Darmstädter Tagblatt 1914


Sonntag, den 29. November.

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Nr. 329.

Sonntag, den 29. November.

1914.

Der Krieg.

Generalfeldmarſchall von Hindenburg. Von den Kriegsſchauplätzen. Der türkiſche Krieg. Und England! Wie
Karlsruhe‟ arbeitet. Der iriſche Haß. Engliſche Beklemmungen. Ein zweites Opfer deutſcher Unterſeeboote im Kanal

Generalfeldmarſchall
von Hindenburg.

* Thorn, 28. Nov. (W. T. B. Amtlich.) Nach der
Preſſe iſt in Thorn folgender Armeebefehl bekannt
gegeben worden:
In tagelangen ſchweren Kämpfen haben die mir
unterſtellten Armeen die Offenſive des an Zahl überlege=
nen
Gegners zum Stehen gebracht. Seine Majeſtät der
Kaiſer und König, unſer allergnädigſter Kriegsherr, hat
dieſen von mir gemeldeten Sieg durch nachſtehendes Te=
legramm
zu beantworten geruht:
An den Generaloberſt von Hindenburg!
Ihrer energievollen, umſichtigen Führung und der
unerſchütterlichen, beharrlichen Tapferkeit Ihrer Trup=
pen
iſt wiederum ein ſchöner Erfolg beſchieden geweſen.
In langem, aber von Mut und treuer Pflichterfüllung vor=
wärts
getragenem Ringen haben Ihre Armeen die Pläne
des an Zahl überlegenen Gegners zum Scheitern gebracht,
Für dieſen Schutz der Oſtgrenze des Reiches gebührt
Ihnen der volle Dank des Vaterlandes. Meiner höch=
ſten
Anerkennung und Meinen kaiſerlichen Dank, die
Sie erneut mit Meinen Grüßen Ihren Truppen aus=
ſprechen
wollen, will Ich dadurch Ausdruck geben, daß
Ich Sie zum Generalfeldmarſchall beför=
dere
. Gott ſchenke Ihnen und Ihren ſieggewohnten
Truppen weitere Erfolge. (gez.) Wilhelm I. R.

Ich bin ſtolz darauf, dieſen höchſten militäriſchen
Dienſtgrad an der Spitze ſolcher Truppen erreicht zu
hahen. Ihre Kampfesfreudigkeit und Ausdauer haben
in bewunderungswürdiger Weiſe dem Gegner große
Verluſte beigebracht. Ueber 60000 Gefangene,
150 Geſchütze und gegen 200 Maſchinenge=
wehre
ſind wiederum in unſere Hände gefallen, aber
vernichtet iſt der Feind noch nicht. Darum weiter vor=
wärts!
Mit Gott für König und Vaterland, bis der
letzte Ruſſe beſiegt am Boden liegt.
Hurra!
Hauptquartier Oſt, 27. November 1914.
Der Oberbefehlshaber:
(gez.) von Hindenburg, Generalfeldmarſchall.

Von den Kriegsſchauplätzen.

* Großes Hauptquartier, 28. Nov. (W. T. B.
Amtlich.) Auf dem weſtlichen Kriegsſchauplatze
iſt die Lage nicht verändert.
Franzöſiſche Vorſtöße im Argonnerwald wur=
den
abgewieſen. Im Walde nordweſtlich Apremont
und in den Vogeſen wurden den Franzoſen trotz hef=
tiger
Gegenwehr einige Schützengräben entriſſen.
In Oſtpreußen fanden nur unbedeutende Kämpfe
ſtatt. Bei Lowiez griffen unſere Truppen erneut an.
Der Kampf iſt noch im Gange. Starke Angriffe der Ruſ=
ſen
in der Gegend weſtlich Noworadomsk wurden
abgeſchlagen.
In Süd=Polen iſt im übrigen alles unverändert.
Oberſte Heeresleitung.
* (Ctr. Bln.) Aus Genf meldet die B. Z.: Fran=
zöſiſche
Blätter berichten über die Kriegslage,
daß der große Schlag, den die Deutſchen ſich anſchicken
gegen die franzöſiſche Linie zwiſchen Nieuport und Ypern
zu wiederholen, den Gegenſtand einer planmäßigen Vor=
bereitung
bildet, aus der man das wiſſenſchaftliche Ver=
fahren
der Deutſchen erkennen könne. Auf allen Punkten
der Küſte ſeien ſchwere Artilleriepoſten aufgeſtellt, um ſich
gegen die Angriffe der Kriegsſchiffe zu verteidigen. Auf
den Yſerufern habe der Feind ſeine Stellungen vorzüglich
poſtiert und ſich dadurch wichtige Stützpunkte geſchaffen,
unter deren Schutz neue wuchtige, mit großen Maſſen aus=
geführte
Infanterieangriffe erfolgen ſollen, denn die
ſchwere Aufgabe zufiele, die franzöſiſche Linie zu durch=

brechen. Es ſei alſo alles gut vorbereitet. Endlich ſei
es auch nicht unmöglich, daß in ſeinem Kraftbewußtſein
Deutſchland gleichzeitig einen Schlag auf der Nordſee und
im Kanal verſuche.
* (Ctr. Bln.) Aus Genf berichtet das Achtuhrabend=
blatt
: In franzöſiſchen Blättern, die in Genf eingetroffen
ſind, wird aus Belfort berichtet, daß die dortige Be=
ſatzung
während der letzten zwei Wochen eine Anzahl
Ausfallverſuche nach dem Elſaß unternommen hat.
Achtmal wurde der Verſuch gemacht, die Offenſive zu er=
greifen
, doch jedesmal iſt dieſe Abſicht geſcheitert. Wie
ſchweizeriſche Blätter mitzuteilen wiſſen, ſind die Angriffe
der Franzoſen auf die deutſchen Stellungen unter großen
Verluſten für die Franzoſen zurückgeſchlagen worden.
Die Baſeler National=Ztg. gibt die bisherigen Verluſte der
Franzoſen in den Kämpfen bei Belfort mit annähernd
20000 Toten und Verwundeten an.
* Budapeſt, 27. Nov. Die Säuberung der
Karpathen von den eingedrungen Ruſſen
dauert mit großem Erfolg fort. Die Ruhe und Ordnung
iſt unter der Bevölkerung wiederhergeſtellt. Sehr inter=
eſſant
geſtaltete ſich die Gefangennahme eines ruſſiſchen
Bataillons. Dieſes hatte zwei Kompagnien unſerer
Truppen umzingelt, wurde jedoch im entſcheidenden Mo=
ment
von einem Honved=Regiment eingeſchloſſen. Als die
Unſerigen ſich zum Sturm anſchickten, ergab ſich der größte
Teil der Ruſſen. Ueber Nyireghaza und Ungvar wurden
geſtern über 3000 in den letzten Tagen gefangene
Ruſſen und über 100 erbeutete Proviantwagen trans=
portiert
. Ein gefangener ruſſiſcher Offizier erklärte, daß
der Einbruch der Ruſſen in die Karpathen nur die Be=
unruhigung
der Bevölkerung und das Feſthalten der
militäriſchen Kräfte bezweckte. (Frkf. Ztg.)

Der türkiſche Krieg.

Die Zuſicherungen der Türkei an Italien.

* Konſtantinopel, 27. Nov. Das Blatt Ikdam
würdigt in vollem Maße die Italien von der Türkei
gegebene Verſicherung, daß der Suezkanal
geöffnet bleiben werde. Italien brauche in dieſer
Hinſicht keinen Argwohn zu hegen, denn eine Behinderung
der freien Schiffahrt im Kanal würde den Intereſſen der
Türkei zuwiderlaufen. Die Gliederung der Küſte der
Türkei biete genügend Garantie dafür, daß es den In=
tereſſen
der Türkei entſpreche, die Oeffnung des Kanals
aufrechtzuerhalten.
Ikdam wiederholt nochmals, daß Italien keinen
Anlaß habe, wegen des Heiligen Krieges irgend
welche Befürchtungen zu hegen. Dies gehe klar aus
dem Text, der den Heiligen Krieg verkündenden Prokla=
mation
des Scheich ül Iſlam hervor. Die Blätter betonen,
daß infolge der Verbreitung der Nachricht von der Ver=
kündigung
des Heiligen Krieges, die trotz aller von den
Engländern und Franzoſen getroffenen Maßnahmen nach
Nordafrika gedrungen ſei, die Kolonialreiche Englands
und Frankreichs in ihren Grundfeſten erſchüttert ſind.

Bulgariſche Anklagen.

* Sofia, 27. Nov. Der Engländer Peter Ama=
honi
veröffentlicht einen offenen Brief an Eng=
land
, in dem er darlegt, daß Bulgarien, als es im
letzten Jahre den Krieg gegen Serbien begann,
ſich in demſelben Falle befunden habe, wie England, als
es Deutſchland für die Wahrung der Neutralität Belgiens
den Krieg erklärte und die Kriegserklärung mit der Un=
verletzlichkeit
von Verträgen verteidigt hätte. Serbien
habe den ſerbiſchbulgariſchen Vertrag vom erſten Tage
an durch das Einrücken ſerbiſcher Truppen in Mazedonien
verletzt, aus dem es alle bulgariſchen Erzieher, Lehrer,
Prieſter und Biſchöfe vertrieben und wo es alle bulgari=
ſchen
Kirchen und Schulen geſchloſſen habe in der feſten
Abſicht, ein Land zu anneltieren, das ihm rechtmäßig nicht
zulam.
Der Schreiber des Briefes erinnert an die Haltung
der Londoner Diplomatie, namentlich an die des
verſtorbenen Geſandten in Belgrad, der Serbien offen er=

mutigt habe, die rechtswidrig beſetzten Gebiete nicht zu
räumen und Rumänien erlaubt habe, ſeine Hand auf den
fruchtbarſten Teil des bulgariſchen Bodens zu legen, trotz
der Beſchlüſſe der Petersburger Konferenz, die ihm nur
Siliſtria zugeſprochen habe. Der Bukareſter Ver=
trag
ſei von dem erſchöpften, im Stiche gelaſſenen und
verratenen Bulgarien erpreßt worden, und das ſei
dann ein Friede genannt worden, ein Friede, der auf
zwei verletzten Verträgen begründet ſei. Man dürfe ſich
durchaus nicht wundern, daß der Londoner Vertrag, wie
ſo viele internationale Abmachungen, in den Papier=
körben
der europäiſchen Kanzleien verſunken ſei. Es ſei
ferner nicht erſtaunlich, daß die Türkei die Proteſte
der Großmächte wegen Verletzung der Verträge zwiſchen
der Türkei und den Großmächten mit berechtigter Ver=
achtung
aufgenommen habe. Aber habe die Welt je ein
niedrigeres Schauſpiel geſehen, als die eitlen und nutzloſen
Proteſte der angeblichen Großmächte, während das
tapferſte, am meiſten nach Freiheit und Fortſchritt begie=
rige
und toleranteſte Volk der Balkanhalbinſel von dem
treuloſen Verbündeten und einem ehemaligen Freunde
angegriffen aber von einer ſlawiſchen Großmacht im
Stiche gelaſſen und gezwungen wurde, abzurüſten, wie es
ferner ohne Schutz und ohne Freund mit noch blutenden
Wunden gezwungen wurde, mit einem alten Feinde zu
verhandeln, um wenigſtens einen Fetzen des unter den
Augen von ganz Europa ſo ſchimpflich verletzten Londoner
Vertrages zu retten? Die europäiſchen Groß=
mächte
hätten ſich beiſeite gehalten und zugeſchaut; jetzt
ernteten ſie, was ſie geſät haben.

Türkiſche Erfolge.

* Konſtantinopel, 27. Nov. Der militäriſche
Mitarbeiter des Tanin mißt den von den türkiſchen
Truppen in der Richtung gegen Bat m errungenen,
in dem geſtrigen Bericht des Hauptquartiers bekannt ge=
gebenen
Fortſchritten, eine große ſtrategiſche Bedeu=
tung
bei. Die Ortſchaft Morghul, deren Beſetzung ge=
meldet
wurde, liegt in einem engen Tal an der Straße
von Artwin nach Batum an der Mündung des Fluſſes
Morghul in den Tſchorok und iſt eine ziemlich bedeutende
Stadt. Die türkiſchen Truppen haben mithin gewiſſer=
maßen
den erſten Schritt gegen Batum gemacht. Die den
Türken in die Hände gefallene Beute deutet darauf hin,
daß die Ruſſen ihr Heil in einer regelloſen Flucht ſuchten.

Und England:

D Während die Berichte des franzöſiſchen
Generalſtabes fortfahren, durch ſchönfärberiſche
Darſtellungen der Kriegslage die Franzoſen mit Sie=
geshoffnungen
zu erfüllen, urteilt die franzöſiſche Mili=
tärkritik
vielfach ſehr peſſimiſtiſch. Der General Cher=
fils
z. B. ſieht das Schickſal Frankreichs auf den
Schlachtfeldern Polens liegen, und er dürfte ſich in der
Sehnſucht danach, daß ruſſiſche Siege den Gang der
Ereigniſſe auf dem weſtlichen Kriegsſchauplatz durch die
Ablenkung deutſcher Truppen entſcheidend beeinfluſſen
ſollen, im Einklang mit der franzöſiſchen Volksſtimmung
befinden. Was iſt im Grunde genommen auch natür=
licher
, als Frankreichs Hoffnung auf das verbündete
Rußland? Milliarde auf Milliarde haben die franzö=
ſiſchen
Sparer ſeit Jahrzehnten den Ruſſen geopfert, da=
mit
dieſe gegen den verhaßten Eigentümer Elſaß=
Lothringens ſich ſtark machten; nun iſt die Zeit der Ent=
ſcheidung
gekommen, nun heißt es vom franzöſiſchen
Standpunkte aus für Rußland: Hic Rhodus, hic ſalta!
Den Willen zum gewaltigen Sprung auf Deutſchland
haben die Ruſſen wohl, aber infolge geiſtiger, ſittlicher
und techniſcher Mängel bricht ihre Ueberzahl vor der
Strategie des Generaloberſten von Hindenburg und ſeiner
Leute ſowie vor der Tapferkeit der deutſch= öſterreichi=
ſchen
Truppen zuſammen.
Iſt es jedoch nicht ſeltſam, daß die Franzoſen voll
Sehnſucht in die ruſſiſche Ferne ſchweifen, obgleich ſie
den engliſchen Freund zu Waſſer und zu Lande
an ihrer Seite haben? Was in den Jahren der Vor=
bereitung
des Koalitionskrieges gegen Deutſchland der
heiße Wunſch unſeres giftigſten Feindes an der Seine
war, Tardieus Forderung eines engliſchen Expeditions=
heeres
, das auf dem Feſtlande Schulter an Schulter mit

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