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177. Jahrgang
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Das „Amtsverkündigungsblatt des Großh. Kreisamts Darmſtadt” wird Dienstags, Donnerstags und Samstags nach Bedarf beigefügt.
Die heutige Nummer hat 8 Seiten.
Das Wichtigſte vom Tage.
ßrinzeſſin Wilhelm von Baden iſt heute früh
reſtorben.
ſer franzöſiſche Dampfer „Niagara” mit 147
Paſſa=
gieren befindet ſich in Seenot. Hilfe iſt abgegangen.
Aurn Präſidenten der Republik Uruguay
wurde Blas Vidal gewählt.
(Letzte Nachrichten ſiehe Seite 4.)
Fortſchritt und Glück.
KK Wenn das Glück der Menſchen allein von den
ſſpatſchritten des wirtſchaftlichen Lebens abhinge, ſo
ſützte die Gegenwart die weitaus größte Summe von
ſſück aufzuweiſen haben, die jemals vorhanden geweſen
Die Bedingungen äußeren Wohlbefindens ſind heute
ſſiglleich günſtiger und allgemeiner, als zu irgendeiner
i früher, und keine Behauptung läßt ſich leichter
wider=
ſhzem, als die von der wachſenden Verelendung der
taiſen. Vollauf erwieſen iſt die Unwahrheit des Satzes,
ſißl die Armen immer ärmer und ihrer mehr, die Reichen
Alirth reicher und weniger zahlreich werden.
Die Verallgemeinerung der wirtſchaftlichen
Errungen=
ſſufsen gehört zu den weſentlichen Kennzeichen unſerer
lſtt die großen Fortſchritte, die für Verbeſſerung und
lligere Herſtellung der wirtſchaftlichen Güter, für die
krnollkommnung des Verkehrs, die Hebung der
Lebens=
ſiſe, die Sicherung der Lebenslage erzielt worden ſind,
Almen auch den breiteſten Schichten der Bevölkerung
zu=
ge So benutzen heute Arbeiter in gleichem Maße wie
ſege Klaſſen die Eiſenbahn, die elektriſche Straßenbahn,
Fahrrad. Ebenſo allgemein ſtehen die Fortſchritte im
ALeuchtungsweſen, in der Waſſerverſorgung und die
Ver=
amittel der Poſt zur Verfügung. Letzteres war z. B.
noch etwa 60 Jahren keineswegs der Fall; da koſtete
infacher Brief innerhalb Deutſchlands 50 Pfg. und
und für die Meile Poſtperſonenverkehr zahlte man
elilbergroſchen. Für die Aermeren bildete das in der
e unerſchwingliche Koſten. Mit dem Wohlſtande und
gebenshaltung der Maſſen iſt es heute durchweg beſſer
leut als früher. Das Durchſchnittseinkommen iſt ſtärker
ſlegen, als die Kaufkraft des Geldes gefallen iſt. Heute
An jeder meiſt beſſer wohnen, ſich beſſer kleiden und
er=
hrem als ehedem. Der Verbrauch an Fleiſch, Brot,
l. Baumwolle uſw. hat bedeutend zugenommen. We=
ſentlich fortgeſchritten ſind die allgemeinen
Geſundheits=
einrichtungen, ſo daß heute jeder auf mehr Geſundheit
rechnen kann und auf längere Lebensdauer Anſpruch hat
als vor einem Jahrhundert.
Es ſteht alſo unanfechtbar feſt, daß die
Daſeinsbedin=
gungen, und zwar nicht nur für einige wenige
Bevor=
zugte, ſondern für das geſamte Volk, ſich verbeſſert haben.
Das könnte geeignet ſein, Gefühle des Glücks
hervorzu=
rufen, zu erhalten, zu erhöhen. Trotzdem fühlen ſich die
großen Maſſen heute ſchwerlich glücklicher als früher. Dem
Fortſchritt der äußeren Glücksbedingungen entſpricht nicht
das Wachſen der Vorausſetzungen für inneres, wahres
Glück. Allein vermag wirtſchaftliches Wohlbefinden nicht
Glücksempfindung zu erzeugen. Sonſt müßten die
Rei=
chen, die ſich alles in Hülle und Fülle leiſten können, was
zu des Leibes Nahrung und Notdurft gehört, die
glück=
lichſten Menſchen ſein. Dem iſt aber nicht ſo. Wie kommt
es aber, daß heute die Menſchen weniger glücklich, weniger
zufrieden ſind als früher, obwohl doch äußerer Anlaß
dazu mehr gegeben iſt?
Der Hauptgrund liegt darin, daß die ſittlichen Kräfte,
die wahres, inneres Glück ſchaffen, ſchwächer geworden
ſind. Die Verelendung auf wirtſchaftlichem Gebiete ſinkt.
um ſo mehr ſteigt die ſittliche Verelendung. Die
Unzu=
friedenheit wird vielfach künſtlich gezüchtet, Triebe wie
Neid und Haß werden genährt, die Unbehagen, Unfrieden,
Lebensüberdruß, alſo Mangel an Glücksgefühl, zur Folge
haben. Bezeichnend iſt der Ausſpruch eines ſchleſiſchen
Arbeiters: „Früher ging ich mit Geſang zur Arbeit, heute,
wo die modernen Ideen auf mich gewirkt haben, fühle
ich mich weniger glücklich!” Wenn den Maſſen vorgeredet
wird, daß Vorausſetzung ihres Glückes die völlige
Gleich=
heit oder Gleichmachung der wirtſchaftlichen,
geſellſchaft=
lichen und politiſchen Zuſtände ſei und jeder den gleichen
Anteil am Fortſchritt haben müſſe, ſo heißt das nichts
an=
deres, als die Maſſen unempfänglich für die Beſſerung
ihrer äußeren Lage machen und verhüten, daß ſie ſich
in=
folgedeſſen weniger unzufrieden als ſeither fühlen.
Glück iſt nicht nur eine Magenfrage. Dieſes wird
aber die Maſſen heute gelehrt, und der Erfolg dieſer Lehre
wird um ſo größer, je geringer die Einflüſſe der Religion
werden, die Lebensmut gewährt, die Halt und Troſt in
jeder Lebenslage und Lebensfügung verleiht. Gewiß ſoll
jeder beſtrebt bleiben, ſeine äußeren Lebensverhältniſſe zu
verbeſſern; aber Maß und Ziel dieſes Strebens darf nicht
jenſeits des Möglichen und Erreichbaren liegen. Er muß
ſich beſcheiden, mäßigen können, muß ſtets dabei
einge=
denk ſein, daß Glück nur die Fähigkeit gibt, die
Bedürf=
niſſe und Begierden nicht ins Ungemeſſene wachſen zu
laſſen, nichts Ueberflüſſiges, zum Wohlergehen Unnötiges
zu begehren, ſich einzuſchränken, den jeweiligen
Verhält=
niſſen anzupaſſen. Eines deutſchen Dichters, Mörikes,
Ge=
bet lautet alſo: „Herr, ſchicke, was Du willt, ein Liebes
oder Leides; ich bin vergnügt, daß beides aus Deinen
Händen quillt. Wolleſt mit Freuden und wolleſt mit
Lei=
den mich nicht überſchütten! Doch in der Mitte liegt
hol=
des Beſcheiden!” Solches Beſcheiden, worin der Wille zur
inneren Zufriedenheit lebt, wird immerdar die reinſte
Glücks= und Heilsquelle bleiben, und Fortſchritt zum
Glück wird ſich nur gewinnen laſſen, wenn ſich unſerem
Volke wieder mehr dieſe Quelle erſchließt.
Die Verbände der Arbeitgeber,
Angeſtellten und Arbeiter
im Jahre 1912.
D Das Kaiſerliche Statiſtiſche Amt hat als 8.
Sonder=
heft zum Reichs=Arbeitsblatte die Statiſtik der
Arbeit=
geber=, Angeſtellten= und Arbeiterverbände für Ende 1912
veröffentlicht. Während in der vorjährigen
Veröffent=
lichung (6. Sonderheft zum Reichs=Arbeitsblatte), die zum
erſtenmal eine in ſich abgeſchloſſene Geſamtdarſtellung
der Verbandsſtatiſtik brachte, namentlich die Verbände der
Angeſtellten und die wirtſchaftsfriedlichen und
konfeſſio=
nellen Arbeitervereine in breiterem Rahmen behandelt
wurden, beſchäftigt ſich die diesjährige Bearbeitung
hauptſächlich mit der mehr und mehr hervortretenden
Kon=
zentrationserſcheinung bei den Verbänden und deren
Um=
wandlung von Berufs= zu Induſtrieverbänden. Daneben
iſt den Neugründungen und der Weiterentwicklung der
be=
ſtehenden Verbände ein beſonderes Augenmerk
zuge=
wandt.
Bei den Arbeitgeberverbänden erfolgte die
Abgren=
zung der für die Darſtellung in Betracht kommenden
Ver=
bände in der Weiſe, daß in der Hauptſache nur
Organiſa=
tionen einbezogen wurden, die die Behandlung von
Ar=
beiterfragen als ihre Hauptaufgabe oder wenigſtens als
einen Teil ihrer Aufgaben betrachten, oder die zum Zweck
der Erledigung ſolcher Fragen anderen
Arbeitgeberver=
bänden angeſchloſſen ſind. Abgeſehen hiervon ſind
Ver=
bände mit rein wirtſchaftlichen, geſchäftlichen oder
ſozial=
politiſchen Zielen ausgeſchloſſen. Nach den Feſtſtellungen
beſtanden Anfang 1913 3431 Arbeitgeberverbände (111
Reichs=, 511 Landes= oder Bezirks= und 2809
Ortsver=
bäude) gegen 2592 im Jahre 1909. Sie zählten 145000
Mitglieder und 4,6 Millionen bei dieſen beſchäftigten
Ar=
beiter. Die Gegenüberſtellung mit der gewerkſchaftlich
organiſierten Arbeiterſchaft und die berufliche und örtliche
Gliederung gibt einen Einblick in die
Organiſationsver=
hältniſſe auf der Arbeitgeber= und Arbeiterſeite und in den
einzelnen Induſtien und Landesteilen.
Die Angeſtelltenverbände, von denen 23 kaufmänniſche,
21 techniſche, 9 Bureaubeamten=, 5 landwirtſchaftliche und
12 ſonſtige Organiſationen mit ihren Zweigvereinen er=
Das Tippfräulein.
Roman von Gertrud Stokmans.
(Nachdruck verboten.)
üienn ſie ihn noch ernſtlich und aufrichtig liebte und
Ailich für ihn paßte, fuhr Margitta fort, wollte ich
Aß mrotz allem beſcheiden und auch innerlich auf Dietrich
Mlichten, aber ich habe den Eindruck, daß die kokette
Miirm ihr Spiel mit ihm treibt und ſeine Gefühle nur
ſert, um ſie auszunutzen.
ſsde will ihn heiraten, natürlich, war die Erwiderung,
i wie kommſt Du dazu, ihre Ehrlichkeit anzuzweifeln?
Qou die beiden einmal zuſammen geſehen?
Alaargitta von Troſſach wurde rot. Ja, meinte ſie
lheimem Anfluge von Trotz, ich habe ſie heimlich be=
Mbht und beobachtet, ich gebe es zu. Die Gelegenheit
war günſtig und Klarheit erwünſcht. Findeſt Du
Worgehen unverzeihlich, Tante Alexandra?
inverzeihlich nicht, Kind, aber weder geſchmackvoll
uug. Du kannſt Beſſeres tun, als Dich zu gräman
Mlſtir den Pfeil noch tiefer ins Herz zu drücken. Bleibe
nzüßig, wehre Dich gegen den Feind, gehe ihm zu
Al.
lbeer wie? meinte Margitta in tiefer
Niedergeſchla=
lit Ich bin machtlos und rechtlos jenem Mädchen
geſſtüteer und viel zu ſtolz, um mit ihr zu kämpfen.
Pinekt ſollſt Du das auch nicht, ſagte die Stiftsdame,
abldu mußt Dich nach Hilfstruppen umſehen, die Du
imichtigen Moment ins Feld führen kannſt. Mag der
r nun Fräulein Schacht heißen oder einen anderen
Nallin tragen. Das kleine Tippfräulein wird aller Vor=
oteſch uach denichſt abeitit weren, und
Dernies=
kluge Mutter wird ſchon dafür ſorgen, daß er ihr nicht
auf dem Fuße folgt. Dann iſt Deine Zeit gekommen,
um ihn Dir zurückzuerobern, kleine Margitta, und zwar,
ſo Gott will, für immer, indem Du die Hinderniſſe
be=
ſeitigſt, weche Eurer Verbindung von Anfang an im
Wege ſtanden. Ganz wird Dir das wohl nicht gelingen,
aber vielleicht doch zum Teil, und inzwiſchen haſt Du
eine intereſſante und geſunde Beſchäftigung, welche Dich
von Deinem Kummer abzieht und unnütze Grübeleien
verhindert. Dein Brüder iſt ein geſchickter Menſch, der
kann Dir dabei helfen.
Margitta von Troſſach ſchüttelte verſtändnislos den
Kopf.
Du ſprichſt in Rätſeln, Tante Alexandra. Welche
Be=
ſchäftigung meinſt Du denn?
Die Stiftsdame lächelte überlegen und tippte dabei
mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. Ein bißchen ſchwer
von Begriffen ſind wir, mein armes Kind, aber nun
denke einmal nach und ſage mir, weshalb glaubt Dietrich
Treſſenſtein, Dich nicht heiraten zu können?
Weil ich das Unglück habe, ein vornehmes Mädchen
zu ſein und über eine lange Ahnenreihe verfüge.
Richtig. Letztere iſt alſo das eigentliche Hindernis.
Da muß in erſter Linie der Hebel angeſetzt werden. Habt
Ihr ſie ſchon einmal gründlich geprüft?
Nein, war die Antwort, es lag keine Veranlaſſung
dazu vor. Die Troſſachs ſind ein altes, urſprünglich
ſchot=
tiſches Geſchlecht, und was man darüber wiſſen muß,
ſteht längſt im „Gotha” aufgezeichnet.
Trotzdem würde ich Euch raten, Euch einmal mit der
Geſchichte Eurer Familie eingehend zu beſchäftigen, meinte
die Siſhant. Es iſt gang merbüldig, weige
Zir=
tümer da trotz allem mit unterlaufen, welche
Ueberraſchun=
gen man zuweilen hat. Meiſtens ſind ſie unangenehmer
und peinlicher Natur, aber Dir wäre mit einer ſolchen
Entdeckung entſchieden gedient, und darum würde ich an
Deiner Stelle darauf ausgehen. Mißlingt der Verſuch,
biſt Du nicht ſchlimmer daran als wie zuvor.
Margittas Blick und Antlitz belebten ſich. Ja, ſagte
ſie, Du haſt recht, Tante Alexandra, ein Wunder, daß
wir nicht eher auf die Idee kamen. Aber wo ſollen wir
anfangen, woher bekommen wir das nötige Material?
Dieſe Fragen wird der Hausherr, der Baron von
Haſſelmann, gern beantworten, meinte die Stiftsdame mit
heiterer Zuverſicht. Er ſchreibt ſelbſt eine
Familien=
geſchichte, kennt den Rummel und hilft gern. Ich werde
mit ihm reden und die Sache einleiten. Ihr müßt mir
nur verſprechen, in der Stille zu arbeiten und fleißig zu
ſein; dann kommt Ihr ſchnell vorwärts und findet, ſo
Gott will, auch das, was Ihr ſucht. Die Ahnenreihe iſt
hoffentlich nicht ganz ſo tadellos, wie Ihr glaubt. Man
muß ſich die Sache nur einmal in der Nähe beſehen.
Margitta lachte. Ein Hoffnungsſtrahl war in ihre
Seele gefallen, der Wunſch, ſich zu betätigen, geweckt.
Sie und ihr Bruder Max griffen mit Feuereifer die neue
und intereſſante Aufgabe an, und als ſie nun hörten, daß
Fräulein Schacht, die Feindin von Margittas Glück,
wirk=
lich und wahrhaftig in einigen Tagen abreiſen ſollte, ſtieg
ihre Stimmung noch um einige Grad. Die Geſchwiſter
ahnten nicht, daß Dietrich Treſſenſtein ſeine Werbung
bei dem kleinen Tippfräulein ſchon angebracht hatte, und
auch ſeiner Mutter, der Gräfin, blieb dieſer Umſtand
ver=
borgen. Sie glaubte nicht mit Unrecht, durch ihre Er=