Darmstädter Tagblatt 1923


29. Januar 1923

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Nummer 28

Montag, den 29. Januar 1923

Einzelnummer 40.00 Mk.

Neue franzöſiſche Gewaltakte.
Beſetzung weiterer Bahnhöfe.
Eſſen, 28. Jan. (Wolff.) Im Laufe des heutigen Tages ſetzten
die Franzoſen ſich in mehreren weiteren Bahnhöfen feſt. Die Linie
der im Norden und W=ſten des Induſtriegebietes beſetzten Bahn=
höfe
zeigt nunmehr folgenden Verlauf: Lünen=Waltrop=Datteln=
Suderwich=Recklinghauſen=Hertern=Weſterholt=Buer=Nord=
Gladbeck=Weſt=Bottrop=Oſterfeld=Süd=Oberhauſen= Sterk=
rade
=Hamborn=Duisburg=Meiderich=Süd=Duisburg= Haupt=
bahnhof
=Hochfeld=Süd=Großenbaum=Wedau=Düſſeldorf=
Hauptbahnhof=Düſſeldorf=Derendorf. Im Süden kamen
die Operationen bisher nicht zum Abſchluß. Da über die im
Norden beſetzten Bahiöfe keinerlei Zugverkehr mehr ſtattfindet,
wird die Lebensmittelverſorgung des Induſtriegebie=
tes
immer ſchwieriger. Nachmittags wurde auch Lünen=
Nord beſetzt, ſo daß nunmehr auch die Lebensmitteltransporte,
die über dieſe Station geleitet wurden, ins Stocken geraten ſind.
Düſſeldorf, 28. Jan. (Wolff.) Das Poſtamt in
Düſſeldorf wurde vormittags 10 Uhr von franzöſiſchen Truppen
beſetzt. Die Beamten und Beamtinnen wurden aus dem Amt
herausgetrieben, zum Teil mit Gewalt. Der Ortsverkehr und
auch der Fernverkehr waren eine Stunde lang völlig geſperrt.
Die Maßnahme wurde angeordnet, weil einige Telegraphenlei=
tungen
der franzöſiſchen Zentrale geſtört ſein ſollen.

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Weitere Ausweiſungen und Verhaftungen.
Koblenz, 28. Jan. (Wolff.) Die Rheinlandkom=
niſſion
verfügte die ſofortige Ausweiſung folgender
Beamten: Jennerich, Zollrat; Weingärtner, Oberforſt=
ekretär
; Offenbächer, Zolldirektor in Mainz; Hill, Bür=
fermeiſter
in Alzey; v. Brotta, Landrat im Untertaunuskreis;
Nithgener, Landrat im Kreiſe Goarshauſen; Biſtram,
Stadtſekretär der Gemeinde Rheinbach, und Dombois, Regie=
ungsaſſeſſor
im Landratsamt Kreuznach. Zur Begründung
wird angegeben, daß die Beamten ſich weigerten, den Beſtim=
mungen
der neuen, von der Rheinlandkommiſſion erlaſſenen
Ordonnanzen zu folgen. Die Familien der Ausgewieſenen haben
das beſetzte Gebiet innerhalb vier Tagen zu verlaſſen.
Koblenz 28. Jan. (Wolff.) Die Rheinlandkom=
niſſcon
verſügte die ſofortige Ausweifung des Hauptſchrift=
eiters
der Wiesbadener Zeitung Gorrenz, mit der Be=
gründung
, daß er aufreizende Artikel geſchrieben habe. Seine
Familie hat innerhalb vier Tagen das beſetzte Gebiet zu ver=
aſſen
.
Aachen, 27. Jan. (Wolff.) Der hieſige Polizeipräſident,
Freiherr v. Korff, hat heute mittag den Ausweiſungsbefehl
rhalten. Er wurde um 4 Uhr nachmittags von fünf Belgiern
us dem Polizeipräſidium geholt und im Kraftwagen mit unbe=
anntem
Ziele fortgeſchafft. Der hieſige Regierungspräſident Dr.
kombach, und ſein Stellvertreter, Oberregierungsrat von
ögerſchen, ſind heute nachmittag von drei belgiſchen Gen=
armen
im Regierungsgebäude verhaftet und im Auto fort=
eſchafft
worden.
Zur Begründung der ſofortigen Ausweiſung des Polizeiprä=
denten
von Aachen, v. Korff, wird von der Rheinlandkom=
niſſion
angegeben, daß er die öffentliche Ordnung am 26. Januar
icht aufrecht erhalten hätte. Seine Familie muß innerhalb acht
Tagen das beſetzte Gebiet verlaſſen haben.
**
Der Reichskanzler richtete an die ſechs verurteil=
en
Zechenleiter ein Telegramm, in dem ſie bei der Rück=
ehr
in die Heimatſtadt, aus der brutale Gewalt und Rechtswid=
igkeit
ſie verſchleppt habe, begrüßt werden.
Der Geſchäftsführer der Duisburger Volksſtimme,
er verhaftet worden war, weil die Zeitung entgegen dem Ver=
ote
weiter erſchien, mußte vom franzöſiſchen Kriegsgericht frei=
eſprochen
werden, da er von der Beſchlagnahme der Zei=
ung
, die am 23. ds. erfolgte, erſt am 25. ds. erfuhr.
c. Berlin, 28. Jan. Nach einer Verordnung des preußi=
hen
Wohlfahrtsminiſters iſt an die infolge des Eiſenbah=
erſtreiks
im Ruhrgebiet arbeitslos Gewordenen die Ar=
eitsloſenunterſtützung
zu zahlen, gegebenenfalls ohne
karenzzeit. Es iſt beabſichtigt, die Arbeitsloſen mit Notſtands=
rbeiten
produktiv zu beſchäftigen.
X
Berlin, 28. Jan. (Wolff.) Der Reichskanzler richtete
nden Bürgermeiſter in Kirchende, wo am 23. Januar
in Arbeiter von franzöſiſchen Soldaten durch zwei Schüſſe ſchwer
ekletzt wurde, folgendes Telegramm: Wie ich höre, geriet in
Ihrer Gemeinde durch die Willkür franzöſiſcher Soldaten das
ſEben eines friedlichen Bürgers in ſchwere Gefahr. Ich bitte
Zie, dem verletzten Arbeiter meine Anteilnahme und meine
Lünſche auf baldige völlige Geneſung auszuſprechen.
Den Morgenblättern zufolge wurde durch Verfügung des
eſſener Befehlshabers der Bund heimattreuer Ober=
chleſier
im beſetzten Ruhrgebiet verboten. Die vom
Zund eingerichtete Vorprüfungsſtelle zur Prüfung der Verdrän=
ungsſchäden
iſt aufgelöſt und das Konto des Bundes bei der
keichsbankſtelle beſchlagnahmt worden.
Belagerungszuſtand in Moers.
Koblenz, 28. Jan. (Wolff.) Die Rheinlandkom=
iſſion
erklärte im Segment Eſt, Secteur Nord der bel=
iſchen
Beſetzungszone, in der das Kohlenrevier von
ſders liegt, den Belggerungszuſtand.

*
Paris, 28. Jan. (Wolff.) Außer den bereits geſtern ge=
(eldeten Einſtellungen von Hochöfenbetrieben wurde, wie die
Lurns Induſtrielle heute mitteilt, in Ueckingen ein Hoch=
fenausgeblaſen
. Weitere ſollen kaltgeſtellt werden, wenn
18 Lage ſich nicht beſſert. In Homeeourt arbeiten drei Hoch=
fen
mit eingeſchränktem Betrieb. In Rombach wurde An=
Leiſung gegeben, zwei Hochöfen auszublaſen, was geſchehen
eird, wenn nicht in aller Kürze Kofs ankomme. Im Saar=
ebiet
trat keine Veränderung ein, da dort hauptſächlich an
ekt und Stelle bereiteter Koks verbraucht wird.

Vom Tage.
Die Reichseiſenbahnverwaltung gibt bekannt, daß wegen Kohlen=
mangels
eine Reihe Fernzüge nach allen Richtungen von Montag oder
Dienstag ab ausfallen müſſen. Näheres iſt auf den Bahnhöfen zu er=
fahren
.
Die militäriſche Einkreiſung des Ruhrgebiets iſt Sonntag nachmittag
vollendet worden. Eine Abſperrung iſt bis jetzt nicht erfolgt, eine Zoll=
linie
noch nicht errichtet, doch kontrollieren die Franzoſen die Kohlen=
transporte
. Verſuche, den Eiſenbahnverkehr mit franzöſiſchem Perſonal
aufzunehmen, ſind bisher gſcheitert.
Die Franzoſen haben in Boppard die Perſonen verhaftet, die den
Zechenvertretern bei ihrer Rückkehr von Mainz nach Eſſen Blumen=
ſpenden
gewidmet haben.
Die belgiſche Beſatzungsbehörde verhängte über Aachen den Belage=
rungszuſtand
bis zum 5. Februar.
Die von den Nationalſozialiſten in München abgehaltenen Maſſen=
verſammlungen
ſind ſtörungslos verlaufen. Die Polizei brauchte nir=
gends
einzuſchreiten. Die Verſammlungen löſten ſich nach Beendigung
der Vekänſtaltungen in einzelne Trupps auf.
Die kommuniſtiſche und ſozialdemokratiſche Fraktion brachten im
baheriſchen Landtag eine Interpellation ein, worin behauptet wird, daß
in der Feſtungsanſtalt Niederſchönenfeld in der Nacht zum 16. Januar
der kommuniſtiſche Abgeordnete Hagemeiſter unter eigenartigen Begleit=
erſcheinungen
geſtorben ſei und von der Regierung volle Aufklärung über
den Fall verlangt wird.
Das thüringiſche Staatsminiſterium hat über den Stadt= und Land=
kreis
Gera den Ausnahmezuſtand verhängt und den Kreisdirektor Drechs=
ler
in Gera zum Regierungskommiſſar ernannt. Den Anlaß hierzu bil=
det
die Lage in Bayern und der ſchon kurz gemeldete Durchtransport von
Angehörigen verwandter Organiſationen durch Geraer Gebiet.
Der Papſt richtete anläßlich des dreihundertjährigen Todestages des
heiligen Franz von Sales an die Biſchöfe eine Enzyklika, worin er deſſen
muſterhaftes heiliges Leben rühmt, deſſen Grundzug Sanftmut, gepaart
mit tiefer Gelehrſamkeit und kraftvoller Beredſamkeit geweſen ſei. Die
Enzyklika ernennt ſchließlich Franz von Sales zum Schutzpatron der
katholiſchen Schriftſteller.

Störung des Rheinlandkabels.
TU. Eſſen, 29. Jan. Seit geſtern nachm. ½6 Uhr iſt das
Rheinlandkabel vollkommen geſtört. Damit iſt die
Sprechmöglichkeit nach allen im Gebiet des Kabels liegenden
Orten unterbunden. Auch das Kabel nach Horſt=Emſcher
ift geſtört, ebenſo der Sprechverkehr nach Düſſeldorf und von dort
nach Eſſen.
Eine Note der Reparationskommiſſion.
Feſtſtellung des Generalmanquements,
Berlin, 27. Jan. (Wolff.) Die Reparationskommiſſion hat
geſtern der Kriegslaſtenkommiſſion folgende an die
deutſche Regierung gerichtete Note überſandt:
Durch Schreiben der Kriegslaſtenkommiſſion vom 14. und
27. November 1922 ſtellte die deutſche Regierung an die Repara=
tionskommiſſion
den Antrag, von allen Barzahlungen
und dem größten Teil der Sachleiſtungen während drei
oder dier Jahre befreit zu werden. Am 13. Januar ſetzte die
Reparationskommiſſion die Kriegslaſtenkommiſſion davon in
Kenntnis, daß ſie den Fälligkeitstermin vom 15. Januar auf den
31. Januar verlege. Am gleichen Tage, dem 13. Januar, teilte
jedoch die deutſche Regierung der Reparationskommiſſion mit,
daß ſie alle Reparationslieferungen an Frankreich und Belgien
einſtelle. Tatſächlich hörten alle Lieferungen an dieſe Mächte auf.
Die Reparationskommiſſion ſtellte daher am heutigen Tage nach
dem Wortlaut und im Sinne des § 17, Anhang 2 zu Teil 8
des Vertrages von Verſailles die allgemeine Nichterfül=
lung
der deutſchen Verpflichtungen gegenüber
Frankreich und Belgien feſt. Die Reparationskommiſſion iſt in=
folgedeſſen
der Anſicht, daß ſich eine Entſcheidung über den
Antrag der deutſchen Regierung, der durch dieſe ſelbſt hinfällig
gemacht wurde, erübrigt. Unter dieſen Umſtänden bleiben alle
Beſtimmungen des Zahlungsplanes vom 5. Mai 1921
in Kraft.
Anmerkung des Wolffſchen Bureaus: Die Einſtellung der
Sachlieferungen an Frankreich und Belgien, die hiermit zur
Grundlage des Generalmanquements gemacht wird,
war die notwendige Folge des vertragswidrigen Einmarſches
franzöſiſcher und belgiſcher Truppen in bisher unbeſetztes deut=
ſches
Gebiet. Uebrigens ſetzt ſich die vorliegende Entſcheidung,
die ohne die Stimme des engliſchen Delegierten getroffen iſt,
über die zahlreichen Erklärungen der alliierten Mächte während
des Jahres 1922 hinweg, in denen ausgedrückt worden war, daß
die Forderungen des Londoner Zahlungsplanes über die Lei=
ſtungsfähigkeit
Deutſchlands hinausgehen. Die Pläne, die von
der engliſchen, franzöſiſchen und italieniſchen Regierung der vom
2. bis 4. Januar in Paris tagenden Konferenz vorgelegt wurden,
gehen grundſätzlich alle drei von der Notwendigkeit aus, die im
Zahlungsplan vom 5. Mai 1921 feſtgeſetzte Endſumme her=
abzuſetzen
und für die nächſte Zeit einen Zahlungsaufſchub
zu gewähren. Die Reparationskommiſſion ſelbſt erkannte mit
ihrer Note vom 31. Auguſt 1921 die ausgeſprochene Entſcheidung
an, daß die äußeren Laſten Deutſchlands ermäßigt werden müß=
ten
. Die Reparationskommiſſion ſetzt ſich mit dem Beſchluſſe
über Artikel 234 des Vertrages von Verſailles hinweg, der die
Höhe der Zahlungsverpflichtung Deutſchlands von ſeiner Lei=
ſtungsfähigkeit
abhängig macht, ebenſo wie über Artikel 251 Ab=
ſatz
2 des gleichen Vertrages, der der Verſorgung Deutſchlands
mit Lebensmitteln und Rohſtoffen grundſätzlich den Vorrang
vor den Reparationsverpflichtungen eurtt.

*Derkommende evangeliſche Landeskirchentag.
Von
Profeſſor D. M. Schian in Gießen.
Die evangeliſche Landeskirche in Heſſen hat ſich im abge=
laufenen
Jahre eine neue Verfaſſung gegeben. Im März wurde
dieſe Verfaſſung beſchloſſen, am 1. Juni wurde ſie veröffentlicht.
Wohl die einſchneidendſten Neuerungen, die ſie brachte, betrafen
einerſeits Wahl und Zuſammenſetzung des Landeskirchentags,
andererſeits die Geſtaltung der Kirchenregierung.
Im Dezember 1922 fanden die erſten Wahlen zum Landes=
kirchentag
nach der neuen Ordnung ſtatt. Wähler waren ſämt=
liche
Mitglieder der kirchlichen Gemeindevertretungen, zu denen
auch die Kirchenvorſtände gehören. Zu wählen war von jedem
Dekanat ein weltlicher Abgeordneter (d. h. ein Nichtpfarrer).
Je zwei Dekanatsbezirke hatten zuſammen je einen Pfarrer zu
wählen; nur das größte Dekanat Darmſtadt wählte einen Pfar=
rer
für ſich allein. Der übrige Teil der zu wählenden Abgeord=
neten
war in einem Wahlbezirk, der ſich über das ganze Land
erſtreckt, nach dem Verhältniswahlverfahren zu wählen. Sechs
Abgeordnete waren zu berufen. Die Geſamtzahl der Mitglieder
beträgt 60.
Die Durchführung der Wahlen hat mancherlei Fragen und
Bedenken rege gemacht. Das wichtigſte Bedenken richtet ſich gegen
die Zulaſſung provinzieller Vorſchlagsliſten. Die Verfaſſung ſieht
ſolche nicht vor (Wortlaut oben); mir iſt aus den Vorverhand=
lungen
zweiſellos, daß der Geſetzgeber, ſie nicht gewollt hat.
Dennoch ſind ſie von der Landeswahlkommiſſion zugelaſſen wor=
den
, allerdings nicht als Provinzliſten, ſondern als Landesliſten,
die aber nur (oder faſt nur) Namen aus einer Provinz ent=
hielten
. Dieſe Zulaſſung hat mithin überraſcht. Die Frage wird
vermutlich Anlaß zu Erörterungen geben. Auch andere Fragen
der Wahlpraxis bedürfen, wie ſich herausgeſtellt hat, dringend
der Klärung.
Drei Gruppen hatten Wahlvorſchläge gemacht: die Poſitive
Vereinigung, die ſog. Friedberger Konferenz, die ſich jetzt Heſ=
ſiſche
Evangel. Vereinigung nennt, und die Freie Landeskirch=
liche
Vereinigung. Man kann ſie etwa als die Gruppe der Rechten,
der Mitte und der Linken bezeichnen. Dabei iſt der Vorbehalt
nötig, daß dieſe Bezeichnungen, beſonders auch die Bezeichnung
der Evangeliſchen Vereinigung als Mitte, mißverſtändlich ſind
und zur Charakteriſierung nicht entfernt ausreichen. Mit Span=
nung
wartete man darauf, welches das Ergebnis der Wahlen
für dieſe Gruppen ſein werde. Jetzt läßt es ſich mit faſt völliger
Sichzrheit überblicken. Von den gewählten Abgeordneten ge=
hören
wahrſcheinlich 22 zur Rechten, 20 zur Mitte, 12 zur Linken.
Von den 6 berufenen Abgeordneten gehören 3 zur Rechten, 2 zur
Mitte, 1 zur Linken. Der letztere iſt kurz nach ſeiner Berufung
geſtorben; für ihn wird zweifellos ein anderer Abgeordneter
ſeiner Gruppe berufen werden. Dieſes Verhältnis der Gruppen
entſpricht faſt genau dem Stimmenverhältnis beim verfaſſung=
gebenden
Landestirchentag. Das iſt ein Ergebnis von höchſter
Wichtigkeit. Ein Wechſel des Kurſes iſt alſo nicht zu erwarten.
Vielmehr wird diejenige Stimmung, die bisher den Landes=
kirchentag
kennzeichnete, auch in der Folge herrſchend ſein.
Anders als in Baden, wo nach Erlaß der neuen Kirchenver=
faſſung
ein Umſchwung nach rechts hin eintrat, wird in Heſſen
keine der drei Gruppen für ſich allein die Mehrheit haben.
Die zweite wichtige Neuordnung betrifft die Geſtaltung der
Kirchenregierung. Das wird die erſte Aufgabe des neuen
Landeskirchentags ſein. Am 31. Januar wird er feierlich er=
öffnet
; vom 29. Januar an werden Vorbeſprechungen gehalten
werden. Zunächſt iſt der Vorſtand des Landeskirchentags, der
Landeskirchenausſchuß, mit einfacher Stimmenmehrheit zu
wählen. Er muß aus 5 Mitgliedern beſtehen, und zwar aus
2 Geiſtlichen und 3 Nichtgeiſtlichen. Dieſe Wahl iſt deshalb von
beſonderer Wichtigkeit, weil der Landeskirchenausſchuß vollzählig
zur oberſten kirchlichen Behörde, der Kirchenregierung, gehört.
Außer ihm hat die Kirchenregierung noch zwei ſtändige Mit=
glieder
, den Präſidenten und ſeinen Stellvertreter. Da die Mit=
glieder
des Landeskirchenausſchuſſes nur nebenamtlich, Präſident
und ſtellvertretender Präſident aber hauptamtlich Mitglieder der
Kirchenregierung ſind, ſo wird dieſer Wahl, das bei weitem
größte Intereſſe entgegengebracht werden. Nach der neuen Ver=
faſſung
ſoll der Präſident in der Regel ein Geiſtlicher ſein; er
führt dann den Titel Prälat. Iſt das der Fall, ſo muß der ſtell=
vertretende
Präſident ein Nichtgeiſtlicher ſein. Es iſt kein Zwei=
fel
, daß der Regelfall bei dieſem erſten Male eintreten wird.
8 103 ſchreibt vor, daß derjenige gewählt iſt, auf deſſen Perſon
ſich zwei Drittel der Stimmen vereinigen. Dieſe Wahl iſt ſo
lange fortzuſetzen, bis dieſe Stimmenzahl ſich auf eine Perſon
vereinigt. Die praktiſche Durchführung dieſer Beſtimmung kann
natürlich ſehr große Schwierigkeiten bringen. Mit 21 Stimmen
kann jede Wahl verhiedert werden. Prophezeiungen über den
Ausgang der Wahl ſind nicht angebracht.
Präſident und ſtellvertretender Präſident der Kirchenregierung
üben die gleichen Funktionen auch in der oberſten kirchlichen Ver=
waltungsbehörde
, dem Landeskirchenamt (bisher Oberkonſi=
ſtorium
). Mit ihrer Wahl wird daher auch das Landeskirchen=
amt
konſtituiert ſein.
Der Augenblick, in dem die Neubildung der Kirchenbehörden
ſtattfindet, iſt geeignet, des Mannes zu gedenken, der lange Jahre
an der Spitze der Heſſiſchen Landeskirche geſtanden hat: des
Oberkonſiſtorialpräſidenten D. Nebel. Er iſt ſchon vor Mo=
naten
in den Ruheſtand getreten; damals iſt ihm von allen
Seiten Dank und Verehrung bezeugt worden. Das gleiche ſoll
jetzt, da ſein Nachfolger gewählt werden wird, noch einmal ge=
ſchehen
. Herr D. Nebel hat ſein ſchwieriges Amt mit ſolcher fein=
fühliger
Umſicht, mit einem ſo hohen Maß von kirchlichem Takt
und mit ſo warmherzigem Nachdruck vertreten, daß ihm die von
ihm geleitete Kirche tiefſten Dank ſchuldig iſt.
Möge die kommende Tagung zu glücklichen Ergebniſſen
Khren!
Fch

[ ][  ][ ]

Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 29. Jauuar 1923.

Rummer 28

Ein deutſcher Proteſt.
Ein Schreiben des Trierer Reichsbahnpräſidenten.
Wie wir zuverläſſig erfahren, hat aus Anlaß der Maßrege=
lung
des Resierungspräſidenten und anderer Beamten der Re=
gierung
in Trier durch die Befatzungsbehörde der Präſident der
Reichsbahndirektion Trier, Lohſe, folgendes Schreiben an die
bei der Reichsbahndirektion Frankfurt a. M. beſtehende fran=
zöſiſche
Eiſenbahnunterkommiſſion gerichtet:
Trier, den 26. Januar 1923.
Herr Präſident
Mit Bezug auf unſere geſtrige Beſprechung teile ich Ihnen
mit, daß bis jetzt Ihr Befehl, die Schnellzüge und Militärtrans=
Porte in Gang zu bringen, bei den Eiſenbahnen nicht zur Durch=
führung
gebracht werden konnte. Ich entwickle Ihnen die nähe=
ren
Umſtände in einem beſonderen Schreiben.
Ich empfinde es als meine Pflicht, mit gegenwärtigem Brief
die ernſten Fragen, die uns jetzt bewegen, allgemein zu erörtern.
Die Eiſenbahner ſind ein integrierender Beſtandteil des ganzen
Volkes ideshalb muß ich auf die Geſamtlage eingehen.
1. Die Ausweiſung von neun höheren Beamten empfindet
das Volk als einen Dolchſtoß in ſeine Ehre. Die geſtrigen Kund=
gebungen
werden Ihnen gezeigt haben, daß die liebedieneriſchen
Sonderbündler und Abtrennungsbeſtrebungen eitel Lug und
Trug geweſen ſind. Die bisherige vierjährige Gelaſſenheit war
vielmehr eine heldenhafte Selbſtzucht, die auf Befehl der eigenen
Regierung in Ausführung einer vollkommenen Erfüllungspolitik
das rheiniſche Volk freiwillig auf ſich genommen hatte mit allen
dazugehörigen rieſigen Laſten und Opfern.
Durch die neuerlichen Gewaltmaßnahmen wächſt die Ent=
ſchloſſenheit
zum ſeeliſchen Widerſtand, der heilige Wille, in der
Welt nicht ehrlos dazuſtehen.
Ich erhebe daher die Forderung an Sie, einzuſtehen dafür,
daß die Ausweiſung der neun höheren Beamten wieder aufge=
hoben
wird, und erkläre, daß, wenn Sie dies nicht wollen oder
können, die Verantwortung für die Folgen hinſichtlich der Auf=
rechterhaltung
des ordnungsmäßigen Eiſenbahnbetriebes auf
Ihnen liegt.
2. Sollten aus dem Umſtande der erfolgten Störung des Be=
triebes
, deren Urſache alſo alein von den Beſatzungsbehörden
zu vertreten iſt, von Ihnen die Folgerung gezogen werden, daß
Sie nunmehr berechtigt ſeien, den Betrieb ſelbſt in die Hand zu
nehmen, und ſollten Sie ſich dazu entſchließen, ſo erhebe ich
meine warnende Stimme mit dem Hinweis darauf, daß ich, wie
ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, auf Befehl des Reichsver=
kehrsminiſters
dem geſamten Eiſenbahnperſonal verboten habe,
an der Durchführung von Zügen mitzuwirken, die von franzö=
ſiſchem
oder belgiſchem Perſonal gefahren werden, und daß mir
die Gewerkſchaften und Perſonalvertretungen einſchließlich aller
höheren Beamten ſtrikte erklärt haben, der Geſamtwille der
Eiſenbahner nicht nur hier, ſondern im ganzen Rheinlande ſei
eiſern und geſchloſſen in der Verweigerung von Dienſtleiſtungen
unter militäriſchem Zwange.
Ich führe Ihnen daher hiermit die ganze große Tragweite
Ihrer Entſchließungen vor Augen und lehne jede Verantwortung
meinerſeits ab, wenn der Bogen überſpannt wird.
Folgen der Beſetzung.
Eiſen, 28. Jan. (Wolff.) Die durch den Einmarſch der
franzöſiſchen Truppen verurſachte Verteuerung der
Lebensmittel beträgt bis zum 27. Januar insgeſamt 122
Prozent.
Das deutſche Bolksopfer.
Berlin, 28. Jan. (Wolff.) Die Geſchäftsſtelle des Deut=
chen
Volksopfers für die durch die Ruhrbeſetzung Ge=
ſchädigten
bittet alle Sammelſtellen, die dieſen zugehenden Be=
träge
möglichſt bald auf das Reichsbank=Girokonto des Deutſchen
Volksopfers zu überweifen, damit im Sinne der Spende den
Notleidenden ſchnelle und durchgreifende Hilfe gebracht wer=
den
kann.
Die engliſchen Truppen am Rhein.
London, 28. Jan. (Wolff.) Zu dem geſtrigen Kabi=
nettsrat
erfährt Reuter, daß die britiſchen Truppen für den
Augenblick nicht vom Rhein zurückgezogen wür=
den
. Die künftige Haltung Großbritanniens hange vom Laufe
der Ereigniſſe ab. Es ſei jedoch möglich, daß die Lage im Ruhr=
gebiet
ſich derart entwickle, daß die Stellung der britiſchen Trup=
pen
unhaltbar werde.
Wie helfen wir den Ruhrbewohnern?
Von Dr. W. Croll.
Im ganzen Reich wird für die notleidene Ruhrbevölkerung
geſammelt. Auch aus dem Auslande gehen namhafte Spenden
ein. Eine gewiſſe Sorge bereitet aber die Frage, wie die geſam=
melten
Beträge oder die dafür zu kaufenden Nahrungsmittel dem
Zugriff der ſkruppelloſen franzöſiſch=belgiſchen Militärbehörde
entzogen werden können. Allerdings ſoll der Oberbefehlshaber
der Rheinarmee verboten haben, daß irgend welche Fett= und
Fleiſchwaren requiriert werden; weiter dürfen auf militäriſchen
Befehl der Zufuhr von Lebensmitteln jeder Art ins Ruhrgebiet
keinerlei Schwierigkeiten bereitet werden. Trotzdem iſt keine volle
Gewähr dafür geboten, daß Frankreich ſich nicht an den Lebens=
mittelſpenden
für die Ruhrbewohnerſchaft vergreift. Solange es
irgend Ausſicht auf Erfolg läßt, verſucht der franzöſiſche Imperia=
lismus
die Bewohner eines okkupierten Gebietes durch Sicherung
der Lebensnotwendigkeiten zu veranlaſſen, ſich mit der neuen Ord=
nung
der Dinge auszuſöhnen. Ueberſteigt aber der Widerſtand
einen gewiſſen Grad, ſo wird gerade die entgegengeſetzte Taktik
befolgt. In der abgelaufenen Woche haben ſo viele gewaltſame
Beſchlagnahmungen von Lebens= und Futtermitteln ſtattgefun=
den
, daß über die derzeitigen Abſichten der Okkupationsmächte
kein Zweifel mehr beſtehen kann.
Die Ruhrſpende iſt aber nur ein Teil deſſen, was unſer Volt
tun kann, um den Ruhrbewohnern zu helfen. Es liegt in der Na=
tur
der Sache, daß zunächſt nur die Bewohner der eroberten
Gebiete zu leiden haben. Sobald aber der Kohlenmangel im un=
beſetzten
Deutſchland fühlbar wird, ſpüren auch wir anderen das
Unheil am eigenen Leibe. Die Franzoſen haben zahlreiche Zoll=
beamte
an den Rhein berufen und bereiten ſich vor, die Zollinie
zu ziehen, welche das alt= und neubeſetzte Gebiet vom übrigen
Reich wirtſchaftlich abſchließen ſoll. Wird die wichtigſte Kohlen=
ſtätte
und die Rüſtkammer der deutſchen Induſtrie zum zollpoliti=
ſchen
Ausland gemacht, ſo bedeutet das mit einem Schlage das
Eintreten einer unabſehbaren Produktionskriſe. Auch ohne die
Folgen der Ruhrbeſetzung macht die Erwerbsloſigkeit in wichtigen
Zweigen, der mitteldeutſchen Induſtrie (beſonders im Textil=
gewerbe
) erſchreckende Fortſchritte. Die zu ſchwindelnder Höhe
heraufgetriebenen Deviſenkurſe geſtatten den mit beſchränkten
Kapitalmitteln arbeitenden Unternehmungen nicht mehr die An=
ſchaffung
ausreichender Rohſtoffe und das breite Publikum bei
uns iſt nicht mehr in der Lage, die furchtbar verteuerten Waren
zu kaufen.
Trotz all dieſem uns drohenden Unheils feſtzubleiben, uns
keine Zugeſtändniſſe abliſten und abtrotzen zu laſſen, iſt die wirk=
ſamſte
Art, wie wir den Ruhrbewohnern helfen können. Reichs=
kanzler
Dr. Cuno hat in ſeiner Eröffnungsrede im Reichstag am
24. November feierlich verſprochen, er werde alles tun, um die be=
ſetzten
Gebiete auch nicht einen Tag länger, als erforderlich iſt,
unter dem fremden Joch zu laſſen. Das gleiche gilt ſelbſtverſtänd=
lich
auch für das Ruhrgebiet. Die franzöſiſch=belgiſche Aktion wird
umſo eher ſcheitern, und die Ruhrbewohner werden umſo früher
von der Fremdherrſchaft befreit ſein, je feſter und einmütiger wir
jede direkte und indirekte Unterſtützung des Rechts= und Vertrags=
bruches
ablehnen. An dieſer Ruhrhilfe kann ſich jeder Einzige
durch freudiges Opfern und durch geduldiges Leiden beteiligen.

Proteſtkundgebungen.
Berlin, 28. Jan. (Wolff.) Der Deutſche Republikaniſche
Reichsbund veranſtaltete vormittags im Zirkus Buſch eine ein=
drucksvolle
Kundgebung gegen die Ruhrbeſetzung, für die Reichs=
einheit
und die Republik. Nach herzlichen Begrüßungsworten
des Verſammlungsleiters, Redaiteurs Vetter, und dem Vortrag
eines Gedichts Stunde der Not ſprachen der Präſident des
Reichsbundes, Frhr. v. Brandenſtein, der ſächſiſche Miniſterpräſi=
dent
Buck, der demokratiſche Reichstagsabgeordnete Staatsrat
Dr. Ludwig Haas (Karlsruhe), der demokratiſche Reichstags=
abgeordnete
Prof. Schücking, der Zentrumsabgeordnete im preu=
ßiſchen
Landtage Harſch (Herzogenrath) und Pfarrer Klein
(Frankfurt a. M.). Die Kundgebung, zu der Tauſende zuſam=
mengeſtrömt
waren, war ein Appell an das Weltgewiſſen, ein
Schrei nach Recht und Gerechtigkeit und das Gelöbnis, mit den
vier Millionen Brüdern und Schweſtern im Ruhrgebiet
komme, was kommen mag auszuhalten im bevorſtehenden
Kampfe um unſere Freiheit.
Im Intimen Theater kam es anläßlich der Aufführung eines
franzöſiſchen Einakters zu Proteſtkundgebungen des Publikums
das die Abſetzung des Stückes verlangte. Die Direktion wurde
gezwungen, dieſer Forderung Rechnung zu tragen.
Amerika und die Reparationskommiſſion.
Waſhington, 27. Jan. (Wolff.) Die Senatskommiſſion
für auswärtige Angelegenheiten nahm von den vertraulichen
Mitteilungen des Präſidenten Harding über die Vertre=
tung
Amerikas in der Reparationskommiſſion
Kenntnis und beſchloß, die Debatte über die Reſolution
Robinſon, worin die offizielle Vertretung der Vereinigten
Staaten in der Reparationskomiſſion verlangt wird, auf un=
beſtimmte
Zeit zu vertagen. Die Kommiſſion ſteht auf dem
Standpunkt, daß zurzeit nichts einen Beſchluß in dieſer Ange=
legenheit
rechtfertigt. Uebrigens wird jedoch die Reparations=
frage
in aller Kürze bei der Debatte über die Reſolution Borah,
betr. die Einberufung einer Weltwirtſchaftskonferenz,
im Kongreß zur Sprache kommen.
Zur Tagung des Völkerbundsrates.
Berlin, 27. Jan. (Wolff.) Havas. Vorausſichtlich kommit
während der Parifer Tagung des Völkerbundsrats, die am
Montag beginnt, die Neparationsfrage nicht zur Sprache, und
zwar gemäß einem Beſchluſſe der letzten Verſammlung des
Völkerbundes, worin es heißt, daß ſich der Völkerbundsrat mit
der Reparationsfrage zwar beſchäftigen dürfe, jedoch müſſe er,
wenn er in zweckmäßiger Weiſe zu einer Löſung beitragen wolle,
durch die intereſſierten Regierungen mit der Behandlung der
Frage beauftragt ſein.

Nationalſozialiſtiſche Berſammlungen in München.
München, 28. Jan. (Telunion.) Geſtern abend haben
die Nationalſozialiſten in München in zwölf öffentlichen Maſſen=
verſammlungen
in den größten Sälen Münchens ihren Parteitag
eröffnet. Die meiſten Verſammlungsfäle mußten ſchon lange
vor Beginn der Verſammlungen wegen Ueberfüllung geſperrt
werden. In allen Verſammlungen ſprach der Parteiführer Hit=
ler
neben anderen Rednern aus dem In= und Auslande. Die
Redner wandten ſich gegen die Verhängung des Ausnahme=
zuſtandes
durch die bayeriſche Regierung und erklärten es als
Lüge von A3, daß Hitler der bayeriſchen Regierung gedroht
habe, daß Bayern in zwei Stunden nicht mehr beſtehen werde.
In allen Verſammlungen wurde eine Entſchließung angenom=
men
, die gegen den Verſuch proteſtiert, unter Zuhilfenahme bös=
artiger
Lügen die Abhaltung des Parteitages durch die Staats=
regierung
zu ſabotieren. Von den Führern wird erwartet, daß
ſie ſich in der nationalen Tätigkeit durch nichts behindern laſſen.
Es jrurden folgende Forderungen angenommen: 1. Sofortige
Ungültigkeitserklärung des Friedensvertrages, 2. Einſtellung
jeder Geld= und Sachlieferungen, 3. ſofortige Durchführung einer
Währungsreform, 4. Vorlegung eines Geſetzes zum Schutze des
Vaterlandes und reſtloſer Kampf gegen alle Vaterlandsverräter,
5. augenblickliche Aufhebung der Schutzgeſetze; Befreiung der in
den Gefängniſſen ſchmachtenden nationalen Verteidiger des
Vaterlandes: Verhaftung derjenigen November=Verbrecher, die
als Führer Schuld und Urſache unſeres heutigen Unglücks ſind
6. abermalige Forderung nach beſchleunigter Einführung der
Todesſtrafe gegen Wucherer und Schieber. Am Schluſſe der Ver=
ſammlung
wurde namens der Parteileitung an die Verſamm=
lungsteilnehmer
die Aufforderung gerichtet, nicht in geſchloſſenen
Zügen nach Hauſe zu gehen, zumal von gegneriſcher Seite Zwi=
ſchenfälle
hervorgerufen werden ſollten. Von der Parteileitung
ſeien Patrouillen ausgeſandt worden, um prodozierende Gegner
zu verprügeln; andererſeits werde aus der Partei ausgeſchloſſen,
wer den Weiſungen der Parteileitung zuwiderhandele. Die Ver=
ſammlung
ſchloß mit Abſingen des Vaterlandsliedes.

Gera, 28. Jan. (Wolff.) Ueber Gera, Stadt= und Land=
kreis
, wurde der Ausnahmezuſtand verhängt. Der in
Gera angehaltene Trupp der Roßbachleute war ein ge=
ſchloſſener
Transport von 343 jüngeren Männern mit 40 Offi=
zieren
. Eine Anzahl dieſer Leute war mit Revolvern und ande=
ren
Waffen ausgerüſtet. Auf Anordnung des Reichskommiſſars
für die öffentliche Ordnung werden ſi= ſich einer eingehenden Ver=
nehmung
zu unterziehen haben.

Demonſtrationen in Wien.
Wien, 28. Jan. (Wolff.) Dem Aufruf der Reichsgewerk=
ſchaftskommiſſion
entſprechend, veranſtaltete die Arbeiter=
ſchaft
Wiens am 27. Januar nachmittags einen Demon=
ſtrationszug
über die Ringſtraße am Parlament vorbei.
Die Kundgebung galt vor allem der Forderung nach Arbeits=
loſenunterſtützung
. Nach der Kundgebung kom es, wie es heißt,
anläßlich einer Verhaftung zu einem Zuſammenſtoß zwi=
ſchen
Demonſtranten und der Polizei, der es nach einiger Zeit
gelang, die Ruhe wieder herzuſtellen.
Wien, 28. Jan. (Wolff.) Bei der heutigen Demonſtration
der Arbeiterſchaft wurden insgeſamt neun Wachbeamte
leichtverletzt, als die Sicherheitswache ſich eines Paffanten,
der von der Menge wegen abfälligen Urteils über die Demon=
ſtration
tätlich angegriffen wurde, annahm. Die Wache machte
auch bei diefer Gelegenheit von der Waffe keinen Gebrauch. Im
Laufe der Demonſtration ſind insgeſamt drei Perſonen ver=
haftet
worden.
Aus Polen.

* Nach einer Warſchauer Meldung der Voſſiſchen Zeitung
erließ der polniſche Kriegsminiſter geſtern eine Ver=
ordnung
, wonach aus allen Offiziersbibliotheken die ſchöngeiſtige
deutſche Literatur zu verſchwinden habe.
Warſchau, 27. Jan. (Wolff.) Die Polniſche Telegraphen=
agentur
meldet, der Mörder des Präſidenten Narutowitſch,
Niewiadomski, richtete an das K reisgericht ein Schreiben, in
dem er erklärt, daß er kein Gnadengeſuch einreiche, und
bittet den Gerichtshof, er möge bei der Einſendung der Akten
an den Staatspräſidenten keinen Antrag auf Milderung der
Strafe ſtellen. Das Schreiben wurde den Akten angeſchloſſen,
die das Kreisgericht, ohne einen eigenen Antrag zu ſtellen, durch
Vermittlung des Juſtizqliniſters dem Staatspräfidenten unter=
breitet
hat.
Ata

Stadt und Land.
Darmſtadt, 29. Januar.
Der Wohnungsbau im Jahre 1923 in Darmſtadt.
Von Stadtbaurat A. Buxbaum.
(Fortſetzung.)
Nun ſind zurzeit in Darmſtadt vorhanden etwa 22 565 Wohnunge
und zwau:
147 Wohnungen mit 1 Zimmer ohne Küche,

mit Küche,


*

599


2
70

3



4338





v

394

n


20

2
v
10
139
*
zuſammen 22 565 Wohnungen.
Dazu kommen noch 230 im Bau befindliche Wohnungen, ſodaß wir
heute bereits rechnen können mit etwa 22 800 Wohnungen.
Für unſere Betrachtungen kommen nur in Frage die Zahl der vor
handenen Wohnungen und die Zahl der vorhandenen Haushaltungen
Iſt die Statiſtik richtig, dann fehlen im ganzen höchſtenfalls 1400 Woh
nungen.
Mit dieſer Zahl ſtehr die Stadt Darmſtadt aber keineswegs ungün
ſtig da im Vergleich mit anderen Städten, beſonders mit den Induſtrie
Städten. Es muß ſogar auffallen, daß angeſichts dieſer Sachlage, wie
wir oben geſehen haben, 4100 Wohnungsſuchende zu verzeichnen ſind
Einwandfrei ſteht danach feſt, daß von dieſen 4100 Wohnungs
uchenden 2700 lediglich einen Wohnungswechſel er
ſtreben, dazu aber infolge der Zwangswirtſchaft nicht in der Lage
ſind. Wäre es möglich, einmal das Ventil zu öffner
und die ganze Ueberſpannung entweichen zu laſſen
die ſich im Laufe von 8jähriger Kriegs= und Zwangs
wirtſchaft gebildet hat, dann wäre der größzte Tei
der Unzufriedenheit beſeitigt.
Zweck dieſer Betrachtung iſt nun, zu unterſuchen, wie wir die Ver
hältniſſe auf dem Wohnunsmarkt beſſern können.
Seitherige Maßnahmen der Stadt.
Die ſeitherigen Maßnahmen der Stadt zerfallen in Neubau, der
Ausbau von vorhandenen Räumen, den Ausbau von Dachgeſchoſſen, die
Ausnützung von Baracken, Kaſernen und dergleichen. Seit 1919 ſind in
Darmſtadt durch Neubau errichtet worden 577 Wohnungen. Dieſe ver

teilen ſich wie folgt: *s 2 * S *
S5. 6. 55 V * *5 7
*5 6
5 Co=
F.
R 1919 6 21 22 12 20 1920 43 4 * D 1921 56 22 22 20 13 1922 50 24 23 78 37 10 zuſ= Ja W V DT R W DD 7

1

5
16

50

Durch Umfau, Ausbau, Aufbau und Teilung von Wohnungen wur
den gewonnen 742 Wohnungen. Dazu kommen 38 Barackenwohnunger
und 86 Kaſernenwohnungen. Insgeſamt ſind alſo ſeit 1919 bereitgeſtell=
worden
: durch Neubau 577 Wohnungen, durch Ausbau uſw. 742 Woh
nungen, durch Errichtung von Baracken 38 Wohnungen, durch Aus
nutzung der Kaſernen 86 Wohnungen, ſonſtige 5 Wohnungen, zuſammen
1448 Wohnungen, von denen allerdings etwa 230 zurzeit noch im Bar
begriffen ſind.
Demgegenüber ſteht die Tatſache, daß im Frieden jährlich neu ent
ſtanden ſind: 1902 878 Wohnungen, 1906 631 Wohnungen, 1908
299 Wohnungen, 1910 131 Wohnungen, 1912 186 Wohnungen
1914 79 Wohnungen, trotzdem damals dauernd mehrere hundert Woh
nungen leer ſtanden.
Die ſeitherigen Aufwendungen der Stabt.
Die ſeitherigen Aufwendungen der Stadt für dieſe Wohnungsfür
forge betrugen in den abgelaufenen Jahren insgeſamt etwa 120 Mil
lionen Mark. Dieſer ſeitherige Aufwand, iſt durch Aufnahme
von Anleihen und Darlehen gedeckt worden, die wiederum in der Wol
nungsbquabgabe ihre Verzinfung und Tilgung (in 20 Jahren) finden
ſollen. Die Wohnungsbauabgabe beträgt zurzeit pro 100 Mark Brand=
verſicherungskapital
5 Mark für die Stadt und 1,25 Mark für den Stag=
und der jährliche Nettoertrag kann nach dem derzeitigen Stand der
Veranlagung mit 8 Millionen Mark angenommen werden.

Am Anfang des Jahres 1923.
Das Jahr 1922 hat uns eine Geldentwertung von derheerender Wir=
kung
gebracht, und das Jahr 1923 hat nicht beſſer angefangen. Mit die=
ſer
Geldentwertung ſind die Baupreiſe, im gleichen Schritt geſtiegen
Rechnete man noch im Juli 1922 mit einer 60fachen Verteuerung,
müſſen wir heute (Mitte Januar 1923) eine durchſchnittliche Verteuerun
von mindeſtens 1100 verzeichnen.
Im Juli koſtete 1 Kubikmeter umbauten Naumes noch 1200 Mk. und
eine 3=Zimmerwohnung konnte mit etwa 460 000 Mk. errichtet werden
(Reihenhaus). Heute koſtet der Kubikmeter umbauten Raumes etſa
22000 Mk. und für eine 3=Zimmerwohnung im Reihenhaus betragen die
Koſten nicht weniger wie 385X22000 8500 000 Mk. Im einzelnen
geht die Vertenerung der Baumaterialien aus der folgenden Aufſtellung
hervor.
Es wäre intereſſant zu unterſuchen, warum die Preiſe für einzelns
Baumaterialien gegenüber den Löhnen ſo maßlos geſtiegen ſind, doch
wollen wir dies jetzt außer acht laſſen. Wir ſehen aber aus der Liſte
daß die Löhne nicht ganz um das 700fache geſtiegen ſind. Dabei betragt
die tägliche Arbeitsleiſtung nur noch 60 bis 70 Prozent der Vorkriegs=
zeit
. Der Achtſtundentag hat ſich im Baugewerbe nicht bewährt, weil
ſich hier um einen Saiſonbetrieb handelt und zuviel Zeit beim fortwäh
renden Wechſel der Arbeitsſtätten undroduktiv bleibt. Und doch weiß
jedermann, daß unſer Heil nur darin liegen kann, daß in Zukunft quali=
tatio
und quantitativ, mehr gearbeitet wird. Beſonders gilt dies im
Baugewerbe, wo zurzeit der Nachwuchs an gelernten Kräften ſehr man=
gelhaft
iſt. Die ungelernten Arbeiter erhalten nämlich faſt denſelben
Lohn wie die gelernten, und damit iſt jeder Anreiz, etivas zu leruen, ver=
ſchwunden
. Das wird ſich ſehr bald bitter rächen. Doch das nur neben=
bei
bemerkt.
Die letzte Spalte der Tabelle gibt jedenfalls ein troſtloſes Bild von
der vielfach ungerechtfertigten Verteuerung der Baumaterialien.
Dem Bauſtoffwucher muß durch geſetzliche Maßnahmen entgegen=
getreten
werden. Tatſache iſt nun aber leider, daß die Bautätigkeit unter
dieſen Umſtänden vollkommen zu erliegen droht.

Bauprogramm für 1923.
Der Wohnungsmangel zwingt die Stadtverwaltung, ernſtlich dem
Problem nachzugehen und keine Mittel unverſucht zu laſſen, die im Be=
reiche
der Möglichkeit liegen. Soll dem Wohnungsmangel abgeholfen
werden, ſo müßten wir in dieſem Jahre mindeſtens 200 Wohnungen neu
erbauen. Wenn wir aus den ſeitherigen Erfahrungen heraus ein Pro=
gramm
für dieſes Jahr aufſtellen wollen, ſo iſt zunächſt zu beachten, daß
nur an fertigen Straßen gebaut werden kann. Das Programm wäre
etwa folgendermaßen zu geſtalten:

12,
6

rrichtung eines Altersheims mit 28 Einzimmerwohnungen 28W.
2. Miethaus am Rhönring mit 12 Zweizimmerwohnungen
Miethaus am Rhönring mit 16 Dreizimmerwohnungen 16
4. Miethaus am Rhönring mit 6 Vierzimmerwohnungen
5. Fertigſtellung der Kolonie am Dornheimerweg (28 Ein=
familienreihenhäuſer
)
28,
6. Errichtung von 30 Einfamilienhäuſern in Erbbau und
Selbſthilfe
30
Wohnungsbau des Staates
20
8. Wohnungsbau des Reiches
20
Wohnungsbau der Induſtrie
20
0
10. Privatbauten

(Schluß folgt.)

zuſammen

* Zuſammenſchluß der heſſiſchen Geſangvereine. Im Landtags=
gebäude
tagten am Sonntag im großen Sitzungsſaale die Vertreter de‟
hefſiſchen Geſangvereine. Die außerordentlich gut beſuchte Verſammlung
aus allen drei Provinzen von Heſſen ſtand unter dem Vorſitz des Leikel=
der
Zentralſtelle, für Volksbildung und Jugendpflege, Direktor Heinrich
Haſſinger. Für die Regierung wohnte Miniſterialdirektor Proſ=
Urſtadt der Verſammlung bei, der der Bereitwilligkeit der Regierunce
die gemeinſamen Ziele zu unterſtützen, Ausdruck gab. Direktor Hal
inger begrüßte die Erſchienenen. Das Referat erſtattete der ſeil
langen Jahren an der Spitze des heſſiſchen Geſangvereinsweſens ſtehende
Polizeidirektor Dr. Siegert=Offenbach a. M. Er gab eine treſſe
liche Schilderung des Geſangvereinsweſens und begründete in ſeinen
Ansführungen, weshalb das Geſangvereinsweſens der ſtaatlichen Unker=

[ ][  ][ ]

N

7

Nummer 28.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 29. Januar 1923.

Seite 3.

Johuar, 14 üitzung wert iſt, und in welcher Weiſe er ſich dieſe Underſtützung denkt.
ſus dem Programm ſei hervorgehoben: Die Ausbildung von Dirigenten
beſonderen Kurſen, Abhaltung von Wertungsſingen, Förderung durch
ſergtung der Vereinsbeſtrebungen, ſteuerliche Erleichterung, Fahrpreis=
mäßigung u. a. Ein Beweis, wie ſehr der Redner dem Empfinden der
inweſenden gerecht wurde, fand in dem außergewöhnlichen Beifall ſeinen
U
uzdruck. Die überaus auregende Diskuſſion ergab die allgemeine Be=
eitſchaft
, der Gründung einesheſſiſchen Sängerbundes
aber zu treten. Es wurde ein vorläufiger Veirat gewählt, beſtehend
u8 6 Vertretern der Männergeſangvereine und 6 Vertretern der Ar=
eitergeſangvereine
, welcher der heſſiſchen Zentralſtelle für Volksbildung
ngegliedert und der ſeine Arbeiten alsbald aufnehmen ſoll. Mit dieſem
zſammenſchluß iſt ein langgehegter Wunſch der Sängerbunde in Er=
iſlung
geggangen, und es ſteht außer Frage, daß die Tagung ein Mark=
ein
in der Eutwickelung des Geſangvereinsweſens bildet. Die Vor=
zueitungen
zur Gründung des Heſſiſchen Sängerbundes ſind von Dr.
jegert bereits in die Wege geleitet. Direktor Haſſinger hob zum
ſchluſſe hervor, daß vom 19. bis 24. März wieder die Abhaltung eines
ſirigentenkurſes geplant iſt und nähere Mitteilungen durch die Preſſe
egehen. Er regte an, die Vereine ſollten ſich wieder dem deutſchen
ſoltsliede beſonders zuwenden, dazu ſeien geeignet Deutſche Lieder=
du
ßende. In unſerer heutigen, ſo ſchweren Zeit gilt es, ſich von dem
Ibdruck zu befreien, und dazu iſt das deutſche Lied, das deutſche Volks=
du
ed berufen. Geeignete Rezitatoren, Damen und Herren, ſtehen zur
nterſtützung bereit. Gerade jetzt, wo ſich in letzter Zeit brutale Ge=
o
= V zalt ſo rückſichtslos enthüllt, gilt e2, uns zuſammenzufinden; ſetzen wir
en ſtahlharten Willen voran! Wir haben Kinder, denen wir verantwort=
ich
ſiud, denen wir eine einigermaßen erträgliche Zukunft bieten wollen.
darun alle Kräfte daran, daß der deutſche Geiſt in der deutſchen Ju=
end
wieder lebendig wird. Ich glaube an die Zukunft unſeres Volkes.
hm müſſen wir die Treue halten in aller Not und Gefahr. Stützen
jie uns! Redner ſpricht begeiſtert für das deutſche Lied, das unſere
fruſt frei machen kann, und ſchließt darauf die harmoniſch verlaufene

agung.
RDV. Gefährliche Frachtbrief=Unrichtigkeiten‟. Die Eiſenbahnver=
altung
hat, wie die Reichszentrale für Deutſche Verkehrswerbung mit=
I1, ihre Dienſtſtellen angewieſen, die Frachtbriefangaben über Inhalt
id Gewicht der Sendungen ſcharf nachzuprüfen; bei unrichtigen An=
ihen
iſt in jedem Falle neben der Mehrfracht ein Frachtzuſchlag zu er=
ben
, der ähnlich wie das Strafporto bei Poſtſendungen das
oppelte des Unterſchiedes zwiſchen der angegebenen und der richtigen
racht beträgt; bei Wagenüberlaſtungen wird ein weiterer Zuſchlag er=
ben
, und außerdem werden die geſetzlichen oder polizeilichen Beſtim=
ungen
angewandt, die falſche Frachtbriefangaben unter Strafe ſtellen,
efonders gefährlich werden dieſe Unrichtigkeiten bei Sendungen nach
m Ausland; auf einer Grenzſtation im Oſten iſt feſtgeſtellt worden, daß
s Umzugsgut bezeichnete Sendungen auch Handelsware enthielten;
rartig unrichtig bezeichnete Sendungen werden auch wenn ſie be=
its
zollamtlich vorabgefertigt ſind von der Zollbehörde beſchlag=
ihmt
und, um die Wagen nicht lange dem Verkehr zu entziehen, aus=
laden
und eingelagert. Um dieſe Schwierigkeiten zu vermeiden, hat
B. die Reichsbahndirektion Berlin angeordnet: handelt es ſich nicht
n Umzugsgut, ſo iſt der Frachtzuſchlag zu erheben und gleichzeitig der
olizei Anzeige zu erſtatten, denn dann liegt die Annahme nahe, daß
ne Schiebung mit Möbeln beabſichtigt iſt.
Aus den Parteien.
Deutſche Volkspartei Darmſtadt. Mitglieds=
trten
. Es wird nochmals darauf hingewieſen, daß die Mitglieds=
rten
für 1923, die als Ausweis für den Beſuch aller Parteiveran=
iltungen
dienen, auf der Geſchäftsſtelle, Wilhelminenſtraße 5, abgeholt
erden können. Hierbei kann gleichzeitig der Betrag für 1923 ganz
ſer teilweiſe bezahlt werden. Je mehr Mitglieder von dieſer Ein=
chtung
, die Karten ſelbſt abzuholen und zu bezahlen, Gebrauch machen,
ſto einfacher geſtaltet ſich nachher für die Bezirksvorſteher die Ein=
hung
der Beiträge in den Häuſern. Wir bitten unſere Mitglieder
ſchmals, recht zahlreich in den nächſten Tagen die Karten auf der Ge=
jäftsſtelle
abzuholen.
St. Nieder=Ramſiadt, 27. Jan. Gemeinderatsbericht. Vor
intritt in die Tagesordnung wurde das Viſitationsergebnis über die
ienſtführung des Gemeinderechners Wagner bekannt gegeben; auch
r Gemeindergt ſpricht in Anbetracht des guten Erfolges ſeine Aner=
unung
aus Sodann gedachte der Bürgermeiſter in einer kurzen
nſprache des tapferen Verhaltens der infolgo der frivolen Handlungs=
eiſe
der Franzoſen im Ruhrgebiet Verhafteten und mahnte zur
nigkeit. Es wurde beſchloſſen, die Mieten in den gemeindlichen
bäuden den reichsgeſetzlichen Sätzen anzupaſſen. In demſelben Maß=

ſtabe werden dann auch die Mieten in dem kürzlich bezogenen Neuban
feſtgeſetzt. Die Gemeindehundeſteuer wird wie folgt feſtgeſetzt: für
den erſten Hund 590 Mark, für den zweiten 1000 Mark, für den dritten
1500 Mark, für den vierten 2000 Mark, für jeden weiteren Hund 500
Mark mehr. In Anpaſſung der entwerteten Geldverhältniſſe werden
die Gebühreufätze zur Friedhofsverordnung hinſichtlich folgender Poſi=
tionen
erhöht: für Erwerbüng eines Grabes für Perſonen über 14 Jahre
auf weit
ve 30 Jahre von 10 Mark auf 1000 Mark, desgleichen für Per=
ſonen
unter 14 Jahren auf weitere 20 Jahre von 6 Mark auf 600 Mark.
Die durch den Gemeinderat ſeinerzeit beſchloſſene Verlängerung der
Ludwigſtraße wurde hinſichtlich der Geſamtlinienführung der Straße
boanſtandet. In Anbetracht des großen Koſtenaufwandes, der durch
eine nockmalige Vermeſſung des in Betracht kommenden Geländes ent
ſtehen würde, glaubt der Gemeinderat einer weiteren Verlegung der
Straße nicht zuſtimmen zu können, zumal dieſe alsdann auch zu nahe
an den Steinbruch herankäme. Der bisherige Schulvorſtand wird
auf weitere drei Jahre wiedergewählt. Die Gebühven der Feldgsſchwo=
renen
werden mit Wirkung vom 1. Januar, I J. an auf 150 Mark pro
Stunde erhöht. Einem Anſinwen des Kreisamtes entſprechend, wird
der gephnten Prämienerhöhung für die bei der Frankfurter Allgeuei=
nen
Verſicherungs=Aktiengeſellſchaft abgeſchloſſene Haftpflichtverſicherung
zugeſtimmt. Als Beiſitzer für die Pachteinigungsämter werden fol=
gende
Perſonen in Vorſchlag gebvacht: für kleinere Betriebe: Friedrich
Luahaupt 2., Georg Wagner 4. als Vertreter der Verpächter, Georg
Keil, Adam Eiſinger als Vertveter der Pächter; für mittlere Betriebe:
Friedrich Bayer, Karl Dörr ſen. als Vertreter der Verpächter, Wilhelm
Spengler 6., Ernſt Seriba als Vertreter der Pächter. Gemeinderat
Eiſinger erſtathet Bericht über die Sitzung der Baukommiſſion. Verſchie=
dene
Reckhnungen wurden genehmigt. Begnſtandet wurde vor allen
Dingen, daß die Mieter in gemeindlichen Wohwungen teilweiſe ſeh
wenig Rückſicht nehwen auf die Erhaltung der Wohnunngen. Es wird
in Ausſicht genommen, willkürlich herbeigeführte oder infolge Unacht=
ſamkeit
verurſachte Reparaturkoſten in Zukuuft den in Betracht kom=
menden
Mietern aufzubürden. Einigen Volksſchülern, die im Schul=
haus
Fenſterſcheiben zerſtörten, wird als Strafe ein Beitrag zu den
Liederherſtellungskoſten in Höhe von 300 Mark pro Kind auferlegt.
Gemeinderat Bernhardt berichtet über die Sitzung der Friedhofs= und
Beſtattungskommiſſion. Verſchiedene Rechnungen wurden genehmint.
Eine kleine Debatte entſtand über die Frage, welche Perſonenkreiſe in
den Genuß des freien Begräbniſſes einzubeziehen wären. Einig war
man ſich auch heute wieder darüber, daß Perſone, die keime leiblichen
Erben hinterlaſſen haben, der Genuß nicht zuzuſprechen iſt. In Anbe=
tracht
der fortgeſetzt ſteigenden Preiſe wird beſchloſſen, ſofort 12 Stück
Särge in Normalgröße anfertigen zu laſſen. Die Arbeit wird in Suh=
miſſion
vergeben, und zwar ſollen Angebote mit und ohne Holzliefe=
rung
eingeholt wverden. Zum Schluß erſtattete der Bürgermeiſter
Bericht über das bisherige Ergebnis der Nothilfeſammlung. Dieſe er=
gab
mahezu 80 000 Mark in bar und Naturalien im ungefährei
Werte
von 50 000 Mark. Die Verteilung an ungefähr 60 bedürftige
Prrſon=
hat
bereits ſtattgefunden. Allen Gehern und Mithelfern wird der Dank
der Gemeindeverwaltng ausgefprochen.
nz. Grünberg (Oberheſſen), 26. Jan. Ein gutes Geſchäft.
Die ganze 18 000 Morgen große Herrſchaft Kleinitz iſt an eine Berliner
Holzfirma für 4 Milliarden Mark verkauft worden.
Spiel, Sport und Turnen.
Das V. C. D. Sportfeſt.
St. Das Saalſportfeſt, das der Velozipedklub Darmſtadt in Verbin=
dung
uiit der Radſportlichen Tagung veranſtaltete, war außerordentlich
ſtark beſucht und nahm einen glänzenden Verlauf. Die politiſche Bedeu=
tung
der Beratungen und die Anweſenheit der Schweizer Gäſte gaben der
Veranſtaltung erhöhte Bedeutung, die ihren Ausdruck fand in mehr=
fachen
ſpontanen Kundgebungen. Dem geſtrigen Bericht über den Emp=
fangsabend
ſei nachgetragen, daß die Sammlung für die Nuhrbergleute
etwa 100 000 Mark ergab.
Für das Saalſportfeſt hatte der V.C.D. wiederum ein ſportliches
Programm aufgeſtellt, wie es tarſächlich nur ein Verein von ſeiner Be=
deutung
bieten kann, der im Bund deutſcher Radfahrer ſportlich und ge=
ſellſchaftlich
an der Spitze marſchiert, jedenfalls aber eine hervorragende
Stellung einnimmt, wie immer wieber aus maßgebendem Munde zu
hören war. Ein 16er Begrüßungsreigen, gefahren von der
Jugendmannſchaft des Klubs (Fahrer: Rettberg, Langlitz, Walter, Senft,
Lehe, Zulauf I. und II., Firnges, Seibert, Roßmann, Leißler, Hoffmann,
Hannewald, Schubkegel, Seipel, Schaffner Fahrwart Louis Hax) er=
öffnete
die überreich gebotenen ſportlichen Darbietungen, die ausnahms=
los
auf kaum zu überbietendem Niveau ſtanden. Ein 24er Maſſen=
reigen
, gefahren von den aktiven Saalmannſchaften des V.C.D.

(Fahrer: Daudt, Asmus, Napzpel, Kämmerer, Ziegler I.,Seibert, Facobi,
Kanzler, Becker, Breitwieſer, Barth, Glaub, Leichtlein, Lautenſchläger,
Ziegler II., Platſcheck, Gruber, Hillmann, Rühl, Landzettel, Waldſchmitt,
Petri, Weis, Weber, Fahrwart: Louis Hax), ſchloß ſich an. Beide Rei=
gen
wurden ſchneidig gefahren und boten das Bild ausgezeichneter Sport=
diſziplin
, die übrigens in beſonderem Maße auch den 12er Farben=
Damenreigen, gefahren von der Damenabteilung (Fahrer: Frl.
Kahmann, Brändel, Wedekind, K. Raab, M. Reinhardt, L. Raab, Bauer,
Lehe, Stößel, Gruber, H. Reinhardt, Schnellbacher, Fahrwart Louis
Hax) auszeichnete und gleichwie der 8er gemiſchte Koſtümrei=
gen
, in heſſiſcher Bauerntracht (Fahrer; Frl. Kahmann, Walter, Stö=
ßel
, Neinhardt, Herren Daudt, Jacobi, Jäckel, Ziegler) ſehr ſchöne und
briginelle Bilder bot. Aber auch im Kunſtreigen bot der V.C.D.
Ausgezeichnetes, wenn er auf dieſem Gebiete auch wohl noch den deut=
ſchen
Meiſter (Erfurt) nicht erreicht. Dazu kamen noch ein eigenartig
ſchöner und intereſſanter 8er Glühlichtreigen von der 1. Jugend=
mannſchaft
(Fahrer: Nagel, Platſcheck, Lotz, Nöſinger, Redel, May, Mer=
ſchel
, Weber, Fahrwart Louis Hax), ein 8er Stabſchmuckreigen
von der Schmuckreigenmannſchaft (Fahrer: Daudt, Asmus, Jacobi, Breit=
wieſer
, Ziegler, Barth, Scibert, Rühl, Fahrwart: Louis Hax). Dann
vor allem die beiden Kunſtfahrer Gebrüder Göttmann, die immer
aufs neue überraſchen durch ihre Leiſtungen, die denen der beſten Be=
rufskünſtler
zum mindeſten gleichkommen und die auch ein humoriſtiſches
Duett=Kunſtfahren: Der luſtige Ehemann, brachten. Die Vielſeitigkeit
und Leiſtungsfähigkeit des V. C.D. auch auf dem Gebiete des Saalſports
wird durch dieſe Aufzählung überzeugend illuſtriert.
Die glänzendſte Leiſtung des Tages war ſicher, von den Wettſpielen
abgeſehen, der 8er=Kunſtreigen, gefahren von der Mannſchaft
des R.
C. Pfeil, Erfurt (Deutſcher Meiſter 1922). Aber auch der
Ger=Kunſtreigen der Friſch Auf
Heinichen bot. Ausg=zeichnetes.
Im übrigen brachte der Nachmittag noch feſſelnde und zum Teil höchſt
ſpannende Nadballſpiele zwiſchen R. V. Oberrad und Offenbacher
Bichele=Klub, Radfahrer=Klub Germania=Frankfurt gegen Bichcle=
Klub Offenhach in zwei Gruppenſpielen und einem Endſpiel, das Ger=
mania
=Frankfurt als Sieger mit 7:4 Toren (Oberrad) ſah, und
die noch den Clou des Programms brächhen, den Länderkampf
im Zer=Radballſpiel zwiſchen Velo=Klub an der
Siehl=Zürich (Schizeizeriſcher Meiſter) und Nadfahrer=Verein
Germania=Frankfurt (Deutſcher Meiſter). Dieſes Spiel endete nach
einem außerordentlich ſcharfen, an Ueberraſchungen und ſpannenden
Momenten reichen Kampf unentſchieden mit 1:1 Toren
Unmittelbar nach Beendigung des Programms fand die Preisver=
teilung
ſtatt, die dem 1. Vorſitzenden des V. C. D., Herrn Carl
Bauer, Gelegenheit gab, in einer herzlichen Anſproche nochmals die
Schweizer Sportfreunde zu feiern, in deren Namen Herr Wichmann
dankte und namens des Schweizer Radfahrerbundes den Deutſchen noch
weiterhin Treue gelobte. Dazu wurben gegenſeitig Ehrengeſchente
ausgetauſcht, die Fahrer und Spieler erhielten Plaketten. Der Abend
wurde mit einem geſellſchaftlichen Beiſammenſein ausgefüllt, das durch
künſtleriſche Darbietungen mancherlei Art verſchönt wurde.
er. Winterſegelflugwoche. Mit einer Neuerung tritt
am Sonntag noch St. Andreasberg im Harz an die Oeffentlichkeit, dem
Beginn der Winterfegelflugwoche, die zwar im einzelnen
nicht als Wettbewerb gedacht iſt, bei dem dortigen günſtigen Gelände
jedoch ſehr gute Erfolge verſpricht. Die beſten Segelflugleute aus Han=
nover
, Hentzen und Martens, die ſchon in der Rhön Hervorragendes
zeigten, haben ihr Kommen zugeſagt.
sr. Der Winterſport wartet als wihtigſtes Ereignis in
Deutſchland mit der Deutſchen Bobfleighmeiſterſchaft in Winterberg in
Weſtfalen auf. Die Schneelage iſt dort ſehr günſtig
und auch die Zahl
der Nennungen mit 36 läßt nichts zu wünſchen übrig. Die Welt=
meiſterſchaften
im Eiskunſtlaufen veranſtaltet der Wiener Eislaufderein
in Wien. Ueber eine eventuelle deutſche Beteiligung die meiſten
der guten deutſchen Läufer und Läuferinnen weilen augenblicklich in der
Schweiz iſt bisher noch nichts verlautet.
Tageskalender.
Landestheater, Kleines Haus, Anfang 8 Uhr: Kammerkonzerk
der Triovereinigung Noſenſtock, Drumm, Andreae. Union=, Reſi=
denz
=, Central=Theater, Palaſt=Lichtſpiele: Kino=Vorſtellungen.

Druck und Verlag: L. C. Wirtich. Verantwortlich für Politik und
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, Stadt und Land,
Reich und Ausland: Max Streeſe; für den Inſeratenteil: Paul
Lange ſämtlich in Darmſtadt.
Die heutige Rummer hat 4 Seiten.

Heute nachmittag entſchlief ſanft unſere
liebe Mutter, Großmutter, Schwägerin
und Tante
Frau Oekonomierat

Seber

im

geb. Schudt
73. Lebensjahre.
Landhaus Petersau, 27. Januar

1923.

Die trauernden Hinterbliebenen.

Die Beiſetzung findet Mittwoch, den 31. Januar,
nachmittags 2 Uhr, auf Mönchhof, Station
Raunheim a. M., ſtatt,
(837
Von Blumenſpenden und Beileidsbeſuchen wird
gebeten, abſehen zu wollen.

Am 27. Januar verſchied nach
ſchwerem Leiden im 68. Lebens=
jahr
mein lieber Mann, unſer
guter, treubeſorgterVater, Schwie=
gervater
, Großvater, Bruder und
Onkel, Herr
Philipp Hotz
Schneidermeiſter.
Dietrauernden Hinterbliebenen.
Darmſtadt, den 29, Jan. 1923,
(Riegerplatz 7.)
Die Beerdigung findet am Diens=
tag
, nachmittags ½4 Uhr, auf dem
Waldfriebhof ſtatt. (836

Offene Stellen
Me

zur Aushilfe ſofort
gef. Zu melden in der
Geſchäfsſtelle
des Darmſtädter Tag=
blattes
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[ ][  ]

Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Moutaa, den 29. Januar 1923.

Landwirtſchaft, Sartenbau, Kleintierzucht
Einteilung und Samenauswahl
Ausſchneiden!
Aufheben!
für Kleingärten.

In Nachſtehendem geben wir unſeren Leſern eine Zuſammen=
ſtellung
der für einen Klein arten benörinen amenmenge. Voraus=
ſetzung
iſt dabei folgendes: Die meiſten Gärten des Gartenbauvereins
und der Gartenbau=Genoſſenſchaft ſind 300 qm groß. 1/, 100 qm)
werden allgemein mit Kartoffeln gebaut, ½ (200 qm) mit Gemüſe.
Für die 200 gm iſt die Auswahl auf Grund langer Erfahrung mit
Berückſichtigungunſeres Bodens und Klimas getroffen. Weiter geben
wir einen Bepflanzungsplan, der anleiten ſoll, jeden am Land
möglichſt auszunutzen.
Wir empfehlen unſeren Leſern ſorgfältige Beachtung der hier von
bewährtem Fachmann gegebenen Richtlinien in eigenſtem Intereſſe.

10,

2ge .

Hamenauswahl für einen Kleingarten von 200 qm.

1. Bohnen: Buſchbohne Nordſtern . . .. 125 gr für 15 qm Wachsbohne Flagelot . . . .. 50 Stan enbohne Zeppelin 75 . 2. Erbſen: Buſcherbſe Daiſy .... .. 125 10-15 Kneifel=Reiſererbſe. . . . 50 * 2. Gurken: Trauben . . . . . . . ." . . . 1 Portion * 5 mittellange . . . . . . ." ... 1 4. Blumenkohl: Schneeball . . . . ." ... 1 10 5. Kohlrabi; Wiener . . . . . .... ...1 30 Goliath . . . . . . ... ..1 20

6. Wirſing: Johannistag . . . . . . . . . . 1 Portion für
Vertus
..... 1

7. Weißkraut: Johannistag . . . . .. . . 1
Braunſchweiger . . . . . . ."
8. Rotk aut: Mohrenkopf . . . . . . . .."
2
9. Roſenkohl: Feſt und Viel ........"

10. Krauskohl: mittelhoher . . . . . . . . ."
n
11. Römiſchkohl
...
12. Karotten: Nanteſer
.
d
Braunſchweiger . . . . . . . .

13. Rote Rüben: Aegyptiſche . .
5,
14. Salat: Deutſcher Unvergleichli her, Trotz=
korf
, Maikönig, Schnittſalat,
Endivien
.. . . . . . . 5Portionen,
15 Schwarzwurzeln: Ruſſiſche . . . . . . ."
10gr
16. Spinat: Vikrorta .... . . . . . . ..
100
17. Zwiebeln: Zittauer . . . . . . . . . ..
10.,
10,
18. Feidſalat: vollherziger . . . . . . . . .
19. Radies und Rettich ..
. . . . . 2Portionen,
20. Küchenkräuter: Se lerie und Lauch
2
Peterſilie, Dill, Borretſch, Bohnen=
kraut


21. Blumen: Reſeda, Nelken, Strohblumen,
Aſtern . . . . . . . . .. ...4

20 qm
20

20
20
20
10
10

25
z

10

5
5.

Einteilung des Gartens, jedes Beet 5 qm.

1.

2.

3.

5.

7.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

Januar: Spinat, 25 gr.
Mai: Bohnen, Nordſtern. m2 April: 1 Reihe Weißkraut, 15 Pflanzen, 1 Reihe Rot=
kraut
, 15 Pflanzen, Februar: Karotten, Nanteſer, mit einigem Salat, April: Salat, 80 Pflanzen. Entfernung 25 em.
Mai: Kohlrabi und Wirſing dazwiſchen,
Auguſt: Feldſalut ſäen. Februar: Erbſen, Daiſy,
Juni; Weißkraut. Mai: 1 Reihe Römiſchkohl, verziehen, 2 Reihen Rote
Rüben. Februgr: Schwarzwurzeln. Mai: Gurken,
September: Krauskohl, 30 Pflanzen, Februar: Spinat, 25 gr.
Ende Mai: Buſchbohnen, Wachs Flagelot, Mai; Stangenbohnen. Februar: 4 Reihen Schnittſalat.
Mai: Die 2 mittleren Reihen abernten und
Gurken legen. Ende Mai: 10 Tomatenſtöcke, Pflanzen kaufen. An
den Längsſeiten je 1 Reihe Salat pflanzen. Anfang März: Zwiebeln ſäen, dazwiſchen einige Samen
Salat: Deutſcher Unvergleichlicher. Mai: 3 Reihen Sellerie, 45 Pflanzen. März: Römiſchkohl und Rote Rüben legen, je 2 Reihen. MaiJuni: 4 Reihen Lauch, 80 Pflanzen. März: Die reſtlichen Salatſamen aus dem Vorjahre
ſäen und als Rupfſalat verwenden,
Ende Mai: Buſchbohne, Nordſtern. Mai: Buſchbohnen. März: Je 1 qm Dill, Borretſch, Peterſilie, Bohnenkraut,
½ qm Sellerie und Lauch in Querrillen; die beſten
Pflanzen zum Ausſetzen, das übrige für Sommer=
verbrauch
. Juni: Weißkraut, 30 Pflanzen. März: Erbſen, zum Ausreifen für den Winter,
Anfang Juli: Roſenkohl, 30 Pflanzen. Jnni: Weißkraut, 30 Pflanzen, Ende März: Saatbeet für Kohlrabi, Wirſing, Weiß=
kraut
, Rotkraut, Salat, zuſammen 2 qm, und
2 Reihen Spingt.
Juni: Erbſen. Juni: Rotkraut, 30 Pflanzen, März: Salat, 60 Pflanzen in 4 Reihen. Pflanzen
kaufen.
Ende April: Zwiſchenpflanzung mit Blumenkohl. Juni: Wirſing, 30 Pflanzen, März: Kohlrabi und Wrſing, 40 Pflanzen kaufen.
Juni: Saatbeet für Kohlrabi, Salat, Wirſing,
Auguſt: Feldſalat. Juni: Salat, Trotzkopf, 80 Pflanjen.
Anfang Auguſt: Kohlrabi dazwiſchen. April: Saatbeet für Rettich, Radies, Salat, Weißkraut,
Rolkraut, Wirſing, Kohlrabi, Roſenkohl, Endivien,
Juli: Endivien. Zur freien Verfügung. Blumen: 10 Nelkenſtöckepflanzen, rundum 1 Reihe
Reſeda ſäen. Blumen: Aſtern, Strohblumen, Nelken ſäen,

17.

18.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

32.

Bemerkungen zu dem Bepflanzungsplan und der Samenauswahl:
Man hat im Laufe der Jahre in Erfahrung gebracht, daß bei richtiger
Ausnutzung des Bodens rechtzeitiger Ausſaat und wechſelnder An=
pflanzung
200 Qundratmeter Gartenland voll und ganz imſtande ſind,
das für eine Familie von mittlerer Größe benötigte Gemüſe zu lie=
fern
. Der über dieſen Rahmen hinausgehende Flächenraum wird im
allgemeinen mit Kartoffeln bepflanzt. Aus dieſen Gründen ſind Be=
pflanzungsplan
und Samenauswahl auf eine Größe von 200 Quadrat=
metern
bemeſſen. Beide ſind entſtanden auf Grund der Anregungen
und Anfragen aus den Kreiſen der Kleingärtner vom Gartenbauverein
und der Gartenbau=Genoſſenſchaft Darmſtadt, und beide wollen den ge=
äußerten
Wünſchen Rechnung tragen. Es ſei noch bemerkt, daß beide
aufgeſtellt ſind auf Grund hieſiger Verhältniſſe in bezug auf Klima
und Boden. Wer mit anderen Sorten Früh= oder Spätgemüſe gute
Erfolge erzielt hat, möge unbeirrt ob obiger Auswahl auf Grund eige=
ner
Erfahrungen weiterbauen und zu geeigneter Zeit Mitteilungen für
Kleingärtner ergehen laſſen.
Die Saatgutmengen ſtellen das Mindeſtmaß deſſen dar, was für die
angegebene Landgröße benötigt wird. Dabei ſind ſie jedoch vollſtändig
ausreichend, wenn die Samen gut ſind und die keimende Saat auf gutem
Saatbeet richtig gepflegt wird. 1 Gramm Kohlſamen (Wirſing) hat
etwa 350 Samenkörner. Sollte davon ein Viertel nicht keimfähig ſein,
ein weiteres Viertel Schädlingen zum Opfer fallen, und vom Reſt, alſo
der Hälſte, noch ein erheblicher Teil ſich nicht voll entwickeln, ſo bliebe
noch ein guter Beſtand von rund 100 Pflanzen übrig, womit man
2025 Quadratmeter, je nach der Sorte, bepflanzen könnte. Aus die=
ſem
Beiſpiel, wobei mit den mißlichſten Verhältniſſen gerechnet iſt, kann
erſehen werden, daß die angegebenen Samenmengen ausreichend be=
meſſen
ſind. Frühgemüſe und Frühſalatſorten zeichnen ſich durch eine
außerordentlih raſche Entwickelung aus, die aber nur bei reichlicher
Feuchtigkeit und mäßiger Wärme möglich iſt. Hierzu gehören Weiß=
kraut
Johannistag, Blumenkohl Erfurter Zwerg und Salat Maikönig.
Für die Frühpflanzung kauft man dieſe Sorten am beſten beim Cärt=
ner
auch wenn die Pflanzen anſcheinend teuer ſind. In dieſem Falſe
erhält man wirklich Frühgemüſe, hat auch zeitig das Land wieder frei,

tüährend bei der Anzucht im Freien die Entwicklungszeit zum Teil in
die erſte Sommerhälfte fällt und Enttäuſchung über Enttäuſchung be=
reitet
. Auch die erſten Pflanzen Wirſing und Kohlrabi werden am
beſten bei dem Gärtner gekauft. Für dieſe Ausgaben können anderer=
ſeits
wieder Erſparniſſe gemacht werden durch Anzucht von Steck=
zwiebeln
, Saatbohnen und Saaterbſen, vielleicht auch Saatgut bei Spi=
nat
, Römiſch=Kohl, Karotten und Zwiebeln.
Für Anfänger im Kleingartenbau erſcheinen folgende Bemerkun=
gen
angebracht:
1. Man beziehe nur beſtes Saatgut von zuverläſſigen Geſchäften;
2. je feiner die Samen ſind, deſto geringer muß die Erdmenge ſein,
womit man die Samen im Saatbeete zudeckt;
3. das Saatbeet muß aus altgedüngter feiner Erde hergerichtet wer=
den
, damit die zarten Sämlinge ſich ſtark entwickeln können;
4. junge Pflanzen zum Ausſetzen hebt man mit den Wurzeln vor=
ſichtig
aus, damit die zarten Saugwurzeln nicht verletzt werden
(man darf ſie unter keinen Umſtänden ausrupfen);
5. man ſetzt die Pflanzen ſo tief, wie ſie im Saatbeete ſaßen;
6. man pflanze bei trübem regneriſchem Wetter, nicht bei brennen=
der
Sonne oder bei Froſtgefahr:
7. man pflanze nicht zu eng, damit die Pflanzen ſich gut entwickeln
können (enge Saat und enge Pflanzung ſind eine Verſchwendung
von Saatgut und Pflanzen und mindern die Erträge);
8. ausgeſetzte Pflanzen gieße man nur einige Tage, bis ſie angewach=
ſeh
ſind, und überlaſſe das Uebrige der Natur (wer glaubt, täg=
lich
gießen zu müſſen, mache mit einigen Pflanzenbeeten einen
Verſuch);
9. dem Boden, der lohnende Erträge liefern ſoll, müſſen Nährſtoffe
zugeführt werden in ausreichender Menge (der Kleingarten ſei daher
eher zu klein als zu groß);
10. der Kleingärtner benötigt einen Maßſtab ebenſo ſehr wie der

Handwerker (es genügt ſchon ein meterlanger runder oder kantiger
Stab mit einer Einteilung);
1. die Hacke ſei das meiſtbenützte Gartengerit;
12. der Grten will jeden Tag ſeinen Herrn ſehen.

Landwirtſchalt

9

Spinat von Eiskraut. Noch recht wenig wird ir
den Hausgärten das Eiskraut, Meſembrianthemum eryſtallinum
gezogen, obwohl ſich dieſe gegen Trockenheit unempfindliche
Pflanze vorzüglich eignet, in der heißen Sommerzeit Spinat
gemüſe zu liefern. Seine Kultur macht wenig Mühe. Man weif
ihm die ſonnigſten Plätze an und gibt ihm lockeren, ſandigen
aber nahrhaften Boden. Der feine Same wird im Juni, Jul=
und Auguſt in Schalen geſät. Sind die Pflänzchen einige Zenti=
meter
groß, dann verſetzt man ſie in Abſtänden von 50 Zenti=
meter
auf den endgültigen Standort. Geerntet wird vor der
Blüte, etwa vier bis ſechs Wochen nach dem Auspflanzen. Mar
ſchneidet die ganzen Stöcke über der Erde ab.
Düngung des Hafers. Was die Düngung de=
Hafers betrifft, ſo wird er mit Unrecht als Stiefkind behandelt
obgleich es doch bekannt iſt, daß kaum eine andere Getreidear
eine reichliche Düngung beſſer lohnt als der Hafer, da er eit
ſtarkes Düngerausnützungsvermögen beſitzt. Beſonders ſtarke
Stickſtoffgaben verträgt der Hafer nicht nur ſehr gut, ſon
dern verwertet dieſelben auch ausgezeichnet. Wenn der Hafe=
auch
unter allen Halmfrüchten das geringſte Bedürfnis nach Kal
und Phosphorſäure hat, da er ſich dieſe Nährſtoffe mit Hilfe einer
kräftigen Bewurzelung leicht aus dem natürlichen Vorrat des
Bodens anzueignen vermag, ſo verlangt derſelbe auf leichterer
Boden doch geradezu eine Kaliphosphatdüngung, weil er di=
verabreichten
Stickſtoffmengen dann beſſer auszunutzen vermag
Auf kaliarmen Sand= und Moorböden iſt eine Kalidüngung zu
Hafer überdies immer rentabel; man gibt auf einen Hektar 40
bis 500 Kilo Kainit. Als Phosphorſäuredünger verabreicht mar
entweder zeitig Thomasmehl, und zwar 300375 Kilo pro Ha.
oder bei der Beſtellung 200250 Kilo Superphosphat. Die Stick=
ſtoffdüngung
erfolgt mit 120200 Kilo ſchwefelſaurem Ammo=
niak
pro Hektar, und zwar wird dasfelbe 12 Wochen vor der
Beſtellung, ſpäteſtens aber bei derſelben, breitwürfig ausgeſtreut
und leicht eingeeggt.
R0

O
Obſi= und Garienbau

Die Camelie im Winter. Dieſes ſchönblühende
Topfgewächs verlangt zu ſeinem Gedeihen ein nur mäßig war=
mes
Zimmer und ein ſehr vorſichtiges Gießen. Da ſie aber im
Wiuter blüht, darf es ihr an Waſſer nicht fehlen, und doch darf
ſie davon nicht allzuviel bekommen. Bekommt ſie zu wenig, ſo
läßt ſie die Knoſpen reſp. Blüten abfallen, und bekommt ſie zu
viel Waſſer, ſo tritt das gleiche ein. Zu ſchroffer Temperatur=
wechzſel
und öfteres Hin= und Herſtellen führen bei ihr gleich=
falls
zu einem Abwerfen der Blüten. Am wohlſten fühlt ſie ſich
in einem nur ſchwach temperierten Zimmer, einem ſolchen, das
ſeine Wärme von einem geheizten Nebenzimmer erhält und in
dem die Temperatur nicht unter 4 Grad R. fällt.

6

K5

Vieh= und Geflügelzucht.

Wieviel Hühner hält man zu einem Hahn?
Bei allen Arten unſeres Hausgeflügels wird durch eine Psgat=
tung
eine mehr oder weniger große Anzahl von in der Entwik=
lung
begriffenen Eiern befruchtet. Das wird durch die Erfah=
rung
bewieſen, daß bei der landwirtſchaftlichen Geflügelhaltung
mitunter 50 und mehr Hennen auf einen Hahn kommen und doch
ſehr gut. Brutergebniſſe erzielt werden. Andererſeits kann man
bemerken, daß Hennen, noch 14 Tage und länger nach der Ent=
fernung
ihres Hahnes befruchtete Eier legen und daſ bei Erſatz
eines Hahnes durch einen Hahn anderer Raſſe aus den in den
erſten 14 Tagen gelegten Eiern noch Kücken von der Raſſe des
alten Hahnes ſchlüpfen. Dieſe Einrichtung der Natur gibt uns
die Möglichkeit, jedem Hahn eine ganze Reihe von Hennen bei=
zugeſellen
, wodurch natürlich die ganze Zucht verbilligt wird.
Bei welcher Hennenzahl aber die Grenze der beſten Ausnutzung
eines Hahnes liegt, darüber gehen die Meinungen ſehr weit aus=
einder
. Im allgemeinen herrſcht in den Kreiſen der Geflügel=
züchter
heute die Anſicht, daß bei ſchweren Naſſen auf einen Hahn
höchſtens acht bis zehn Hennen kommen dürfen, bei leichten 15
bis 20. In Wirklichteit ſind die Stämme, von denen in der ſtäd=
tiſchen
Geflügelzucht die Bruteier genommen werden, bedeutend
kleiner. Wenn auch dann noch die Befruchtung zu wünſchen
übrig läßt, ſo liegt das an der mangelhaften Haltung der Hühner
in den Städten. Auf dem Lande haben die Tiere dank ihrer
großen Bewegungsfreiheit und reichlichen Selbſternährung eine
viel größere Zeugungskraft als in der Stadt, wo ihnen der freie
Auslauf fehlt. Dieſer Unterſchied darf nicht überſehen werden.
In landwirtſchaftlichen Betrieben genügt ein Hahn für durch=
ſchnittlich
15 Hennen. Erhält der Züchter bei dieſem Zahlen=
verhältnis
nicht 90 v.H. befruchtete Cier, ſo iſt mit Sicherheit an=
zunehmen
, daß er Hühner oder Bruteier von Hühnern bezogen
hat, die ſelbſt oder deren Eltern keinen freien Auslauf hatten,
wenn ſie nicht überzüchtet ſind. Auch Tiere, die als Kücken durch
übermäßig kräftige Fütterung zu früh legereif geworden ſind
und ein für ihren Schlag zu großes Gewicht erlangt haben,
legen ungenügend befruchtete Eier und liefern oft eine ſchwäch=
liche
Nachzucht. Es liegt dann nicht etwa daran, daß zu wenig
Hähne vorhanden waren oder der vorhandene geſchwächt war,
Die Haltung mehrerer Hähne bei einem Volk hat meiſt den Nach=
teil
, daß ſich die männlichen Tiere durch Eiferſucht gegenſeitig
ſtören und an der Begattung der Hennen hindern. Die Zahl
der befruchteten Eier ſinkt dann, anſtatt zu ſteigen. Unter ſtädti=
ſchen
Verhältniſſen müſſen jedoch zur Erzielung möglichſt vieler
befruchteter Eier mehr Hähne gehalten werden als auf dem Land.

5

ilchwiriſchaft

Gleichmäßige Bewegung beim Buttern.
Die Qualität der Butter iſt in hohem Grade abhängig von der
Art der Bewegung des Rahmes (reſp. der Milch) auf der But=
terung
. Vor allen Dingen ſoll dieſelbe eine völlig gleichmäßige
ſein; nur gegen Ende der Butterung muß man ſie etwas verlang=
ſamen
. Von der Gleichmäßigkeit der Butterung iſt die Güte und
Menge der zu gewinnenden Butter weit mehr abhängig, als von
der Geſchwindigkeit der Bewegung übehraupt. Letztere richtet
ſich nach verſchiedenen Umſtänden, wie Größe des Rahm= bzw.
Milchquantums in demſelben uſw.; ſie ſoll nicht zu heftig und
beim Handbutterfaß nur ſo ſchnell ſein, daß die Perſon, welche
das Buttern ausführt, das eingeſchlagene Tempo bis zur Ab=
butterung
, ohne zu ermüden, beibehalten kann. Jede Unter=
brechung
der Butterung beeinträchtigt die Butter nach Menge
und Güte.

Butterfehler können entſtehen durch Soda=
waſſer
, welches gewöhnlich zur Reinigung der Meiereigeräte
Verwendung findet, wenn nicht in beſonderer Weiſe darauf ge=
ſehen
wird, daß durch genügendes Nachſpülen mit reinem Waſſer
jede Spur von Soda entfernt wird. Verſchiedene Verſuche er=
gaben
, daß die Butter, welche aus Rahm, dem geringe Mengen
von Soda zugeſetzt wurden, gearbeitet war, einen ſehr unange
nehmen Geruch und Geſchmack annahm.

aäüt
erl
W