Darmstädter Tagblatt 1915


Nr. 134., Sonntag, den 16. Mai.

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178. Jahrgang
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Das Amtsverkündigungsblatt des Großh. Kreisamts Darmſtadt wird Dieustags, Donnerstags und Samstags nach Bedarf beigefügt.

Der Krieg.

Von den Kriegsſchauplätzen. Der Untergang der Luſitania‟. Aus dem engliſchen Unterhauſe. Die Haltung
Italiens. Die Budgetkommiſſion des Reichstags. Griechenland und der Dreiverband.

Von den Kriegsſchauplätzen.

* Großes Hauptquartier, 15. Mai.
(W. T. B. Amtlich.)
Weſtlicher Kriegsſchauplatz.
Bei Steenſtraate am Yſerkanal wieſen
wir einen heftigen Angriff ab. An der Straße
St. Julien-Ypern griffen wir weiter an
und machten Fortſchritte. Drei engliſche Offi=
ziere
mit 60 Mann und einem Maſchinen=
gewehr
fielen in unſere Hände.
Die Zahl der ſeit 22. April bei Ypern von
uns gemachten unverwundeten Gefangenen
iſt auf 110 Offiziere und 5450 Mann ge=
ſtiegen
, wozu noch über 500 verwundete Ge=
fangene
kommen.
Südweſtlich von Lille entwickelten ſich auch
geſtern heftige Artilleriekämpfe. Feindliche
IInfanterieangriffe erfolgten dort nicht.
An der Lorettohöhe wurden die meiſten
feindlichen Angriffsverſuche niedergehalten. Ein
Angriff nördlich des Höhenzuges, der bis in
unſere Gräben gelangte, wurde unter ſchweren
Verluſten für den Feind abgeſchlagen. Bei der
Räumung von Carency und des Weſtteiles
von Ablain, iſt, wie jetzt feſtgeſtellt, ein in
der vorderſten Linie eingebautes Feldgeſchütz
und eine geringe Anzahl von Behelfsminen=
werfern
verloren gegangen, außerdem fielen 5
von uns früher erbeutete franzöſiſche Geſchütze,
und zwar 3 kleine Revolverkanonen und
2 Mörſer, die als Minenwerfer benutzt wur=
den
, in feindliche Hände zurück. Nördlich von
Arras blieb es im allgemeinen ruhig.
Südlich von Ailly, öſtlich der Maas,
nahmen wir einige feindliche Gräben, wobei
52 verwundete und 166 unverwundete Fran=
zoſen
, darunter ein Bataillons=Kommandenr,
gefangen genommen wurden.
Drei feindliche Angriffe gegen unſere
Stellungen an der Straße Eſſey-Flirey
wurden abgewieſen.
Im Prieſterwalde ſetzten wir uns im
Morgengrauen durch einen Vorſtoß in den Be=
ſitz
eines feindlichen Grabens und machten hier=
hei
einige Gefangene.
Oeſtlicher Kriegsſchauplatz.
Nach vorübergehendem kleinen Erfolge des
Feindes, der uns drei Geſchütze koſtete, iſt der
Vormarſch ſtarker ruſſiſcher Kräfte bei Schawli
zum Stehen gebracht worden.
Feindliche Angriffe gegen die untere
Dubiſſa ſcheiterten. Der Gegner hat nun=
mehr
auch in der Gegend ſüdlich des Njemen
eiligſt Verſtärkungen herangeführt. Gefechts=
berührung
mit dieſen beſteht noch nicht.
Bei Anguſtow und Kalwarja wurden
feindliche Angriffe abgeſchlagen.
Südöſtlicher Kriegsſchauplatz.
In dem Raume ſüdlich der unteren Pilica
bis zur Weichſel ſetzten die verbündeten Truppen
den weiter abziehenden Ruſſen nach. Der

Brückenkopf von Jaroslan am San wurde
geſtern erſtürmt. Schulter an Schulter mit der
öſterreichiſch=ungariſchen Armee, in deren Ver=
band
ſie ſtehen, erreichten die Truppen des
Generals von der Marwitz die Gegend von
Dobromil. Weiter ſüdlich wird ebenfalls
die Verfolgung raſtlos fortgeſetzt. Die ver=
bündeten
Truppen haben vielfach die Gebirgs=
ausgänge
gewonnen.
Oberſte Heeresleitung.
* Rokterdam, 14. Mai. Der Nieuwe Rotter=
damſche
Courant gibt folgende Auslaſſung der Times wie=
der
: In Nordfrankreich haben wir unter einigen
Nachteilen zu leiden, die es mühſam machen, durchſchla=
gende
Erfolge zu erringen. Das ſchöne Wetter hat es er=
möglicht
, die deutſchen Stellungen gründlich aufzuklären.
Dabei fanden wir, daß die Deutſchen faſt alle beherrſchen=
den
Höhen beſetzt halten, die ſich über unſeren Stellun=
gen
befinden. Die Armeen des Kronprinzen von Bayern
und des Herzogs von Württemberg ſtehen uns noch in vol=
ler
Stärke gegenüber. Es gibt nur wenige Punkte, die
angreifbar ſind, und die hat der Feind mit ſtarken Ver=
teidigungswerken
verſehen. Die Laufgräben ſind von
guten Truppen beſetzt und durch gewaltige Artilleriemaſſen
gedeckt. Sodann leiden wir noch vom Gasanfall bei
Ypern, der den Bundesgenoſſen an unſerer Linie zu=
rücktrieb
und unſere Stellung entblößte. Die Ergebniſſe
unſerer ſonntägigen Angriffe enttäuſchten. Der Feind
war viel ſtärker verſchanzt, als vermutet wurde. Wir
verfügen nicht über genügend Granaten, um die Ver=
ſchanzungen
ganz zu vernichten. Wir fanden, als wir
zum Sturm übergingen, daß die Beſatzungen unver=
zagt
und viele Hinderniſſe noch intakt waren. Aber da=
durch
, daß wir feindliche Truppen in gleicher Stärke wie
die unfrigen ſeſthalten, erleichtern wir den Franzoſen die
Offenſive an unſerem linken Flügel. Wir müſſen beſſer
mit Munition, Haubitzen und Leuten ausgerüſtet ſein,
um die deutſche Verteidigungslinie durchbrechen zu
können.
* Berlin, 14. Mai. Wegen der in den franzöſiſchen
Meldungen maßlos aufgebauſchten Vorgänge in Ca=
rency
liegt durchaus kein Grund zur Beunruhigung vor.
Es handelt ſich bei den Kämpfen zwiſchen Arras und Armen=
tiéres
um eine der größten Schlachten in dieſem Kriege.
Auf franzöſiſcher und engliſcher Seite allein ſind doppelt
mehr Truppen als an der Schlacht bei Sedan beteiligt.
Demgegenüber ſind rein örtliche Vorgänge natürlich ohne
Bedeutung. Man darf auch den Begriff von dem Umfang
der Verluſte nicht nach den franzöſiſchen Meldungen bemeſ=
ſen
. Dieſe ſind erfahrungsgemäß immer ſtark übertrieben.
Die Vorgänge in Kurland, über die man in den
letzten Tagen nichts gehört hat, liegen für uns durchaus
zufriedenſtellend. Von einer irgendwie ungünſtigen Lage
kann gar keine Rede ſein.
* TU. Paris, 13. Mai. Ueber die Beſetzung Li=
baus
wird dem Temps aus Petersburg berichtet, daß
die Ruſſen die Beſetzung des Hafens erwarteten. Alle Be=
feſtigungen
, welche den Deutſchen hätten dienen können,
ſeien zerſtört und die Munition weggeſchafft worden. Die
Stadt wurde von einer Abteilung Territoriaſtruppen ver=
teidigt
. Der Zweck der Beſetzung Libaus ſei, eine mora=
liſche
Wirkung auf die Bevölkerung hervorzurufen, den
Rückzug der in die baltiſchen Provinzen eingefallenen
Kavallerieabteilung zu ſichern. Es ſei jedoch möglich,
daß die Deutſchen ſich des Hafens zur Sicherung von
Truppen bedienen wollen, ſowie als Operationsbaſis
für ihre Luftſchiffe. Die Nachricht über die Beſetzung
Windaus ſei noch nicht beſtätigt.
Eine Temps=Meldung aus Riga beſchreibt den Aus=
zug
der Bevölkerung aus Libau und Umgebung. Wäh=

rend der ganzen letzten Woche waren die Straßen Libaus
und Rigas mit Flüchtlingen überfüllt. Die Bevölkerung
wurde in den letzten Tagen von Riga benachrichtigt,
daß die deutſche Flotte täglich zu erwarten ſei. Am
Samstag hörten die Zeitungen zu erſcheinen auf. Die
Banken und Archive wurden in aller Eile nach Riga trans
portiert; nur die Polizei blieb auf ihrem Poſten. Riga
iſt von Flüchtlingen geſtopft voll. Für dieſelben wurde
eine Hilfsorganiſation ins Werk geſetzt.

Der Untergang der
Luſitanig‟e,

Der amtliche Bericht.
* Berlin, 14. Mai. Aus dem Bericht des Un=
terſeebootes
, das die Luſitania zum Sinken
gebracht hat, ergibt ſich folgender Sachverhalt: Das Boot
ſichtete den Dampfer, der keine Flagge führte, am 7.
Mai, 2 Uhr 22 Min. mittags, an der Südküſte Irlands
bei ſchönem, klarem Wetter. Um 3 Uhr 10 Min. gab es
einen Torpedoſchuß auf die Luſitania ab, die an der
Steuerbordſeite in der Höhe der Kommandobrücke getrof=
fen
wurde. Der Detonation des Torpedos folgte unmit=
telbar
eine weitere Exploſion von ungemein ſtar=
ker
Wirkung. Das Schiff legte ſich ſchnell nach Steuerbord
über und begann zu ſinken. Die Exploſion muß auf die
Entzündung der im Schiffe befindlichen
Munitionsmengen zurückgeführt werden.
Der ſtellvertretende Chef des Admiralſtabes:
(gez.) Behncke.
Die Deutſchenhetze.
* Berlin, 15. Mai. Bei Beſprechung der Deut=
ſchenhetze
in London ſchreibt der Berliner Lokal=
anzeiger
: Der Umſtand iſt bemerkenswert, daß die
Ausſchreitungen im engliſchen Parlament
nicht nur keine Mißbilligung, ſondern eine
Förderung durch die Haupthetzer finden. Was ſoll man
ferner dazu ſagen, heißt es in der Germania, daß ſogar
engliſche Soldaten an den Ausſchreitungen und Plün=
derungen
ſich beteiligen, als ob ſie echt ruſſiſche Koſaken
wären. Und was tut die engliſche Regierung? Statt den
Ausſchreitungen vorzubeugen, oder ihnen mit allen Mit=
teln
entgegenzutreten und die Schuldigen zur ſtrengen
Rechenſchaft zu ziehen, will ſie die Deutſchen in England
dafür büßen laſſen, indem ſie alle erwachſenen Männer
interniert und die Frauen und Kinder nach Deutſchland
abſchieben läßt. Der konſervative Führer hat ſich damit
einverſtanden erklärt. Das ſind Zeichen dafür, welchen
Tiefſtand die engliſche Kultur bei Regie=
rung
, Volk und Preſſe bereits erreicht hat.
Zu den Plünderungen in London ſchreibt
das Berliner Tageblatt: Im Daily Telegravh wird die
Photographie einer Plünderungsſzene in Popla (London)
abgedruckt. Man ſieht auf dem Bilde eine aufgeregte
Menge vor dem Zigarrengeſchäft A. Schönefeld ſtehen.
Zwei Poliziſten ſchauen ruhig zu. Eine bedeutende An=
zahl
geraubter Matratzen wird unbehelligt auf Wagen
durch die Chriſtio=Street fortgeführt. Ganze Wagenladun=
gen
mit geraubten Möbeln werden durch die Straßen
von London gefahren. Unter den Beſitzern der geplün=
derten
Bäckerläden waren naturaliſierte Deutſche oder
ſolche, die von Deutſchen ſtammten und im verfloſſenen
Jahrhundert naturaliſiert worden waren. Ein Bäcker,
deſſen Geſchäft völlig vernichtet wurde, hatte dort ſchon
32 Jahre gewohnt.
* London, 15. Mai. In London haben ſich
geſtern in mehreren Vierteln die Angriffe gegen
die Deutſchen erneuert. Auch Läden wurden
wieder zerſtört. In Oſtlondon wurden Deutſche von
einer heulenden Menge durch die Straßen verfolgt und
mit Steinen beworfen. Die Verfolgung ging in einigen
Fällen mehrere engliſche Meilen weit. Wieder beteilig=

[ ][  ][ ]

ten=ſich viele Frauen. Mehrere Hundert Frauen und
Männer wurden den Polizeigerichten vorgeführt. Auch
in mehreren Orten von Eſſex fanden ernſte Ausſchrei=
tungen
ſtatt. Bei deutſchfeindlichen Ausſchreitungen
in Johannesburg in Südafrika ſind die Lagerräume der
Allgemeinen Elektrizitätsgeſellſchaft in Brand geſteckt
worden.
Aus dem engliſchen Unterhauſe.
* London, 15. Mai. Premierminiſter As=
quith
teilte in ſeiner bereits gemeldeten Erklä=
rung
mit, alle männlichen Staatsangehörigen
feindlicher Länder im Alter von 17 bis 55 Jahren
ſollten interniert werden, außer in Fällen, wo eine
noch zu ernennende Kommiſſion mit richterlicher Befugnis
eine Ausnahme beſchließen würde. Frauen und Kinder
ſollen nach dem Heimatlande geſchickt werden, wobei aber
ebenfalls Ausnahmen platzgreifen können. Den Naturali=
ſierten
wird die Freiheit gelaſſen, außer in Fällen, wo
Grund zu Verdacht vorliegt. Bonar Law verurteilte
die Ausſchreitungen gegen die feindlichen Staatsangehöri=
gen
; er müſſe aber ſagen, daß er es nicht bedauere, daraus
erſehen zu haben, wie die Volksſtimmung ſei, obwohl ſie
ſich in ſo beklagenswerter Weiſe geäußert habe. Der Na=
tion
iſt es jetzt klar, fuhr er fort, daß dies nicht ein Krieg
zwiſchen Armeen, ſondern ein Krieg zwiſchen Nationen
iſt. Die Ausſchreitungen waren in jeder Hinſicht bekla=
genswert
; das beſte Mittel, ſie zu beendigen, iſt der jetzige
Plan der Regierung. Der Liverpooler Reeder Holt
(Liberal) ſagte, die Internierung von Perſonen in ſo
großer Zahl würde der Regierung zwei bis drei Millionen
Pfund im Jahre koſten. Die Errichtung der Lager würde
die Arbeiter und das Material anderen Zwecken entziehen.
Die Benutzung von Schiffen zur Internierung wäre eine
koloſſale Verſchwendung. Außerdem brauche man die Ar=
beitsleiſtung
der Leute, die interniert werden ſollen.
Joynſon Hicks (Unioniſt) ſagte: Die Regierung
geſtand dem Pöbel zu, was ſie dem Parla=
ment
nicht zugeſtand, nämlich die Behandlung der
Ausländer in die eigenen Hände zu nehmen. Er verur=
teile
das, aber die Verantwortung trage die Regierung,
die die im Unterhauſe vorgebrachten Warnungen nicht be=
achtete
. Markham (Unioniſt) forderte, daß Männer
deutſcher Abſtammung nicht Mitglieder des Parlaments
oder des geheimen Staatsrates bleiben dürften. Die Re=
gierung
hätte die neuen Schritte unternommen wahr=
ſcheinlich
gegen ihr eigenes Urteil, weil die öffentliche Mei=
nun
ſie dazu gezwungen hätte, aber die neuen Maßregeln
würden die öffentliche Meinung nicht befriedigen. Der
Redner teilte mit, ſeine Arbeiter verlangten die Entlaſ=
ſung
eines Deutſchen, der ſeit 20 Jahren naturaliſiert ſei
und drei Söhne in der engliſchen Armee habe. Asquith
ſagte, kein Patriot könne ſich etwas unbeſonneneres und
ſchimpflicheres vorſtellen, als die Ausſchreitungen und
Plünderungen der letzten Tage. Der Arbeitervertreter
Croske rief dazwiſchen, einige Zeitungen hätten das
Volk dazu aufgefordert. Asquith erwiderte: Umſo
ſchimpflicher iſt es für die Zeitungen, einen entehrenden
Ausbruch der Rachſucht hervorzurufen. Den dafür Ver=
antwortlichen
gereicht dies zur denkbar größten Unehre,
Die neuen Maßregeln werden uns vor der Möglichkeit
einer gefährlichen Tätigkeit feindlicher Ausländer ſchützen
und zugleich die Möglichkeit geben, Ungerechtigkeit und Un=
gemach
von unſchuldigen, harmloſen Perſonen abzuwen=
den
. (Das iſt der Gipfel der Heuchelei. D. Red.)

Die Haltung Ntaliens.

Giovanni Giolitti.
*⁎* Kaum eine andere Perſönlichkeit ſteht augenblick=
lich
mehr im Vordergrunde des allgemeinen Intereſſes
als der frühere italieniſche Miniſterpräſident Giolitti, der
es für ſeine Pflicht hielt, ſich in einem der kritiſchſten Zeit=
punkte
, die ſein Vaterland erlebt, an die Spitze der Frie=
densfreunde
zu ſtellen und in deren Sinne ſeinen Einfluß
in die Wagſchale zu werfen. Die Entſcheidung iſt zwar
noch immer nicht gefallen, und man tut gut, ſich vor einer
allzu optimiſtiſchen Auffaſſung der Lage zu hüten, aber
auch dann gebührt Giolitti ein großes Verdienſt, wenn
ſeine Bemühungen ſchließlich noch ſcheitern ſollten. Ihm
iſt es zu verdanken, daß den verantwortlichen Kreiſen noch
einmal die ganze Tragweite ihres Handelns vor Augen
geführt, daß der ſchon im vollen Rollen befindliche Stein
aufgehalten wurde, daß die italieniſchen Neutraliſten ſich
feſter zuſammenſchloſſen und daß man nach friedlichen
Auswegen aus der Kriſis ſuchte, woran man vorher in
der Verwirrung anſcheinend gar nicht gedacht hatte.
Giolitti iſt es zuzuſchreiben, wenn die Entſcheidung in die
Hände des Parlaments gelegt wird, in welchem Falle die
Friedensfreunde mit einiger Wahrſcheinlichkeit auf einen
Erfolg rechnen dürfen. Ob es dann zu einem Kabinetts=
wechſel
kommt, bei dem Giolitti den Vorſitz in der Regie=
rung
übernimmt, bleibt abzuwarten.
Der verdiente Staatsmann hat ſchon das 71. Lebens=
jahr
überſchritten. Er iſt am 27. Oktober 1843 in Mondovi
geboren, ſtudierte die Rechte und ward 1866 Staatsan=
waltsgehilfe
, um bald darauf ins Juſtizminiſterium und
ſpäter unter Sella ins Finanzminiſterium berufen zu
werden. Im Jahre 1882 in die Deputiertenkammer ge=
wählt
, wurde er im März 1889 unter Crispi Miniſter des
Schatzes und im September 1890 auch Finanzminiſter.
Drei Monate ſpäter trat er zurück und trug im Januar
1891 zum Sturze Crispis bei, war aber auch im Mai 1892
in der Reihe derjenigen Deputierten, welche den Sturz
Rudinis herbeiführten. Nach deſſen Rücktritt wurde Gio=
litti
im Mai 1892 zum erſtenmal mit der Bildung des
Kabinetts betraut, in welchem er den Vorſitz und die Fi=
nanzen
übernahm. Nach anderthalb Jahren, im Novem=
ber
1893, demiſſionierte er wegen der finanziellen Schwie=
rigkeiten
des Staates. Im Februar 1901 erhielt er im
Kabinett Zanardelli das Reſſort des Innern, trat im
Juni 1903 zurück und wurde im Oktober desſelben Jah=
res
zum zweitenmal mit der Kabinettsbildung beauftragt.
Neben dem Vorſitz verwaltete er das Innere, bis er im
März 1905 dem Kabinett Fortis Platz machte. Schon im
Mai 1906 trat Giolitti wieder an die Spitze der Regierung
und behauptete ſich bis Dezember 1909. Zum viertenmal
bildete er im März 1911 ein Kabinett, das volle drei
Jahre am Ruder blieb, während der Italien den Tripolis=
krieg
durchführte.
Zur Lage.
* Mailand, 14. Mai. Die Stampa äußert ſich
befriedigt darüber, daß durch den Rücktritt Salan=
dras
die Kriegsgefahr vorläufig vermieden wurde. Noch
befinde ſich Italien in ſchwieriger Lage, aber die größte
der Gefahren ſei beſeitigt. Nach einer römiſchen
Korreſpondenz des gleichen Blattes war nicht nur das
Miniſterium, ſondern auch die Krone abgeneigt, bei der
im Parlament und im Lande herrſchenden Stimmung
die Verantwortung für den Krieg auf ſich zu nehmen.

Weitere Kundgebungen in Rom.
* Rom, 14. Mai. Anläßlich der Ankunft d’Annunzios
hatte ſich eine mehrtauſendköpfige Menge auf dem Bahn=
hof
verſammelt. Die Via Cavour, wo die Wohnung
Giolittis liegt, war zwar abgeſperrt, allein die De=
monſtranten
gelangten, die aufgeſtellten Truppen durch=
brechend
, vor das Haus Giolittis und veranſtalteten eine
lärmende Demonſtr tion. Um die Menge zu zerſtreuen,
wurde Kavallerie herbeigerufen, die, gegen die De=
monſtranten
losſtürmend, von dieſen umringt und be=
jubelt
wurde. Die Polizeioffiziere grüßten
mit gezogenem Säbel. Vor dem Hotel Regina) wo d’An=
nunzio
abgeſtiegen war und von deſſen Balkon aus er
zur Menge ſprach, und wo nach Ausſage von Teilnehmern
etwa 7000 Perſonen verſammelt waren, ſcheint kein beſon=
derer
Zwiſchenfall vorgekommen zu ſein. Auf dem Wege
nach der Wohnung Salandras, wo ſich den Demon=
ſtranten
ebenfalls vergebens Truppen entgegenſtellten, ver=
wundete
einer der Demonſtranten einen Polizeiagenten.
Dagegen gelang es der Menge nicht, den Weg nach dem
Quirinal zu erzwingen. Auf dem Wege nach der Piazza
Venezia, wo die öſterreichiſche Botſchaft beim
Vatikan liegt, kam es zu Ausſchreitungen von
Studenten und anderen jugendlichen Elementen.
Aber auch hier war es den Demonſtranten nicht möglich,
ihr Ziel zu erreichen. Die Piazza Colonna war bis Mit=
ternacht
geſperrt. In der Umgebung der Villa Malta
waren ſtarke Kavallerieabteilungen aufgeſtellt, um Demon=
ſtrationen
gegen das Palais des Fürſten Bülow zu ver=
hindern
, der übrigens, wie die Zeitungen hervorheben,
ſeine gewohnten Beſuche, Ausfahrten und Spaziergänge
fortſetzt.
Aus verſchiedenen Städten Ober=, Mittel=
und Unteritaliens werden ähnliche Demonſtra=
tionen
gemeldet. Dem neuen ruſſiſchen Botſchafter von
Giers wurden bei ſeinem Eintreffen begeiſterte Kundgeb=
ungen
bereitet.
* Rom, 14. Mai. Der ganze geſtrige Tag bis in
die erſten Morgenſtunden des heutigen Tages war er=
füllt
von zum Teil maßloſen Demonſtrationen,
die ſich gegen Giolitti und die Neutralitäts=
idee
richteten. Schon in der Morgenſtunde gingen die
Demonſtranten zu Tätlichkeiten über. Der Abge=
ordnete
und frühere Miniſter Bertolini wurde, als
er in einen Straßenbahnwagen ſtieg, in ſchwerer Weiſe
inſultiert. Man warf die Fenſterſcheiben des Straßen=
bahnwagens
ein, ſpie dem Abgeordneten in das Geſicht
und verſuchte, ihn aus dem Wagen herauszuzerren, doch
gelang es einigen Offizieren, den Freund Giolittis
ſchließlich aus ſeiner gefährlichen Lage zu befreien. Auch
die Abgeordneten Fatca, Grazia Dei, Valenzani und
Sacchi, alles Anhänger Giolittis, wurden beſchimpft
und bedroht. Ein deutſcher Zeitungskorreſpondent
wurde nach Bekanntwerden der Demiſſionierung des
Miniſteriums im Preſſeſaal des Telegraphenamts unter
den Rufen Nieder mit Bülow! Nieder mit Deutſch=
land!
aus dem Saal hinausgedrängt. Gegen das Auto=
mobil
des Fürſten Bülow wurden Steine ge=
worfen
. Die Schilder deutſcher Geſchäfte, darunter
der deutſchen Bierhalle Gambrinus, wurden unter Pereat=
rufen
auf Bülow vollſtändig zertrümmert. Der Po=
polo
Romano von heute morgen weiſt unter Anführung
der Strafbeſtimmungen gegen Straßenun=
ruhen
und die Beläſtigung von Perſonen darauf hin,

Das deutſche Lugano.

Lugano und Genf. Die italieniſche Grenze. Die
Deutſchen aus Italien. Boykott der deutſchfeindlichen
Geſchäfte. Deutſche Pfadfinder. Zuverſicht.
Lugano, den 12. Mai.
Nun iſt Lugano auf einmal deutſch geworden. In
allen Hotels und Penſionen ſind Tauſende Deutſche und
Oeſterreicher eingetroffen, die es vorziehen, die Entwicke=
lung
der Dinge in der ſicheren Geborgenheit der ſchweize=
riſchen
Republik abzuwarten. In den Kaffeehäuſern, auf
den Plätzen, in den Gaſſen, in den Bahnhofsräumen und
am Dampfſchiffſteg ſtehen ſie, unterhalten ſich, erwarten
und empfangen neue Ankommende, leſen mit Eifer die
neueſten Zeitungen und zeigen alle die Nervoſität derer,
die, furchtbarer Aufregung und Lärm entronnen, ſich noch
nicht an die Ruhe gewöhnen können.
Dabei iſt Lugano vielleicht ebenſo italieniſch gefärbt,
wie Genf franzöſiſch. Gleichweit von der italieniſchen
Grenze entfernt, wie das pariſeriſche Genf von Frankreich,
erinnert Lugano doch noch mehr in ſeiner ganzen Art an
italieniſche Städte, da es niemals wie Genf das Glück ge=
nießen
konnte, von einem brauſenden Kulturſtrome eine
zeitlang rein gefegt zu werden. Mit ſeinen Arkaden, in
denen ſich ein halb orientaliſches Baſarauslagen=Treiben
ſehr bemerkbar macht, mit ſeinen Plätzen, auf denen geſti=
kulierende
Bürger ſich Zeitungsnachrichten vorleſen und
die Weltgeſchichte mit naivem Eifer verhandeln, mit ſeinen
engen, winkeligen Gäßchen, die auf grobſteinigen Fließen
an uralt ſchmutzigen Mauern vorbeiführen, macht es ganz
den Eindruck eines italieniſchen Städtchens, in dem der
Typus des Bewohners, der Verkehr und die lebhafte
Sprache mehr den heißen Südländer als den bedächtigen
Schweizer Bürger vermuten läßt. Die Uebergänge vom
Schweizeriſchen zum Italieniſchen und umgekehrt ſind auch
viel kürzer und liegen näher beieinander als irgendwo.
Fährt man den Luganer See entlang oder wandert man
längs der Berg= oder Uferſtraßen, die den See umſäumen,
ſo iſt man bald auf ſchweizeriſchem, bald italieniſchem und
dann wieder ſchweizeriſchem Gebiete, und man tut immer
gut daran, ſich auf einer zuverläſſigen Karte zu verge=
wiſſern
, welches Grenzgebiet man juſt überſchreitet. So
ſehr wechſelt gerade im Südende des Kantons Teſſin ita=
lieniſches
und ſchweizeriſches Gebiet, welch letzteres an
einigen Stellen (beiſpielsweiſe das Campione, gegenüber
Lugano=Paradiſo) ganze italieniſche Enklaven umſchließt.
Entſprechend dieſem Fehlen einer einheitlichen Grenzlinie
hat ſich die italieniſche Regierung zum Schutze ihres Zoll=
verhältniſſes
und der Sicherſtellung ihrer militäriſchen

Grenzen eingerichtet, aber in einer, wie die amtierenden
Behörden gelegentlich ſelber zugeben, übertreibenden Art
und Weiſe.
Der Luganeſe, bei dem man nicht leicht ohne weiteres
feſtſtellen kann, ob er Eingeborener, alſo Schweizer iſt, oder
zugewanderter Italiener, hat nie ſehr viel Sympathie für
die vielen Deutſchen an den Tag gelegt, die jahraus, jahr=
ein
nach Lugano kamen, um ſich hier im warmen Klima
zu erholen, oder um auf dem Wege nach Mailand, Florenz
oder Rom die Perle der oberitalieniſchen Seen kennen zu
lernen. Als dann der große Krieg ausbrach und die von
dem Dreiverband beeinflußte italieniſche Preſſe tagtäglich
das Bild von dem am Boden liegenden Deutſchland
brachte, da riß ſich die lange genug genährte Abneigung los
und verwandelte ſich in Gift und kochenden Haß, der nicht
nur jedem Deutſchen und Oeſterreicher entgegenſprühte,
ſondern deſſen ſich auch die Deutſch=Schweizer erfreuen
dürften. Und da iſt mit Vergnügen feſtzuſtellen, daß, ſo=
bald
ſich die allgemeine Panik legte und ſich gelegentlich
wieder Fremde einfanden, die deutſchen Hotels und Pen=
ſionen
einſtimmig den Boykott über die deutſchfeindlichen
Geſchäfte verhängten und ihn bis heute durchführten, ſo
ſehr auch die mit Recht Betroffenen jammern. Denn die
wurden mit der Zeit eines andern belehrt und ſahen ſich
nicht wenig enttäuſcht, als die gewohnten engliſchen und
franzöſiſchen Gäſte ausblieben, die deutſchen jedoch nicht
allzu lange auf ſich warten ließen. Ein großer Teil der
Boykottierten ſcheute dann auch keine Mittel und Wege,
um die begangene Unklugheit wieder gut zu machen, und
es iſt jetzt nicht ihr Schade, da die Anweſenheit der außer=
ordentlich
vielen aus Italien kommenden Deutſchen Lu=
gano
eine finanziell wohl ſehr begrüßenswerte Nachſaiſon
erleben läßt.
Schon vor Wochen zogen es Viele vor, ihre Koffer zu
packen und von Lugano aus abzuwarten, ob Italien mit
den Waffen oder lediglich auf diplomatiſchem Wege zu
ſeinen Zielen zu kommen ſuchen würde. Ihnen folgte
vergangene Woche eine große Anzahl Familien, bis geſtern
ganze Extrazüge Tauſende hierher brachten, die auf Auf=
forderung
der Konſule hin die Sachen gepackt und in der
Richtung nach Norden abgefahren waren. Nach den Be=
richten
der meiſten ſind ſie auf ihrer Fahrt hierher in
keiner Weiſe behelligt worden; ja, ſie wurden nicht einmal
zum Oeffnen der Koffer und zum Vorweiſen der Päſſe
veranlaßt; ein für jeden, der in letzter Zeit die italieniſche
Grenze überſchritt, überraſchend entaegenkommendes Ver=
fahren
. Es ſind unter dieſen Flüchtlingen Perſönlich=
keiten
mit bekannten Namen, Großinduſtrielle, Journa=
liſten
, auch Profeſſor Abraham, deſſen Name in den letzten
Wochen oft in den Zeitungen zu leſen ſtand; und daneben
Geſchäftsleute, die ſeit Jahrzehnten in Italien anſäſſig

waren, teilweiſe Italienerinnen zu Frauen haben und des
ren Kinder beſſer italieniſch als deutſch ſprechen.
Wie vorzüglich ſich die ſo außerordentlich bewährende
deutſche Organiſationsfähigkeit auch im Auslande erweiſt,
mag übrigens folgende Tatſache zeigen: ohne irgend=
welche
Verabredungen getroffen zu haben, begegnen ſich
hier Familien, deren Kinder dieſelbe deutſche Schule in
Mailand beſuchen, die ſeinerzeit vom Kaiſer das Recht=
zur
Erteilung des Einjährig=Freiwilligen=Diploms an die
Abſolventen der neunten Klaſſe erhalten hat. Da ſich
auch der Hauptteil der Lehrer gegenwärtig in Lugano auf=
hält
, wurde noch am Tage der Ankunft trotz aller Haſt und
Aufregung die gemeinſame Fortſetzung des Schulunter=
richts
in der fremden Stadt erwogen und gleichzeitig mit
der Bildung eines Pfadfinderbataillons beſchloſſen. So
ſchlägt auch in dieſer Stunde (nein! in dieſer Stunde noch
viel mehr) deutſches Weſen in jeden Boden mit dem Ge=
danken
an das Wohl des Vaterlandes ſeine Wurzel.
Nun kann man in der Schweiz auch an dieſer Grenze
ſtaunend und befremdet ſehen, was ein aus nationaliſti=
ſchem
Fieber herausgeborener Krieg für Wunden gräbt,
wie er plötzlich alles wandelt, umkehrt und fremd werden
läßt, was biseinander in täglicher Arbeit und Erholung
Freund war. Da iſt ein Badenſer, der vierzig Jahre Be=
triebschef
in einer Fabrik bei Florenz iſt, die einem Oeſter=
reicher
gehört. Er hat eine Italienerin zur Frau und
ſeine beiden Töchter ſind mit Söhnen befreundeter Nach=
barn
verheiratet. Faſt mit allen Bewohnern des Ortes
ſteht er auf Du, ihre Leiden und Freuden ſind die ſeinen,
und was ihm zukommt, teilt er mit den andern. Als dann
der Krieg kam und mit ihm die fanatiſche Deutſchenhetze
erſt da erinnerte man ſich, daß er ein Tedesco iſt. Und
man begann von ihm abzurücken. Wie dieſen einen Fall
hört man Tauſende. Tauſende ſehen ihre Exiſtenz wie mit
einem Fragezeichen verſehen und Tauſende wiſſen, daß
für ſie nach der Unterbrechung dieſer Tage ein neues Be=
ginnen
an gleicher Stelle nicht mehr möglich iſt. Aber
merkwürdia, wunderbar und vielſagend zugleich: alle die
Hunderte Väter und Mütter, die ich dieſer Tage hierher
kommen ſah und ſprach, ihr Erſtes iſt nicht von ſich und
ihrer Mühe zu erzählen, ſondern ihr Erſtes iſt die Frage
nach Deutſchland. Denn ſie fühlen es, wie klein ihr per=
ſönliches
Leid an dem großen Kampf. den das Vaterland.
jetzt kämpft. gemeſſen iſt. Und ihre Augen leuchten, wenn
ſie die Botſchaft von den neueſten Siegen hören, und ſie
werden nicht müde zuzuhören, wenn wir, die wir Deutſch=
land
in ſeinen großen Tagen zu ſehen das Glück hatten, er=
zählen
, wie man dort nur des einen Willens iſt, zu kämp=
Dr. J.
fen und zu ſiegen.

[ ][  ][ ]

wie bezeichnend es ſei, daß ſich, bevor das Kabinett Sa=
landra
=Sonnino die. Demiſſion einreichte, nirgends ein
Poliziſt zeigte, der die Abgeordneten und den Exminiſter
gegen Ausſchreitungen ſchützte. In ſpäter Nachtſtunde
kam es nach der Demiſſion des Miniſteriums im Haupt=
quartier
der Kriegshetzer, dem Café Aragno, zu erneu=
ten
Demonſtrationen, bei denen ein Teil der Demonſtran=
ten
Hoch die Republik! Nieder mit dem König! ſchrie;
die nationaliſtiſchen Kriegshetzer jedoch antworteten auf
dieſe revolutionären Rufe mit Pfeifen und dokumentier=
ten
damit den prinzipiellen Gegenſatz, der zwiſchen den
beiden kriegshetzeriſchen Parteien beſteht. Die Villa
Malta war bis in die frühen Morgenſtunden hinein
durch ein ſtarkes Truppenaufgebot bewacht. Bülow
unternahm auch heute mehrere Ausfahrten.
Ein Erlaß Salandras.
* Rom, 14. Mai. Agenzia Stefani. Nach einem
Beſchluß des Miniſterrates richtete Sa=
landra
heute ein Zirkulartelegramm an die
Präfekten, in denen er ſie ermächtigt, für den Fall,
wo ſie es als notwendig erachten ſollten, den militäriſchen
Behörden die Leitung des Sicherheitsdienſtes
und den Schutz der öffentlichen Ordnung zu
übertragen. Das Zirkular hebt hervor, daß die Regierung
durch dieſe Maßnahme ihren Entſchluß kundgebe, mit un=
beugſamer
Feſtigkeit alle geſetzlichen Mittel zur Auf=
rechterhaltung
der Ordnung zu gebrauchen.
Das Miniſterium habe indeſſen das Vertrauen, daß es
für den Geiſt umſichtiger Verantwortlichkeit des italie=
niſchen
Volkes beſſer wäre, den unſchätzbaren Schaden
abzuwenden, den in einem Augenblick wie dem gegen=
wärtigen
der Anblick von bürgerlicher Zwietracht und
heftiger Zügelloſigkeit der politiſchen Leidenſchaften her=
vorrufen
könnte. Mangel an Achtung gegenüber
den Ausländern ſei ein Flecken auf der
Ziviliſation des Landes. Der bloße Verdacht,
einen Druck auf die Behörden ausüben zu wollen, trübe
deren Verantwortung und ſchwäche ihre Autorität, was
immer bedauernswert wäre und heute das Staatswohl
gefährden könnte. Das italieniſche Volk, das die Pflicht
gegen das Vaterland in den ſchweren Tagen ſeiner Ge=
ſchichte
edel empfunden habe, werde nicht jetzt in dieſer
Hinſicht fehlen wollen und werde es verſtehen, die Zügel
der Würde und der bürgerlichen Diſziplin den Ausbrü=
chen
von Gewalttätigkeit anzulegen, die alle gleich tadelns=
wert
ſeien, gleichviel von welcher Seite ſie herrührten und
welchem Zweck ſie dienten.
Ein Miniſterium Mareora?
* Rom, 14. Mai. Dem Giornale d’Italia und der
Tribuna zufolge ſoll der König den Kammerpräſidenten
Marcora mit der Bildung des Kabinetts
beauftragt haben. Marcora habe ſich die Antwort vor=
behalten
. Er hatte mit Salandra und am Abend mit
Giolitti eine Beſprechung und begab ſich darauf zum
König, um Bericht zu erſtatten.

Die Budgetkommiſſion des Reichstages

beſprach die Frage der Volksernährung. Der Be=
richterſtatter
ſtellte zunächſt feſt, daß wir bezüglich der Er=
nährungsfrage
über den Berg ſeien. Es handle ſich
jetzt um das neue Erntejahr. Der Redner wünſchte zu=
nächſt
Vorſchriften, betreffs die Streckung des Getreides,
einen Höchſtpreis für Getreide, die Weiterverwendung von
Brotkarten. Eine grundlegende Aenderung ſei erwünſcht
bezüglich der Organiſation. Der ganze Verkehr mit Ge=
treide
müſſe dezentraliſiert werden. Man möge dabei die
Mitarbeit der Kommunen in Anſpruch nehmen und einen
Ausgleich in den Kommunalverbänden vornehmen laſſen
unter einer Zentralausgleichsſtelle. Staatsſekretär Dr.
Delbrück ſtimmte dem perſönlich zu. Der Bundesrat
habe jedoch zu dieſen Fragen noch keine Stellung genom=
men
. Zu den meiſten Aeußerungen des Berichterſtatters
meinte er aber, daß eine Neuorganiſation mit denſelben
Kinderkrankheiten zu kämpfen haben werde, wie die jetzt
beſtehenden Organiſationen, welche dieſe Schwierigkeiten

inzwiſchen überwunden hätten. Die Streckungsvorſchrif=
ten
ſeien nach ſeiner Meinung aufrecht zu erhalten. Die
Beſchlagnahme und die Kontrolle des Konſums ſeien auch
für das nächſte Jahr nötig. Maßnahmen zur Kontrolle der
Selbſtverſorgung der Gemeinden erſchienen notwendig.
Für ſtark arbeitende Perſonen ſeien höhere Portionen be=
abſichtigt
. Bezüglich der Beſchlagnahme des Brotgetrei=
des
, von Hafer und Gerſte (hier eventuell ein Handels=
monopol
) ſprach ſich der Staatsſekretär zuſtimmend aus.
Am wichtigſten ſei die Regelung der Kleiefrage. Redner
empfahl die Beibehaltung der beſtehenden Organiſationen
unter der Oberleitung des Reichsamtes des Innern. Die
beſtehende Kriegsorganiſation könne auch mit Friedens=
ſchluß
ihre Tätigkeit nicht gleich einſtellen; eine Ueber=
gangszeit
ſei unbedingt nötig. Der Staatsſekretär erklärte
zum Schluß, daß unſer Brotgetreide für das lau=
fende
Jahr nicht nur ausreichend ſei, ſondern daß ſich eine
größere Reſerve ergebe, als angenommen wurde, und
ſelbſt beſondere Zufälligkeiten wie Lagerbrände, Ernte=
verzögerung
uſw. uns nicht in Verlegenheit bringen könn=
ten
. Bezüglich der Kartoffeln hätten alle Zahlen getrogen;
der Vorrat ſei ein großer. Von einer Kartoffelnot werde
in dieſem Jahre keine Rede ſein können. Die Schweine=
zucht
ſollte nicht weiter eingeſchränkt werden. Die Her=
ſtellung
von Dauerware ſei nicht weiter anempfohlen
worden. Von einem anderen Vertreter der Regierung
wurde erklärt, der Geſamtbeſtand der Nahrungsmittel=
verſorgung
ſei erfreulich günſtig.

Auszeichnung öſterreichiſch=ungariſcher und
deutſcher Heerführer.

* Berlin, 14. Mai. (W. T. B. Amtlich.) Die Nordd.
Allg. Ztg. ſchreibt: Ueber die bereits gemeldete Verleihung=
des
Ordens Pour le Mérite an den Erzherzog Friedrich
und den General Conrad von Hötzendorf ſind folgende
Allerhöchſte Orders ergangen: Großes Hauptquartier, 12.
Mai 1915. Sr. K. und K. Hoheit dem Feldmarſchall Erz=
herzog
Friedrich! Ew. K. und K. Hoheit bitte ich, zur
Erinnerung an die Tage, in denen unter Ihrer zielbe=
wußten
und feſten Oberleitung, die Umſicht unſerer Heer=
führer
und die unvergleichliche Tapferkeit unſerer Trup=
pen
den glorreichen Sieg in der Schlacht von Gorlice und
Tarnow erfochten haben, die höchſte militäriſche Auszeich=
nung
meines Heeres, den Orden Pour le Mérite, den ich
Ihnen perſönlich überreicht habe, anlegen zu wollen. Es
wird Ew. K. und K. Hoheit zur Befriedigung gereichen,
daß ich die gleiche Dekoration Ihrem treuen Generalſtabs=
chef
, dem General der Infanterie Conrad von Hötzendorf,
zugedacht habe. (gez.) Wilhelm.
Großes Hauptquartier, 12. Mai 1915. General der
Infanterie Conrad von Hötzendorf! Die Leiſtungen
Eurer Exzellenz in treuer Unterſtützung Sr. K. u. K.
Hoheit des Erzherzogs Friedrich bei der Vorbereitung
und im beſonderen der Durchführung der glorreichen
Schlacht bei Gorlice und Tarnow gehören für alle Zeit der
Geſchichte an. Wie immer ſind Sie dabei bemüht geweſen,
die unerſchütterliche Waffenbrüderſchaft zwiſchen unſeren
Heeresleitungen zu fördern und zu vertiefen. In dank=
barer
Anerkennung verleihe ich Ihnen daher den Orden
Pour le Mérite, den ich Ihnen perſönlich überreichte.
(gez.) Wilhelm I. R.
S. M. der Kaiſer und König Franz Joſef hat folgen=
des
Telegramm an S. M. den Kaiſer und König gerichtet:
Wien (Burg), 13. Mai 1915. Der Kaiſer von Oeſterreich
an S. M. Wilhelm II., deutſcher Kaiſer und König von
Preußen! Großes Hauptquartier. Ueberaus dankbar für
Deine ſehr freundliche Mitteilung, daß Du Erzherzog
Friedrich und General der Infanterie Conrad
hohe Auszeichnungen verliehen haſt, verſichere ich
Dich meines Wunſches, dem Chef Deines Generalſtabes,
General der Infanterie von Falkenhayn, der in klarer Er=
kenntnis
der Lage initiativ die Verſchiebung namhafter
Teile Deines tapferen Heeres nach Galizien angebahnt
und durchgeführt hat, meine dankbare Anerkennung ſeines
treu waffenbrüderlichen Sinnes zu bekunden. Dein gnä=
diges
Einverſtändnis hoffend, verleihe ich ihm das Groß=

kreuz meines St. Stefansordens, und ſeinem bewährten
Mitarbeiter, dem Chef der Operationsabteilung, Oberſt
Tappen, das Militärverdienſtkreuz zweiter Klaſſe mit der
Kriegsdekoration. Gottes Segen ruhe auf unſeren eng=
verbündeten
Heeren. In treuer Freundſchaft
(gez.) Franz Joſef.

Aus Belgien.

* Mecheln, Anfang Mai. Am erſten Maiſonntag
wurde hier im Beiſein des Gouverneurs der Provinz ein
langerſehntes Soldatenheim dem Verkehr
übergeben und von dem hieſigen Kreischef mit einem
Wort der Anerkennung und des Dankes in ſeinen Schutz
genommen. Die Leitung liegt in den Händen der Natio=
nalvereinigung
. Das Heim birgt Erfriſchungsräume,
Leſe= und Schreibzimmer mit koſtenloſem Gebrauch des
Schreibmaterials, auch ein Spiel= und Muſikzimmer,
ſchließlich einen größeren Raum zum Abhalten von Vor=
trägen
, Unterrichtskurſen und Kriegsandachten. Die Be=
nutzung
des Heimes iſt für die Heeresangehörigen und
Staatsbeamten jederzeit frei. Hier ſollen die Landſturm=
leute
, die ſchon monatelang Heimat und Familie entbeh=
ren
müſſen, ein Heim finden, wo ſich edle Anregung und
kameradſchaftlicher Verkehr bietet, und wo ſie auch ohne
Gefahr einmal frei heraus ſich äußern können, ein Heim,
wo ſie Ruhe und Erholung finden, mit einem Wort ein
Stück Heimat.

Amtliches Armutszeugnis für die ruſſiſche
Kultur und Kriegsmacht.

Berlin, 15. Mai. Die Norddeutſche Allgemeine
Zeitung ſchreibt: In deutſche Hände fiel vor einiger Zeit
der folgende Befehl des ruſſiſchen Generals
der Infanterie von Sievers, des Führers der
in der maſuriſchen Winterſchlacht vernichteten Armee:
Infolge des außergewöhnlich feindlichen Verhaltens der
deutſchen und jüdiſchen Bevölkerung iſt dieſe beim Rück=
zug
der deutſchen Truppen aus dem Operationsgebiet zu
entfernen. Für die geringſte feindſelige Handlung ſind die
ſchwerſten Kontributionen aufzuerlegen. Wegen der be=
kannten
deutſchen Hinterliſt iſt äußerſte Vorſicht geboten.
Hausſuchungen ſind abzuhalten. Das Verlaſſen der Häu=
ſer
bei Eintritt der Dunkelheit iſt zu verbieten. Das
Eigentum von Privatperſonen, die feindſelige Handlun=
gen
begehen, iſt unverzüglich zu zerſtören. Das Eigentum
des Deutſchen Reiches iſt, wenn Abbeförderungen nötig
ſind, ſofort zu vernichten. Um die deutſche Induſtrie zu
ſchädigen, die zum Wohlſtand des Landes mit beiträgt,
ſind die Maſchinen in ſtaatlichen und privaten Betrieben
durch Pioniere auf das nachhaltigſte zu zerſtören. gez.:
Sievers, General der Infanterie. Das iſt amtlich
befohlener Vandalismus der jeder geſitteten
Kriegführung Hohn ſpricht. Der ſchwache Verſuch, die
ruſſiſche Zerſtörungswut durch den Hinweis auf die Be=
deutung
der Induſtrie für den Wohlſtand des Feindes zu
verſchleiern, wird von niemand ernſt genommen werden.
Bezeichnend dagegen iſt das militäriſche Armutszeugnis,
das aus dem Beſtreben ſpricht, an Stelle des feindlichen
Heeres die Hilfsmittel friedlicher Arbeit zu vernichten.
Vielleicht erklärt ſich aus dieſem Bewußtſein der kriege=
riſchen
Ohnmacht auch der ungewöhnliche Scharfblick, mit
dem der ruſſiſche General die Abbeförderung ſeiner Trup=
pen
ſo richtig vorausgeahnt hat. Ueberraſchend wird
freilich ſelbſt für einen Mann mit ſo bedeutender Seher=
gabe
die Schnelligkeit geweſen ſein, mit der dieſe Beför=
derung
dank deutſcher Tatkraft und Umſicht vollzogen
worden iſt. Auch daß der Transport größtenteils nach
dem Innern Deutſchlands gehen würde, hat der kultur=
bringende
fruſſiſche Prophet wohl kaum vorhergeſehen.

Ruſſiſch!

* Kiew, 15. Mai. Eine neue obligatoriſche
Verordnung des Chefs der Kiewer Mili=
tärbezirke
verbietet unter Strafandrohung bis 3000
Rubel ev. 3 Monaten Arreſt die Verbreitung von lügen=
haften
Mitteilungen über die Tätigkeit von Regie=
rungsinſtitutionen
, Amtsperſonen, Truppen und Militär=

Die neue Zeit im alten Bilde. Aus Kaſſel wird
ins geſchrieben: Der Große Kaſſeler Bürgerverein hat
ugunſten der Kriegsbeſchädigten=Fürſorge
inen Beſchluß gefaßt, deſſen Verwirklichung die Wieder=
rſtehung
eines einſtmals typiſchen, jetzt aber längſt aus
em Straßenbilde Kaſſels verſchwundenen Wahrzeichens
edeutet. Man iſt übereingekommen, inmitten der male=
iſchen
Altſtadt einen ſogenannten Zaitenſtock zu
rrichten, durch deſſen von der Bürgerſchaft vorzuneh=
nende
Nagelung den Kriegsbeſchädigten geholfen wer=
en
ſoll. Zaitenſtöcke nannte man die alten öffentlichen
Waſſerleitungsſtänder in Kaſſel, die mit dem Druſel= Flüß=
hen
in Verbindung ſtanden und, wie aus den Aufzeich=
tungen
eines alten Kaſſelaners hervorgeht, mit Holz um=
eidet
, nach vorn einen Ausflußarm mit meſſingenem
ruckknopf hatten, aus dem, je nach den Witterungsver=
ältniſſen
, das Waſſer mehr oder weniger trübe langſam
erauslief. An den Zaitenſtöcken wurde von den Dienſt=
nädchen
das Waſſer für die Wirtſchaft geholt, in Eimern.
die an einem auf den Schultern hinter dem Nacken lie=
genden
Tragholz hingen. Zwei Eimer voll nannte man
einen Gang Waſſer holen Morgens wurde dies Ge=
häft
in möglichſter Eile beſorgt, aber am Abend wurde
ch fein gemacht zum Waſſerholen, da fand an den
Brunnen oder den Zaiten das erſte Stelldichein mit den
erren Soldaten ſtatt. Nach dem vorliegenden Entwurf
on Stadtbauinſpektor Labes ſoll der neue Kaſſeler Zai=
enſtock
in einer Höhe von drei Metern als Obelisk mit
inem Opferbecken als Krönung und einem Granitbecken
is Waſſerfänger errichtet werden. Zur Holzbekleidung
vird eine dem heſſiſchen Reinhardswald entnommene
iche das Material liefern. Es ſollen dann, wie es in
ihnlicher Weiſe bereits andere Städte durchgeführt haben,
Nägel zu je 50 Pfg. verkauft werden, die von den Bür=
gern
in das Holz eingeſchlagen werden können. Jedem,
der ſich in ſolcher Weiſe an der Schaffung des Ehren=

zeichens beteiligt, wird von der Stadt eine Urkunde über
die erfolgte Nagelung ausgeſtellt werden, ſo daß er eine
bleibende Erinnerung an die große Zeit beſitzt, der dieſer
hübſche Gedanke entſprang.

Graf Bernſtorff und die Reporter. In den ſpalten=
langen
Berichten, die über die Aufnahme der Botſchaft
vom Untergange der Luſitania in Amerika nach London
gekabelt werden, findet ſich auch die Schilderung, wie Graf
Bernſtorff dem im Lande nun einmal naturnotwendigen
Reportertum zu entgehen ſuchte. Er fuhr von Waſhington
fort nach Neu=York; aber es dauerte nicht lange, ſo hatten
ihn die findigen Reporter in einem Hotel entdeckt. Er
weigerte ſich jedoch entſchieden, irgend jemanden zu emp=
fangen
oder am Fernſprecher zu antworten. Alle Ver=
ſuche
, ihn zu interviewen, waren vergeblich; die Reporter
wurden von einem rieſigen Deutſchen zurückgehalten, der
vor dem Zimmer des Botſchafters Wache ſtand und nie=
mand
den Eintritt geſtattete. Am Abend verließ der Bot=
ſchafter
das Hotel und kehrte nach Waſhington zurück. Als
er den Fahrſtuhl verließ, ſah er ſich nach allen Seiten um,
aber ehe er ſich zurückziehen konnte, war er von den Zei=
tungsleuten
umringt, die mit hundert Fragen auf ihn ein=
ſtürmten
. Einen Augenblick ergab er ſich alſo in ſein
Schickſal. Als man ihn fragte, was er glaubte, daß die
Amerikaner vom Ende der Luſitania dächten, antwortete
er nur: Laſſen Sie ſie denken, was ſie wollen. Ich werde
nicht ein Wort ſagen und kümmere mich nicht darum, was
die Zeitungen ſagen werden. Dann erreichte er ſein
Automobil, immer verfolgt von den Reportern. Am Bahn=
hof
traf er aber auf eine andere Gruppe von Journaliſten,
und auch dieſen antwortete er nur auf alle Fragen: Die
Amerikaner können denken, was ſie wollen. Im Zuge
wurde Graf Bernſtorff wieder ſchnell aufgefunden, und es

entſpann ſich folgendes Zwiegeſpräch: Halten Sie es
nicht für paſſend, etwas zu ſagen? Graf Bernſtorff ant=
wortete
: Und wir wiſſen noch nicht einmal genau, was
geſchehen iſt und ob die Luſitania von einem Torpedo
getroffen wurde. Bis jetzt ſteht das noch nicht feſt. Dann
werden Sie alſo keine Erklärung abgeben, bis dies be=
wieſen
iſt? Allerdings ſchloß der Botſchafter, wir
haben noch keine der notwendigen Informationen, auf die
man eine Erklärung gründen kann.

C.K. Die Vorliebe für den Keller. Auf einen merk=
würdigen
Umſchwung in den Wohnungsbedürfniſſen der
Londoner macht ein Vermittler in den Daily News auf=
merkſam
. Man hat zunächſt eine große Vorliebe für kleine
Häuſer. Man zieht ein kleines Haus und ein Automobil
einem großen vor, wo man ſich, der teuren Miete wegen,
nur ein Rad halten kann. Alle Menſchen wollen kleinere
Wohnungen haben; der Anſturm iſt ſo groß, daß in
manchen Teilen Londons der Mietpreis für billigere
Wohnungen in die Höhe geſchraubt wurde, während die
größeren zu einem beträchtlichen Teil leer ſtehen. Das
Auffallendſte aber iſt die plötzlich erwachte Vorliebe der
Wohnungsſucher für den Keller. In den letzten Jahren
hatte der uns unentbehrlich ſcheinende Raum bei den eng=
liſchen
Baumeiſtern nicht mehr in Gunſt geſtanden; durch
den Luftkrieg aber kommt er nun wieder zu Ehren. Die
Nachfrage nach Kellern iſt groß. Vor dem Kriege erkun=
digte
man ſich wohl beim Mieten auch nach dem Keller,
aber nicht, weil man einen haben wollte, ſondern weil
man ein Haus ohne Keller vorzog. Früher war es ſehr
ſchwer, ein Haus mit Keller oder einer unterirdiſchen
Küche zu vermieten. Jetzt iſt es eine Leichtigkeit, beſonders
in Gegenden, wo ein Beſuch von Luftſchiffen nicht unwahr=
ſſcheinlich
iſt.

[ ][  ][ ]

reſſorts, ſowie von Gerüchten, welche allgemeine Beunru=
higung
hervorrufen, desgleichen abfällige Bemerkungen
über die Operationen der Truppen und geringſchätziges
Verhalten dem ruſſiſchen Militär wie auch den Truppen=
führern
gegenüber, ferner das Loben der Operatio=
nen
der feindlichen Truppen und der Ord
nung in den mit Rußland kriegführenden Ländern.

Herztemangel in Frankreich.

* Paris, 15. Mai. Der Temps meldet: Alle Stu=
denten
der Medizin, die 12 Semeſter ſtudiert
haben, ſind zu Hilfsärzien ernannt worden. Trotz
der Ernennungen iſt aber die Zahl der Aerzte ungenügend
geblieben. Infolgedeſſen hat man ein Dekret erlaſſen,
das beſtimmt, daß auch Studenten, die acht Semeſter
ſtudiert haben, zu Hilfsärzten ernannt werden können.

Engliſche Einſicht.

Die Erörterungen über die Beweggründe, welche
Deutſchland beim Verſenken der Luſitania leiteten, findet
die Times vom 11. Mai gänzlich zwecklos. Welche Neben=
abſichten
dabei auch mitgeſprochen haben mögen, auf
jeden Fall zeigt die Handlung, daß Deutſchland
ſich des endgültigen Sieges ſicher fühlt und
auf die Haltung der Vereinigten Staaten keinen Wert
mehr legt. Die Deutſchen waren niemals zielbewußter
und in ihrer Geſamtheit ſo von dem gleichen Gedanken
beſeelt, wie heute. Sie ſehen, daß ihre Front im Weſten
ungebrochen iſt, jubilieren über die entſetzlichen Wirkun=
gen
ihrer vergifteten Dämpfe. Sie ſehen ſich im Beſitz
des wichtigen Hafens Libau, der ihrer Flotte für die Oſt=
ſee
=Operationen einen neuen Stützpunkt bietet. Sie ſehen,
wie wir alle, daß der Angriff auf die Dardanellen ein
ſchweres Unternehmen iſt, deſſen Fortſchritte ungewiß
ſind. England darf ſich nicht von dem angenehmen Ge=
fühl
einſchläfern laſſen, daß der Feind alle ſeine An=
ſtrengungen
nur in der Hoffnung macht, auf Italien
einzuwirken. Die Deutſchen wiſſen, wie alle Länder,
genau, wie es mit Italien ſteht. Sie kämpfen, weil der
Frühling gekommen iſt, weil ſie gewinnen wollen, weil ſie
auf einen glücklichen Ausgang rechnen. England muß
ſich noch ganz anders als bisher anſtrengen, wenn es
daran etwas ändern will.

Englands fürchterliche Rache.

* (Ctr. Bln.) Amtlich wird aus London gemeldet, daß
nachfolgende Namen aus der Liſte des Hoſenband=
ordens
geſtrichen wurden: Kaiſer von Oeſterreich, deut=
ſcher
Kaiſer, König von Württemberg, Großherzog von
Heſſen, Prinz Heinrich von Preußen, Herzog von Sachſen=
Koburg=Gotha und der Herzog von Cumberland.

Die iriſchen Rekruten.

* Neu=York, 15. Mai. Die Aſſociaied Preß meldet
aus Dublin: Die Geſamtzahl der Rekruten aus
den drei ſüdlichen Provinzen von Irland betrug bis
Ende März nicht mehr als 20000, meiſt aus den Städten
Die iriſche Landbevölkerung lehnt durchweg die Eintrag=
ung
in die Liſten ab.

Griechenland und der Dreiverband.

* Athen, 14. Mai. Agence d’Athène. Da eine end=
gültige
Vereinbarung zwiſchen Griechenland und
dem Dreiverband über die Formel der Gewährleiſtung der
territorialen Integrität nicht zuſtande gekommen
iſt, ſind die Verhandlungen unterbrochen
worden.

Wie in Amerika gelogen wird.

D. E. K. Der ſonſt deutſchfeindliche Neu=York Herald
verſpottet die Lügennachrichten der amerika=
niſchen
und feindlichen Preſſe über den deut=
ſchen
Kronprinzen. Das Blatt ſchreibt:
Kronprinz Friedrich Wilhelm iſt der Irrwiſch ( will-
o’the
-wisp) des großen Krieges geworden. Er iſt mehrere
Male ermordet worden und in der Schlacht gefallen; er
iſt in zwei verſchiedenen Lazaretten geſtorben, ungefähr
jede Woche iſt er verwundet worden, ſein Leichenbegängnis
iſt zweimal durch die Straßen Berlins gezogen, während
Menſchenmengen barhäuptig in Trauer daſtanden; er
wurde verbannt, wurde in ein entlegenes königliches
Schloß eingeſperrt, wurde ein Opfer der Geiſteskrankheit;
er litt an Fieber, er wurde öffentlich vom Kaiſer geohr=
feigt
, ihm wurde das Oberkommando über die ver=
bündeten
deutſchen Armeen in Polen übertragen, er wurde
ſeines Ranges entkleidet und in Ungnade aus dem Dienſte
entfernt. Noch viele andere Dinge ſind ihm ſeit dem
1. Auguſt widerfahren. Eine kleine chronologiſche Studie
über ſeine Laufbahn in den letzten acht Monaten, zu=
ſammengeſtellt
nach den aus den europäiſchen Nachrichten=
zentralen
herübergekommenen Depeſchen, zeigt, wie ernſte
Beunruhigung er den Zeitungen der Welt bereitet hat.
Zu dieſem Höllenbräughel paßt die treffende Ueber=
ſchrift
, die der Neu=York Herald ſeinem Artikel gibt:
Der Kronprinz iſt tot, in Ungnade, verwundet,
geiſteskrank, führt gleichzeitig eine Armee in Polen und
plündert ein Schloß in Frankreich.
Wenn man ſich die Folgen der Zeitungshetze in
Amerika vorſtellt, kann man auch begreifen, wie die
Tauſend der Luſitaniapaſſagiere die ehrlichen Warnungen
der deutſchen Botſchaft in den Wind ſchlugen. Ein Volk
hat die Preſſe, die es verdient, und wenn die Amerikaner
wirklich Mitleid mit den Opfern der Kataſtrophe hätten
und nicht bloß an ihr Geſchäft denken, würden ſie ihren
eigenen Hetzblättern, die dem angeblich freien Volk von
Amerika die Sinne verwirren, das Handwerk legen.

Die Amerikafahrten.

* London, 14. Mai. Die Cunard=Linie hat be=
kanntgegeben
, es ſei unrichtig, daß die Geſellſchaft die
Amerikafahrten eingeſtellt habe; nur die
Fahrt der Mauretaniaſei rückgängig gemacht
worden, weil nicht genug Nachfrage nach Paſſagierplätzen
geweſen ſei.

Die Unterwerfung Chinas.

(Ctr. Bln.) Der japaniſche Geſandte in
Peking teilte dem chineſiſchen Miniſterium des Aus=
wärtigen
mit, daß ſeine Regierung mit der chineſi=
ſchen
Antwort zufrieden ſei und daß er hoffe,
daß der Vertrag zwiſchen China und Japan bald unter=
zeichnet
werde.

Stadt und Land.
Darmſtadt, 16. Mai.

* Militärdienſtnachrichten. Befördert: Wenz, Leut=
nant
der Landw. a. D. (Worms), zuletzt von der Landw.=
Feldart. 2. Aufgebots (Worms), jetzt bei der Landft.=Erſ.=
Zattr. des 2 K. B. A.=K., zum Oberleutnant; Felix,
Leutnant der Reſ. des Garde=Drag.=Regts. Nr. 23 ( Solin=
gen
), jetzt bei der 2. Reſ.=Fußart.=Battr. Nr: 23, zum
Oberleutnant. Den Charakter als Generalmajor hat er=
halten
: Becker (Darmſtadt), Oberſt a. D., zuletzt Kom=
mandeur
des Inf.=Regts. Nr. 44, jetzt Kreischef von Tour=
nai
. Ein Patent ſeines Dienſtgrades hat erhalten: der
Oberſt z. D. v. Frankenberg u. Proſchlitz ( Fried=
berg
), zuletzt Oberſtleutnant und Kommandeur des Ulan.=
Regts. Nr. 5, jetzt Kreischef in Belgien. Zu Oberleut=
tants
befördert: die Leutnants der Reſerve Arand der
Maſchinengewehr=Abt. Nr. 7 (Mainz), jetzt im Reſ.=Inf.=
Regt. Nr. 16, Soſtmann (I Darmſtadt) des Inf.=Regts
Nr. 17, Weber (Georg) des Inf.=Regts. Nr. 88 (Mainz),
jetzt im Landw.=Inf.=Regt. Nr. 80.
G Von der Großh. Techniſchen Hochſchule. Der Re=
gierungsbaumeiſter
Diplom=Ingenieur Fritz Lands=
berg
aus Berlin hat ſich am 14. d. M. an der Großh.
echniſchen Hochſchule zu Darmſtadt der mündlichen
oktor=Ingenieur=Prüfung im Maſchinenbaufach unter=
ogen
und dieſelbe gut beſtanden.
Großh. Hoftheater. Heute Sonntag wird die Ge=
ſangspoſſe
Wie einſt im Mai, die infolge Beurlaubung
Bruno Harprechts längere Zeit nicht gegeben werden
konnte, wiederholt (C 40). Für Montag, den 17., iſt Alt=
eidelberg
als Wohltätigkeitsvorſtellung für die Pen=
ſionskaſſe
des Hoftheaters zu den ermäßigten Preiſen der
olksvorſtellungen angeſetzt. Anfang Uhr. Dienstag,
den 18. (A. 41), wird nach mehrjähriger Pauſe Aleſſandro
Stradella mit Olga Kallenſee und den Herren Globerger,
Schützendorf, Stephani und Thomſen wieder in den Spiel=
blan
aufgenommen. Dirigent: Erich Kleiber. Nach
Stradella wird das Ballett Die Puppenfee wieder=
holt
. Es gelten die kleinen Preiſe. Die nächſte Wieder=
holung
der Komödie Schneider Wibbel, die vor einigen
Tagen hier ihre außerordentlich erfolgreiche Erſtauffüh=
rung
erlebt hat, findet Donnerstag, den 20. (C 41), ſtatt.
Für Freitag, den 21. (D 41), iſt die Erſtaufführung des
Florian Geyer von Gerhart Hauptmann, zu der der
Dichter eingeladen wurde, angeſetzt.
Gaſtſpiel Leo Slezak. Die jetzige Woche bringt
urch das Gaſtſpiel des Kammerſängers Leo Slezak zwei
ganz beſonders intereſſante Opernabende. Der Künſtler,
er ſich jetzt auf einer Gaſtſpielreiſe durch Deutſchland
befindet und u. a. auch am Deutſchen Opernhaus in
Tharlottenburg mit einem derart außergewöhnlichen Er=
olge
ſang, daß ſein Gaſtſpiel um einige Abende verlän=
gert
werden mußte, wird hier zwei ſeiner beſten und ein=
drucksvollſten
Partien zu Gehör bringen. Leo Slezak
ritt am Mittwoch, den 19., als Manrico in Trouba=
dour
und am Samstag, den 22., als Eleazar in der
Jüdin auf. Der Kartenverkauf für das erſte Gaſtſpiel
m Mittwoch beginnt heute Sonntag, den 16. Mai. Es gel=
ten
die gewöhnlichen Preiſe.
* Neuer Zug Frankfurt-Darmſtadt. Von jetzt ab
verkehrt ein neueingelegter Zug mit 2. bis 4. Klaſſe
Frankfurt - Darmſtadt in folgendem Plan:
Frankfurt ab 4,40 Uhr nachm., Louiſa ab 4,47 Uhr, Iſen=
burg
ab 4,54 Uhr, Sprendlingen ab 5,01 Uhr, Langen
5,07 Uhr, Egelsbach 5,13 Uhr, Erzhauſen 5,18 Uhr, Wix=
hauſen
ab 5,24 Uhr, Arheilgen 5,29 Uhr, Darmſtadt an
5,37 Uhr. Arbeiterkarten haben zu dem Zuge Gültigkeit.
* Zehnkilogramm=Pakete für die Truppen der Süd=
rmee
. Nach einer ſoeben ergangenen Beſtimmung des
Kriegsminiſteriums ſind vom 13. Mai 1915 ab Zehn=
kilogramm
=Pakete für die Truppen der
Südarmee zur Beförderung durch die Militär=Paket=
Depots zugelaſſen. Stückgutverkehr bleibt vorläufig noch
usgeſchloſſen.
* Abendkurſe im Kochen, Einmachen und Einkochen
von Früchten und im Nähen, Flicken und Stopfen
ſollen demnächſt in der Hauswirtſchaftlichen
Fortbildungsſchule wieder beginnen. Dieſe Kurſe
werden ſchon ſeit Jahren in den drei Abteilungen der
Schule in der Rundeturm= Lagerhaus= und Hermann=
traße
abgehalten und erfreuen ſich bei erwachſenen Mäd=
chen
und jungen Frauen, die zum Beſuch der Tageskurſe
eine Zeit haben, immer mehr ſteigender Beliebtheit. Ge=
rade
eben zeigt ſich, wie wichtig es iſt, daß es jede Haus=
frau
verſteht, in der richtigen Weiſe hauszuhalten. Es
ſei deshalb hier auf die Anzeige in der heutigen Num=
ner
hingewieſen, die über alles Wiſſenswerte Aufſchluß
gibt.
*. Wanderung durch ein modernes Schlachtſchiff
ind die Hochſeeſchlacht lautet das Thema des zweiten
Vortrages mit über 150 klaren, belehrenden Lichtbildern,
den Herr Dr. Hermann Beck von der Kriegstechniſchen
Vortrags=Bühne, Berlin, am Mittwoch, den 19. Mai,
m Kaiſerſaal halten wird. Der Vortrag behandelt im
erſten Teil die Inneneinrichtungen des modernen Schlacht=
ſchiffes
in der Weiſe, daß der Hörer unter ſachkundiger
Führung eine Wanderung durch das Schlachtſchiff
macht, um bei dieſer Gelegenheit die einzelnen Räume,
ie Maſchinen, Munitionskammern, Geſchütztürme uſw.
kennen zu lernen. Ein beſonderer Abſchnitt iſt der
Schiffs=Artillerie und=Panzerung gewidmet. Daran
ſchließt ſich die Schilderung von den drei Arten des
Seekampfes: Kreuzerkrieg, Blockade und Hochſeeſchlacht;
die offenſive Blockade, wie ſie England gegen uns an=
gewendet
hat, und die Bewachungs= oder Beobachtungs=
Blockade, wie wir ſie gegen England anwenden. So=
dann
werden die Elemente der Seeſtrategie dargelegt
und Schilderungen aus den modernen Hochſeeſchlachten
des ruſſiſch=japaniſchen Krieges, ſowie zahlreiche Bilder
aus den jüngſten Kämpfen zu Waſſer beſchließen den
Vortrag mit einem Hinweis auf unſere Ueberlegenheit,

nicht durch die Zahl der Schiffe, wohl aber durch
Führung, den Mut und die Ausdauer dem Gegner
gegenüber. (Siehe Anzeige.)
* Jugendwehr. Im Schaufenſter der Firma Hein=
rich
Lautz, Ecke Grafen= und Rheinſtraße, ſind zwei An=
züge
ausgeſtellt, wie ſie für Führer und Jungmannen
durch die hieſigen Kleiderfabriken Philipp Heß und Oppen=
heimer
u. Co. angefertigt werden. Die Farbe beider An=
züge
iſt graugrün, wie der ausgeſtellte Führeranzug. Die
Einkleidung wird in 34 Wochen erfolgt ſein.
Für Düngung von Gartenland kann Kompoſt
aus Straßenkehricht abgegeben werden. Der Kompoſt
lagert in der unteren Pallaswieſenſtraße neben der
Heißnerſchen Fabrik. Abfuhrſcheine werden gegen Be=
zahlung
vom Tiefbauamt, Hügelſtraße 31/33, Zimmer 1,
ausgeſtellt.

Rotes Kreuz.

(Geöffnet von 81 und 26 Uhr. Bureau der Zentral=
Abteilung: Rheinſtraße 34, Fernruf 25, Krankenbeförde=
rungs
=Abteilung: Mathildenplatz 20, Fernruf 2576; Aus=
kunftsſtelle
: Rheinſtraße 34, Fernruf 25: Materialien=
Abteilung: Altes Palais, Fernruf 20; Verpflegungsſtelle
am Hauptbahnhof, Fernruf 216; Kreuzpfennig=Marken:
Neckarſtraße 8, Fernruf 2421.)
Unſere Lazarette bedürfen für verwundete Soldaten
fahrbarer Stühle. Die Materialien=Abteilung im
Alten Palais nimmt ſolche Stühle auch leihweiſe, und
von auswärts ohne Frachtkoſten für den Eigentümer
gerne entgegen. Ebendorthin bitten wir auch Nachricht
gelangen zu laſſen, wenn jemand ſich bereitfindet, uns
einen bis drei Eisſchränke für unſere Lazarettzüge
zu überlaſſen.
In den Geſchäftsräumen des Roten Kreuzes, Rhein=
ſtraße
34, ſind Karten von Frankreich und Ruß=
land
zu haben mit Angabe der hauptſächlichen Orte,
in denen ſich Kriegs= und Zivilgefangene be=
finden
. Die Karte von Frankreich iſt in Departements,
die von Rußland in Gouvernements eingeteilt, und die
Orte, in denen ſich die Gefangenen befinden, ſind rot ein=
gedruckt
. Die Beſtimmungen über den Poſtverkehr mit in
beiden Ländern befindlichen Kriegsgefangenen und zurück=
gehaltenen
Zivilperſonen, ſowie ein alphabetiſches Ver=
zeichnis
der Orte, in denen ſich Gefangene befinden, ſind
in beiden Karten genau angegeben. Als beſonders nützlich
wird bei der Karte von Rußland empfunden werden, daß
der deutſchen Ortsbezeichnung, nebſt Kreis und Gouverne=
ment
, die ruſſiſche Schreibſchrift beigefügt iſt. Somit kann
bei jeder Adreſſe der genaue Aufenthaltsort auch von
Perſonen, die der ruſſiſchen Schrift nicht mächtig ſind,
durch einfaches Nachſchreiben der Vorlage in ruſſiſch an=
gegeben
werden.
Die Karte von Frankreich koſtet 60 Pfg., die von
Rußland 1 Mark.
Schützengräben am Hauptbahnhof; Beſichtigung täg=
lich
von 27 Uhr, Sonntags von 97 Uhr. Erwachſene
50 Pfg., Kinder 25 Pfg.

Darmſtädter
Marktpreiſe
Butter, ½ kg 1,902 M.
in Part. ½ kg1,70-1,80 M.
1112 Pf.
Eier Stück
Schmierkäſe, ½ Lit. 25-30 Pf.
Handkäſe, Stück 412 Pf.
Kartoffeln, Zentner 7,00 M.
Kumpf
(10 Liter) Pf.
Mäuschen,
½ kg . 7 Pf.
Obſt u. dergl.
Aepfel, ½ kg. . 2540 Pf.
Zitronen, Stück . 67 P
Apfelſinen, Stück 812 Pf.
Salat, Gemüſe uſw.:
Kopfſalat, Stück 612 Pf.
Rhabarber, ½ kg 10 Pf.
Feldſalat und Lattig
Körbchen . 10 Pf.
Radieschen, Bündel . 2 P
Rettiche, Stück . 810 Pf.
Meerrettich Stück 1020 Pf.
Roterüben, ½ kg 20 Pf
wiebeln,
kg . 50 Pf.
Römiſch Kohl, Bündel 2Pf.
Spinat, ½ kg 68 Pf.
Blumenkohl, Stück 20-50 Pf.
Kohlrabi, ½ kg 1215 Pf.
Gelberüben, ½ kg 15 Pf.
Bündel 8-15 Pf.
Schwarzwurz, ½kg 25-30 Pf.

Wochenmarkt.
im 15. Mai.
Spargel I. Sorte ½ kg
4550 Pf.
, II.
½ kg
2530 Pf.
Gurken, Stück . 4555 Pf.
Geflügel, Wildbret:
Enten, Stück 3,004,00 M.
Hahnen und Hühner,
Stück 23 M.
Tauben, Stück 7080 Pf.
Lapins, Stück . . 1,20 M.
Rehfleiſch, ½ kg 0,60-1,50 M.
Fiſche:
1 M.
Aal,
Andere Rheinfiſche,
½ kg 4070 Pf.
In den Fleiſchſtänden.
Rindfleiſch, ½ kg 0,86-1,20 M.
Hackfleiſch, ½ kg . 96 Pf.
Rindsfett, ½ kg . 96 Pf.
Rindswürſtchen, Stück 25 Pf.
Schweinefleiſch, ½ kg
1,501,60 M.
Geſalzenes und Koteletts,
½ kg 1,501,60 M.
Schwartemagen und
Fleiſchwurſt, ½ kg 1,40 M.
Leber= und Blutwurſt
½ kg 1,20 M.

Nieder=Ramſtadt, 15. Mai. (Auszeichnung.)
Leutnant der Reſerve Julius Ehrhard von hier, Füh=
er
einer Munitionskolonne, wurde mit dem Eiſernen
Kreuz ausgezeichnet.
h- Auerbach, 14. Mai. (Vom Fürſtenlager.)
Die bekannte und vielbeſuchte Sommer=Kaffeewirtſchaft
im hieſigen Fürſtenlager iſt ſeit geſtern wieder
eröffnet. Vielen Beſuchern der Bergſtraße dürfte dieſe
Nachricht erwünſcht ſein.
Offenbach, 15. Mai. (Lebensmüde.) Geſtern
abend verſuchte ein junges Mädchen, das im Hauſe der
Eltern wohnte, ſich durch Einatmen von Leuchtgas zu ver=
giften
. Zur rechten Zeit wurde die Lebensmüde noch
dem Tode entriſſen und in bedenklichem Zuſtande nach
dem Stadtkrankenhaus gebracht, wo ſie noch immer in Le=
bensgefahr
ſchwebt. Das Motiv der Tat ſcheint Lie=
beskummer
geweſen zu ſein.
* Rüſſelsheim, 15. Mat. (Eine ſinnige Ehrung.)
Die geſtrige Notiz iſt dahin zu berichtigen, daß das ange=
führte
Kunſtwerk nicht von Profeſſor Meißner ſtammt,
ſondern ein Entwurf des Herrn Profeſſors H. Jobſt,
Bildhauer und Mitglied der Darmſtädter Künſtlerkolo=
nie
, iſt.
Mainz, 15. Mai. (Doppelſelbſtmord.) In
einem Gaſthaus zu Kaſtel beging ein Liebespaar durch
Trinken von Salzſäure Selbſtmord. Es handelt ſich
um einen älteren Bäckergehilfen und ein Dienſtmädchen.
Während der Mann ſofort tot war, ſtarb das Mädchen
einige Stunden ſpäter im Städtiſchen Krankenhauſe, wo=
hin
es durch die Sanitätswache verbracht worden war.

Elberfeld, 15. Mai. (Jubiläum.) Die Firma
Peter Ludwig Schmidt, Fabrikation und Großhand=
lung
in Wertzeugen, Eiſen= und Stahlwaren, kann in
dieſem Monat auf ein Beſtehen von 125 Jahren zurück=
blicken
.

[ ][  ][ ]

46. ordentliche Generalverſammung des
Deutſchen Bühnenvereins.

Unter dem Vorſitz des Intendanten Herrn Grafen
Hülſen=Haeſeler fand geſtern im Saale des Hotels
zur Traube die 46. ordentliche Generalver=
ſammlung
des Deutſchen Bühnenvereins
ſtatt, an der im ganzen 92 Mitglieder teilnahmen. In=
ſeiner
Begrüßungsanſprache bemerkte der Vorſitzende, daß
der Deutſche Bühnenverein dank der gnädigen Einladung
des Großherzogs heute wie vor 12 Jahren in der früh=
lingsfrohen
Hauptſtadt Heſſens tage und ſich von dem
Aufſchwunge überzeugen krnne, den dieſe ſchöne Stadt
nicht nur in ihrem äußeren Bilde, ſondern auch in ihrer
inneren Entwicklung genommen habe. Er ſprach ſodann
im Namen des Bühnenvereins dem erlauchten und tief=
verſtändigen
Protektor ihrer Kunſt, dem Großherzog, ſei=
nen
innigen und ehrerbietigen Dank für die Einladung
aus, und ſchloß in dieſen Dank auch Herrn Intendanten
Dr. Eger ein. Noch niemals ſeien die Mitglieder des
Bühnenvereins in einer ſo gewaltig kreiſenden, großen
Zeit zu ihren Beratungen zuſammengetreten wie heute. Mit
Gefühlen tiefen Dankes und heißen Segenswünſchen ge=
dächten
heute alle jener braven und edlen Getreuen, die
für die Ehre unſeres Vaterlandes kämpfen. Möge aus
der blutigen Saat ein neuer, ſchöner Friede erſtehen und
deutſche Wiſſenſchaft, Kunſt und Kultur eine neue, herr=
liche
Blüte erleben! Der Vorſitzende gedachte dann noch
mit warmen Worten des am 21. Auguſt den Heldentod
auf dem Felde geſtorbenen Mitglieds Alfred Schmieden,
zu deſſen Ehre ſich die Anweſenden von ihren Sitzen er=
hoben
.
Intendant v. Holthoff erſtattete darauf den Ge=
ſchäftsbericht
, aus dem zu entnehmen iſt, daß der Verein
jetzt 10 Ehrenmitglieder, 131 aktive und 20 paſſive Mit=
glieder
zählt. Der Kaſſenüberſchuß beträgt 3081 Mark.
Bei den Neuwahlen für den Direktorialausſchuß
wurden alle Mitglieder wiedergewählt und an Stelle des
ſatzungsgemäß ausſcheidenden Geheimrats Bachur Herr
Reucker=Zürich im dritten Wahlgang gewählt. Der
Kaſſenreviſionsbericht ſtellt mit Befriedigung feſt, daß es
in den jetzigen ſchweren Zeiten noch möglich geweſen ſei,
mit einem Plus zu arbeiten. Die Wohlfahrtskaſſe
hat im letzten Jahre eine Zuwendung von 19330 Mark er=
halten
; davon wurden 15265 Mark für Unterſtützungen
verwendet; es blieb im April 1915 noch ein Barbeſtand
von 916,27 Mark.
Beſonderes Intereſſe dürfen die Mitteilungen des
Herrn Rechtsanwalts Wolff über die Kriegshilfs=
kaſſe
, die gleich nach Beginn des Krieges für notleidende
Bühnenmitglieder gegründet wurde, beanſpruchen. Un=
mittelbar
nach Kriegsausbruch wurden nämlich auf Ver=
anlaſſung
des Präſidenten Herrn Grafen Hülſen=Haeſeler
di eerſten Vorbereitungen getroffen, um für notleidende
Bühnenmitglieder eine weitumfaſſende Hilfsaktion einzu=
leiten
. Die Aufforderungen zu Spenden hatten den größ=
ten
Erfolg. Insgeſamt iſt das Ergebnis der Sammlungen
noch dem heute vorliegenden Abſchluß 100570,56 Mark.
Neben dieſer baren Summe ſind noch große Spenden an
Kleidungsſtücken, Wäſche, Stiefeln, insbeſondere aber auch
regelmäßige Zuwendungen von Eßwaren und Getränken
für das Kriegsheim eingegangen. Es handelt ſich um
folgende Einrichtungen: 1. Speiſeanſtalten zu
Mittag. Es wurden bis zum 1. Mai d. J. in 5 Speiſe=
anſtalten
insgeſamt 114031 Perſonen geſpeiſt. 2. Kriegs=
heim
. Anfang Oktober öffnete das Kriegsheim in der
Kurfürſtenſtraße (Berlin) ſeine Pforten, das den Bühnen=
mitgliedern
nachmittags und abends einen angenehmen,
freundlichen Aufenthalt gewährt und in dem noch ein
Abendbrot unentgeltlich gereicht wird. Das Kriegsheim
iſt insgeſamt vom Oktober bis 1. Mai von 33 586 Per=
ſonen
beſucht worden. 3. Unterkunft. Es ſind bis
jetzt über 500 Perſonen (verſchiedene mehrköpfige Fa=
milien
) in eingerichteten Wohnungen untergebracht wor=
den
. Es wird den Betreffenden auch Frühſtück verabfolgt.
4. Einkleidung. Ueber 660 Perſonen ſind bisher mit
neuen Sachen eingekleidet worden. 5. Mietsunter=
ſtützungen
. Um das Verbleiben in den gemieteten
Wohnungen zu ermöglichen, ſind 325 Beträge für rück=
ſtändige
und für neue Mieten den Hauswirten direkt über=
ſandt
worden. 6. Strickarbeit. Monatlich über 100
Schauſpielerinnen ſind während des Winters mit Stricken
von Strümpfen beſchäftigt worden. Die Wolle wurde den
Damen geſtellt und für das Paar Strümpfe 1 Mark Ver=
gütung
gezahlt. Es konnten auf dieſe Weiſe bisher zirka
2000 Paar Strümpfe für unſere Soldaten abgegeben
werden. 7. Stellenvermittlung. Eine Anzahl
von Schauſpielern iſt auf Grund beſonderer Verein=
barungen
mit der Straßenbahn dort eingeſtellt worden.
Die Kautionen wurden von der Kriegshilfskaſſe gezahlt.
Zahlreiche Schauſpieler wurden in ſtädtiſchen Betrieben
untergebracht, wieder andere erhielten die Mittel zum
Beginn eines kleinen Straßenhandels (Zeitungen, Obſt
uſw.). 8. Reiſeunterſtützung. Der Antritt von
Engagements wurde durch Gewährung von Geldunter=
ſſtützungen
in 126 Fällen ermöglicht. 9. Stellennach=
weis
. Die gemeldeten Vakanzen an den deutſchen
Bühnen ſind durch direkte Vermittlung beſetzt worden.
10. Kriegsrenten. Die Angehörigen von Bühnen=
künſtlern
, die im Felde ſtehen, erhalten während der
Dauer des Krieges allmonatlich fortlaufend eine Rente
zirka 120 Familien , die ungefähr das Vierfache der
ſtaatlichen Unterſtützung beträgt. 11. Barunter=
ſtützungen
. Außerhalb Berlins befindlichen Bühnen=
künſtlern
ſind in zirka 600 Fällen Zuwendungen in barem
Gelde überſandt worden. 12. Statiſterie. In den
Klniglichen Theatern zu Berlin werden zur Statiſterie
hauptſächlich die von der Kriegshilfskaſſe empfohlenen
Schauſpieler gegen Entgelt (beſondere Vergütung der
Proben) angenommen, bis jetzt zirka 600 Schauſpieler.
13. Kriegsverſicherung. Die im Felde ſtehenden
Bühnenkünſtler ſind in die Brandenburgiſche Kriegsver=
ſicherungsanſtalt
eingekauft worden. Im Todesfalle er=
halten
die Hinterbliebenen von der Verſicherungsanſtalt die
Summe von wenigſtens 250 Mark ausgezahlt. 14. Aerzi=
liche
und zahnärztliche Hilfe ſowie jede Art von
Rechtsauskunft und Prozeßführung ſtehen
den Bühnenkünſtlern unentgeltlich zur Verfügung.
Unterſtützt wurden: Schauſpieler, Schauſpielerinnen,
Sänger, Sängerinnen, Regiſſeure, Inſpizienten, Kapell=
meiſter
, Statiſten, techniſches und Bureauperſonal, Tänzer,
Souffleuſen, Orcheſtermitglieder, Chorſänger und Chor=
ſängerinnen
.
Die Einrichtungen, die der Deutſche Bühnenverein neun
Monate lang aufrecht erhalten hat, werden nun in den näch=
ſten
Tagen, am 15. Juni, geſchloſſen werden in der Er=
wägung
, daß diejenigen Bühnenmitglieder, denen über
die engagementsloſe Zeit im Winter hinweggeholfen
wurde, nunmehr ſich in den kommenden Sommermonaten
entweder nach Engagement an den Sommertheatern oder
in einem anderen Berufszweig nach Betätigung umſehen
müſſen, was bei dem großen Mangel an Arbeitskräften
auf allen Gebieten ſicherlich nicht ſchwer fallen wird.

Dieſe Mitteilungen wurden mit lebhafteſtem Beifall
aufgenommen und dem Präſidenten wurde warmer Dank
für ſeine Mühewaltung durch ein dreimaliges Hoch aus=
gedrückt
.
Der Bericht der Kommiſſion über Schaffung einer
Schauſpielermeſſe wurde abgeſetzt, da die Kom=
miſſion
eine Entſchließung gefaßt hat, daß die augenblick=
lichen
Verhältniſſe die Ausführung des Gedankens der
Vereinfachung der Engagementsverhältniſſe unmöglich
mache. Die Kommiſſion bleibt beſtehen. Ein Antrag Dr.
Altmann, der Deutſche Bühnenverein wolle beſchließen,
die dramatiſchen Hochſchulkurſe in Jena durch
Stiftung von Freiplätzen zu fördern, wurde nach einer
ausführlichen Begründung des Antragſtellers an eine
Kommiſſion von ſechs Mitgliedern verwieſen, die ſogleich
gewählt wurde. Ein Antrag Barnay: Einſetzung
einer Kommiſſion zur obligatoriſchen einheitlichen Ein=
richtung
der klaſſiſchen Dramen und deutſchen Opern für
ſämtliche Vereinsbühnen, wurde zurückgezogen. Auf den
Antrag Immiſch wurde eine Reſolution angenom=
men
, wonach es der Deutſche Bühnenverein begrüßen
würde, wenn innerhalb des Vereins ſolche Bühnenleiter,
die gemeinſame örtliche Intereſſen haben, ſich zu Be=
zirksverbänden
zuſammenſchließen.
Eine längere und lebhafte Ausſprache, die ſich auch
auf die Frage der Bevorzugung ausländiſcher Künſtler
und Autoren erſtreckte, knüpfte ſich an den Antrag Lange:
Die Vereinsmitglieder mögen dahin wirken, daß in der
Folgezeit alle undeutſchen und im allgemeinen un
gebräuchlichen Vornamen auf den Theater=
zetteln
vermieden und daß nach Möglichkeit nur noch
die wirklichen Namen der darſtellenden Mitglieder ange=
geben
werden. Der Antragſteller hatte eine ganze Liſte
von Koſenamen und Verausländerungen deutſcher Namen
zuſammengeſtellt, die er zur Erheiterung der Verſamm=
lung
vorlas. Der von einer Seite erhobene Vorwurf, daß
die ausländiſchen Bühnenwerke zum Nachteile der ein=
heimiſchen
von den deutſchen Bühnen bevorzugt würden,
fand lebhaften und faſt einmütigen Widerſpruch. Der An=
trag
wurde in Form einer Anregung einſtimmig ange=
nommen
. Weiter wurde ein Antrag Lange angenommen,
daß außer der ſatzungsgemäß feſtgeſetzten jährlichen
Hauptverſammlung noch eine zweite im Januar einberufen
werden ſoll, falls genügend Material vorliegt; andern=
falls
nur eine geſellige Vereinigung. Auf den Vorſchlag
des Präſidenten ſoll die Feſtſetzung des Ortes für die
nächſte Hauptverſammlung dann in der nächſten
Januar=Verſammlung ſtattfinden.
Der Syndikus Wirkl. Geheimrat Dr. Feliſch machte
ſodann noch aufklärende Mitteilungen über die Stem=
pelpflichtigkeit
für Tantiemen, die von ver=
ſchiedenen
Behörden verſchieden behandelt würden. Die
Frage ſei, ob der Verleger oder der Bühnenleiter die
Stempelgebühren zu zahlen habe. Der Bühnenverein ſoll
die Sache in die Hand nehmen und weitere Schritte in
dieſer Angelegenheit tun. Herr Intendant Freiherr zu
Putlitz erſtattete Bericht über die Einſetzung einer
gemiſchten Kommiſſion zur Verdeutſchung der im
Theaterbetriebe vorkommenden Fremd=
wörter
. Am 5. Mai hat eine Kommiſſion von 12 Mit=
gliedern
, der auch zwei Mitglieder des Deutſchen Sprach=
vereins
angehören, getagt, die ſich mit dieſer Frage be=
ſchäftigt
hat. Die Kommiſſion ſoll im Juni eine weitere
Sitzung abhalten, und den Mitgliedern ſoll dann eine
Vorſchlagsliſte für Verdeutſchungen zugeſandt werden.
Der Redner hob hervor, daß es außerordentlich große
Schwierigkeiten habe, für manche Worte Verdeutſchungen
zu finden, wofür er ſogleich den Beweis antrat, indem er
unter allgemeiner Heiterkeit der Anweſenden von der
koulanten Kommiſſion und von Kategorien und Serien
ſprach.
Damit war die Tagesordnung erledigt.
Stürmiſche Heiterkeit erweckte das Verleſen einer
Polizeiverfügung durch den Präſidenten, wonach für die
Nacht von Samstag auf Sonntag während der Anweſen=
heit
der Bühnenvereins=Mitglieder die Polizeiſtunde
für die Hotels bis 3 Uhr früh verlängert worden ſei.
Zum Schluſſe ſprach Herr Intendant Dr. Eger den
Wunſch aus, daß die Gäſte angenehme Erinnerungen
an die Stunden der Arbeit und der Erholung aus Darm=
ſtadt
mit nach Hauſe nehmen möchten und dankte dem
Vorſitzenden für die umſichtige und energiſche Leitung der
Verſammlung.
An Herrn Generaldirektor Geh. Hofrat Werner=
Darmſtadt wurde ein Begrüßungstelegramm abgeſandt.
Darauf ſchloß der Vorſitzende die Verſammlung mit
Worten des Dankes und dem Wunſche, daß bei der näch=
ſten
Zuſammenkunft alle unſere Wünſche in Erfüllung
gegangen ſein möchten.
Abends fand im Hoftheater Feſtvorſtellung ſtatt,
bei der Verdis Oper Alda zur Aufführung gelangte.
Der Aufführung wohnten der Großherzog und die Groß=
herzogin
und die Mitglieder des Bühnenvereins als Gäſte
bei. Die Vorſtellung, die Herr Hofrat Ottenheimer leitete,
und in der Frl. Geyersbach die Titelpartie, Herr Glober=
ger
den Rhadames und Frau Jacobs die Amneris ſang,
nahm einen dem feſtlichen Charakter des Abends entſpre=
chenden
und würdigen Verlauf. Nach der Vorſtellung
hatte der Großherzog die Gäſte zum Abendeſſen geladen.
An der Tafel im Kaiſerſaal nahmen 118 Perſonen teil.
Der Großherzog ſaß zwiſchen dem Grafen Hülſen=Haeſeler
und dem Intendanten Frhrn. zu Putlitz; ihm gegenüber
ſaß Intendant Dr. Eger. Nach dem Abendeſſen unter=
hielt
ſich der Großherzog in lebhaftem Geſpräch mit den
Gäſten noch längere Zeit in den Nebenzimmern.
Wir wir hören, hat der Großherzog anläßlich der Ta=
gung
des Bühnenvereins mehrere hohe Orden ver=
liehen
. Es erhielten Graf Hülſen=Haeſeler und Frhr.
zu Putlitz das Großkreuz, die Herren Gregor=Wien und
Wirkl. Geheimrat Dr. Feliſch, der Syndikus des Bühnen=
vereins
, das Komthurkreuz des Verdienſtordens Philipps
des Großmütigen.

Handel und Verkehr.

* Berlin, 15. Mai. (Börſenſtimmungsbild.)
Im freien Börſenverkehr war die Geſchäftstätigkeit weni=
ger
lebhaft als geſtern. Wie gewöhnlich am Wochenſchluß
verſuchte die Spekulation zu realiſieren. Infolgedeſſen
ſtellten ſich die Kurſe, ſoweit Umſätze zuſtande kamen, für
Kriegskonjunktur faſt ausnahmslos niedriger. Dagegen
blieben deutſche Anleihen, insbeſondere Kriegsanleihen,
unverändert feſt. Ausländiſche Valuten erfuhren keine be=
merkenswerte
Aenderung. Tägliches Geld 3½ bis 3 Pro=
zent
. Privatdiskont 4 Prozent und darunter.

Der Krieg.

Weiterer Rückzug der Ruſſen.
Die verbündeten Truppen vor
den Toren von Przemysl.

* Wien, 15. Mai. Amtlich wird verlaut.
bart, den 15. Mai, mittags. Die ruſſiſchen
Armeen in Polen und Galizien ſind
weiter im Rückzuge. Auf der ganzen
Front von Nowe Miaſto an der Pilica bis
ſüdlich des Dnjeſtr in der Gegend von Dolina
dringen die verbündeten Armeen dor.
Am San ſind Rudnik und Lezajek
von unſeren und Jaroslan von deutſchen
Truppen erobert worden. Das in Mittel=
galizien
zuſtändige öſterreichiſcheungariſche 10.
Korps ſteht vor den Toren ſeiner
Heimatſtadt Przemysl. Weiter ſüdlich
ſind Debremil, Stary=Sambor und
Boryslaw wieder in eigenem Beſitz. Ver=
bündete
Truppen der Armee Linſingen haben
die Höhen ſüdweſtlich Dolina erreicht.
An der Pruthlinie greifen die Ruſſen noch
an. In erbitterten Kämpfen nördlich Kolo=
mea
hat kärntneriſche und ſteieriſche Infanterie
alle ruſſiſchen Sturmangriffe blutig zurück=
geſchlagen
.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalſtabs:
von Höfer, Feldmarſchalleutnant.

* Wien, 15. Mai. Die aus der Dezemberſchlacht be=
kannte
Stadt Limanowa iſt durch eine Feuersbrunſt
heimgeſucht worden. 90 Häuſer ſind niedergebrannt.
Das befreite Rezezow iſt mit Ausnahme der ver=
brannten
Bahnhofsteile unverſehrt. Das Sacre Coeur=
Inſtitut bei Tarnow wurde bei den letzten Kämpfen
durch eine Bombe eingeriſſen.

Eine neutrale Stimme zur Lage.

* Bern, 15. Mai. Zu dem franzöſiſchen Erfolg bei
Carency meint Stegemann im Bund‟. Es bleibt
die Entwicklung abzuwarten; ein Durchbruch iſt
nochnirgends erfolgt. Auf dem weſtlichen Kriegs=
ſchauplatz
reifen die Ereigniſſe ihrer ſtrategiſchen Aus=
wirkung
entgegen. Der gewaltige Durchbruch am
Dunajec, der auf das zehnfache der Breite des engliſch=
franzöſiſchen
Frontangriffes angelangt iſt, hat infolge des
unermüdlichen Nachdrängens der ſtets operationsfähig ge=
bliebenen
ſtarken Truppenmaſſen die ruſſiſche
Frontvollſtändig zerriſſen. Die dritte und die
achte Armee ſind aus allen Verbänden gelöſt und über den
Haufen geworfen worden. Mit einem Verluſt von
200000 Mann und einem Ausfall rieſigen
Materials greift man eher zu niedrig als zu hoch.
Mit einem Raumverluſt von 100 Kilometern legt man nur
die Entfernung Gorlice-Sanok feſt. Zu der ruſſiſchen
Gegenoffenſive meint der Kritiker: Es kommt auf die
Güte und Stärke der ruſſiſchen Reſerven an, mehr freilich
noch auf den Gegner, der auf der ganzen Front in ge=
waltiger
Vorwärtsbewegung begriffen iſt. So iſt es
möglich, daß dieſer beiſpielloſe Durchbruch der befeſtigten
Front im Oſten entſcheidend auf den ganzen Verlauf des
Feldzuges wirkt.

Völkerrechtswidrige Erſchießung deutſcher
Gefangener.

* Berlin, 15. Mai. Ueber die völkerrechts=
widrige
Erſchießung des Leutnants Bernhard
Lammers ſind, wie der Schleſiſchen Volkszeitung aus
Reichenbach gemeldet wird, ſeinem Vater, dem früheren
gräflich Stolbergſchen Rentmeiſters Lammers in Peters=
waldau
, verſchiedene Einzelheiten mitgeteilt worden.
Leutnant Lammers hatte mit ſeinem Hauptmann in Be=
gleitung
des Vizefeldwebels Stiller aus Roſtock und
eines Burſchen auf einem Automobil eine Erkundungs=
fahrt
in Frankreich unternommen, als ſich plötzlich eine
größere feindliche Kavalleriepatrouille zeigte, weshalb ſie
umkehrten. Hierbei wurde der Hauptmann leicht verwun=
det
. Leutnant Lammers legte ihm in einem von ihnen
erreichten Schloß des Fürſten von Monaco einen Verband
an. Das Schloß wurde ſpäter von den Franzoſen beſetzt.
Hierbei wurden auch Leutnant Lammers und Vizefeld=
webel
Stiller gefangen genommen. Bei ihrem Weiter=
transport
mußten ſie vor einer Ortſchaft mit noch 20 an=
deren
Gefangenen Aufſtellung nehmen. Sie wurden ſämt=
lich
ohne jeden bis jetzt bekannten Grund erſchoſſen.
Wer den Befehl zu dieſer Tat gegeben hat, iſt bis jetzt
noch nicht ermittelt.

Heeres= und Volkswirtſchaftsfragen in der
Budgetkommiſſion.

* Berlin, 15. Mai. Die Budgetkommiſſion
des Reichstages begann heute mit der Beſprechung
von Klagen über vereinzelt vorgekommene
nnangemeſſene Behandlung von Mann=
ſchaften
des Heimatheeres. Die Klagen richten
ſich vor allem nicht gegen Vorgeſetzte aus dem aktiven
Heere, ſondern aus dem Beurlaubtenſtand. Der Kriegs=
miniſter
teilte mit, daß ſolche Klagen ſofort Anlaß zu
ernſten Weiſungen an die nachgeordneten Stellen geweſen
ſeien. Ein Mitglied der Kommiſſion behandelte die Frage
der Unſittlichkeit und des Bordellweſens, ferner des Al=
koholgenuſſes
. Ferner klagte der Redner über eine Ver=
hinderung
der Verteilung konfeſſionellen Leſeſtoffes. Auch
ſei für die evangeliſche Seelſorge nicht ſo gut geſorgt wie
für die katholiſche. Sodann lenkte er die Aufmerkſamkeit
auf die Wohnungsfrage und erbat die Bereitſtellung von
genügenden Geldmitteln für die Hebung der Klein=
wohnungsfürſorge
. Der Kriegsminiſter begrüßte
alle Beſtrebungen und Mittel zur Hebung der Sittlichkeit
und betonte mit Nachdruck, daß das Miniſterium es nicht
an Eifer zur Bekämpfung der Unſittlichkeit fehlen laſſe.
Die Zahlen der Geſchlechtskrankheiten würden weit über=
trieben
. Der Frage des Alkoholgenuſſes werde dauernd
Aufmerkſamkeit zugewendet. Den Vorwurf der konfeſſio=

[ ][  ][ ]

Seite 6.

Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 16. Mai 1915.

Nummer 134.

nellen Imparität bedauerte der Miniſter. Generalarzt
Schultzen betonte auch ſeinerſeits, daß die Frage der
Proſtitution Gegenſtand ernſter Beratungen geweſen ſei
und dauernde Aufmerkſamkeit fände.
Ein nationalliberaler Abgeordneter beſprach u. a. die
Ausbildung der Jugendkompagnien im
Schießen und richtete die Aufmerkſamkeit auf die Er=
ſchwerung
des Verkehrs der Angehörigen verwundeter
Soldaten mit dieſen. Auch von allen anderen Parteien
wurden zahlreiche Wünſche über die Soldatenbehandlung
vorgetragen. Auf die Klage eines Abgeordneten erwiderte
der Kriegsminiſter, die Verwendung von Kirchen
zu unwürdigen Zwecken, z. B. als Pferdeſtälle, billige er
nicht. Er könne nicht glauben, daß die Erteilung von Ur=
laub
von der Einlieferung von Goldmünzen abhängig
gemacht ſei. Er würde ſolches nicht billigen. Dem Ge=
danken
einer Auslieferung von Waffen an die Jugend=
vereine
ſtellte der Miniſter ernſte Bedenken entgegen. Die
Kommiſſion nahm dann einſtimmig einen Antrag an,
wonach beurlaubten Soldaten freie Fahrt
zur Heimat und zurück zuſtehen ſoll. Sodann
wandte ſich die Beſprechung zu den geſtern ſchon erörter=
ten
Wirtſchaftsfragen zurück.
Ein fortſchrittlicher Redner erörterte die Frage, ob die
von den Städten aufgeſpeicherten Fleiſchvorräte
jetzt auf den Markt geworfen werden ſollten, um auf die
hohen Fleiſchpreiſe zu drücken. Die Fleiſchvorräte dem
Kleinhandel zum Verkauf zu übergeben, wie vielfach ge=
wünſcht
werde, ſei nur möglich, wenn geſetzliche Kontroll=
und Strafbeſtimmungen dieſen Verkauf durch den Klein=
handel
regelten. Der Ausdehnung der Höchſt=
preiſe
auf Brot, Mehl, Kleie uſw. ſtimmte er zu.
Ein anderer Abgeordneter hob beſonders die Wichtigkeit
der Hülſenfrüchte für die Ernährung hervor und befür=
wortete
für das kommende Jahr eine Erleichterung des
Kartoffelbezuges für die Familien von eingezogenen
Truppen durch Kreditbewilligung aus öffentlichen Mitteln
und lenkte die Aufmerkſamkeit auf eine rechtzeitige Ein=
bringung
der nächſten Ernte. In der Nachmittagsſitzung
bei der fortgeſetzten Beratung der Wirtſchaftsfragen
ſtimmte Staatsſekretär Delbrück dem Wunſche zu. für
die ſtarkarbeitenden Kreiſe größere Brot=
portionen
zur Verfügung ſtellen zu können.
Unterſtaatsſekretär Richter ſtellte gegenüber laut gewor=
denen
Zweifeln feſt, daß beabſichtigt ſei, das Gefrierfleiſch
erſt dann auf den Markt zu bringen, wenn auf die
Schweinepreiſe ein Druck ausgeübt werden müſſe. Die
feſtgeſetzten Höchſtpreiſe für Kartoffeln müſſe man auch
nach der heutigen Kenntnis über die vorhandenen Men=
gen
als durchaus richtig und zweckmäßig bezeichnen. Mit
geringeren Höchſtpreiſen würde die jetzige Lage nicht ſo
günſtig ſein.

Die Pöbelherrſchaft in England.

* London, 15. Mai. Die Daily News ſchreibt in
ihrem Leitartikel: Der Grad, den die Plünderung und die
Fremdenhetze in den letzten Tagen unter der ſchamloſen
Aufreizung eines Teiles der Preſſe erreicht haben, wäre
unglaublich, wenn er nicht durch unbeſtreitbare Zeugniſſe
beſtätigt würde. Wir befinden uns noch nicht in der
glücklichen Lage Johannesburgs, wo die Polizei ſich mit
großem Takt benahm und mit den Aufrührern patrio=
tiſche
Lieder ſang, aber die Hilfloſigkeit der Polizei wird
immer deutlicher angeſichts dieſes reinen Feldzugs der
Plünderung und des Diebſtahls. Er wirft bereits einen
ſchweren Makel auf die Ehre und den Ruf
des Landes im Auslande, und wenn die Inter=
nierung
das einzige Mittel iſt, um ein ſchnelles Ende zu
ſchaffen, ſo iſt die Regierung mehr als gerechtfertigt, wenn
ſie ihren Entſchluß raſch und entſchieden durchführt. Da
die unſchuldigen Leute aber nur interniert werden ſollen,
weil die Regierung ſonſt unfähig iſt, ihre Si=
cherheit
zu verbürgen, ſo folgt daraus, daß die Regierung
verpflichtet iſt, ihr Los möglichſt zu erleichtern. Die Inter=
nierung
bedeutet für Tauſende den finanziellen Ruin,
in vielen Fällen die Vernichtung der Hoffnungen und
der Früchte jahrelanger Arbeit. Die Regierung iſt ehren=
halber
verpflichtet, dieſe Leute nicht wie gewöhnliche Ge=
fangene
zu halten, ſondern ſie nach Klaſſen abzuteilen,
für angemeſſene Beſchäftigung zu ſorgen und ſie nichts
von den gewohnten Annehmlichkeiten des Lebens ent=
behren
zu laſſen, ſonſt wird man im Auslande urteilen,
daß die engliſche Regierung geneigt iſt, die erſten Grund=
ſätze
der Gerechtigkeit und der Wohlanſtändigkeit gegen
eine hilfloſe Klaſſe von Menſchen zu vergeſſen, ſobald
die Polizei unfähig wird mit einer Gefahr fertig zu wer=
den
, die der Lärm einer ſkrupelloſen Preſſe geſchaffen hat.
Der Daily Telegraph berichtet über die Deutſchen=
progrome
im Oſten Londons: Die Häuſer wur=
den
von oben bis unten ausgeplündert und eine beträcht=
liche
Menge von Taſchenuhren, Wanduhren und Ringen
geraubt. Die Frauen hatten beſondere Schürzen, um die
Beute fortzubringen. Die Knaben benutzten Handkarren.
Es iſt jetzt kein ungewöhnlicher Anblick, Frauen und Mäd=
chen
Schinken, Tee, Zucker und andere Lebensmittel durch
die Straßen tragen zu ſehen. Im Süden Londons wett=
eiferten
die Kinder mit den Erwachſenen im Plündern
der Eßwarenläden.
* London, 15. Mai. Von anderer Seite wird ge=
meldet
: In Newcaſtle und Gateshead werden die
Ausſchreitungen gegen die Deutſchen fort=
geſetzt
. Alle Läden deutſcher Schweineſchlächter ſind
zerſtört. Der Schaden wird auf 2000 Pfund geſchätzt. In
Gravesend wurden die deutſch=feindlichen Ausſchreitungen
durch Truppen mit aufgepflanztem Seiten=
gewehr
beendet. Infolge der Ausſchreitungen, die u. a.
ſich gegen zahlreiche deutſche Bäcker richteten, entſtand
geſtern in London Brotmangel. Der Sozialdemokrat
Quelch ſagt in einer Zuſchrift an den Daily Chronicle:
Die Blätter, die zumeiſt an der Deutſchenhetze beteiligt
ſind, verurſachen abſichtlich ſo viel Unruhe, wie ſie nur
können, um der Regierung Schwierigkeiten
zu bereiten. Sie handeln nicht aus patriotiſchen
Motiven. Der Polizeichef erließ geſtern den Befehl, alle
feindlichen Ausländer militärpflichtigen Alters zu ver=
haften
. Aus Johannesburg wird berichtet: Bei der
Zerſtörung des hieſigen deutſchen Klubs wurden die Bilder
des deutſchen Kaiſers, des Kaiſers von Oeſterreich und
Bismarcks verbrannt und die deutſche Flagge zerriſſen.
Es war urſprünglich geplant, den Angriff am nächſten
Samstag zu unternehmen, aber die Londoner Ereigniſſe
beſchleunigten den Ausbruch. Die führende Rotte
arbeitete nach Pfeifenſignalen. Die Zerſtö=
rung
wurde methodiſch nach einer ſorgfältig angelegten
Liſte durchgeführt.
* London, 14. Mai. Im Unterhauſe fragte Ne=
ville
(Unioniſt), welche Schritte das Staatsſekretariat
des Innern zum Schutze des Lebens und des Eigentums
von Perſonen in denjenigen Bezirken täte, wo deutſch=
feindliche
Ausſchreitungen ſtattgefunden haben
oder vielleicht noch ſtattfinden könnten. Der Unter=
ſtaatsſekretär
antwortete, die Polizeibehörden ſeien

vollkommen von dem Ernſt der Lage unterrichtet. Jede
mögliche Vorſichtsmaßregel ſei getroffen. Die Polizei=
macht
ſei weſentlich verſtarkt und eine ſehr große Anzahl
von Hilfspoliziſten ausgehoben.
* Wien, 15. Mai. Das Fremdenblatt ſchreibt: Die
wüſten Ausſchreitungen des engliſchen
Pöbels bilden ein beredtes Armutszeugnis
für Englands Regierung und Volk. England
gibt ſein Spiel eben verloren. Der Wahn von Englands
Unverwundbarkeit iſt zerſtört, ſeine Allgewalt zur See
verwandelten die heldenhaften deutſchen Unterſeeboote in
ein Nichts. Dieſe Erwägungen mögen Grey und Kon=
ſorten
ſchwer bedrücken, aber ſie ſind verſpätet. Es gilt,
den Kelch des Leidens bis zur Neige zu leeren. Die Neue
Freie Preſſe ſieht in der Abſicht der engliſchen Regierung,
die männlichen Angehörigen feindlicher Länder zu inter=
nieren
, nichts als den Ausfluß der Rachſucht, weil
die Engländer ſähen, daß ſie zu Lande mit den Deutſchen
nicht fertig würden, daß ſie auch zur See nicht vorwärts
kämen und daß die Peſt der Unterſeeboote ſie bis aufs
Blut verfolgt. Der Artikel ſchließt: Die Engländer ſind
gewohnt, Unrecht zu tun, ſie betrachten es aber
als das ärgſte Verbrechen, wenn ein Volk
ſich auflehnt und den Schlag mit über=
legener
Kraft beantwortet. Doch Deutſchland
geht ruhig ſeine Bahn weiter. Das Wüten und Toben
des engliſchen Pöbels beweiſt nur, daß England innerlich
auf das Tiefſte verletzt iſt und nur noch billige Erfolge
über wehrloſe Menſchen erringt.
* London, 15. Mai. Das Reuterſche Bureau
meldet aus Kapſtadt: Aus den meiſten wichtigeren
Städten der Union kommen Nachrichten von ernſten
deutſchfeindlichen Ausſchreitungen und
Maſſenzerſtörungen deutſchen Eigentums. Der Geſamt=
ſchaden
wird auf über eine Million Pfund geſchätzt.

Der britiſche Außenhandel.

* London, 15. Mai. Die britiſche Geſandtſchaft
im Haag meldet über den britiſchen Außenhan=
del
: Im März und April war der Wert der eingeführten
Waren größer als in den vorhergegangenen Monaten
Im April ſtieg die Einfuhr auf 73678000, die Ausfuhr
engliſcher Produkte auf 38170000. die Wiederausfuhr
auf 9957000 Pfund Sterling. Verglichen mit dem Ja=
nuar
ſtieg die Einfuhr um 6, die Ausfuhr um 4, die Wie=
derausfuhr
um 3 Millionen. Die Tonnage der Schiffe,
die mit ausländiſchen Gütern in Januar und Februar
ankamen, betrug 5 bezw. 1 Million, im März und April
5 bezw. 7 Millivnen.

Die Frage der Wehrpflicht in England.

* London, 14. Mai. Im Oberhaus führte Lord=
großkanzler
Haldane aus: Wir kämpfen um
das Leben. Unter gewöhnlichen Umſtänden und in
Friedenszeiten würden wir vom Freiwilligen=
Syſtem nur ungern abgehen, aber wir werden angeſichts
der gewaltigen Notwendigkeit, mit der das Land zu rech=
ten
hat, vielleicht den jetzigen Zuſtand einer Reviſion un=
terziehen
müſſen. Vorläufig ſtehen wir noch nicht vor
dieſer Frage, es kann aber, wie geſagt, dazu kommen.
Augenblicklich haben wir die Hände voll von einem Ma=
terial
, das uns zur Verfügung ſteht und das ein präch=
tiges
Material iſt.

Die Miniſterkriſis in Italien.

* Rom, 15. Mai. Der Kammerpräſident Marcora
ſowie der bisherige Schatzminiſter Carcano haben, der
Frkft. Ztg. zufolge, die ihnen angetragene Bildung eines
Miniſteriums abgelehnt.
* Rom, 15. Mai. (Meldung der Agenzia Stefani.)
Der König hat im Laufe des Vormittags nacheinander
Marcora, Carcano und Salandra empfangen.
* Mailand, 15. Mai. Der von der Mailänder
Arbeitskammer und den offiziellen Sozialiſten zum Pro=
teſt
gegen die Kriegshetzer proklamierte General=
ſtreik
iſt trotz der Oppoſition des kriegeriſchen Flügels
der Sozialiſten im vollen Gange. Der Betrieb ruht
in den meiſten Fabriken; auch die Trambahnen verkehren
nicht. Die Turiner Stampa wendet ſich heute trotz
aller Anfeindungen unter der Ueberſchrift: Wen will
man betrügen? nochmals gegen die Kriegs=
partei
. Weder die diplomatiſche, noch die militäriſche
Lage böten für Italien Anlaß zum Kriege. Weder die
ruſſiſche Dampfwalze, noch Kitcheners Heer hät=
ten
die angekündigten Wirkungen erzielt. Die Aktion gegen
die Dardanellen erweiſe ſich alle Tage als ſchwie=
riger
. Wo Fortſchritte auf den Kriegsſchauplätzen einge=
treten
ſeien, ſeien ſie zugunſten der Zentralmächte einge=
treten
. Nirgends ſei man Italiens Ehre zu nahe gekom=
men
. Warum alſo ſolle Italien den Dreibundvertrag
für unklare und unbeſtimmte Intereſſen zerreißen? Noch=
mals
hebt die Stampa hervor, daß alle inaktiven
Staatsmänner, ſowie die Mehrheit der
Kammer und des Senats gegen den Krieg
ſeien.
* Köln, 15. Mai. Die Köln. Volksztg. meldet aus
Lugano: Bei dem Tumult am geſtrigen Abend
wurde der in Rom weilende deutſche Reichstagsabgeord=
nete
Erzberger im Automobil mit Steinen be=
worfen
.
* Paris, 15. Mai. Die italieniſche Mini=
ſterkriſe
wurde, obwohl die Nachricht am Donnerstag
abend in Paris eintraf, erſt am Freitag abend dem
Publikum bekannt gegeben. Der Temps ſchreibt: Im
Grunde iſt die Lage unverändert. Zwiſchen einer unge=
heuren
Intrige (dies ſei der Gedanke der Miniſterkriſis)
und dem feſten Willen des ganzen Volkes ( interventio=
niſtiſche
Kundgebungen) werde nicht die Intrige das letzte
Wort behalten. Italien bleibe, wie es iſt, einig und
glühend, wie jemals.

Der Kampf um die Dardanellen.

* Konſtantino pel, 15. Mai. Das Hauptquar=
tier
teilt mit: Bei Ari Burnu kann der Feind trotz
Verſtärkungen, die er erhielt, aus den Verſchanzungen
nicht vorrücken. An einigen Punkten verſuchte der Feind=
eine
Unternehmung, die vor unſeren kräftigen Ge=
genangriffen
ſcheiterte. Im Abſchnitt von Seddar
Bahr hält der Feind ſeine alten Stellungen; er ver=
hält
ſich ruhrg. Einer unſerer Flieger warf er=
folgreich
Bomben auf das feindliche Lager. Der Feind
erhielt Verſtärkungen, um ſeine Verluſte zu erſetzen; aber
die Verſtärkungen wurden durch das wirkſame Feuer un=
ſerer
Batterien, die wir vorſchoben, zerſtreut. Das geſtern
früh in der Mortobucht verſenkte Schiff iſt das engliſche
Panzerſchiff Goliath‟. Ein großer Teil der Be=
ſatzung
ertrank. Dieſen Sieg trug unſer Torpedoboots=
zerſtörer
Muavenet i Millye davon, der, nachdem
er den Auftrag erfolgreich ausgeführt hatte, wohlbehal=
ten
zurückkehrte. Feindliche Torpedoboote wur=

den gezwungen, ſich vor dem Feuer unſerer Küſtenbatte=
rien
zurückzuziehen. Unter den feindlichen Torpedo=
booten
hörte man ſtarke Exploſionsgeräuſche.
Unſere Küſtenbatterien auf der anatoliſchen Küſte bom=
bardierten
wirkſam die Landungsſtelle des feindlichen La=
gers
bei Sedd ul Bahr, wo ſie einen großen Brand her=
vorriefen
. Das Panzerſchiff Charles Martel,
das erfolglos unſere anatoliſchen Batterien beſchoß,
wurde zweimalgetroffen. Der franzöſiſche Kreuzer
Jeanne d’Arc verſuchte in Fenique an der anatoli=
ſchen
Küſte zu landen, aber infolge unſeres Gegenangriffs
ergriffen die gelandeten Soldaten die Flucht. Der
Kreuzer zog ſich zurück. Auf den übrigen Fron=
ten
nichts Wichtiges.
* Konſtantinopel, 15. Mai. Das torpedierte
Linienſchiff Goliath ſank nachts um 1 Uhr 15 Mi=
nuten
. Alle drei Torpedos, die abgefeuert wurden,
trafen. Das Linienſchiff verſchwand ſchnell in den
Fluten. Enver Paſcha beſichtigte dieſer Tage die
türkiſchen Truppenſtellungen an den Dardanellen. Er
äußerte ſich höchſt befriedigt und ſiegesgewiß.
* London, 15. Mai. Die Daily News ſchreibt in
einem Artikel über den Verluſt des Goliath: Die
Admiralität berichtet, daß das Schiff torpediert worden
ſei. Bedeutet das, daß es von feindlichen Zerſtörern oder,
während es den Angriff deckte, von unſeren eigenen Zer=
ſtörern
torpediert worden iſt? Im erſteren Falle wäre es
eine Ueberraſchung, die Aufklärung erheiſchte, im zweiten
Falle wäre es die Wiederholung einer Taktik, die ſchon
vor zwei Monaten den Verluſt dreier
ſchöner Schiffe verurſachte.
* London, 15. Mai. Im Unterhaus fragte John=
ſon
Hicks (Unioniſt), ob Lord Fiſher bei den Beratun=
gen
über den Angriff gegen die Dardanellen
im März die Anſicht geäußert habe, daß es weiſe wäre,
die Mitwirkung der Landtruppen abzuwarten, und wer
ſeinen Rat verworfen habe. Churchill antwortete:
Ich bin ſicher, daß das Haus eine derartige Anfrage miß=
billigt
, die abſichtlich öffentlichen Intereſſen von ernſter
Bedeutung abträglich ſein ſoll. Die Einheit und Inte=
grität
des Admiralitätskollegiums ſollte in der Kriegszeit
von keinem Abgeordneten beſtritten werden. Im weite=
ren
Verlauf erklärte Churchill, der Goliath ſei
torpediert worden, als er die franzöſiſche Flanke ge=
rade
innerhalb der Meerenge ſchützte.
* Konſtantinopel, 15. Mai. Nach glaubwür=
digen
Informationen iſt außer dem Goliath noch ein
engliſcher Torpedobolotszerſtörer von den
Türken in Grund gebohrt worden. Wegen des
Nebels hatte man es jedoch noch nicht unzweifelhaft ſicher
feſtſtellen können.
* Athen, 15. Mai. Aus Mythilene wird gemeldet,
daß die blutigen Uferkämpfe auf der Halbinſel
Gallipoli mit fürchterlicher Heftigkeit fortdauern. Die
Türken kämpfen mit großer Tapferkeit und weiſen alle
Angriffe mit Leichtigkeit ab.
* Berllin, 15. Mai. Wegen Erſcheinen eines Der
Papſt und Italien überſchriebenen Artikels in der
Poſt wurde die Ausgabe der letzteren bis auf weiteres
verboten.
* Frankfurt a. M., 15. Mai. Die drei aus dem
Kriegsgefangenenlager Friedberg entwichenen Offi=
ziere
, ruſſ. Oberleutnant Gogolinski, ruſſ. Leutnant
Moiſſejew und franz. Leutnant Randon, ſind in
Erbach i. O. wieder eingefangen worden.
* Haag, 15. Mai. Das Haager Korreſpondenzbureau
vernimmt von ermächtigter Seite, daß am 6. Mai beim
Einſchießen von Geſchützen der Antwer=
pener
Forts einige Granaten auf nieder=
ländiſches
Gebiet fielen. Durch das deutſche
Generalgouvernement in Belgien wurde ſofort eine ernſte
Unterſuchung eingeleitet. Der deutſche Geſandte ſprach
namens der Regierung das Bedauern derſelben über das
Verſehen aus.
* Brüſſel. 15. Mai. Auf Einladung des General=
gouverneurs
Freiherrn v. Biſſing ſind als Vertreter
des Kaiſerin Auguſte Viktoria=Hauſes zu Charlottenburg
Kabinettsrat a. D. von Behr=Pinnow und Profeſſor
Langſtein in Brüſſel eingetroffen, um an den Bera=
tungen
teilzunehmen, welche Maßnahmen zum Schutze
der durch den gegenwärtigen Notſtand und die bevor=
ſtehende
heiße Jahreszeit gefährdeten Kinder=
welt
zu treffen ſind.
* Paris, 14. Mai. Der Temps meldet aus Liſſa=
on
: Bei der Einweihung des Monarchiſtenklubs von
Liſſabon kam es zu Kundgebungen. Die Mani=
feſtanten
durchzogen die Stadt unter dem Rufe: Es lebe
die Republik! Bei Raufhändeln wurden mehrere Per=
ſonen
verletzt. Vor der Bebaſuſung des Royälliſſtenführers,
Hauptmann Conceiro, welcher nach der Amneſtie nach
Portugall zurückgekehrt war, platzte eine Bombe. Der
Führer der Demokraten, Aſſonſo Coſta, wurde bei einer
Automobilreiſe durch die Nordprovinzen verſchiedentlich
von der Bevölkerung tätlich angegriffen. Der Miniſter
des Innern hat die Zivilgouverneure aufgefordert, die
Bildung neuer Monarchiſtenklubs ſcharf zu überwachen
und alle Akte zu unterdrücken, die geeignet ſeien, Ruhe=
ſtörungen
zu veranlaſſen.
* Kopenhagen, 15. Mai. In Nr. 11 der ruſſiſchen
offiziellen Bücher=Chronik findet ſich eine genaue Zuſam=
menſtellung
der Preßorgane, periodiſchen und nichtperiodi=
ſchen
, welche im Jahre 1914 gerichtlich verfolgt
worden ſind. Es wurden beſchlagnahmt: periodiſche 465
Nummern, nichtperiodiſche 230, in Summa 695. Die Be=
ſchlagnahme
wurde aufgehoben bei periodiſchen: 96, nicht=
periodiſchen
: 24, in Summa 120, die Beſchlagnahme be=
ſtätigt
bei 369 periodiſchen und 206 nichtperiodiſchen, in
Summa 575. Die Beſtätigung der Beſchlagnahme auf
369 hatte die Unterdrückung von 44 Zeitungen zur Folge.
* Riga. 15. Mai. Auf Verfügung der Adminiſtra=
tion
iſt die lettiſche Arbeiterzeitung Jaunais Arod=
necks
geſchloſſen worden.
* Uralsk, 15. Mai. Die Zeitung Uraljetz wurde.
für ein Feuilleton der Deutſchen in Uralsk vom Gouver=
neur
mit 300 Rubel beſtraft und der Redakteur verhaftet.
* Neu=York, 15. Mai. Die American Truth So=
ciety
beſchloß in öffentlicher Verſammlung, beim Präſi=
denten
gegen die Ausfuhr von Waffen und Mu=
nition
zu proteſtieren. Gleichzeitig beantragte ſie,
eine Unterſuchung über die Herſtellung von Dum=Dum=
Geſchoſſen in Amerika einzuleiten.

Letzte Nachrichten.

* Berlin, 15. Mai. Der Vorſtand des Deutſchen
Städtetages tritt am nächſten Mittwoch zu einer
außerordentlichen Tagung zuſammen. Anlaß dazu ſind
die geſtrigen Verhandlungen des Deutſchen Landwirt=
ſchaftsrates
. In ſtädtiſchen Kreiſen wrd befürchtet, daß

[ ][  ][ ]

die Durchführung der dort gefaßten Beſchlüſſe den ſtädti=
ſchen
Konſumentenkreiſen das Maß von Ein=
fluß
, das ſie jetzt auf die Verteilung von unentbehrlichen
Lebensmitteln beſitzen, für die neue Ernteperiode kürzen,
wenn nicht gänzlich entziehen wird. Das gilt beſonders
hinſichtlich der Vorſchläge, durch die die Kriegsge=
treide
=Geſellſchaft beſeitigt werden ſoll. In den
Städten herrſcht die Ueberzeugung, daß dieſe Geſellſchaft,
die unter opferwilliger Beteiligung der Städte zuſtande
gekommen iſt, ihre Aufgabe, wenn auch unter anfänglichen
Schwierigkeiten, ſchließlich mit vollem Erfolge gelöſt hat.
* Berlin, 15. Mai. Heute morgen iſt der bekannte
Reuter=Darſteller Auguſt Junkermann im Alter von
83 Jahren nach längerer Krankheit an einem Schlaganfall
geſtorben.
* Berlin, 15. Mai. Das B. Tgbl. meldet: In der
Nähe von Oggersheim wurde die Leiche eines un=
bekannten
18 bis 20 Jahre alten Mädchens auf
dem Gleiſe der Haardtbahn gefunden. Blut=
ſpuren
führten nach der etwa einen Kilometer entfernt
liegenden Radrennbahn. Es liegt zweifellos ein Mord
vor. Der Täter iſt noch nicht ermittelt.
* Rom, 15. Mai. Der Gouverneur von Erythräa
legte ſein Amt nieder und kehrte nach Italien zurück.
* Athen, 14. Mai. Nach dem letzten Bulletin hat ſich
der Geſundheitszuſtand des Königs ge=
beſſert
.
* Waſhington, 15. Mai. Meldung des Reuterſchen
Bureaus. Das Staatsdepartement erſuchte das Marine=
departement
, ſchleunigſt ein Kriegsſchiff nach
der amerikaniſchen Kolonie Eſperanza in
Mexiko nach einem nächſtgelegenen Hafen auszuſenden,
da die Yaqui=Indianer die Kolonie bedrohen. Wahr=
ſcheinlich
fahren vier Kriegsſchiffe nach Guayamas aus,
wovon das Expeditionskorps über Land vorrücken kann.

Preußiſch=Süddeutſche Klaſſenlotterie.
* Berlin, 15. Mai. In der heutigen Vormittags=
ziehung
der Preußiſch=Süddeutſchen Klaſſen=
lotterie
fielen 10000 Mark auf Nr. 117764; 5000 Mark
auf Nr. 48 189, 182312 und 203 405; 3000 Mark auf Nr
6130, 13023, 21 556, 32205, 33 695, 38637, 42310, 45817,
47943, 48641, 55 720, 56 149, 65 370, 66 736, 74 464, 92974,
98 340, 107 786, 110714, 113338, 113673, 114483, 125818,
139705, 139758, 143 276, 149 072. 153 350, 154 710, 162571,
179688, 204500, 212 490, 218936, 220975, 226 296 und
228633. In der Nachmittagsziehung fielen 30000 Mark
auf Nr. 17808; 15000 Mark auf Nr. 228849; 10000 Mark
auf Nr. 214 205; 5000 Mark auf Nr. 2895, 127717 und
220807; 3000 Mark auf Nr. 2718, 5475, 11535, 15948,
20 969, 21 460, 26 123, 41 481, 46 241, 50 799, 54 960, 56 850,
59863, 61954, 70 844, 76 581, 87874, 90 001, 96 669, 101 792,
116 827, 118807, 118855, 123915, 124804, 130 968, 132083
133894, 140 819, 149568, 151 263, 159 752, 165 812, 167092,
169 784, 171946, 173 203, 174 155, 179 088. 181 128, 189054,
194 282, 203 808, 205664, 209 459, 222 428, 231383 und
232 626. (Ohne Gewähr.)
Briefkaſten.
Anfragen können nur beantwortet werden, wenn die genaue Adreſſe des
Anfragenden angegeben und die Abonnementsbeſcheinigung beiliegt.
Sch. Sie ſind wegen Fettleibigkeit zum Heeresdienſt
untauglich. Sie können unter Umſtänden noch beim Land=
ſturm
Verwendung finden.
K. M. Das Denkmal an der Eiſenbahnlinie Trier-
Luxemburg iſt die ſogenannte Igeler Säule‟. Es iſt
ein 24 Meter hoher, aus rötlichen Sandſteinquadern auf=
geführter
Bau, den nach einer Inſchrift Secundinus Aven-
tinus
und Secundinus Seeurus für ſich und ihre Ver=
wandten
als Grabdenkmal errichten ließen. Es iſt eines
der intereſſanteſten Römerdenkmale diesſeits der Alpen.
In mehreren mit Reliefdarſtellungen verzierten Abteilun=
gen
ſteigt der obeliskartige Bau empor; das Dach, in Form
einer ſteilen Pyramide, wird von einer Art Kapitell ge=
krönt
. Im Provinzialmuſeum in Trier befindet ſich ein
Abguß des Denkmals. Die Leitung dieſes Muſeums gibt
Ihnen vielleicht Auskunft über die Literatur, die ſich mit
dieſem Denkmal beſchäftigt; uns iſt ſie nicht bekannt.
M. M. Einen norwegiſchen Verein gibt es hier nicht.

Wetterbericht.
Wetterausſichten für Sonntag: Wolkig, meiſt trok=
ken
, etwas wärmer, ſüdweſtliche Winde.
(Schluß des redaktionellen Teils.)

Vermamt
Tablotten
vernichten die Baktarlen
in Mund und Nachen
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Wildbad im Schwarzwald. Der Kurbetrieb
hat hier am 1. Mai in gewohnter Weiſe begonnen. Die
Kurmuſik ſpielt täglich dreimal, das Theater beginnt am
23. Mai und die Bäder und Kureinrichtungen ſind voll=
ſtändig
in Betrieb. Der uralte Ruf Wildbads als eines
Wundheilbades erſten Ranges bewährt ſich auch in
dieſem Kriege. Zurzeit ſind annähernd 300 verwundete
Offiziere und Mannſchaften hier, an denen der Heil=
queu
ſichtbar Wunder wirkt. Die neueſte Kurliſte weiſt
780 Fremde auf.

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Anf jede gezogene Nummer ſind zwei gleich hohe Gewinne
gefallen, und zwar je einer auf die Loſe gleicher Nummer
in den beiden Abteilungen 1 und II.

(Ohne Gewähr A. St.=A. f. Z.)
(Nachdruck verboten)
In der Vormittags=Ziehung wurden Gewinne über
240 Mk. gezogen:
4 Gewinne zu 15000 Mk. 75059 227029
4 Gewinne zu 10000 Mk. 134471 159980
4 Gewinne zu 5000 Mk. 203258 220835
70 Gewinne zu 3000 Mk. 5314 30034 35823 39098
43084 50800 77713 83473 89750 96634 99535 99993
100894 105474 113616 116050 126242 129415 167197
167285 167651. 171250 171653 172906 178091 179217
189286 199881 204751 209112 210693 216632 217005
219299 219716
152 Gewinne zu 1000 Mk. 15 4775 10665 11248
12910 13653 14582 16291 17275 18926 20825 21689
22608 24507 28339 34244 37139 58429 59723 61161
68086 74255 77762 79085 79710 81114 84a20 86290
86564 88517 89309 91136 96698 101332 103994 106949
114644 116684 118001 118723 122884 124481 130657
130788 135583 136441 137430 145665 145800 147224
148433 148924 154413 154605 164480 165633 166413
166688 175581 178312 197142 199452 200463 202430
204448 208765 213533 217281 218479 221631 225668
226173 229513 230297 231224 233434
242 Gewinne zu 500 Mk. 961 2987 6930 6754
8396 6899 23122 24691 29000 29684 30907 32482
33341 33514 46631 56077 56537 57483 57917 60808
62267 63847 64061 64151 71385 71471 72240 74680
77778 78083 78301 81475 84868 85075 85391 87503
90683 94866 94943 95522 97733 99071 100269 102986
103140 104701 104862 106396 107364 110880 116170
117127 117747 118375 118805 120126 120679
121816 124870 125232 125896 126646 127882 131458
134943 135848 137636 138717 139009 140317 140667
140883 141217 146433 149480 152195 152424 153663
155415 157750 162194 162958 164925 165225 165570
165834 170176 171228 172360 173936 176655 177182
178171 178305 181068 181542 184684 186270 186938
192017 192488 193443 195366 198140 202190 202926
204222 204695 207002 207411 211271 217104 219226
221368 223156 226638 226936 227231 227267 227488
227505
In der Nachmittags=Ziehung wurden Gewinne über
240 Mk. gezogen:
2 Gewinne zu 15000 Mk. 100809
6 Gewinne zu 10000 Mk. 86938 124913 138243
6 Gewinne zu 6000 Mk. 100355 137223 219724
62 Gewinne zu 8000 Mk. 872 17797 19124 20784
21202 22524 32584 35469 40985 74891 78075 85641
86310 98164 103459 104397 106226 113755 130505
131481 142655 146045 157957 158176 164378 167457
208593 210243 210327 218880 230542
114 Gewinne zu 1000 Mk. 9127 11368 18313 20726
21686 24348 26091 29968 32836 33467 33586 37781
89479 48264 60636 56372 68921 65463 67886 70907
71142 77061 81221 82960 94301 96036 98384
108361 110416 112478 113636 116001 120484 123980
125180 126571 133152 133913 136436 136756 137743
142772 142880 159666 170767 174549 174625 178282
180157 187337 188302 196936 211840 217381 224870
226517 228347
206 Gewinne zu 500 Mk. 1283 1376 2754 3640
4757 9059 9240 9413 10038 10530 11095 15097
19447 23048 23450 30501 35176 36807 40383 41165
44754 46694 47411 47729 49969 51611 54207 54823
57409 67135 69848 70282 71880 72834 72910 75231
83804 83859 85300 91913 95379 99228 104532 107477
108533 108604 113879 114572 116536 117982 118145
119407 119660 121866 123056 126967 132866 133560
140226 146189 146957 147727 148599 150989 151501
153406 157451 157613 169631 171636 172455 175437
177666 176647 179382 188202 183966 184205 166098
186910 188162 191313 191973 194602 195317 198922
202167 202252 202707 205850 213691 213709 214430
215225 215269 215594 218656 216668 219935 224879
225174 227884 232106

Familiennachrichten.

Statt Karten.
Ihre Kriegstrauung zeigen an
Karl Lotz
Kriegsfreiwilliger II. Ers.-Bat. Leibg.-I.-R. 115
Mathilde Lotz, geb. Hedrich.
Darmstadt, 15. Mai 1915.
Nieder-Ramstädterstr. 83.
(*10060

Wenn die Liebe könnt' Wunder tun
Und die Tränen Toten erwecken,
Dann würde dich ſicher nicht fremde
Erde decken!
Im Kampfe fürs Vaterland fiel am 25. April
bei einem Sturmangriff unſer einziger, un=
vergeßlicher
Sohn, herzensguter Bruder und
Schwager
(*10040
Emil Hirſchinger
in faſt vollendetem 28. Lebensjahre.
Darmſtadt, den 15. Mai 1915.
Im Namen
der tieftrauernden Hinterbliebenen:
Jakob Hirſchinger.

Todes=Anzeige.
(Statt beſonderer Anzeige.)
Heute entſchlief ſanft infolge eines Schlag=
anfalles
mein lieber Gatte, unſer herzensguter
Vater, Schwiegervater, Bruder, Schwager und
Onkel
(7590
Buchbindermeiſter
Theodor Bauſch
im 63. Lebensjahre.
Im Namen der tieftrauernden Hinterbliebenen:
Dina Zauſch, geb. Bechtel.
Darmſtadt, den 14. Mai 1915.
Die Beerdigung findet Montag, den 17. Mai,
nachmittags um 4½ Uhr, vom Portale des
Waldfriedhofes aus ſtatt.
Von Beileidsbeſuchen bittet man abſehen zu
wollen.

Dankſagung.
Für die uns erwieſene aufrichtige
Teilnahme an dem uns ſo ſchwer be=
troffenen
Verluſte ſagen wir herzlichen
Dank.
Im Namen
der trauernden Hinterhliebenen:
L. Pogelsberger.
Darmſtadt, Mai 1915.
(7572

Tageskalender.
Sonntag, 16. Mai.
Großh. Hoftheater, Anfang 7 Uhr, Ende 10½ Uhr
(Ab. C): Wie einſt im Mai
Ueberreichung von Geſellenbriefen um 10½
Uhr im Schützenhof
Konzert um 4 und 8 Uhr im Perkeo.
Verſteigerungskalender.
Montag, 17. Mai.
Weißzeug= uſw. Verſteigerung um 2 Uhr im
Städtiſchen Leihamt.

Druck und Verlag: L. C. Wittich’ſche Hofbuchdruckerei.
Verantwortlich für den politiſchen Teil, für Feuilleton,
Reich und Ausland: Dr. Otto Waldaeſtel; für den übrigen
redaktionellen Teil: Kurt Mitſching; für den Anzeigen=
teil
, Anzeigenbeilagen und Mitteilungen aus dem Ge=
ſchäftsleben
: Paul Lange, ſämtlich in Darmſtadt. Für
den redaktionellen Teil beſtimmte Mitteilungen ſind an
die Redaktion des Tagblatts zu adreſſieren. Etwaige
Honorarforderungen ſind beizufügen; nachträgliche wer=
den
nicht berückſichtigt. Unverlangte Manuſkripte werden
nicht zurückgeſandt.

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und Bürsten, nur einmaliges ½ bis ½ stündiges Kochen. Die
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bleicht
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volles Gewicht zum alten Preis (1 Pfund-Paket Netto-Inhalt
500 gr für 65 Pfg.!) im Gegensatz zu manch anderen Waren, die
infolge Rohstoffmangels oder Rohstoffverteuerung entweder im
Gewicht gemindert oder im Preise heraufgesetzt worden sind.
Da weitere Waschzutaten wie Seiſe, Seifenpulver usw. überflüssig
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an die Geſchäftsſtelle. (*10016

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Erfahrener Kaufmann (Penſion.)
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die Art der ſeitherigen Beſchäftigung
hervorgeht, ſowie Zeugnisabſchrif=
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für die Hausarbeit bei guter Be=
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. Tracht, Nieder= Ram=
ſtädterſtr
. 31, Vdhs., III. (*10020

Kräftiges, ſauberes Schulmäd=
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fortigem
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die Geſchäftsſtelle d. Bl. (7582

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Groß=Gerau.
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Tichlter Kulseder
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Fuhrmannſtr. 14. (*10033

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[ ][  ][ ]

Die Adoptiptochter.
Original=Roman von H. Courths=Mahler.
(Nachdruck verboten.)

Britta lag regungslos drinnen auf dem Divan und
hielt ſich die Ohren zu, um ſeine flehende Stimme nicht
zu hören. Was konnte er ihr ſagen? Er hatte ſie belogen
und betrogen, hatte den Edelmütigen geſpielt, der ein
armes Mädchen an ſein Herz nahm, um für ſie zu ſchaffen
und zu arbeiten, hatte es ſich gefallen laſſen, daß ſie be=
wundernd
zu ihm aufſah, weil er ſich ihretwegen Entbeh=
rungen
auferlegen wollte. Und das war Lüge geweſen,
alles Lüge! Nie wieder würde ſie das ſchöne gläubige
Vertrauen zu ihm finden!
Da war nun das Unheil, das ſie vorahnend gefühlt
hatte. Kein Menſch dürfte wohl ungeſtraft ſo unſagbar
glücklich ſein, wie ſie es geweſen. Nun hatten ſich dunkle
Schatten über ihr Glück gebreitet.
Schlaflos verbrachte ſie die Nacht und lauſchte auf die
Schritte ihres Gatten, der gleichfalls keine Ruhe fand.
Erſt am Morgen wurde es in Herberts Zimmer ruhig,
nachdem er nochmals an ihrer Tür geweſen war.
Am nächſten Morgen ging Britta nicht zum Frühſtück
hinüber. Sie wartete, bis Herbert das Haus verlaſſen
hatte. Er blickte herauf zu ihrem Fenſter, ſein Geſicht war

baß und ſorgenvol. Sie hüte kaut auſchreien mögen
vor Schmerz um ihr zerſtörtes Glück.
Als ſie dann matt und elend an den Frühſtückstiſch
trat, lag ein Kuvert neben ihrem Platz. Sie riß es auf.
Mit eiliger Schrift, nur mit Blei geſchrieben, ſtand auf
einem Kärtchen:
Mein Liebling! Leider ruft mich ein notwendiges
Geſchäft ins Laboratorium, ich kann nicht warten, bis Du
endlich Dein Zimmer verläßt oder mir öffneſt. Aber ich
kann nicht gehen, ohne Dir zu ſagen, daß Du uns unnötig
gequält haſt. Ich liebe Dich und leide mit Dir. Sei gut
und höre mich an, wenn ich heute mittag heimkehre.
Dein Herbert.
Sie ſah ſtarr darauf nieder. Sie fürchtete ſo unſag=
bar
vor ſeiner Erklärung. Eine Marter ohnegleichen
würde es ſein, anhören zu müſſen, wie er ſich zu rechtfer=
tigen
verſuchen würde.
Aber Britta kleidete ſich dann an, um hinunter zur
Mutter zu gehen. Es war, als ſei das der einzige Ort,
wohin ſie mit ihrem Leid fliehen konnte. Wenn ſie ihr
auch, um Herbert zu ſchonen, nicht ſagen konnte, was Theo
ihr verraten hatte, ſo konnte ſie doch in ihrer Geſellſchaft
Troſt ſuchen. Gerade ſie würde all ihre Not verſtehen.
Zärtlich ſcheltend empfing Frau Clandine die blaſſe
junge Frau.

Aber, Herzlind, was nachſt u für Sachen? Mich ſo
zu eeſchrecken. Biſt Du nun wieder wohl?
Ich habe noch ein wenig Kopfweh, liebſte Mutter,
aber das wird vergehen, ſagte Britta leiſe.
Die alte Dame nahm ſie liebevoll in die Arme.
Und dabei ſiehſt Du ſo jämmerlich blaß und elend
aus! Du haſt doch nicht Fieber, Kind?
Nein, nein nur weißt Du, ich habe ſchlecht ge=
ſchlafen
.
Frau Claudine ſah prüfend in das ſeltſam ver=
änderte
junge Geſicht. Britta pflegte ſonſt nie über Un=
wohlſein
zu klagen; ſie war kerngeſund. Jetzt ſahen die
leuchtenden Sonnenaugen ganz erloſchen aus; das kleine,
eigenartige Dreieck auf der Stirn zeigte tiefe Linien und
um den Mund lag ein herber Leidenszug. Sollte an alle=
dem
nur ein Kopfweh ſchuld ſein?
Frau Claudine fragte nichts mehr, aber ſie beobachtete
Britta ſehr ſcharf.
Komm, Herzkind, wie gehen ein Stündchen im Park
ſpazieren, das wird Dir gut tun, ſagte ſie ruhig.
Arm in Arm ſchritten ſie dahin. Britta wollte ſich zu
einer Unterhaltung zwingen, aber Frau Claudine ſchüt=
telte
den Kopf.
Nein, ſchweig nur ſtill. Es gibt Stimmungen, in
denen Schweigen eine Wohltat iſt, ſagte ſie liebevoll.

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[ ][  ][ ]

Prita wiſchte verſohlen ein paar Tränen aus den
Augen. Frau Claudine gab ſich den Anſchein, als be=
merke
ſie nichts davon. Aber ein leiſes Lächeln huſchte
um ihren Mund.
Ihr ſchien, als habe es einen kleinen Streit gegeben
zwiſchen dem jungen Paar.
Vor Tiſch ging Britta wie ſonſt hinauf. Am liebſten
wäre ſie unten geblieben, um Herbert nicht begegnen zu
müſſen. Aber das wäre der Mutter aufgefallen. So ſtieg
ſie ſchweren Herzens die Wege empor, die ſie ſonſt ſo
leichtfüßig erklommen hatte.
In Villa Claudine angekommen, überfiel ſie von
neuem die Angſt vor einer Auseinanderſetzung mit Her=
bert
. Sie fand nicht den Mut, ihm gegenüberzutreten.
Einem ſchnellen Impuls folgend, ſagte ſie der Diener=
ſchaft
, daß ſie noch eine Beſorgung zu machen habe und
dann unten bei Frau Steinbrecht dinieren würde. Man
ſolle das ihrem Gatten melden, wenn er heimkehre.
Britta machte in der Stadt einige belangloſe Ein=
käufe
. Dann begab ſie ſich in eine faſt nur von Damen
beſuchte Konditorei und trank eine Taſſe Schokolade, weil
ſie ſeit geſtern nachmittag nichts genoſſen hatte und der
Körper nun gebieteriſch ſein Recht verlangte. Sie blät=
terte
ein wenig in den Zeitungen und ſah immer wieder
nach der Uhr.
Schließlich hielt ſie es in dem engen Raum nicht mehr
aus und verließ die Konditorei. Draußen rief ſie eine
Droſchke an und ließ ſich nach dem entgegengeſetzten Ende
der Stadt fahren.
Als es ſpät genug erſchien, gab ſie das Zeichen zur
Umkehr und fuhr heimwärts.

An unteren Ende der Verſtraße ließ ſie halten; mit
müden Schritten ging ſie die Bergſtraße empor.
Daheim angelangt, galt ihre erſte Frage ihrem Gat=
ten
. Der Diener meldete, der Herr Doktor ſei bald wieder
fortgegangen.
*:
Herbert hatte nach kurzem Aufenthalt die Villa ver=
laſſen
und war zu Frau Steinbrecht geeilt, weil er dort
Britta zu finden hoffte.
Zu ſeinem Erſtaunen erfuhr er, daß Britta gar nicht
anweſend war. Er erſchrak.
Britta iſt nicht hier, liebe Mama? Sie hat doch
offen hinterlaſſen, ſie wollte bei Dir dinieren.
Frau Steinbrecht ſah ihn forſchend an.
Nun, deshalb brauchſt Du nicht ſo blaß zu werden,
lieber Herbert. Britta ſchmollt wohl ein wenig und will
Dir aus dem Wege gehen. Ihr habt Euch wohl ein biß=
chen
gezankt. Den erſten Eheſtreit nehmt Ihr wohl beide
zu ernſt, ſagte ſie lächelnd.
Herbert fuhr ſich verlegen durch das Haar.
Es handelt ſich leider um mehr, als um einen nichti=
gen
Streit.
Frau Claudine ſah betroffen in ſein ernſtes Geſicht.
Kinder, was macht Ihr für Geſchichten? Britta er=
ſchien
mir heute morgen ſchon ſehr ſeltſam und nun
machſt Du auch ſo eine verſtörte Miene. In Eheange=
legenheiten
ſoll ſich kein Dritter miſchen; aber vielleicht
kann ich Dir raten.
Herbert erzählte ihr in fliegender Haſt, was geſchehen
war, und daß er glaube, Theo habe ihm dieſe Qual
bereitet.

Frau Glandine hate aufmerfam zugehört.
Dein Vetter iſt ein niedriger Charakter, lieber Her=
bert
. Das habe ich ſchon lange gewußt, ſagte ſie unwillig.
Dabei hat er wohl noch im guten Glauben gehandelt;
ich kann ihn nicht einmal der Lüge zeihen. Der Schein iſt
gegen mich! rief Herbert außer ſich.
Frau Claudine legte die Hand auf ſeine Schulter.
Ruhig, mein Sohn; es iſt nicht ſo ſchlimm, wie es
ausſieht.
Aber Britta weicht mir aus, ich kann ihr nichts er=
klären!
Und ſelbſt, wenn ſie mich endlich anhört wird
ſie mir glauben, wenn ich meine Unſchuld beteuere?
Frau Claudine ſah nachdenklich vor ſich hin. Dann
ſagte ſie raſch:
Du ſollſt ihr Deine Unſchuld gar nicht beteuern. Ich
kann mich vielleicht beſſer in ihren Seelenzuſtand hinein=
denken
als Du. Da oben in Villa Claudine ſcheint ein
Bazillus zu wüten, der Mißtrauen erweckt. Ach, ich fühlte
mit dem armen Kinde!
Aber, was ſoll ich tun? rief Herbert erregt. Du kannſt
doch nicht wollen, daß ich zuſehe, wie ſie ſich aufreibt in
ihrem Schmerz. Du ahnſt ja nicht, wie es mich quält,
daß ſie mir ausweicht.
Die alte Dame ſah ihn ernſt an.
(Fortſetzung folgt.)

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[ ][  ][ ]

Bekanntmachung.

Nachſtehend bringen wir diejenigen Beſtimmungen zur öffentlichen Kenntnis, die
das Verhältnis der Landwirte zur Kriegsgetreide=Geſellſchaft regeln.
Darmſtadt, den 14. Mai 1915
(7586
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
J. V.: v. Starck.
1. Bezahlung des Getreides.
Die K.=G. zahlt ſtets auf Verlangen gegen Vorlegung des Duplikat= Fracht=
dtiefs
, alſo ſofort nach Abſendung des Getreides, einen Vorſchuß von
80 Prozent des Rechnungsbetrages. Die Kommiſſionäre der K.=G. ſind
gezwungen, dieſen Vorſchuß, den ſie von der K.=G. erhalten oder jedenfalls auf Wunſch
erhalten können, ihrerſeits den Landwirten zu zahlen.
Die K.=G. zahlt für die Reſtbeträge und für die ganzen Rechnungsbeträge, falls
kein Vorſchuß gefordert wurde, vom Tage der Abſtempelung des Frachtbriefs auf der
Empfangsſtation ab Zinſen in Höhe von 2 Prozent über Reichsbankſatz, zurzeit
alſo 7 Prozent. Die Auszahlung erfolgt von der K.=G. an die Kommiſſionäre. Na=
türlich
ſind dieſe verpflichtet, die Zinſen auch ihren Verkäufern zu vergüten, ſoweit ſie
nicht Barzahlung geleiſtet haben.
2. Beſchaffenheitsabnahme des Getreides.
Im Verhältnis zwiſchen der K.=G. und den Kommiſſionären erfolgt die Abnahme
am Beſtimmungsort. Zum vollen Höchſtpreis wird das Getreide abgenommen, ſoweit
es geſund und normal=trocken iſt, ſowie der Durchſchnittsbeſchaffenheit ſolchen Getreides
letzter Ernte der Abladegegend entſpricht. Soweit es dieſe Normalbeſchaffenheit nicht
hat, werden Abzüge am Höchſtpreis gemacht, über die mangels Einigung unter den
Beteiligten das Schiedsgericht entſcheidet. Das Schiedsgericht iſt aus Landwirten und
Kaufleuten zuſammengeſetzt. Die Entſcheidung erfolgt ſchnell und ſachgemäß. Der
Kommiſſionär ſowie auch der Landwirt ſollten ſtets ſofort das Schiedsgericht
anrufen, falls ihnen bei beſchädigtem Getreide nicht nach Eintreffen an der Beſtim=
mungsſtation
annehmbare Vergleichsvorſchläge unterbreitet werden. Es genügt eine
kurze Nachricht an den Geſchäftsführer des Schiedsgerichts Berlin NW., Prinz=Louis=
Ferdinandſtraße 1.
Den weſentlichſten Teil der Gefahr der Beſchädigung des
Getreides durch den Transport trägt die K.=G. ſelbſt, indem ſie allen
Schaden übernimmt, der dadurch entſteht, daß äußere, vom Abſender nicht zu ver=
meidende
Umſtände auf die Beſchaffenheit des Getreides eingewirkt haben.
Feuchtes nicht transportfähiges Getreide muß als ſolches von den Kommiſſionären
unter Muſterüberſendung der K.=G. angemeldet werden. Alsdann vermeidet die K.=G.
weitere Transportwege, ſie läßt das Getreide in die nächſtgelegene Mühle oder Trock=
nungsanſtalt
ſchicken. Die Landwirte ſollten ihrerſeits von den Kommiſſionären ver=
langen
, daß bei feuchtem Getreide hiernach verfahren wird. Auf direkte Nachricht an
die K.=G. wird dieſe das Nötige veranlaſſen.
Natürlich kann der Landwirt durch Vereinbarung mit dem Kommiſſionär ſich
ſofort bei der Ablieferung des Getreides über den endgültigen Preis mit dieſem ver=
ſtändigen
. Er iſt dann an dem weiteren Schickſal des Getreides nicht intereſſiert. Mit
Rückſicht auf die Vorſchußpflicht des Kommiſſionärs und auf die vorerwähnten Beſtim=
mungen
hat der Landwirt aber keine Veranlaſſung, ſich ſonderlich hohe und ihm unge=
recht
dünkende Abzüge gefallen zu laſſen. Er ſteht ſich erfahrungsgemäß am beſten,
wenn er die von der K.=G. im Vordruck gelieferten und von den Kommiſſionären vor=
zulegenden
Verträge mit den Bedingungen der K.=G. unterſchreibt, den Vorſchuß von
80 Prozent ſofort nach der Anlieferung an der Abgangsſtation verlangt und bei
Schwierigkeiten in der Abnahme das Schiedsgericht anruft.
3. Verzögerung der Abnahme.
Manchmal wird noch darüber geklagt, daß die Kommiſſionäre das beſchlagnahmte
Getreide nicht ſchnell genug abnehmen. Die K.=G. ſowie auch die ſelbſtwirtſchaftenden
Kommunalverbände ſind verpflichtet, die Einſammlung des Getreides nach Möglichkeit
zu beſchleunigen. Alle Kommiſſionäre ſind mit entſprechenden Weiſungen verſehen.
Die Landwirte ſollten, wenn ihre Erſuchen an die Kommiſſionäre um ſofortige Weg=
nahme
nicht zum Ziele führen, ſich beſchwerdeführend an die K.=G. oder an den Reichs=
kommiſſar
, Berlin C. 2, Finanzminiſterium, wenden,
4. Hinterkorn, Rücknahme von bemängeltem Getreide.
Die Anſchauungen über Hinterkorn ſind ſehr verſchieden. Die K.=G. iſt geſetzlich
gezwungen, miglichſt alles Getreide für die menſchliche Nahrung zu erfaſſen. Was im
Frieden als Hinterkorn verfüttert wird, muß in der jetzigen Zeit meiſt noch von brauch=
baren
Körnern durch Reinigung getrennt werden. Soweit die Landwirte hierzu nicht
in der Lage ſind, übernimmt die K.=G. das ſogenannte Hinterkorn gegen mäßigen Abzug
am Höchſtpreis. Nur Rückſtände, die gar keine oder faſt gar keine brauchbaren Körner
mehr enthalten, darf die K.=G. zum Verfüttern freigeben. Ebenſo wie die Landwirte
wegen der Höhe der Futterpreiſe begreiflicherweiſe den Wunſch hegen, mangelhaftes
Getreide als Viehfutter zurückzuerhalten, wünſchen die Mühlen das mangelhafte Ge=
treide
, das ſie in Friedenszeiten nicht zu verarbeiten pflegen, zurückzugeben. Die K.=G.
darf dieſen übereinſtimmenden Wünſchen nicht willfahren. Sorgfältige Bearbeitung,
Reinigung und künſtliche Trocknung retten in faſt allen Fällen das mangelhafte Getreide
ganz oder teilweiſe für die menſchliche Nahrung. Die K.=G. hat in dieſer Beziehung
bereits große und günſtige Erfahrungen geſammelt. Deshalb muß ſie in der Regel
davon abſehen, das beanſtandete Getreide zur Verfütterung freizugeben oder zurück=
zugeben
.
5. Beſchwerden.
Bei dem überaus großen Umfang ihrer Geſchäfte muß die K.=G. den direkten
Verkehr mit den vielen Taufenden der Getreiderzeuger ihren Kommiſſionären über=
laſſen
. Dieſe Kommiſſionäre teils landwirtſchaftliche Organiſationen, teils Händler,
ſind in allen Bezirken Deutſchlands von den Vorſtänden der Kommunalverbände der
K.=G. als vertrauenswürdig vorgeſchlagen. Es ſind meiſt diejenigen Perſonen oder
Genoſſenſchaften, mit denen die Landwirte auch im Frieden ihre Geſchäfte zu machen
pflegen. Die Schwierigkeiten der Organiſation der K.=G., die ohne Vorbereitung aus
der Not der Zeit mit größter Schnelligkeit geſchaffen wurde, ſind im weſentlichen über=
wunden
. Immerhin mögen hie und da noch Mißverſtändniſſe bei den Kommiſſionären
unterlaufen. In allen Fällen, in denen ſich die Landwirte durch das Verfahren der
Kommiſſionäre beſchwert fühlen, mögen ſie ſich vertrauensvoll an die Geſchäftsführung
der K.=G. wenden. Dieſe wird jeder berechtigten Beſchwerde alsbald abhelfen.

Bekanntmachung.

Unſere Bekanntmachung vom 16. März ds. Je. (Amtsverkündiaungsblatt Nr. 60
vom 18. März 1915) wird dahin ergänzt, daß mit Wirkung vom 17. Mai 1915 an von
den Bäckereien. und Verkaufsſtellen in den Landgemeinden des Kreiſes Darmſtadt
Schwarzbrot, Weißbrol, Schrotbrot, Schlüterbrot, Grahambrot, Brötchen, Zwieback,
Bretzeln und dergleichen, ſowie außer Roggen= und Weizenmehl auch die aus dieſem
Getreide hergeſtellten Griesmehle nur noch gegen Brotmarken abgegeben werden
(7585
dürfen.
Darmſtadt, den 14. Mai 1915.
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
J. V.: von Starck.

Beſentnachunge

Die Maul= und Klauenſeuche in Nieder=Beerbach iſt erloſchen. Unſere
Bekanntmachung vom 26. März d. Js. (Amtsverkündigungsblatt Nr. 68 vom 27. März)
wird daher, ſoweit Nieder=Beerbach in Betracht kommt, aufgehoben.
(7564
Darmſtadt, den 14. Mai 1915.
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
J. V.: Dr. Roeſener.

M
B. I. 622/4. 15. K. R. A.
Bekanntmachung

betreffend Vorratserhebung und Beſchlagnahme über Gummibereifung
für Kraftfahrzeuge jeder Art.
Nachſtehende Verfügung wird hiermit zur allgemeinen Kenntnis gebracht mit
dem Bemerken, daß jede Uebertretung (worunter auch verſpätete oder unvollſtändige
Meldung fällt), ſowie jedes Anreizen zur Uebertretung der erlaſſenen Vorſchrift, ſoweit
nicht nach den allgemeinen Strafgeſetzen höhere Strafen verwirkt ſind, nach § 9
Ziffer b‟ des Geſetzes über den Belagerungszuſtand vom 4. Juni 1651 (oder Artikel 4
Ziffer 2 des Bayeriſchen Geſetzes über den Kriegszuſtand vom 5. November 1912, oder
nach § 5 der Bekanntmachung über Voratserhebungen vom 2. Februar 1915) mit
Gefängnis bis zu ſechs Monaten oder mit Geldſtrafe bis zu 10000 Mark beſtraft
wird, und daß Vorräte, die verſchwiegen ſind, im Urteil für dem Staat verfallen
erklärt werden können.
§ 1.
Von der Verfügung betroffene Gegenſtände.
Meldepflichtig und beſchlagnahmt ſind vom feſtgeſetzten Meldetao ab bis auf
weiteres ſämtliche Vorräte an Gummi=Bereifung (Decken, Schläuchen, Vllreifen) für
Kraftfahrzeuge jeder Art, auch die an Fahrzeugen, für welche eine erneute Zulaſſungs=
beſcheinigung
nicht erteilt wird, befindliche Bereifung.
§ 2.
Von der Verkügung betroffene Perſonen, Geſellſchaften uſw.
Von dieſer Verfügung betroffen werden:
a) alle Perſonen und Firmen, die die in § 1 aufgeführten Gegenſtände in Ge=
wahrſam
haben ſoweit die Vorräte ſich in ihrem Gewahrſam und oder bei
ihnen unter Zollauſſicht befinden:
b) alle Kommunen, öffentlich techtliche Körperſchaften und Verbände, die ſolche
Gegenſtände in Gewahrſam haben, ſoweit die Vorräte ſich in ihrem Gewahr=
ſam
und oder bei ihnen unter Zollaufſicht beſinden:
c) alle Empfänger (in dem unter a und b bezeichneten Umfang) ſolcher Gegen=
ſtände
nach Empfang derſelben, falls die Gegenſtände ſich am Meldetage auf
dem Verſand befinden und nicht bei einem der unter a und b aufgeführten
Perſonen uſw. in Gewahrſam und oder unter Zollaufſicht gehalten werden.
Vorräte, die in fremden Speichern, Lagerräumen und anderen Aufbewahrungs=
räumen
lagern, ſind, falls der Verfügungsberechtigte ſeine Vorräte nicht unter eigenem
Verſchluß hält, von den Inhabern der betreffenden Aufbewahrungsräume zu melden
und gelten als bei dieſen beſchlagnahmt.
Sind in dem Bezirk der verfügenden Behörde Zweigſtellen vorhanden ( Zweig=
fabriken
, Filialen, Zweigbureaus u. dergl.), ſo iſt die Hauptſtelle zur Meldung und
zur Durchführung der Beſchlagnahmebeſtimmungen auch für dieſe Zweigſtellen ver=
pflichtet
. Die außerhalb des genannten Bezirks (in welchem ſich die Hauptſtelle be=
findet
) anſäſſigen Zweigſtellen werden einzeln betroffen.
§ 3.
Umfang der Meldung.
Die Meldepflicht umfaßt außer den Angaben über Vorratsmengen noch fol=
gende
Fragen:
a) wem die fremden Vorräte gehören, welche ſich im Gewahrſam des Auskunfts=
pflichtigen
befinden:
b) ob, und gegebenenfalls durch welche Stelle bereits von anderer Seite eine
Beſchlagnahme der Vorräte erfolgt iſt.
§ 4.
Inkrafttreten der Verfügung.
Für die Meldepflicht und die Beſchlagnahme iſt der am 17. Mai 1915 ( Melde=
tag
), mittags 12 Uhr, beſtehende tatſächliche Zuſtand maßgebend.
Für die in § 2 Abſatz e bezeichneten Gegenſtände treten Meldepflicht und Be=
ſchlagnahme
erſt mit dem Empfang oder der Einlagerung der Gegenſtände in Kraft.
Beſchlagnahmt ſind auch alle nach dem 17. Mai 1915 etwa hinzukommenden
Gegenſtände.
§ 5.
Beſchlagnahmebeſtimmungen.
Die beſchlagnahmten Reifen und Schläuche verbleiben in den Lagerräumen und
ſind tunlichſt geſondert aufzubewahren. Es iſt eine Lagerbuchführung, einzurichten
und den Polizei= und Militärbehörden jederzeit die Prüfung der Lager ſowie der
Lagerbuchführung zu geſtatten.
Meldebeſtimmungen.
Die Meldung hat unter Benutzung der amtlichen orange Meldeſcheine für Be=
reiſung
zu erfolgen, für die Vordrucke in den Poſtanſtalten 1. und 2. Klaſſe erhältlich ſind.
Dem Meldepflichtigen wird anheimgeſtellt, in der Meldung ein Angebot zum
Verkauf eines Teils ſeiner Beſtände oder der ganzen Beſtände zu machen.
Weitere Mitteilungen irgend welcher Art darf die Meldung nicht enthalten.
Die Meldezettel ſind an die Königliche Inſpektion, des Kraftfahrweſens Berlin=
Schöneberg, vorſchriftsmäßig ausgefüllt, bis zum 27. Mai 1915 einſchließlich einzureichen.
An dieſe Stelle ſind auch alle Anfragen zu richten, welche die vorliegende Ver=
fügung
betreffen.
Frankfurt (Main), den 16. Mai 1915.
(7583
Stellv. Generalkommando 18. Armeekorps.

Bekanntmachung.

Die nachſtehend abgedruckte Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 7. d. Mts.
bringen wir zur allgemeinen Kenntnis.
Darmſtadt, den 12. Mai 1915.
en
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
J. V.: von Starck.

Bekanntmachung.

Auf Grund des §2 der Kaiſerlichen Verordnungen vom 31. Juli 1914, betreffend
das Verbot 1. der Ausfuhr und Durchfuhr von Waffen, Munition, Pulver uſw.;
2. der Ausfuhr und Durchfuhr von Rohſtoffen, die bei der Herſtellung und dem Be=
triebe
von Gegenſtänden des Kriegsbedarfs zur Verwendung gelangen uſw., bringe
ich nachſtehendes zur öffentlichen Kenntnis:
Es iſt verboten die Ausfuhr und Durchfuhr von:
Gerbſäure (Tannin), Gallusſäure, Antimonſalzen und ſonſtigen Antimon=
verbindungen
, Ammoniakſalzen und ſonſtigen Ammoniakverbindungen, Chrom=
ſalzen
und ſonſtigen Chromverbindungen, gelbem Kaliblutlaugenſalz ( Ferro=
cyankalium
, Kaliumeiſencyanür, Kaliumferrochanid, gelbem blauſaurem Kali.
Kaliumferrocyanatum) der ſtatiſtiſchen Nr. 308 a, Florettſeide (Abfallſeide,
Schappeſeide), Seidenſtreich= (Bourette=) Garn, Tuſſahſeide, blaugemuſterten
Baumwollgeweben für Hoſen, Ton, roh und gebraunt, Abfallſcherben und
Bruch von Kapſeln und Oefen, Schamotteſteinbrocken, Oeltuch; Baumwoll=
geweben
der Zolltarifnummer 456, zugerichteten (appretierten), gebleichten.
Berlin, den 7. Rai 1915.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers:
Delbrück.

Amtliche Nachrichten des Großh. Polizeiamts Darmſtadt.
Polizeilich eingefangene und zugelaufene Hunde: In polizei=
licher
Verwahrung und Pflege in der Hofreite Beſſungerſtr. Nr. 56 be=
finden
ſich: 1 Pinſcher (zugelaufen). Die Hunde könſten von den
Eigentümern bei dem 5. Polizei=Revier ausgelöſt werden. Die Ver=
ſteigerung
der nicht ausgelöſten Hunde findet dortſelbſt jeden Werk=
(7567
tag, vormittags um 10 Uhr, ſtatt.

Die Verſtleigerungen im ſtädtiſchen Leihamt.
Nach Ausſchreibung der Pfänderverſteigerung laufen erfah=
rungsgemäß
ſtets mündliche oder ſchriftliche Geſuche von Leihamts=
ſchuldnern
ein, teils auf Verſchiebung der Verſteigerung ihrer Pfänder,
teils auf gänzliche Ausnahme derſelben von der Verſteigerung ge=
richtet
. Um den Schuldnern zweckloſe Gänge und Mühe zu erſparen,

eeene ee ee c
werden müſen, da die Leihamtsordnung, die Verſteigerung altlr
verfallenden Pfänder, deren Einlöſung oder Verlängerung innerhalb
des hierfür beſtimmten Zeitraums vor dem Verſteigerungstermin
nicht erfolgt, ausdrücklich vorſchreibt und Ausnahmen von dieſer
(7574gg
Vorſchrift nicht zuläſſig ſind.
Darmſtadt, den 12. Mai 1915.
Der Oberbürgermeiſter.
I. V.: Schmitt.

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[ ][  ]

Bekanntmachung.

(Stadtwald.)
Es iſt unterſagt, die Schneiſen und Waldwege des Darmſtädter
Stadtwaldes mit Motorrädern und Automobilen zu befahren. Ebenſo
iſt in dieſem Walde verboten das Bereiten der Fußwege, ſowie das
(7577a
Abreißen von grünen Zweigen.
Darmſtadt, den 12. Mai 1915.
Großherzogliche Oberförſterei Darmſtadt.
Kullmann.

Serſteigerung eines Faferochſen
und eines Faſerberg.

Es ſoll ein der Gemeinde Eberſtadt gehöriger abgängiger Faſel=
ochſe
, desgleichen ein Faſeleber auf dem Wege der öffentlichen Sul=
miſſion
verſteigert werden.
Angebote ſind bis längſtens
Donnerstag, den 20. Mai l. J., nachmittags 4 Uhr
verſchloſſen unter Angabe des Preiſes auf Lebendgewicht bei unter=
zeichneter
Stelle einzureichen.
Nähere Auskunft erteilt Faſelwärter Kölſch, Eberſtadt, Oden=
(7593
waldſtraße 19.
Eberſtadt, den 14. Mai 1915.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Eberſtadt.
Schäfer.

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Sonntag, den 16. Mai:
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Wie einſt im Mai.
Geſangspoſſe in 4 Bildern v. Rud.
Bernauer und Rud. Schanzer.
Muſik von Walter Kollo u. Willy
Bredſchneider.
Spielleiter: Bruno Harprecht.
Muſikal. Leiter: Erich Kleiber.
Nach d. 2. u. 3. Bilde läng. Pauſen.
Preiſe der Plätze (Kleine
Preiſe): Sperrſitz: 1.12. Reihe
3.70 , 13.19. Reihe 3.20 , Par=
terre
: 1.5. Reihe 2.35 , 6.8.
Reihe 1.95 , Proſzeniumsloge
5.20 , Mittelloge 5.20 , Bal=
konloge
4.70 , I. Rang 4.20 ,
II. Rang: 1.6. Reihe 2.15 ,
7. u. 8. Reihe 1.75 , I. Galerie
1.15 , II. Galerie 0.65 .
Kartenverkauf: an der Tages=
kaſſe
im Hoftheater von 10½—1½
Uhr und eine Stunde vor Beginn
der Vorſtellung.
Anfang 7 Uhr. Ende 10½ Uhr.
Vorverkauf für die Vorſtellungen:
Montag, 17. Mai: Außer Ab.
Volks= und Garniſons= Wohltätig=
keits
=Vorſtellung für die Penſions=
kaſſe
des Hoftheaters: Alt= Hei=
delberg‟
. Volks= Vorſtellungs=
preiſe
. Anfang 7 Uhr.
Dienstag, 18. Mai: 162. Ab.=Vſt.
A 41. Aleſſandro Stradella.
Hierauf: Die Puppenfee‟
Kleine Preiſe. Anfang 7 Uhr.
Mittwoch, 19. Mai: Außer Ab.
Erſtes Gaſtſpiel des k. k. Kammer=
ſängers
Leo Slezak. Der
Troubadour. Gew. Preiſe.
Anfang 7½ Uhr.
Aus dem Spielplan.
Donnerstag, 20. Mai: 163. Ab.=
Vorſtell. C 41. Schneider
Wibbel. Kleine Preiſe. An=
fang
7½ Uhr.
Freitag, 21. Mai: 164. Ab.=Vſt.
D 41. Zum erſten Male: Flo=
rian
Geyer Kleine Preiſe.
Anfang 7 Uhr.
Samstag, 22. Mai: Außer Ab.
2. (letztes) Gaſtſpiel Leo Slezak.
Die Jüdin‟ Gew. Preiſe.
Sonntag, 23. Mai. Geſchloſſen.

S
MZ
18
M


M


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