Darmstädter Tagblatt 1914


Freitag, den 16. Oktober.

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Nr. 283,

Freitag, den 16. Oktober.

1914.

Der Krieg.

Mie Buren und der Krieg. Das iſolierte Deutſchland. Vom weſtlichen Kriegsſchauplatz. Die Beziehungen Englands
zu Belgien. Zeppelinfurcht in London. Der Krieg und die Neutralen. Neueſte Nachrichten von den Kriegs=
ſchauplätzen
. Unſere Truppen vor Warſchau. Zur Vorgeſchichte des Krieges.

Die Buren und der Krieg.

* Zu den bisherigen Berichten vermag der Nieuwe
Motterdamſche Courant vom 9. ds. nach einem Privatbrief
moch nachzutragen, daß am 31. Auguſt in Pretoria
tunter Leitung von A. D. W. Wolmarans, dem Haupte der
aalten Krügerpartei und Mitglied der nach Europa ge=
ſſandten
Deputation, und unter Teilnahme von 200 Dele=
agierten
eine Verſammlung ſtattfand, die beſchloß,
twohl bei einer etwa notwendigen Verteidigung der Union
ühren Mann zu ſtehen, aber nicht teilzunehmen
aan irgend einem Raubzug außerhalb der
Mnion.
Es waren ausſchließlich Transvaalen, die dieſe
Werſammlung veranſtalteten. General Hertzog aus dem
FFreiſtaate hatte eine Glückwunſchdepeſche geſandt. Nach
Darlegung aller Gegenſätze beſchloß man unter dem Aus=
idruck
der perſönlichen Hochachtung für General De la Rey,
lder als Gaſt anweſend war, ſich von der Zuid Afrikaanſche
PParty‟, deren Haupt Botha iſt, zu trennen und eine neue
Partei Nationale Party für Transvaal zu grün=
Den, die mit der Hertzog=Partei im Freiſtaat gemeinſam
worgehen ſoll. Von ſeinem Krankenbett aus hatte Advokat
Roos, früher Kommandant, einen Brief geſandt, um vor
jjedem Angriff auf die deutſche Kolonie zu warnen. Das
ſiſt die Frage, ſchrieb er: Wollen wir nach Deutſch= Süd=
uveſt
marſchieren? Und einſtimmig rief man in der Ver=
ſammlung
: Niemals!‟ Der Berichterſtatter ſetzt hinzu:
Wir hören nur von Verluſten der Deutſchen.
Wei Lüttich ſollen 25000 Mann zuſammengehauen worden
ſſein; auch ſonſt überall ſollen ſie entſetzliche Verluſte ge=
ſhabt
haben. (!) Nach den Reuter=Berichten ſonſt be=
kkommen
wir nichts müßte man annehmen, daß es faſt
kkeine Deutſchen mehr gibt. Der Raſſenhaß feiert hier
TTriumphe unter der Aufſtachelung der engliſchen Preſſe.
Man will es den Deutſchen unmöglich machen, hier Han=
ldel
zu treiben.
Am 13. September hat Pfarrer van Broekhuizen,
der mit einer Enkelin Paul Krügers verheiratet iſt, in der
tüberfüllten Großen Kirche in Pretoria eine Predigt
igegen den Zug nach Deutſch=Südweſt gehal=
tten
, die nach der Volksſtem (Pretoria) verkürzt in der
Nieuwe Rotterdamſche Courant vom 10. Oktober abgedruckt
ſiſt. Auf Grund von 4. Moſ., 14. V., 42a, 46e: Zieht nicht
idahin, denn der Herr wird nicht mit Euch ſein, weil Ihr
lvon dem Herrn abgefallen ſeid, erklärte er in ſeiner ge=
waltigen
Predigt, daß er als Pfarrer und ſeine Hörer als
Gemeinde Gottes ſich nur nach dem zu richten hätten, was
Gotes Wort ſagt. Und es ſei Gotes Wort, das den zug
nach Deutſch=Südweſtafrika mißbillige. Weder von Deutſch=
Südweſt noch von Deutſchland ſei die Südafrikaniſche
(Union angegriffen, England habe keine Verpflichtung ge=
habt
, Frankreich beizuſtehen, und trotzdem wolle die Re=
gierung
angreifen. Nach meiner heiligen Ueberzeugung
auf Grund von Gottes Wort erkläre ich gegen die Regie=
rung
: Gott ſagt: Zieht nicht hin. Alle meine Ge=
meindeglieder
und Zehntauſende, mit denen ich geſprochen,
ſagen einſtimmig: Zieht nicht hin. Und wenn alle uns
feind würden, ſelbſt vor Königen und Gewaltigen dürfen
wir in dieſer kritiſchen Zeit nicht ſchweigen; denn es geht
um Gottes Wort und unſer Gewiſſen Es iſt natürlich
am bequemſten, ſich auf die Seite der Mächtigen und Gro=
ßen
dieſer Erde zu ſtellen. Aber dürfen wir das? Nein,
und nochmals nein. Als Diener von Gottes Wort bin ich
von Menſchen nicht abhängig. Hier ſtehe ich, ich kann nicht
anders, Gott helfe mir. Und wer Proteſtant iſt in gleichem
Sinne, muß proteſtieren gegen alles, was gegen Gottes
Wort und Gottes Willen, gegen Recht und Gerechtigkeit iſt.
Wer in dem europäiſchen Krieg recht hat und wer der An=
fänger
iſt, wird die Zukunft lehren, jedermann weiß,
daß ein Lügengeiſt die Gegenwart be=
herrſcht
. Man ſpricht von dem barbariſchen‟ Deutſch=
land
. Ach, laßt doch dieſes Phariſäertum nicht zu uns
kommen. Wir haben nicht vergeſſen, was unſerm Land
und Volk geſchah; unſer Krieg iſt noch zu gut in unſerem
Gedächtnis. Und was will man mit dem neuen Krieg er=
reichen
? Soll der Slawe über Europa regieren? Will man
den aſtatiſchen Völterſchaften größeren Einſluß geben?
Iſt nicht im Oberhaus von Japan geſagt worden, es ſei
Japans Aufgabe, die Völker Aſiens vom europäiſchen Joch
zu erlöſen? Ein Jubelruf geht durch Indien und Japan,
weil man teilnehmen darf am Abſchlachten des weißen
Mannes; Buddhiſten Mohammedaner, Parſiſten und alle
die Religionen des Oſtens freuen ſich auf das Blutbad der
Chriſten . . . Laßt uns proteſtieren nicht nur gegen
den Zug nach Deutſch=Südweſt, ſondern auch gegen
das Mitkämpfen der gelben Raſſe . . . Will.
jemand mit Gewalt für das Reich mitkämpfen, ſo gehe er
als Freiwilliger ins engliſche Heer, aber unſer Volk laſſe
man in Ruhe . . . Unſer Volk als Volk iſt abſolut
gegen dieſen nutzloſen Krieg, und Gott kann nicht mit uns

ſein . . . Der Gedanke, nach Deutſch=Südweſt zu ziehen,
wäre gar nicht möglich, wenn unſer Volk richt von Gott
abgefallen wäre. Ich mag die Stimme eines Predigers
in der Wüſte ſein, aber ich ſage als Diener des Evange=
liums
, als Sohn meines Volkes, als Mann von Gewiſſen,
auf Grund von Gottes Wort, auf Grund der Geſchichte,
und auf Grund von Wahrheit und Recht: Zieht nicht hin!
Den Meldungen der engliſchen Lügenburaus und
Lügenblätter über die Vorgänge in Südafrika
darf man nicht trauen. Wie ſie über Deutſchland das
Blaue vom Himmel heruntergelogen haben, ſo werden ſie
über die Vorgänge in Südafrika nur das verbreiten, was
in ihrem Intereſſe liegt. Die Köln. Ztg. ſchreibt zu der
Erhebung von Maritz:Niemand wird in Deutſchland ſo weit
gehen, der Gärung, die, wie nun wohl zweifellos feſtſteht,
in Südafrika ausgebrochen iſt, irgend welchen unmittel=
baren
Einfluß auf den Gang der kriegeriſchen Ereigniſſe
zuzuſchreiben. Umſo ſchwerer wiegt aber die politiſche
Bedeutung dieſer Vorgänge. Sie beweiſen,
daß Englands Herrſchaft in Südafrika keine ernſtlichen
Erſchüterungen aushalten kann, und daß ein für England
ungünſtig endender Krieg dieſe Herrſchaft in Frage ſtellen
würde. Nicht minder intereſſant wird es ſein, die Wirkung
der ſüdafrikaniſchen Unruhen auf die anderen von Eng=
land
unterworfenen Völker zu beobachten. Daß die Un=
ruhen
ſelbſt einen keineswegs unbedenklichen Charakter
angenomen haben, geht aus der Nachricht hervor, daß über
das geſamte Bundesgebiet der Belagerungszuſtand ver=
hängt
iſt.
Der Nieuwe Rotterdamſche Courant veröffentlicht
Mitteilungen aus Südafrika die über die Stimmung
der Buren manche neue Aufſchlüſſe geben. Vor allem
wird aufs entſchiedenſte beſtritten, daß der kürzlich er=
ſchoſſene
General de la Rey in der Frage des Kriegs auf
der Seite der Regierung geſtanden habe. In der entſchei=
denden
Sitzung des Unionsſenats hat ſich de la Rey aus
Gewiſſensbedenken gegen die Teilnahme an einem offen=
ſtven
Krieg gegen Deutſch=Südweſtafrika erklärt. Auch
Senator Marais erklärte ſich gegen den Feldzug; Tauſende
von Afrikandern wohnten in Deutſch=Südweſtafrika und
müßten jetzt an einem Bruderkrieg teilnehmen. Senator
Wolmarans erklärte, in einem ſolchen Krieg gehe die Union
auf Grundraub aus. Die Kapſtädter Zeitung Ons Land,
ein Blatt der Burenpartei, wendet ſich aufs entſchiedenſte
gegen die Verwendung aſiatſcher und af=
rikaniſcher
Truppen im europäiſchen Kriege. Man
könne die Folgen davon nicht abſehen. Welchen Eindruck
werde der Krieg auf ſie machen, und welchen Einſtiuß
werde er nach ihrer Rückkehr in ihrer Heimat ausüben.
Für das Preſtige der europäiſchen Kultur und der weißen
Raſſe ſei es ein Unglück. Richt minder tadelt das Mat
es, daß die Dienſtanerbietungen der Schwarzen in Süd=
afrika
von der Regierung mit Dank angenommen werden.

Das iſolierte Deutſchland.

** In wie hohem Grade Deutſchland von der
Verbindungmit der Außenwelt abgeſchnit=
ten
iſt, ſtellt ein ſchadenfroher Artikel der engliſchen Fach=
zeitſchrift
Eletrieal Engineering feſt um ſo merkwürdi=
ger
muß es erſcheinen, daß gerade die engliſchen Zeitungen
ſich in letzter Zeit immer wieder beklagen, die Deutſchen
überzögen die Welt mit ihren Nachrichten, die allerdings
für die Engländer nicht gerade erfreulich klingen. Elf
Telegraphenkabel ſind, wie die genannte Zeit=
ſchrift
ausführt, durchſchnitten oder unterbrochen. Deutſch=
land
hat fünf Ueberſeekabel, die in Borkum landen; eins=
geht
nach Breſt, eins nach Vigo. eins nach Teneriffa und
zwei über die Azoren nach Neu=York. Alle dieſe ſind durch=
ſchnitten
, ſeitdem der Krieg begann. Sie führen alle fünf
durch den Kanal ſo daß es keine Schwierigkeiten gemacht
hat, ſie zu durchſchneiden, und es iſt für Deutſchland un=
möglich
, ſie jetzt wieder herzuſtellen. Zwiſchen Deutſchland
und England liegen ſechs Kabel, die zum Teil der deut=
ſchen
Regierung, zum Teil der britiſchen Rezierung ge=
hören
und auf denen natüirlich der Verkehr unterbro=
chen
iſt.
So liegen die Dinge an der Weſtküſte Deutſchlands.
Durch die Nordſee ſind keine Kabel über andere Länder
möglich. Ueber Holland, Dänemark, Norwegen und über
Schweden kann eine Verbindung nach Weſten nur durch
Kabel ſtattfinden, die in England und Frankreich landen,
ſo daß jede Meldung die Zenſur paſſieren muß. Nach
Süden hin kann Deutſchland die Küſte von Oeſterreich
und Italien erreichen, aber auch hier würde die Mitteilung
von deutſchen Meldungen aufgehalten werden: denn die
von Weſten nach Oſten laufenden Kabel im Mittelländi=
ſchen
Meere gehören einer engliſchen Geſellſchaft, der
Eaſtern Telegraph Company, und landen auf britiſchem
Boden. Die Kabel von Italien (und auch der Türkei)
gehen über Malta, Gibraltar und Liſſabon zum Atlanti=

ſchen Ozean, und das Kabel von Trieſt durch das
Adriatiſche Meer das auch der Eaſtern Telegraph Com=
pany
gehört, berührt zunächſt Zante (Griechenland) und
dann Malta. Keine Verbindung mit Afrika iſt möglich
ohne die Benutzung eines Kabels, das der Eaſtern Tele=
graph
Company gehört. Deutſchland iſt ebenſo von der
Verbindung mit Ehina durch Landlinien abgeſchloſſen, da
dieſe durch Rußland oder Indien gehen. Abgeſehen von
ſeinem Dienſt mit drahtloſer Telegraphie kann Deutſchland
alſo nur ſeinem Verbündeten Oeſterreich und den neutra=
len
europäiſchen Ländern telegraphieren. Es iſt vielleicht
möglich, daß gelegentliche Botſchaften durch die atlanti=
ſchen
Kabel mit Hilfe Dritter in neutrale Ländern gehen;
aber Code=Meldungen werden nicht angenommen, und alle
Meldungen, bei denen der Verdacht vorliegt, daß ſie von
Deutſchland ausgehen, würden natürlich angehalten wer=
den
. Die einzige Möglichkeit in dieſer Richtung würde für
Deutſchland die Benubzung einer beſonderen Art Eode
in gewöhnlicher Sprache ſein.

Der Erfolg von Antwerpen.

* Amſterdam, 14. Okt. Die Köln. Ztg. meldet:
Die Art und Weiſe des Einzuges der deutſchen
Truppen in Antwerpen und ihre Stimmung wer=
den
in dem Rotterdamſchen Eourant folgendermaßen ge=
ſchildert
: Singend marſchieren die deutſchen Truppen
in die Stadt ein. Alles iſt geſchmückt mit Blumen. Die
Infanteriſten tragen ſie auf der Bruſt oder am Gewehr,
die Radfahrer an den Lenkſtangen ihrer Fahrräder, die
Pferde an den Köpfen, ſelbſt die Transportwagen und die
Autos haben ihre Blumen. Nichts iſt ungeſchmückt. Jetzt,
wo die deutſchen Truppen ermutigt ſind durch den einzig
daſtehenden Erfolg, den eigentlich in ſeiner ganzen Größe
noch niemand der daran Beteiligten erfaſſen kann, iſt es
bezeichnend, was der Gouverneur von Antwerpen dem
Schreiber dieſer Zeilen ſagte: Wer hätte es vor 14 Tagen
glauben können, daß wir ſo bald im Beſitz von Antwerpen
ſein würden? Alles macht den Eindruck, als ob der große
Erfolg die Deutſchen gelaſſen gemacht hat, ſo daß ſie erſt
am nächſten Tage zu jubeln und zu ſingen anfangen,
da ſie es doch jetzt beſtimmt wiſſen: Antwerpen iſt unſer!

Vom weſtlichen Kriegsſchauplatz.

* Man kann jetzt ſchon behaupten, ſagt die Kreuzztg.,
daß der urſprüngliche Plan der verbündeten Feinde, für
die Truppen in Belgien eine Verbindung mit dem weit=
ausholenden
linken Flügel der Franzoſen und Engländer
herbeizuführen, geſcheitert iſt. Durch die Beſetzung
von Lille iſt die Möglichkeit für einen letzten Umfaf=
ſungsverſuch
von ſeiten der feindlichen Streitkräfte aus=
geſchloſſen
. Aus dem geſtrigen Hinweis unſerer Heeres=
leitung
geht hervor, daß man bei Reims diesmal ohne
Rückſicht auf die Kathedrale vorgehen wird, da die Fran=
zoſen
den ehrwürdigen Bau andauernd zu Kriegszwecken
mißbrauchen. Die Einnahme von Reims wird offenbar
nicht mehr lange auf ſich warten laſſen. Während rings=
um
die Schlacht tobt, beginnt in der Champagne die Wein=
leſe

* Rotterdam, 15. Okt. Nach einem Bericht der Daily
Mail nähern ſich die Deutſchen auf drei Richtungen
Oſtende, erſtens von Yperen, zweitens von Courtrai,
dritens von Eeeloo durch Brügge. Weſtlich von Maldeg=
hem
iſt ſchwerer Kanonendonner vernehmbar.
* Paris, 14. Okt. (Ctr. Frkft.) Um das nunmehr
von den Deutſchen eingenommene Lille iſt ſeit 10 Tagen
heiß gekämpft worden. Die Franzoſen nehmen an, daß
die dort neu aufgetauchten deutſchen Truppen von dem
Belagerungskorps Antwerpens kommen und bis zu den
Vorſtädten auf der Eiſenbahn transportiert wurden. Man
erwartet, daß infolge der Verſtärkungen die Kämpfe im
Norden noch erbitterter fortgehen werden als bisher.
* Amſterdam, 15. Okt. (Ctr. Frkft.) Die Daily
News meldet aus Oſtende: Heute früh entſtand in Oſt=
ende
eine große Panik, als um 9 Uhr morgens
eine deutſche Taube erſchien und zwei Bomben nieder=
warf
. Eine große belgiſche Truppenabteilung kam in die
Stadt, zog aber wieder ab. Aus der Ferne iſt Geſchütz=
donner
zu hören. In den Straßen drängte ſich eine dichte,
aufgeregte Menge von Flüchtlingen aus den benachbarten
Gemeinden, ebenſo lief die Armenbevölkerung von Oſt=
ende
aufgeregt durch die Stadt. Tauſende von Menſchen
ſtanden am Strand und ſchauten auf die See, ob von
dort nicht Hilfe käme. Um 2 Uhr nachmittags bemächtigte
ſich der Stadt eine große Enttäuſchung, da mitgeteilt
wurde, daß keine Bovte mehr nach England ab=
gingen
. Der Bahnhof ſtand voll Menſchen, die laut lärm=
ken
und nach Miteln ſuchten, um wegzukommen. Bei=
nahe
alle wohlhabenden Einwohner von Oſtende haben
bereits die Stadt verlaſſen. Alle Läden der Stadt ſind
geſchloſſen. Der troſtloſe Zuſtand Oſtendes iſt um ſo ein=
drucksvoller
, wenn man an das frühere Treiben Oſtendes

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Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 16. Oktober 1914.

Nummer 285.

in normalen Zeiten denkt. Ein Dutzend engliſcher Jour=
naliſten
und Photographen iſt gefangen genommen
worden.

Vom Seekrieg.

* Hamburg, 13. Okt. Die Meldung über die Aus=
legung
von Minen durch die Engländer im Kanal
zwiſchen dem 50. und 51. Grad und die daran geknüpfte
Folgerung, daß nunmehr der Kanal vollkommen geſperrt
und die holländiſche Schiffahrt lahmgelegt ſei, hat in Ham=
burger
Ausfuhrkreiſen lebhafte Beunruhigung hervor=
gerufen
und die Firmen teilweiſe veranlaßt, ſchon zur
Verladung über Holland bereitgeſtellte Waren zurückzu=
halten
. Eine hieſige Speditionsfirma hat deshalb in Am=
ſterdam
und Rotterdam bei den größeren Linien Rück=
frage
gehalten, ob die gemeldeten Gerüchte den Tatſachen
entſprachen. Aus Amſterdam und Rotterdam erhielt ſie,
wie der Hamburgiſche Korreſpondent meldet, als Antwort
die Konnoſſemente über 2 Dampfer, die ordnungsmäßig
nach Braſilien und Kuba verladen und befördert worden
ſind; ferner erhielt die Firma folgendes Telegramm:
Nachricht Minengefahr ſtark übertrieben,
Schiffahrt durchaus nicht behindert und ganz regelmäßig.
Zeitliche kleine Prämienerhöhung wieder aufgehoben
Nach dieſer Meldung kann alſo von einer Sperrung des
Kanals nicht die Rede ſein, viel weniger aber noch von
einer Unterbindung des ausgehenden Verkehrs nach Ueber=
ſee
von den beiden holländiſchen Häfen. Die Kriegsver=
verſicherung
konnte Ende September zu 2 Prozent geſchloſ=
ſen
werden, vorübergehend erlitt ſie dann eine kleine Er=
höhung
auf 3 Prozent; ſeitdem haben die Sätze aber wie=
der
nachgegeben, und zwar können Kriegsverſicherungen
zu 2 bis 2½ Prozent laufend für jeden Betrag gedeckt wer=
den
. (Köln. Ztg.)

Italieniſche Urteile über deutſche Truppen.

* (Ctr. Bln.) Wie gut es mit unſerem Heer beſtellt
iſt, wird nun allmählich auch von ziemlich übelwollender
Seite anerkannt. So ſtellt die nicht ſehr deutſchfreundliche
Gazetta del Popolo nach einem Telegramm des Berliner
Tgbl. aus Rom feſt, daß die deutſche Armee ſich tadellos
verhält. Die Deutſchen in eine Stadt einrücken zu ſehen,
ſei ein geradezu majeſtätiſches Schauſpiel.
Alle Truppen, Landwehr und Landſturm eingeſchloſſen,
ſeien friſch und in beſter Verfaſſung. Es fehle den Deut=
ſchen
an gar nichts, meldet der Korreſpondent; ſie führen
ſogar maſſenhaft Reſervepferde mit. Dabei ſind ſie ſtets
guter Laune, ſcherzen und ſingen. Von der auf franzöſi=
ſcher
Seite üblichen Spionenfurcht iſt auf deutſcher Seite
keine Rede. Was endlich über die ſogenannten deutſchen
Grauſamkeiten geſagt wird, ſei eitel Lug und Trug.
Die Bevölkerung ſagt übereinſtimmend aus, die Deutſchen
ſeien ſehr korrekt, nur wenn man ihre Sicherheit bedrohe,
erfaſſe ſie Zorn.
Andere italieniſche Korreſpondenten fällen nicht min=
der
ſympathiſche Urteile über die deutſchen Truppen. Eine
begeiſterte Schilderung von ihnen entwirft der Korreſpon=
dent
des Mattino, der früher ſtets deutſch=feindliche
Schilderungen ſandte. Er beſchreibt die kräftigen Geſtal=
ten
der Ulanen und ſagt, es ſeien ihrer ſo viele, daß ſie
ihm wie eine Völkerwanderung vorkämen. Auch die
deutſche Infanterie gefällt ihm ſehr. Die Leute ſeien ge=
drungen
und herkuliſch gebaut und ſchritten breit und
wuchtig einher. Das Fußvolk ſei zahllos wie der Sand am
Meer. Auch die Landwehr, deren Leute alle über 30 Jahre
alt ſind, ſcheine wie aus Fels gehauen und müſſe tiefen
Eindruck machen. Der Korreſpondent hebt endlich die
abſolute Korre ktheit der deutſchen Soldaten her=
vor
, die in den Läden alles auf Heller und Pfennig be=
zahlen
.
Wir möchten dieſer Anerkennung noch eine Widerleg=
ung
hinzufügen, die ſich gegen die Verleumdung
deutſcher Truppen in Luxemburg richtet und
in der ausländiſchen Preſſe Verbreitung gefunden hat.
Wir können mitteilen, daß die Soldaten niemandem ein
Haar gekrümmt haben und daß die Bevölkerung ebenſo
wie die einheimiſchen Behörden mit größter Zartheit be=
handelt
worden ſind und daß der Kaiſer ſelbſt mehrmals
bei der Großherzogin zu Gaſt war, von der man
erzählt hat, ſie wäre von unſeren Truppen gefangen geſetzt
worden. Die Truppen bezahlen alles bar, was ſie kaufen.
Die Offiziere haben die ſchlechteſten Hotelzimmer genom=
men
, um den Geſchäftsbetrieb dieſer Häuſer nicht zu be=
einträchtigen
. Kurz, unſere Soldaten hatten ſo ſtrenge
Verhaltungsmaßregeln, daß ſie jedenfalls froh waren,
wenn ſie wieder das Land verlaſſen konnten.

Der Abzug der Ruſſen.

* Rotterdam, 15. Okt. Aus Prze mysl wird
gemeldet, daß die Ruſſen die Belagerung der Feſt=
ung
aufhoben, angeblich, wie aus Petersburg bekannt
wird, um den deutſchen und öſterreichiſch=ungariſchen
Truppen gegenüber eine ſtrategiſche Stellung einzunehmen.
Noch andere Stellungen in Galizien ſeien aufgehoben
worden.

Franzöſiſche Berichterſtattung.

* Zürich, 15. Okt. Ein Pariſer der die Schweiz
beſucht, ſchreibt dem Baſeler Anzeiger: Man fängt endlich
in Paris an, zu merken, daß die Bevölkerung, ſyſte=
matiſch
in Unwiſſenheit gehalten wird über die wich=
tigſten
Vorgänge. Jetzt wird ſie meiſt in Spannung ge=
halten
durch Berichte der Agence Havas, die hinterdrein
ſich als Falſchmeldungen erweiſen. Nachrichten über
deutſche Siege werden erſt nach tagelangem Zögern mit=
geteilt
. Das jetzige Gefühl der Unſicherheit laſtet auf den
Menſchen mehr, als durch unliebſame Nachrichten bemerkt
würde. Jetzt ſieht man auch, daß den Franzoſen inbezug
auf die Verkehrseinrichtungen jegliches Organiſations=
talent
abgeht. Wie erſtaunt war ich, als ich in der Schweiz
die deutſchen Verluſtliſten erblickte. Solche gibt es in
Frankreich nicht. Nur die Namen der gefallenen Offiziere
werden in den Zeitungen veröffentlicht. Von den vielen
Tauſenden von Gefangenen erfahren die Franzoſen nichts;
ſind ſie tot, verwundet, gefangen? Niemand kann begrei=
fen
, welche Ueberraſchung der erlebt, der jetzt von Frank=
reich
nach der Schweiz kommt. Man fällt geradezu aus
allen Himmeln. Jetzt wird einem endlich klar, warum
mit ſolcher Aengſtlichkeit darüber gewacht wird, daß keine
fremden Zeitungen nach Frankreich kommen.

Die Beziehungen Englands zu Belgien.

* Berlin, 14. Okt. (W. T. B. Amtlich.) Die Nordd.
Allgemeine Zeitung ſchreibt unter der Ueberſchrift Die
Beziehungen Englands zu Belgien: Der militäriſche Mit=
arbeiter
der Times erörtert in der Nummer vom 12. Okt.
die Beziehungen Englands zu Belgien, wo=
bei
er unter anderem ausführt: Die Neutralität war
ein verhängnisvolles Geſchenk für Belgien; ſie machte es
ihm unmöglich, militäriſche und andere Unterhandlungen
zu führen und Abkommen zu treffen, die ihm die ſchnelle
entſchiedene Hilfe ſeiner engliſchen Freunde ſicherten. (!)
Die engliſchen und belgiſchen Stäbe konnten über militä=
riſche
Vorbereitungen, Truppentransportmittel, Eiſen=
bahndienſt
, Vorratsverſorgung uſw. keine entſprechenden
Pläne machen, ohne, ſtreng genommen, die Neutralität zu
verletzen. Dieſe Erklärungen ſollen das unliebſam
empfundene Ausbleiben der rechtzeitigen
ernſtlichen Hilfe Englands für Belgien ent=
ſchuldigen
und beſchönigen. Der Militärpolitiker der
Times macht nicht den Verſuch, zu leugnen, daß Belgien
berechtigt war, viel weitergehende Unterſtützungen von
England zu erwarten. Auch die Morningpoſt hat bekannt=
lich
getadelt, daß England zur Rettung Antwer=
pens
ſowenig getan habe. Ueber die Berechtigung
ſolcher Vorwürfe mögen die Belgier und Engländer ſich
untereinander verſtändigen. Für uns iſt das Eingeſtänd=
nis
des Times=Sachverſtändigen wertvoll, daß die eng=
liſchen
und belgiſchen Stäbe militäriſche Vorbereitungen
nur unter der Verletzung der belgiſchen Neutralität ver=
abreden
konnten. Aus den an dieſer Stelle veröffentlich=
ten
belgiſchen Aktenſtücken geht aber zur Genüge
hervor, daß über eine derartige Verletzung der Neutralität
Belgiens zwiſchen den amtlichen engliſchen und belgiſchen
Stellen tatſächlich im geheimen Verhandlungen gepflogen
und Verabredungen getroffen worden ſind. Dies iſt ent=
ſcheidend
für die Begehung des Neutralitätsbruches. Dieſe
Feſtſtellung machen wir auch gegenüber der Berlingske
Tidende, die vergeblich Belgien mit dem Hinweis zu ent=
ſchuldigen
ſucht, daß es ja keinen Bund mit England und
Frankreich gegen Deutſchland geſchloſſen habe.

Engliſche Treue.

* In England iſt man ſchon der Belgier
überdrüſſig. Die engliſchen Zeitungen beklagen bit=
ter
, daß ſo viele belgiſche Flüchtlinge nach
Enland gekommen ſind und erklären es für höchſt
ungehörig, daß dieſe Leute nun in Großbritannien ſelbſt
Arbeit und Verdienſt finden ſollen; das ſei nicht zuläſſig,
ſchelten die Daily News, das müſſe die einheimiſchen eng=
liſchen
Arbeiter in Erbitterung verſetzen, wenn ihnen die
flüchtigen Fremdlinge Konkurrenz machen und die Ar=

beitsgelegenheit einſchränken. Höchſtens könne geduldet
werden, daß der britiſche Staat den Flüchtlingen Land=
gebe
, auf dem ſie ſich beſchäftigen, die einheimiſchen Ar=
beitskräfte
dürften aber nicht zurückgeſetzt werden. Daß=
die
Belgier für England, in Englands Dienſt, im Ver=
trauen
auf Englands Freundſchaft und engliſche Verſpre=
chungen
Leben, Leib und Land hingegeben haben und
nun, an den Bettelſtab gebracht, vor dem heranrückenden
Winter bei den Freunden um einen warmen Unterſchlupf
und ein wenig Nahrung, um ihren Hunger zu ſtillen, an=
pochen
; das rührt die Vornehmheit der Engländer nicht=
weiter
. Die Bettler ſind Fremdlinge und ſehr unbequem,
und im eigenen Behagen will ſich das engliſche Volk durch=
aus
nicht ſtören laſſen. Ein wenig Oedland, wie man es
Kriegsgefangenen zu bearbeiten gibt, und dazu ſchmale
Koſt: das iſt es, was die Engländer für die Belgier,
ihre Kriegsſklapen, übrig haben.

Zeppelinfurcht in London.

* London, 14. Okt. London bereitet ſich gegen mög=
liche
Ueberfälle durch deutſche Luftſchiffe, vor.
Rings um die Stadt und in den Vorſtädten ſind ſtarke
Fliegerabteilungen poſtiert. Die Zeppelinfurcht hat aucht
ein neues Geſchäft erfunden, die Verſicherung gegen
Luft gefahr. Eine große Zahl von berühmten Ge=
bäuden
hat ſich ſchon verſichern laſſen, und viele große Ge=
ſchäftshäuſer
ſind dieſem Beiſpiel gefolgt. Nach der Times
ſcheint folgender Tarif zu beſtehen: Beſchädigungen durch
Bomben und Granaten von feindlichen Flugzeugen ein
Prozent; Beſchädigungen durch Bomben und Granaten
von eigenen und feindlichen Flugzeugen einundeinhalbe
Prozent. Viele Bürger verſichern ihre Häuſer gegen die
Gefahr eines Luftbombardements. Lloyds berechnen 2½
Prozent Riſikoprämie.
Wir wollen nur wünſchen, daß ſich noch mancherlei
ereignen möge, was den Engländern Furcht und Schrecken
einjagt.

Angriffe auf Churchill

* Die Einnahmevon Antwerpen iſt den Eng=
ländern
in die Glieder gefahren und ſie ſcheinen allmäh=
lich
zu fürchten, daß die Vergeltung kommen werde. Die
Morningpoſt brachte eine ſcharfe Kritik gegen Ma=
rineminiſter
Winſton Churchill, dem die ganze Ver=
antwortung
für den Fall Antwerpens zugeſchrieben
wurde. Sowohl die Art, wie er die engliſchen Verteidi=
gungstruppen
zuſammenſtellte, als auch wie er ſie aus=
rüſtete
, erfuhr den ſchärfſten Tadel. Die meiſten Blätter
gehen vorläufig über dieſe Angriffe ſtillſchweigend hinweg.
Die Pall Mall Gazette bedauert jedoch den Eindruck, den
ein ſolcher Zwiſt in Deutſchland machen müſſe. Möglicher=
weiſe
habe jedoch die Morningpoſt mit ihren Angriffen
dem Lande einen Dienſt erwieſen, und ſie ſtimmt ihnen
im allgemeinen zu.

Der Krieg und die Neutralen.

* Berlin, 15. Okt. (W. T. B. Amtlich.) Die Nordd.
Allgem. Ztg. ſchreibt: Der von England ruchlos ange=
fachte
Krieg laſtet nicht bloß auf den unmittelbar krieg=
führenden
Völkern, er drückt auch mit Härte die Neutra=
len
. Die militäriſche Machtentfaltung zum Schutze ihrer
Neutralität beraubt ſie vieler ihrem wirtſchaftlichen Leben
daheim notwendigen Kräfte, und ihr auf einen regen Ver=
kehr
mit dem Auslande geſtellter Handel und Wandel wird=
nicht
nur durch den Kriegszuſtand an ſich, ſondern zum
Teil auch noch durch die Unbilligkeiten getroffen, die ihnen
wegen der Wahrung ihrer Neutralität angetan werden.
Es genügt, an die von England verſuchten oder ausgeführ=
ten
Schikanen zu erinnern. Zu den Koſten und Verluſten,
die dergeſtalt der Krieg den Neutralen auferlegt, treten die
Aufwendungen und Bemühungen, die ſie amtlich und pri=
vat
in dankenswerter Weiſe in reichlichem Umfange frei=
willig
in dem Dienſte der Menſchlichkeit leiſten. Man
denke daran, wie ſich auf dieſem Gebiete zum Beiſpiel
Amerika betätigte, vornehmlich aber auch, wie groß=
herzig
ſich Holland, die Schweiz und die ſkandi=
naviſchen
Staaten ſich ſofort des Stromes hilfs=
bedürftiger
Flüchtlinge und Ausgetriebener aller Nationen
annahmen, die der Kriegsſturm über die neutralen Gren=
zen
führte. Eben jetzt wieder hat Holland durch die Be=
lagerung
und den Fall von Antwerpen durch die Für=
ſorge
für die große Menge der vorher geflüchteten bürger=
lichen
Bevölkerung und der nachher übergetretenen Be=
ſatzungstruppen
eine neue ſchwere Laſt an verantwortlicher
Mühſal und mildherziger Hilfe aufgebürdet erhalten. Es
iſt recht und billig, daß wir in unſerer eigenen harten

Deutſche Kriegsbriefe.
Von Paul Schweder, Kriegsberichterſtatter.
Großes Hauptquartier, 9. Okt. 1914.
(Nachdruck verboten.)
XX.

Auf dem Turme St. Rombaud.
In dieſem Kriege iſt nichts heilig. Wir haben Ma=
ſchinengewehre
auf belgiſchen Kirchtürmen, Gewehrlager
in ehrwürdigen Kathedralen und Kanonen vor den Por=
talen
biſchöflicher Paläſte geſehen. Wir ſahen Dorfpfarrer
als Franktireurs enden und Mönche in Kutten mit hinter=
wärts
gebundenen Händen unter dem Verdacht des Hoch=
verrats
in eine deutſche Feſtung einliefern. Wir haben
es erlebt, daß Blut die Altarſtufen herabrann, daß uralte
Gotteshäuſer in Flammen aufgingen, daß Glockentürme
durch Granaten herabgeſchoſſen, Taufbecken zerſtört und
die Ruheſtätten der Toten von wildem Kampfgetümmel
durchtobt wurden. Man zwang uns, Franktireurs von
Kirchendächern und militäriſche Beobachtungspoſten von
den Türmen der Kathedralen herabzuſchießen, und ſchof
auf dieſelben Kirchendächer und Türme, ſobald wir von
den zu ihren Füßen liegenden Städten mit den Waffen
in der Hand Beſitz genommen hatten. Wir ſetzen nicht auf
ſeinen Schelm anderthalbe, aber wir zahlen mit gleicher
Münze heim, wenn auch wir jetzt auf die eroberten Türme
ſteigen, Ausſchau halten, unſere Verteidigung führen und
den Angriff weiter tragen.
So ſitzen wir heute auf dem Turm St. Rombaud.
Weithin dehnt ſich, einem ungeheuren Spieltiſch gleich, das
Land bis hinüber zu den grau=grünlichen Fluten des eng=
liſchen
Kanals. Und einem Spielzeug gleich ſteht die ſtolze
Feſtung Antwerpen am Nordrand, um die hier die eiſer=
nen
Würfel rollen. Zahlloſe kleine Waſſerläufe und Ka=
näle
durchſchneiden die Ebene und geſtalten ſie faſt zu einem
Schachbrett, auf dem zwei gleichwertige Gegner die leben=
den
Figuren ihres Spiels, Kanonen und Menſchen, in be=
wunderungswürdiger
Geſchicklichkeit hin= und herſchieben,
indes die Bauern längſt verſchwunden, auch die Pferdchen
eingezogen ſind, die ſtolzeſten Türme ins Wanken gerie=
ten
und gar bald ein: Schach dem König! ertönen wird.
410 Stufen führen zu dem Turme von St. Rombaud hin=
auf
. In 100 Meter Höhe genießt man einen wundervollen
Rundblick über die in der Tiefe liegende, völlig ausgeſtor=

bene Stadt. 60000 Einwohner wurden ſonſt durch das
ſchöne Glockenſpiel dieſes Turmes allmorgendlich geweckt.
Seine Glocken läuteten zur Frühmeſſe und zum Abend=
gebet
. Sie luden zu Taufe und Kommunion, zu Trau=
ung
und Begräbnis. Aber wie das gewaltige Glocken=
ſpiel
mit ſeinem 45tönigen Werk im Geſamtgewicht von
35000 Kilogramm auf einen Schlag verſtummte, als eine
Granate in ſeinen Antrieb hineinfuhr, ſo iſt auch der
eherne Mund der 16 großen Kirchenglocken da oben ver=
ſtummt
, denn vom Kardinalerzbiſchof bis zum letzten
Miniſtranten iſt alles den Mauern der Stadt entflohen,
die kein ſchützendes Obdach mehr boten, als die Kanonen
und Maſchinengewehre von Freund und Feind die Stadt
mit einem Eiſenhagel zu überſchütten begannen. Trau=
rig
und doch grotesk zugleich ſieht es aus, wie der Luft=
druck
der großen Geſchoſſe die Ziegel von den Dächern
herabgeworfen hat, ſo daß man unmittelbar von dem
Turm aus auch in das verſchwiegenſte Dachkämmerlein
hineinſehen kann. An einer anderen Stelle klafft ein Haus
in zwei Teile geborſten völlig auseinander und läßt uns
durch die Etagen hindurchſehen, von dem Reichtum in der
Tiefe bis zum ärmlichen Interieur einer Arbeiterwohnung
im oberſten Stock. Und das reichgeſchnitzte Büfett in der
Bel=Etage liegt gerade ſo zerſchmettert da, wie die Näh=
maſchine
der kleinen Fabrikarbeiterin im Dachſtübchen.
Und kein Laut, kein Ton dringt da von unten herauf. Deſto
lebhafter und geſchäftiger aber geht es hier oben in luftiger
Höhe zu. Zwiſchen das Gehwerk des Glockenſpiels und
die Triebräder der Kirchenglocken hat ſich ein Artillerie=
kommando
mit Zeiß=, Görz= und anderen Fernrohren, mit
Meßtiſchen, Karten und Plänen und ſogar mit einer voll=
ſtändigen
Telephonſtation gezwängt. Telephonleitungen
gehen von hier aus und bilden eine innige Verbindung
unſerer Batterien mit den freundlichen bayeriſchen Ar=
tillerieſtrategen
im Turm von St. Rombaud. Ein feind=
liches
Geſchütz feuert! Dem Auge kaum erkennbar, ſteigt
ein weißes Rauchwölkchen empor, und von vier Fenſter=
flügeln
des Turmes aus zugleich iſt es durch die ſcharfen
Gläſer geſichtet. Zahlen werden genannt, durcheinander=
geworfen
, zuſammengerechnet, Querſummen gezogen, und
plötzlich ſteigt eine Ziffer aus dem Chaos laut, ſcharf und
präziſe empor. Einmal, zweimal wird ſie wiederholt.
Schon iſt auch die Batterie beſtimmt, der die Zahl gilt,
und ehe noch das weiße Wölkchen ganz zerſtoben iſt, ſtei=
gen
drüben im überſchwemmten Feld, wohl an die 8 bis
10 Kilometer von der Stadt entfernt, vier ebenſolche weiße

Wölkchen auf, ein Donner rollt, daß die Erde bebt, und
unter Sauſen und Gedröhn gehen vier totbringende Ge=
ſchoſſe
auf den hier oben beſtimmten Punkt ab.
Noch einmal, zweimal wiederholt ſich das gleiche
Spiel, dann ſtrahlt des Höchſtkommandierenden ganzes
Geſicht. Noch vier mehr rechts, und wir haben ſie! Aber=
mals
Zahlen und Ziffernreihen und ihre Weitergabe in
die niedrige Telephonzelle, dann ein für alle Jünger der
heiligen Barbara hier oben ſpannungs= und erwartungs=
voller
Moment. Und nun ein Donnern und Blitzen mit
vielfachem Echo: drüben ſchlägt eine brennend rote Wolke
empor! Man hat ins Schwarze getroffen, denn unmittel=
bar
darauf geht ein ganzes Dorf in Flammen auf. Es
hat voll von feindlichen Truppen geſtanden, die unter dem
Schutze ihrer Batterien einen Vorſtoß gegen eines unſe=
rer
Seebataillone unternehmen wollten und von denen
nun Hunderte Antwerpen nicht wiederſehen werden. Aber
unbewegt bleibt unſere Artilleriſtenſchar hier oben. Denn
in ihren Händen liegt zu einem großen Teile das Schick=
ſal
unſerer braven blauen Jungen da unten zwiſchen
Heide und Moor. Jeder Augenblick iſt koſtbar, jede ein=
zelne
Zahl wichtig und jeder Rechenfehler unter Umſtän=
den
ein tragiſches Verhängnis. Als ich einen Augenblick
hinter das Zeltdach des Telephonkämmerchens blicke und
dort im unſicheren Halbdunkel die ſchattenhaften Um=
riſſe
des Mannes ſehe, der durch ein Wort, eine einzige
Zahl Tod und Verderben hinabſendet in die blühenden
Fluren rings um die ſtolze Handelsempore am Schelde=
ſtrand
, habe ich unwillkürlich eine Viſion: Moxs imperator
am Telephon! Längſt hat er die veraltete Senſe in die
Ecke geſtellt. Seine ungefüge Knochenhand iſt geſchmeidig
und gelenkig zugleich geworden. Sie verſteht das fein=
nervige
Mikrophon und den empfindlichen Taſter des
Telegraphen genau ſo ſicher und feſt zu handhaben, wie
den Abzug der 42=Zentimeter=Mörſer, und er wirft den
Eiſenpfeil aus dem franzöſiſchen Flugzeug ſo ſicher, wie
die Bombe aus dem Zeppelinluftſchiff. Sein Lied er=
klingt
im Surren der Automobilmotoren wie im Raſſeln
der Maſchinengewehre. Sein Auge blickt ebenſo ſcharf
durch das Periſkop des Unterſeebootes wie vom höchſten
Maſt eines Dreadnoughts.
Er ſtand auch unſichtbar neben mir, als ich ſpäter beim
zerſchoſſenen Forts Waelhem eines unſerer Seebataillone
zum Kampfe vormarſchieren ſah. Wir haben ſie alle be=
obachtet
, unſere Tapferen, wie ſie von Vater und Mutter,
von Weib und Kind fortzogen, wie ſie aus den Kaſernen=

[ ][  ][ ]

Nummer 285.

Darmſtätder Tagblatt, Freitag, den 16. Oktober 1914.

Seite 3.

Kriegsarbeit nicht verſäumen, den Blick voller Achtung
tund Bewunderung auf diejenigen Neutralen zu
lrichten, die zwar klein an Volkszahl, aber groß an Opfer=
willigkeit
ſind, und an menſchlichem Edelmut, den ſie in
dieſen Tagen, da die Völker auf Herz und Nieren geprüft
werden, wohltuend bekunden.

Das Großh. Regierungsblatt Nr. 35 vom
15. Oktober hat folgenden Inhalt: Bekanntmachung,
die Dienſtanweiſung der Gemeinde= und Stadtrechner
betreffend.
* Militärdienſtnachrichten. Befördert: Zu Oberleut=
nants
: die Leutnants a. D. Bichmann (I Düſſeldorf),
zuletzt im Inf.=Regt. Nr. 117, Röm held, Leutn. d. Ldw
a. D. (Gießen), zuletzt in der Landw.=Inf. 2. Aufgebots;
zu Leutnants der Reſerve: die Vizefeldwebel d. Reſ.
Scharff (Gießen), Pfannmüller (I Darmſtadt),
Heinſtadt (II Darmſtadt), Trautwein (Gießen),
jetzt beim Inf.=Regt. Nr. 143.
Ritter des Eiſernen Kreuzes. Das Eiſerne
Kreuz erhielten weiter: Netz, Leutnant und Bataillons=
adjutant
im Inf.=Regt. Nr. 132; Reinhard Wiener,
Leutnant der Reſerve im Inf.=Regt. Nr. 144, der Sohn
des Profeſſors an der hieſigen Techniſchen Hochſchule
Geh. Hofrat Dr. Wiener. Der Intendant der 21. Diviſion
Bruno Röder, Sohn des Lehrers J. Röder hier, erhielt
wegen ſeiner Verdienſte um die Verpflegung der Armee
das Eiſerne Kreuz 2. Klaſſe. Ferner wurde der Fahnen=
träger
des 3. Bataillons des 115. Infanterie=Regiments,
Sergeant Ludwig Heß in der 12. Kompagnie, mit dem
Eiſernen Kreuz ausgezeichnet.
-g. Kriegsgericht. Ein 15jähriger Fahnen=
flüchtiger
mußte geſtern vom Kriegsgericht zu der
Mindeſtſtrafe von 3 Monaten Gefängnis verurteilt
werden. Der Bäckerlehrling Karl Rumpf von Oberrad
hatte ſich im September, als er keine Arbeit hatte, als
Kriegsfreiwilliger gemeldet und auch, da er kräftig genug
war, beim Erſatzbataillon des Infanterie=Regiments Nr.
115 eingeſtellt worden. Er hatte ſich wohl den Militär=
dienſt
anders vorgeſtellt, denn eine Woche nach ſeinem Ein=
tritt
ſchon verließ er in ſeinen Zivilkleidern in
der Abſicht der dauernden Entfernung ſeinen
Truppenteil. Außer der Gefängnisſtrafe mußte

Stadt und Land.
Darmſtadt, 16. Oktober.

Unſer Großherzog im Felde.
D Der Großherzogliche Flügeladjutant Major Frei=
lherr
von Maſſenbach hat vom Kriegsſchauplatz folgenden
Bericht erſtattet:
Vom 22. September ab begleiteten Seine Königliche
Hoheit der Großherzog das 18. Armeekorps auf ſeinem
Marſch in weſtlicher Richtung und beſuchten das Kriegs=
lazarett
in Laon. Vom 25. ab nahmen Seine Königliche
Hoheit mit dem Generalkommando zuſammen Quartier
hinter der Mitte des 18. Armeekorps, welches ſeit dem
genannten Tag in heftigen ununterbrochenen Kämpfen
gegen ſtarke feindliche Kräfte weſtlich Roye ſteht. Der
Feind verteidigt ſich zähe in den Ortſchaften, welche eine
nach der anderen geſtürmt werden müſſen. Das 18. Armee=
korps
hat bereits 21 Dörfer genommen, eine hervorragende
Leiſtung und ein Beweis von der Tapferkeit und der Aus=
dauer
unſerer braven Truppen. Der Großherzog befand
ſich während dieſer Zeit ſtets beim Generalkommando, wo
ſelbſt der Kaiſer am 5. ds. Mts. eintraf, um verſönlich
über die Operationen Rückſprache zu nehmen. Seine
Majeſtät äußerten ſich bei dieſer Gelegenheit außerordent=
lich
anerkennend über die Leiſtungen der heſſiſchen Trup
pen. In den letzten Nächten hat die Diviſion verſchiedene
erbitterte Angriffe des Feindes zurückzuweiſen gehabt.
Am 4. ds. Mts. traf ein Automobilzug mit Liebesgaben
für die hefſiſche Diviſion ein. Der Großherzog veranlaßte
die alsbaldige Verteilung und Weiterbeförderung an die
Truppen in vorderſter Linie. Am 8. ließen Seine König=
liche
Hoheit ſich von einem Flieger des Armeekorps (vom
Infanterie=Regiment Nr. 87) Bericht erſtatten. Derſelbe
war am Morgen über Paris geweſen und hatte dort
einige Bomben geworfen.

auf Verſetzung in die zweite Klaſſe des Soldaten=
ſtandes
erkannt werden. 12 Tage der Unterſuchungshaft
wurden ihm angerechnet. Der Gardiſt Karl Brand
aus Miltenberg vom gleichen Erſatzbataillon hatte einem
Unteroffizier eine ungehörige Antwort auf einen Befehl
gegeben. Er wird wegen Achtungsverletzung zu
14 Tagen Gefängnis verurteilt. Der Dragoner
Otto Edelmann aus Altenſtadt von der Erſatzabtei=
lung
Dragoner=Regiments Nr. 23 wurde wegen uner=
laubter
Entfernung zu 3 Wochen Mittelarreſt ver=
urteilt
. Er hatte ſich von ſeiner Truppe entfernt und
8 Tage in Frankfurt herumgetrieben, wie er angibt, weil
er zu Unrecht eines Diebſtahls beſchuldigt wurde. Der
Musketier Heinrich Sieben vom Infanterie=Regiment
Nr. 118 hat in der Nacht zum 3. Auguſt den Wachtdienſt
verſchlafen, ſo daß ein Poſten an der Kaſerne einige Zeit
unbeſetzt blieb. Er hatte dem Alkohol reichlich zugeſpro=
chen
und auch mehrmals hintereinander Wache gehabt,
was mildernd ins Gewicht fällt. Er wurde zu 3 Mo=
naten
Gefängnis, abzüglich 10 Wochen der Unter=
ſuchungshaft
verurteilt. Der Kriegsfreiwillige Wilhelm
Seipel vom Infanterie=Regiment Nr. 118 hatte vor
ſeinem Dienſteintritt aus einer Badekabine ein Porte=
monnaie
mit 4 Mark Inhalt geſtohlen. Er wird zu
1 Woche Gefängnis verurteilt.
D Bekämpfung der Arbeitsloſigkeit. Zu der auch von
uns wiedergegebenen Anregung von Mitgliedern der ſämt=
lichen
Fraktionen der Zweiten Kammer der Stände wird
uns mitgeteilt, daß durch die Maßregeln, die von der
Großh. Regierung auf dem Gebiete des Staatsbauweſens
ſchon bei Verabſchiedung des Staatsvoranſchlags, alſo
lange vor Kriegsausbruch, wie alljährlich zu treffen waren,
der beabſichtigte Zweck zeitiger Vorſorge für reichliche Ar=
beitsgelegenheit
namentlich auch im Winter, ſoweit mög=
lich
, ſicher geſtellt iſt. Alle Kredite, die für Neubauten und
laufende Unterhaltungsarbeiten kleineren oder größeren
Umfangs im Staatsvoranſchlag vorgeſehen und von den
Ständen bewilligt werden, ſetzen ſo zeitige Vorlage der
fertigen Pläne und Koſtenvoranſchläge voraus, daß die
beabſichtigten Arbeiten in dem betreffenden Voranſchlags=
jahr
ausgeführt werden können. Dabei muß in mehr=
facher
Hinſicht auf die Jahreszeit Rückſicht genommen wer=
den
.
Für die Staaltsbauverwaltung ſollen im lau=
fenden
Rechnungsjahr für Hoch=, Straßen= und Waſſerbau.
noch Arbeiten mit einem Koſtenaufwand von über 2½
Millionen Mark ausgeführt werden. In der Staats=
forſtverwaltung
ſind für die bevorſtehende Holz=
ernte
in den Domanial= und Gemeindewaldungen unge=
fähr
3 Millionen Mark zu verwenden. Da die Hiebe nur
während der Wintermonate auszuführen ſind, wenn das
Holz nicht mehr im Safte ſteht, iſt hier lohnender Ver=
dienſt
für die in der Induſtrie und namentlich auch im
Baugewerbe ſeither beſchäftigten, ſowie für die in der
Landwirtſchaft nach Schluß der Kartoffelernte und Herbſt=
beſtellung
entbehrlichen Arbeiter geboten. Nach Berichten
der Oberförſtereien beſteht auf dieſem Gebiete nicht die
Sorge, daß es an Arbeit, ſondern daß es an Arbei=
tern
fehlen werde, um die vorgeſehenen Fällungen aus=
zuführen
.
Auch für die Arbeiten im Geſchäftsbereich der
Staatseiſenbahnverwaltung gilt zu einem gro=
ßen
Teil das bereits Geſagte. Dieſe beabſichtigt, die zahl=
reichen
im Hauptvoranſchlag für 1914 vorgeſehenen grö=
ßeren
und ebenſo die aus Betriebsmitteln zu beſtreitenden
kleineren Bauten, bei denen dies irgendwie möglich iſt,
in dieſem Winter ausführen zu laſſen. Hierfür ſtehen,
einſchließlich der Mittel für die Beſchaffung von Fahr=
zeugen
und für den Bau der Verbindungsbahn von =
desheim
(Geiſenheim) nach Sarmsheim (Ockenheim) faſt
10 Millionen Mark zur Verfügung. Noch nicht berückſichtigt
ſind hierbei die Arbeiten im Bereich der Main=Weſer=
Eiſenbahn, insbeſondere für die Umführungsbahn bei
Gießen. Soweit erforderlich, ſind darüber hinaus auch
neue Arbeiten vorgeſehen.
Die zu Anfang angedeuteten Geſichtspunkte ſind mehr
oder weniger auch für die Arbeiten der Provinzen, Kreiſe
und Gemeinden maßgebend. Es kann wohl geſagt wer=
den
, daß jetzt ſchon für die kommende Zeit Arbeitsgelegen=
heiten
vorhanden ſind, die den in Betracht kommenden
Erwerbskreiſen die Möglichkeit von Verdienſt im Werte
von vielen Millionen gewährleiſten. Wo ſich gleichwohl

die erfolgten Vorkehrungen nicht ausreichend erweiſen
ſollten, wird es an rechtzeitigen Maßregeln der Regierung
nicht fehlen.
Kriegsfürſorge Linderung der Arbeitsloſig=
keit
. Das Möbel= und Holzbearbeitungsgewerbe iſt durch
den gegenwärtigen Krieg ganz beſonders empfindlich be=
troffen
, da die Bautätigkeit faſt vollkommen aufhört und
genügende Neubeſtellungen für Wohnungseinrichtungen
und ſonſtige Schreinerarbeiten fehlen. Damit die zahl=
reichen
Arbeiter dieſes gerade für den hieſigen Bezirk
ſehr wichtigen Induſtriezweiges durch Entlaſſung nicht
in unverdiente Notlage kommen, haben die betreffenden
Firmen die Betriebe bisher ganz oder teilweiſe fort=
geführt
. Sie wenden ſich in einem Aufruf (Siehe An=
zeigenteil
) gemeinſam mit den Arbeitern an die in Be=
tracht
kommenden Kreiſe, ſie durch frühzeitige Vergebung
von Aufträgen zu unterſtützen, um auch fernerhin von
einer vollkommenen Stillegung der Betriebe abſehen zu
können. Wir empfehlen im wohlverſtandenen allge=
meinen
Intereſſe den Aufruf tätkräftig zu unterſtützen.
Mutterberatungsſtellen der Großh. Zentrale
für Mutter= und Säuglingsfürſorge in Heſſen. Be=
kanntlich
iſt das Eleonorenheim alsbald nach Ausbruch
des Krieges in ein Lazarett umgewandelt worden,
während die geſamte offene Fürſorge in der Stadt
Darmſtadt unverändert weiter geht. Die Beratungs=
ſtelle
, die ſich früher in der Heinheimerſtraße befand,
wurde im Auguſt in das Neue Hoftheater (Eingang
vom Herrngarten) verlegt. Alle Beratungsſtellen werden
dauernd gut beſucht. Die Beratungsſtunden
finden in den Wintermonaten von 46 Uhr ſtatt und
zwar im Neuen Hoftheater Montags, Mittwochs und
Freitags, in der Feldbergſtraße 69 Mittwochs und in
der Ludwigshöhſtraße 4 Dienstags.
Vergebung von Heereslieferungen. Bei der Bereit=
ſtellung
des umfangreichen Heeresbedarfs werden an die
Unternehmer auch in finanzieller Hinſicht erhebliche An=
forderungen
geſtellt, da ſie meiſt große Summen für baren
Einkauf von Rohſtoffen und Bezahlung von Arbeitslöhnen
vorlegen müſſen. Um die Heereslieferanten nach Möglich=
keit
in ihren Leiſtungen zu unterſtützen und noch wei=
tere
Kreiſe von Unternehmern an den Lie=
ferungen
zu beteiligen, wird allgemein bekannt
gegeben, daß auch ſchon Teillieferungen von den
Bekleidungsämtern und ſonſtigen Dienſtſtellen ange=
nommen
und ſofort nach der Abnahme be=
zahlt
werden können. Bei beſonders dringlichen Lie=
ferungen
können den Lieferanten auf hinlänglich begrün=
deten
Antrag auch Vorſchüſſe gewährt werden, um
ihnen Mittel zur Deckung der Koſten für die Herſtellung
der Waren in die Hand zu geben. Derartige Vorſchußan=
träge
ſind ſtets an die Dienſtſtellen zu richten, welche die
Beſtellung aufgegeben haben. Hierbei wird noch darauf
hingewieſen, daß Angebote auf Lieferung von Armee= Be=
kleidungs
= und Ausrüſtungsſtücken, ſowie Geſuche von
Schneidern, Schuhmachern, Sattlern uſw. um Beſchäftig=
ung
nicht an die Intendanturen, ſondern an die Beklei=
dungsämter
zu richten ſind. Da zurzeit für das 18. Armee=
korps
noch kein Bekleidungsamt eingerichtet iſt, kommen
als nächſtgelegene die Aemter Kaſſel, Koblenz, Karlsruhe
und Straßburg i. E. in Betracht.
* Verbeſſerung des Straßenbahnverkehrs. Auf
den Linien 1, 2 und 3 vom Hauptbahnhof nach dem
Böllenfalltor und der Landskronſtraße ſoll von heute ab
verſuchsweiſe der 7½=Minuten=Betrieb wieder eingeführt
werden. Entſprechend den im Vorjahre vorgetragenen
Wünſchen der von Ohlyſtraße bis Böllenfalltor Wohnen=
den
beginnt jetzt der viertelſtündige Verkehr um 12 Uhr
ſtatt ½3 Uhr. Im übrigen wird der Fahrplan auf
dieſen Linien wie im vorigen Winter unverändert,
mit Ausnahme des Fortfalls einiger Spätzüge, durch=
geführt
.
* Seinen 95. Geburtstag feiert heute Herr Rentner
Windhaus, in der Soderſtraße wohnhaft, in voller
geiſtiger Friſche.
* Arbeitsjubiläum. Der Handarbeiter Jakob
Hillgärtner kann am 16. Oktober auf eine 25jährige
Tätigkeit im Städtiſchen Gaswerk zurückblicken.
Vortrag. Am 14. Oktober hielt Herr Direktor
Diekmann aus Berlin im hieſigen Naturheilver=
in
einen Vortrag über das Thema: Der Krieg, eine
ernſte Mahnung zur naturgemäßen Lebens= und Heil=

toren ſchritten, auf den Eiſenbahnen in Feindesland fuh=
en
und von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt vormarſchier=
ten
. Aber wie ſie unmittelbar vor der Schlacht ausſahen,
wie ſie hier vor meinen Augen gewiſſermaßen das Tor
des Todes durchſchritten, das ſah ich hier zum erſtenmal.
Sie alle wußten: Jetzt wird es wirklich ernſt! In dieſem
Augenblick fiel alles von ihnen ab, was etwa noch klein
oder niedrig war. Ich ſah in alle dieſe Geſichter und ſah
nur fröhlich=ernſte Entſchloſſenheit und Zuverſicht. Sie
grüßten, indem ſie zum Tode gingen, den General, der
von hier aus die Schlacht leitete, und den Artilleriehaupt=
mann
, deſſen Batterie von hier aus feuerte. Sie grüßten
in ihnen König und Vaterland und neigten ſich im Stillen
vor Gott. Wenige Schritte vor uns ſchlägt mit heulen=
dem
Ziſchen eine Granate in die Chauſſee ein, daß der
Staub und Schmutz den erſten ins Geſicht ſchlägt. Aber
ſie achten es nicht. Es gibt nur dieſen einen Weg für ſie,
denn rechts und links der Straße fluten die aufgeſtauten
trüben Gewäſſer der Schelde. Noch einige Hundert Meter
vorwärts, und ich ſtoße auf die Schützengräben, in denen
ſchon die Kameraden vom anderen Bataillon ſich in Er=
wartung
des Angriffes eingegraben haben. In dieſem
letzten Augenblick nimmt faſt ein jeder noch einen Brief=
bogen
oder eine Feldpoſtkarte zur Hand und ſchreibt auf
dem Torniſterfell den Lieben daheim einen Gruß. Es
könnte ja der letzte ſein! Wir nehmen ſie ſelbſtverſtändlich
mit hinter die Front zurück. Und tauſend unausgeſpro=
chene
Wünſche geben wir ihnen mit, denen hinten am
rauchgeſchwärzten Horizont ein herrliches Wahrzeichen
leuchtet: der feingegliederte weiße Turm der Kathedrale
von Antwerpen, in deſſen Schutz und Schirm ſie alle ſtehen
möchten nach dem letzten großen Sturm dieſer Tage!
Als ſich die Abendnebel herniederſenken, umgibt ihn wie
eine gewaltige Gloriole der Feuerſchein der brennenden
Städte und Dörfer im weiten Umkreis. Aber hoch über
Brand und Dünſten leuchtet das goldene Kreuz an der
Spitze des Domes, und in dieſem Zeichen werden ſie ſiegen!

Aus Feldpoſtpriefen.

* Dem Feldpoſtbrief einer Schweſter des
Heſſiſchen Diakonievereins (geſchrieben wäh
rend einer Nachtwache), Sch., 27. 9. 14., entnehmen wir
folgendes: Liebe Eltern! Unſer zweiter Sonntag hier
in S. iſt vorüber. Den Abend ſchloß ich auf meiner Sta=
tion
mit Vorleſen aus den Perlen der Bibel ab. Gern
hätte ich noch . . .s Predigt vorgeleſen; aber ich ſpare

ſie mir für morgen auf: wir hatten heute einen kurzen
Gottesdienſt im Speiſeſaal für unſere Soldaten, und ſie
ſollen doch jeden Tag eine Freude haben. Sie ſind ja zu
rührend dankvar, jeder will mich nach dem Krieg beſuchen!
Um nun jetzt ſchon ihre Dankbarkeit zu beweiſen, helfen ſie,
wenn ſie kaum ausgeſchlafen haben und wieder krabbeln
können, den Saal putzen, Betten machen uſw. Heute
brachte mir einer ſogar ſelbſtgeſammelte Nüſſe mit von
einem Spaziergang. So ſucht jeder einem die Arbeit leich=
ter
zu machen. Die Arbeit geht hier ziemlich gleichmäßig
weiter; das Haus überfüllt. 160 Patienten; 30 ſind mir
übertragen, auf meinem Speicher mein abgeſchloſſenes
Reich, was ich um keinen Preis wieder hergeben möchte!
Die verſchiedenſten Leute liegen nebeneinander, z. B.
ein Ingenieur, ein Bauer aus Tegernſee (Knöpfle heißt
er, hat beeſe Fißn und tanzt immer Schuhplattln mit
ſeinen verbundenen Zehen, urkomiſch!), ein Bockenheimer
Friſeur, ein Maurer aus Homberg an der Ohm und ſo
geht es weiter. Die erſten Tage ſind ſie immer in gedrück=
ter
Stimmung; bis ſie ausgeſchlafen und ſich ſatt gegeſſen
haben, heben ſich auch die anderen Schmerzen. Aber
ſchrecklich herunter ſind die armen Landwehrleute, alle
haben etwas Ordentliches abbekommen. Rührend iſt im=
mer
das Wiederſehen mit den Frauen. Von weither kom=
men
ſie angefahren, können dann nicht mehr zurück und
müſſen womöglich hier noch übernachten: ein gewaltiger
Betrieb iſt das am Abend. Wehmütig klingen die Hei=
mats
= und Kriegslieder, die die Landwehrleute abends
ſingen. Aber alle ſind ſo väterlich und freundlich gegen
die Schweſtern, anders wie ich die Leute früher im Kran=
kenhaus
kennen gelernt hatte. Vom Speicher ließ ich Tiſche
holen, ſuchte Feldblumen und ſtellte ſie darauf: ſie haben
ſolche Freude an kleinen Aufmerkſamkeiten, daß ſie nicht
genug danken können dafür. Die Blümchen bekommen
mindeſtens zehn Mal am Tag friſches Waſſer! Heute wurde
z. B. ein Kranker auf einem Wägelchen angebracht. Kein
Menſch dachte an den Soldaten, der draußen bei den Pfer=
den
warten mußte. Als er nun Suppe erhalten hatte und
ich ihm altes Brot und Zucker für ſeine Gäule brachte,
fand das Vergelts Gott kein Ende mehr. Onkel K.
ſchickte mir 100 Mark für die Verwundeten. Durch Prof
S. laſſe ich Sachen kaufen und bringe ſie ſelbſt mit einem
Offizier an die Front hinter den Donon. Ich bin wirklich
glücklich über das Geld.
12 Uhr nachts.
Ich habe eben Nachtwache bei einem ſterbenden Kame=
raden
. Wir werden ihn wohl kaum durchbringen; ein Gra=
natſplitter
hat ihn innerlich arg zugerichtet, und nun iſt

noch Bauchfellentzündung hinzugetreten, daß er wohl ſein
Leben laſſen muß. Er iſt erſt 38 Jahre. Seine Frau in
der Nähe Straßburgs iſt benachrichtigt worden. Hoffent=
lich
trifft ſie ihren Mann noch lebend an. Ein Bild von
tauſenden in dieſer Zeit. So wird auch unſer kleiner
Wieſenfriedhof immer größer. Iſt eine Soldatenbeerdi=
gung
, ſo wird der ſchlichte weiße Sarg von vier Kameraden
getragen und ihm folgt ein kleiner Trupp Soldaten der
Anſtalt. Auf dem Weg zum Donon ſind mehrere Maſſen=
gräber
und manches Kreuz (ohne Namen) auch für die ein=
zelnen
Gefallenen geſetzt. Immer noch hört man Kanonen=
donner
, und unheimliches Regen= und Sturmwetter tobt
wieder draußen. Nun werde ich bald abgelöſt.
Jetzt ſind ſogar noch Diakoniſſinnen aus Bethel hier.
Eine köſtliche Tafelrunde beim Mittageſſen. Zwei Pfleger=
innen
, die keinem Verband angehören, eine Rote=Kreuz=
Schweſter, wir vom Diakonieverein, die Diakoniſſin, der
Herr Kaplan aus S. (arbeitet im Büro als Schreiber),
ein Sekretär, die kranken Offiziere, die ſchon auf ſein dür=
fen
: alſo ein recht buntes Bild und merkwürdige Unter=
haltungen
.
Jetzt aber endlich Gute Nacht und herzliche Grüße!
* Aus dem Feldpoſtbrief eines deutſchen Flie=
gers
vom 20. September ſei folgendes mitgeteilt: Lieber
Vater! Daß Ihr von mir bislang wenig gehört habt,
liegt im Weſen unſeres Aufmarſches in Belgien und ſon=
ſtigen
Truppenverſchiebungen bei der Armee, wodurch es
öfters notwendig war, die Poſt zurückzuhalten. Nun
klappt ja alles gut und ich bekomme oft Nachricht von Euch.
Ich war ſchon in großer Angſt wegen des Geldes, es iſt
ja nun angekommen. Sobald es möglich iſt, ſetzet meine
gefütterten Stiefel und ganz dicke Handſchuhe in Marſch,
denn es iſt jetzt ſchon barbariſch kalt in der Luft, geſtern
in 2000 Meter Höhe nur 4 Grad. Die ſcheußliche Sturm=
periode
, von der Du ſchreibſt, iſt nun Gott ſei Dank vor=
über
und wir können wieder feſte fliegen. Du ahnſt gar=
nicht
, oder hörſt es nur aus Zeitungen, was die Fliegerei
für eine enorm wichtige Waffe in der Aufklärung iſt, die
Kavallerie wird vollkommen durch uns in den Schatten
geſtellt, man merkt es vor allem bei ſchlechtem Wetter, wo
die Führer nach uns wie nach Brot ſchreien. Dabei iſt die
Sache verflucht ſchwer, miſerable Karten und das dauernde
Beſchoſſenwerden, wir haben auch ſchon dementſprechende
Verluſte, jede Abteilung hat bedeutende Ausfälle. Wir
haben ſeit über 14 Tagen einen furchtbaren Kampf, die
Franzoſen kämpfen mit dem Mut der Verzweiflung. Un=
ſere
braven Truppen gewinnen aber Schritt für Schritt
Terrain, allerdings unter großen Verluſten, aber die Füh=

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Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 16. Oktober 1914.

Nummer 285.

weiſe‟ Der Inhalt des Vortrags war ungefähr folgen=
der
: Einige Zeit vor Kriegsausbruch erhoben ſich Beden=
ken
, ob Deutſchlands Aushebeziffer nicht ſoweit zurückge=
gangen
ſei, daß es einem an Zahl überlegenen Feinde ge=
wachſen
ſei; man fragte ſich auch, ob die politiſchen Ge=
genſätze
der erforderlichen Einheit nicht nachteilig wären
Aber alle Zweifel wurden zerſtreut, die Welt war er=
ſtaunt
über unſere Einheit, Geſchloſſenheit und Leiſtungs=
fähigkeit
. Wie ſtach doch das Angebot unſerer Kriegs=
freiwilligen
gegen England ab, das betteln muß, um nur
100000 Mann aufzubringen! Und ſtets gehen neue Scha=
ren
zur Front, um die Verluſte zu decken. Ziffernmäßig
betragen dieſe an Toten 3 Prozent, an Schwerverwundeten
5 Prozent. an Leichtverwundeten 4 Prozent, an Vermiß=
ten
9 Prozent; noch nicht feſtſtellen läßt ſich der Prozent=
ſatz
von Verluſten, welche wir vorausſichtlich durch an=
ſteckende
Krankheiten, Ruhr, Cholera und Typhus, haben
werden. Da erhebt ſich denn die Frage nach der Seuchen=
feſtigkeit
. Die Naturheilkunde beſitzt, wie die Heilerfolge
des Oberſten Spohr im Kriege 1866 und 1870/71 an Chole=
rakranken
zeigen, die Mittel, geſundes Blut, das beſte
Abwehrmittel gegen Krankheiten, zu ſchaffen. Größte
Sauberkeit, Sonne und friſche Luft ſind die beſten Des=
infektoren
. Aber der Krieg iſt nicht nur eine Lebensoffen=
barung
, wie ſchon während des Friedens der Menſch an
ſich gearbeitet hat, durch beſtes Blut ſeuchenfeſt zu werden,
ſondern auch eine Lebenserneuerung, die das deutſche
Volk zwingen wird, in der Lebensmittelfrage Bahnen
zu gehen, die vorher der großen Maſſe unbekannt waren.
Der Gegner, der uns zu vernichten ſucht, wird unſer eige=
ner
Lebenserwecker werden. Er wird uns zwingen, auf
die giftigen Genußmittel Kaffee, Tee, Kakao zu verzichten,
für Eier, die bisher zu einem großen Teil aus dem Aus=
land
eingeführt werden mußten, und für Fleiſch, das viel=
leicht
auch bald knapp werden wird, Erſatz zu ſchaffen in
Getreide und Kartoffeln, die in beſſerer Weiſe als ſeither
ausgebeutet werden müſſen. Verwiſcht und ausgetilgt
hat der Krieg ſchon den Gegenſatz zwiſchen den Parteien,
Beruf und Stellung, er bringt auch eine neue Mode,
namentlich für die Frauen, die in erſter Linie berufen ſind,
Erſatz zu ſchaffen für die auf dem Felde der Ehre gefal=
lenen
Menſchenleben und zerſtörten Intelligenzen. Die
Hoffnung der Zeit beruht auf der Mutter.
** Dank vom Felde. Herr Taeger, Vizewachtmeiſter
beim Stabe, ſchreibt uns im Auftrag unterm 5. ds.: Ver=
ehrliche
Redaktion bittet der Stab der 25. Feldar=
tillerie
=Brigade unſeren herzlichſten Dank allen
denen zu übermitteln, die zur Sammlung der Liebes=
gaben
, die heute verteilt worden ſind, beigetragen haben.
Wir alle haben uns ſehr darüber gefreut. Wir werden
unſeren Dank auch dadurch bezeugen, daß wir weiter
unſere Pflicht tun zum Schutz und Heil unſeres lieben
Heſſenlandes. Mit Gott!
* Der Verein für Sammlung von Zigarren=
abſchnitten
zur Unterſtützung bedürftiger Kinder durch
praktiſche Weihnachtsgeſchenke muß nunmehr zur Ver=
wertung
der geſammelten Spenden an Abſchnitten,
Stanniol ꝛc. ſchreiten und die geehrten Mitglieder,
ſowie die Freunde des Vereins bitten, die Sammel=
ergebniſſe
baldmöglichſt zur Ablieferung gelangen zu
laſſen. Zur Abnahme der Spenden ſind ſtets bereit:
die Knabenarbeits=Anſtalt, Hofbuchdruckerei Kichler,
Reviſionsgeometer Lindenſtruth, Rückertſtraße 26, und
Rechnungsrat Kalbfleiſch, Soderſtraße 9. Auf gefällige
Benachrichtigung erfolgt Abhebung der Sammlung.
* Der Verkauf des Extrablatts Nr. 142 des
Darmſtädter Tagblatts brachte 31,10 Mk. ein, die ar
die Sammelſtelle für die Hinterbliebenen von Kriegs=
teilnehmern
und ſonſtigen Hilfsbedürftigen der Stadt
Darmſtadt abgeliefert wurden.

S. Griesheim (Darmſtadt), 15. Okt. Wie vielfältig die
Opferwilligkeit für unſere Soldaten im
Felde zum Ausdruck kommt, zeigt ſich auch an folgendem
Beiſpiel, das der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten wer=
den
darf. Der Herausgeber unſeres Ortsblattes ſchickte
vor einigen Tagen an eine Kompagnie des 115. Infan=
terie
=Regiments 2000 Feldpoſtkarten mit vorſchriftsmäßi=
gem
Vordruck, 700 Briefbogen mit Umſchlägen, 50 Blei=
ſtifte
und mit Tabak wurden die Lücken im Paket aus=
gefüllt
.
Rüſſelsheim, 15. Okt. (Unglücksfall.) Durch
einen traurigen Unglücksfall fand der 24jährige Julius
Herrlich von hier, der gleich nach der Mobilmachung
als Erſatz=Reſerviſt eingezogen wurde, den Tod. Es
wurden ihm am letzten Sonntag in Nieder=Walluf von

einem Schnellzug beide Beine abgefahren und der Bruſt=
korb
eingedrückt, ſo daß er alsbald ſtarb. Herrlich war am
letzten Sonntag zur Wache kommandiert; von derſelben
zurückkehrend, ſtieg er auf der verkehrten Seite des Zuges
aus, wodurch dieſes Unglück herbeigeführt wurde.
(Selbſtmord.) In der vergangenen Nacht hat die
Witwe Hummel, hier, Frankfurter Straße, ihrem Leben
durch Erhängen freiwillig ein Ende bereitet.
Alzey, 15. Okt. (Reiche Spende.) Eine hieſige
Zigarren=Großhandlung ſtiftete dem hieſigen Roten Kreuz
10000 Zigaretten für unſere Krieger und Verwun=
beten
.

rer ſehen ſehr freudvoll in die Zukunft, da die Franzmän=
ner
doch allmählich mürbe werden, dafür der Deutſche um
ſo zäher und erbitterter. Daß ich das Eiſerne Kreuz er=
halten
habe, werdet Ihr wohl inzwiſchen erfahren haben
und lege ich auch ein Bild von mir im Schmucke des Kreu=
zes
bei. Nun muß ich ſchließen, mein Führer ruft zu
einem Erkundigungsflug, auf welchem wir die Herren
Franzoſen auch mit einigen Liebesgrüßen aus der Luft
(10 Kilogramm=Bomben) beglücken wollen.
S. Aus einem Feldbrief eines 115er, 12.
Kompagnie, vom 2. Oktober (abgeſtempelt am 5. Oktober)
Nachdem wir uns vor . . . 5 Tage lang mit den Turkos
geſchlagen, die ungeheuere Verluſte erlitten, wurden wir
abgelöſt und ſetzten unſeren Marſch fort. Vor 8 Tagen
kamen wir mit einem neu zuſammengeſtellten Gegner
(meiſt ältere Landwehrleute) in Fühlung. Seit dieſer
Zeit liegen wir ununterbrochen im Gefecht und haben den
Feind unter bedeutenden Verluſten ſchon ziemlich zurück=
geſchlagen
. Natürlich auch bei uns gab es, jedoch im Ver=
hältnis
zum Gegner, nur geringe Verluſte. Heute nacht
zählte ich in der Umgebung 8 in Brand geſchoſſene Dörfer.
Nur die Kirchen ragen noch unverſehrt aus den Trümmer=
haufen
empor. Ein ſchauriger Anblick. Die Einwohner
ſind, mit dem Notwendigſten verſehen, geflüchtet. Nur
einzelne alte, nicht mehr transportfähige Leute haben ſich
in ihre Keller geflüchtet. Einem alten Manne überreichten
wir vorgeſtern in ſeiner kümmerlichen Lage warme Suppe
die er dankend annahm. Im Felde läuft das Vieh herren=
los
herum und ſcharenweiſe liegt es, von der Artillerie
getroffen, tot am Boden. Ausgezeichnet iſt das Ver=
halten
unſerer braven Truppen. Den Tod nicht ſcheuend
ſtürzen ſie vorwärts, jeder wohlbewußt, daß es ſich um
Hab und Gut der Lieben in der Heimat handelt. Was
die Verpflegung anbelangt, kann ſie nur als äußerſt gut
bezeichnet werden. Bei unſerem ſchnellen Vorwärtsgehen
kam es ja vor, daß die Lebensmittelwagen nicht nach=
kamen
und Schmalhans auch mal Küchenmeiſter war.
Wir liegen hier in mannestiefen Schützengräben, nur
400 Meter vom Gegner entfernt. Unſere Feldküchen ſind
am Tage außer Schußweite hinter die Gefechtslinie zurück=
gezogen
und kommen bei Einbruch der Dunkelheit zu uns
heran. Daß es einem da vorzüglich ſchmeckt, könnt Ihr
Euch wohl denken. Rauchmaterial haben wir nie zu viel.
Schickt nur fleißig Tabak. Er iſt ausgiebiger als Zigarren.
Sonſt ergebt es mir mit Gottes Hilfe noch recht aut .

Reich und Ausland.

Kronberg, 15. Okt. Ihre Majeſtät die Kaiſerin
war heute vormittag mit dem Prinzen Oskar und Gemah=
lin
auf Schloß Friedrichshof eingetroffen und kehrte nach
der Frühſtückstafel nach Bad Homburg zurück. Auf
Schloß Friedrichshof fandhheute nachmittag wieder ein
Liebesmahl für die verwundeten Krieger
ſtatt. 24 im hieſigen Krankenhauſe und in Hauspflege be=
findliche
verwundete Kronberger wurden von Frau Prin=
zeſſin
Friedrich Karl von Heſſen und ihrer Hofdame Frl.
v. Hiddeſſen bewirtet.
München, 15. Okt. Ueber das Befinden des
Königs wird amtlich mitgeteilt: Der heute vorgenom=
mene
Verbandwechſel ergab einen vollkommen normalen
Verlauf. Der König machte geſtern eine Ausfahrt nach
Nymphenburg und einen mehrſtündigen Spaziergang im
Schloßpark.
Stuttgart, 15. Oktober. Das am 1. Oktober abends
9½ Uhr im öſtlichen Teile unſeres Landes an vielen
Orten verſpürte Erdbeben hatte ſeinen Herd, wie die
Erdbebenwarte Nördlingen feſtgeſtellt hat, in Bayern
nahe Eichſtädt, etwa 50 Kilometer nordöſtlich Nördlingen.
Trieſt, 15. Okt. Geſtern vormittag entſtand auf der
Werft von Monf al cone aus noch nicht feſtgeſtell=
ter
Urſache ein Brand unter dem Baugerüſt des
neuen Dampfers Nr. 39, deſſen Stapellauf für Januar
nächſten Jahres in Ausſicht genommen war. Das Feuer
nahm in kurzer Zeit einen großen Umfang an. Von den
hoch aufſchlagenden Flammen wurden auch die Bau=
gerüſte
der zu beiden Seiten auf Stapel liegenden Damp=
fer
Nr. 47 und 67 erfaßt. Nach anſtrengender Arbeit, an
der außer den Feuerwehren auch die Landſturmabteilung
in Monfalcone, das Matroſendetachement auf der Werft
und die Gendarmen von Manzano und Monfalcone teil=
nahmen
, wurde der Brand nach fünf Stunden gelöſcht.
Durch die Hitzeentwicklung ſind die Schiffsplatten am
Bug gekrümmt worden. Der Schiffskörper iſt im Innern
ſtark beſchädigt. Der Schaden iſt ſehr bedeutend.
Athen, 15. Okt. König Ferdinand von Rumä=
nien
hat die Beileidsbezeugungen des Miniſterpräſiden=
ten
Veniſelos mit einem herzlichen Telegramm be=
antwortet
, in dem er ſagt, daß ſein Dank um ſo herzlicher
ſei, als die Worte der Sympathie aus einem Lande kämen,
deſſen Freundſchaft für Rumänien auf vielen gemein=
ſamen
Intereſſen beruhe.

Zur Vorgeſchichte des Krieges.

* Berlin, 15. Okt. Die Nordd. Allgem. Zeitung
veröffentlicht amtliche Aktenſtücke zur Vor=
geſchichte
des Krieges und leitet dieſe Veröffent=
lichung
mit folgenden Worten ein:
Angeſichts der bei unſeren Gegnern hervortretenden
Beſtrebungen, der deutſchen Militärpartei und dem
Militarismus die Schuld an dem gegenwärtigen Kriege
zuzuſchieben, veröffentlichen wir nachſtehend eine Reihe
von Berichten von deutſchen diplomatiſchen
Vertretern im Auslande, welche die politiſchen und
militärpolitiſchen Beziehungen der Entente=
mächte
vor dem Kriegsausbruch zum Gegen=
ſtand
haben. Von der Bezeichnung der berichtenden Stel=
len
und dem genauen Datum iſt aus naheliegenden Grün=
den
abgeſehen worden. Die Schriftſtücke ſprechen für ſich
ſelbſt. Immer enger werden die Maſchen des
Netzes, in die es der franzöſiſchen Diplomatie, Deutſch=
land
zu verſtricken gelang.
Der erſte Bericht iſt aus dem März 1913. Es heißt
darin: Schon in den erſten Phaſen des Marokkokonfliktes
hat bekanntlich England an Frankreich Zuſagen militäri=
ſcher
Natur gemacht, die ſich inzwiſchen zu konkreten
Vereinbarungen der beiderſeitigen Generalſtäbe
verdichtet haben. Die bezüglichen Abmachungen laſſen
die Kooperation zu. Ferner erfahre ich von einer gewiſſen
gut unterrichteten Seite folgendes: Die engliſche Flotte
übernimmt den Schutz der Nordſee, des Kanals und des
Atlantiſchen Ozeans, um Frankreich die Möglichkeit zu
geben, ſeine Seeſtreitkräfte im weſtlichen Baſſin des Mit=
telländiſchen
Meeres zu konzentrieren, wobei ihm als
Stützpunkt für ſeine Flotte Malta zur Verfügung geſtellt
iſt. Details beziehen ſich auf die Verwendung der franzö=
ſiſchen
Torpedoflottille und der Unterſeeboote im Kanal
Das Kommando des engliſchen Mittelmeergeſchwaders iſt
bei Ausbruch des Krieges einem franzöſiſchen Admiral
unterſtellt. Ein Anzeichen für die Haltung der engliſchen
Regierung während der Marokkokriſis, in welcher ſie ſich
als ein ebenſo kritikloſes wie gefügiges Werk=
zeug
der franzöſiſchen Politik erwieſen hat, und bei der
heutigen Stellung Greys, der den franzöſiſchen Chauvinis=
mus
zu neuen Hoffnungen ermutigte und der franzöſiſchen
Regierung eine Handhabe bot, um einen weiteren Nagel
in den Sarg zu treiben, in welchem die Ententepolitik die
politiſche Entſchließungsfreiheit Englands bereits gebettet
hatte.
Von beſonderer Seite erhalte ich Kenntnis von einem
Notenwechſel, der im Herbſt vergangenen Jahres
zwiſchen Grey und dem Botſchafter Cambon ſtattgefunden
hat. In dieſem Notenwechſel vereinbaren die engliſche
und die franzöſiſche Regierung für den Fall eines drohen=
den
Angriffs von ſeiten einer dritten Macht, ſofort einen
Meinungsaustauſch darüber, ob ein gemeinſames
Handeln zur Abwehrung des Angriffes geboten und
gegebenenfalls ob und inwieweit die beſtehenden militäri=
ſchen
Vereinbarungen zur Anwendung zu bringen ſeien.
Die Faſſung der Vereinbarungen trägt in ſeiner Berech=
rung
der engliſchen Neutralität Rechnung. England über=
nimmt
formell keinerlei Verpflichtungen zu militäriſcher
Hilfeleiſtung, Es behält dem Wortlaut nach die
Hände frei, ſtets nur ſeinen Intereſſen entſprechend
handeln zu können. Das heißt aber bei dieſen Vereinbarun=
gen
in Verbindung mit den getroffenen militäriſchen Ab=
machungen
, daß England ſich de kacta dem franzöſi=
ſchen
Revanchegedanken bereits rückhalt=
losverſchrieben
hat. Die engliſche Regierung ſpielte
ein gefährliches Spiel. Sie hat mit ihrer Politik Kriſen
hervorgerufen, die Europa zweimal an den Rand
des Krieges gebracht haben. Die Ermutigung, die
es direkt oder indirekt dem franzöſiſchen Chauvinismus
zuteil werden läßt, kann eines Tageszu einer Ka=
aſt
rophe führen, bei der engliſche wie franzöſiſche

Soldaten auf franzöſiſchen Schlachtfeldern die engliſche
Einkreiſungspolitik mit ihrem Blute bezahlen werden.
Die Saat, die König Eduard geſät hatz
geht auf.

Deutſche Kleidung.

In wahrhaft erhebender Weiſe iſt die Einigkeit und
die Vaterlandsliebe des deutſchen Volkes bei Beginn des
Krieges zu Tage getreten. Mit bewundernswerter Selbſt=
verſtändlichkeit
ſind von allen, von Mann wie Frau, für
das Vaterland Opfer gebracht worden, die für alle Zeiten
als ein leuchtendes Beiſpiel des hohen ſittlichen Wertes
unſeres Volkes daſtehen werden.
Wir deutſchen Frauen haben alle, je nach Fähigkeit
und Stellung, ſeit Beginn des Krieges in größerem oder
kleinerem Kreiſe nach Kräften gewirkt, und jede noch ſo
große und ſchwere Forderung, die etwa in Zukunft an uns
herantreten ſollte, werden wir gern auf uns nehmen, wenn
es ſich um das Wohl des Vaterlandes handelt. Der
augenblickliche Krieg, der durch Neid und Mißgunſt des
Auslandes über unſere wirtſchaftlichen Erfolge herauf be=
ſchworen
iſt, bietet der Frau ein neues Arbeitsfeld, wenn
ſie ſich im Intereſſe unſeres Wirtſchaftslebens für eine
vom Ausland und von ausländiſcher Mode unabhängige,
der deutſchen Frau würdige Kleidung einſetzt und damit
auch zu ihrem Teil beiträgt, unſere wirtſchaftliche Unab=
hängigkeit
zu fördern. Der Fernſtehende bedenkt nicht
wie hoch dieſe Arbeit, auch wenn ſie ſich beim Einzelnen in
engen Grenzen bewegt, der Allgemeinheit nützt, wenn man
berückſichtigt, in welchem Umfange der Bedarf unſerer Be=
kleidungsinduſtrie
durch den Einfluß der franzöſiſchen
Mode im Ausland gedeckt wird, und wie unſerer an ſich
nicht minder leiſtungsfähigen einheimiſchen Induſtrie,
durch Ueberſchätzung ausländiſcher Ware, die Arbeits=
möglichkeiten
erſchwert werden.
Allein nicht nur in volkswirtſchaftlicher, auch in künſt=
leriſcher
und ethiſcher Beziehung entſtehen uns durch Nach=
ahmung
der franzöſiſchen Mode Schäden. Die künſtleriſche
Entwickelung Deutſchlands iſt ſo mächtig geweſen, daß
ſie auch fernſtehendere Gebiete in Handwerk und Induſtrie
künſtleriſch aufs günſtigſte beeinflußt hat. Nur die Klei=
dung
macht eine unrühmliche Ausnahme, was um ſo be=
dauerlicher
iſt, als gerade die Kleidung ein ziemlich ſicheres
Dokument für den Stand der Kultur eines Volkes abgibt.
Die franzöſiſche Damenmode trägt den Stempel der Deka=
denz
in künſtleriſcher und ethiſcher Beziehung. Iſt nun
eine derartige Kleidung der deutſchen Frau angepaßt?
Wir ſollten unſer geſundes, natürliches Empfinden nicht
abſtumpfen laſſen, auch nicht durch Maſſenerſcheinung auf
dieſem Gebiete!
Der Verband für neue Frauenkleidung und Frauen=
kultur
arbeitet ſeit Jahren an der Verbeſſerung der
Frauenkleidung in geſundheitlicher, künſtleriſcher
und volkswirtſchaftlicher Beziehung. Die Zahl
ſeiner Anhänger iſt, beſonders ſeit Beginn des Krieges, in
ſteter Zunahme begriffen, aber die Mitarbeit aller
Frauen iſt notwendig, wenn die deutſche Mode nicht nur
eine vorübergehende, durch wirtſchaftliche Notlage hervor=
gerufene
Zeiterſcheinung werden ſoll. Die deutſche Klei=
dung
kann nur dann lebensfähig geſtaltet werden, und
zwar der Art, daß ſie allen Anforderungen entſpricht, wenn
derfeſte Willeund die Mithilfealler Frauen
dafür vorhanden und wenn der Sinn für das Ge=
ſamtwohl
des deutſchen Volkes in allen
lebendig iſt. Die deutſche Kinderkleidung iſt in dem
Kreiſe der Anhänger des Verbandes entſtanden und hat
ihren Siegeslauf durch die ganze Welt angetreten. Laßt
uns Sorge tragen, daß auch die deutſche
Frauenkleidung Gemeingut aller werdel
Deutſche Frauen, die Ihr mit klarem Auge
die Not unſerer Zeit überblickt, ſteht nicht un=
tätig
, gleichgültig oder gar geringſchätzend bei Seite!
Schließt Euch uns an, arbeitet mit uns, ſoweit es in
Euren Kräften ſteht! Bedenkt, daß wahrhaft deutſches
Weſen ſich nur dann dauernd durchſetzen wird, wenn es
alles durchdringt: unſere Geſinnung, unſere Lebensart,
unſere Kleidung! Der Verband trägt von jetzt an den
Namen:
Verband für deutſche Frauenkleidung und Frauenkultur.
Leipzig=Lindenau, Lützenerſtraße 11.

Der Prozeß von Serajewo.

* Serajewo, 15. Okt. Bei der Fortſetzung des
Verhörs ſchildert der Angeklagte Princip eingehend
das Zuſammentreffen der Verſchwörer in Tuzla zur Ent=
gegennahme
der Bomben und Waffen von Jovanovitſch.
Am Tage des Attentats verteilte Ilitſch in ſeiner Woh=
nung
in Serajewo die Bomben und Waffen unter die
Verſchwörer. Als Princip nach der erſten Bombenexplo=
ſion
die Verhaftung Cabrinovics ſah, wollte er erſt ihn
und dann ſich umbringen; das Menſchengedränge verhin=
derte
ihn jedoch daran. Als er ſah, daß das Attentat
mißlungen war, wartete er die Rückkehr des Thronfolgers
aus dem Rathaus ab und gab, als das Automobil in die
Franz=Joſef=Gaſſe einbog, aus unmittelbarer Nähe zwei
Schüſſe ab, um den Erzherzog zu töten. Princip gibt
zu, Beziehungen mit der Narodng Odbrana
in Belgrad zu haben. Der nächſte Angeklagte Grabez=
bekennt
ſich zu radikal=nationaliſtiſchen Ideen und bezeich=
net
die Vereinigung der ſüdſlawiſchen Länder unter ſerbi=
ſcher
Vorherrſchaft und Losreißung Bosniens von der
Monarchie durch Krieg oder Revolution als ſein Ideal.
Den Erzherzog=Thronfolger habe er gehaßt, weil er nach
Anſicht der Belgrader Kreiſe der Vereinigung der Ser=
ben
im Wege ſtand. Vor dem Attentat ſprach Grabez zu=
erſt
mit Princip, ſpäter auch mit Cabrinovic. Ueber die
Lieferung der Bomben und Waffen durch Ciganovie und
den Major Tonkoſiſch ſagt der Angeklagte in Ueberein=
ſtimmung
mit Princip aus, ſeiner Anſicht nach ſei Ciga=
novic
der Hauptſchuldige. Nach dem Attentat wollte Gra=
bez
entfliehen, wurde aber auf dem Wege nach Viſegrad
verhaftet. Er habe die feſte Abſicht gehabt, den Thron=
folger
zu töten. Sein Motiv ſei einzig und allein
die großſerbiſche Idee geweſen, deren Verwirklichung nach
ſeinen in Belgrad gewonnenen Anſchauungen der Erz=
herzog
im Wege ſtand. Der Führer des ganzen Unter=
nehmens
war Princip.
Während die bisher vernommenen Verſchwörer ihren
früheren prinzipiellen Standpunkt beibehielten, bot der
ehemalige Dorfſchullehrer und ſpätere Bankbeamte und
Journaliſt Illitſch ein klägliches Bild. Er verſuchte, ſeine
in der Vorunterſuchung gemachten poſitiven Angaben
wegzuleugnen und antwortete, auf den Wiederſpruch hin=
gewieſen
, ſtereotyp Ich weiß nicht!‟ Er iſt im beſonderen
beſchuldigt, die Waffen und Bomben nach Serajewo ge=
bracht
und in ſeiner Wohnung verborgen zu haben und
ſie am Tage vor dem Attentat unter die Verſchwörer
verteilt zu haben. Er geſteht ein, die von ihm perſönlich
geworbenen Verſchwörer Gjukitſch und Popowitſch
in dem Gebrauch der Waffen unterwieſen zu

[ ][  ][ ]

Nummer 285.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 16. Oktober 1914.

Seite 5.

haben. Der Angeklagte Waſowubrilowitſch geſteht
die Abſicht der Tötung des Erzherzogs ein und gibt
als Motiv an, daß man in ſerbiſchen Kreiſen den Erz=
herzog
für einen Serbenfeind gehalten habe.

Turnen, Spiele und Sporf.

Vom F. C. Olympia Darmſtadt 1898 wird uns
geſchrieben: Auch in der gegenwärtigen ernſten Zeit läßt
der Verein ſich angelegen ſein, die Sportbetätigung nach
Möglichkeit aufrecht zu erhalten. Obwohl faſt alle älteren
Mitglieder des Vereins ungefähr 150 an der Zahl
dem Rufe zur Fahne gefolgt ſind, betrachten wir es als
die vornehmſte Aufgabe, unſere jüngeren Mitglieder zur
Tatkraft heranzubilden. Iſt gerade in den letzten Jahren
die Einführung verſchiedener Sportzweige, wie Fußball=
ſpiel
, Laufen u. a. m., im deutſchen. Heere von der
Heeresleitung als Notwendigkeit erkannt und befohlen
worden, ſo glauben auch wir ein gut Teil dazu beitragen
zu dürfen, wenn wir unſere jüngere Generation in den
genanten Sportarten unterrichten und vervollkommnen.
Letzteres kann in der Hauptſache jedoch nur geſchehen,
indem zuweilen unſere Mitglieder mit denen anderer
Vereine im friedlichen Wettkampfe ſich meſſen; und ſo
führen wir am kommenden Sonntag unſere Schüler=
mannſchaft
nach Frankfurt a. M., um der gleichen
Mannſchaft des Frankfurter Fußballvereins im Fußball=
wettkampfe
entgegenzutreten. Im übrigen ſei bemerkt,
daß unſere Spiel= und Uebungsſtunden nach wie vor an
den bekannten Tagen auf unſerem Sportplatz, Heidel=
berger
Straße, ſtattfinden.

Landwirtſchaftliches.

Schlachtviehmarkt Darmſtadt. Schweine=
markt
am 14. Oktober. Auftrieb 249 Schweine. Preiſe
(per 50 Kg. Schlachtgewicht) 1. Qual. 78 Mk., 2. Qual.
77 Mk., 3. Qual. 77 Mk. Marktverlauf: mäßig, Ueber=
ſtand
. Schweinemarkt am 15. Oktober. Auftrieb 162
Schweine. Preiſe (per 50 Kg. Schlachtgewicht) 1. Qual.
78 Mk., 2. Qual. 77 Mk., 3. Qual. 77 Mk. Marktverlauf
rege, Ueberſtand. Kälbermarkt am 15. Oktober. Auftrieb
169 Kälber. Preiſe (per 50 Kg. Lebendgewicht) 1. Qual
60 Mk., 2. Qual. 58 Mk., 3. Qual. 56 Mk. Marktverlauf:
lebhaft.
Frankfurt a. M., 14. Okt. (Viehhof= Markt=
bericht
.) Auftrieb: 1050 Rinder (372 Ochſen, 47 Bullen,
631 Kühe), 437 Kälber, 68 Schafe, 2311 Schweine. Preiſe
für 1 Zentner Lebendgewicht (Schlachtgewicht) in Mark.
Ochſen: a) 1. 5258 (95100), 2. 4750 (8590), b) 4345
(7983). Bullen: a) 4649 (7680), b) 4144 (7075).
Kühe: a) 4650 (8390), b) 1. 4044 (7785), 2. 3943
(7280), c) 3236 (6472). Kälber: a) 6668 (110113),
b) 6265 (105110). Schafe: 4243 (9294). Schweine:
a) 60½—62½ (7880), b) 6062 (7779), c) 6162½
(7880), d) 6162½ (7880). Kartoffel: en gros 67,
en detail 7½—8 Mark. Marktverlauf: ſchleppend. Rinder
und Schweine Ueberſtand.

Vermiſchtes.

Arbeitsgemeinſchaft zwiſchen Arbeit=
gebern
und Arbeitnehmern im Baugewerbe
Die großen Arbeitgeber= und Arbeitnehmerverbände des
Baugewerbes und der Baunebengewerbe haben am 13.
Oktober 1914 in Berlin eine Arbeitsgemeinſchaft gebildet,
welche danach ſtreben ſoll, zur Erhaltung der Volkskraft
während des Krieges die daniederliegende Bautätigkeit
möglichſt zu heben. Die Arbeitsgemeinſchaft wendet ſich
zu dieſem Zweck an die Behörden des Reiches und der
Bundesſtaaten und an die Gemeinden mit der dringenden
Bitte, die ſchon beſchloſſenen Bauten auszuführen und um=
gehend
Mittel für weitere Bauten bereit zu ſtellen. Sie
wird ferner bei den in Betracht kommenden kapitalkräfti=
gen
Stellen auf eine Erleichterung der Kapitalsbeſchaffung
zur Wiederbelebung der privaten Bautätigkeit hinwirken.
Sie wird weiter eine planmäßige Vermittelung der Ar=
beitskräfte
, insbeſondere für den Wiederaufbau der durch
den Krieg verwüſteten Landesteile, anſtreben. Sie wird
die Behörden erſuchen, von den Uebernehmern gewerb=
licher
Arbeiten die Innehaltung der tariflichen und orts=
üblichen
Arbeitsbedingungen zu verlangen, um die Kauf=
kraft
der Bevölkerung zu erhalten; um eine möglichſt gro=
ßen
Zahl von Arbeitgebern und Arbeitnehmern Verdienſt
zu verſchaffen, wird es den örtlichen Verbänden anheim=
geſtellt
, ſich über eine zweckmäßige Verkürzung der Arbeits=
zeit
zu verſtändigen. Zur Durchführung dieſer Maßnah=
men
bildet die Arbeitsgemeinſchaft einen Zentralausſchuß,
dem 5 Mitglieder des Verwaltungsausſchuſſes des Reichs=
bundes
baugewerblicher Arbeitgeberverbände und 5 Vor=
ſtandsmitglieder
der beteiligten freien, chriſtlichen und
Hirſch=Dunckerſchen Gewerkſchaften angehören. Es wird
beabſichtigt, in den einzelnen Provinzen Bezirksausſchüſſe
und in den größeren Arbeitsorten örtliche Ausſchüſſe in
ähnlicher Zuſammenſetzung zu bilden, welche ſich in
dauerndem Zuſammenarbeiten der Durchführung dieſer
Maßnahmen widmen werden. Dem Reichsbund bau=
gewerblicher
Arbeitgeberverbände gehören rund 60000 Ar=
beitgeber
an, den beteiligten Gewerſchaften rund eine Mil=
lion
Arbeiter.

Literariſches.

Heſſiſche Soldatenlieder. Als vor wenigen
Wochen die Truppen nach dem Feld abrückten, da erklang
immer wieder Die Wacht am Rhein und vor allem die
Stelle Lieb Vaterland magſt ruhig ſein. Dieſes Lied
behält ja für jede nationale Erhebung ſeine Bedeutung,
aber diesmal zeigte ſich gar bald, daß ein anderer Sang
noch viel beſſer das ausdrückte, was jung und alt beherrſchte.
Es war das in Heſſen und Naſſau verbreitete prächtige
Soldatenlied Heimat, o Heimat, ich muß Dich verlaſſen;
Frankreich läßt uns keine, keine, keine Ruh’. Morgen
marſchieren wir nach Frankreich zu. In dieſen Kriegs=
liedern
aus 1813 und 1870 liegt eine beſondere Kraft,
aber keines von allen paßt ſo für den jetzigen großen
Kampf wie Heimat, o Heimat. Der Text entſtand aus
zwei älteren Soldatenliedern. Das Lied iſt enthalten in der
Sammlung des Odenwaldklubs Odenwälder Spinn=
ſtube
, 300 Volkslieder, geſammelt von H. Krapp; Verlag
von Bergſträßer, obere Rheinſtraße zu Darmſtadt. Auch
in den Buchhandlungen von Bach in Wald=Michelbach,
Ehrhardt=Bensheim, Schleif=Reinheim, Probſt=Höchſt,
Zinßer=Lindenfels, Reuling=Beerfelden uſw. ſind dieſe
Liederbücher vorrätig. Dieſe Sammlung Odenwälder
Volkslieder enthält noch eine größere Anzahl von Texten
und Melodien, die gerade jetzt viel geſungen werden, z B.
Auf, auf zum Kampf, fürs Vaterland zu ſtreiten ein
vorzügliches Soldatenlied, dann Bei Sedan auf den
Höhen, unſer beſter Sang aus 1870, Redlich iſt der
deutſche Mann, der für Freiheit ſtreiten kann, In
Baden ſteht ein ſtilles Haus, es zog der Vater zum Kamp

hinaus‟. Dieſe und ähnliche Lieder aus der heſſiſchen
Heimat ſind ſowohl für unſere Truppen im Feld wie
für uns daheim ein koſtbarer Schatz, ein deutſches Volks=
gut
.
Der Weltkrieg 1914 in Zahlen und Bil=
dern
, Verlag für Fachliteratur, G. m. b. H., Berlin W. 30.
Wien I, Preis Mk. 0.75. Die vorliegende Broſchüre
ſoll vor allem einem Bedürfnis abhelfen, das das große
Leſerpublikum empfindet, ſobald es ſich um Fragen des
momentanen Krieges und Wirtſchaftslebens handelt.
Gerade jetzt vergeht kein Tag, wo nicht der eine oder
der andere über wichtige Zahlen gerne informiert wäre
und da muß anerkennend geſagt werden, daß das kleine
Büchlein in dieſer Hinſicht ein guter Ratgeber iſt. Trotz
des geringen Preiſes iſt die Ausſtattung, was Zeichnungen,
Druck und Papier anbelangt, eine vorzügliche, ſodaß wir
jedermann das Büchlein nur wärmſtens empfehlen können.

Neues von den Kriegs=
ſchauplätzen
.

* Großes Hauptquartier, 15. Okt., mittags.
(Amtlich.) Bei Antwerpen wurden im ganzen 45000
Gefangene gemacht. Es iſt anzunehmen, daß in nächſter
Zeit noch eine große Zahl belgiſcher Soldaten, die Zivil=
kleider
angezogen haben, dingfeſt gemacht werden. Nach
Mitteilung des Konſuls in Terneuzen ſind etwa 20000
belgiſche Soldaten und 2000 Engländer auf
holländiſches Gebiet übergetreten, wo ſie entwaffnet wur=
den
. Ihre Flucht muß in größter Haſt vor ſich gegangen
ſein; hiervon zeugen Maſſen weggeworfener Kleiderſäcke,
beſonders von der engliſchen Royal=Naval=Diviſion.
Die Kriegsbeute in Antwerpen iſt groß,
mindeſtens 500 Geſchütze, eine Unmenge Munition, Maſſen
von Säcken und Woilachs (Pferdedecken), ſehr viel Sani=
tätsmaterial
, zahlreiche Kraftwagen, viele Lokomotiven
und Waggons, 4 Millionen Kilogramm Getreide, viel
Mehl, Kohlen, Flachs, für 10 Millionen Mark Wolle,
Kupfer und Silber im Werte von etwa einer halben Mil=
lion
Mark, ein Panzer=Eiſenbahnzug, mehrere gefüllte
Verpflegungszüge, große Viehbeſtände. Belgiſche und
engliſche Schiffe befanden ſich nicht mehr in Antwerpen.
Die beim Kriegsausbruch im Hafen von Ant=
werpen
befindlichen 34 deutſchen Dampfer
und 3 Segler ſind mit einer Ausnahme vorhanden,
jedoch ſind die Maſchinen unbrauchbar gemacht worden.
Angebohrt und verſenkt wurde nur die Gneiſenau des
Norddeutſchen Lloyds. Die große Hafenſchleuſe iſt intakt,
aber zunächſt durch mit Steinen beſchwerte verſenkte Kähne
nicht benutzbar. Die Hafenanlagen ſind unbeſchädigt. Die
Stadt Antwerpen hat wenig gelitten. Die Bevölkerung
verhält ſich ruhig und ſcheint froh zu ſein, daß die Tage
des Schreckens zu Ende ſind, beſonders da der Pöbel be=
reits
zu plündern begonnen hatte.
Die Reſte der belgiſchen Armee haben bei
Annäherung unſerer Truppen Gent ſchleunigſt geräumt.
Die belgiſche Regierung, mit Ausnahme des Kriegsmini=
ſters
, ſoll ſich nach Le Havre begeben haben.
Angriffe der Franzoſen in der Gegend von
Albert wurden unter erheblichen Verluſten für ſie abge=
wieſen
, ſonſt iſt im Weſten keine Veränderung.
Im Oſten iſt der ruſſiſche, mit ſtarken Kräften unter
nommene Vorſtoß auf Oſtpreußen als geſcheitert an=
zuſehen
. Der Angriff unſerer in Polen Schulter an Schul=
ter
mit dem öſterreichiſchen Heere kämpfenden Truppen
befindet ſich im Fortſchreiten. Unſere Truppen
ſtehen vor Warſchau. Ein mit etwa 8 Armeekorps
aus der Linie Iwangorod-Warſchau über die Weichſel
unternommener ruſſiſcher Vorſtoß wurde auf der
ganzen Linie unter ſchweren Verluſten für die Ruſſen zu=
rückgeworfen
. Die von ruſſiſchen Zeitungen verbrei=
teten
Gerüchte über erbeutete deutſche Geſchütze entbehren
jeder Begrütdung.

Aus Antwerpen.

* Haag, 15. Okt. Die Regierung wird heute oder
morgen an die Flüchtlinge von Antwerpen und
der innerhalb des äußeren Fortsgürtels liegenden Dörfer
einen Aufruf betreffend ihre Rückkehr erlaſſen.
* Amſterdam, 15. Okt. Aus Rooſendaal
wird gemeldet: Morgen beginnt wieder der Bahnver=
kehr
nach Antwerpen.

Die Operationen in Belgien.

* Amſterdam, 15. Okt. Nieuwe van den Dag
meldet aus Terneuzen: Deutſche Truppen,
die nach tauſenden zählten, ſind von Selzaete nach We=
ſten
vorgerückt. In Selzaete iſt ein Aufruf erlaſſen
worden, daß alle Männer zwiſchen 18 und 45 Jahren ſich
binnen zweier Tage anmelden müßten. Heute früh wurde
Aſſenede beſetzt. Ypern wurde von den Deutſchen
vollſtändig umzingelt. Ströme von Flüchtlingen,
die ſich auf dem Wege nach Calais befinden, weiſen auf
den Vormarſch der Deutſchen nach der Küſte
hin.
* Rotterdam, 15. Okt. Nieuwe Rotterdamſche
Courant meldet aus Aardenburg: Die Deutſchen
beſetzten Stroobrügge an der holländiſchen
Grenze. Ströme von Flüchtlinge kommen in Holländiſch=
Flandern an.

Ein Tabaktag.

* Augsburg, 15. Okt. Ein Tabaktag
für unſere Kriegsteilnehmer wurde die=
ſer
Tage hier veranſtaltet. Das Ergebnis iſt folgen=
des
: 270000 Zigarren, 240000 Zigaretten, 14000 Päckchen
Rauchtabak, 5500 Päckchen Schnupftabak, 2200 Pfeifen, 2000
Zigarren= und Zigarettentaſchen und an Bargeld 18000
Mark. (Ein erfreuliches Ergebnis.)

Das Namensfeſt des Kaiſers Franz Joſef.

* Wien, 15. Okt. Aus dem Kriegspreſſequartier
wird amtlich gemeldet: Von dem Geiſt und der Zuverſicht,
die unſere in Serbien ſtehenden Truppen beſeelen, zeugt
die Art, wie dieſe Truppen, die Tag und Nacht dem Feinde

in harten Kämpfen gegenüberſtehen und ihn Schritt für
Schritt zurückdrängen, das Namensfeſt des ober=
ſten
Kriegsherrn feiern. In aller Stille wurden
am Morgen des 4. Oktober die Regimentsmuſiken bis in
die Stellungen der Regimenter geführt und in Deckung
aufgeſtellt. Wo es möglich war, hielt der Regimentskom=
mandant
eine kurze, den Tag würdigende Anſprache, die
mit einem dreifachen Hurra auf den allerhöchſten Kriegs=
herrn
ſchloß. Die Regimentsmuſiken ſpielten überall,
zum Feinde gewendet, unter dem Donner der Kanonen
die Volkshymne, die von den Offizieren und Soldaten mit
endloſem Jubel aufgenommen wurde. Stürmiſche Be=
geiſterung
erweckten auch die Klänge von Hoch Habs=
burg
des Prinz Eugen und des Radetzky=Marſches,
ſowie andere patriotiſche Weiſen. Dieſe ſchlichte, ganz
eigenartige Feier, machte auf die Offiziere und die Mann=
ſchaft
einen tiefen Eindruck. Sie mag auch dem Feinde
gezeigt haben, welcher Geiſt und frohe Mut unſere Trup=
pen
erfüllt.

Die Bosnier im Kampfe gegen die Ruſſen.

* Konſtantinopel, 15. Okt. Ikdam gibt eine
der Wiener Illuſtrierten Zeitung entnommene Szene vom
Kriegsſchauplatz wieder, die die Bosnier im Kampfe
gegen die Ruſſen darſtellt, und veröffentlicht eine
Unterredung, die ſein Direktor Ahmed Djevdet jüngſt
in Wien mit einem Offizier eines bosniſchen Bataillons
hatte, der verwundet nach Wien gebracht worden war und
dort gepflegt wird. Dieſer Offizier ſchilderte in Aus=
drücken
grenzenloſer Begeiſterung ſeine Eindrücke folgen=
dermaßen
: Ich kann das Schauſpiel nicht beſchreiben, das
ich ſah. Alle öſterreichiſch=ungariſchen Soldaten kämpften
aufs heldenmütigſte gegen die Ruſſen, aber die Bosnier
boten noch einen ganz anderen Anblick. Der Imam un=
ſeres
Bataillons erklärte ihnen, was die Pflicht der Muſel=
manen
in dieſem Kriege ſei. Die Worte des Imams
drangen den Soldaten in Leib und Seele. Die Bosnier
warteten mit größter Ungeduld auf den Beginn der
Schlacht. Als der Kampf begann, hätte man glauben
können, daß ſich jeder einzelne bosniſche Soldat gegen
ein ganzes Bataillon werfen wollte. Die Bosnier ſchoſ=
ſen
mit erſtaunlicher Präziſion, ohne Munition zu vergeu=
den
und fügten dem Feinde ungeheure Verluſte zu. Als
wir an den Feind herankamen, ſchritten wir zum Bajo=
nettangriff
. Die Heftigkeit des Anſturmes der Bosnier
gegen die Ruſſen in dieſem Augenblick iſt unbeſchreiblich.
Wenn ich es nicht mit meinen eigenen Augen geſehen hätte,
würde ich es nicht geglaubt haben, welche große Tapferkeit
ſie aus ihrer ſeeliſchen Kraft ſchöpften. Ich ſah viele bos=
niſche
Soldaten, die das Gewehr beiſeite warfen und die
Ruſſen bei der Gurgel packten. Niemals habe ich einen
ſolchen Grad von Wut geſehen. Jeder einzelne Soldat
wollte auf dieſe Weiſe für die jahrhundertelangen Leiden
ſeiner Brüder Rache üben. Ich werde das Schauſpiel nie
vergeſſen. So kämpfen die Muſelmanen! Der Tod gilt
ihnen nichts. Ahmed Djevdet fügt hinzu: Was die Bos=
nier
in ſolche Wut verſetzte, waren die Grauſamkeiten der
Serben und Montenegriner gegen die muſelmaniſchen
Frauen und Kinder. Die Bosnier wollten an den Ruſſen
als den Beſchützern der Serben Rache üben. Ibrahim
Kurbegovich, der Imam, ſagte den bosniſchen Soldaten in
einer Anſprache, daß die, die in dieſem Kriege ſtürben,
Schehids (Glaubensmärtyrer), die ihn überlebten, Ghazis
(Sieger) würden.

Franzöſiſche Selbſttäuſchung.

* Paris, 15. Okt. Der Temps ſtellt den Fallvon
Antwerpen nach einer Mitteilung des engliſchen
Kriegsminiſteriums als eine Räumung durch die Bel=
gier
dar. Der Fall Antwerpens laſſe eine Lücke entſte=
hen
, aber die dadurch bewirkte Verſtärkung des Feindes
werde durch die belgiſche Feldarmee ausge=
glichen
(!), die ihrerſeits nun zur Kampffront gehe. (Daß
von der belgiſchen Armee nicht allzu viel zur Front kommt,
dafür werden unſere Truppen ſchon rechtzeitig Sorge
tragen.)

Die franzöſiſchen Sozialiſten.

* Paris, 15. Okt. Die Miniſter Sembat und
Guesde haben vor einer Gruppe der geeinigten Sozia=
liſtenpartei
Erklärungen über die Teilnahme an Regie=
rungsarbeit
und Nationalverteidigung abgegeben. Die
Gruppe hat einſtimmig eine Tagesordnung angenommen,
in der Sembat und Guesde das volle Vertrauen auf
ihre fernere Haltung inmitten der Regierung aus=
geſprochen
wird.

Engliſche Ungeduld.

* Kopenhagen, 15. Okt. Nationaltidende meldet
aus London: Man iſt hier nicht geneigt, das Bedenk=
liche
der augenblicklichen Lage zu unterſchätzen,
doch herrſcht in gewiſſen Kreiſen Ungeduld, daß nicht
ſchnellere Fortſchritte gemacht würden und daß die briti=
ſche
Flotte noch nicht in der Lage war, einzuſchreiten
und anzugreifen. (Nervoſität iſt im Kriege kein gutes
Zeichen.)

Das Kriegsrecht in portugieſiſchen Kolonien.

* Liſſabon, 15. Okt. Der Gouverneur von Angola
hat für Portugieſiſch=Kongo das Kriegs=
recht
erklärt.

Vom Balkan.

* Konſtantinopel, 15. Okt. Sieben albane=
ſiſche
, der türkiſchen Armee angehörende Offiziere,
die ſich vom Balkankrieg her in ſerbiſcher Gefangenſchaft
befanden und ſich für die ſerbiſche Propaganda in Alba=
nien
gewinnen ließen, ſind in contumaciam zum Tode
verurteilt worden.
* Konſtantinopel, 15. Okt. Um zu zeigen, wie
ſehr die Engländer, Ruſſen und Franzoſen
die öffentliche Meinung der Länder täu=
ſchen
, gibt der Ikdam aus dem Turkeſtaner Blatt Sada=
i
=Tasken (Stimme von Taſchkend) vom 29. September eine
Menge falſcher Nachrichten wieder, zum Beiſpiel,
daß die Ruſſen ſiegreich gegen Berlin und Wien vorrückten,
daß die Deutſchen in Belgien vernichtet und die Franzo=
ſen
auf allen Seiten in deutſches Gebiet eingedrungen
ſeien, daß die engliſche Flotte glänzende
Siege errungen habe, und daß die Muſelmanen der
ganzen Welt einen außerordentlichen Haß gegen Deutſch=
land
hegen. Ikdam, der ſein Erſtaunen über ſolchen Grad
der Lügenhaftigkeit ausdrückt, ſpricht ſeine Entrüſtung
über die von demſelben Blatte nach Petersburger Mel=
dungen
veröffentlichten Nachrichten über die Lage in der
Türkei aus und ſtellt feſt, daß im türkiſchen Kabinett keine
Meinungsverſchiedenheit beſtehe, und daß die Türkei we=
der
ſchwach ſei, noch ſich in Gefahr befinde.
* Konſtantinopel, 15. Okt. Allgemein wird hier
kritiſiert, daß viele Engländerinnen auf Veranlaſ=
ſung
des britiſchen Botſchafters Konſtantinopel verlaſſen
haben, da das Verhalten der türkiſchen Behörden gegen
die Ausländer ſtets muſtergültig war und iſt.

[ ][  ][ ]

Seite 6.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 16. Oktober 1914

Nummer 285.

Ein politiſches Attentat in Bukareſt.

* Bukareſt, 15. Okt. (Agence Roumaine.) Als die
Brüder Buxton mit dem Sohn Geſchows im Automobil
zur Teilnahme am Leichenzug für König Karol ausfuhren,
feuerte ein junger Türke namens Paſchil
Haſſan, der von Saloniki gekommen war und einen
am 26. September in Konſtantinopel viſierten Paß beſaß,
vier Revolverſchüſſe auf das Auto ab. Der eine
Bruder wurde durch einen Schuß in die Lunge, der an=
dere
leicht verletzt. Eine Kugel durchſchoß Geſchows Hut.
Der Türke wurde verhaftet. (Buxton iſt der Vorſitzende
des Balkankomitees und agitiert für England.)
* Bukareſt, 15. Okt. Zu dem Anſchlag auf die
Brüder Buxton wird noch berichtet, daß die Schüſſe
aus nächſter Nahe von dem Automobiltrittbrett abgegeben
wurden. Der eine der Brüder erhielt zwei Schüſſe in die
linke Bruſtſeite, ſo daß an ſeinem Aufkommen gezweifelt
wird. Der andere Bruder iſt durch einen Schuß in die
Kinnlade ſchwer verletzt. Geſchow iſt leicht am Kopf ge=
troffen
. Allen dreien wurde im Hotel, vor welchem das
Attentat erfolgte, die erſte Hilfe zuteil. Der Täter wurde
vom Chauffeur niedergeſchlagen.

* Berlin, 15. Okt. In der heutigen Bundes=
ratsſitzung
wurde die Zuſtimmung erteilt dem Ent=
wurf
einer Bekanntmachung über Vorratserhebung Ent=
wurf
einer Bekanntmachung betr. Behandlung feindlicher
Rollgüter, Regelung des wirtſchaftlichen Betriebes der
Branntweinbrennereien, Betriebsauflagen, Vorlage betr.
Einrichtung und Betrieb gewerblicher Anlagen, in der
Thomasſchlacke gemahlen wird uſw.
* Berlin, 15. Okt. Prinz Wilhelm zu
Wied iſt als Major à la ſuite dem Generalſtab zugeteilt
und zur Front abgegangen.
* Berlin, 14. Okt. Der Nationalſtiftung
für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefalle=
nen
ſind u. a. von der Phönix A.=G. für Bergbau und
Hüttenbetrieb, Hoerde (Weſtfalen) 10000 Mark über=
wieſen
worden. Weitere Geldſpenden, auch gute Staats=
papiere
und Obligationen, werden von den bekannten
Zahlſtellen und von dem Bureau, Berlin NW, Alſenſtraße
11, entgegengenommen.
* Berlin, 15. Okt. Die heute in der Preſſe erſchie=
nene
Nachricht, daß Herr v. Mallinckrodt mit den
deutſchen Truppen in Antwerpen eingezogen ſei, iſt
falſch. Wie Herr v. Mallinckrodt mitteilt, hat er ſeit
Beginn des Krieges belgiſchen Boden nicht mehr betreten
und beſchäftigt ſich in Köln und Berlin ausſchließlich mit
der Fürſorge der aus dem Auslande vertriebenen Deut=
ſchen
.
* Krefeld, 15. Okt. Der frühere Kommandant der
Feſtung Antwerpen, General de Gniſe, iſt in Be=
gleitung
zweier belgiſcher Offiziere in das Gefangenen=
lager
in der hieſigen Huſarenkaſerne übergeführt worden.
Zeitz, 15. Okt. Der im ſtaatlichen Krankenhaus
Zeitz ausgebildeten Schweſter Elfriede Scherhans, von
der Berufsorganiſation der Krankenpflegerinnen Deutſch=
lands
, die ſeit zwei Jahren einem unſerer Regimenter
im Oſten für den Kriegsfall verpflichtet war, und dieſes
ſeit Beginn des Krieges auf dem Sanitätswagen und auf
allen Märſchen begleitet hat, wurde das Eiſerne
Kreuz am ſchwarz=weißen Bande überreicht. Ein Ge=
neral
brachte es ihr ſelbſt mit den Worten: Da Sie mit
zu unſeren Tapferſten gehören, iſt es mir eine Freude
Ihyen das Eiſerne Kreuz zu überreichen.
* Brüſſel, 14. Okt. Der Reichskanzler v. Beth=
mann
Hollweg iſt in Begleitung des Chefs des Zivil=
kabinetts
des Kaiſers v. Valentini, des Geſandten von
Treutler und des Botſchaftsrates v. Mutius heute nach=
mittag
hier eingetroffen.
* Wien 15. Okt. Das Armeeverordnungsblatt mel=
det
: Kaiſer Franz Joſef hat den Orden der Eiſernen
Krone 1. Klaſſe tarfrei dem Feldmarſchalleutnant Kus=
manek
, dem Feſtungskommandanten von
Przemysſ in Anerkennung der heldenmütigen Ver=
teidigung
der Feſtung gegen die mit großer Ueberlegen=
heit
und Heftigkeit geführten feindlichen Angriffe, ver=
liehen
.
* Rom, 15. Okt. Generalmajor Vittorio Elia
iſt zum Unterſtaatsſekretär des Kriegsminiſte=
riums
ernannt worden.
* London, 15. Okt. Die Admiralität gibt bekannt,
daß der Verkauf erbeuteter Schiffe ausgenom=
men
kleiner Segelſchiffe, nur an engliſche Käufer oder
wirklich engliſche Geſellſchaften ſtattfinden darf.
* London, 15. Okt. Daily News meldet aus Oſt=
ende
: Die Verlegung des Sitzes der belgi=
ſchen
Regierung hat einen tiefen Eindruck hervor=
gerufen
. Auf den letzten Kanaldampfer fand ein Sturm=
lauf
ſtatt.
* Folkeſtone 15. Okt. Heute ſind wieder meh=
rere
tauſend Flüchtlinge aus Antwerpen hier ge=
landet
worden, von denen viele halb verhungert und ärm=
lich
gekleidet ſind.
* Kriſtiania, 15. Okt. In der Zeitung Aften=
poſten
ſchreibt ein norwegiſcher Arzt Holmboe,, der 25
militäriſche Lazarette in Berlin geſehen hat, die Verwun=
deten
würden, gleichviel ob Franzoſen, Engländer, Belgier
oder Ruſſen gleich den Deutſchen wie Prinzen be=
handelt
. Alle erhielten die gleiche Behandlung. Die
Liebesgaben, die den Hoſpitälern zuſtrömten, würden
gleichmäßig zwiſchen Deutſchen und Feinden verteilt.
Kein modernes Krankenhaus ſei beſſer eingerichtet. In=
ſtrumente
, Eſſen und alles Zubehör ſeien von beſter Be=
ſchaffenheit
.

Kriegschronik (Nr. 2).

6. Oktober: Der Angriff der Engländer und Japaneſen
auf Tſingtau zurückgeſchlagen.
Beginn des Bombardements auf Antwerpen.
7.
Rückzug der Ruſſen aus Ungarn.
Einnahme von Antwerpen nach zwölftägiger
9.
Belagerung.
11. Die Ruſſen ziehen unter ungeheuren Ver=
luſten
von Przemysl ab. Verſenkung des
ruſſiſchen Panzerkreuzers Pallada. Amt=
liche
Bekanntgabe der in Brüſſel gefunde=
nen
Dokumente.
Meldung über einen Aufruhr in Südafrika
14.
Lille von den Deutſchen genommen.
Der ruſſiſche Vorſtoß auf Oſtpreußen ge=
15.
ſcheitert. Unſere Truppen vor Warſchau,
Reiche Kriegsbeute in Antwerpen.

Briefkaſten.

H. B., hier. Reichen Sie ein genaues Verzeichnis
der Ihnen in Frankreich abhanden gekommenen Gegen=
ſtände
nebſt Wertangabe, ſowie Ihrer Geldforderungen
mit ausführlicher Darſtellung der Umſtände, unter denen
Sie den Verluſt erlitten haben, an das Reichsamt des
Innern in Berlin ein. Es wird Ihnen vorausſichtlich
nach dem Krieg Erſatz werden.

Mangel an Kartoffeln!

Der Deutſche Kartoffelgroßhändler=Verband in Düſ=
ſeldorf
ſchreibt uns:
Die augenblickliche Marktlage kennzeichnet ſich durch
ein außerordentliches Mißverhältnis zwiſchen Angebot
und Nachfrage. Die Landwirte halten nämlich in
der Erwartung kommender Höchſtpreiſe mit dem Ver=
kauf
von Kartoffeln zurück, weil ſie wiſſen, daß
auf dieſe Weiſe mehr für die Ware zu löſen iſt. Dadurch
wird natürlich dem Markt das Angebot entzogen und es
erfolgt ein Anziehen der Preiſe, welches den Anſchein der
Teuerung erweckt, die in Wirklichkeit gar nicht vorhan=
den
iſt. Es iſt alljährlich Brauch, daß im September der
Bedarf für den Winter eingedeckt wird, ein Beſtreben, das
in dieſem Jahre beſonders ſtark hervortrat, indem viele
Verbraucher in der jetzigen Zeit glauben, ſich beſonders
ſtark verſorgen zu müſſen. Infolge des Mangels an An=
geboten
und der ſtarken Nachfrage iſt es dem Kartoffel=
großhandel
nicht möglich, Angebote zu machen, was viel=
fach
den falſchen Eindruck hervorgerufen hat, als ob im
Großhandel die Abſicht verfolgt werde, die Preiſe künſtlich
hoch zu halten. Der Deutſche Kartoffelgroßhändler= Ver=
band
hat daher an die größeren Verbraucher das Erſuchen
gerichtet, Anfragen nach Kartoffeln ſo weit wie möglich
zurückzuhalten, um ſo einer künſtlichen Preis=
ſteigerung
entgegen zu arbeiten. Außerdem
iſt der Verband an die Staatsregierung herangetreten, um
zu erreichen, daß Kartoffeln ſeitens der Landwirtſchaft
auch ohne beſtehende Höchſtpreiſe abgegeben werden müſſen.
Wenn auch heuer die Kartoffelernte nicht ſo groß iſt
wie voriges Jahr, ſo kommt doch wieder in Betracht, daß
die Güte der Ware eine bedeutend beſſere iſt; auch kommt
jetzt die Ausfuhr nach anderen Ländern in Fortfall. In=
folgedeſſen
darf damit gerechnet werden, daß der Deutſche
Kartoffelgroßhändler=Verband bei ſeinen Beſtrebungen,
die Preiſe nach Möglichkeit niedrig zu halten, ſicheren Er=
folg
hat. Selbſt wenn die Ware in dieſem Jahre etwas
höher bezahlt wird wie im vorigen Jahre, ſo können die
Preiſe immer noch in angemeſſenen Grenzen gehalten und
eine ungeſunde Preisſteigerung vermieden
werden.

Verluſtliſte (aus Nr. 50)

Kavallerie=Abteilung der gemiſchten 41. Erſatz=Brigade,
Darmſtadt.
Atton am 12. 9. 14.
U.=O. Franz Neugebauer, Großenbrach, vm., von
Patrouille nicht zurückgekehrt; Reſ. Adolf Okle, Rei=
chenau
, vm., von Patrouille nicht zurückgekehrt; Reſ. Jo=
hannes
Sebaſtian Roth, Mühlbach, vm., von Patrouille
nicht zurückgekehrt; Reſ. Karl Bohländer, Marburg,
vm., von Patrouille nicht zurückgekehrt; Reſ. Mungaz,
Geburtsort nicht angegeben, vm., von Patrouille nicht
zurückgekehrt; Reſ. Joſeph Senebozen, Geburtsort
nicht angegeben, vm., von Patrouille nicht zurückgekehrt;
Reſ., Albert Lechleiter, Geburtsort nicht angegeben,
vm., von Patrouille nicht zurückgekehrt; Trainfahrer
Booſt, Geburtsort nicht angegeben, vm., von Patrouille
nicht zurückgekehrt.
Sanitäts=Kompagnie Nr. 1 des 18. Armeekorps, Darmſtadt.
Hans am 13. 9. 14.
Einj.=Freiw. Arzt Dr. Walter Becker, vm., ſeit Zurück=
laſſung
bei Verwundeten.
Reſerve=Sanitäts=Kompagnie Nr. 18 des 18. Reſervekorps,
Darmſtadt.
Binarville am 15. und Servon am 16. 9. 14.
Gefr. Peter Pfeiffer, Eulbach, lv.
Reſerve=Feldlazarett Nr. 69 des 18. Reſervekorps.
Darmſtadt.
Valmy am 7. 9. 14.
Militärkrankenwärter d. Reſ. Ernſt Se elbach, Lan=
gendernbach
, vm., ſeit Ueberbringung einer Meldung nach
Grandpré am 6. 9. 14.
Landwehr=Infanterie=Regiment Nr. 116, Darmſtadt.
Vitry le Frangois vom 8. bis 10. 9. 14.
2. Kompagnie: Vizef. Off.=Stellv. Bruno
Stoeckins, Düſſeldorf, lv.; U.=O. Valentin Heber=
mehl
, Cannſtatt, t.; U.=O. Heinrich Holzer, Gürſtein,
lv.; Wehrm. Franz Raab, Lorbach, t.; Wehrm. Joſeph
Weiler, Bensheim, t.; Gefr. Tambour Valentin Brun=
nengräber
, Lorſch, t.; Wehrm. Johs. Reinhardt,
Leeheim, t.; Wehrm. Ludwig Cezanne, Walldorf, ſchv.;
Gefr. Johannes Rhein, Nordheim, lv.; Wehrm. Johann
Georg Sensfelder, Büttelborn, lv.; Wehrm. Ludwig
Kiſſel, Gernsheim, lv.; Wehrm. Heinrich Finn, Bens=
heim
, lv.; Wehrm. Johannes Raudenbuſch, Lorbach,
lv.; Gefr. Heinrich Stumpf, Groß=Zimmern, lv.; Gefr.
Johann Peter Grimm, Münſter, lv.; Wehrm. Adam
Gunkel, Lampertheim, lv.; Wehrm. Erich Tſcherch,
Zittau, lv.; Wehrm. Adam Neundörfer, Lorſch, lv.;
Wehrm. Georg Kern, Zwingenberg, lv.; Wehrm. Philipp
Jakob Keller, Nieder=Roden, lv.; Wehrm. Peter Mi=
chael
Roßkopf, Münſter, lv.; Wehrm. Joſeph Wilhelm
Kremsler. Offenau, lv.; Wehrm. Bernhard Ofen=
loch
, Bürſtadt, lv.; Wehrm. Eduard Rohrheimer,
Lampertheim, lv.; Wehrm. Johannes Gutſchalk, Lorſch,
lv.; Wehrm. Georg Heleine, Brandau, lv.; Wehrm.
Peter Johann Wenner, Crumſtadt, lv.; Gefr. Heinrich
Karl Wesp, Raunheim, lv.; Gefr. U.=O.=Schüler Johann
Friedrich Haardt, Kelſterbach, lv.; Wehrm. Karl Fried=
rich
Kirſchenſtein, Roßdorf, lv.; Wehrm. Jakob Daniel
Paſſet. Walldorf, lv.; Wehrm. Franz Köhl, Ober=
Roden,, lv.; Gefr. Sebaſtian Müller, Gernsheim, lv.;
Wehrm. Auguſt Markert, Etzengeſäß, lv.; Wehrm. Hein=
rich
Georg, Semd, lv.
Reſerve=Infanterie=Regiment Nr. 118, Worms.
I. Bataillon.
Neufchäteau am 22., Izel am 23., Tremblois am 24.,
Mouzon am 26. und 27. und Yoneg am 28. 8. 14.
Stab: Maj. Otto v. Tresckow, vw.; Oberlt. Franz
Gall, Trier, vw.
1. Kompagnie: Wehrm. Phil. Germann, Rei=
chenbach
, t.; Wehrm. Jakob Reimund, Brandau, t.;
Wehrm. Franz Maiberger, Lorſch, t.; Wehrm. Jakob
Zehnbauer, Lampertheim, t.; Wehrm. Peter Tiſcher.
Klein=Steinbach, lv.; Wehrm. Johann Helfmann,
Nordheim, lv.; Gefr. Konrad May, Hähnlein, lv.; Reſ.
Andreas Dieter, Klein=Hauſen, lv.; Wehrm. Joſeph
Herweck, Lampertheim, lv.; Wehrm. Heinrich Bauer,
Lindenfels, lv.; Wehrm. Adam Mallig, lv.; Wehrm.
Joſeph Koch, Bürſtadt, lv.; Reſ. Heinrich Schmidt,
Bensheim, lv.; Wehrm. Michael Treuſch, Unter=Oſtern,
t.; Reſ. Adam Scherz, Lampertheim, t.; Wehrm. Jakob
Volz, Lampertheim, t.; Gefr. Wilhelm Reinheim,
Rüſſelsheim, t.; Gefr. Georg Eichenauer, Lampert=
heim
, lv.; Wehrm. Franz Becker, Ober=Laudenbach, lv.;
U.=O. Adam Jordan, Walldorf, lv.; Gefr. Robert
Selig, Biſchofsheim, lv.; Reſ. Georg Raunheimer,
Aſtheim, lv.; Wehrm. Karl Haſcher, Einſiedel, lv.;

Wehrm. Eugen Kreiner, Freimersheim, lv.; Wehrm.
Jakob Stephan, Lampertheim, lv.; Wehrm. Georg
Stadtmüller, Bürſtadt, lv.; Wehrm. Franz Trapp,
Wattenheim, lv.; Wehrm. Georg Boß, Framersheim, lv.;
Wehrm. Johannes Brenner, Bürſtadt, lv.; Reſ. Jakob
Vatter, Leeheim, lv.; Wehrm. Johann Berg, Heppen=
heim
, lv.; Wehrm. Heinrich Bub, Bensheim, lv.; U.=O.=
Adolf Schanz, Arnshain, lv.; Reſ. Martin Rieſin=
ger
, Bensheim, lv.; Reſ. Karl Mautry, Bensheim,
lv.; Reſ. Georg Klein, Wieſeck, lv.; Wehrm. Wilhelm
Donnerstag, Groß=Rohrheim, lv.; U.=O. Jakob Tra=
mer
, Lampertheim, vm.; Wehrm. Gerh. Heim, Lam=
pertheim
, vm.; Reſ. Wilh. Koppert, Hof Harknau, vm.
2. Kompagnie: Wehrm. Jakob Frühwein,
Münſter, lv.; Wehrm. Joſeph Wiegand, Klein=Hauſen,
lv.; Wehrm. Friedrich Berg, Dorndiel, t.; Wehrm. Jo=
hannes
Göbel, Groß=Zimmern, t.; Wehrm. Balthaſar=
Seitel, Eppertshauſen, t.; Wehrm. Jakob Kaſpar Beck,
Münſter, t.; U.=O. Johannes Bundſchuh, Lengfeld,
ſchv.; U.=O. Georg Hammann, Wolfskehlen, lv.; Wehrm.=
Peter Gruber, Eppertshauſen, lv.; Wehrm. Simon
Eichheimer Bensheim, lv; Wehrm. Joſeph Barth,
Dieburg, lv.; Wehrm. Adam Brecht, Gronau, lv.; Gefr.
Franz Hofmann, Radheim, lv.; Wehrm. Franz Her=
net
, Neue Glashütte, lv.; Wehrm. Philipp Geiß, Groß=
Zimmern, lv.; Reſ. Franz Dölcher, Groß=Zimmern, lv.;
Wehrm. Heinrich Ludwig, Lorſch, t.; Wehrm. Philipp=
Jonas, Nieder=Roden, t.; Gefr. Jakob Gerlach, Raun=
heim
, t.; U.=O. Guſtav Scholz, Krobsdorf, lv.; U.=O.
Peter Philipp Scherer, Auerbach, lv.; Wehrm. Johan=
nes
Gotha, Lampertheim, lv.; Wehrm. Theodor Fritz=
ges
, Groß=Zimmern, lv.; Gefr. Heinrich Nikolaus
Trautmann, Schafheim, lv.; Wehrm. Friedrich Hart=
mann
, Lampertheim, ſchv.; Wehrm. Jakob Leilich,
Schafheim, lv.; Reſ. Philipp Schuhmann, Gundern=
hauſen
, lv.; Reſ. Adam Lohrum, Dieburg, lv.; Wehrm.
Heinrich Gärtner, Hochſtätten, lv.; Wehrm. Melchior
Bohrer, Lorſch, lv.; Wehrm. Peter Kipp, Dieburg,
lv.; Gefr. Friedrich Weber, Frankfurt a. M., lv.; Gefr.
Val. Fauſt, Bürſtadt, vm.; Gefr. Martin Willand,
Babenhauſen, vm.; Reſ. Karl Weber, Mellrichſtadt, vm.;
Reſ. Wilhelm Reichert, Stockſtadt, vm.; Wehrm. Jakob=
Paul, Bürſtadt, vm.; Wehrm. Adam Grimm, Mün=
ſter
, vm.; Wehrm. Johann Ballmert, Bensheim, vm.;
Gefr. Adam Rhoma, Klein=Hauſen, vm.; Wehrm. Wil=
helm
Reitzel, Groß=Zimmern, vm.; Reſ. Lorenz Schel=
ler
, Oeſtringen, vm.; Reſ. Peter Edler, Aſtheim, vm.;
Wehrm. Heinrich Gotha, Ober=Roden, vm.; Reſ. Fried=
rich
Heß, Würzberg, vm.: Wehrm. Adam Wegerle,
Lampertheim, vm.; Wehrm. Jakob Beetz, Ober=Roden,
vm.; Wehrm. Franz Deckert. Bensheim, vm.; Wehrm.
Franz Huy, Bürſtadt, vm.; Wehrm. Georg Heckwolf,
Münſter, vm.; Wehrm. Philipp Wüſt, Klein=Hauſen, vm.;
Wehrm. Peter Schroth, Eppertshauſen, vm.
3. Kompagnie: Lt. d. Reſ. Fritz Morell,
Werther, t.; Reſ. Adolf Ziergöbel, Zeilhardt, t.; Reſ.
Jakob Heyl, Mainz, t.; Feldw. Heinrich Stiep, Plei=
tersheim
, lv.; Reſ. Adam Daniel, Allertshofen, lv.;
Gefr. Ludwig Rückert, Stockſtadt, lv.; Reſ. Philipp=
Herzberger, Mörfelden, lv.; Reſ. Johannes Haaß,
Habitzheim, lv.; Reſ. Georg Bader, Dürlamingen, lv.;
Gefr. Emil Ganß, Dieburg, lv.; Reſ. Georg Walter,
Laudenau, lv.; Gefr. Heinrich Leidecker, Burghauer,
lv.; Gefr. Gottl. Splitt, Eliſabeth, lv.; Gefr. Auguſt
Mühleck, Rengershauſen, lv.; Reſ. Johannes Sey=, Hamm, lv.; Speckhardt, lv.; Reſ. Otto Richard
Grieſer, Leipzig, t.; Reſ. Ludwig Merkel, Groß=
Hauſen, lv.; Reſ. Georg Klinger, Steinau, lv.; Gefr=
Karl Schaffner, Mörfelden, lv.; Reſ. Jakob Konrad,
Rüſſelsheim, lv.; Reſ. Georg Fritſch, Lengfeld, lv.; Reſ.
Joh. Wick, Hering, lv.; Reſ. Heinrich Lang, Lörzweiler,
lv.; Reſ. Johann Kulmann, Büttelborn, lv.: Gefr.
Jakob Meffert, Walldorf, lv.; Reſ. Wilhelm Joſt,
Burgbracht, lv.; Gefr. Johann Brendel, Appenheim,
lv.; U.=O. Ludwig Egly, Ueberau, lv.; U.=O. Chriſtian
Schneider, Groß=Oſtheim, lv.; Gefr. Hermann Lehr,
Brensbach, vm.; Reſ. Martin Selinger, Lampertheim,
vm.; Reſ. Philipp Bräunig, Bockenrod, vm.; Reſ. Phi=
lipp
Bormuth, Lautern, vm.; Reſ. Peter Metz, Lorſch,
vm.; Reſ. Wilhelm Abt, Groß=Umſtadt, vm.; Reſ. Johan=
nes
Haum, Lampertheim, vm.
4. Kompagnie: Hptm. d. Reſ. Wilhelm Vogt,
Eiſenach, vw.; Lt. d. Reſ. Peppler, lv.; Wehrm. Johan=
nes
Meyer, Königſtädten, lv.; Reſ. Ernſt Klüſch, Mör=
felden
, lv.; Reſ. Friedrich Möller, Hopfmannsfeld, lv.;
Wehrm. Jakob Heinrich, Würzburg, vm.; Wehrm. Lud=
wig
Börner, Kelſterbach, vm.; Gefr. Andreas Schwarz,
Mützenbach, t.; Wehrm. Jakob Dammel, Mörfelden, t.;
Reſ. Albert Schleppi, Linz, t.; Wehrm. Jakob Sei=
pel
, Rüſſelsheim, ſchv.; Wehrm. Schmidt, ſchv.; Wehrm.
Friedrich Hummel, Ginsheim, ſchv.; Wehrm. Georg
Becker, Geinsheim, ſchv.; Reſ. Johann Schlöppy,
Agisheim, ſchv.; Reſ. Adam Schaab, Ober=Laudenbach,
ſchv.; Reſ. Adam Maus, Wolfskehlen, ſchv.; Wehrm. Jo=
hann
Wendel, Wolfskehlen, ſchv.; Reſ. Karl Brand,
Halle, t.; Reſ. Joſeph Schneider, Schweben, t.; Wehrm.
Wilhelm Löſch, Trebur, t.; Reſ. Adam Dreilich, Kel=
ſterbach
, ſchv.; Reſ. Guſtav Cleß, Weilheim, ſchv.; Vizef.
Ludwig Steuernagel, Köddingen, lv.; Feldw.=Lt. Jo=
hann
Anton Pfänder, Viernheim, lv.; Reſ. Philipp=
Büdinger, Groß=Gerau, lv.; Gefr. Johann Anthes,
Kelſterbach, lv.; Gefr. Ad. Vatter, Gadernheim, lv.;
Wehrm. Heinrich Geiß, Mörfelden, lv.; Wehrm. Jakob
Diefenbach, Kelſterbach, lv.; Wehrm. Georg Hof=
mann
, Leeheim, lv.; Reſ. Nikolaus Wenner, lv.; Reſ.
Nikolaus Panzer, Walpernreuth, lv.; Reſ. Karl Georg
Neumeiſter, Zeitz, lv.; Wehrm. Konrad Odenthal,
Borbeck, lv.; Reſ. Joh. Gauer, Lörzweiler, vm.; Reſ.
Jakob Wilker, Walldorf, vm.; Reſ. Joſeph Butt=
ſcheid
, Poppelsdorf, vm.; Reſ. Walter, vm.; Gefr.
Auguſt Merz, Roth, vm.; Reſ. Schäfer, vm.; Wehrm.
Johannes Renker, Crumſtadt, vm.; Gefr. Jakob Maul,
Erfelden, vm.; Gefr. Auguſt Mundienz, Flemsdorf,
lv.; Reſ. Georg Enggraf, Gernsheim, vm.; Reſ. Gott=
lieb
Deginder, Rüſſelsheim, vm.; Wehrm. Johannes
Stephan, Königſtätten, vm.
Ohne Angabe der Kompagnie: Reſ. Lud=
wig
Störzel, Hetſchbach, lv.: Wehrm. Johann Heinrich
Reinhard, Groß=Zimmern, ſchv.
Brigade=Erſatz=Bataillon Nr. 41, Mainz.
Aulois am 24. 9. 14.
2. Kompagnie: Wehrm. Lorenz Ormanim,
Mainz, ſchv.; Gemeiner Georg Bauer, Mainz, lv.; Ge=
meiner
Jean Ebling, Mainz, lv.; Gemeiner Georg
Boller, Stadecken, ſchv.; Gemeiner Heinrich Kieffer,
Mainz, lv.
Fußartillerie=Regiment Nr. 18.
III. Bataillon, Mainz.
Fort Lionville am 23. 9. 14.
7. Batterie: U.=O. Ernſt Rebensburg,
Mainz, lv.

[ ][  ][ ]

Nummer 285.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 16. Oktober 1914.

Seite 7.

Infanterie=Regiment Nr. 116, Gießen.
Reſ. Anton Fohrer, Zinkhofen, bisher vw., iſt t.;
Vizef. Ludwig Körber, Rödgen, bisher vw., iſt t.
Infanterie=Regiment Nr. 168, Butzbach, Offenbach und
Friedberg.
Musk. Friedrich Achenbach, Limburg, bisher vm.,
iſt vw.; Reſ. Anton Feldmann, Grevenbrück, bisher
vm., iſt vw.; Reſ. Heinrich Goy, Heldenbergen, bisher
vm., iſt im Lazarett; Reſ. Wilhelm Gorr, Munzenberg,
bisher vm., iſt im Lazarett; Reſ. Otto Gräf, Reichelsheim,
bisher vm., iſt vw.; Reſ. Heinrich Hoffmann, Anſtoß,
bisher vm., iſt vw.; Reſ. Konrad Kuhl, Bodenrod, bis=
her
vm., iſt vw.; Reſ. Otto Kratz, Nidda, nicht t., ſon=
dern
vw.; Gefr. Karl Luft, Bermutshain, bisher vm.,
iſt vw.; Reſ. Otto Linkmann, Friedberg, bisher vm.,
iſt vw.; Reſ. Wilhelm Fritz Mewes, Siegen, bisher vm.,
iſt vw.; Reſ. Ernſt Menn, bisher vm., iſt t.; Musk. Joſepy)
Quaſch, Sünshorn, bisher vm., iſt vw.; Reſ. Ruhland,
Nieder=Wöllſtadt, bisher vm., iſt vw.; Reſ. Hermann
Schupp, Lützeln, bisher vm., iſt im Lazarett; Gefr. d.
Reſ. Johannes Wilhelmi, Henglarn, bisher vm., iſt
vw.; Reſ. Wetter, bisher vm., iſt vw.; Reſ. Wilfert,
bisher vm., iſt vw.; Reſ. Zinndorf, Rendel, nicht t., ſon=
dern
im Lazarett.
Infanterie=Regiment Nr. 88.
II. Bataillon, Hanau.
Heilles vom 6. bis 10. 9. und Reims vom 18. bis 20. 9. 14.
5. Kompagnie: Wehrm. Heinrich Olemotz,
Sondorf, ſchv.; Musk. Fritz Happel, Mainz, lv.
6. Kompagnie: Reſ. Heinrich Quint, Wenings,
vm.
7. Kompagnie: Lt. d. Reſ. Adolf Beck, Mainz,
vm.; Reſ. Adam Bauſch, Klein=Umſtadt, lv.; Musk.
Fritz Reimus, Nieder=Ingelheim, lv.
Infanterie=Regiment Nr. 78, Osnabrück und Aurich.
Stab, I. und Erſatz=Bataillon.
Namur am 23., St. Quentin am 29. und 30. 8., Verneul
am 3. und 4., an der Marne vom 3. bis 6. und Reims vom
13. bis 18. 9. 14.
4. Kompagnie: Reſ. Paul Pfeiffer, Koſt=
heim
, vw.
Infanterie=Regiment Nr. 98, Metz.
III. Bataillon.
12. Kompagnie: Musk. Cornelius Bauer, Viern=
heim
, t.
Landwehr=Infanterie=Regiment Nr. 109.
Steinſulz und Waldighofen vom 24. 9. 14.
III. Bataillon, Lörrach.
9. Kompagnie: Wehrm. Albert Rech, Wein=
Hrim, lv.
Reſerve=Dragoner=Regiment Nr. 4, Hannover.
Straimont am 23. und Mouzon am 27. und 28. 8. 14.
2. Eskadron: Drag. Karl Brück, Wölfers=
heim
, lv.
3. Eskadron: Drag. Dürr, Gießen, ſchv.; Gefr.
Pfeif, Keſſelbach, t.
Jäger=Bataillon Nr. 10, Goslar.
Reſ. Heinrich Friedrich, Reuters, t.
Königs=Infanterie=Regiment Nr. 145, Metz.
Fleury am 6. 9. 14.
III. Bataillon.
12. Kompagnie: Gefr. d. Reſ. Johann Grenz=
ler
, Jugenheim, Kr. Bingen, t.; Musk. Johann Hey=
ſer
, Mühlheim a. M., vw.
Infanterie=Regiment Nr. 30, Saarlouis.
Nubécourt am 6., Septſaulx am 21. und Montfaucon vom
22. bis 24. 9. 14.
III. Bataillon.
10. Kompagnie: Reſ. Jakob Walter II., Offen=
bach
, lv.
12. Kompagnie: Reſ. Joſeph Grübel, Alzey, vm.
Landwehr=Infanterie=Regiment Nr. 35, Prenzlau.
Orchies am 24. 9. 14.
I. Bataillon.
1. Kompagnie: Gefr. Chriſtian Clemens,
Worms, vm.

Verwundete und kranke Soldaten
in Darmſtädter Lazaretten.

Mitgeteilt vom Heſſiſchen Landesverein vom Roten Kreuz.
Die Lazarette ſind durch die nachſtehenden Buchſtaben
bezeichnet.
A Alicehoſpital, Dieburger Straße 21. Täglich 34 Uhr nachm.
B Diakoniſſenhaus Eliſabethenſtift, Erbacher Straße 25. Sonntag, Diens=
tag
, Freitag 34 Uhr nachm. C Eleonorenheim (Lazarett J. K. H. der
Großherzogin Heinheimerſtraße 21) Sonntags morgens von ½11—½12 Uhr,
nachmittags von 46 Uhr, Dienstags, Mittwochs und Freitags von 4—½6
Uhr. D Ernſt=Ludwig=Heilanſtalt (Dr. Loſſen), Steinſtraße 21. Täg=
lich
25 Uhr nachm. E Garniſonlazarett (Reſ.=Laz. I), Alexander=
ſtraße
27. Mitt och, Samstag und Sonntag 24 Uhr nachm.:
P Haus Hagenburg, Dieburger Straße 241 (Hirſchköpfe.) Täglich
Uhr nachm. G Dr. Machenhauerſche Klinik, Lagerhausſtraße 24.
Täglich 24 Uhr nachm. II Marienhöhe (Geneſungsheim).
I Schweſternhaus der Barmherzigen Schweſtern, Nieder=Ramſtädter
Straße 30. Nachmittags von 24 Uhr. K Städtiſches Krankenhaus,
Grafenſtraße 1. Werktäglich 23½ Uhr nachm. Sonntags 1112 Uhr
vorm. L Städt. Saalbau (Reſ=Laz. III), Riedeſelſtraße 40. Täglich
25 Uhr nachm. M Techniſche Hochſchule (Reſ.=Laz. II), Hochſchulſtraße 1.
Sonntags, Mittwochs und Samstags von 24 Uhr nachm. N Dr.
Weberſche Augenklinik (Dr. Ollendorff), Frankfurter Straße 42. Täglich
1012 Uhr orm., 36 Uhr nachm.
Hinter jedem Lazarett ſind die Beſuchszeiten angegeben,
die nach Möglichkeit einzuhalten ſind. Ausnahmen werden
zugelaſſen.
Zugang am 14. Oktober:
Bornheim, D., Stockheim, Art. 61/2 K Emich, K.,
Birkenau, Reſ.=Art. 25/6, II Hobmaier, M., Abends=
berg
, Reſ.=Inf. 116/4, I Kaufmann, M., Brunn in
Bayern, Inf. 115/12, I Kraft, H., Hahn b. Pfungſtadt,
Landw.=Inf. 116/4, B Leinert, W., Reinheim, Inf.
115/11, H Möller, K., Markobel, (Kaſſel), Drag. 24,
Erſ., E Schindler, A., Choren=Toppſchadel b. Meißen,
Inf. 115/12, E Staubach, Chr., Herbſtein, Art. 25/4,
Erſ.=Abt., E Trautmann, A., Ober=Kainsbach, Reſ.=
Inf. 116/2, B Weber, W., Wohnfeld, San.=Gefr., E
Weite, H. A., Querenburg b. Bochum, Inf. 115/12, E.

Aus den Lazaretten entlaſſen
am 14. Oktober:

David, S., Landw.=Inf. 116/3, K Diehl, W., Nord=
heim
, Inf. 115/8, B Ebert, O., Chemnitz, 10. Sächſ. Inf.
134/10, B Eich, H., Roſteig, Inf. 99/6, A. Fiſcher, W.,
Darmſtadt, Reſ.=Inf. 221/3, E Jung, A., Art. 61/4,
K Kipp, K., Oppenheim a. Rh., Art, 61, Erſ.=Abt., 4.
Rekr.=Dep. Kramer, K., Inf. 172/11, K von Looſen,
Ch., Inf. 99/3, K Sattler, A. F., Pößnick bei Saalfeld,
Art. 25/3, Erſ.=Abt. E Schlidge, W., Rüſſelsheim, Art.
25/2, Erſ.=Abt., E Uebel, L., Kolmar, Erſ.=Flieg. III/2,
E Weiß, K., Weinsheim, Inf. 115/11, B, geſtorben.

Deutsche Bank Darmstadt
Eröfflnung von laufenden Rechnungen
und provisionsfreien Scheck-Konten.

10. Quittung.

In der Sammelſtelle des Darmſtädter Tagblatts
wurden zu Gunſten der Hinterbliebenen von Kriegs=
reilnehmern
und ſonſtigen Hilfsbedürftigen aus der
Stadt Darmſtadt weiter folgende Beträge abgegeben:
Marx 5 M., Oscar Wolff, Rheinſtr., 50 M., E. Henne=
mann
1.30 M., Heinrich Gehrig 5 M., Prof. W. Sammet
10 M., Fr. K. N. (2. Gabe) 10 M., Geheimrat Kobelt
20 M., Verkauf des Extrablattes Nr. 242 des Darm=
ſtädter
Tagblatts 31.10 M, zuſammen 132.40 M. Hierzu
die bereits veröffentlichten 2559.55 M., insgeſamt
2691.95 Mark.

der ganzen deutſchen Armee liegen
öie Veflustlisten ſämtlich von der erſten erſchienenen
Liſte bis zu den neueſten Liſten in unſerer Geſchäftsſtelle
zur Einſichtnahme auf.

Familiennachrichten.

Den Heldentod fürs Vaterland erlitt in
einem Nachtgefecht vom 4./5. September
unser lieber A. H.
Paul Günther
Diplom-Ingenieur
Offizierstellvertreter.
In tiefer Trauer:
Der Akademische Verein.
I. A.: v. Boltenstern.
Darmstadt, 15. Oktober 1914. (20033

Dankſagung.
Für die liebe Anteilnahme an dem Verluſte
unſeres unvergeßlichen Sohnes, Gatten, Vaters,
Bruders, Schwagers und Schwiegerſohnes
Fritz Grodhaus
ſagen wir innigſten herzlichſten Dank.
Im Namen der trauernden Familie:
Wilhelm Grodhaus.

Darmſtadt, 15. Oktober 1914.

(20010

Dankſagung.
Für die vielen Beweiſe wohltuender
Teilnahme bitten wir auf dieſem Wege
unſeren herzlichſten Dank ausſprechen
(20042
zu dürfen.
Lorſch, 15. Oktober 1914.
Im Namen der Hinterbliebenen:
Geheimer Juſtizrat Dr. Fiſcher.

Dankſagung.
Für die uns erwieſene herzliche Teilnahme
und Blumenſpenden beim Ableben unſerer lieben,
unvergeßlichen Schweſter und Tante (*7364
Fräulein
Lina Bergheimer
ſagen wir Allen, insbeſondere Herrn Pfarrer
Marx für die troſtreiche Grabrede, unſeren
innigſten Dank.
Die trauernden Hinterbliebenen.
Darmſtadt, den 15. Oktober 1914.

Todes=Anzeige.
Verwandten, Freunden und Bekannten die
traurige Nachricht, daß heute mittag 2 Uhr
unſer lieber Vater, Schwiegervater, Bruder,
Schwager und Onkel
(20019
Wilhelm Ackermann
nach kurzem Krankenlager durch den Tod erlöſt
wurde.
In tiefer Trauer:
Wilhelm Ackermann, z. Zt. im Felde
Gretel Welter, geb. Ackermann,
Gg. Welter.
Darmſtadt, Saalfeld a. S., den 14. Oktober 1914.
Liebfrauenſtraße 47.
Die Beerdigung findet Freitag, nachm. 3 Uhr,
vom Portale des Beſſunger Friedhofes aus, ſtatt.

Todes=Anzeige.
Geſtern abend verſchied ſanft nach langem,
ſchwerem Leiden unſere liebe Mutter, Schwieger=
mutter
, Großmutter, Schweſter, Schwägerin
und Tante
(B20034
Frau
Margarethe Stork
Witwe des Großherzoglichen Forſtwarten
Wilhelm Stork.
Darmſtadt, den 15. Oktober 1914.
Familie Rittweger,
Richter,
Keller.
Die Beerdigung findet Samstag, 17. Oktober,
nachm. 3½ Uhr, vom Portale des Beſſunger
Friedhofes aus, ſtatt.

Dankſagung.

Für die vielen Beweiſe aufrichtiger und
innigſter Teilnahme bei dem uns ſo ſchwer be=
troffenen
Verluſte meines innigſtgeliebten Mannes
und treubeſorgten Vaters ſeines Kindes,
Friedrich Lorenz
ſprechen wir Allen, von hier und auswärts, welche
ihn zur letzten Ruhe geleiteten, insbeſondere
Herrn Pfarrer Lindenſtruth für ſeine troſtreiche
und treffende Grabrede, ſowie den verſchiedenen
Vereinen für ihre Kranzſpenden, den herzlichſten
Dank aus.
(20032
Im Namen der trauernden Hinterbliebenen:
Fran Karoline Lorenz nebſt Kind.
Darmſtadt, den 15. Oktober 1914.
Gottesdienſt der israelitiſchen Religionsgemeinde
Haupt=Synagoge (Friedrichſtraße 2).
Freitag, den 16. Okt. Vorabendgottesdienſt 5 Uhr
15 Min.
Samstag, den 17. Okt. Morgengottesdienſt 8 Uhr
45 Min. Sabbatausgang 6 Uhr 15 Min.
Gottesdienſt in der Synagoge der israelitiſchen Religions=
geſellſchaft
.
Samstag, den 17. Okt. Vorabend 5 Uhr. Morgens
8 Uhr. Nachmittags 4 Uhr. Sabbatausgang 6 Uhr
15 Min.
Wochengottesdienſt von Sonntag, den 18. Okt., an;
Morgens 6 Uhr 30 Min. Nachmittags 5 Uhr.
NB. Dienstag, den 20. und Mittwoch, den 21. Okt.:
Rausch Chaudesch Marcheschvon.

Tageskalender.
Freitag, 16. Oktober.

Groß. Hoftheater, Anfang 7 Uhr, Ende gegen 10½
Uhr (Ab. D): Colberg, hierauf Erſter Klaſſe zur
Grenze‟.

Verſteigerungskalender.
Samstag, 17. Oktober:

Dünger=Verſteigerung um 9 Uhr in der Drago=
ner
=Kaſerne (Regt. Nr. 24).

Druck und Verlag: L. C. Wittich’ſche Hofbuchdruckerei,
Verantwortlich für den politiſchen Teil, für Feuilleton,
Reich und Ausland: Dr. Otto Waldaeſtel; für den übrigen
redaktionellen Teil: Kurt Mitſching; für den Anzeigen=
teil
, Anzeigenbeilagen und Mitteilungen aus dem Ge=
ſchäftsleben
: Paul Lange, ſämtlich in Darmſtadt. Für
den redaktionellen Teil beſtimmte Mitteilungen ſind an
die Redaktion des Tagblatts zu adreſſieren. Etwaige
Honorarforderungen ſind beizufügen; nachträgliche wer=
den
nicht berückſichtigt. Unverlangte Manuſkripte werden
nicht zurückgeſandt.

[ ][  ][ ]

Seite 8.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 16. Oktober 1914.

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[ ][  ][ ]

Nummer 285.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 16. Oktober 1914.

Seite 9.

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Seite 10.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 16. Oktober 1914.

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Tobias Wilders Weg zur Höhe.
Von Zdenko von Kraft.
(Nachdruck verboten.)

24.
Vor dem Zauntürchen rannte Erasmus mit einem zu=
ſammen
, der ihn zu Tod erſchrocken anſah.
Mar’ und Joſeph! Erasmus vergaß vor dieſem blei
chen Geſicht alle Freude, die er heimtragen wollte. Herr
Hellmer? Was iſt denn?
Gottwalt brauchte ein paar Sekunden, bis er ſprechen
konnte. Erasmus? Du? Da herunten? Biſt Du denn
nicht mit ihm hinauf?
Auffi? Was, Herr? Mit wem hätt’ ich denn auffi
ſollen?
Mit Tobby
Jetzt erſchrak auch Erasmus, daß ſein braunes Geſicht
wie Aſche wurde. Um Gotteswillen! Der junge Herr wird
doch nett auffi ſein? Hent’?
Ja! Ja! Er iſt hinauf! Was ſagſt Du! Jetzt eben
hab’ ich’s von den Holzknechten erfahren, die der Schnee
heruntertrieb. Aber ich war noch ohne Sorge, weil ich
glaubte, daß Du ihn führſt. Und jetzt ſtehſt Du da vor mir!
Herr Hellmer, ſagte Erasmus ernſt, da muß was ge=
ſchehen
. Der junge Herr is noch a biſſ’l ſchwach beinand.
Und der Schnee wird lahnig ſein. Der rutſcht heut’ wie
a Schlitten
Gottwalt preßte einen keuchenden Atemzug aus ſeiner
Bruſt heraus. Lauf heim, Erasmus! Hole, was nötig
iſt! Schneereifen und Zinklichter mußt Du mitnehmen.
Und Dein Vater ſoll mit! Und noch ein paar andere, feſte
Menſchen! Lauf, Erasmus! Ich richte mich gleich. Dro
ben bei der Wegſcheide in einer halben Stunde da
treffen wir uns
Kein Gruß, kein weiteres Wort. Nach zwei verſchie=
denen
Seiten liefen die beiden Männer davon, ſo raſch,

daß jedem der naſſe Wettermantel um die Schenkel
klatſchte.
Atemlos kam Gottwalt zu ſeinem Haus, riß noch im
Freien den Mantel herunter, ſchleuderte ihn im Flur auf
die Treppe hin und ſprang in de Stube.
Röschen! Denk’ Dir ſo eine Verrücktheit der
Tobby iſt hinauf zum Gamseck heute
Die junge Frau bekam ein weißes Geſicht und ſchien
wie zu Stein verwandelt.
Gottwalt riß den Rock herunter, weil er ſich umklei=
den
mußte. Und allein iſt er hinauf! Allein! Ich muß ihn
ſuchen ich will ihn finden ich will
Er kam nicht weiter. Röschen warf ſich an ſeinen
Hals und umklammerte ihn ſo wild und ungeſtüm, daß
ihm faſt der Atem verging. Sie liebkoſte ihn mit wühlen=
den
Fingern, und er hörte ihre Stimme ſo heiß und ſtark
wie noch nie zuvor:
Suchen nein, Gottwalt, nicht Du! Du nicht! Suchen
ja! Aber nicht Du! Du biſt mein! Ich laß Dich nicht.
Andere ſollen ihn ſuchen der Roth, der Erasmus nur
Du nicht! Ich halte Dich, Gottwalt! Ich halte Dich und
ich liebe Dich.
Er ſtammelte befremdet: Aber Röschen! Verſtehſt Du
denn nicht, daß ich
Nein! Nein! Wie von Sinnen war ſie. Ich laſſe Dich
nicht! Dich will ich nicht verlieren. Das hab’ ich nicht ver=
dient
. So ſchuldig bin ich nicht . Ihre Worte erſtickten
in einem krampfhaften Schluchzen.
Gottwalts erhitztes Geſicht wurde fahl. Seine Augen
erweiterten ſich. Er ſah ein Dunkles, ein Schreckliches.
Was war es nur? Welche Tore waren aufgeſprungen?
In Gottwalt erhoben ſich hundert jagende Gedanken
eine martervolle Sorge bedrängte ihn ihm war, als
fühlte er ſeine Seele fallen, immer tiefer, tiefer
Ein knirſchender Laut. Dann faßte Gottwalt mit
beiden Händen Röschens Kopf, hob ihr Geſicht ganz nahe
zu ſich herauf und forſchte mit brennendem Blick in dieſer

Bläſſe, in dieſen naſſen Augen, in denen ſtumm ein hilf=
loſer
Schmerz und eine dürſtende Liebe ſchrie.
Da wurde er ruhig und atmete tief.
Frau Nein! Sprich nicht! Ich verſtehe alles!
Deine Augen ſind rein. Auch Dein Leib und Dein
Leben. Das weiß ich. Er küßte ſie leidenſchaftlich auf
beide Augen. Und Tobby dieſen Namen brachte er
ſchwer heraus. Tobby iſt kein wertloſer Menſch ein
verirrter vielleicht aber kein ſchlechter. Iſt eine Schuld
an an Euch beiden, ſo heißt ſie Jugend und junge
Torheit. Und dann iſt eine Schuld auch an mir. Ver=
trauen
iſt eine ſchöne Sache Blindheit eine gefährliche.
Das weiß ich jetzt. Er küßte ſie wieder. Jetzt ſei ruhig,
Röschen! Du darfſt mich nicht halten dieſes Recht haſt
Du nicht jetzt! Immer ruhiger wurde er. Ich will
ihn ſuchen mit Erasmus und drei anderen noch. Ich=
muß!

Er löſte Röschens Arme von ſeinem Hals. Sie
wehrte ſich nicht und ſprach kein Wort. Die Tränen roll=
ten
ihr über das blaſſe Geſicht, und immer hing ſie mit
dieſen dürſtenden Augen an Gottwalt. Während er ſich
umkleidete, holte ſie alles, was er brauchte: das grobe
Lodenzeug, ſeine ſchwerſten und beſten Schuhe, die Fäuſt=
linge
und Steigeiſen, den Eispickel, die Schneekappe und
den Kautſchukmantel.
Als er ging, umklammerte ſie ſeinen Hals. Gottwalt
bis Du wieder kommſt, bin ich ein totes Geſchöpf!
Sei ruhig!
Er küßte ihr Haar.
Und ging.
Es wollte ſchon Abend werden. Mit dünnem Ge=
rieſel
fiel der kalte Regen aus dem tiefen, hängenden Ge=
wölk
. Zwiſchen den feinen Waſſerfäden fielen auch nadel=
ſcharfe
Splitter von Eis und kleine, weiße Sternkriſtalle.
(Fortſetzung folgt.)

[ ][  ][ ]

Nummer 285.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 16. Oktober 1914.

Sette 11.

Amtliche Nachrichten des Großh. Polzeiamts Darmſtadt.

Polizeilich eingefangene und zugelaufene Hunde: In polizei=
licher
Verwahrung und Pflege in der Hofreite Beſſungerſtr. Nr. 56 be=
findet
ſich: 1 Pinſcher (zugelaufen). Die Hunde können von den
Eigentümern bei dem 5. Polizei=Revier ausgelöſt werden. Die Ver=
ſteigerung
der nicht ausgelöſten Hunde findet dortſelbſt jeden Werk=
tag
, vormittags 10 Uhr, ſtatt.

Schutz der Hecken und des Buſchwerks.

Nachſtehende Polizeiverordnung bringe ich, unter beſonderem
Hinweis auf die §§ 1 und 2, zur Kenntnis der Beteiligten.
Das Feldſchutzperſonal iſt angewieſen, Zuwiderhandlungen zur
Anzeige zu bringen, worauf Beſtrafung der Schuldigen mit 1 bis
30 Mark eintritt.
Darmſtadt, den 1. Oktober 1914.
(19434a
Der Oberbürgermeiſter:
I. V.: Ekert.

Polizeiverordnung.

Auf Grund des Art. 43 Abſ. 2 des Feldſtrafgeſetzbuches vom
13. Juli 1904, der Art. 64 und 48 III Ziffer 1 der Kreis= und Pro=
vinzialordnung
vom 12. Juni 1874 in der Faſſung der Bekanntmachung
vom 8. Juli 1911 wird mit Zuſtimmung des Kreisausſchuſſes und
mit Genehmigung Großh. Miniſteriums des Innern vom 18. März
1913 zu Nr. M. d. J. 3380 für den Kreis Darmſtadt verordnet:
§ 1. Hecken und Buſchwerk dürfen mit Rückſicht auf den
Vogelſchutz fernerhin nicht mehr abgebrannt werden.
§ 2. Das Beſchneiden von Hecken und Buſchwerk iſt nur
in der Zeit vom 1. Oktober bis 1. März des folgenden Jahres
geſtatter.
§ 3. Außerhalb der in § 2 angegebenen Zeit dürfen Hecken und
Buſchwerk nur mittelſt der von der Ortspolizeibehörde zum ordnungs=
mäßigen
Gebrauch beſtimmten Werkzeuge (Heckenſchere uſw.) ge=
ſchnitten
werden.
§ 4. Hecken und Buſchwerk, deren Zweige auf öffentliche Fahr=
und Fußwege hinausragen, ſind von den Beſitzern zurückzubinden
oder während der nach § 2 erlaubten Zeit zurückzuſchneiden.
§ 5. Zuwiderhandlungen werden, inſoweit nicht nach geſetz=
lichen
Vorſchriften eine höhere Strafe verwirkt iſt, auf Grund des
Art. 64 der Kreis= und Provinzialordnung mit Geldſtrafe bis zu
30 Mark beſtraft.
Großh. Kreisamt Darmſtadt.

Jagd-Verpachtung.

Die Ausübung der Jagd in den hieſigen Gemeindejagdbezirken
I bis VI, zuſammen einen Flächeninhalt von etwa 2860 Hektar um=
faſſend
, wird am
Dienstag, den 27. Oktober I. Js., vormittags 10 Uhr,
im Rathaus dahier anderweitig auf die Dauer von 6 Jahren, d. i.
vom 1. Februar 1915 bis einſchließlich 31. Januar 1921, öffentlich
verpachtet.
Wir laden hierzu Pachtliebhaber ein mit dem Bemerken, daß
der Entwurf des Jagdpachtvertrages diesſeits zur Einſicht offen liegt,
und daß in der Tagfahrt als Bieter nur ſolche Perſonen zugelaſſen
werden, welche ſich im Beſitz eines Jagdpaſſes befinden oder durch
ein ſchriftliches Zeugnis der zuſtändigen Behörde (des Bezirksamts)
nachweiſen, daß gegen die Erteilung des Jagdpaſſes ein Bedenken
nicht obwaltet.
(II,19854
Weinheim (an der Bergſtraße), den 9. Oktober 1914.
Gemeinderat.
I. V.: Vogler.
Fitzer.


Nachlaß=Verſteigerung.

Freitag, den 16. Oktober, nachmittags 3 Uhr
beginnend, wird der Nachlaß des verſtorbenen Fräulein
Dorothea Stuckert in dem Lokale Roſenhöhe‟ Ecke Runde=
turm
= und Mühlſtraße, gegen Barzahlung verſteigert, und zwar:
1 Tiſch, 1 eintüriger Kleiderſchrank, 1 zweitüriger
Kleiderſchrank, 1 Kommode, 1 Nähtiſch, 1 Ziertiſch,
4 Rohrſtühle, 1 vollſtändiges Bett, 1 Nachttiſch.
1gepolſterter Seſſel, 1 Spiegel, 1 Pendeluhr, 1 Wand=
uhr
, 1 Handnähmaſchine, Bilder, Vorhänge uſw.
1 Küchenſchrank, 1 Speiſeſchrank, 1 Küchentiſch,
1 Petroleumkocher und ſämtliches Küchengeſchirr,
2 Schließkörbe.
1 Pelzgarnitur, Damenkleider, Damenwäſche, Tiſch=
wäſche
, Bettwäſche, Handtücher, Schürzen u. a. m.
Darmſtadt, den 15. Oktober 1914.
(20006
dwig Rauh, Amtsgerichts=Taxator,
Wilhelminenstrasse 21. Telephon 903.

Private Koch= und Haushaltungsſchule
Sandſtraße 12.
Wiederbeginn der Kurſe Mitte Oktober.
Den Unterricht ert. ſtaatl. gepr. Haushaltungslehrerin.
Praktiſche Anleitung. Aufnahme von Schülerinnen
und Penſionärinnen jederzeit. Näheres durch die Inhaberin
Frau A. Merkelbach.
19856a)

Nächhilſe-Schule, Hermannſtr. O lich werden.
Arbeitsſtunden Nachhilfe=Kurſe.
Für Sexianer - Oberſekundaner (einſchl.) aller hieſigen höheren Schulen. merkſam, daß Haupt=Abſperrhahn
Beſter Erſatz f. teuere Privatſtunden. Kein Schulwechſel mehr nötig.
Die Schüler werden nicht nur einfach überwacht. Nichtverſtandenes
durch Fachlehrer erklärt. Erziehung und Gewöhnung zu ſelbſtändigem
Arbeiten (Arbeitsprinzip). Beginn 15. Oktober. (B19306
Auswärtige Schüler erhalten vorzügliche Vollpenſion.
Nollze Solche aus der Umgebung Darmſtadts können als Halb=
penſionäre
(Mittageſſen Vesper Arbeitsſtunde) aufgenommen
werden, um abends zu ihren Eltern zurückzukehren. Der Leiter.
Pensionat Wagner
10 Neckarſtraße 10.
An dem Handarbeits=Unterricht, ſowie ſonſtigen
Fächern meiner Penſionärinnen können noch einig
Schülerinnen teilnehmen.
(19541a
Beginn Mitte Oktober.

Auiur
Kriegsfürsorge-Linderung der Arbeitslosigkeit.
Besonders schwer vom Kriege betroffen ist das gesamte
Möbel- und Holzbearbeitungs-Gewerbe.
Die Bautätigkeit ist entweder eingeschränkt oder sie ruht vollkommen. Neu-
bestellungen
für Möbel- und Einrichtungs-Gegenstände fehlen. Alte Aufträge können nicht
abgeliefert werden.
Die meisten Fabriken des hiesigen Bezirkes haben versucht, durch Uebernahme von
Kriegslieferungen, ferner durch Lagerarbeiten ihre Betriebe mit den nicht zum Heere ein-
berufenen
Arbeitern bisher ganz oder teilweise aufrecht zu erhalten.
Für die aus stillgelegten Fabrikbetrieben freigewordenen
Arbeiter fehlt jegliche Arbeitsgelegenheit.
Die Fortführung der jetzt noch offenen Fabrikbetriebe ist gefährdet.
Im nationalen Interesse
bitten wir deshalb die Behörden, Bauherren und alle diejenigen, welche demnächst Möbel-
und Einrichtungsarbeiten zu vergeben haben, diese schon jetzt zu bestellen, damit gerade
jetzt vor Beginn des Winters den Beschäftigungslosen lohnender Erwerb, den noch Beschäf-
tigten
die Fortsetzung ihres Verdienstes ermöglicht werde.
Die frühzeitige Bestellung seines Bedarfes mit langen Lieferungsfristen
sichert dem Käufer eine besonders sorgfältige
Ausführung
und den durch den Krieg unverschuldet in Not geratenen Arbeitern und Unternehmern
Schutz vor bitterster Armut.
Eine solche Sicherung von Arbeitsgelegenheit erscheint uns verdienstlicher, entspricht
auch weit mehr den allgemeinen Interessen, als sie eine weitere Inanspruchnahme der öffent-
lichen
Arbeitslosen-Unterstützung vermeiden würde.
Bei dem großen, in dieser schweren Zeit so oft bewiesenen Verständnis für die wirt-
schaftlichen
Erfordernisse hoffen auch wir auf die sofortige tatkräftige Unterstützung der
beteiligten Kreise rechnen zu dürfen.
(20014a

Arbeitgeber-Schutzverband
für das Deutsche Holzgewerbe
Bezirksverband Darmstadt.
Glöckler.
Ernst Trier.

Deutscher
Holzarbeiter-Verband
Zahlstelle Darmstadt.
I. A.: Hermann Rupprecht. Val. Krämer.

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Federn waſchen und gefärbt

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Wenckſtraße 6, 1. St.

Bekaunrmachung.

Beim Einnehmen von Vorräten
in die Keller kommt es öfter vor,
daß die dort befindlichen Haupt=
abſperrhähne
der Waſſerleitung,
ſowie die Waſſermeſſer unzugäng=
Wir machen daher die verehr=
lichen
Intereſſenten darauf auf=
und Waſſermeſſer ſtets zugänglich
bleiben müſſen, und bitten beim
Einnehmen von Vorräten hierfür
beſorgt zu ſein. (20031fgi
Darmſtadt, 15. Oktober 1914.
Direktion der ſtädtiſchen Gas=
und Waſſerwerke.
Rudolph.

Pferderüben
verkauft waggon= und
fuhrenweife
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Pfungſtadt Tel. 223.
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Darmstädter Pädagogium.
Vorbereitung zum Einjährigen=, Primaner=,
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Bis jetzt beſtanden: 75 Abiturienten, 60 Primaner,
163 Einjährige u. v. a.
(B18786
M. Elis=, Herdweg 56½.

Den verehrten Patienten und Einwohnern Darm-
stadts
und Umgebung gebe, um Irrtümer zu
vermeiden, zur gefl. Kenntnis, dass die zahnärzt-
liche
Praxis des
(19910md
Zahnarztes Wolters
sich nicht mehr Rheinstrasse 17, Ecke Grafenstrasse,
befindet. Da mein Mann im Felde steht, ist die Praxis
vom 15. Oktober ab bis auf weiteres geschlossen.
Frau Wolters.

zut erhaltener Kinderwagen
billig zu verkaufen (*7308

la. Melasse
(41 Zucker), Fleiſchfuttermehl.
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[ ][  ]

Seite 12.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 16. Oktober 1914.

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