbeſitzer, durch ent=
ſprechende
Maßnahmen den Boden ertragreicher zu machen, ſo
daß unter dieſem Geſichtspunkt die Beſprechung des in der Ueber=
ſchrift
angedeuteten Themas, auch in einer ſtädtiſchen Tages=
zeitung
ihre Berechtigung haben dürfte.
Der Ueberſichtlichkeit halber ſollen zunächſt kurze Angaben
über die Gewinnung der wichtigſten Düngemittel gemacht
werden. Auch dieſer Abſchnitt dürfte dem Landwirt willkommen
ſein und ihn über die Eigenart des einen oder anderen Dünge=
mittels
aufklären. Wenn in unſerer Zeit ſo häufig die Forde=
rung
geſtellt wird, den Landwirt geſchäftsfähiger zu machen, ſo

Das ewige Feuer.

Roman von H. Richter.
Anierikaniſches Copyright 1922 by Carl Duncker, Berlin.
(Nachdruck verboten).
An ein Ende ſvollte er nicht denken, aber er brauchte einen
Menſchen, dem er von ſeinem Hoffen und Wünſchen erzählen
konnte, es war ihm, als könne er ſo einen unſichtbaren Begleiter
werben, der ihn nicht verlaſſen würde.
Eine Bitte, Haller, die Sie abſchlagen können, wvenn ſie
Ihnen unbeſcheiden erſcheint. Ihre Frau Schweſter erzählte
von dem gemütlichen Zimmer Ihrer Frau Tante in Steglitz
und von den Abenden, die Sie dort mit ihr zubrachten. Ich
ſehne mich heute nach Nuhe und nach einem Heim. Nehmen
Sie mich mit und laſſen Sie mich dort eine Stunde bei Ihnen
ſitzen.
Der Vorſchlag kam Haller unerwartet, auf eine Dämmer=
ſtunde
mit van Utrecht in Steglitz war er nicht vorbereitet. Was
würde Annelieſe ſagen?. Sie war wohl einverſtanden, aber
war es recht von ihm, ſie nochmals in Gefahr zu bringen?. Der
Holländer merkte ſein Zögern, eine ſcharfe Falte erſchien zwiſchen

ſeinen Brauen.
Es war nur eine Bitte, ich will Sie nicht ſtören.
Nein, heute durfte er es ihm nicht abſchlagen. Der Mann,
der ſich da plötzlich auf ſich allein geſtellt ſah, brauchte Kraft und
vielleicht fand er die da draußen.
Sie ſind uns willkommen, Herr van Utrecht, ſagte er, ich
überlege nur, wie ich meine Schweſter benachrichtigen könne
Man iſt in Steglitz nicht auf Beſuch vorbereitet und hat nichts
im Hauſe.
Der Holländer lachte jungenhaft vergnügt.
Oh, uur uicht anmelden. Wir fahren jetzt raſch durch die
Stadt und kaufen ein, lauter nette Sachen. Und dann kommen
wir bepackt wie die Weihnachtsmänner draußen an. Der Abend
foll ein Feſtag für uns werden, wie wir ihn lange nicht mehr
haben werden.
Soll ich den Wagen beſtellen?
Nein, ich glaube, man muß ſo ein Feſt auch richtig einleiten
und dort draußen paßt es nicht hin, wenn der Chauffeur unſere
Pakete heranſchleppt und wir im Wagen vorfahren. Vor das
Vergnügen haben die Götter den Schweiß geſetzt. Wir wollen
fen, Haller, bis wir die Einkäufe gemacht haben und dann

kann man dem nur zuſtimmen. Der Landwirt ſoll über alles,
wemit er bei Ausübung ſeines Berufes zu tun hat, genügend
vertraut ſein; iſt er das nicht, ſo bleibt er rückſtändig, und auch
ſein Wirtſchaftsbetrieb wird dann nicht auf der Höhe ſein. Das
weite Gebiet ker künſtlichen Düngung iſt ein ganz beſonderes
Feld für die Betätigung des fortſchreitenden Landwirts, und
auch der ſtädtiſche Gartenbeſitzer wird, wenn er ſeinem Boden
das Höchſterreichbare entziehen will, ſich mit den künſtlichen
Düngemitteln vertraut machen müſſen. Hierbei unterſtützend mit=
zuwirken
, ſoll der Zweck der mit vorſtehender Abhandlung be=
ginnenden
kleinen Artikelſerie ſein.
Die Schule als Retterin des Obſt= und Gemüſebaues.
Aus den Berichten über die Kundgebung des Reichsbundes
für Obſt= und Gemüſebau, die am 30. Januar in Berlin ſtatt=
fand
, werden viele Obſtverbraucher zum erſtenmal von der Not
gehört haben, in der ſich Obſt= und Gemüſebauern heute befinden.
Sie ahnten vorher nichts davon, wie geringe Beträge für die
Obſternten den Erzeugern ſelbſt zufließen und ſchmähten ſie leicht=
fertig
als Wucherer, während der von ihnen bezahlte Obſtpreis
in der Hauptſache dem Zwiſchenhandel und der Eiſenbahn zu=
floß
. Möglich, daß die rückhaltloſe Darſtellung, die ernſthafte
Fachleute in jener Verſammlung den Vertretern der Reichs= und
Staatsbehörden gaben, dazu führen, daß die eine oder andere
Forderung der Obſtzüchter berückſichtigt wird, der eine oder
andere Vorſchlag praktiſch verwertet wird, beſeitigt iſt die Gefahr
damit keineswegs, und es gilt höchſte Aufmerkſamkeit, damit
großes Unglück für unſer Volk vermieden wird. Viele Obſtan=
lagen
ſind durch die hohen Unkoſten und die zu niedrigen Obſt=
preiſe
völlig unrentabel getvorden; ſie verwildern oder werden
ausgerodet, um für landwirtſchaſtliche Zwecke benutzt zu werden.
Getreide, Kartoffeln, Rüben bringen mehr ein als Obſtbäume.
Das bedeutet, daß wir immer mehr Obſt aus dem Auslande be=
ziehen
müſſen, wenn wir welches eſſen wollen. Dazu iſt im letz=
ten
Herbſt in manchen Gebieten das Obſt haufenweiſe an den
Bäumen hängen geblieben, weil ſich das Pflücken nicht lohnte.
Fe mehr dieſe Entwicklung, die wohl nicht vollſtändig zu
hemmen iſt, den hauptberuflich betriebenen Obſtbau zurückdrängt,
deſto mehr Bedeutung wird der ſogenannte Liebhaberobſtbau ge=
winnen
, der nebenberuflich, jedoch auch zu Erwerbszwecken aus=
geübt
wird. Vor allem das Siedlungsweſen wäre berufen, hier
mitzuhelfen. Leider iſt aber auch deſſen Vorwärtskommen durch
die Teuerung ſtark gefährdet. Bedaucrlich iſt, daß die Erträge,
der Siedlergärten infolge Unkenntnis in vielen Orten auffällig
zurückgegangen ſind. Allgemeine Aufklärung tut da not. Auf=
klärung
von Jugend au, und zwar ſollte die Schule dieſe Aufgabe
übernehmen. Studienrat Pohl=Zittau, der dieſen Wunſch in
der Deutſchen Obſt= und Gemüſezeitung äußert, glaubt, daß keine
Einwände gegen dieſe neue Belaſtung der Schule ſtichhalten,
da die allgemeine Lage ſelbſt ungewöhnliche Maßnahmen recht=
fertigt
. Gartenbau und beſonders Obſtbau ſind als Lehrfächer
ſchließlich genau ſo berechtigt wie Turnen und Sport. In dem
allgemeinen Wirrwarr von heute, der Ziel= und Ratloſigkeit, bei
der nackten Selbſtſucht der Meiſten, ſollten die Berichte über die
Erfolge praktiſcher Schulgärten, wie ſie hie und da beſtehen, zu
denken geben. Ueberall wird beſonders gerühmt, daß dabei die
wertvollſten Seelenkräfte entfaltet werden: Mut, Eifer, Geduld,
Ausdauer, Liebe und Sorgfalt. Bei der Pflege des Eigenen
wächſt die Erkenntnis, daß man fremdes Eigentum ſchonen und
im Notfall ſogar beſchützen unuß.
Für un ühlige Kinder, deren Eltern keinen Hof, keinen Haus=
garten
beſitzen, wird der Schulgarten zu einem Stück Heimat. Es
wäre engherzig und kleinlich, den Wert jener Berichte zu bezwei=
feln
oder herabzuſetzen oder die Möglichkeit zu beſtreiten, ſolche
Einrichtungen an allen Schulen zu treffen. Ueberall iſt Land
genug vorhanden, es braucht ja nicht unmittelbar bei der Schule
zu liegen. An jeder Anſtalt dürften ſich heute ſchon Lehrer finden,
die ſelbſt Gartenbau treiben und daher die Sache gern in die
Hand nehmen. Was es an Obſtbäumen und anderem Pflanz=
material
, an Handwerkszeug uſw. koſtet, das darf keine Rolle
ſpielen. Mit der Belehrung über unſere Volkswirtſchaft und vor
allem die Volksernährung muß die praktiſche Betätigung in dem
Schulgarten Hand in Hand gehen. Daß die Kinder geſundheit=
lich
nichts ſo fördert, wie die Beſchäftigung im Gartenbau, braucht
kaum erwähnt zu werden.
Obſi= und Gartenbau

Keimdauer und Keimkraft der Gemüſe=
ſamen
. Vor der Verwendung älterer Reſte von Sämereien
empfiehlt es ſich, dieſe auf ihre Keimfähigkeit zu prüfen. Dieſe
hält ſich bei den verſchiedenen Gemüſearten keineswegs gleich
lange. Am längſten dauert die Keimkraft wohl bei den Gurken,
nämlich zehn Jahre. Hier heißt es ſogar, die Gurken entwickeln
ſich deſto beſſer, je älter der Same ſei. Außer dem Gurkenſamen
dürfen nach 56 Jahren nur Kürbiskerne zur Saatt verwendet
w
mit der elektriſchen Bahn fahren. Ihre Frau Schweſter meinte
doch neulich, man könne das?
Haller wurde von dem Holländer angeſteckt, die Steglitzer
Lampe ſtrahlte ihre Gemütlichkeit jetzt bis in die eleganten
Hotelräume am Potsdamer Platz und nahm auch ihn gefangen.
Wenn wir den Abend richtig genießen wollen, dann fah=
ren
wir nicht mit der elektriſchen Bahn, ſondern wir nehmen
einen Wannſeezug. Man kommt in Steglitz am Bahnhof an
und bummelt durch die alten Straßen. Wir bringen dann ſchon
die richtige Stimmung mit.
Einverſtanden, und nun wollen wir alles liegen laſſen
und einkaufen.
Sie gingen durch die Potsdamer Straße und beluden ſich
mit Eßwaren.
Man muß das auch richtig zuſammenſetzen, meinte van
Utrecht, ein großartiges Souper würde alle Stimmung zer=
ſtören
, aber ſehen Sie, dieſe Zungenwurſt und dort den Roll=
ſchinken
, ſie atmen doch direkt Ruhe und Behaglichkeit aus.
Man iſt bei uns in Holland nicht haſtig im Bewegen und im
Denken und man vergißt ſeinen inneren Menſchen nicht. Das
verlangt nämlich der innere Menſch.
Die Tante wird Ihr einfaches Abendeſſen für ein
Schlemmerdiner halten. Sie ſehen, die Auffaſſungen ſind ver=
ſchieden
, aber nun wird es Zeit, ſonſt ſchließen ſie draußen
das Haus.
Eine halbe Stunde ſpäter ſtanden ſie in der ſtillen Straße
vor dem kleinen Häuschen.
Dort hinten im Garten ſehe ich meine Schweſter, ſagte
Haller.
Der Holländer entdeckte nun Annelieſe auch, ſie ſtand mit
einem Körbchen am Arm an der Hauswand und ſchnitt Roſen.
Müde Wanderer bitten um Unterkunft für ein paar Stun=
den
, gnädige Frau, rief er.
Anneliefe ſah erſtaunt auf und kam, als ſie die Beſucher er=
kaunt
hatte, nach vorn.
Kommen Sie herein, Herr ban Utrecht, unſer Haus wird
ſein Beſtes tun.
Adriaan hielt ſeine Pakete in die Höhe und zeigte auf
Haller, der ſchwer beladen neben ihm ſtand.
Wir kommen nicht mit leeren Händen, denn wir wollen
keine Unruhe in Ihr Heim tragen. Alles, was man in Alt=
holland
für einen nahrhaften Abend braucht, iſt hier fein ſäuber=
lich
eingepackt, in Tüten und Päckchen. Laſſen Sie uns ein,
damit wir die Gaben ausbreiten.

werden. 45 Jahre behalten ihre Keimkraft die Kohlarten, di
Nübenarten, die Radies und Rettiche. Die verſchiedenen Salat
arten bleiben 3 Jahre keimfähig, ebenſo Kreſſe, Mangold, Peter
ſilie, Roterüben. Nach 2 Jahren ſind noch verwendbar die Same
von Sellerie, Porré, Möhren, Zwiebeln, Erbſen, Majoran un
Bohnen. Nur ein Jahr keimkräftig bleiben ſchließlich Bohner
kraut, Dill, Schwarzwurzel. Weiß man nun nicht, wie alt ei
Samenvorrat iſt, uacht man einen Keimverſuch vor der Aus
ſaat. Um Zeit zu ſparen, kann man auch die ganze Samenmeng
vorkeimen. Dabei iſt es wichtig, zu wiſſen, welche Keimfriſt di
einzelnen Arten brauchen. Bei günſtigen Witterungs= und B=
denverhältniſſen
keimen Salat und Kreſfe nach 35 Tagen, Koh
arten, Rüben, Rettiche und Nadies nach 6 Tagen, Erbſen Spina
Bohnen, Gurken und Roterüben nach 810 Tagen, Peterſili
Thymian und Majoran nach 14 Tagen und Zwiebeln, Lauc
Karotten nach 24 Wochen.
Maßnahmen gegen Obſt= und Gemüſeſchäd
linge im März. Vor der Laubentfaltung wendet man fol
gende vorbeugende Spritzen an: Kupferkalkbrühe in zweiprozer
tiger Löſung oder Löſungen von Bordalapaſte, Kupferkaltpulbe
uſtw. gegen Fuſioladium oder Schorf an Apfel= und Birnbäume,
gegen die Kräuſelkrankheit des Pfirſichs und die Blattfallkran
heit der Johannisbeeren. Selbar in 12prozent. Löſung ode
Coſan bis 50 Gramm auf 100 Liter Waſſer oder Caleiumbiſulf
in 11prezentiger Löſung gegen Monilia an Kirſchen.

Pieh= und Geflägelzucht
9

Grünfutter inder Hühnerzucht. Wer mit E=
felg
Hühnerzucht betreiben will, wird den Tieren entweder frei
Weide bieten oder täglich Grünfutter vorwerfen. Grünfutte
fördert die Verdauung, wirkt blutbildend und erhält das Huh
gefund und leiſtungsfähig. Fehlt den Hühnern das Grünfutte
dann werden die im Körner= und Fleiſchfutter enthaltenen Näh=
ſtoffe
nicht vollſtändig aufgelöſt und unausgenützt wieder au=
geſchieden
. Der Mangel an Grünfutter bedeutet alſo Verſchwer
dung an dem übrigen Futter und zugleich Verkümmerung de
Tiere. Daß der Nährwert des Grünfutters nicht bedeutend i
ſagt noch nicht, daß es überflüſſig ſei. Auch im Winter braud
der Körper des Huhns die anregenden Stoffe des Grünfutter.
und daher gibt man als Erſatz in ſolcher Zeit Futterrüben, Weif
und Grünkohl, gedörrte Blätter von Gemüſen, Klee, Luzerr
und Serradella.
Wie faßt man Kaninchen an? Unbewußt un
unabſichtlich wird mancher Tierfreund zum Tierquäler. Wie o
ſieht man noch, daß Kaninchen an den Ohren emporgehoben we
den, als ob dieſe Organe Henkel wären. Nicht ſelten entſtehe
dadurch einſtliche Verletzungen. Die Ohren reißen ein oder we.
den doch an den Anſatzſtellen überlehnt, ſo daß ſie hängen bleibe!
Will man ein Kaninchen aus dem Stall nehmen, dann packe ma
es am Halsfell. Große Raſſen ſtütze man außerdem noch m
der Hand. Beim Tragen über größere Strecken nehme man da
Tier auf den Arm und halte es mit der freien Hand im Geni
ſanft feſt.

Bienenzucht

Selbſttätiger Schwarmfang. Das Schwärme
der Vienen im Frühjahr iſt die Aeußerung eines Naturtriebe
der dem im Berufsleben ſtehenden Imker viel Sorge bereite
Er kann den Stand nicht tagsüber beaufſichtigen und ſeine Au
gehörigen ſind gewöhnlich auch uicht in der Lage, ſich dieſem G
ſchäft zu widmen. Gar mancher würde gern Bienenzucht treiber
wenn er nicht fürchtete, in den Schwarmmonaten ſeine Völke
einzubüßen. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß man verſucht hat, die
ſem Uebelſtande abzuhelfen. Zunächſt ſcheint alles Berrühen i
dieſer Hinſicht ausſichtslos, weil ſich ein Naturtrieb nicht unte
drücken läßt. Trotzdem iſt es gelungen. Unter der Bezeichnun
Förſterſtock gibt es Bienenwohnungen zu kaufen, die das We=
fliegen
der ſchwärmenden Bienen verhindern. Dies wird dadure
erteicht, daß die ſchwärmenden Drohnen ſamt der Königin au
dem Stock nicht unmittelbar ins Freie gelangen, ſondern in ein
beſondere Abteilung, die durch ein Abſperrgitter abgeſchloſſen 11
Durch dieſe können die Arbeitsbienen ungehindert abfliege=
während
ſich Drohnen und Königin in jenem Raume fanger
Der ohne Königin ausgezogene Schwarm kehrt zurück und beſet
zu ſeiner Königin haltend die Abteilung, in der ſich die
befindet. Gleichzeitig werden allzu viele Drohnen als unnüt
Freſſer vertilgt, ohne daß durch Mangel au Drohnen der Samme
fleiß des Volkes beeinträchtigt würde. Von den beiden verſchie
denen Bauarten hat die eine den Vorzug der Einfachheit un
Billigkeit, die andere geſtattet die leichtere Beobachtung de
Schwarmfanges von außen, ſofern Zeit dazu vorhanden iſt. De
Beſitzer ſolcher Stöcke braucht nur gelegentlich am Abend ode
Morgen den Stock nachzuſehen und in Ordnung zu bringen.

die Gartenpſorte, ſetzte ſeine Laſt ah und 155
Annelieſe die Hand.
Ich kenne Sie gar nicht wieder, meinte ſie. Iſt. Ih
Wagen beurlaubt oder weshalb kommen Sie wie ein Weih
nachtsmann und tragen alles ſelbſt?
Die Lampe in Naarden hat angefangen zu leuchten
ſagte er leiſe, nund ſie iſt mit Ihrer Lampe in Steglitz zu ein=
verſchwommen
. Wir ſuchen vor unſerer Ausfahrt etwas, wo
ran wir denken können, wenn es draußen ungemütlich wirk
Wir wollten aber auch ſtilecht ankommen und fuhren deshal
mit der Stadtbahn.
Drinnen begrüßten ſie die alte Dame, und ban Utrecht lie
es ſich nicht nehmen, ſeine Schätze ſelbſt auszupacken.
Wollen Sie die Speiſung der Viertauſend hier veranſtalte
oder meinten Sie, wir wären vom Kriege her noch ſo ausge
hungert, daß wir erſt einmal drei Tage hinterienander eſſet
müſſen? fragte Annelieſe, als Adrigan immer neue Päckche=
aufmachte
, und die Würſte und Doſen vor ihr auf
marſchieren ließ.
Glauben Sie mir, man braucht das, ſagte er wichtig, un
jetzt müſſen Sie uns anſtellen.
Aber die Tante ſchüttelte den Kopf.
Daraus wird nichts, dekretierte Sie. Ernſt und Her
ban Utrecht gehen hinaus in die Laube und können noch ein
Zigarre rauchen. Wenn wir dann klingeln, kommen Sie her
ein, bis dahin iſt Ihnen das Haus verſchloſſen.
Befriedigt gingen die beiden.
Genießen Sie jede Kleinigkeit, Haller, und nehmen Si
alles in ſich auf, ſagte der Holländer, als ſie in der Laub
ſaßen, wir werden lange von dem heutigen Abend zehren müf
ſen. Wir Holländer ſind euch Deutſchen ſtammperwandt; de
Südländer würde den letzten Abend in einer Hafenkneipe i=
ausgelaſſener
Geſellſchaft zubringen, wir flüchten uns in eit
kleines Heim und nehmen daher unſere Kraft.
Und ſind ausdauernder als die anderen. Wir Deutſcher
haben immer eine große Sehnſucht. Sind wir daheim, dann
träumen wir von dem blauen Himmel des Südens, von der
Roſendiften von Schiras und den weißen Kämmen des Welt
meeres, draußen aber vom warmen Kachelofen und dem Scheit
der Lampe.
Und von den Wäldern, eure Wälder vergißt man nicht
Ich habe viel von der Welt geſehen. Großartiges, Impoſantes
aber die Lieblichkeit des deutſchen Waldes fand ich nirgends.
(Forkſetzung folgt)