Darmstädter Tagblatt 1914


Montag, den 14. September.

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Das Amtsverkündigungsblatt des Großh. Kreisamts Darmſtadt wird Dienstags, Donnerstags und Samstags nach Bedarf beigefügt.

Nr. 253.

Montag, den 14. September.

1914.

Zeichnet die Kriegsanleihen!

Der Krieg.
Die Kriegsanleihen. Der neue Sieg in Oſtpreußen. Evangeliſche Militärſeelſorge. Die Aufhebung der türkiſchen
Kapitulationen. Die Schlacht bei Lemberg.

Die Kriegsanleihen.

D Von ſachkundiger Seite wird uns geſchrieben:
An alle Beſitzenden ergeht die Aufforderung zur Zeich=
nung
auf die Kriegsanleihen des Deutſchen Reiches. Ob
kleine oder große Sparer, ob Vereine oder Aktiengeſell=
ſchaften
, alle haben die vaterländiſche Pflicht,
einen Teil ihres Vermögens zum Erwerb der 5 igen
Kriegsanleihen zu verwenden. Der Ausgabe=
kurs
beträgt nur 97,50 Prozent. Die Zahlung iſt mit
40 Prozent bis 5. Oktober, mit 30 Prozent bis 26. Oktober
und mit 27½ Prozent bis 25. November zu leiſten. An=
meldungen
zur Zeichnung nehmen alle Banken, Spar=
kaſſen
, Reichsbankſtellen und Lebensverſicherungsgeſell=
ſchaften
entgegen. Wer Schatzanweiſungen erwirbt, er=
hält
ſein Geld in vier, ſpäteſtens in ſechs Jahren zu 100
Prozent, alſo mit einem Gewinn von 2½ Prozent zurück.
Er erzielt mithin in Wirklichkeit eine Verzinſung von
5¾ Prozent.
Eine Deutſche Reichs=Anleihe iſt trotz der
Kriegszeit zu den ſicherſten Wertpapieren der ganzen Welt
zu rechnen. Sämtliche deutſchen Bundesſtaaten mit ihrem
geſamten Vermögen und der vereinigten Steuerkraft ihrer
Bürger ſind für die Sicherheit dieſer Papiere haftbar.
Das in Eiſenbahnen, Domänen und Bergwerken ange=
legte
Vermögen des Preußiſchen Staates allein iſt auf
nahern 10 Milliarden zu beziſſern.
Der Erwerb dieſer Anleihen iſt mithin
kein Opfer, das den Beſitzenden zugemu=
tet
, ſondern ein ausgezeichnetes Geſchäft,
das ihnen dargeboten wird.
Wer ſein Geld auf der Sparkaſſe hat, empfängt es
zum Zwecke der Zeichnung von Kriegsanleihe ohne Kün=
digung
zurück.
* Ein winziges und vorübergehendes Opfer würde nur
dann vorliegen, wenn jemand das Papier erwirbt und
die erforderlichen Mittel hierfür durch Beleihung von
Vermögenswerten bei der Reichsdarlehnskaſſe ſich be=
ſchaffen
muß. Hier zahlt er zurzeit 6 Prozent Zinſen für
das Darlehn während er für die Reichsanleihe nur 5½
Prozent empfängt. Er würde mithin bei je 10 000 Mark
eine jährliche Einbuße von 37½ Mark erleiden, falls der
Leihzins der Kaſſe nicht vorher herabgeſetzt wird und der
Beſitzer innerhalb Jahresfriſt nicht zur Rückzahlung des
Darlehns imſtande ſein ſollte.
Angeſichts der gewaltigen Opfer aber, welche Mil=
lionen
unſerer Brüder durch Einſetzung von Leben und
Geſundheit auf dem Schlachtfelde bringen, erſcheint es faſt
wie eine Läſterung, in dem vorliegenden Falle den Aus=
druck
Opfer zu gebrauchen.
Wir wollen und wir müſſen ſiegen.
Und dazu genügt nicht allein die Tüchtigkeit unſerer
Heerführer, der Mut und die Ausdauer unſerer wackeren
Krieger, die Ueberlegenheit unſerer Waffentechnik ſon=
dern
wir bedürfen dazu ebenſo ſehr des Geldes. Kein
Vaterlandsfreund aber wird ſich weigern, für ſeinen Teil
dem Reiche in dieſer Schickſalsſtunde die notwendigen
Mittel unter ſo überaus günſtigen Bedingungen leihweiſe
zur Verfügung zu ſtellen.
Unſere Feinde wollen uns aushungern. Wir könnten
ihnen keinen größeren Triumph bereiten, als durch einen
Mißerfolg der Kriegsanleihe den Anſchein finanzieller
Schwäche zu erwecken. Darum bedeutet ein Er=
folg
der Anleihe mehr als eine gewonnene
Schlacht. Dank der Stärke des Reiches und ſeiner
Waffen erfreut ſich die Mehrzahl der Beſitzenden der Ge=
währleiſtung
ihres Gutes, der ruhigen Sicherheit ihres
Lebens. An ihnen liegt es nun, auch die finanzielle Schlacht
zu gewinnen und damit an ihrem Teil beizutragen zum
glücklichen Ausgang dieſes Krieges, von dem das Sein
oder Nichtſein der Geſamtheit, das Wohl und Wehe jedes
Einzelnen und ganz beſonders der Beſitzenden abhängt.
* Berlin, 12. Sept. Der Reichsanzeiger ver=
öffentlicht
in einer Sonderausgabe folgenden Runderlaß
des Reichsverſicherungsamtes an ſämtliche ihm
unterſtellten Berufsgenoſſenſchaften wegen der
Zeichnung der Kriegsanleihen: Auf die Anfrage aus der
Mitte der Berufsgenoſſenſchaften erklärt das Reichsver=
ſicherungsamt
, daß es von aufſichtswegen keine Bedenken
dagegen erheben will, wenn die Vorſtände nach pflicht=
mäßiger
Prüfung insbeſondere der Vermögenslage ihrer
Berufsgenoſſenſchaft teils die Rücklage (Reſerveſonds)
lombardieren und den Erlös zur Zeichnung der Kriegs=
anleihen
verwenden.
* Berlin, 12. Sept. Der Vorſitzende des Deut=
ſchen
Handelstages erläßt an ſeine Mitglieder fol=
gandes
Rundſchreiben: Die Kriegsanleihe iſt zur

Zeichnung aufgelegt. Draußen im Felde haben unſere
Heere glänzende Erfolge gehabt, und wir dürfen die feſte
Zuverſicht hegen, daß ſie den endgültigen Sieg erringen
werden. Dazu ſind aber noch große finanzielle Mittel
erforderlich. Jetzt iſt es an der Zeit, daß dieſenigen, die
ſolche Mittel beſitzen, ſie dem Reiche zur Verfügung ſtellen.
Hier gilt es vaterländiſche Geſinnung zu betätigen, hier
gilt es ſeine Pflicht zu tun. Induſtrie und Handel wer=
den
ſich den Ruhm nicht nehmen laſſen wollen, in her=
vorragendem
Maße an der Aufbringung der Mittel be=
teiligt
zu ſein. Wir bitten unſere Mitglieder, unverzüg=
lich
durch die Preſſe oder auf anderem Wege Aufruſe zu
erlaſſen, um die Induſtriellen und Kaufleute darauf hin=
zuweiſen
, was man von ihnen erwartet.

Der neue Sieg in Oſtpreußen.

* Großes Hauptquartier, 12. Sept. (W.T. B.
Amtlich.) Die Armee des Generaloberſten von Hindenburg
hat die ruſſiſche Armee in Oſtpreußen nach
mehrtägigen Kämpfen vollſtändig geſchlagen.
Der Rückzug der Ruſſen iſt zur Flucht ge=
worden
. Generaloberſt von Hindenburg hat in der
Verfolgung bereits die Grenze überſchritten und bisher
10000 unverwundete Gefangene und etwa 80
Geſchütze gemeldet. Außerdem ſind Maſchinengewehre,
Flugzeuge und Fahrzeuge aller Art erbeutet worden. Die
Kriegsbeute ſteigert ſich fortgeſetzt. Der Generalquartier=
meiſter
: v. Stein.

Evangeliſche Militärſeelſorge.

* Berlin, 12. Sept. Unter der Ueberſchrift: Evan=
geliſche
Militärſeelſorge bringt eine Zeitung vom 9. Sep=
tember
einen längeren Artikel aus Bonn. Er bewundert
den Aufmarſch unſerer Armee, da habe alles geklappt. auf
dem Gebiete der evangeliſchen Militärfür=
ſorge
aber ſcheine ihm nicht alles zu ſtimmen. Katho=
liſche
Geiſtliche gebe es im Felde genug, aber nicht evan=
geliſche
. Daß hier rechtzeitig Sorge getragen ſei, müſſe
er mit einem Fragezeichen verſehen. Beweis: Der Brief
eines jungen Geiſtlichen, der, weil er nicht die Qualifi=
kation
zum Offizier hat, den Feldzug als Lazarettgehilfe
mitmacht‟. Dieſer geiſtliche Lazarettgehilfe erzählt von
den Lazaretten in Belgien, in denen er zwar evangeliſche
Verwundete in Menge, aber keine evangeliſchen Paſtoren
gefunden habe und ſchreibt: Wenn doch endlich etwas ge=
ſchehe!
Die katholiſche Kirche hat beſſer aufgepaßt, aber
wir haben nichts getan!‟ Der Schreiber des Artikels
ſügt hinzu: Dieſe Briefauszüge geben Kunde von einem
Notſchrei, der nicht ungehört verhallen darf. Hoffentlich
tragen dieſe Zeilen dazu bei, daß nun ſchnell etwas ge=
ſchieht
, damit unſere Kirche nicht hinter der katholiſchen
einherhinkt. Wahrlich, es iſt die höchſte Zeit. Das ſind
die Klagen derer die, anſtatt an der zuſtändigen Stelle
zu fragen: Wie ſteht es damit? gleich einen Entrüſtungs=
artikel
in die Zeitung ſetzen laſſen, der böſes Blut macht
und in der Regel viel Irriges enthält. Hätte der pſeudo=
nyme
Verfaſſer, was für einen ehemaligen Militärgeiſt=
lichen
das Nächſtliegende geweſen wäre, bei dem Kriegs=
miniſterium
oder bei dem Feldprobſt nachgefragt, ſo wäre
er ſachlich beſchieden worden. Wie im Jahre 1870, ſo iſt
auch dieſesmal Vorſorge getroffen worden, daß neben den
ctatsmäßigen Felddiviſionspfarrern die gleiche Zahl
außeretatsmäßiger Feldgeiſtlicher ausrückt. Das iſt nicht
erſt, wie etliche Zeitungen irrtümlich berichten, durch einen
Brief an die Kaiſerin veranlaßt worden, ſondern aus
eigenſter Initiative der zuſtändigen Stelle heraus. Die
vermeintlichen Zionswächter mögen ſich beruhigen: Die
Leitung der evangeliſchen Militärfürſorge bedarf keiner
unberufenen Ratgeber. Feldprobſt D. Wölfing.

Der Krieg zur Sce.

* Stockholm, 11. Sept. (Ctr. Frkft.) Der deutſche
Kreuzer Karlsruhe hat bei Barbados den engli=
ſchen
Dampfer Bowes Caſtle verſenkt.
* London, 12. Sept. (Ctr. Bln.) Die Admirali=
tät
gibt bekannt, daß die Engländer am 10. September
Herbertshöhe im Bismarck=Archipel beſetzt
haben. Die Deutſchen leiſteten Widerſtand, worauf
die Engländer die Station für drahtloſe Telegraphie an=
griſfen
und vernichteten. Die Engländer verloren
ihren zweiten Kommandanten; auch zwei Matrofen
tot, drei verwundet. Zwei deutſche Offizier=
Reſerveoffiziere und dreißig Eingeborene wi.

gen genommen. Auf deutſcher Seite gab es keine Toten
oder Verwundeten. (Frkft. Ztg.)

Der Degen des Kommandanten.

* Der Berl. Lokalanz. berichtet: Der Kronprinz
hatte bei der Einnahme der Feſtung Longwy dem
Kommandanten für die tapfere Verteidigung des Platzes
den Degen belaſſen. Wie nun verlautet, aab der Kron=
prinz
Befehl, dem Kommandanten den Degen wie=
der
abzunehmen, nachdem ſich herausgeſtellt hat,
daß bei der Verteidigung von Longwy Dum=Dum
Geſchoſſe verwendet worden ſind. Der Kommandeur
will von dem Vorhandenſein der Dum=Dum=Geſchoſſe
nichts gewußt haben.

Läſtige Bundesgenoſſen.

* Berlin, 12. Sept. Aus Rotterdam wird berich=
tet
: Daily News melden, daß in den nächſten zehn Ta=
gen
wiederum 60000 Flüchtlinge in England
erwartet werden. Von der engliſchen Regierung werden
im Zuſammenarbeiten mit privaten Komitees Maßnah=
men
zu ihrem Empfange getroffen.

Die Aufhebung der fürkiſchen Kapitulationen.

* Wien, 11. Sept. In der Beſprechung der Auf=
hebung
der Kapitulationen durch die Türkei wei=
ſen
die Blätter darauf hin, daß Oeſterreich=Ungarn
der Türkei die Zulaſſung dieſer Aufhebung bereits in Ver=
handlungen
nach der Angliederung zugeſtanden habe für
den Fall der Einwilligung der übrigen Mächte. Sie be=
tonen
, daß es der Türkei mit dieſer Maßregel, deren Zeit=
punkt
angeſichts der augenblicklichen Verwickelung der
Großmächte gut gewählt ſei, vorwiegend um Beſeitigung
der Steuerfreiheit der Ausländer und der Bindung der
Erhöhung der Zölle an die Zuſtimmung der Mächte zu
tun iſt, und daß dieſe Maßregel in erſter Linie Frankreich
und England trifft. Von dieſen beiden Mächten erwarten
ſie daher heftigen Widerſpruch dagegen.
* Berlin, 12. Sept. (Ctr. Bln.) Aus Rom wird
der Voſſ. Ztg. gemeldet: Man glaubt hier, daß die Bot=
ſchafter
in Konſtantinopel einen Proteſt gegen
die einſeitige Aufhebung der Kapitulationen durch die Tür=
kei
vorbereiten. Italieniſche Blätter ſagen, die Tärkei
habe die Hoffnung, ihre Maßregel zu verwirklichen, auf
die gegenwärtige europäiſche Lage geſetzt. Sie täuſche ſich
aber, denn die Großmächte, unter ihnen das neutrale Ita=
lien
, würden auch während des Krieges für die Intereſſen
ihrer Schutzbefohlenen nicht minder nachdrücklich eintreten,
als bisher. Die von gewiſſer Seite verbreitete Fabel, daß
Deutſchland hinter dem Vorgehen der Pforte ſtecke, iſt keiner
Widerlegung wert. Von unterichteter Seite wird mit=
geteilt
, daß wegen der Aufhebung der Kapitulationen durch
die Türkei die Botſchafter der bei der Pforte akkreditierten
Mächte eine übereinſtimmende Note überreichten, in der
auf die bevorſtehenden Verträge über die Kapitulationen
hingewieſen wird und Verhandlungen gewünſcht werden.
* Konſtantinopel, 12. Sept. Auf dem Sultan=
Achmed=Platz fand geſtern eine große Volksver=
ſammlung
ſtatt, an der Senatoren, Deputierte und
eine große Menſchenmenge teilnahmen, und bei der zahl=
reiche
Reden gehalten wurden. Der Deputierte Huſſein
Dſchahid erklärte die Aufhebung der Kapitula=
tionen
ſei keine Demonſtration gegen die Ausländer,
ſondern habe einzig und allein den Zweck, das Ottomanen=
tum
vor Sklaverei und Unterdrückung zu retten. Sie lege
allen die Pflicht auf, beſtrebt zu ſein, künftighin den Aus=
ländern
keinen Grund zu Beſchwerden zu geben. Die
Menge zog dann vor die Pforte und überreichte dem Groß=
weſir
eine Reſolution, in der die Regierung beglückwünſcht
wird. Der Großweſir ſprach ſeinen Dank aus und
verſicherte, das Kabinett werde bis zum Ende in der Er=
füllung
ſeiner Pflicht verharren. Sodann zogen die Ma=
nifeſtanten
vor das Palais Dolmabagdſche wo ein Red=
ner
eine Anſprache hielt. Der Sultan ließ ſeine Genug=
tuung
ausdrücken. Außer großen Verſammlungen in
Stambul fanden nachmittags auch Kundgebungen von
Volksgruppen ſtatt, die ſingend und nach Trommelſchlag
tanzend die Straßen durchzogen. Die Kundgebungen ſetz=
ten
ſich bis in die Nachtſtunden fort. Abends gab der
Stadtpräfekt ein großes Bankett, dem die Miniſter und
andere hervorragende Perſönlichkeiten beiwohnten.
(Unter Kapitulationen verſteht man gewiſſe zwiſchen
der Türkei und den chriſtlichen Staaten abgeſchloſſene Ver=
träge
, die den letzteren das Recht gewähren, die Ge=
richtsbarkeit
über ihre Staatsangehörigen die Aufſicht
ber deren Unterrichtsanſtalten uſw. ſelbſtändig auszu=
Ferner ihren Staatsangehörigen Steuerfreiheit und
1 Staaten eigenen Poſtbetrieb gewährleiſten.)

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Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 14. September 1914.

Nummer 950.

Eine Erklärung des Reichs=
kanzlers
.

Kopenhagen, 13. Sept. Ritzaus Bureau hat
vom Reichskanzler v. Bethmann Hollweg nach=
ſtehende
Mitteilung erhalten:
Der engliſche Premierminiſter hat in der Guildhall in
eine Rede für England die Rolle des Beſchützers der
kleineren, ſchwächeren Staaten in Anſpruch genommen,
und von der Neutralität Belgiens, Hollands und der
Schweiz geſprochen, die von Deutſchland gefährdet ſei. Es
iſt richtig, wir haben Belgiens Neutralität verletzt, weil
bittere Not uns zwang, aber wir hatten Belgien volle In=
tegrität
und Schadloshaltung zugeſagt, wenn es mit dieſer
Notlage rechnen wollte. Belgien wäre ebenſo wenig etwas
geſchehen wie zum Beiſpiel Luxemburg. Hätte England
als Beſchützer der ſchwächeren Staaten Belgien unend=
liches
Leid erſparen wollen, dann hätte es ihm den Rat
erteilen müſſen, unſer Anerbieten anzunehmen. Geſchützt
hat es unſeres Wiſſens Belgien nicht. Iſt alſo England
wirklich ein ſo felbſtloſer Beſchützer? Wir wiſſen genau,
daß der franzöſiſche Kriegsplan den Durchmarſch durch
Belgien zum Angriff auf die unbeſchützten Rheinlande
vorſah. Gibt es jemand, der glaubt, England würde dann
zum Schutze der belgiſchen Freiheit gegen Frankreich ein=
geſchritten
ſein? Die Neutralität Hollands und der
Schweiz haben wir ſtreng reſpektiert und auch die geringſte
Grenzüberſchreitung des niederländiſchen Limburg pein=
lichſt
vermieden.
Es iſt auffällig, daß Asquith nur Belgien, Holland
und die Schweiz, nicht aber auch die ſkandinaviſchen Län=
der
erwähnt. Die Schweiz mag er genannt haben im Hin=
blick
auf Frankreich. Holland und Belgien aber liegen
England gegenüber an der anderen Küſte des Kanals.
Darum iſt England um die Neutralität dieſer Länder ſo
beſorgt. Warum ſchweigt Asquith von den ſkandinaviſchen
Reichen? Vielleicht, weil er weiß, daß es uns nicht in
den Sinn kommt, die Neutralität dieſer Länder anzu=
taſten
? Oder ſollte England etwa für einen Vorſtoß in
die Oſtſee oder für die Kriegführung Rußlands die däniſche
Neutralität doch nicht für ein noli me tangere halten?
Asquith will glauben machen, daß der Kampf Eng=
lands
gegen uns ein Kampf der Freiheit gegen die Ge=
walt
ſei. An dieſe Ausdrucksweiſe iſt die Welt gewöhnt.
Im Namen der Freiheit hat England mit Gewalt und
einer Politik des rückſichtsloſeſten Egoismus ſein gewal=
tiges
Kolonialreich begründet, im Namen der Freiheit
hat es noch um die Wende dieſes Jahrhunderts die Selb=
ſtändigkeit
der Burenrepubliken vernichtet, im Namen der
Freiheit behandelt es jetzt Aegypten unter Verletzung
internationaler Verträge und eines feierlich gegebenen
Verſprechens als engliſche Kolonie. Im Namen der
Freiheit verliert einer der malayiſchen Schutzſtaaten nach
dem andern ſeine Selbſtändigkeit zugunſten Englands.
Im Namen der Freiheit ſucht es durch Zerſchneidung der
deutſchen Kabel zu verhindern, daß die Wahrheit in die
Welt dringt.
Der engliſche Miniſterpräſident irrt ſich. Seit Eng=
land
ſich mit Rußland und Japan gegen Deutſchland ver=
band
, hat es in einer in der Geſchichte der Welt einzig
daſtehenden Verblendung die Ziviliſation verraten und
die Sache der Freiheit der europäiſchen Völker und Staa=
ten
dem deutſchen Schwert zur Wahrung übertragen.
gez. von Bethmann Hollweg.

Die Schlacht bei Lemberg.

* Wien, 13. Sept. (W. T. B.) Amtlich
wird bekannt gegeben: In der Schlacht bei
Lemberg gelang es unſeren an und ſüdlich
der Grodecker Chauſſee eingeſetzten Streit=
kräften
, den Feind nach 5tägigem harten
Ringen zurückzudrängen, an 10000
Gefangene zu machen und zahlreiche
Geſchütze zu erbeuten.
Dieſer Erfolg konnte jedoch nicht voll aus=
genutzt
werden, da unſer Nordflügel bei
Ravaruska von großer Uebermacht bedroht
wurde und überdies neue ruſſiſche Kräfte ſo=
wohl
gegen die Armee Dankl als auch in dem
Raum zwiſchen dieſer Armee und dem Schlacht=
feld
bei Lemberg vordrangen.
Angeſichts der ſehr bedeutenden Ueberlegen=
heit
des Feindes war es geboten, unſere ſchon

ſeit 3 Wochen faſt ununterbrochen heldenmütig
kämpfende Armee in einem guten Abſchnitt zu
verſammeln und für weitere Operationen be=
reitzuſtellen
.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalſtabs
v. Höfer, Generalmajor.

Letzte Meldungen von den
Kriegsſchauplätzen.

* Berlin, 13. Sept. (W. T. B. Amtlich.) Auf dem
weſtlichen Kriegsſchauplatz haben die Operatio=
nen
, über die Einzelheiten noch nicht veröffentlicht wer=
den
können, zu einer neuen Schlachtgeführt, die
günſtig ſteht. Die von den Feinden mit allen Mitteln
verbreiteten, für uns ungünſtigen Nachrichten ſind falſch.
In Belgien iſt heute ein Ausfall aus Ant=
werpen
, den 3 belgiſche Diviſionen unternahmen,
zurückgeſchlagen worden.
In Oſtpreußen iſt die Lage hervorragend gut. Die
ruſſiſche Armee flieht in voller Auf=
löſung
. Bisher hat ſie mindeſtens 150 Geſchütze und
2030000 unverwundete Gefangene verloren.
Ueber Kämpfe in den Kolonien liegen wieder
verſchiedene engliſche Meldungen vor. In Kamerun
ſind drei engliſche Offiziere gefallen und mehrere Mann=
ſchaften
verwundet worden. Einzelheiten werden über
dieſe Kämpfe merkwürdigerweiſe nicht berichtet. Aus den
Namen der gefallenen Offiziere iſt zu erſehen, daß Trup=
pen
aus Nigera an dem Kampfe teilgenommen haben.
Aus der Südſee meldet der Kommandeur der auſtra=
liſchen
Marine, daß am letzten Freitag Herbertshöhe im
Bismarck=Archipel von den Engländern beſetzt worden iſt.
Die funkentelegraphiſche Station wurde zerſtört. Aus den
engliſchen Berichten iſt zu entnehmen, daß die kleine An=
zahl
der dortigen Deutſchen heldenmütigen Widerſtand ge=
leiſtet
hat.
* Peſt, 13. Sept. Der Stadtrat von Semlin hat
an die Redaktion des Blattes Srizemski novine folgendes
Telegramm gerichtet: Nach einer Mitteilung des hieſigen
Militärkommandos iſt jede Gefahr für die Stadt Sem=
lin
geſchwunden, nachdem unſere Truppen die Serben
auf der ganzen Linie über die Sawe zurückgedrängt
haben.
Darmſtadt, 14. September.
Großh. Hoftheater. Heute Montag, vor= und nach=
mittags
, werden an der Hoftheater=Hauptkaſſe die An=
meldungen
der neu hinzutretenden Abon=
nenten
entgegengenommen, für die noch eine Anzahl
vorzüglicher Plätze der verſchiedenen Kategorien verfüg=
bar
iſt.

Statt jeder beſonderen Anzeige.
Heute entſchlief ſanft nach langen ſchweren
Leiden
Freiin
Adelheid von Senarclens=Grauch
Tochter des verſtorbenen Freiherrn
Adolph von Henarclens-Grancy
Großherzogl. Heſſ. Geſandten und Bevoll-
mächtigten
Miniſters in Paris.

Die Beerdigung findet Dienstag, den
15. ds. Mts., nachmittags halb 3 Uhr, vom
Eliſabethenſtift aus ſtatt. (18620

Am 28. Auguſt erlitt unſer lieber Sohn
(*4963
und Bruder
Heinrich Jockel
Lehramtsaſſeſſor und Leutnant d. Reſ.
den Heldentod fürs Vaterland.
In tiefer Trauer:
Rechnungsrat Jockel und Frau,
Elſe Jockel,
Johanna Jockel,
Margarete Jockel.
Darmſtadt, den 12. September 1914.

Am 22. Auguſt erlitt den Heldentod fürs
Vaterland mein innigſtgeliebter, treuer Mann,
unſer guter Vater, Sohn, Bruder, Schwager,
(*4964
Schwiegerſohn und Onkel
Torenz Nehrwein
Im Namen der trauernden Hinterbliebenen:
Tilly Nehrwein geb. Wolf.
Darmſtadt, den 13. September 1914.

Am 22. Auguſt erlitt unſer guter, unver=
geßlicher
, hoffnungsvoller Sohn, Bruder,
(18621
Schwager und Kuſin
Adam Kaffenberger=
im
kaum vollendeten 27. Lebensjahre den
Heldentod fürs Vaterland.
In tiefem Schmerz:
Familie Konrad Keffenberger
Jakob Bruſt.
Höllerbach (Poſt Brensbach), Darmſtadt,
13. September 1914.

Verſteigerungskalender.

Dienstag, 15. September.
Obſt=Verſteigerung um 2½ Uhr an der Straße
Ober=Ramſtadt-Tannenbaum (beginnend bei Ober=
Ramſtadt).

Druck und Verlag: L. C. Wittich’ſche Hofbuchdruckerei.
Verantwortlich für den politiſchen Teil, für Feuilleton,
Reich und Ausland: Dr. Otto Waldaeſtel; für den übrigen
redaktionellen Teil: Kurt Mitſching; für den Anzeigen=
teil
, Anzeigenbeilagen und Mitteilungen aus dem Ge=
ſchäftsleben
: Paul Lange, ſämtlich in Darmſtadt. Für
den redaktionellen Teil beſtimmte Mitteilungen ſind an
die Redaktion des Tagblatts zu adreſſieren. Etwaige
Honorarforderungen ſind beizufügen; nachträgliche wer=
den
nicht berückſichtigt. Unverlangte Manuſkripte werden
nicht zurückgeſandt.

Aufruf!

An Seine Magnifizenz den Rektor unſerer Landesuniverſität
Gießen, Herrn Profeſſor Dr. Eck, wurde die Bitte gerichtet, in unſerer
Stadt zu ſprechen aus Anlaß des Kampfes, der unſerem Volke auf=
gezwungen
iſt und ausgetragen wird in heldenhafter Begeiſterung
für des Vaterlandes Größe, des Volkes Freiheit und ſeine Kultur.
Herrn Profeſſor Dr. Eck, der uns aus ſeiner Darmſtädter Zeit
mit der ihm eignen erhebenden Beredſamkeit wohl vertraut iſt, gebührt
herzlicher Dank dafür, daß er ſich bereit erklärt hat, der Bitte zu
entſprechen.
Wir wollen uns zur ernſten Feierſtunde zuſammenfinden am
Dienstag, den 15. September lfd. Js., abends 6 Uhr,
im Freien auf dem Gelände der Spielplätze am Sporthaus,
Heinrichwingertsweg in der Nähe des Böllenfalltors.
Die Sportvereine haben ihr Beſitztum in dankenswerter Weiſe zu Ver=
fügung
geſtellt. Die Eingänge zu dem Platz befinden ſich am Heinrich=
wingertswege
. Es wird gebeten, vor 6 Uhr ſich auf dem Platz ein=
zufinden
; die Verſammlung ſoll pünklich beginnen. Auf dem Platz=
gelände
können Stühle leider nicht zur Verfügung geſtellt werden, es
wird daher das Mitbringen von Klappſtühlen anheimgeſtellt.
Die Straßenbahn wird, ſoweit möglich, einen verſtärkten Wagen=
verkehr
einrichten.
Mit Rückſicht auf den Beſuch und den zu erwartenden Verkehr
bitte ich dringend, die von Großh. Polizeiamt zu treffenden Maßnahmen
für die Aufrechterhaltung der Ordnung, der Sicherheit und des Wagen=
verkehrs
zu befolgen.
Bei ungünſtiger Witterung findet die Verſammlung am
gleichen Tage, abends 8 Uhr, in der Turnhalle am Woogsplatz
ſtatt. Ich lade Darmſtadts Einwohner zu dieſer Feier herzlichſt ein
und hoffe, daß es unſeren Kriegern, insbeſondere auch den hinaus=
ziehenden
jugendlichen Freiwilligen möglich iſt, vertreten zu ſein.
Darmſtadt, den 9. September 1914.
Der Oberbürgermeiſter:
Dr. Gläſſing.
(18460dgo

Aeltere nußb. Bettſtelle, m.
gut. Sprungr., zuſ. 9 Mk. faſt
neue Strohmatratze (rein) 4 Mi
Näheres Expedition. (*494

Jeder Stuhl
wird zu 1 bis 1.20 Mk. geflochten.
Schmidt, Rundeturmſtr. 2. Poſt=
karte
genügt.
(*4950

Bekanntmachung.

Der Herr Oberbürgermeiſter hat in einem Aufruf vom
9. lfd. Mts. die Einwohner Darmſtadts zu einer
Verſammlung auf dem Gelände der Spiel=
plätze
am Sporthaus Heinrich=Wingertsweg
in der Nähe des Böllenfalltors
eingeladen.
Für dieſe Veranſtaltung werden folgende Anordnungen ge=
troffen

1. Der Zugang zu den Spielplätzen erfolgt von der Nieder=
Ramſtädter Straße aus durch den Kirchweg (Halteſtelle der
Straßenbahn: Heinrich=Wingertsweg).
2. Um 6 Uhr werden die Zugänge geſchloſſen.
3. Die Zufahrt mit Wagen oder Autos erfolgt durch die
Nieder=Ramſtädter Straße. Am Schnittpunkt dieſer Straße
mit dem Heinrich=Wingertsweg und Kirchweg müſſen die
Fahrzeuge verlaſſen werden, die Einfahrt in den Kirchweg
vor das Sporthaus ſelbſt iſt nicht geſtattet.
4. Die Wagen und Autos fahren ab durch den Heinrich=
Wingertsweg oder nach dem Böllenfalltor zu und von dort
aus entweder rechts über Goethe= und Klappacherſtraße oder
links über den Böllenfalltorweg nach der Stadt.
5. Diejenigen Wagen und Autos, die bis zum Schluß der Ver=
ſammlung
warten ſollen, fahren über das Böllenfalltor
durch den Böllenfalltorweg an die jenſeitige öſtliche Ab=
grenzung
der Spielplätze und nehmen dort hintereinander
Aufſtellung. Die Abfahrt dieſer Wagen erfolgt vom Kirch=
weg
aus am Waldrand entlang oder über den Böllenfall=
torweg
nach der Stadt.
Wir bitten den Anordnungen des polizeilichen und ſonſtigen
Aufſichtsperſonals bei der An= und Abfahrt ſowohl wie auf
den Spielplätzen unbedingt Folge zu leiſten, damit ein würdiger
und ungeſtörter Verlauf der Veranſtaltung geſichert iſt.
Darmſtadt, den 12. September 1914.

Großherzogliches Polizeiamt.
18619oi)
Gennes.

rößeres Quantum Zwetſchen,
direkt vom Baum, abzugeben
Erbacherſtr. 46, b. Roß. (18386a

Frdl. möbl. Wohn= u. Schlafz. an
beſſ. ält. Herrn zu verm. Monatl.
26 Mk. Näh. i. d. Geſchäftsſt. (*4949

Gute Eßbirnen, Pfund 8 Pfg.
Gebr. Zwetſchen, Pfd. 4 u. 5 Pfg.
Kochäpfel, Pfd. 35 Pf.
Eßäpſel, Pfd. 8 Pfg.
Tafelbirnen, Pfd. 10 u. 12 Pfg.
empfiehlt (*4948om
Pitthan, Carlshof.

Zu Kriegszwecken!
werden zu nachſtehenden Preiſen
gut u. raſch auf der Maſchine ge=
ſtrickt
: Socken das Paar 50 Pfg.
Strümpfe 65 Pfg. Sockenlängen
d. Paar 15 Pfg. Strumpflängen
30 Pfg. Füße 35 Pfg. (*4906
Marie Frank, Karlſtraße 31.

335
Hahle hochſte Preiſe oim
für getragene Kleider, Schuhe,
Wäſche uſw. Poſtkarte genügt.
A. Hochmann, Kl. Ochſeng. 16.

in neuer Feder=Stoßkarren
Ebillig zu verkauf. J. Hechler,
Schmied, Zwingenberg a. d. B.,
Darmſtädterſtr. 12. (*4909

Flotter Zeichner
ſucht Beſchäft. auf 814 Tage. Er=
ledige
auch Einzelaufträge ſchnellſt.
bei billigſt. Berechn. Gefl. Angeb. u.
P 36 an die Geſchäftsſt. (*4889so

eine Frau wöchentlich
Geſucht einmal zum Reinigen
einer kleinen Wohnung. Zu er=
fragen
Stiftſtraße 29, III. I., von
56 Uhr nachm.
(*4916

Aliceſtraße 32, I., möbliertes
Zimmer zu vermieten. (*4946