Darmstädter Tagblatt 1910


29. November 1910

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monatl. 50 Pfg., viertelj. 1.50 Mk., aus=
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173. Jahrgang
verbunden mit Wohnungs=Anzeiger und der Sonntags=Beilage:
Illuſtriertes Unterhaltungsblatt.
Organ für die Bekanntmachungen des Großh. Polizeiamts Darmſtadt, der Großh. Bürgermeiſtereien des Kreiſes und der andern Behörden.
Das Amtsverkündigungsblatt des Großh. Kreisamts Darmſtadt wird Dienstags, Donnerstags und Samstags nach Bedarf beigefügt.

Inſerafe
werden angenommen in Darmſtadt.
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ſowie von unſeren Agenturen und
den Annoneen=Expeditionen. Bei
gerichtlicher Beitreibung oder bei Konkurs
kommt jeder Annoncenrabatt in Wegfall.

N 280.

Dienstag, den 29. November.

1910.

Die heutige Nummer hat 20 Seiten.

Das Schiffahrtsabgabengeſetz.
** Im Reichstage ſteht augenblicklich das Geſetz,
welches der Abgabenfreiheit auf den deutſchen Strömen
ein Ende bereiten ſoll, auf der Tagesordnung. Die ganze
Frage hat bekanntlich ſchon viel Staub aufgewirbelt und
der Entwickelungsgang der Angelegenheit iſt ein ſo eigen=
artiger
, daß ein kurzer Rückblick angezeigt erſcheint.
Als im November 1903 die erſten Nachrichten in die
Oeffentlichkeit drangen, daß es auf die Abgabenfreiheit der
deutſchen Ströme abgeſehen ſei, wollte man anfänglich
an die Möglichkeit eines ſolchen Planes nicht glauben, der
in das Zeitalter des Verkehrs ſo ſchlecht hineinpaßte und
den man im Hinblick auf die Verträge mit fremden
Staaten, ſowie auf den Artikel 54 der Reichsverfaſſung
für undurchführbar hielt. Aber bald kamen Anzeichen,
daß der Plan in der Tat beſtände, und als gar die preu=
ßiſche
Kanalvorlage beſtimmte, auf den im Intereſſe der
Schiffahrt regulierten Flüſſen ſollten Schiffahrtsabgaben
erhoben werden, da konnte niemand mehr daran zweifeln,
daß die Freiheit der deutſchen Ströme in wirklicher Ge=
fahr
ſei. Die preußiſche Regierung ſuchte mit großer
Energie ihr Ziel zu erreichen und alle ihm entgegen=
ſtehenden
Hinderniſſe rückſichtslos zu beſeitigen.
Ein ſolches Hindernis bildete zunächſt der ſchon er=
wähnte
Artikel 54 der Reichsverfaſſung, welcher im allge=
meinen
den freien Verkehr auf den natürlichen Waſſer=
ſtraßen
gewährleiſtete. Da eine Reihe von Bundes=
ſtaaten
mit der Einführung von Schiffahrtsabgaben nicht
einverſtanden war, ſo hätte die Wahrſcheinlichkeit vor=
gelegen
, daß Preußen mit einem Antrage auf Verfaſſungs=
änderung
, zu deſſen Verwerfung im Bundesrat nur 14
Stimmen erforderlich ſind, durchgefallen wäre. Um das
zu vermeiden, ſtellte Preußen nur den Antrag auf authen=
tiſche
Interpretation des Artikels 54, was ein ſehr geſchick=
ter
Schachzug war, da hierzu nur die einfache Mehrheit
im Bundesrat gehörte, welche Preußen ſicher war. Daß
letzteres auf die widerſtrebenden Bundesſtaaten einen
Druck ausgeübt hat, wird zwar in Abrede geſtellt, aber
auch die von der Regierung abgegebene Erklärung, daß
bis zur Entſcheidung über die Zuläſſigkeit der Abgaben
weitere Aufwendungen für die Binnenſchiffahrt ſuspen=
diert
würden, genügte ſchon, um manche Staaten gefügig
zu machen. Das ſah man an Bayern, als deſſen Sprach=
rohr
mehrfach Prinz Ludwig in der Oeffentlichkeit auf=
trat
, wo er ſich als Anhänger der Abgabenfreiheit hin=
ſtellte
, jedoch im Hinblick auf die Mainkanaliſierung
den Grundſatz vertrat: Lieber Waſſerſtraßen mit Abgaben,
wann dieſe nicht zu hoch ſind, als gar keine. Und ſo nahm
denn die Sache ihren Lauf. Im Februar 1909 genehmigte
das preußiſche Staatsminiſterium den Entwurf betreffend
die Auslegung des Artikels 54 der Reichsverfaſſung, und
die Vorlage ging alsbald an den Bundesrat, der im
Februar 1910 den preußiſchen Antrag annahm. Die oppo=
nierenden
Staaten Sachſen, Baden und Heſſen blieben
in der Minderheit, ihr Widerſpruch ſollte durch Entgegen=
kommen
in Einzelheiten gemildert werden. Im Laufe
dieſes Sommers wurde dann der Entwurf des Geſetzes
über die Schiffahrtsabgaben im Bundesrat genehmigt, und
es kann nicht verkannt werden, daß er gegen den früher
veröffentlichten erſten Entwurf manche Verbeſſerungen
aufweiſt. Das Geſetz ſieht drei Stromverbände, je einen
für Rhein, Elbe und Weſer, vor, und die Mittel der Ver=
bände
ſollen zur Herſtellung der nötigen Waſſertiefen und
zur Unterhaltung verwendet werden. Die Tarifſätze be=
wegen
ſich zwiſchen 0,02 und 0,1 Pfennig pro Tonnenkilo=
meter
.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Schiff=
fahrtsabgaben
trotz des begründeten Widerſtandes, der
ihnen noch in den intereſſierten Kreiſen entgegengeſetzt
wird, im Reichstage Billigung finden. Doch müßten
Garantien geboten werden, daß ſie nicht zu einer durch
Erhöhung der Sätze immer lukrativeren Einnahmequelle
für den Staat ſich geſtalten und ihrer alleinigen Beſtim=
mung
, der Verbeſſerung der Waſſerſtraße: zu dienen, nicht
entzogen werden. Wie es die Reichsregierung anſtellen
will, die Zuſtimmung der fremden Staaten, insbeſondere
Oeſterreichs und Hollands, zur Beſeitigung der Abgaben=
freiheit
zu erhalten, iſt vorläufig noch ein Rätſel, ernſtliche
Verhandlungen dürften erſt eingeleitet werden, wenn die
Vorlage im Reichstage erledigt ſein wird. Daß von der
deutſchen Schiffahrt die Abgabe erhoben wird, während

die ausländiſchen Fahrzeuge frei bleiben, iſt wohl aus=
geſchloſſen
, deshalb können die Abgaben auch erſt nach
erfolgter Verſtändigung mit den in Betracht kommenden
fremden Staaten in Kraft treten.

Das Schickſal des Arbeitskammergeſetzes.
* In allernächſter Zeit findet die zweite Leſung der
Vorlage über die Errichtung von Arbeitskam=
mern
im Plenum des Reichstages ſtatt. Und es
wird ſich dann endgültig entſcheiden, ob dieſe Vorlage,
mit der der Reichstag ſich bereits in zwei Seſſionen be=
ſchäftigt
hat, in einer Form zur Annahme gelangt, die es
auch der Reichsregierung und dem Bundesrat ermöglicht,
zuzuſtimmen, oder ob ſie endgültig ſcheitern ſoll.
Abgeſehen von einigen Meinungsverſchiedenheiten
zwiſchen der Reichsregierung und den Mehrheitsparteien,
über die zu einer Verſtändigung zu gelangen iſt, hängt das
Schickſal der Vorlage bekanntlich von der Frage ab, ob
die Wählbarkeit der Arbeiterſekretäre zu
den Kammern zugelaſſen werden ſoll oder nicht. Eine
Mehrheit des Reichstages, beſtehend aus der Zentrums=
partei
, dem Freiſinn und der Sozialdemokratie, verlangt
die Wählbarkeit der Arbeiterſekretäre und kann einen
entſprechenden Mehrheitsbeſchluß herbeiführen. Nach der
Haltung der Reichsregierung während der Kommiſſions=
beratungen
in zwei Seſſionen muß es aber als ausge=
ſchloſſen
gelten, daß ſie die Vorlage in dieſer Form Geſetz
werden läßt, welche die Konſervativen, die Reichspartei
und die Nationalliberalen entſchieden ablehnen. Soll alſo
das Scheitern der Vorlage verhindert werden, ſo bleibt
nur der Weg eines Kompromiſſes übrig. Und in dieſer
Beziehung iſt bereits früher ein Ausweg in Vorſchlag ge=
bracht
, von dem angenommen wird, daß die Reichsregie=
rung
ihm zuſtimmen wird, obwohl ſie damit ihren früheren
grundſätzlichen Standpunkt verläßt. Der Ausweg hat an=
geblich
aber auch in den Kreiſen der Arbeitgeber Zuſtim=
mung
gefunden, die ihre parlamentariſche Vertretung in
denjenigen Parteien haben, die in dieſer Frage auf ſeiten
der Regierung ſtehen. Der Vorſchlag geht dahin, die Ar=
beiterſekretäre
zwar bei den erſten Wahlen zu den Arbeits=
kammern
auszuſchließen, ſie aber bei allen ſpäteren Wahlen
zuzulaſſen, ſofern Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeder
Kammer damit einverſtanden ſind. Dieſe Löſung wird
zurzeit als die einzige Möglichkeit angeſehen, das end=
gültige
Scheitern der Vorlage zu verhindern.
Ob freilich der Erfolg der gehoffte ſein wird, wenn
dieſer Geſetzentwurf glücklich in den Hafen gelangte, iſt
eine andere Frage. Man könnte leicht auch hier erleben,
daß für die Wahlen der Arbeitervertreter lediglich ihre po=
litiſche
Geſinnung ausſchlaggebend ſein wird, und daß
demgemäß auch dieſe ſoziale Einrichtung das Gegen=
teil
der beabſichtigten Wirkung erreichen könnte.

Deutſches Reich.
Die Fortſchrittliche Volkspartei Ba=
dens
hielt in Offenburg eim Vertrauensmännerver=
ſammlung
ab zum Zwecke einer Ausſprache über die be=
vorſtehenden
Reichstagswahlen. Man befürwortete auch
für die Reichstagswahlen den Großblock=Gedanken. Als
Direktive für die beſonderen Verhandlungen mit den Na=
tionaliberalen
wurde eine Reſolution angenommen, in der
als Haupterfordernis für die kommenden Reichstagswah=
len
die Bekämpfung der Konſervativen und des Zentrums
hingeſtellt wurde. Weiter heißt es: Die Fortſchrittliche
Volkspartei in Baden iſt im Intereſſe des Reiches und
des Landes zu einem Abkommen mit den Nationallibera=
len
bereit, um eine Zerſplitterung der liberalen und fort=
ſchrittlichen
Kräfte zu vermeiden, unter der Vorausſetzung,
daß auch der Fortſchrittlichen Volkspartei dadurch eine
Vertretung im Reichstag gewährleiſtet wird.
Die preußiſche Regierung und der
Moderniſteneid. Ueber die Stellung der preußi=
ſchen
Regierung zum Moderniſteneid heißt es in einer
Korreſpondenz der Deutſchen Tageszeitung u. a.: Wird
der Eid von deutſchen Hochſchullehrern verlangt, ſo iſt es
deren Sache, wie ſie ſich zu dieſem Anſinnen ſtellen wollen.
Finden ſie die Ableiſtung des Eides mit ihrem Lehramt
verträglich, ſo wird ſie ſtaatlicherſeits niemand hieran
hindern. Für den Staat würde die Angelegenheit aktuel=
les
Intereſſe erſt dann gewinnen, wenn ein Profeſſor den
Eid verweigern und wegen einer ihn in der Ausübung
ſeines Lehramts beengenden Forderung der kirchlichen
Behörde bei der Regierung Beſchwerde führen ſollte. In

dieſem Fall, der allerdings kaum eintreten dürfte, würde
der Staat ſich genötigt ſehen, den Profeſſor zu ſchützen.
Sachſen und die preußiſch=heſſiſche
Eiſenbahngemeinſchaft. Die ſächſiſche Regie=
rung
erklärt nochmals offiziell im Dresdner Journal die
Mitteilung, daß Verhandlungen zum Anſchluß der ſäch=
ſiſchen
Staatsbahnen an die preußiſch=heſſiſche Eiſen=
bahngemeinſchaft
ſchweben, als freie Erfindung. Die
Unterſtellung, daß Preußen bei Nichtanſchluß durch Er=
ſchwerung
der Anſchlüſſe und Umlenkung des Verkehrs
Sachſen ſchädigen könnte, müſſe mit Entſchiedenheit
zurückgewieſen werden.
Ausland.
Oeſterreich=Ungarn.
Ein bemerkenswertes Ereignis in der
inneröſterreichiſchen Politik hat ſich vollzogen.
1 Dr. Kramarſch, der Panſlawiſt und ſchärfſte Dreibundgeg=
ner
, iſt von den Tſchechen ſelbſt kaltgeſtellt worden. An
ſeine Stelle wurde der gemäßigte Jungtſcheche Dr. Fied=
ler
an die Spitze des Tſchechenklubs im öſterreichiſchen
Parlament berufen, der ſich aus allen tſchechiſchen Par=
teien
gebildet hat. Dieſe deutliche Abwendung von der
bisherigen Politik der Tſchechen eröffnet auch einem
deutſch=tſchechiſchen Ausgleich in Böhmen günſtigere Aus=
ſichten
. Damit iſt es offenkundig geworden, daß ſich die
tſchechiche Politik endgültig von den ſattſam bekannten
Tendenzen des Dr. Kramarſch losſagen will. Dr.
Kramarſch ſelbſt erklärte nach ſeiner Niederlage, die Wahl
mache ihn zum unglücklichen Menſchen, zu einer Größe
ohne Potenz. Die Bedeutung des Ereigniſſes erhellt auch
ſchon daraus, daß Kramarſch durch faſt 20 Jahre die tſche=
chiſche
Politik beherrſcht hat.
Griechenland.
Venizelos Regierungsprogramm. Mi=
niſterpräſident
Venizelos hielt in Lariſſa eine Programm=
rede
, in der er die Auflöſung der vorigen Nationalver=
ſammlung
rechtfertigte und ausführte, die kommende Na=
tionalverſammlung
werde ſich mit der Reviſion der
Verfaſſung und den dringend notwendigen geſetzgeberiſchen
Arbeiten eingehend beſchäftigen. Der Miniſterpräſident
erläuterte ausführlich die von der Regierung geplanten
Reformen im Innern, die von einer größeren Sorge um
das Wohl des griechiſchen Volkes getragen ſeien. Dahin
gehörten: Regelung der Steuerfragen, Verminderung der
Koſten der Verwaltung, Reviſion der Zolltarife, Verbeſſe=
rung
des Landeskultur durch Förderung der privaten und
kommunalen Initiative, Reorganiſation der Polizei, Un=
abſetzbarkeit
der Beamten, ſowie Reform der Juſtiz und
des öffentlichen Unterrichts. Die Miniſterien des Krieges
und der Marine ſollen vereinigt werden. Die Reorgani=
ſation
von Armee und Marine werde noch wirkſamer
durchgeführt durch Hinzuziehung ausländiſcher Inſtruk=
teure
. Bezüglich der auswärtigen Politik führte Veni=
zelos
aus, die Regierung verfolge eine abſolut friedliche
Politik, da das Land eine lange Periode der Ruhe nötig
habe, um ſeine militäriſchen Hilfsquellen zu ſtärken. Das
griechiſche Volk habe die Nachricht von der neuen Kon=
ſtitution
in der Türkei mit Genugtuung begrüßt: das ſei
erklärlich hinſichtlich der Intereſſen, die Griechenland mit
der Türkei gemeinſam habe. Die Regierung ſuche jedes
Mißverſtändnis mit der Türkei und den anderen Balkan=
ſtaaten
zu beſeitigen, damit ein Band ſie verbinde, das
ſpäter feſter werden könnte. Der Miniſterpräſident drückte
ſchließlich die Hoffnung aus, daß dieſes Werk auf die Sym=
pathie
der ziviliſierten Welt rechnen könne. Die Rede
wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen.
Spanien.
Der religiöſe Unterricht. Der Senat ver=
handelt
über einen Geſetzentwurf, der die Neutralität der
öffentlichen Schulen in religiöſen Dingen verkündigen ſoll.
Wie zu erwarten war, wehren ſich die Prälaten dagegen.
Der Biſchof von Madrid erklärte im Hauſe, ſämtliche Kul=
turſtaaten
außer Frankreich hätten den religiöſen Unter=
richt
beibehalten; es gibt aber noch manche andere Län=
der
, die ihn abgeſchafft oder nicht eingeführt haben. Der
Prälat führte dann weiter aus, alles Uebel und alle Un=
ſittlichkeit
, die man in Frankreich beobachten könne, habe
ſeit der Einführung der religionsloſen Schule zugenom=
men
. Der Unterrichtsminiſter erklärte, die Regierung ſei
weder ſektiereriſch noch jakobiniſch und ſtrebe lediglich eine
liberale Regelung an. Die Schule ſolle neutral in dem
Sinne ſein, daß kein religiöſer Zwang ausgeübt werde;
die Schule ſolle ohne Abſchaffung des religiöſen Unter=
richts
ein billiges Gleichgewicht erhalten.

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Seite 2.

Nummer 280.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 29. November 1910.

Portugal.
Proteſt der Jeſuiten. Aus Rom wird gemel=
det
: Der gegenwärtig in Madrid weilende Provinzial der
aus Portugal ausgewieſenen Jeſuiten hat dem Papſte
eine Abſchrift einer von ihm an das portugieſiſche Volk
gerichteten Erklärung überſandt, in der gegen das Vor=
gehen
der proviſoriſchen Regierung von Liſſabon ſcharf
Einſpruch erhoben wird, weil ſie ſeine Ordensbrüder aus=
gewieſen
, ſie gewalttätig und in unwürdiger Weiſe be=
handelt
und ihre Güter konfisziert habe. Man habe
ſogar Proſtituierte in ihre Gefängniſſe eingeſchmuggelt,
um die Jeſuitenpater zu kompromittieren. Beſonders
legt der Proteſt gegen die Beſchuldigung der Revolutio=
näre
Verwahrung ein, daß die Jeſuiten im Kloſter von
Campolido Waffenvorräte verborgen gehalten hätten. Der
Wortlaut des Proteſtes wird gleichzeitig in Rom und in
Madrid veröffentlicht werden.
Türkei.
Die innere und auswärtige Politik der
Regierung. Die jungtürkiſche Kammerpartei hielt
eine Beratung ab, in der der Parteiobmann Kalil das
Expoſé über die innere und auswärtige Politk der Re=
gierung
mitteilte, daß der Großweſir im Laufe dieſer
Woche in der Kammer verleſen ſoll. Wie aus Kreiſen der
jungtürkiſchen Partei verlautet, enthält der Paſſus über
die auswärtige Politik die Erklärung, daß die Bezieh=
ungen
zu allen Mächten freundſchaftliche ſeien; die Türkei
neige zu keiner Allianz hin. Die Regierung werde eine
friedliche Politik verfolgen und gleich gute Beziehungen
zu den beiden Mächtegruppen pflegen. Bezüglich des Ver=
hältniſſes
zu den Balkanſtaaten konſtatiert das Expoſé,
daß die Beziehungen zu Rumänien freundſchaftliche ſeien,
da eine Gemeinſamkeit der beiderſeitigen Intereſſen be=
ſtehe
. Die Gerüchte von einer türkiſch=rumäniſchen Mili=
tärkonvention
ſeien falſch. Eine Konvention ſei über=
flüſſig
, weil die Türkei wie Rumänien an der Erhaltung
des Status quo auf dem Balkan gleich intereſſiert ſeien.
Der Abſchluß eines Handelsvertrages mit Rumänien ſtehe
bevor. Das Expoſé bezeichnet die Beziehungen zu Bul=
garien
als gut und konſtatiert, daß die leitenden Männer
Bulgariens eine Bekräftigung dieſer Beziehungen wün=
ſchen
. Die Grenzregulierung werde demnächſt beendet, mit
den Handelsvertragsverhandlungen begann man bereits.
Bezüglich Griechenlands hebt das Expoſé hervor, daß die
Beziehungen nicht ſo gut ſeien, wie es wünſchenswert ſei,
und es liege an Griechenland, daß ſich die Beziehungen
freundſchaftlicher geſtalten. Hinſichtlich der Kretafrage
habe die Pforte mit Griechenland nichts zu tun. Die
Frage gehe nur die Pforte und die Schutzmächte an. Im
Laufe der Beratungen des Expoſés in der jungtürkiſchen
Partei wurde beſonders die Tätigkeit des Unterrichts=
miniſters
bemängelt. Die Beratung wird fortgeſetzt.
Die kretiſche Frage. Die Pforte erhielt die
Antworten der Schutzmächte auf die letzte Proteſtnote.
Die Mächte erklären, daß das Vorgehen der Kreter, die
zum zweiten Male entgegen den Mahnungen der Mächte
gehandelt hätten, ungültig ſei und keineswegs die türki=
ſchen
Rechte antaſten könne. Die Mächte verſprechen, bei
den Kretern einzuſchreiten.
Amerika.
Zu den Unruhen in Mexiko. Der Präſident
von Mexiko, Diaz, hat einem Pariſer Blatte auf ſein Er=
ſuchen
um eine authentiſche Auskunft über die Unruhen

folgende Antwort geſandt: In Beantwortung Ihres Tele=
gramms
kann ich verſichern, daß die Lage ruhig iſt. Die
kleineren Gruppen, die unter dem Vorwande der Politik
Plünderungen veranſtalten, beunruhigen die Regierung
nicht. Einige der Unruheſtifter befinden ſich ſchon in den
Händen der Juſtiz. Die wenigen, die noch nicht in ihrer
Macht ſind, werden in kurzer Zeit gefangen ſein. Wir
werden uns umſomehr beeilen, ſie feſtzunehmen, weil wir
den Zeitungen den Vorwand nehmen wollen, ihr Geſchäft
durch ſenſationelle Nachrichten aufzufriſchen und weil wir
den Börſenſpekulanten ihre Operationen durch falſche
Nachrichten nicht zu erleichtern wünſchen.

* Frankfurt a. M., 27. Nov. Für die Stadt=
verordneten
=Stichwahlen, bei denen in allen
ſechs Bezirken Nationalliberale, Freiſinnige oder Mittel=
ſtandskandidaten
gegen Sozialdemokraten ſtehen und ins=
geſamt
11 Mandate auf dem Spiele ſtehen, beſchloß die
Zentrumspartei Stimmenthaltung auf der ganzen Linie;
das bedeutet die indirekte Unterſtützung der Sozialdemo=
kratie
.
* Bordeaux, 28. Nov. Der König Alfons
von Spanien iſt geſtern abend nach Madrid zurück=
gekehrt
.
* Belgrad, 28. Nov. Da die Geneſung des
Kronprinzen fortſchreitet, iſt die Ausgabe von Bul=
letins
jetzt eingeſtellt worden.

Stadt und Land.
Darmſtadt, 29. November.
Empfänge. Se. Königl. Hoheit der Groß=
herzog
empfingen am Samstag den Rittmeiſter und
Eskadronchef Freiherrn Weſterweller v. Anthony vom
Garde=Dragoner=Regiment (1. Großh. Heſſ.) Nr. 23, den
Aſſiſtenzarzt v. Holly u. Ponientzietz vom Leib=Dragoner=
Regiment (2. Großh. Heſſ.) Nr. 24, den Hofkammerrat
Meinhardt, den Kommerzienrat Reitmeyer von Brüſſel,
den Geheimen Oberfinanzrat Dr. Rohde, die Rechnungs=
räte
Bauer und Schenck, A. Heß u. S. Strauß, in
Firma Heß Söhne in Frankfurt a. M., die Rechnungsräte
Hallſtein und Strauch, den Finanzrat Klingelhöffer von
Beerfelden, den Geheimen Hofrat Profeſſor Dr. Schenck,
Rektor der Techniſchen Hochſchule; zum Vortrag den
Staatsminiſter Ewald, den Oberkammerherrn Riedeſel
Frhrn. zu Eiſenbach, den Vorſtand des Kabinetts
Geheimerat Römheld, den Generaldirektor des Hoftheaters
und der Hofmuſik Geheimen Hofrat Werner, den Ober=
bürgermeiſter
Dr. Gläſſing.
Ordensverleihung. Se. Königl. Hoheit der
Großherzog haben dem Bürgermeiſter, Ortsgerichts=
vorſteher
und Standesbeamten Heinrich Schmidt III.
zu Oppershofen aus Anlaß des Ausſcheidens aus dem
Amt das Silberne Kreuz des Verdienſtordens Philipps
des Großmütigen verliehen.
Ernannt wurde Friedrich Brückmann in
Wörrſtadt zum Schreibgehilfen bei dem Amtsgericht
Wörrſtadt.
* Eine Sitzung des Provinzialausſchuſſes der
Provinz Starkenburg findet am Samstag, den 3. De=
zember
, vormittags 9½ Uhr, ſtatt. Tagesordnung:
1. Enteignung von Gelände der P. Ehatt Erben zu
Viernheim. 2. Enteignung von Gelände in der Ge=
markung
Bürſtadt, zum Zweck der Erbauung eines
Ueberholungsgleiſes auf dem Bahnhof daſelbſt. 3. Der
Wirtſchaftsbetrieb des Jakob Salzgeber zu Darmſtadt,
Gervinusſtraße 69. 4. Die Bürgermeiſterwahl in Epperts=
hauſen
.
Vom Hoftheater. Die für Dienstag (67. Abonne=
ments
=Vorſtellung) fürPrima=Ballerina gelöſten Tages=
karten
haben Giltigkeit für dieſe Vorſtellung am Mittwoch.
Die 68. Abonnements=Vorſtellung Taifun findet heute
Dienstaa, den 29. d. Mts. ſtatt.
Zur Reichstagswahl. Vom Sekretariat des
Freiſinnigen Landesvereins für das Großherzogtum

Heſſen geht uns folgende Mitteilung zu: In der Ver=
trauensmänner
=Verſammlung der Fortſchrittlichen Volks=
partei
für den Wahlkreis Darmſtadt=Groß=Gerau wurde
in Anweſenheit von mehr als 100 Vertretern aus dem
Wahlkreiſe einſtimmig Herr Oberlehrer Dr. Strecker=Bad
Nauheim als Reichstagskandidat aufgeſtellt. Herr Stadt=
verordneter
Sames=Darmſtadt, der in der Oeffentlichkeit
wiederholt gleichfalls als Kandidat genannt worden war,
hatte ſchon vorher mitgeteilt, daß er keinerlei Kandidatur
übernehmen kann. Die Kandidatur, die namentlich auch
von Herrn Pfarrer Korell warm befürwortet wurde,
fand begeiſterte Aufnahme. Nach den in der Verſamm=
lung
weiterhin gefaßten Beſchlüſſen wird man mit guter
Zuverſicht in die Agitationsarbeit eintreten. Nachdem
die heſſiſchen Nationalliberalen endgültig ihre Stellung
bei den rechtsſtehenden Parteien genommen, iſt die Auf=
gabe
für die Fortſchrittliche Volkspartei in Heſſen klar=
vorgezeichnet
.
In der Kunſthalle am Bahnhof ſind zur Zeit
20 Arbeiten von Paul Segiſſer=Karlsruhe, 9 Arbeiten=
von
Klein=Chevalier=Berlin und 60 Arbeiten von Kurt
Kempin=Darmſtadt ausgeſtellt; ferner Adam und Eva
von Profeſſor Wilhelm Bader, ſechs Bilder
der Darmſtädter Maler W. Altheim, zwei Zeich=
nungen
von Weyl und eine Bronze (Tänzerin) von
L. Daſio=München. Wir machen auf die reichhaltige,
intereſſante Ausſtellung, die am 15. Dezember geſchloſ=
ſen
wird, ganz beſonders aufmerkſam.
C. Von der St. Ludwigskirche. Zu der am 6. De=
zember
bevorſtehenden Wiedereröffnung bezw. Kon=
ſekration
des älteſten katholiſchen Gotteshauſes der
Reſidenz, der in den Jahren 18221827 von Altmeiſter
Moller erbauten St. Ludwigskirche, ſei folgendes mit=
geteilt
: Die Bauleitung ruhte in den bewährten Hän=
den
der Firma Scherer u. Finke. Der Aufgabe der
Ausführung der 28 Säulen in Stueco=Luſtro, einem
bereits im alten Pompeji bekannten und neuerdings
beſonders von den oberitalieniſchen Kapuzinern ge
pflegten Verfahren, entledigte ſich das Marmorwerk
Auerbach (Beſitzer Dr. Link) in tadelloſer Weiſe unter
Heranziehung italieniſcher Arbeitskräfte. Hinſichtlich
des den Säulen zu gebenden Tons hatte Herr Ru=
dorffer
, ein Münchener Sachverſtändiger, wertvolle
Winke erteilt. Der neue prächtige Altaraufſatz aus
Marmor und das denſelben krönende Bronzekreuz iſt
das Werk des Koblenzer Bildhauers Jina, während die
Firma Joh. Deutſch, Kaſſenſchrankfabrik, den feuer=
und diebesſicheren Tabernakel lieferte. Sechs Beicht=
ſtühle
von Eichenholz, die dem Stil der Kirche angepaßt
ſind, ſertigte in bekannter muſtergültiger Arbeit die
Möbelfabrik J. Glückert. Endlich erhielt die Kirche die
ſchon lange gewünſchte elektriſche Beleuchtung, welche
die Firma W. Schöller lieferte. Das Licht wird durch
eine in der Kuppel angebrachte, über zwei Meter hohe,
von Profeſſor Riegel entworfene Laterne vermittelt,
die den gewaltigen Raum ausreichend erhellt und
außerdem ſind an den Beichtſtühlen noch Wandarme
angebracht. Die Beleuchtungskörper entſtammen der
Firma Gasapparat und Gußwerk in Mainz. Der Ar=
beiten
der Firma W. Klein, Hofweißbinder, die ſich
hauptſächlich auf die Erneuerung der Kuppel in Rabitz=
konſtruktion
bezogen, wurde vor einigen Wochen in
dieſem Blatte bereits gedacht. Beigefügt ſei, daß die
Herſtellung der Hofloge, der Kanzel und der Sakriſtei,
ſowie der Vergoldungen in den bewährten Händen der
Gebr. Nover, Hofweißbinder, lag. Die wohlgelungene
Erneuerung des Gotteshauſes bildet eine würdige Vor=
bereitung
zum hundertjährigen Gedenktag ſeines Be=
ſtehens
.
* Die Sonderausſtellung, die Profeſſor Albin
Müller in der Mittelhalle des Ernſt=Ludwigshauſes
veranſtaltet hatte, iſt in der vorigen Woche geſchloſſen
worden. Von Seiten vieler Muſeums=Verwaltungen,
Kunſt= und Kunſtgewerbevereinen iſt für die ausgeſtelll
ten Arbeiten ein ſo reges Intereſſe gezeigt worden,
daß ſie vielerorts verlangt wurden und nun nach faſt
allen größeren Städten Deutſchlands zur Ausſtellung
wandern. Den Anfang macht das Mitteldeutſche Kunſt=
gewerbe
=Muſeum in Frankfurt a. M., in deſſen Räu=

KK. Zu den Schlag= und Fremdwörtern,
mit denen vielfach Unfug getrieben wird, zählt das
Wort Modern‟ Die Gedankenloſigkeit läßt ſich von
dieſem glitzernden Fremdworte leicht beſtechen und
wähnt, dahinter müſſe ſich ein ganz beſonderer Sinn
und Wert verbergen, der unanfechtbar iſt und höchſte
Beachtung und Berückſichtigung zu beanſpruchen hat.
Des Wortes Modern bedienen ſich mit Vorliebe die,
die blenden, zu dem Irrtum verführen wollen, das
Moderne ſei etwas, wozu ſich jeder bebennen müſſe, der
nicht für geſchmacklos, veraltet, altmodiſch, rückſtändig
oder, wie ein ebenſo beliebtes wie mißbrauchtes Schlag=
und Fremdwort lautet, für reaktionär eingeſchätzt ſein
will. Es gibt viele Unklare, Schwache im Geiſt und
Gemüt, die ſich ſcheuen, als unmodern angeſehen zu
werden, die moderne Menſchen ſein wollen und ſich
daher blindlings allen ſogenannten modernen Strö=
mungen
des öffentlichen Lebens unterwerfen, willenlos
dem modernen Zeitgeiſt huldigen.
Schaut man prüfend etwas näher hin, ſo ergibt ſich,
daß ſich der Begriff Modern, ſoweit ihm nicht eine
Sonderabſicht untergeſchoben, eine eigene Nebenbedeu=
tung
beigelegt werden ſoll, mit neuzeitlich oder auch
ſchon mit neu deckt, daß modern durch dieſe kerndeut=
ſchen
Worte in ſeinem berechtigten Inhalt völlig erſetzt
und daher entbehrt werden kann. Modern bedeutet,
was im Unterſchied zu der Vergangenheit der Gegen=
wart
angehört. Es iſt das Neue oder auch das Neueſte,
Allerneueſte, Jüngſte, Allerjüngſte. So ſind modern
die meiſten Fortſchritte der Wiſſenſchaft und der Technik
in der Erkenntnis und Dienſtbarmachung der Natur=
kräfte
. Gewaltige Errungenſchaften hat hier die Neu=
zeit
aufzuweiſen und ein gutes Recht, ſtolz darauf zu
ſein. Es wird ſich auch, wenn dieſe Errungenſchaften
als modern geprieſen werden, nichts anderes dagegen
einwenden laſſen, als daß ſich mit dem deutſchen Wort
neuzeitlich dasſelbe ebenſo gut ſagen läßt. Ein Miß=
brauch
aber wird meiſt getrieben, wenn modern ein
Werturteil ausſprechen, wenn es nicht nur etwas Zeit=
liches
, ſondern noch mehr als dies, das Beſſere, Edlere,
Vollkommnere, Höhere und darum Erſtrebenswerte be=
zeichnen
ſoll. So geſchieht es namentlich auf dem Ge=
biete
der Kunſt, der Religion, der Politik. Man hat
ſogar das Wort die Moderne geprägt, worunter offen=
bar
der Geiſt verſtanden werden ſoll, der neue Bahnen
des Wiſſens, Erkennens und Schauens bricht, der zu
ungeahnten Höhen des Genießens führt, der nie ge=
ſchaute
Geheimniſſe des menſchlichen Weſens zu ent=
ſchleiern
vermag.
In Wirklichkeit iſt dieſe Moderne zunächſt nichts
anderes als die Verkörperung des Ungeſunden, des

Nervöſen, des Unſteten, des Halt= und Markloſen. Im
Bereiche der ſogenannten Mode nennt ſich das Moderne
faſt immer das Veränderliche, Schwankende, Willkür=
liche
, Launenhafte. Der moderne Menſch zeichnet ſich
oft als der Träger der Geſinnungs= und Charakterloſig=
keit
aus, der ſich am liebſten jenſeits von allem Her=
kommen
und aller Ordnung, von Recht und Sitte, jen=
ſeits
von Gut und Böſe ſtellen möchte. Ferner ſammelt
ſich unter dem Feldgeſchrei Modern gewöhnlich
Schwächliches und Krankhaftes, Liederliches und Ent=
artetes
. In der Politik endlich ſind die modernen
Geiſter die Vertreter der revolutionären Gedanken. Als
modern werden ihre Schlagworte Freiheit, Gleichheit
und Brüderlichkeit bewertet. Als modern erſcheint es
ihnen, keine Treue zur Heimat mehr zu kennen, beinen
Willen für das Vaterland mehr zu haben, die Eigen=
ſchaften
unſerer Vorfahren zu verleugnen, den Glauben
der Väter zu verwerfen, alles, was angeſtammt iſt, vor=
nehmlich
Thron und Altar, zu verdammen. Die Blüte
modernen Geiſtes iſt ſomit die Sozialdemokratie.
Nicht modern, weil von aller Zeit unabhängig,
über dem Zeitlichen erhaben, ſind und bleiben die höch=
ſten
ſittlichen Werte des Menſchenlebens, die unver=
gänglichen
Güter. Nichts zu tun mit dem, was nur zu
oft modern genannt wird, haben Liebe und Treue, der
Glaube an das Reich, das nicht von dieſer Welt iſt, alle
jene Tugenden, die im Leben der Familie, des Volkes,
des Staates das Dauernde und Bindende, das Erhal=
tende
und Ordnende, das Sichernde und Sieghafte ſind.
Es wird immer gut tun, denen zu mißtrauen, die mit
dem Worte modern hauſieren gehen und damit
Gimpelfang treiben möchten. Das Beſte, Edelſte,
Größte, das tief und feſt in der Menſchenbruſt wurzelt,
iſt nicht modernen Urſprungs, kann es nicht ſein, wäh=
rend
das Moderne keinen ſicheren Beſtand hat, von
einer Zeit abhängt, mit ihr alt wird und untergeht.

N. Chriſtiania, 26. November.
Paul Heyſe hat ſich dieſer Tage gegenüber einem
norwegiſchen Redakteur über ſein Verhältnis zu der
großen nordiſchen Literaturwelle über=
haupt
und über Henrik Ibſen insbeſondere in
einer Weiſe ausgeſprochen, die intereſſante Streiflichter
über die Perſönlichkeit des jüngſt mit dem Nobelpreis
gekrönten Neſtors deutſcher Dichtkunſt wirft.
Heyſe verhält ſich gegenüber der ganzen nordiſchen
Literatur recht reſerviert und ſtimmt keineswegs in die
allgemeine Begeiſterung für die Seher des Nordens,
Ibſen und Björnſon, ein. Es verdient Anerkennung,
daß Heyſe jetzt gerade, da er vom Norden aus die höchſte

Ehrung erhalten hat, ſich dadurch nicht in ſeiner Anſicht
beeinfluſſen läßt, ſondern den Mut beſitzt, offen ſeine
Meinung auszuſprechen, auf die Gefahr hin, daß ſeine
nordiſchen Verehrer dadurch etwas verſchnupft wer=
den
. Heyſe ſtempelte in ſeinem Geſpräch mit dem nor=
diſchen
Redakteur den nordiſchen Symbolismus und
Naturalismus als durchaus ungeſunde Richt=
ungen
, ja, er ging ſoweit, daß er jene beiden Worte
als die garſtigſten bezeichnete, die er überhaupt
kenne! Von Baumeiſter Solnes erklärte er, daß er
das Stück für geradezu abſurd (!) betrachte; die mei=
ſten
Perſonen in jenem Stück wie auch in Geſpenſter
und Frau vom Meere gehören nach der Anſicht Heyſes
in eine Irrenanſtalt! Als Heyſe durch jene kräf=
tigen
Worte das Geſicht des norwegiſchen Redakteurs
ſich etwas verfinſtern ſah, fügte er lächelnd hinzu:
Nehmen Sie es mir nur nicht übel, mein verehrter
Herr, daß ich Ihnen offen meine Anſicht mitteile; ich
beherzige auch in dieſem Falle nur meinen Wahlſpruch:
Habe den Mut deiner Antipathien! Auf die Frage=
des
norwegiſchen Gaſtes, ob er denn gar nichts von
Ibſen ſchätze, antwortete Heyſe: Doch, doch! Ich ſchätze
Ibſen bis Nora, aber weiter nicht. Meiner Anſicht=
nach
wäre es das beſte geweſen, wenn Ibſen fortgefah=
ren
wäre, wie in ſeiner Jugend, Verſe zu ſchreiben. . .
Am Tage, nachdem er Nora geleſen hatte, begegnete
Heyſe Ibſen auf der Straße in München; Heyſe und
Ibſen waren damals gute Freunde; wir hatten
beide ſo eine Neigung zum Frühſchoppen, fügt
Heyſe hinzu . . . Sie haben ja da ein Meiſterwerk
vollbracht! ſagte Heyſe zu Ibſen, =aber es hätte da
noch ein Akt ſein ſollen; man fragt: was denn wei=
ter
? Wenn nun die Kinder ſchwer, zu Tode, krank
würden, wollen Sie dann wirklich, daß Nora damit
fortſetzen ſoll, ſich auszuleben‟? . . . Was Ibſen hier=
auf
erwiderte, teilt Heyſe nicht mit.
Björnſon wird von Heyſe ähnlich beurteilt;
Heyſe findet die erſten Werke Björnſons hinreißend
ſchön und ſpricht mit Begeiſterung von den Bauern=
novellen
; dagegen ſteht er dem ſpäteren Symbolis=
mus
dem auch Björnſon verfallen ſei, verſtändnislos
gegenüber; aber die Norweger haben ja immer einen
gewiſſen Zug zum Rätſelhaften! erklärt Heyſe ſchmun=
zelnd
.
Georg Bran des iſt entſchieden derjenige,
Nordländer, der Heyſe am meiſten imponiert; Heyſe
ſprach wiederholt mit lebhafter Anerkennung von ſeinem
Freund Brandes Heyſe hat, wie er weiter mitteilte,
däniſch gelernt (ohne Lexikon und Grammatik) nur
durch das Leſen! ausſchließlich um den Genuß haben
zu können, Brandes in der Urſprache ſtudieren zu kön=
nen
. Jetzt leſe ich aber nie mehr was! erklärt Heyfe
mit einem leichten Seufzer.

[ ][  ][ ]

Nummer 280.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 29. November 1910.

Seite 3.

men die Gegenſtände vom 2. Dezember ab vorgeführt
werden.
Freie Literariſch=Künſtleriſche Geſellſchaft. Man
ſchreibt uns: Die Aufführung von Hofmannsthals
dramatiſcher Dichtung Der Tor und der Tod findet
bekanntlich Mittwoch abend im Mathildenhöh=
ſaal
, Dieburger Straße 26, ſtatt. Verſchiedenen An=
fragen
nach zu ſchließen, ſcheint indeſſen nicht genügend
bekannt zu ſein, daß der bequem mit der grünen
Trambahnlinie zu erreichende Saal (Halteſtelle Stift=
ſtraße
), eine durchaus würdige Stätte der Kunſt reprä=
ſentiert
. Er iſt neu und elegant hergerichtet und beſitzt
nicht nur hinreichend Raum für etwa 500 Zuhörer,
ſondern nennt auch eine hübſche, mit allen techniſchen
Erforderniſſen ausgeſtattete Bühne ſein eigen, wie ſie
die Literariſche Geſellſchaft ſonſt nirgends in der
Stadt, für ihre Zwecke geeignet, gefunden hat. Es
bleibt darum zu hoffen, daß ſich die Sympathie unſerer
geſellſchaftlichen Kreiſe dieſem mit Unrecht, wie es
ſcheint, nicht in Gunſt ſtehenden Saale raſch wieder zu=
wenden
wird.
Der Hans A. Haynſche Muſikſchulchor (Frauenchor)
veranſtaltete am Samstag im Fürſtenſaal ſeinen zweiten
Familienabend. Der erſte Teil des ſehr reichhaltigen
Programms umfaßte neben Klavierſtücken verſchiedener
Komponiſten, die von Herrn Hayn muſtergültig vorge=
tragen
wurden, mehrere Frauenchöre und Lieder für
Sopran, die von Frau Thea Benz aus Worms ſehr bei=
fallswürdig
geſungen wurden. Außer ihnen wirkten noch
Frl. Landzettel und Frl. Schütz als Sängerinnen
und Frl. Ella Hayn als Pianiſtin mit. Der zweite Teil
des Programms enthielt humoriſtiſche Nummern: 1. Ein
Picknick muſikaliſcher Scherz von Fr. Spindler; 2. Das
Schlafpulver, Text von Paul Ries, Muſik von Otto Teich;
3. Der Krieg auf dem Gemüſemarkte von Max Legov;
4. Frühlings=Idyll von W. Barth=Erlenſteg, die viel
Heiterkeit weckten und ſehr beifällig aufgenommen wurden.
Eine von acht Damen der Schule ausgeführte Geſangs=
gavotte
, die ganz beſonders gefiel, bildete den Uebergang
zu dem den Beſchluß des ſchön verlaufenen Abends bil=
denden
Tanz.
Hofchorkonzert. Durch Veränderungen in dem
Spielplan des Großh. Hoftheaters, ſpeziell aber durch
eine auf Allerhöchſten Befehl anläßlich der Anweſen=
heit
zu erwartender Allerhöchſter Gäſte auf Samstag,
3. Dezember, angeſetzten Feſtvorſtellung, iſt eine Ver=
legung
des für den gleichen Tag geplant und durch
die Direktion des Großh. Hofthaters gütigſt genehmigt
geweſenen Hofchor=Konzerts, auf Samstag, den
10. Dezember, in gleichem Lokal, nötig geworden. Das
Programm bleibt unverändert. Die bereits gelöſten
Karten behalten Gültigkeit für das Konzert am 10.
Dezember. Nichtkonvenierenden Falles werden dieſe
an dem Löſungsort gegen Rückzahlung des Eintritts=
preiſes
wieder zurückgenommen. Jedoch wird dringend
gebeten, im Intereſſe dieſer ſchönen, humanen Zwecken
dienenden Veranſtaltung und mit Rückſicht auf die
Konzertgeber ſelbſt, daß von dieſer Berechtigung nur
in dringenden, unumgänglichen Einzelfällen Gebrauch
gemacht werde, denn der Hoftheaterchor iſt für die Ver=
legung
des Konzertes ſozuſagen durch eine vis major
entſchuldigt.
Struwwelpeter=Aufführung. Die altvertrauten
Bilder des Struwwelpeter ſollen in dieſen Tagen vor
den Augen unſerer Kinder wieder lebendig werden.
Es iſt der evangeliſche Frauenverein des
Südweſt=Bezirks der Stadtgemeinde, der am
14. Dezember, nachmittags 5 Uhr, im Kaiſerſaal unſere
Kinder und die ſie lieb haben, zu frohen Stunden ver=
einigen
will. Der Ertrag der Veranſtaltung wird zum
Beſten der Kinderfürſorge der Stadtge=
meinde
verwendet.
Ausſtellung von Schunddruckerzeugniſſen. Man
ſchreibt uns: Der zuerſt von Generalſekretär Paſtor
Liz. Bohn=Plötzenſee gefaßte und ausgeführte Plan
einer Zuſammenſtellung von Materialien zur Frage
der Schunddruckerzeugniſſe, die ſchon im Frühjahr 1910
den Mitgliedern der Parlamente im Abgeordneten=
hauſe
, ſowie verſchiedenen Kreiſen in Berlin und aus=
wärts
vorgeführt wurde, iſt jetzt von der Deutſchen
Dichter=Gedächtnis=Stiftung in Hamburg aufgenom=
men
worden und findet erfreuliches Intereſſe. Auch
der von Generalſekretär Bohn vertretene Verband
ſtellt ſeine Ausſtellung gerne weiter zur Verfügung.
Adreßbuch. Die Druckvogen des 1911er Adreß=
buches
, enthaltend Hausregiſter Soderſtraße 9 bis
Zimmerſtraße 11 liegen im Hauptmeldebureau,

Hügelſtraße Nr. 31/33, Zimmer Nr. 13, während der
Bureauſtunden (8 bis 12 Uhr vormittags und 2 bis
6 Uhr nachmittags) bis zum 30. November vormittags
zur Einſichtnahme offen.
Chriſtlicher Verein junger Männer Wartburg.
Es wird auch an dieſer Stelle auf das heute
abend zum Beſten dieſes Vereins im Kaiſerſaal ſtatt=
findende
Konzert aufmerkſam gemacht. (Näh. ſ. Anz.)
Die Fortſchrittliche Volkspartei veranſtaltet am
Freitag, den 2. Dezember, abends, in der Turnhalle
am Woogsplatz eine öffentliche Verſammlung, in der
der neue Reichstagskandidat der Partei, Herr Dr.
Strecker=Bad=Nauheim, und Herr Pfarrer Korell=
Königſtädten ſprechen werden.
Einbruch. In der Nacht von Freitag auf
Samstag wurde in dem Herrnwäſche=Spezialgeſchäft
M. Willy, Grafenſtraße 19, eingebrochen. In der Laden=
kaſſe
lies der Dieb 1 Dietrich liegen. Von dem Täter
fehlt jede Spur.
Traiſa, 28. Nov. Der durch den Brand im
Dippelshof am Freitag entſtandene Schaden iſt
durch Verſicherung gedeckt. Uebrigens hat die
Feuerwehr Traiſa allein den Brand gelöſcht.
Die Feuerwehren von Ober=Ramſtadt und Nieder=
Ramſtadt ſind nicht in Tätigkeit getreten, die Feuer=
wehr
von Roßdorf war gar nicht gekommen.
t. Lindenfels, 27. Nov. Der hieſige Gemeinderat be=
willigte
dem Verkehrsausſchuß der Bergſtraße einen
außerordentlichen Zuſchuß von 150 Mark zu den Koſten
des auf der Ausſtellung für Reiſe= und Fremdenverkehr
in Berlin auszuſtellenden Panoramas (Bergſtraße
und Lindenfels). Im ganzen Odenwald ſind bedeu=
tende
Schneefälle zu verzeichnen. Der Schnee
liegt allenthalben zwanzig Zentimeter hoch.
t. Wald=Michelbach, 27. Nov. Für die an den Ab=
hängen
der Tromm zerſtreut wohnenden Kinder, etwa
40 an der Zahl, iſt in Ober=Mengelbach eine ſogenannte
Winterſchule errichtet worden, die von zwei hieſigen
Lehrern mitverſehen wird. Es iſt dies für die Kinder
eine große Wohltat, da die Wege nach Zotzenbach und
Walo=Michelbach, wohin die Kinder ſonſt mußten, im
Winrer oft nicht zu paſſieren ſind.
Worms, 28. Nov. Geſtern nachmittag fand die Be=
erdigung
des Landtagsabgeordneten N. A. Rein=
hart
auf dem Hochheimer Friedhofe ſtatt. Die Ein=
ſegnung
der Leiche in der Villa Bergkloſter dem
Heim der Familie des Verſtorbenen, ſowie die Be=
erdigung
wurde wegen Erkrankung des hieſigen Dom=
propſtes
von dem Domkapitular Prof. Dr. Selbſt
aus Mainz vorgenommen. Den Leichenzug eröffneten
die Fabrikfeuerwehr und die Arbeiter des Hauſes Doerr
u. Reinhart, während unmittelbar vor der amtieren=
den
Geiſtlichkeit und dem Leichenwagen eine ſtarke Ab=
teilung
des hieſigen Zweigvereins vom Roten Kreuz
ſchritt. Zu beiden Seiten des Leichenwagens gingen
je ſechs Mitglieder der Fabrikfeuerwehr. Unmittelvar
hinter dem Sarge folgten die vier Söhne, die Enkel und
Neffen des Verſtorbenen. Unter den Leidtragenden
bemerkte man u. a. auch den Staatsminiſter Dr.
Ewald und den Miniſter des Innern v. Hombergk
zu Vach, ferner die Kreisräte von Worms, Alzey,
Oppenheim, Bingen, Mainz und Bensheim, viele Mit=
glieder
der Erſten und Zweiten Ständekammer, die
Stadtverwaltung und das Stadtverordnetenkollegium,
das Offizierkorps des 118. Infanterie=Regiments uſw.
Am Grabe hielt Domkapitular Prof. Dr. Selbſt nach
beendigteht Zeremonien eine tiefdurchdachte Gedächt=
nisrede
. Nach beendeter kirchlicher Feier legten Kränze
am Grabe nieder: Prokuriſt Bertges als Vertreter der
Beamten des Hauſes Doerr u. Reinhart, ein Arbeiter=
jubilar
im Namen der Arbeiterſchaft, um deren Wohl
der verſtorbene Seniorchef ſtets väterlich beſorgt ge=
weſen
ſei. Oberbürgermeiſter Köhller pries die Ver=
dienſte
des Verſtorbenen um die Stadt Worms. Im
Namen der heſſiſchen Landtagsabgeordneten legten als
Vertreter des erſten Präſidenten der zweite Präſident
Korell, als Vertreter des Finanzausſchuſſes der Zwei=
ten
Kammer Abg. Molthan=Mainz, und als Vertreter
der nationalliberalen Kammerfraktion, ſowie auch des
Landesausſchuſſes der nationalliberalen Partei Abg.
Dr. Oſann=Darmſtadt Kränze nieder. Es folgten die
Vertreter der nationalliberalen Partei Worms ( Kom=
merzienrat
Trumpler), des jungliberalen Vereins
Worms und des nationalliberalen Arbeitervereins.
Ebenſo legten Kränze nieder: ein Vertreter der Leder=
berufsgenoſſenſchaft
, Bürgermeiſter Dr. Wevers für den

Verein für Pflege armer kranker Schulkinder und
derſelbe auch im Auftrage des Aufſichtsrats der Ge=
werbeſchule
; Prof. Dr. Weckerling für den Vorſtand
des Paulus=Muſeums und der ſtädtiſchen Bücherei;
Prof. Dr. Briegleb für den Turnverein, Beigeordneter
Binder als Vertreter des Zweigvereins Worms vom
Roten Krenz, ein Vertreter der Sanitätskolonne vom
Roten Kreuz und der Vorſitzende Groeber vom Arbei=
terbildungsverein
, für den der Verſtorbene ſoviel ge=
tan
habe.
(*) Aus dem Kreiſe Gießen, 27. Nov. Zwecks
Ehrung der Veteranen ſind in unſerem Kreiſe
auf Anregung der Behörden Beſtrebungen im Gange,
welche dähin gehen, entweder den Kriegsteilnehmern
ihre Gemeindeumlagen zu erlaſſen, oder ihnen einen
kleinen Ehrenſold zu gewähren. Im Café Ebel=Gießen
fand dieſer Tage eine Beſprechung von Bürgermeiſtern in
dieſer Angelegenheit ſtatt. Unter den Gemeinden, die
bereits in dieſer Hinſicht Schritte getan haben, befindet
ſich auch Großen=Linden. Dieſe Gemeinde bewilligte
jedem Veteranen pro Jahr 10 Mark.
(*) Vom Hoherodskopf, 27. Nov. Reges Treiben
herrſchte heute im hohen Vogelsberg, trafen doch in der
Frühe zahlreiche Skiläufer und Rodler ein, um dem
Sport zu huldigen. Zwiſchen Herchenhain und Sichen=
hauſen
ſoll am ſogen. Ernſtberg eine Rodelbahn ange=
legt
werden. Heute fand die Beſichtigung des Gelän=
des
ſtatt. Der Schnee liegt ½ bis 1 Meter hoch. Ein
ſchönes Bild bietet der tiefverſchneite Oberwald; junge
Tannenbäumchen ſind vielfach ſo mit Schnee bedeckt,
daß ſie Henkegeln gleichen.

Reich und Ausland.
Aus der Reichshauptſtadt, 27. Nov. Bei dem heuti=
gen
25jährigen Jubiläum der Berliner
Kaufmänniſchen Schule ergriff Handelsmini=
ſter
Sydow das Wort, um ſeiner Anerkennung Aus=
druck
zu geben, daß die Aelteſten der Kaufmannſchaft
in umfaſſender Weiſe für die Weiterbildung der im
kaufmänniſchen Leben ſtehenden jungen Leute zu ſor=
gen
verſtehen. Die Einfuhr von Federvieh
geht im laufenden Jahre wegen der Fleiſchnot ſtark
über die vorjährige hinaus. Vornehmlich die Gänſe=
und Hühnereinfuhr hat ſehr ſtark zugenommen.
Die Große Berliner Straßenbahn und die Allgemeine
Berliner Omnibusgeſellſchaft haben ſich angeblich be=
reit
erklärt, in ihren Wagen Karten anzubringen des
Inhalts, daß Damen mit übergroßen Hut=
nadeln
, die gefährlich werden können, von der
Fahrt ausgeſchloſſen ſein ſollen. Der Hauptgewinn
der Poſener Geldlotterie in der Höhe von
50000 Mark iſt von einem kleinen Handwerker im
Zentrum Berlins gewonnen worden. Der Mann hatte
das Los ſeinerzeit in der Kollekte von Kron, Alexan=
derſtraße
54, von einem Bettler ziehen laſ=
ſen
, der gerade in dem Laden vorſprach. Der glück=
liche
Gewinner iſt bereit, dem Bettler, der ſich in dem
Kronſchen Geſchäft melden ſoll, eine Belohnung zu
zahlen. Wer wird aber imſtande ſein, den Bettler
wieder zu erkennen? Der Gewinner des zweiten
Hauptgewinnes, der 20000 Mark beträgt, hat ſich noch
nicht gemeldet. Während eines Streites erſchoß
der 18jährige Arbeiter Schwarzdachs den 20jährigen
Kutſcher Franz Rahn. Der Täter ſtellte ſich ſelbſt der
Polizei.
Magdeburg, 27. Nov. Der Kaufmann Otto=
Knitelius aus Offenbach a. M., der vor zwei
Jahren in Magdeburg den Apothekenbeſitzer
Rathge erſchoß, iſt in dem Städtchen Petropolis
in Braſilien verhaftet worden und bereits in
Hamburg eingetroffen, von wo er nach Magdeburg
weiter transportiert wird. Am 25. November 1908
wurde der Apotheker Rathge von einem Einbrecher=
erſchoſſen
. Der Apotheker hatte ein verdächtiges Ge=
räuſch
in ſeinem Geſchäftslokal gehört und war durch
ſein Wohnzimmer dorthin geeilt. Dort ſah er ſich
zwei Männern gegenüber. Als er einen von ihnen
feſthalten wollte, kam der andere ſeinem Kumpan zu
Hilfe und feuerte einen Revolverſchuß auf Rathge ab,
der ihn ſofort niederſtreckte. Dem Mörder gelang es,
zu entfliehen, während ſein Mitſchuldiger feſtgenom=
men
wurde. Dieſer Mann nannte ſich Schröder aus
Hannover. Im übrigen verweigerte er jede nähere
Auskunft. Der angebliche Schröder wurde photogra=
phiert
, ſein Bild ging auch nach Berlin. Hier er=
kannte
der Kriminalkommiſſar Klinghammer in dem

Aus Kunſt, Wiſſenſchaft und Leben.
* Köln, 28. Nov. Eine von 71 rheiniſchen Geſang=
vereinen
beſuchte außerordentliche Vertreterverſammlung
des Rheiniſchen Sängerbundes beſchloß, vom 1. bis 3. Juli
1911 ein großes rheiniſches Sängerbundesfeſt
in Köln zu feiern; zu dieſem Zwecke ſoll eine 10000
Perſonen faſſende Halle errichtet werden. Die Stadt Köln
wird vorausſichtlich einen Feſtzuſchuß von 30000 Mark
ſtiften; insgeſamt wird mit einem Ausgabeetat von 70000
Mark gerechnet.
* Frankfurter Theater=Spielplan.
1. Opernhaus. Dienstag, 29. Nov.: Cavalleria
ruſticana Der Bajazzo Mittwoch, 30. Nov.: Ama=
teuervorſtellung
und Geſellſchaftsabend zum Beſten der
Frankfurter Theater=Penſionsanſtalt: 2. Akt Mamſell
Angot hierauf zum erſten Male: Sonne und Erde‟
Donnerstag, 1. Dez.: Die Zauberflöte‟ Freitag, 2.
Dez.: Geſchloſſen. Samstag, 3. Dez.: Tiefland.
Sonntag, 4. Dez., 3½ Uhr: Hänſel und Gretel. 7 Uhr:
Manon. Montag, 5. Dez.: Die geſchiedene Frau.
Dienstag, 6. Dez.: Lohengrin 2. Schauſpiel=
haus
: Dienstag, 29. Nov.: Ceſar Borgia. Mittwoch,
30. Nov.: Einer von unſere Leut. Donnerstag, 1.
Dez.: Das Konzert. Freitag, 2. Dez.: Don Carlos
Samstag, 3. Dez.: Der Raub der Sabinerinnen
Sonntag, 4. Dez., 3½ Uhr: Alt=Heidelberg 7 Uhr:
Moral. Montag, 5. Dez.: Ceſar Borgia‟ Dienstag,
6. Dez.: Zum erſten Male: Strandkinder, Schauſpiel
in 4 Akten von Hermann Sudermann.

Kleines Feuilleton.
CK. Die größte Waſſerleitung der
Welt. Die neue große Waſſerleitung von Albeda,
die im Zuſammenhang mit dem Kanal von Aragonien
und Katalonien in Spanien vor einiger Zeit in An=
griff
genommen wurde, iſt vollendet, und Spanien
beſitzt damit die größte Waſſerleitung der Welt. Denn
das Hauptzuflußrohr dieſer mächtigen Waſſerwerke, die
nach den Plänen des Ingenieurs Mariano Luiüa er=
richtet
wurden, hat einen Durchmeſſer von nicht weni=
ger
als vier Meter bei einem Waſſerdruck von 30
Meter. Dieſer gewaltige unterirdiſche Kanal iſt aus
Beton hergeſtellt und durch große Stahlkonſtruktionen

verſtärkt. Eine Unzahl von großen Stahlringen ſind
in das Rohr eingebaut und durch ſtarke Längsleiſten
geſichert. Mit dieſer Waſſerleitung iſt der lang gehegte
Plan Wirklichkeit geworden, der in der Landwirtſchaft
der beiden fruchtbaren ſpaniſchen Provinzen eine neue
Aera einleiten ſoll. Es wird fortan möglich ſein,
große Landſtrecken zu bewäſſern und ſo die Fruchtbar=
keit
des Bodens zu ſteigern. Der nun vollendete Kanal
von Aragonien und Katalonien hat insgeſamt 35 Mil=
lionen
Peſetas verſchlungen.
* Der falſche Engländer. Ein gelegentlicher
Mitarbeiter erzählt der Tägl. Rundſchau das folgende
Geſchichtchen: Vor kurzem wohnte ich in einem kleinen
Vorſtadt=Varieté einer Vorſtellung bei. Drei Soubret=
ten
, die zuſammen ſicherlich 100 Jahre alt waren, ſangen
mehr oder weniger ſchöne Lieder, ein Zauberkünſtler
mit einem rieſigen, anſcheinend echten, Vollbart zau=
berte
wunderhübſche Illuſionen (ſo ſtand auf dem
Programm), eine radfahrende Dame fuhr die ſchwierig=
ſten
Sachen, und ſchließlich ſollte die Hauptſache des
Abends kommen, der Original=Jongleur=Akt, the
greatest show of the world der nun nennen wir ſie:
Wilkens Brothers. Ich ſpannte meine Erwartungen
auf das höchſte, der Muſikdirektor am Klavier ſpielte
mit großer Fingerfertigkeit und mächtiger Kraft den
Gladiatorenmarſch, der Vorhang ging auf. Drei
männliche Geſtalten ſtanden auf den Brettern, im ele=
ganten
, bunten Trikot. Sie jonglierten mit Tellern
und brennenden Lampen, mit Stühlen und Tennis=
ſchlägern
, mit Bällen und rohen Eiern, mit Zylinder=
hüten
und Streichholzſchachteln. Endlich ſchwieg die
Muſik, der Gipfelpunkt der Vorführungen war nahe.
Nummer 1 der Gebrüder Wilkens legte ſich auf den
Rücken und hob mit anerkennenswerter Gewandtheit
die Beine empor, Nummer 2 legte ſich auf dieſe natür=
lichen
Stützpunkte, um gleichfalls die Beine zu heben,
und Nummer 3 ſeinerſeits wiederum auf Nummer, 2.
Ein Diener brachte ein halbes Dutzend Teller, gab ſie
der Nummer 3 und das Jonglieren ſämtlicher Teller
und Nummern zugleich ſollte beginnen, da fallen plötz=
lich
dem Kleinen oben die Teller aus der Hand und
der Nummer 1 auf den Kopf, als jener eben nach unten
fragt: Are vou ready? Und ſeltſam, aber ſehr über=
zeugt
ertönt die Antwort: Menſch, direktemang in de
Freſſe.

* Die Schnapsparade der Heils=
armee
. In New=York unternahm die Heilsarmee
am Dankſagungstage eine ſogenannte Schnaps=
parade
das heißt, ſie ſuchte im dunkelſten Teile der
Stadt alle Betrunkenen zuſammen und lud ſie, zum
großen Teile gegen ihren Willen, auf mitgebrachte
Wagen. Eine Muſikkapelle zog voraus. So ſchildern
amerikaniſche Depeſchen die Schnapsparade und
Tauſende von Anhängern und beluſtigten Paſſanten
folgten den tapferen Kriegern und Damen und ihrem
Wagenzuge, der faſt einen Kilometer lang geworden
war, als er endlich das Hauptquartier der Heilsarmee
erreichte. Es ſtellte ſich heraus, daß 1350 Trunkenbolde
auf den Wagen eingebracht worden waren. Bekehrte
Säufer hatten ſich bei dieſem Treiben am geſchickteſten
erwieſen, denn ſie wußten aus Erfahrung, wo ſie ihre
ehemaligen Kumpane zu ſuchen hatten.
* Zwei Menſchenleben um einen
Klicker Aus Münſter wird gemeldet: Auf der nur
einen Zentimeter dicken Eisſchicht der Aa ſpielten
nachmittags mehrere Schüler. Als der zehn Jahre alte
Sohn des Kolporteurs Röwekamp einem über das Eis
rollenden Klicker nacheilte, brach er ein. Der neun=
jährige
Sohn des Heizers Cordes wollte ſeinem Spiel=
gefährten
helfen, holte eine Stange und reichte ſie dem
Röwekamp, der ſie auch ergriff. Als Cordes jedoch an
der Stange zog, brach die Eisdecke auch unter ſeinen
Füßen. Beide Knaben ertranken. Die Feuerwehr
vermochte nur, die Leichen der Kinder aus dem nur
einen Meter tiefen Waſſer zu bergen.
* Ueber einen bayriſchen Sparerlaß
der geeignet iſt, großes Kopfſchütteln zu erregen, wird
berichtet: Statt der bisherigen Staublappen erhalten
die Bureaudiener der Oberpoſtdirektion München alle
jetzt gewöhnliche Leinwandſachen, zerlumpte Hemden,
Unterhoſen, Kinderſchürzen und dergleichen, die als
Staublappen zu verwenden ſind, und es iſt höheren=
orts
Bericht darüber einzuſenden, wie ſich dieſe Neue=
rung
bewährt hat. Dieſer neue Sparerlaß der Ober=
poſtdirektion
gehört in eine Reihe mit dem der Ver=
kehrsverwaltung
, durch den im vorigen Jahre die
achttägige Benutzung der Bureauhandtücher in eine
zehntägige, der Sparſamkeit halber, umgewandelt
wurde.

[ ][  ][ ]

Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 29. November 1916.

Nummer 280.

angeblichen Schröder den Privatdetektiv Artur Nit=
tert
wieder, der in Berlin eine große Rolle ge=
ſpielt
hatte. Nittert hatte in der Lebewelt und in den
zweifelhaften Cafés einen großen Anhang und war
hier ſtändig zu ſehen in Begleitung eines gewiſſen
Otto Knitelius aus Offenbach am Main. Man
hatte beide ſchon in früheren Jahren beobachtet, doch
war es der Polizei nicht möglich geweſen, ſich der bei=
den
zu bemächtigen, da ſie ſehr vorſichtig bei ihren Be=
trügereien
zu Werke gingen. Als Knitelius Wind
davon bekommen hatte, daß ſein Genoſſe der Polizei
unter wahrem Namen bekannt war, flüchtete er.
Wegen einer Erpreſſergeſchichte, in die er früher ver=
wickelt
war, hatte man ihn auf dem Polizeipräſidium
gemeſſen und photographiert. Der Erkennungsdienſt
der Berliner Kriminalpolizei entwickelte nun eine 1
lebhafte Tätigkeit. Durch Vermittelung des Auswär=
tigen
Amtes ſchickte man nicht nur an alle Polizei=
behörden
des Kontinents, ſondern auch nach New=
York, Riv de Janeiro uſw. das Bild des Knitelius.
Schließlich gelang es den braſilianiſchen Behörden,
Knitelius im September d. J. in Petropolis zu ers
mitteln. Er wurde auf Erſuchen des deutſchen Aus=
wärtigen
Amtes feſtgenommen und nach Erledigung
der üblichen Auslieferungsbedingungen auf dem
Schiff San Nicolas der Hamburg=Südamerika=
Linie nach Deutſchland überführt. Hier iſt er geſtern
genau zwei Jahre nach dem Morde in Hamburg ein=
getroffen
und von dort ſofort nach Magdeburg weiter
befördert worden. Otto Knitelius ſpielte in der Lebe=
welt
Berlins eine große Rolle. Er war einer der
eleganteſten Einbrecher, ging ſtändig in großer Toi=
lette
und trug Zylinder. Neben ſeinen Einbrüchen
beſchäftigte er ſich auch mit der Verſchiebung von
Pfandbriefen. Knitelius ſtammt aus einer angeſehe=
nen
Kaufmannsfamilie aus Offenbach. Auf ſeine
Ergreifung hatte die Staatsanwaltſchaft zu Magde=
burg
eine Belohnung von 500 Mark ausgeſetzt. Kni=
telius
hat eine gute Schulbildung genoſſen und in
Offenbach das Abiturientenexamen beſtanden.
Limburg (Lahn), 28. Nov. Ein ſchwerer Eiſen=
bahnunfall
ereignete ſich heute morgen halb 11
Uhr auf der Weſterwaldbahnſtrecke Limburg- Alten=
kirchen
. Zwiſchen den Stationen Frickhofen und Wil=
ſenrot
fuhr ein ſogenannter Triebwagenzug mit einer
entgegenkommenden Lokomotive zuſammen. Dabei
wurden drei Perſonen ſchwer und drei leicht verletzt.
Traben=Trarbach, 28. Nov. Beim Rodeln ſtürzte
geſtern ein mit vier Burſchen beſetzter Rodelſchlitten
in die hochgehende Moſel. Zwei der Burſchen konnten
ſich retten, während die beiden anderen ertrunken ſind.
Die Leichen konnten bis jetzt noch nicht gefunden
werden.
Paris, 26. Nov. Das Urteil der Geſchwo=
renen
von Rouen hat bei den Syndikaten große
Erregung hervorgerufen. Die Vereinigung der
Syndikate des Seine=Departements und der Allgemeine
Arbeiterverband beabſichtigen, in der nächſten Zeit
eine allgemeine Proteſtverſammlung einzuberufen.
Der Temps billigt den Wahrſpruch rückhaltlos und
ſagt: Selbſt die Geſchworenen ſeien offenbar der An=
ſicht
geweſen, daß es höchſte Zeit ſei, der Schreckens=
herrſchaft
der Hetzer in den Fabriken und auf den
Bauplätzen ein Ende zu machen.
Cork, 27. Nov. Geſtern kam es nach einer Ver=
ſſammlung
von Anhängern Redmonds zu ernſten Un=
ruhen
, da die Teilnehmer an der Verſammlung in
feindſeliger Weiſe gegen Anhänger OBriens vor=
gingen
; die Polizei ſchritt mehrmals ein. 80 Per=
ſonen
wurden verletzt und ins Krankenhaus gebracht.
Caslan, 27. Nov. In der hieſigen Peter= und
Paul=Kirche wurde geſtern das Grab des Huſſitenfüh=
rers
Johann Ziska aufgefunden. Das Grab befindet
ſich unter einer Steintafel mit einer lateiniſchen In=
ſchrift
und dem Siegel des Stadtrats von Caslau aus
dem 17. Jahrhundert. Nach einer in dem Grabe auf=
gefundenen
Urkunde wurden die Ueberreſte Ziskas
dort heimlich beigeſetzt, um ihre Vernichtung zu ver=
hüten
.
New=York, 27. Nov. Der Beringsgletſcher
iſt, wie aus Alaska gemeldet wird, geborſten. Der
innere Gletſcherſee ergießt ſich über das Beringstal,
in dem ſich viele Bergwerke befinden. Der Berings=
fluß
iſt um 3 Meter geſtiegen. Zahlreiche Bergmanns=
hütten
wurden vernichtet. Das ganze Tal iſt mit
Waſſer überſchwemmt, auf dem rieſige Eisblöcke
ſchwimmen. Rettungsexpeditionen ſind bereits unter=
wegs
. Ueber die Zahl der bei der Kataſtrophe Um=
gekommenen
iſt noch nichts bekannt.

Kunſtnotizen.
(eber Werke, Känſtler und künſtleriſche Veranſtaltungen ꝛc., deren im Nach=
ſehenden
Erwähnung geſchieht, behält ſich die Nedaktion ihr Urteil vor.
Saalbau=Theater. Tosca von. G.
Puccini, Erſtaufführung am Samstag, den 3.,
und Sonntag, den 4. Dezember, im Saalbau=Theater
in Darmſtadt durch das Berliner Opern= Gaſt=
ſpiel
=Enſemble. Herr Direktor Rudolf John=
dorff
, welcher mit der Oper Tosca von Puccini eine
Gaſtſpiel=Tournee durch Deutſchland, Holland und
Oeſterreich unternommen hat, bringt Tosca am 3. und
4. Dezember zur Erſtaufführung in Darmſtadt. Puccini
iſt heute der bedeutendſte und populärſte Komponiſt
Italiens. Die Uraufführung von Tosca fand im
Königlichen Theater in Rom ſtatt und hat von hier aus
ihren Siegeszug über die Bühnen der ganzen Welt an=
getreten
. In Berlin wurde Tosca im September
1910 an der Komiſchen Oper zum hundertſten Male auf=
geführt
. Eine nicht minder ſtattliche Anzahl von Auf=
führungen
erreichte Tosca im Wiener Hofburgtheater
und in der Dresdener Hofoper. Puccini gehört zu der
jungitalieniſchen Schule, deſſen Hauptvertreter neben
ihm Mascagni und Leoncavallo ſind. Tosca iſt ein
echtes Theaterſtück von ungeheurer dramatiſcher Wir=
kung
. Das Libretto iſt nach dem gleichnamigen Schau=
ſpiel
des bekannten franzöſiſchen Schriftſtellers Vie=
torien
Sardou, welches lange Zeit das Zugſtück der
Pariſer Theater war, von L. Illica und Giacoſo ver=
faßt
. Die Muſik übt durch ihre ſelbſtändige Geſtaltungs=
kraft
und Eigenart eine mächtige Wirkung auf die
Zuhörer aus. Die wundervollen Arien der Tosca
Nur der Schönheit weiht ich mein Leben ſowie die
berühmte Tenorarie des Cavaradoſſi O ſüßer Küſſe
ſchwelgeriſches Kofen haben einen Weltruf erlangt.
Direktor Johndorff bringt für ſämtliche Akte eigene
Dekorationen und Requiſiten ſowie ſtilgerechte Koſtüme
mit.

Luftſchiffahrt.
* Frankfurt a. M., 27. Nov. Das Kartell
ſüdweſtdeutſcher Luftſchiffvereine, dem
die Vereine in Marburg, Mainz, Wiesbaden, Mann=
heim
, Karlsruhe, Freiburg, Straßburg, Konſtanz und
Frankfurt angehören, hat am 27. November in ſeiner
Delegiertenverſammlung zu Mannheim die Veran=
ſtaltung
des erſten Zuverläſſigkeitswett=
fliegens
in der Oberrheiniſchen Tiefebene im
Jahre 1911 beſchloſſen als Prüfung für Flieger und
Flugzeuge. Als Etappen der Fahrt ſind Baden=
Baden, Freiburg, Mülhauſen i. E., Straßburg, Karls=
ruhe
, Mannheim, Frankfurt, ſowie nach Möglichkeit
die dazwiſchen liegenden größeren Orte in Ausſicht
genommen. An einzelnen dieſer Plätze werden Schau=
flüge
ſtattfinden. An Preiſen ſollen 300000 Mark
aufgebracht werden. Den Ehrenvorſitz im Arbeits=
ausſchuß
hat Prinz Wilhelm von Sachſen=Weimar in
Heidelberg übernommen. Mit den Vorbereitungen iſt
der Frankfurter Verein für Luftſchiffahrt betraut
worden.
C) Das große aerotechniſche Inſtitut
von St. Cyr, das Henri Deutſch geſtiftet hat, iſt
nun vollendet und hat ſeine Arbeit aufgenommen. Das
Inſtitut wird eine wertvolle Ergänzung des Lehr=
ſtuhles
für Luftſchiffahrt bilden, der kürzlich an der
Sorbonne errichtet wurde. Es beſteht aus einem um=
fangreichen
Bau, der große Laboratorien umſchließt,
wo alle mit der Luftſchiffahrt zuſammenhängenden
Probleme ſtudiert werden ſollen. Aber auch praktiſche
Verſuche ſind vorgeſehen; neben dem ſtattlichen Bau
dehnt ſich ein weites Verſuchsfeld, das dieſem Zwecke
dienen wird. Das gerotechniſche Inſtitut liegt an dem
großen Exerzierplatz von St. Cyr in der Nähe von
Verſailles und bedeckt eine Fläche von nicht weniger
als 70000 Quadratmeter.

Sport.
sr. Das New=Yorker Sechstage=Rennen
wird diesmal von 4 ſehr ſtarken Mannſchaften beſtritten
werden und es erſcheint durchaus noch nicht ſo ſicher, ob
Rütt=Stol ihren 1907 erfochtenen Sieg wiederholen wer=
den
. Der Auſtralier Clark, mit dem zuſammen Rütt im
Vorjahre nach dem Ausſcheiden von Stol und Mac Far=
land
das Rieſenrennen ebenfalls gewann darauf auch
das Berliner Sechstage=Rennen, bildet diesmal eine
Mannſchaft mit dem langen Mac Farland, der 1908 mit
Moran als Partner Rütt=Stol auf den zweiten Platz
verwies. Moran endlich hat ſich mit Root zuſammen ge=

Phonola= und Pianola=Konzerte.
* Am Sonntag vormittag veranſtaltete die Piano=
fortefabrik
Karl Arnold in dem neuen großen Vor=
tragsſaale
ihres Geſchäftshauſes eine Phonola=
matinee
, die von Intereſſenten und Muſikfreunden
zahlreich beſucht war. Ueber den Wert und die Bedeu=
tung
der Phonola, die, wie ſchon bemerkt, von ganz
unmuſikaliſchen Leuten nicht geſpielt werden kann,
anderſeits aber zur Betätigung individueller Auf=
faſſung
noch genügend Spielraum läßt, haben wir uns
ſchon wiederholt zu äußern Gelegenheit gehabt, da auch
genannte Firma ſchon ſolche Konzerte hier veranſtaltet
hat. Die Freunde ſolcher gediegenen Hausmuſik dürfte
dieſe Matinee in ihrer Vorliebe für dieſe neue, groß=
artige
Erfindung ſicher beſtärkt haben, denn die
Leiſtungsfähigkeit der hier zur Vorführung gelangten
Phonola war bewundernswert. Das Programm ent=
hielt
folgende Nummern: Liſzt, Polonäſe Nr. 2, E-dur;
Schumann, Novellette, Opus 21, Nr. 7, E-dur; Reinecke,
Ballade, Opus 20, As=dur: Brahms, Rhapfodie, Opus
79, Nr. 2, G-moll; Grünfeld, Romanze, Opus 42, Nr. 1,
Des-dur; Moszkowski, Barcarole, Opus 27, Nr. 1,
G=dur; Chaminade, Automne, Opus 35, Nr. 2;
Wieniawski, Valſe de Concert, Opus 3. Man hatte
Gelegenheit, die Auffaſſungen bedeutender neuzeitlicher
Pianiſten, wie Eugen d’Albert, Bauer, Reinecke, Grün=
feld
, Sally Liebling, A. Neſtler, Wieniawski ꝛc. kennen
zu lernen. Die Stücke wurden abwechſelnd an einem
Flügel und einem Piano von Herrn Richard Lamp
aus Leipzig geſpielt, der ſich als ein Meiſter in der Be=
handlung
der Phonola bewährte.

Ein Pianola=Konzert veranſtaltete
nachmittag vor einem Kreiſe geladener Zuhör=
Leopold Schutter (Thies Nachf.) in ſeinem
durch Umbau bedeutend vergrößerten ſchönen Ve
lokal, das dem Konzert einen ſtimmungsvollen 9
gab. Das Konzert fand auf einem Them
Pianola der Firma Choralion=Ko., Berlin, ſta
von Herrn Artur Schlegel aus Berlin meiſter
ſpielt wurde. Bekanntlich iſt das Pianela ein Inſtt

das einem jeden ermöglicht, künſtleriſch vollendet Klavier
zu ſpielen ohne jedwede Uebung oder Vorkenntniſſe. Das
Pianola befreit von dem mühſeligen Studium der Kla=
viertechnik
, d. h. es übernimmt beim Klavierſpiel die rein
mechaniſche Leiſtung, der Vortrag aber iſt keineswegs ein
mechaniſcher, weil der Spielende das Pianola dirigieren
muß. Die Handhabung iſt dabei eine ſehr einfache, gibt
aber trotzdem alle Hilfsmittel, um dem Vortrage perſön=
liches
Gepräge und Ausdruck zu verleihen. Von hervor=
ragender
Bedeutung am Pianola iſt das Metroſtyle. Dieſe
Erfindung war. ſo entnehmen wir der dem Programm
beigefügten Einführung, wie nichts anderes dazu angetan,
dem Pianola begeiſterte Mithilfe der berühmteſten Künſt=
ler
und Muſikautoritäten zu gewinnen. Das Metroſtyle
gibt dem Klavierſpiel die Vortragsweiſe eines berühmten
Künſtlers und einen genauen Führer für vollendetes
Spiel, läßt aber jede beliebige Abweichung, dem perſön=
lichen
Geſchmack des Spielers entſprechend, zu. Die wert=
volle
Themodiſt=Vorrichtung dient dazu, die Melodie
einer Kompoſition der Begleitung gegenüber hervorzu=
heben
und gleichzeitig die Begleitung nach Belieben zu
dämpfen.
Der Vorführung dieſer Themodiſt=Vorrichtung
galt in erſter Linie das Konzert. Und in der Tat,
man ſteht beim Anhören dieſer Muſik, die durchaus
individuell, alſo perſönlich, klingt und mit Auto=
matenhaftem
aber auch gar nichts gemein hat, unter
dem Eindruck einer vollendeten Errungenſchaft der
Technik. Das Programm enthielt: Scherzo, Opus
31, B-moll, von Fr. Chopin, Réve angélique aus Ka=
mennoi
, Oſtrow, von A. Rubinſtein, Valſe caprice
von F. Fuhrmeiſter, Polacca brillante, Opus 72, von
C. M. von Weber, Kirmeß aus Fauſt (Gounod) von
C. Saint=Saéns, Frühlingsrauſchen von Chr. Sin=
ding
, Norwegiſcher Brautzug von E. Grieg, Echo de
Vienne, Valſe de concert von E. Sauer. Als Zugabe
ſpielte Herr Schlegel auf Wunſch noch die 12. Rhap=
ſodie
von Liſzt und auch dieſes gewaltige Tonwerk
kam in ſo hervorragender Weiſe zu Gehör, daß man
den Eindruck gewann, als ſpiele ein hervorragender
Virtuoſe. Das zablreiche Publikum ſpendete lebhaf=
ten
Beifall.

tan, der 1905 und 1906 zuſammen mit Fogler den erſten
Platz beſetzte, während für Fogler in dem ehemaligen
Amateur Fred Hill ebenfalls ein routinierter Sechstage=
Fahrer als Partner gefunden wurde.

Handel und Verkehr.
Schiffahrtsabgaben. Die vereinigten
Arbeitsausſchüſſe der Rhein=, Weſer= und Elbe= Inter=
eſſenten
(Städte, Handelskammern, Wirtſchaftliche
Vereine) haben eine umfangreiche 33 Druckſeiten um=
faſſende
Denkſchrift unter dem Namen Kritiſche Be=
merkungen
zu dem Entwurf des Geſetzes betreffend
den Ausbau der deutſchen Waſſerſtraßen und die Er=
hebung
von Schiffahrtsabgaben herausgegeben. Dieſe
Denkſchrift macht einleitend darauf aufmerkſam, daß=
das
dem Geſetzentwurf beiliegende Material ſo mangel=
haft
iſt, daß es nicht entfernt zur Beurteilung der Natur
und Tragweite des Geſetzentwurfs ausreicht. Es wird
ſodann die allgemeine Begründung des Geſetzentwurfs
Abſatz für Abſatz geprüft und auf die zahlreichen
Widerſprüche und Unrichtigkeiten, die dieſelbe enthält,
hingewieſen. Ebenſo werden die einzelnen Artikel
und Paragraphen des Geſetzentwurfs ausführlich
beſprochen und die Tragweite der einzelnen Beſtim=
mungen
beleuchtet. Die Denkſchrift bietet jedem, der
ſich mit dem vorliegenden Geſetzentwurf zu befaſſen
hat. eine Fülle von Material und dürfte auch den
Reichstagsmitgliedern nicht unwillkommen ſein.

Stimmen aus dem Publikum.
(Für die Veröffentlichungen unter dieſer Ueberſchrift übernimmt die Redaktion
keinerlei Verantwortung; für ſie bleibt auf Grund des § 21 Abſ. 2 des
Preßgeſetzes in vollem Umfange der Einſender verantwortlich.)
Unter Bezugnahme auf das Eingeſandt vom
22. cr., betreffend neuer Benennung der Fortſetzung der
Rheinſtraße nach Verlegung der Bahnhöfe, wird es
völlig falſch gefunden, dieſem Teil einen anderen=
Namen als Rheinſtraße zu geben. Iſt doch in einer
Straße nichts unangenehmer, ſpeziell für Fremde, als=
wenn
auf einmal der Straßenname wechſelt. Beiſpiele
haben wir hierfür am Platze bereits genug, z. B.
Neckarſtraße Heidelbergerſtraße, Kaſinoſtraße- Blu=
menthalſtraße
, Karlſtraße Beſſungerſtraße, Blu=
menthalſtraße
-Rhönring uſw. Wie oft muß in ſolchen
Fällen erklärt werden: Ja, das iſt die Fortſetzung der
ſo und ſo Straße, denn dieſe heißt von da ab ſo und ſon
Warum noch mehr ſolcher Mißfälligkeiten? Da das
fragliche Stück der Griesheimer Chauſſee, die ſogen.
Allee, doch ſicherlich noch nicht offiziell getauft iſt, ſo
wäre gerade bei Verlegung der Bahnhöfe Gelegenheit,
den Namen Allee zu kaſſieren und hierfür den wohl=
berechtigten
Namen Rheinſtraße zu geben.
Bürger=

Vermiſchtes.
CK. Die jüngſten Ausgrabungen in
Aegypten. Ueber die Erfolge der letzten ägyptiſchen
Ausgrabungen, die ſich, unter der Leitung Flinders=
Petris, auf die Umgebung der altberühmten Pyramide
von Snefru erſtreckten, berichtet Dr. L. Caze in der
Revue intereſſante Einzelheiten. Es iſt Petri gelun=
gen
, feſtzuſtellen, daß die Pyramide von Snefru vier
Jahrtauſende vor unſerer Zeitrechnung entſtanden iſt.
Eine der benachbarten Grabſtätten, eine der größten,
die in jener Region zu finden ſind, iſt augenſcheinlich
aus Bautrümmern der Pyramide errichtet. Dieſe
Grabſtätte, in der ein hoher Würdenträger beigeſetzt
wurde, deſſen Identität noch nicht feſtgeſtellt iſt, beſaß
keinen äußeren Zugang. Sie wurde alſo erſt nach der
Beſtattung von den altägyptiſchen Baumeiſtern errich=
tet
. Die Totenkammer iſt aus mächtigen Steinblöcken
getürmt, von denen einzelne ein Gewicht bis zu 40
Tons haben. Im Innern der Kammer fand man einen
großen Granitſarkophag, den älteſten, den man bisher
kannte. Der Sarkophag wiegt nicht weniger als 8500.
Kilogramm, der Deckel allein hat ein Gewicht von über 10
Zentnern. Trotzdem dieſe Grabſtätte völlig unzugäng=
lich
war und, wie geſagt, keinen Eingang beſaß, muß
auch ſie in alten Zeiten von den Grabräubern heimge=
ſucht
worden ſein, wahrſcheinlich aber iſt, daß bereits
bei den Bauarbeiten die Beraubung ſtattfand. Alle
Schmuckſtücke, mit denen der Körper des Verſtorbenen
behängt war, ſind dabei geſtohlen worden, und vor Ver=
ſtümmelungen
iſt man dabei nicht zurückgeſchreckt.

Muſik.
Der Poſtillon von Lonjumeau, Adams Meiſter=
oper
, die noch heute mit ungeſchwächtem Erfolg über
alle Bühnen geht, iſt in dem ſoeben erſchienenen neue=
ſten
Heft der Muſik für Alle zum Abdruck ge=
kommen
. Die liebenswürdig=graziöſe Muſik dieſer
feinſten aller komiſchen Opern kommt vollauf zur Gel=
tung
. Die ſchönſten, ſowohl lyriſchen wie komiſchen
Szenen ſind in leicht ſpielbarer Form wiedergegeben.
Das Poſtillon von Lonjumeau=Heft der Muſik für
Alle, welches als Umſchlagbild den berühmten Tenor
Bötel in der Titelrolle zeigt, iſt zum Preiſe von 50
Pfennig in allen Buch= und Muſikalienhandlungen, ſo=
wie
direkt vom Verlage Ullſtein u. Ko., Berlin SW. 68,
Kochſtr. 23/24, erhältlich.

Literariſches.
Bechſteins Märchen. Mit acht Dreifarb=
druckbildern
und zahlreichen Textilluſtrationen von
Wilhelm Roegge. Stuttgart, Verlag von Levy u.
Müller. Eleg. geb. 4 Mark. Ueber Bechſteins Mär=
chen
, die ſchon längſt zu dem eiſernen Beſtand der
geiſtigen Schätze des deutſchen Volkes gehören und nach
wie vor die für den Märchenzauber ſo empfänglichen
Kinderherzen entzücken werden, noch Worte des Lobes
und der Anerkennung zu äußern, dürfte recht über=
flüſſig
ſein. Die vorliegende Prachtausgabe bietet die
ſchönſten der von Ludw. Bechſtein geſammelten Mär=
chen
, und zwar in einer Ausſtattung, die ſchon als vor=
züglich
zu bezeichnen iſt. Die zahlreichen in den Text=
eingeſtreuten
Federzeichnungen ſind meiſterhaft aus=
geführt
. Einen ganz hervorragenden Schmuck aber
bilden die zehn bunten Vollbilder nach Oelgemälden
von Wilh. Roegge.
Der Nutzen des Lebens von Sir John
Lubbock iſt ſoeben im Verlage von Hermann Zie=
ger
, Leipzig, zum Preiſe von 1,75 Mk. geheftet und=
2,50 Mk. gebunden erſchienen. Es iſt ein Buch für
alle ins Leben hinaustretenden, oder ſich ſchon in ihm
abmühenden Menſchen, ein Buch für jedermann, dem
daran gelegen iſt, den wahren Nutzen des Lebens in
vollſtem Umfange ſich zu eigen zu machen. Gern und
immer wieder wird man nach dem Werke greifen und
ſich von ihm belehren und beraten laſſen! Für Ge=
ſchenkzwecke
iſt noch eine beſonders vortchm Huä=

[ ][  ][ ]

Nummer 280.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 29. November 1910.

Seite 5.

geſtatete, auf Bültenpapier gebrucke, in
gebundene und mit Goldſchnitt verſehene
zum Preiſe von 6 Mk. erſchienen.

Ganzleder
Ausgabe

Deutſcher Reichstag.
* Berlin, 28. Nov. Der Präſident Graf v.
Schwerin=Löwitz eröffnet die Sitzung um 2 Uhr
20 Minuten. Auf der Tagesordnung ſteht zunächſt der
Geſetzentwurf, betr. den
Schutz des zur Anfertigung von Reichs=
banknoten
verwendeten Papiers
gegen unbefugte Nachahmung.
Der Geſetzentwurf wird in zweiter Leſung ohne
weſentliche Debatte angenommen.
Es folgt die erſte Leſung des
Schiffahrtsabgabengeſetzes.
Zunächſt ergreift der Reichskanzler v. Beth=
mann
Hollweg das Wort und führt folgendes aus:
Meine Herren! Der vorliegende Geſetzentwurf be=
zweckt
die Löſung einer Frage, die ſeit langen Jahren
die öffentliche Meinung beſchäftigt hat. Es handelt ſich
um die Frage, inwieweit die Koſten für den Ausbau
der natürlichen Waſſerſtraßen für die Schiffahrt den
Steuerzahlern verbleiben ſollen oder inwieweit die
Schiffahrtsbeteiligten in der Form von Schiffahrts=
abgaben
daran teilnehmen ſollen. In der Mitte des
vorigen Jahrhunderts hat bekanntlich die Anſicht vor=
geherrſcht
, daß es nicht eine Benachteiligung der Steuer=
zahler
bedeute oder eine Bevorzugung der Schiffahrts=
beteiligten
, wenn die Koſten für den Ausbau der natür=
lichen
Waſſerſtraßen lediglich von den Steuerzahlern
getragen würden. Man vertrat die Anſicht, daß die
natürlichen Waſſerſtraßen grundſätzlich ſchiffahrtsab=
gabenfrei
belaſſen werden müßten. In der Zwiſchen=
zeit
hat dieſe Anſicht vielfach anderen Anſchauungen
Platz gemacht, und zwar iſt der Wechſel in den An=
ſichten
Hand in Hand gegangen mit der gewaltigen
Ausdehnung unſeres Binnenſchiffahrtsverkehrs einer=
ſeits
und anderſeits mit der großen Steigerung der
Koſten, welche durch den Ausbau der Schiffahrtsſtraßen
verurſacht wird. In weiten Kreiſen hat ſich die Ueber=
zeugung
feſtgeſetzt, daß es nicht nur zweckmäßig, ſon=
dern
auch gerecht ſei, die Benutzer der Ströme an den
Koſten für den Ausbau zu beteiligen, und, wo ein wirt=
ſchaftlicher
Anlaß nicht dazu vorliege, die Schiffahrts=
ſtraßen
bald als abgabenpflichtig, bald als abgabenfrei
zu behandeln. Die ſchiffahrtsabgabenfeindliche Strö=
mung
hat ſich nicht nur in Preußen, ſondern
auch in anderen Staaten gezeigt. Ich brauche
nur daran zu erinnern, daß im Jahre 1886
ein Reichsgeſetz erlaſſen worden iſt wegen Erhebung
von Schiffahrtsabgaben auf der Weſer. In den 90er
Jahren haben ſich dann die deutſchen Elbuferſtaaten
über die Wiedereinführung von Schiffahrtsabgaben ver=
ſtändigt
. Dieſe Strömung iſt ſchließlich zum Ausdruck
gekommen in dem preußiſchen Waſſerſtraßengeſetz vom
1. April 1905, demzufolge auf allen im Intereſſe der
Schiffahrt verbeſſerten Waſſerſtraßen Schiffahrtsab=
gaben
erhoben werden können. Der Streit der
Meinungen, der ſich an dieſes Geſetz geknüpft hat, iſt
bekannt. Staatsrechtlich hat man den Ausbau von
Artikel 54 der Reichsverfaſſung hergeleitet und wirt=
ſchaftlich
bereiteten die Verſchiedenheiten der Intereſſen
der einzelnen Teile im Reiche mancherlei Schwierig=
keiten
. Preußen iſt bemüht geweſen, die Schwierig=
keiten
zu mildern und aufzuräumen. Staatsrechtlich
war die Aufgabe geſtellt, einen Geſetzentwurf einzu=
bringen
, der den Vorſchriften des Artikels 78 der Reichs=
verfaſſung
genüge, alſo auch ausreiche für eine Ver=
faſſungsänderung
. Damit wird die Frage, ob das
preußiſche Waſſerſtraßengeſetz ſich innerhalb des Rah=
mens
der Reichsverfaſſung gehalten hat, praktiſch gegen=
ſtandslos
. Wirtſchaftlich wurde die Löſung der Frage
geſucht durch eine ſtaatsrechtliche Form des genoſſen=
ſchaftlichen
Gedankens in der Bildung von zwiſchen=
ſtaatlichen
Verbänden. Dieſer Gedanke, der mit ver=
einten
Kräften das erreichen ließ, was über die
Kräfte des Einzelnen hinausgeht, ſchließt, wie überall,
einen Verzicht in ſich auf eine kleinliche Berechnung des
Gebens und Nehmens, auf das Verhältnis von Ver.
zichten und Leiſten im einzelnen Falle. Der Verzicht
wird ermöglicht und gerechtfertigt durch die Ueber=
zeugung
, daß auf die Dauer der Zeit über die Verſchie=
denheit
der Anſichten des Tages und der Einzelſtaaten nur
das große, gemeinſame Intereſſe am weiteren Ausbau
unſeres deutſchen Waſſerſtraßennetzes auf einer ge=
ſicherten
und gerechten finanziellen Baſis auch die ein:
zelnen Intereſſen kräftig fördert. Der Geſetzentwurf
beruht auf einſtimmigem Beſchluß des Bundesrates.
Dieſe Einſtimmigkeit hat erzielt werden können in der
allſeitigen Betätigung desjenigen Geiſtes bundes=
freundlicher
Geſinnung, der das wechſelſeitige Verhält=
nis
zu den Regierungen beſeelt und der bereit geweſen
iſt, durch Opfern urſprünglicher Meinungen und Ziele
dem Intereſſe der Allgemeinheit zu dienen.
Ich hoffe, daß nunmehr auch der Reichstag den Grund=
lagen
zuſtimmen werde, auf denen ſich der weitere Ausbau
des deutſchen Waſſerſtraßennetzes vollziehen ſoll Erſt
nach Verabſchiedung des Geſetzes iſt die Möglichkeit gege=
ben
und wird der Zeitpunkt gekommen ſein, mit denjeni=
gen
ausländiſchen Staaten in Verbindung zu treten, die
an dem öffentlichen Bau von Waſſerſtraßen beteiligt ſind
und die Intereſſe an den Waſſerſtraßen haben. Wir wer=
den
dieſe Verhandlungen auf der Baſis gemeinſamen

Intereſes und derſenigen freundſchaftlichen Beſiehungen
führen, in welchen wir mit unſeren Nachbarſtaaten ſtehen.
Wir werden verſuchen, dieſe Staaten davon zu über=
zeugen
, daß die von uns verfolgten verkehrspolitiſchen
Ziele und die dafür in Anwendung gebrachten Mittel
auch ihrem Intereſſe nützlich ſind, und hoffen, daß wir
auf folchem Wege gegenſeitiger Verſtändigung den all=
ſeitigen
Intereſſen am beſten dienen werden. (Bravo!)
Preußiſcher Miniſter der Oeffentlichen Arbeiten von
Breitenbach: Der vorliegende Geſetzentwurf iſt nach
den Vorerhebungen der Zuſtimmung der verbündeten Re=
gierungen
in weiteſtem Umfange ſicher, namentlich nach=
dem
wir den Geſichtspunkt vorangeſtellt haben, daß nicht
anderweitige Zwecke damit verfolgt werden ſondern daß
die einkommenden Mittel lediglich für Schiffahrtsver=
beſſerungen
verwendet werden ſollen; überhaupt ſollen
dieſe Abgaben nicht neue Einnahmequellen werden. Die
Schiffahrtsabgaben ſind nach oben feſtgelegt; dabei iſt den
vom Meere weit entfernt gelegenen Gebieten beſondere
Fürſorge zuteil geworden, da die Brauchbarkeit der Ströme
zur Quelle hin abnimmt. Eine bedeutſame Neubildung
ſind die Strombeiräte, die mitwirken ſollen an dem Aus=
bau
der deutſchen Waſſerſtraßen. Eine derartige Einrich=
tung
haben wir bereits in Preußen, wo dieſe Körper=
ſchaften
beratend mitwirken. Es iſt daran feſtzuhalten,
daß ſchon jetzt nach Artikel 54 auf denjenigen Strömen
Abgaben erhoben werden können, bei denen die Methode
der Kanaliſation angewendet worden iſt. Darin ſind die
Bundesregierungen einig: Wir wünſchen und hoffen, daß
der Ausbau des deutſchen Waſſerſtraßennetzes auf der vor=
geſehenen
Grundlage dem deutſchen Verkehr und damit
auch dem Reiche nützen werde.
Dr. Am Zehenthoff (Ztr.): Eine Kommiſſion
von 28 Mitgliedern erſcheint wünſchenswert, damit an den
Beratungen möglichſt viele Landesteile beteiligt ſind.
Meine Freunde müſſen die Frage, ob Schiffahrtsabgaben
erhoben werden dürfen, bejahen; das entſpricht der Bil=
ligkeit
und ausgleichenden Gerechtigkeit. Es iſt nicht ein=
zuſehen
, weshalb der Staat, der neben ſeinen Eiſenbahnen
auch noch brauchbare Waſſerſtraßen baut, für deren Be=
nutzung
nicht Abgaben erheben ſoll. Werden die Inter=
eſſenten
nicht herangezogen zu den Koſten, ſo wird in ab=
ſehbarer
Zeit herzlich wenig für die Flüſſe geſchehen.
(Sehr richtig!) Eine Wiederherſtellung der alten Fluß=
zölle
, die als reine Finanzzölle galten, iſt nicht beabſich=
tigt
. Wir ſtimmen grundſätzlich dem § 1 der Vorlage zu,
behalten uns aber für die Kommiſſion unſere Verbeſſe=
rungsanträge
vor. Insbeſondere wollen wir, daß neben
den ſtaatlichen Waſſerſtraßen auch die kommunalen zur
Erhebung der Selbſtkoſten berechtigt werden. Das
Schleppmonopol ſoll der Staat ſelbſt ausüben, oder,
wenn er das nicht kann, ganz fallen laſſen. Erfreulich
iſt, daß die Schiffbarmachung des Oberrheins bis Baſel
nicht in die Vorlage hereingezogen worden iſt. Redner
geht dann des weiteren auf die einzelnen Beſtimmungen,
Frachtſätze und dergleichen ein.
Abg. v. Kreth (Konſ.): Wir Konſervativen ſind
mit dem Grundgedanken der Vorlage einverſtanden.
Unſere ſächſiſchen Freunde werden ihren etwas ab=
weichenden
Standpunkt ſelbſt begründen. Der Kom=
miſſionsberatung
ſtimmen wir zu.
Abg. Frank=Mannheim (Soz.): Den Entwurf
lehnen wir ab. Der Notſchrei Sachſens und Badens
ſagt genug. Die jetzige Einmütigkeit der Bundes=
ſtaaten
will nicht viel heißen, wer weiß, wie ſie zu=
ſtande
gekommen iſt. Die jetzige Aktion beginnt mit
einer Verletzung der Reichsverfaſſung (Sehr richtig!
bei den Soz.), ohne daß der verantwortliche Reichs=
kanzler
einen Finger dazu gerührt hätte. (Sehr rich=
tig
! bei den Soz.) Die Vorlage hat lediglich die Ten=
denz
, Preußen zu ſtärken. Wie verhält ſich Holland
und Oeſterreich zu der Sache? Die reaktionäre Poli=
tik
des Reiches ſchafft ohne Nutzen Konflikte, ſelbſt
mit unſeren Freunden.
Abg. Woelzl (natlb.): Ein Teil meiner Freunde
ſteht der Einführung von Schiffahrtsabgaben freund=
lich
gegenüber. Wir halten die Vorlage für eine ge=
eignete
Grundlage, um auf geſetzlichem Wege Schiff=
fahrtsabgaben
einzuführen, und ſind auch mit den
meiſten Einzelheiten einverſtanden. Abg. Kämpf
(fortſchr. Vp.): Die Vorlage verſtößt gegen die Fun=
damentalgrundſätze
unſerer Verfaſſung. Die zwiſchen=
ſtaatlichen
Zweckverbände werden lediglich Verwalt=
ungsausſchüſſe
bleiben. Verdächtig iſt auch, daß ein
Drittel des Entwurfs nur aus Strafbeſtimmungen
beſteht. Die ganze Vorlage wirft ein grelles Licht auf
die inneren politiſchen Verhältniſſe der Bundes=
ſtaaten
, ſie verdient das größte Mißtrauen, ſie ſchädigt
unſere Induſtrie und damit auch des Reiches Macht=
ſtellung
. Von ausgleichender Gerechtigkeit iſt nichts
zu verſpüren. Hoffentlich bleibt uns die Abgaben=
freiheit
erhalten.
Abg. Gamp (Rp.): Eine Schädigung unſerer Indu=
ſtrie
iſt nicht zu erwarten; wir ſtimmen für die Vorlage.
Miniſter von Breitenbach: Ich kann das Ein=
verſtändnis
mit der ſächſiſchen Regierung feſtſtellen. Der
bisherige Verlauf der Debatte zeigt, daß eine große Majo=
rität
dem Geſetze zuſtimmen wird, wenn auch bedeu=
tungsvolle
Einwendungen gemacht worden ſind. Dahin
gehört auch der, daß die preußiſche Regierung durch das
Waſſerſtraßengeſetz und den § 19 einen Bruch der Ver=
faſſung
begehen ſoll. Ich widerſpreche auf das entſchie=
denſte
. Die preußiſchen geſetzgebenden Faktoren haben im
vollen Bewußtſein der Pflicht gegenüber dem Reiche ge=
handelt
. Die politiſchen Parteien haben ſelbſt eine Rege=
lung
der Frage gewünſcht, und überzeugte Gegner der
Abgaben haben immer wieder ausgeſprochen, daß die Aus=
legung
des § 54 der Verfaſſaung im höchſten Maße zwei=

ſehaſt iſt. Die Bebensmitel werden nicht verteuert, denn
die Abgaben ſollen der Verbeſſerung der Schiffahrtswege
dienen und erhebliche Frachtvorteile für die Induſtrie er=
möglichen
. Ich bin feſt überzeugt, daß die Gegner ſich
den Auffaſſungen der Regierungen anſchließen werden.
Abg. Vogt=Hall (Wirtſch. Vgg.): Der größte Teil
meiner Freunde, mit Ausnahme der ſächſiſchen, ſteht dem
Entwurf ſympathiſch gegenüber.
Abg. Dr. Ricklin (Elſ.): Wir verlangen, daß für
Mannheim und Straßburg beſonders niedrige Tarife kon=
zediert
werden.
Abg. Gregoire (wildnat.): Wie iſt es möglich, daß
das zukunftsreichſte, für die ganze Weltwirtſchaft bedeut=
ſamſte
Gebiet nicht einbezogen wurde, indem man die
Kanaliſation der Moſel und der Saar nicht in den Ent=
wurf
aufnahm? Wir ſehen darin eine Konſequenz der
ſchlechten ſtaatsrechtlichen Stellung Elſaß=Lothringens.
Auch der Landesausſchuß hat ſich für die Kanaliſation der
Strecke Metz=Diedenhofen ausgeſprochen. Im nationalen
Intereſſe ſollte man den Verkehr nicht über den franzöſi=
ſchen
Rhein=Marne=Kanal leiten.
Miniſter von Breitenbach: Wir haben unſere
Stellungnahme vom rein praktiſchen Geſichtspunkte aus
genommen. Das Waſſerſtraßengeſetz bringt ſo viele Ka=
näle
und Schiffahrtsverbeſſerungen, daß dieſer Vorwurf
hier nicht erhoben werden kann. Die wirtſchaftlichen Ver=
hältniſſe
ſind derart in Fluß, daß keine endgültige Stellung
genommen werden kann. Noch vor zehn Jahren war das
große Saargebiet einſtimmig gegen die Kanaliſation der
Moſel. Heute iſt es umgekehrt; darum müſſen wir ab=
warten
.
Darauf wird die Weiterberatung auf Dienstag 1 Uhr
vertagt. Außerdem: Geſetz gegen Mißſtände im Heil=
gewerbe
. Schluß gegen ¾7 Uhr.

Letzte Nachrichten.
(Wolffs telegr. Korreſp.=Bureau.)
* Berlin, 28. Nov. Der Wirkl. Geh. Oberregier=
ungsrat
Glöckner, Dirigent des Reichsamts für
Verwaltung der Reichseiſenbahnen, iſt geſtorben,
* Wiesbaven, 28. Nov. Im hieſigen Kurhauſe be=
gannen
heute vormittag im Beiſein von Vertretern
der Verkehrsminiſterien ſowie der Privat= und Staats=
eiſenbahndirektionen
von faſt ſämtlichen europäiſchen
Staaten die Verhandlungen der europäi=
ſchen
Fahrplankonferenz.
* Wiesbaden, 28. Nov. Der 17jährige Se=
kundaner
des hieſigen Gymnaſiums Hugo Fries
hat ſich heute morgen zwiſchen 9 und 10 Uhr vor der
Türe ſeines Klaſſenzimmers aus gekränktem Ehrgeiz
mit einem Revolver einen Schuß in die linke Seite
beigebracht. Seine Verletzung iſt ſchwer, aber nicht
lebensgefährlich.
* Nürnberg, 28. Nov. In dem Juwelen= und
Goldwarengeſchäft Müller am Joſephsplatz wurde
in der vergangenen Nacht ein Einbruch verübt
und Waren im Werte von 40 000 Mark geſtohlen. Die
Diebe ließen die Ladenkaſſe und einen Geldſchrank,
worin ſich koſtbare Juwelen und ungefaßte Edel=
ſteine
befanden, unberührt. Der Verdacht fällt auf
zwei junge Leute, die ſich abends in der Nähe des Ge=
ſchäfts
auffällig machten. Von den Tätern hat man
keine Spur.
* Halle a. S., 28. Nov. Der Magiſtrat beſchloß, in
der Streitſache mit der hieſigen Orts=
krankenkaſſe
, der er zur Beſtellung einer aus=
reichenden
Zahl von Kaſſenärzten eine beſtimmte Friſt
geſtellt hatte, was von dieſer in einer Erklärung als
ein Eingriff in ihre Selbſtändigkeit bezeichnet wor=
den
war, nunmehr ſelbſt gemäß dem § 45 Abſ. 5 des
Krankenverſicherungsgeſetzes eine ausreichende Aerzte=
verſorgung
der Mitglieder herbeizuführen. Die
Kaſſenorgane haben ſich jeder hierher gehörigen Tätig=
keit
bis auf weiteres zu enthalten; auch dürfen ſie
insbeſondere keine Verträge über die Anſtellung von
Kaſſenärzten abſchließen.
* Hamburg, 28. Nov. Der engliſche Dampfer
Coniſeliffe, der geſtern aus Nikolajew eingetroffen
iſt, hatte auf der Reiſe Feuer an Bord; drei Mann
der Beſatzung ſind erſtickt.
* Brüſſel, 28. Nov. Der heute vormittag ausgege=
bene
Krankheitsbericht beſtätigt den normalen
Verlauf der Krankheit der Königin, die eine ver=
hältnismäßig
gute Nacht verbrachte.
* London, 28. Nov. Vor dem Polizeigericht
in der Bowſtreet erſchien heute der Reiſende, der am
Samstag im Zuge Winſton Churchill tät=
lich
angegriffen hatte. Er wurde in Unterſuchungs=
haft
behalten und die Stellung einer Kaution ab=
gelehnt
.

Köln, 28. Nov. Der hieſige Marqueriten=
tag
, der geſtern zugunſten armer Kinder hier ſtatt=
fand
, hat etwa 120 000 Mark gebracht.

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(257a

[ ][  ][ ]

Seite 6.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 29. November 1910.

Nummer 280.

Geſchäftliches.
Die Firma Karl Heß, Buchhandlung, Nachfolger
Alfred Hoefer Darmſtadt, Wilhelminenſtraße, verſendet
nunmehr ebenfalls ihren Weihnachtskatalog für 1911. (23087

Familiennachrichten.

Die glückliche Geburt eines
Töchterchens
beehren sich anzuzeigen
Lehramts-Assessor F. Dern
u. Frau Minna Dern, geb. Petry.
Darmstadt, 28. November 1910. (*29028

Todes-Anzeige.
(Statt jeder beſonderen Anzeige.)
Sonntag abend ½8 Uhr verſchied nach
kurzem, ſchwerem Leiden unſer innigſtgeliebtes
Töchterchen
(B23064
Margarete Horst.
Um ſtille Teilnahme bitten
Ludwig Horſt, Handelsgärtner,
und Frau.
Darmſtadt, den 28. November 1910.
Die Beerdigung findet am Mittwoch, nachmit=
tags
3 Uhr, auf dem Beſſunger Friedhof ſtatt.

Bankſagung.
Für die wohltuenden Beweiſe inniger Teil=
nahme
beim Hinſcheiden unſerer guten Mutter
dankt herzlich
(23028
im Namen der tieftrauernden Hinterbliebenen:
Forstmeister Koeniger.
Darmſtadt u. Laubach, im Nov. 1910.

Todes-Anzeige.
Heute entſchlief ſanft nach kurzem, ſchwerem
Leiden unſere liebe Mutter und Großmutter
Frau

im 78. Lebensjahre.
Darmſtadt, 27. November 1910.
Die trauernden Hinterbliebenen.
Die Beerdigung findet am Mittwoch, den
30. d. Mts., nachmittags 2 Uhr, auf dem ſtädt.
Friedhof ſtatt.
Es wird gebeten, von Blumenſpenden abſehen
zu wollen.
(23030

Bankſagung.
Für die vielen wohltuenden Beweiſe herz=
licher
Teilnahme bei dem Hinſcheiden unſeres un=
vergeßlichen
Gatten und Vaters
(23061
Herrn Max Fulda
ſagen wir unſeren innigſten Dank.
Die trauernden Hinterbliebenen.
Darmſtadt, November 1910.

Dankſagung.
Für die vielen Beweiſe herzlicher Teilnahme
bei dem ſchweren Verluſt, der uns betroffen hat,
ſagen wir unſeren innigſten Dank. Insbeſondere
danken wir Herrn Pfarrer Diehl für die troſtreiche
Grabrede.
(*29124
Darmſtadt, den 28. November 1910.
Die trauernden Hinterbliebenen:
Familie Lorenz. Andreas Kilian.

Dankſagung.
Für die Beweiſe herzlicher Teilnahme bei dem
uns ſo ſchwer getroffenen Verluſte ſagen wir
allen Verwandten und Bekannten unſeren tief=
gefühlteſten
Dank.
(*29076
Im Namen der trauernden Hinterbliebenen:
Frida Luy, geb. Heinbuch,
Paul Heinbuch, Assistent.
Darmſtadt, den 28. November 1910.

Amtlicher Wetterbericht.
Oeffentliche Wetterdienſtſtelle Gießen.
Verlauf der Witterung ſeit geſtern früh: Ueber dem
Kanal hat ſich ein intenſives Tief gebildet. Unter ſeinem
Einfluß ſind im Weſten Deutſchlands ergiebige Regen ge=
fallen
und Erwärmung iſt eingetreten. Da die Zyklone
langſam nach Oſten vordringt, ſind noch Niederſchläge zu
erwarten.
Ausſichten in Heſſen am Dienstag, 29. November:
Regenfälle, ſüdweſtliche Winde, wärmer.
Tageskalender.
Hoftheater, Anfang 7 Uhr (Ab. D): Taifun.
Vorſtell ung um 8¼ Uhr im Orpheum.
Lieder=Abend von Anna Schabbel=Zoder um 8 Uhr
in der Turnhalle am Woogsplatz (Richard Wagner=
Verein).
Vortrag des Evangeliſten Veller um 4 und 8½ Uhr=
Rheinſtraße 2.
Hauptverſammlung des Vereins Kunſtfreund um
8½ Uhr Grafenſtraße 18.
Verſammlung des Rabatt=Sparvereins um 9 Uhr
Grafenſtraße 18.
Konzert um 5 Uhr im Kölniſchen Hof.
Konzert um ½8 Uhr im Bürgerkeller.
Konzert um 8 Uhr im Hotel Heß.
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Verſteigerungskalender.
Mittwoch, 30. November.
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ſtraße
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Mobiliar= ꝛc. Verſteigerung um 11 Uhr Runde=
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Mobiliar= ꝛc. Verſteigerung um 3 Uhr in der
Ludwigshalle‟.
Druck und Verlag: L. C. Wittich’ſche Hofbuchdruckerei,
Verantwortlich für den politiſchen Teil, für Feuilleton,
Reich und Ausland: Dr. Otto Waldaeſtel; für den übrigen
redaktionellen Teil und Letzte Nachrichten: Max Streeſes
für den Inſeratenteil: J. Kroſt, ſämtlich in Darmſtadt.
Für den redaktionellen Teil beſtimmte Mitteilungen ſind
an die Redaktion des Tagblatts zu adreſſieren. Etwaige
Honorarforderungen ſind beizufügen; nachträgliche werden
nicht berückſichtigt. Unverlangte Manuſkripte werden nicht
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Kurſe vom 28. November 1910.
Mitgeteilt von Hermann Reichenbach.

Bf. Staatspapiere. Ir Proz.
4 Dſche. Reichsſchatzanw. 99,80
3½ Deutſche Reichsanl.. *2,30
83,70
do.
4 Preuß. Schatzanweiſg. 99.80
92,40
3½ do. Conſols .
83,70
§ do. do.
4 Bad. Staatsanleihe . . 100,50
93,50
do.
3½
do.
3
4 Bayr. Eiſenbahnanl. . 101,00
91,10
3½
do.
do.
81,40
4 Hamburger Staatsanl. 100,70
4 Heſſ. Staatsanleihe . . 100,70
do.
91,20
3½
do.
80,10
3 Sächſiſche Rente 82,70
4 Württemberger v. 1907 101,90
3½
do.
92,75
5 Bulgaren=Tabak=Anl. 100,60
1¾ Griechen v. 1887
3¾ Italiener Rente . . . 103,60
4½ Oeſterr. Silberrente . 97,00
4 do. Goldrente 98,50
4 do. einheitl. Rente 93,30
3 Portug. unif. Serie I 64,40
3 do. unif. Ser. III 67,00
3 do. Spezial. 11,50
5 Rumänier v. 1903 . . 101,90
do. v. 1890 . . 94,50
4 do. v. 1905 . . 90,00
4 Ruſſen v. 1880 . . . . 92,20

InProz.
Zf.
4 Ruſſen v. 1902 . 7 92,60
4½ do. v. 1905 . . . . 100,10
91,70
3½ Schweden . .
4 Serbier amort. v. 1895 83,60
4 Türk. Admin. v. 1903 86,70
4 do. unifiz. v. 1903 92,80
4 Ungar. Goldrente . . 93,40
do. Staatsrente . 91,80
5 Argentinier . . . .
do.
90,60

½ Chile Gold=Anleihe .
5 Chineſ. Staatsanleihe 101,90
98,40
do.
½
4½ Japaner . . . . . . . 97,70
5 Innere Mexikaner . . 98,60
do.
4 Gold=Mexikan. v. 1904 93,30
5 Gold=Mexikaner . . . 100,00
Aktien inländiſcher
Transportanſtalten.
4 Hamb.=Amerika= Paket=
fahrt
.
143,80
4 Nordd. Lloyd
4 Südd. Eiſenb.=Geſ. . . 122,40
Aktien ausländiſcher
Transportanſtalten.
4 Anatol. Eiſenb. 60%
Einz. Mk. 408
4 Baltimore & Ohio . .
4 Gotthardbahn . . ..

InProz.
Sf.
4 Oeſt.=Ungar. Staatsb. 160,25
4 Oeſt. Südbhn. (Lomb.) 21,90
4 Pennſylvania R. R.
Induſtrie=Aktien.
Mainzer Aktienbrauerei . 200,00
72,00
Werger=Brauerei
Bad. Anil.= u. Sodafabrik 500,00
Fabrik Griesheim . . . . 276,50
Farbwerk Höchſt
.543,50
Verein chem. Fabriken
Mannheim.
.338,50
Lahmeyer .
116,25
Schuckert.
158,75
Siemens & Halske . . . 248,25
Adlerfahrradwerke Kleyer 432,00
Bochumer Bb. u. Guß . .
Gelſenkirchen .
Harpener
186,75
Phönix, Bergb. u. Hütten=
betrieb
.
. 245,00
Prioritäts=
Obligationen.
3½ Südd. Eiſenb.=Geſ. . . 89,90
4 Pfälzer Prt..
.100,50
do.
91,30
3½
4 Eliſabeth., ſteuerpfl. . 99,50
do. ſteuerfrei . 97,75
5 Oeſterr. Staatsbahn. 105,30
do.
97,60
do. alte .
5
5 Oeſterr. Südbahn . . 99,20
4
do.
80,00
96
do.
20
56,50
Raab=Oedenburger . .
Ruſſ. Südweſt.
Kronpr. Rudolfbahn . 98,00

n Nry
57.
2%0 Livorneſer . . . . . . 73,70
Miſſouri=Pacific
Bagdadbahn Mk. 408
5 Anatoliſche Eiſenb. . . 99,00
5 Tehuantepec .
.. 100,40
Bank=Aktien.
4 Berliner Handelsgeſ.
4 Darmſtädter Bank 130,75
127,25
Deutſche Bank
Deutſche Vereinsbank 191,70
Diskonto=Geſellſchaft 127,25
Dresdner Bank . . 191,70
Mitteldeut. Kreditbk. 162,50
Nationalbk. f. Deutſchl. 130,70
105,10
Pfälzer Bank.
143,50
Reichsbank
Rhein. Kredit=Bank 138,75
4 Wiener Bank=Verein 139,30

Pfandbriefe.
4 Frankft. Hypoth.=Bank
S. 16 und 17
do. S. 19. . . . .
4 Frkf. Hyp.=Kreditverein
S. 1519, 2126
4 Hamb.=Hypoth.=Bank
do.
3½
4 Heſſ. Land.=Hyp.=Bk.
do.
3½,
4 Meining. Hyp.=Bank
do.
3½
4 Rhein. Hypoth.=Bank
(unk. 1917)
do. (unk. 1914)
4 Südd. Bd.=Kr.=Bk.=Pf.
29,
3½

100,00
91,80
99,20
100,00
90,50
101,40
91,90
100,60
90,75
99,60
90,20
100,35
91,20

In Proz.
Bf.
Städte=
Obligationen
4 Darmſtadt .
3½ do.
.101,00
4 Frankfurt
95,50
3½ do.
4 Gießen
3½ do.
4 Heidelberg
99,90
3½ do.
-
4 Karlsruhe
-
3½ do.
-
4 Magdeburg.
-
3½ do.
-
4 Mainz
3½ do.
4 Mannheim
3½ do.
4 München
101,00
3½ Nauheim
9.,80
4 Nürnberg
3½ do.
91,40
4 Offenbach .
3½ do.
4 Wiesbaden .
102,30
3½ do.
4 Worms .
. . . 100,10
3½ do.
4 Liſſaboner v. 1886. . 80,50
Verzinsliche
Anlehensloſe.
4 Badiſche Tlr. 100
3½ Cöln=Mindner 100 134,60
5 Donau=Reg. fl. 100
3 Hall. Komm. 100

In 3)
3f.
3 Madrider Fs. 100 76,60
4 Meining. Pr.=Pfand=
. 137,00
briefe.
4 Oeſterr. 1860er Loſe 176,75
3 Oldenburger
2½ Raab=Grazer fl. 150

Unverzinsliche
Anlehensloſe.
Augsburger
ſt. 7 37,60
Braunſchweiger Tlr. 20 210,50
Freiburger
Fs. 15
Mailänder
Fs. 45 150,00
do,
Fs. 10
Meininger
ſtl. 7 37,00
Oeſterreicher v. 4864 100 549,00
do. v. 1858 100 449,00
Ungar. Staats 100 385,00
Frs. 30
Venediger
Türkiſche
§ 400 179,80
Gold, Silber und
Banknoten.
Engl. Sovereigns . . . . 20,42
20 Franks=Stücke . . . . 16,16
Oeſterr. 20=Kronen . . . . 16,90
Amerikaniſche Noten . . . 4,191)
Engliſche Noten .
20,48
Franzöſiſche Noten .
81,00
Holländiſche Noten .
169,20
Italieniſche Noten
80,75
Oeſterr.=Ungariſche Noten 85,00
Ruſſiſche Noten . . . . .
Schweizer Noten .
80,90

Reichsbank=Diskonto . . .
eichsbank=Lombard 82f.

5%
6%

[ ][  ][ ]

Nummer 280.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 29. November 1910.

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[ ][  ][ ]

Seite 8.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 29. November 1910.

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Roman von K. v. d. Eider.
(Nachdruck verboten.)
20)
Ende September kehrte Iven aus Heiſterneſt zurück.
Er ſah verhältnismäßig wohl aus; die Arbeit hatte ihn
gekräftigt. Voller Freude eilte ihm die Mutter entgegen;
aber ſeine Blicke flogen ſchon ſuchend voraus, als er noch
ihre Hand hielt.
Iven trat in ſeine Stube. Mit einem einzigen Blick
überſah er, daß hier nicht Antjes Hand gewaltet hatte.
Seine Bücher lagen durcheinander. Trübſelig hockte der
Vogel auf ſeiner Stange. Als Iven herzutrat, flatterte
er gegen die Stäbe des Käfigs und ſeine weißgelben
Federchen flogen umher. Er trat ans Fenſter. Da ſtan=
den
ſeine Kakteen in ihren roten Töpfchen und ſahen ſchier
verhutzelt aus; die Erde war ganz trocken. Ein Seufzer
entrang ſich der Bruſt des jungen Mannes. Wo war ſie,
die hohe, feine Magd aus Grafengeſchlecht?
Als er in der Wohnſtube beim Kaffee ſaß, hielt er
nicht länger an ſich. Wo iſt Antje? fragte er.
Die Mutter zog die Schultern hoch und machte eine
abwehrende Miene. Sie iſt fort, ſagte ſie in hartem Tone,
ſie führte einen zu unmoraliſchen Lebenswandel.
Iven ſah ſie mit hilfloſer Miene an. Er konnte ſich
offenbar gar nicht denken, was ſeine Mutter unter un=
moraliſchem
Lebenswandel verſtand.
Sie mußte fort, erklärte Frau Anderſen. Wir konn=
ten
ſie nicht=länger behalten, der Leute wegen.

Iven verſtand noch immer nicht. Frau Anderſen
mußte ganz deutlich werden; da begriff er endlich. Große
Tränen rollten über ſeine Wangen; er drehte ſich um und
verließ das Zimmer.
Auf ſeiner Stube angelangt, ſtützte er den Kopf in
beide Hände und weinte wie ein Kind, das den erſten
tiefen Schmerz nicht überwinden kann. Es wurde däm=
merig
; er fühlte noch kein Bedürfnis, ſein ſtilles Zimmer
zu verlaſſen.
Rolf trat zu ihm herein mit feſtem, lautem Schritt.
Ich möchte mit Dir ſprechen! Ernſt und laut ſprach er
dieſe Worte, wie ein Mann zum Manne ſpricht.
Was willſt Du? fragte Iven müden Tones.
Wie ſtehſt Du mit Antje Möller?
Antje! Wie ein Schrei klang es aus des andern
Mund. Rolf hatte gar zu rückſichtslos den Verband von
der friſchen Wunde geriſſen.
Iven ſchluchzte herzzerbrechend. O, Antje, meine
Antje! Vor dieſem heftigen Schmerzensausbruch ſtand
Rolf betroffen ſtill. Das väterliche, liebevolle Gefühl, das
er immer dem jüngeren Bruder gegenüber empfunden
hatte, machte ſich auch jetzt wieder geltend. Er umfaßte
die ſchmalen Schultern des andern und ſuchte ihn zu
tröſten. Sei ſtill, mein Junge, weine doch nicht ſo. Nie
wieder ſoll der Name über unſere Lippen kommen, ſie ſoll
nicht zwiſchen uns treten.
Das Schluchzen des Mannes ging in ein leiſes Wei=
nen
über. Rolf ſaß neben ihm und hielt ſeine Hand.
Immer ſtiller wurde das Weinen, jetzt ließ es ganz nach.

Rolf blickte ihm ins Geſicht; er war eingeſchlafen. Da
ließ er die Hand ſachte los, ſchob ihm ein Kiſſen unter
den Kopf und verließ, auf Zehenſpitzen gehend, das Zim=
mer
. Von dieſer Zeit an durfte Antjes Name auf Reth=
wiſchhof
nicht mehr genannt werden.
Es wurde ein trübſeliger, langweiliger Winter. Die
neue Binnendeern war ſauertöpfig und langſam. Heie
Rehm kündigte zum zwölften Mai. Ob es an ſeinen
Grillen oder an der ſchlechten Laune des Herrn lag, ſie
wurden nicht mehr miteinander fertig.
Still war es auf Rethwiſchhof geworden. In der
Leuteſtube ſaßen alle ſchläfrig beieinander und in der
Wohnſtube hörte man kaum ein Wort. Frau Anderſen
klagte mehr als je über ihren Magen. Ueberall fehlte die
Luſt zum Reden; zwiſchen ihnen ſtand ein Name, der nicht
ausgeſprochen werden durfte. Ein einziges Mal fragte
Iven die Mutter ſchüchtern, ob für Antje geſorgt ſei.
Du kannſt Dich darauf verlaſſen, antwortete Frau Ander=
ſen
, wir ſind ihr nichts ſchuldig.
Zwiſchen den Brüdern wurde ihr Name nicht mehr
erwähnt. Eine Familienfeſtlichkeit unterbrach die Winter=
langeweile
: Ingeborg Jeſſen verlobte ſich mit dem dicken
Timm Thedens, dem Wirt vom Kringelkrug. Er war
nicht mehr jung, aber reich, und da er infolge ſeines
ſchweren Körpers zu Schlagflüſſen neigte, hoffte ſie, ihn
um viele Jahre zu überleben.
Es war eine luſtige Verlobung; denn an Rum und
Wein zum Punſch wurde nicht geſpart. Ingeborg hatte
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Wirkung oder Zufall?
Dr. N. . . . .
Diesmal kann ich Ihnen einen unzweifelhaften Erfolg Ihrer
(2. Zuschrift.) Carolaquelle zu meiner und der betreffenden Patientin grossen
M. . . . . ., 31. 7.08. Freude mitteilen. Beweis liegt bei; wie Patientin sagt, einer
der grössten Steine von zahlreichen kleineren. Es handelte
sich um eine Nierensteinkolik; ich liess Ihre Carolaquelle
trinken, 10 Flaschen und mit diesem guten Resultat . . .
Kann mir nicht versagen, Ihnen wieder einen prompten Er-
folg
(Steinchen liegen bei; bitte zurück) zu melden. Gestern
M. . . . . .. 15. 11.08. früh 5 Uhr zu einem Patienten gerufen. Heftigste Schmerzen
in der rechten Nierengegend. Diagnose: Nierensteinkolik.
Lasse gestern 2 Flaschen Carola trinken, heute nachmittag
zeigt mir Patient sehr vergnügt 2 Steinchen. So rasch ist’s noch
nie gegangen! sagte er und geht morgen wieder in den Beruf.
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was zu ihrem blühenden Geſicht und dem roſtblonden
Haar gut paßte.
Nicht lange nach der Verlobung wurde die Hochzeit
im Frühjahr gefeiert. Iven wohnte dieſer nicht mehr bei;
er war ganz nach Heiſterneſt übergeſiedelt und hatte dies=
mal
den Kanarienvogel und alle Bücher mitgenommen.
Die Kakteen wurden auf den Dünger geworfen, wo die
Hühner ſich dem Anſchein nach über ihre Eigenart höch=
lichſt
wunderten. Sie waren total vertrocknet.
Frau Anderſen wurde immer grämlicher. Im Stillen
ſchrieb ſie es nur Antje zu, daß ſie ſo ſehr am Magen
litt, daß Rolf ſich die nette Perſon hatte aus der Naſe
gehen laſſen und daß Iven nun allein auf dem gottver=
laſſenen
Heiſterneſt ſaß.
VI.
Das Häuschen des Tauſendkünſtlers Dreesohm lag
auf der Armenleuteſeite von Immſtedt, gegenüber von
der reichen Reihe, einer Reihe ſtattlicher Häuſer, die ein=
ander
ähnlich ſahen wie ein rotbrauner Ochſe dem an=
dern
, da die wohlhabenden Bürger Immſtedts einander
in Aeußerlichkeiten nicht gern etwas nachgaben.
Die ſogenannten kleinen Leute nahmen es mit der
Gleichmäßigkeit nicht ſo genau. Da war ein Häuschen
etwas breiter, das andere einen Fuß höher. Dieſes hatte
eine blaue Lukentür, jenes eine grüne, und die Fenſter=
kreuze
harmonierten nicht einmal mit den Türen. Aber
mit Reth gedeckt waren ſie alle, und das Moos ſetzte ſich
auf ihr Rethdach ebenſo wie auf die Pfanndächer der
reichen Reihe. Schief waren die Häuschen auch alle. Sie
hatten einen und denſelben Baumeiſter, den Maurer
Georg Buddel, der oft tiefer in die Kümmelflaſche guckte,
als zu einer geraden Mauer dienlich war.

Dreesohms Haus war entſchieden das kleinſte von
allen; als ob es bei ſeinem Bau an allem gemangelt
hätte.
Die Kleinheit des Hauſes war aber gerade ſein Vor=
zug
, wie Dreesohm jedem, der es hören wollte, haarklein
bewies. Ein großes Haus, eine große Sorge; ein kleines
Haus, eine kleine Sorge. Und Dreesohm hatte eigentlich
gar keine Sorgen, weil das Haus nicht ſein eigen war.
Er brauchte weder Grundſteuer noch Brandkaſſengeld zu
bezahlen. Selbſt die Reparaturen mußte die Gemeinde
tragen.
Hübſch warm war es in dem Häuschen; man ſparte
an Holz und Torf. Dann war es auch ſehr bequem; nur
drei Schritte brauchte man von der Stube nach der Küche
und drei Schritte wieder zurück. Wollte man mit den
Nachbarsleuten ſprechen, brauchte man nur über die Diele
zu gehen; das war gewiß nicht zu unterſchätzen. Das
Beſte aber war, daß kein Einbrecher jemals auf den Ge=
danken
kommen konnte, ſich das Haus von innen anzu=
ſehen
, und daß ſeine jeweiligen Bewohner nie vom Hoch=
mutsteufel
geplagt wurden.
Ja, wenn man Dreesohm hörte, mußte man glauben,
daß das Haus nur nach ſeinem Wunſche ſo gebaut worden
wäre.
Dreesohm verſtand es wie wenige, den Honig ſelbſt
aus der unſcheinbarſten Blüte hervorzuholen. Er war
nicht allein ein Tauſendkünſtler wegen der geſchickten klei=
nen
Reparaturen, die er machte, er war es vielmehr wegen
der tauſenderlei Künſte, mit denen er aus dem Leben
überall das Gute und Schöne hervorlockte. Wie es nur
ein Mutterherz verſteht, aus einem Schmerzensbett eine

Glückswiege zu zimmern, ſo hatte er bald aus Antjes
trauriger Heimkehr ein großes Glück gedreht.
Es war die höchſte Zeit, daß Du kamſt, Deern, ſagte
er, als ſie ihm mit tränenbenetztem Geſicht gegenüber ſaß.
Ich hätte es nicht lange mehr allein gemacht; wenn man
ſo ſeine ſechzig auf dem Buckel hat, kann einem leicht mal
was ankommen. Mit dem Drechſeln und Kitten und Klü=
tern
langt es knapp zu Kartoffeln und Speckſtippels. Die
neuen Sachen werden alle Tage billiger; es verlohnt ſich
kaum mehr, nen alten Topf zu kitten. Das iſt die Neu=
zeit
! Ja, es iſt eine ſchlechte Sache, auf anderer Leute
ihr Malheur zu ſpekulieren. Was nun werden ſoll? Mit=
Deinen zweihundert Talern fängſt Du einen Kramhandel
an. Das ernährt Dich auch, wenn ich nicht mehr da bin.
Ich klütere Dir einen kleinen Laden zuſammen und
ſchleppe Dir alles heran, und dann ſollſt Du mal ſehen,
wie das Spielwerk gehen wird. Das reiche Ende wird
Dir wohl nicht die Tür einlaufen, die kaufen bei Kauf=
mann
Michelſen an der Ecke; da iſt die Tür größer. Aber=
die
kleinen Leute werden Dir ſchon kommen. Sollſt mal
ſehen die Karre geht! Nebenbei kannſt Du ja noch ein
bißchen nähen; und ich laſſe auch keinen vorbeigehen, der
mir etwas zu flicken bringt. So biſt Du wenigſtens Dein
eigener Herr und es hat Dir keiner etwas zu ſagen.
Antje ſeufzte. Ach, wenn es nur ſchon überſtanden
wäre; ich habe ſchreckliche Angſt.
In dieſem Augenblick trafen ihre Blicke den Wand=
ſpruch
. Hoffnung, ſchimmerte es ihr entgegen, wie
ein tröſtender Zuruf. Sie klammerte ſich an das Wort=
und faßte friſchen Mut.
(Fortſetzung folat.)

[ ][  ][ ]

Amtsverkündigungsblatt des Großh. Kreisamts Darmſtadt.

7 10.

Dienstag, 29. November.

1910.

Polizei=Verordnung,
das Rodeln im Kreiſe Darmſtadt betreffend.
Auf Grund des Art. 78 der Kreis= und Provinziglordnung vom 12. Juni 1874
wird nach Zuſtimmung des Kreis=Ausſchuſſes für den Kreis Darmſtadt mit Geneh=
migung
des Großherzoglichen Miniſteriums des Innern vom 21. November 1910 zu
Nr. M. d. J. 19 190 verordnet, was folgt:
§ 1. Auf allen Rodelbahnen im Kreiſe Darmſtadt dürfen nur Rodelſchlitten,
die mit höchſtens zwei Perſonen beſetzt ſind, benutzt werden. Bobleighs ſind
unbedingt ausgeſchloſſen. Ebenſo iſt das Aneinanderhängen mehrerer und das
Benutzen ſchadhafter Rodelſchlitten verboten.
§ 2. Das Rodeln auf ſämtlichen Kreisſtraßen des Kreiſes, ſowie das
Kreuzen chauſſierter Fahrbahnen mit Rodelſchlitten iſt verboten.
Weitere Verbote können von Großh. Kreisamt oder Großh. Polizeiamt Darm=

werden. Die Bekannimachung ſolcher Verbole erfolgt im
Amtsverkündigungsblatt.
§ 3. Innerhalb der Stadt Darmſtadt und der Ortſchaften des Kreiſes iſt
das Rodeln auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, insbeſondere auf deren
Fußſteigen gänzlich verboten.
§ 4. Zuwiderhandlungen gegen dieſe Vorſchriften werden, ſofern nicht nach an=
deren
Strafbeſtimmungen eine höhere Strafe verwirkt iſt, mit Geldſtrafe bis zu 30 Mark
beſtraft. Desgleichen werden Eltern, Vormünder oder andere Perſonen, deren Aufſicht
Kinder unter 12 Jahren anvertraut ſind, auf Grund des Art. 44 des Heſſ. Polizeiſtraf=
geſetzes
wegen Zuwiderhandlungen ihrer Pflegebefohlenen zur Verantwortung gezogen,
falls ſie es an der erforderlichen Aufſicht haben fehlen laſſen.
§ 5. Dieſe Polizei=Verordnung tritt mit dem Tage der Veröffentlichung in Kraft.
Darmſtadt, den 28. November 1910.
(23055
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
Fey.

Amtliche Nachrichten des Großherzoglichen Polizeiamts Darmſtadt.
Polizeilich eingefangene und zugelaufene Hunde.
In polizeilicher Verwahrung und Pflege in der Hofreite Beſſungerſtr. Nr. 56 be=
finden
ſich: 1 Spitzhund, 4 Pinſcher.
Die Hunde können von den Eigentümern bei dem 5. Polizei=Revier ausgelöſt
werden. Die Verſteigerung der nicht ausgelöſten Hunde findet dortſelbſt jeden Werk=
tag
. vormittaas um 10 Uhr, ſtatt.

Bekanntmachung.
Indem wir die nachſtehende Polizeiverordnung erneut veröffentlichen, empfehlen
wir allen Grundſtücksbeſitzern, die mit der Erfüllung der in den §§ 1 und 3 dieſer
Polizeiverordnung feſtgeſetzten Verpflichtungen eine andere Perſon beauftragt haben oder
dies zu tun beabſichtigen, die beauſtragte Perſon, Geſellſchaft oder Anſtalt alsbald ge=
mäß
§ 8 namhaft zu machen. Zur Entgegennahme ſolcher mündlicher oder ſchrift=
licher
Erklärungen iſt außer uns auch das zuſtändige Polizeirevier befugt. Im
Intereſſe der Grundbeſitzer liegt es, ſelbſt dafür zu ſorgen, daß möglichſt gleichzeitig mit
dieſen Erklärungen auch die Bereiterklärungen der verantwortlichen Vertreter eingehen.
Darmſtadt, den 26. November 1910.
Großherzogliches Polizeiamt Darmſtadt.
J. V.: Lauteſchläger.

Polizeiverordnung,

die Reinigung der Straßen betreffend.
Auf Grund des Artikel 56 Abſ. 2 Ziffer 1 des Geſetzes, die Städteordnung für
das Großherzogtum Heſſen betreffend, vom 13. Junk 1874, wird nach Anhörung der
Stadtverordnetenverſammlung der Haupt= und Reſidenzſtadt Darmſtadt mit Geneh=
migung
des Großherzoglichen Miniſteriums des Innern vom 9. Dezember 1908 zu
Nr. M. d. J. 20529 die nachſtehende Polizeiverordnung erlaſſen:
§ 1.
Die allgemeine Reinigung der Straßen liegt den Beſitzern (unmittelbaren und
mittelbaren §§ 854 ff. B. G. B. ) der angrenzenden Grundſtücke ob, ſoweit nicht
die ſtädtiſche Reinigungsanſtalt gemäß den Beſtimmungen des Statuts vom 14. Sep=
tember
1956 betreffend: Die Reinigung der Straßen und öffentlichen Pläßze in der
Haupt= und Reſidensſtadt Darmſtadt die Reinigung übernommen hat. Die Pflicht
zur Reinigung erſtreckt ſich nur auf den Teil der Straße der an dem Grundſtücke des
Verpflichteten herzieht, und nicht über die Mitte der Straße hinaus. Sind mehrere
Beſitzer vorhanden, ſo trifft, jeden die volle Verantwortlichkeit; ein Mieter oder Pächter
iſt jedoch nur dann als Beſitzer im Sinne dieſer Verordnung anzuſehen, wenn er allein
das betreffende Grundſtück benutzt
Iſt eine Geſellſchaft, Gewerkſchaft, Genoſſenſchaft, Stiftung, ein Verein oder eine
Anſtalt oder eine ſonſtige juriſtiſche Perſon Beſitzer des Grundſtücks, ſo liegt die Ver=
pflichtung
zur Reinigung den Mitgliedern des Vorſtands ob; bei Grundſtücken, die ſich
im Beſitze oder in der Verwaltung einer ſtaatlichen oder kommunalen Behörde befinden,
trifft die Verpflichtung den Vorſtand dieſer Behörde. Der Inhaber einer Dienſt=
wohnung
ſteht einem Mieter gleich.
Auf die Abfuhr des Hauskehrichts finden die Beſtimmungen der Abſ. 1 und 2
entſprechende Anwendung. Die Kehrichtgefäße ſind von den Grundſtücksbeſitzern zur
Abholung des Kehrichts durch die Straßenreinigungsanſtalt bereit zu halten, ſie dürfen
aber nicht auf der Straße aufgeſtellt werden.
§ 2.
Jede Verunreinigung der Straßen, insbeſondere auch durch Fuhrleute beim
Fahren von Bauſchutt, Dung, Sand, Lehm, Erde und anderem loſen Material iſt
verboten.
Jede Zuwiderhandlung bedingt, abgeſehen von der verwirkten Strafe, die Ver=
pflichtung
zur ſofortigen Reinigung der Straße.
§ 3.
Den Grundſtücksbeſitzern liegen außerdem bezüglich der Reinigung der Fußſteige
von Eis und Schnee folgende Verpflichtungen ob:
1. Die Fußſteige, gleichviel ob befeſtigt oder nicht, ſind in ihrer ganzen Breite bis
zum Rande der Fahrbahn, und Fußſteige von größerer Breite auf mindeſtens
3 Meter in der meiſtbegangenen Fläche ſtets von Schne und Eis freizuhalten.
Der über Nacht gefallene Schne iſt bis ſpäteſtens 8 Uhr morgens abzuräumen.
Iſt wegen andauernden ſtarken Schneefalls die völlige Freihaltung nicht
möglich, ſo muß die Abräumung in der Zeit von 8 Uhr morgens bis 8 Uhr
abends mindeſtens alle drei Stunden erfolgen. Der von den Fußſteigen ab=
geräumte
Schnee iſt auf der Fahrbahn tunlichſt nahe dem Rande derſelben zu
lagern, wobei Straßenrinnen, Straßenbahngleiſe, ſowie Hydranten und, falls
anderweit Platz vorhanden iſt, Straßenecken, Straßenausgänge und Haus=
eingänge
freizuhalten ſind.
Das Lagern von Schnee, welcher von Hofreiten abgeräumt wurde, iſt auf
den Straßen und Plätzen unterſagt.
2. Sofern auf den Fußſteigen Glatteis oder infolge andauernden Schneefalls,
Froſteinwirkung oder aus anderen Urſachen eine gefährlich zu begehende Schne=
decke
oder Schnee= und Eisbuckel ſich gebildet haben, oder die Fußſteige ſonſtwie
ſchwer zu begehen ſind, müſſen dieſe in einer Breite von 1,50 Meter mit Sand,
Kies, Sägeſpänen oder ſonſt geeignetem Streumaterial ausgiebig beſtreut werden.
Das Aufſtreuen iſt zu wiederholen, ſobald auf den Fußſteigen wieder glatte Stellen
entſtanden ſind. Dieſe Verpflichtung erſtreckt ſich auf die Zeit von morgens
7½ Uhr bis abends 8 Uhr.
Das Aufſtreuen von Abfällen oder ſonſt ungeeignetem Streumaterial iſt
verboten.
§ 4.
Beſchädigungen der Straße bei der Reinigung ſind ſorgfältig zu vermeiden ins=
Lſondere iſt es verboten, bei Reinigung der Fußſteige ſcharfe Geräte, wie Beile, Pickel,
Stoßeiſen und dergleichen zur Entfernung des Schnees oder Eiſes zu verwenden.
§ 5.
Bei Froſtwetter iſt das Ausſchütten von Flüſſigkeiten in die Straßenrinnen
unterſagt.
§ 6.
Bei Froſtwetter iſt das Schleifenziehen auf den Fußſteigen verboten.
§ 7.
Das Schneeballwerfen mit naſſem oder verunreinigtem Schnee iſt verboten.
§ 8.
Der Beſitzer eines Grundſtücks kann mit der Erfüllung der in den §§ 1 und 3
feſtgeſetzten Verpflichtungen eine andere Perſon, wie z. B. einen Hausverwalter oder
eine Geſellſchaft oder Anſtalt, die ſich die Reinigung von Straßen zur Aufgabe geſtellt
hat, beauftragen. Die Beauftragten, bei Geſellſchaften oder Anſtalten deren Vorſtands=
mitglieder
, ſind für die Einhaltung der Vorſchriften ausſchließlich verantwortlich, wenn
die beauftragte Perſon, Geſellſchaft oder Anſtalt dem Polizeiamte als verantwortliche
Vertreter durch den Grundſtücksbeſitzer ausdrücklich namhaft gemacht worden ſind, dieſe1
zur Uebernahme der Verpflichtung ſich bereit erklärt haben und das Polizeiamt binnen
einer Friſt von 14 Tagen nach erfolgter Namhaftmachung Einſpruch gegen die Ver=
tretung
nicht erhoben hat.
Mehrere Beſitzer eines Grundſtücks können nach Maßgabe der Vorſchriften des
Abſatz 1 die Erfüllung der Verpflichtungen auf einen von ihnen übertragen.
§ 9.
Zuwiderhandlungen gegen dieſe Verordnung werden auf Grund des § 366 Poſ. 10
des Reichsſtrafgeſetzbuchs mit Geldſtrafe bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu
14 Tagen beſtraft.

(35
Dieſe Verordnung tritt mit dem Tag der Veröffentlichung in Kraft.
Mit dem gleichen Tage wird das Polizeireglement vom 8. November 1856 auf=
gehoben
.
Darmſtadt, den 9. Januar 1909.
Großherzogliches Polizeiamt Darmſtadt.
Dr. Kranzbühler.
(2299aol

Bekanntmachung,
betreffend das Rodeln in der Gemarkung Darmſtadt.
Mit Rückſicht auf die im heutigen Amtsverkündigungsblatt bekannt gegebene
Polizeiverordnung des Großherzoglichen Kreisamts Darmſtadt vom 28. November
ds. Js., betreffend das Rodeln im Kreiſe Darmſtadt, werden die von uns unterm
26. ds. Mts. erlaſſenen Anordnungen über den Rodelſport aufgehoben.
Darmſtadt, den 29. November 1910.
Großherzogliches Polizeiamt Darmſtadt.
(23060
I. V.: Lauteſchläger.

Entlerung von Aborigenben.
Der geſamte Betrieb der ſtädtiſchen Abfuhranſtalt iſt mit Wirkung vom
1. Dezember 1910 ab dem Fuhrunternehmer Karl Bauer, Nieder=Ramſtädter
Straße 100, vertraglich übertragen worden.
Anträge auf Entleerung von Gruben und Geſuche um Ueberlaſſung von Fäkalien
ſind für die Folge direkt an den Unternehmer zu richten. Derſelbe iſt berechtigt, die
ſeither von der Stadt erhobenen Gebühren für eigene Rechnung zu erheben, und zwar:
a) für Abholen eines Faſſes (1500 1) gewäſſerte Jauche 10 Mk.
ungewäſſerte Jauche 1 Mk. 80 Pf.,
30 Pf.
b) für abgegebene Jauche für 1 hI
Darmſtadt, den 24. November 1910.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Darmſtadt.
23059imd)
I. V.: Jäger.

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zwangsweiſe verſteigert.
Die Verſteigerung der fettgedruckten Gegenſtände findet beſtimmt ſtatt.
Berbert, Großh. Gerichtsvollzieher,
Georgenſtraße 11, I.
23083)

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Mittwoch, den 30. November 1910, nachmittags 3 Uhr,
verſteigere ich im Verſteigerungslokale Zur Ludwigshalle (Obergaſſe) öffentlich
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tiſch
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Partie Geſchäftsbücher, 1 Polyphon u. a. m.
(23075
Die Verſteigerung der in Fettdruck aufgeführten Sachen findet vorausſichtlich
beſtimmt ſtatt.
Darmſtadt, den 28. November 1910.
Kapp, Großh. Gerichtsvollzieher,
Friedrichſtraße 24, I.

Bekanntmachung.
Der Voranſchlag der Gemeinde Meſſel für 1911 Rj. liegt vom 3. bis ein=
ſchließlich
10. Dezember 1910 auf dem Bürgermeiſterei=Bureau zur Einſicht der Inter=
eſſenten
offen.
(23027
Meſſel, den 28. November 1910.
Großherzogliche Bürgermeiſterei.
Hickler.

Steuer=Erhebung.
Das 3. und 4. Ziel der Gemeinde=
ſteuern
für das Rechnungsjahr 1910 iſt,
bei Vermeidung der Mahnung, bis Ende
dieſes Monats an den Werktagen, vor=
mittags
von 8½ bis 12½ Uhr, hierher zu
entrichten.
Im Intereſſe raſcheſter Abfertigung
an den Zahlſchaltern wird gebeten, die
Gelder abgezählt bereit zu halten.
Darmſtadt, den 11. November 1910.
Die Stadtkaſſe.
Koch.
(22133a

Schulgeld-Erhebung.
Das Schulgeld für das Großh. Real=
gymnaſium
und deſſen Vorſchule, die
Großh. Ober=Realſchule, die Vorſchule
der Großh. Gymnaſien, die Viktoriaſchule,
das Lehrerinnenſeminar, die höhere Töch=
terſchule
(vormals Reineck) und die Mittel=
ſchulen
für das IV. Kalender=Vierteljahr
1910 iſt, bei Vermeidung der Mahnung,
bis Ende ds. Mts. an den Werktagen,
vormittags von 8½ bis 12½ Uhr, hierher
zu entrichten.
(22135a
Darmſtadt, den 11. November 1910.
Die Stadtkaſſe.
Koch.

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tauſchen geſucht. Offerten unter N 7 an
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Glaſerarbeiten.
Die bei Errichtung einer Hilfsſchule in
der Stiftſtraße vorkommenden Glaſerarbei=
ten
ſollen vergeben werden.
Arbeitsbeſchreibungen und Bedingungen
liegen bei dem unterzeichneten Amte, Grafen=
ſtraße
Nr. 30, Zimmer Nr. 9, während der
Dienſtſtunden offen, woſelbſt auch die An=
gebotsſcheine
abgegeben werden.
Angebote ſind bis
Donnerstag, den 8. Dezember 1910
vormittags 10 Uhr,
bei unterzeichneter Stelle einzureichen.
Darmſtadt, am 24. November 1910.
Stadtbauamt.
Buxbaum.
(22960oi

Holzgeld.

Die Zahlung der rückſtändigen Beträge
für im Holzerntejahr 190010 erſteigertes
Holz aus den Waldungen der Stadt Darm=
ſtadt
hat bei Vermeidung des Mahn= und
Pfändungsverfahrens bis längſtens Ende
November 1910 an den Werktagen, vor=
mittags
von 8½ bis 12½ Uhr, hierher zu
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Darmſtadt, den 11. November 1910.
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[ ][  ][ ]

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 29. November 1910

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Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 29. November 1910.

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Nommer 280

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 29. November 1910.

Seite 15.

Saulbäamheater
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Samstagund Sonntag,
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2. Akt: Im Palazzo Farnese
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Die Direktion
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angeſetzte
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Morenor-Konzert
im grossen Saale der Turngemeinde am Woogsplatz
mußte auf
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Samstag, den 10. Dezember 1910
abends 8 Uhr,
verlegt werden.

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Heute u. Leterte morgen Dienstag 2 29. Nov. Mittwoch Tage: 30. Nov.

Kichard Wasler Stipendien-Stitai

Ortsausschuss Darmstadt.
Zum Besten der Stiftungs
Donnerstag, den 1. Dezember 1910, abends 8 Uhr,
im grossen Saal des Kaisersaais‟
Vortrag von Henry Thode
über
Hans Thoma und seine Kunst
(mit Lichtbildern)
unter freundlicher Mitwirkung der Violinvirtuosin Fräulein Hertha
Tegner aus Kopenhagen.
Programm: 1. Richard Wagner: Walthers Preislied aus den Meistersingern von
Nürnberg‟. Paraphrase von August Wilhelmy. 2. Vortrag: Hans Thoma
und seine Kunst 3. Vortrag: Tomaso Vitali: Chaconne. 4. Werke Hans
Thomas in Lichtbildern.
Am Klavier: Fräulein Marie Schwan von hier.
Der Konzertflügel von Schiedmayer, Hofpianofortefabrik in Stuttgart, ist aus
dem Lager des Herrn Hoflieferanten Heinrich Arnold, Mühlstrasse 13.
Eintrittskarten: Sperrsitzplätze zu Mk. 3., Saalkarten zu Mk. 2., Vorsaal-
karten
zu Mk. 1. Galeriekarten (rechts) zu Mk. 1., Studentenkarten und Schüler-
karten
zu Mk. .75, zu Mk. .50 sind im Büro des Verkehrsvereins, sowie abends
an der Kasse zu haben.
Die Mitglieder des Richard Wagner-Vereins erhalten zu obigem Abende Sperrsitz-
karten
zum ermässigten Preise von Mk. 1.50 und Saalkarten-zu Mk. 1.-
(23081

Wohlangkens=Konzer
zum Beſtendes Chriſtl. Vereinsjunger Männer,Wartburg
am Mittwoch, den 30. November, abends 8¼ Uhr.
Mitwirkende: Frau Kammerſänger Weber (Sopran), Herr Hofopernſänger Hoff
(Baß), Herr Bruno Stumpf (Violine), ſowie der evangeliſche Gemeindegeſang=
verein
der Stadtgemeinde (Dirig. Herr Kapellmeiſter Landwich).
Karten zu 1.50 Mk., 1 Mk. und 50 Pfg. ſind zu haben im Verkehrsbureau, in der
Hofmuſikalienhandlung von Thies und abends an der Kaſſe.
(23070

Mittwoch den 30. November, abends ½9 Uhr,
findet in der St. Eliſabethenkirche ein

(23078

apologetischer Vortrag ſtatt.
Thema: Das übernatürliche Leben der Seele‟

Chriſtliche Gemeinſchaft Immannel (C. 2.
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zu den Vorträgen des Evangeliſten der deutſchen Zeltmiſſion
Herrn W. Veller aus Barmen.
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Jeden nachmittag 4 Uhr (außer Samstag): Bibelſtunde.
Jeden abend 8½ Uhr, Sonntags 8¼ Uhr, Evangeliſation.
Eintritt frei für jedermann!
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Mittwoch, den 30. November 1910, abends 8½ Uhr

im Gartenſaal der Brauerei Zur Krone‟. (230
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Mittwoch, den 30. November 1910
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Dienstag, den 29. November 1910.
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Abonnement D 18.
Auf Allerhöchſten Befehl.
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Toyu Yoshikawa
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Jyeyaſu Kobayashi
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Dr. Sheikwa Omayi . Hr. Jürgas
Yoshi Yotomo
Dr. Kigin Kitamaru . . Hr. Schwarze
. Hr.
Nankwaku Hatori
. Hr.
Anzai Yamoshi .
. Hr.
Raſan Amamari.
Naokata Miyake
. Hr.
Dr. Theodore Dupont,
.Hr.
Profeſſor .
Frl.
Frau Dupont
Charles Renard=Bninsky,
. Hr.
Schriftſteller .
Heléne Laroche
Thereſe Meunier .
Frl.
Georges Pontac, Diener
bei Tokeramo
. . Hr.
Gerichtspräſident.
Staatsanwalt . . . . . Hr.
. Hr.
Verteidiger . .
.. Hr.
Dolmetſch
Schriftführer
.Hr.
Ein Geſchworener . . . Hr.
Gerichtsdiener . . . . . Hr.

Weſtermann
Wagner
Heinz
Hr. Schneider
Hr. Speiſer
Unruh
Indorf
Salomon
Jungmann
Jordan
Wisthaler
Lehrmann
Frl. Oſter
Gothe
. Hr. Kroczak
Riechmann
Hacker
Semler
Knispel
Klotz
Ungibauer
Geibel

Nach dem 2. Akte findet eine längere
Pauſe ſtatt.
Krank: Frl. Howard.
Preiſe der Plätze:
Proſzeniumsloge 6 Mk., Fremdenloge 6 Mk.,
Balkonloge 5 Mk., 1. Rang 4.50 Mk., 2. Rang
(1. bis 6. Reihe) 2.50 Mk., (7. und 8. Reihe)
2. Mk., Sperrſitz (1. bis 13. Reihe) 4. Mk.,
(14. bis 20. Reihe) 3.20 Mk., Parterre (1. bis
5. Reihe) 2.70 Mk., (6. bis 8. Reihe) 2.20 Mk.,
1. Galerie 1.20 Mk., 2. Galerie 60 Pfg.
Kartenverkauf von 11 bis 1 Uhr und von
6 Uhr an.
Anfang 7 Uhr. Ende 10¼ Uhr.
Vorverkauf
von 111 Uhr für die Vorſtellungen:
Mittwoch, 30. Nov. 67. (ſtatt 68.) Ab.=
Vorſt. B 16. Prima-Ballerina.
Große Preiſe. Anfang 7 Uhr.
Donnerstag, 1. Dez. 69. Ab.=Vorſtell.
A 18.: SLa Traviatac. Große Preiſe.
Anfang 7 Uhr.
Freitag, 2. Dez. 70. Ab.=Vorſtell. B 17.
Neu einſtudiert: Antigone. Kleine
Preiſe. Anfang 7 Uhr.

23 50.

Ans dem Spielplan.
Samstag, 3. Dez. 71. Ab.=Vorſt. C 18.
Zu Ehren der Anweſenheit Seiner Hoheit
des Regenten des Herzogtums Braun=
ſchweig
, Herzog Johann Albrecht von
Mecklenburg, und Höchſtſeiner Gemahlin.
Feſt=Vorſtellung: Suſannens
Geheimnis. Intermezzo in 1 Akt von
Wolf=Ferrari. Hierauf: Brüderlein
fein. Große Preiſe. Anfang 7 Uhr=
Sonntag, den 4. Dezember 1910.
Außer Abonnement.
Auf Allerhöchſten Befehl.
Vorſt ellun g
bei ermäßigten Preiſen.
Anfang 7 Uhr.
Bonifacius.
Eine Weihnachtserzählung in 5 Bildern
von E. Mann. Muſik von W. de Haan.
Preiſe der Plätze:
Proſzeniumsloge 2. Mk., Fremdenloge
2. Mk., Balkonloge 2. Mk., 1. Rang
2 Mk., 2. Rang 1 Mk.), Sperrſitz 1.50 Mk.,
Parterre 1 Mk.)
Der Kartenverkauf zu dieſer Vorſtellung
findet Donnerstag, den 1. Dezbr.,
nachmittags von 3½ bis 5 Uhr,
ſowie an den darauffolgenden Tagen, vor=
mittags
von 11 bis 1 Uhr, für die noch
vorhandenen Plätze an der Tageskaſſe ſtatt.
*) Ueber die Plätze in der erſten und
zweiten Galerie, ſowie über den größten
Teil der Plätze im zweiten Rang und Par=
terre
iſt bereits zu Gunſten hieſiger Bil=
dungsvereine
verfügt worden.
Die Hoftheater=Hauptkaſſe iſt an allen,
tags von 10 bis 12½

[ ][  ][ ]

Seite 16.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 29, November 1910.

Nummer 280.

Zur Geſchichte des Regenſchirms.
**** Spannen wir heute als das Selbſtverſtänd=
lichſte
von der Welt unſeren Regenſchirm auf, wenn
Jupiter Pluvius in dieſen trüben Novembertagen
ſtürmiſch daherfährt, dann denken wir nicht daran,
welch' Mühe und Schweiß es gekoſtet, dies ſo nützliche
Inſtrument zu erfinden, wie viele dunkle und kultur=
loſe
Jahrhunderte ſich ohne dieſen in unſerem regen=
reichen
Klima unentbehrlichen Begleiter behelfen muß=
ten
, was für gelehrte Kontroverſen ſich in der Wiſſen=
ſchaft
vom Regenſchirm aufgetan haben! Während der
freundlich bunte, leicht graziöſe Sonnenſchirm auf eine
ruhmreiche Vergangenheit zurückſchauen kann, in den
heiligen Kulten orientaliſcher Völker ſeine Rolle ſpielte
und in den klaſſiſchen Zeiten des Griechentums ſeine
edle Prägung erhielt, iſt der unſcheinbare, beſcheidene
Regenſchirm lange ein Stiefkind der Geſchichte ge=
weſen
.
Die Chineſen haben ſich freilich alten Berichten zu=
folge
ſchon früh des Regenſchirms bedient; es waren
beſonders geteerte oder lackierte Sonnenſchirme, die
gute Dienſte leiſteten, von großen Dimenſionen, reich
verziert, häufig mit Oelpapier überzogen; ſelbſt die
Pferde erhielten durch ſie Schutz gegen die Näſſe. Die
europäiſchen Völker aber haben wohl jedenfalls im
Mittelalter die Segnungen des Regenſchirms noch nicht
genoſſen. Der gelehrte Kulturhiſtoriker Edeleſtand
Duménil behauptete allerdings in ſeinem Buche über
das mittelalterliche Drama, der Parapluie ſei im Mit=
telalter
ſchon hie und da getragen worden; bei der
Darſtellung der Sintflut in den Myſterien ſei Gott=
vater
auf dem von aller Kreatur verlaſſenen Theater
unter dem Schutze eines rieſigen Regenſchirms daher=
gewandelt
. Der nicht minder gelehrte Hiſtoriker des
Regenſchirms, Alfred Franklin, weiſt aber dieſe Be=
hauptung
als einen großen Anachronismus zurück.
Wohl kannte das Mittelalter Schutzvorrichtungen gegen
den Regen, aber der Schirm gehörte noch nicht zu den
Errungenſchaften dieſer Zeiten. Sogar den Menſchen
des 15 und 16. Jahrhunderts mußte noch der dicke,
waſſerdichte Mantel gegen die ärgſten Ergüſſe des Him=
mels
ſchützen, während die Frau ſich mit einem Regen=
tuche
behalf, das ſie von Kopf bis zu den Füßen ein=
hüllte
. Außerdem gab es noch Regenkleider und Regen=
ſchurze
. Die Kleider waren durch Draht und Fiſch=
bein
geformt und konnten über den Kopf gezogen

werden. An dem dünklen, ſchwarzen Tuch war ein
flaches Mützchen befeſtigt, das an einem langen Stiel
eine freundlich nickende Quaſte hatte und auf dem Kopf
feſt auflag.
Solche Regenkapuze, der Balandras, der der bis
ins 17. Jahrhundert allgemein beliebte Erſatz des Re=
genſchirms
war, hielt Kopf und Oberkörper warm,
während der Regenſchurz, ein langer Rock, den Unter=
körper
bedeckte. Es war alſo ein ganzes Regenkleid,
in dem die Damen der Renaiſſance der Unbill der Wit=
terung
trotzten. Freilich waren die Franzoſen mit
einer ſo umſtändlichen, beſchwerlichen und wenig kleid=
ſamen
Regentracht nicht zufrieden; ſie ſannen auf eine
elegantere und bequemere Form des Schutzes. Unter
Heinrich IV. kamen rieſige, mit Seide ausgeſchlagene
Regenhüte auf. Glaubt man der Meldung einer
Sammlung von Kurioſitäten, die unter dem Namen
des bekannten Spaßmachers Tabarin 1022 erſchien, ſo
iſt es der Anblick ſolch eines gewaltigen, breitkrempig
Geſicht und Schultern überdeckenden Filzhuts geweſen,
der in einem erfindungsreichen Geiſt die Idee des
Regenſchirms aufblitzen ließ. Jedenfalls tauchte um
die Mitte des 17. Jahrhunderts in Paris neben dem
wohl aus dem Orient eingeführten Sonnenſchirm auch
der Regenſchirm auf. Ein geſchickter Mann kam auf
den Gedanken, den Sonnenſchirm mit Wachstuch und
dann mit ſchwerer Seide zu überziehen, ſo daß er auch
gegen den Regen Schutz gewähren konnte. Eine rein=
liche
Scheidung zwiſchen Regen= und Sonnenſchirm
erfolgte aber noch nicht. Der Parapluie iſt zur Zeit
Ludwigs XIV. ein ungeheuer ſchweres, umfangreiches
und ſchwierig zu handhabendes Möbel; er wurde zu=
meiſt
mühſam unter den Arm geklemmt. Seine ſchwe=
ren
Maſſen waren durch einen dicken Ring zuſammen=
gehalten
, der beim Oeffnen in die Höhe geſchoben
wurde. Es iſt begreiflich, daß ſolch eine Gewitter=
tulpe
nicht viele Verehrer fand.
Wirklich populär und allgemein getragen wird der
Regenſchirm erſt zu Anfang des 18. Jahrhunderts, wo
ihm die Erfindung des Jean Marius im Prinzip jene
Form gab, die er noch heute hat. Marius ſchuf den
Taſchenregenſchirm, ein leichtes, zuſammenklapp=
bares
Ding, für deſſen Verfertigung er das alleinige
Monopol erhielt. In der offiziellen Erteilung dieſes
Monopols heißt es 1711 von der neuen Erfindung:
Dieſer neue Regenſchirm wird durch ſeine Kleinheit
und Leichtigkeit zu einem Taſchengegenſtand, den man
immer bei ſich tragen kann, um ſich ſeiner nach Bedürf=
nis
zu bedienen, wodurch Herren und Damen, die die

bisherigen Regenſchirme wegen ihrer Größe und
Schwere nicht unterm Arm tragen konnten, mühelos
Gelegenheit erhalten, ſich dieſer nützlichen Erfindung
zu erfreuen. Die Parapluies von Marius, die nur
den zwölften oder fünfzehnten Teil von der Größe der
früheren hatten, wurden nun allgemein beliebt. Bald=
entſtand
in Paris eine Geſellſchaft, die ihre Beamten
an allen Brücken, Plätzen und Straßenecken aufſtellte,
auch des Nachts, um bei eintretendem Regen ſogleich
die Schirme verleihen zu können. Bald drang die
Kunde von der neuen Erfindung auch nach England,
wo man ihrer beſonders bedurfte. Zunächſt nahmen
nur die Cafés die Nenerung auf, und verliehen bei
Regengüſſen Schirme an ihre Gäſte. Der Ruhm aber,
unter ſeinen Landsleuten den Regenſchirm heimiſch
gemacht zu haben, gebührt Sir Jonas Hamway, der
als erſter den Mut hatte, um das Jahr 1750 ſtets mit
einem Regenſchirm bewaffnet in den Straßen Londons
zu erſcheinen. Hohn, Spott und Gelächter waren ſein
Los; Steine flogen hinter ihm her, man inſultierte
ihn. Aber er blieb ſeiner großen Aufgabe getreu und
hatte die Genugtuung, als er 1786 ſtarb, den Sieg des
Regenſchirms im Lande des Nebels noch miterlebt zu
haben. Um dieſe Zeit kamen auch die erſten Regen=
ſchirme
nach Deutſchland, aber unſere Klaſſiker haben
ſich ihrer noch wenig bedient; erſt die Dichter der Bie=
dermeierzeit
, ein Rückert, ein Mörike, tragen ſie mit
Würde und Behagen.
In Paris hatte man um 1750, den Regenſchirm=
ſtock
erfunden, der beim Spazierengehen als Stütze
und beim Regen als Schutz gebraucht wurde. 1768.
ſchreibt Caraccioli: Niemand geht in Paris mehr
ohne ſeinen Regenſchirm aus, und er trägt ihn ſechs
Monate bei ſich, um ihn vielleicht ſechsmal zu benutzen.
Nur die Leute, die beſonders vornehm ſein wollen,
tragen ihn nicht, denn der Regenſchirm iſt das ſichere
Zeugnis dafür, daß man keine Equipage hat. Von
nun ab gehört der Regenſchirm als unveräußerlicher
Beſitz der Kultur an. Während der Revolution ſchwin=
gen
ihn die wütenden Marktweiber als gefährliche
Waffe; die Generäle der napoleoniſchen Feldzüge
ſchreiben unter ihm ihre Siegesberichte; unter Louis=
Philippe wird der Regenſchirm zum Zepter, zum Sinn=
bild
des patriarchaliſchen Bürgerkönigtums. In Poeſie=
und Dichtung erringt er ſich ſeinen Platz, und ein
franzöſiſcher Poet prägt das ſtolze Wort: Der Regen=
ſchirm
iſt der Menfch, Buffons Wort vom Stil kühn
paraphraſierend.

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[ ][  ][ ]

Sport.
sr. Eine Verwechſelung von= Renn=
pferden
hatte, wie ſeinerzeit gemeldet, bei den
Rennen zu Paris=Cloud am 9. November ſtattgefun=
den
. Im Prix de Villejuſte, einem über 2000 Meter
führenden Verkaufsrennen, ſiegte Monſ. Besnards
Capri II. ſehr leicht gegen ein großes Feld. Wie
ſich ſpäter herausſtellte, war der Sieger nicht die drei=
jährige
Capri II., ſondern ihre zweijährige Schweſter
Cigale V. und die Siegerin mußte daher nachträg=
lich
disqualifiziert werden. Die Stewards der Societe
d’Encouragement ſtellten dann noch eine eingehende
Unterſuchung über den Fall an, die nunmehr zu dem
Reſultat führte, daß es ſich, wie von vornherein ange=
nommen
, um eine Verwechſelung der beiden Pferde
und nicht um unlautere Machenſchaften handelte.
Trainer Ch. Bariller, der die beiden Pferde erſt kurz
vorher übernommen hatte, wurde mit 2500 Francs in
Strafe genommen, weil er die Nachläſſigkeit begangen
hatte, ſich nicht genügend von der Identität der beiden
Pferde zu überzeugen. Der ganze Vorfall zeugt im
übrigen wieder einmal für die ungeheure Härte und
Leiſtungsfähigkeit des franzöſiſchen Vollbluts. Be=
deutet
es ſchon an und für ſich eine ſehr große Leiſt=
ung
für ein zweijähriges Pferd, 2000 Meter zu ga=
loppieren
das längſte deutſche Zweijährigen= Ren=
nen
führt über 1800 Meter , ſo wurde dieſe noch da=
durch
beſonders erhöht, daß Cigale V. das Rennen
unter gleichem Gewicht mit dreijährigen Pferden ge=
wann
, während die Gewichtsſkala in Deutſchland volle
28 Pfund zwiſchen zwei= und dreijährigen Pferden
über dieſe Diſtanz legt.
sr. Schachkampf Dr. Lasker=Jannowski.
Der Kampf um die Weltmeiſterſchaft brachte am
Sonntag mit der 8. Partie, nachdem die 7. tags zuvor
nach 46 Zügen mit dem überlegenen Siege von Dr.
Lasker geendet hatte, eine Ueberraſchung. Jannowski
eröffnete mit dem Damenbauer und leitete bald einen
heftigen Angriff ein, der die ſchwarze Stellung zer=
rüttete
; Jannowski gewann dabei zwei Bauern. Die
Partie wurde nach dem 35. Zuge in ſehr günſtiger
Stellung für Jannowski abgebrochen und wird am
Dienstag, nachmittags 4 Uhr, im Kerkau=Palaſt zu
Berlin fortgeſetzt.
Literariſches.
Schwaben im Oſten. Ein deutſches Dichter=
buch
aus Ungarn von Otto Alſcher, Franz Feld, Joſeph
Gabriel, Marie Eugenie delle Grazie, Otto Hauſer,
Johann Klausner, Artur Korn, Stephan Milow, Adam
Müller=Guttenbrunn, Viktor Orendi=Hommenau, Lud=
wig
Schmidt, Ella Triebnigg und anderen. Eingeleitet
von Adam Müller=Guttenbrunn. Verlag von Eugen
Salzer in Heilbronn. Broſch. 3 Mk., geb. 4 Mk. Schwa=
ben
im Oſten: Deutſche in einem fremden Lande,

Deutſche, die einen Kampf für ihr Deutſchtum führen,
deren Sprache Siegeslaut zum Streitruf werden
mußte . Und doch iſt es nicht einzig ſo. Denn die
Klänge dieſer deutſchen Dichter des Buches, deren Wiege
ſämtlich in Ungarn ſtand, ſind ſo rein, als ſeien ſie
aus einem friedlich umſorgten Heimatlande aufgeſtie=
gen
, als ſeien ihre Sänge der Widerhall tauſender
deutſcher Zungen, die nur eine Sprache ſprechen müſſen.
Denn das hat der Deutſche, daß er immer noch in ſeiner
Sprache jubelt, wenn er auch in einer fremden ſich ver=
teidigen
muß. Ein deutſches Buch, ein nationales Buch,
ein Buch, das eine geradezu kulturelle Bedeutung hat,
denn nach 150 Jahren wird hier zum erſtenmal wieder
der Verſuch gemacht, unſere Landsleute mit einem gei=
ſtigen
Band an ihre alte Heimat anzuknüpfen.
Neue Frauen, alte Liebe. Roman von
E. Haushofer=Merk. Elegant broſchiert 2 Mk.,
in Leinen gebunden 3 Mk. Verlag von Albert Gold=
ſchmidt
, Berlin W. 35. Auf den ernſten Hintergrund
einer Bewegung, welche die Befreiung der Frau aus
dem Zwange des Herkömmlichen erſtrebt, zeichnet die
Verfaſſerin mit ſtarker Geſtaltungskraft eine Reihe von
Lebensſchickſalen, in denen die Liebe beſtimmend und
zielweiſend wirkt. Es iſt ein wunderhübſcher Gedanke,
an einer Anzahl moderner Franentypen zu erläutern,
in welchen Zwieſpalt dieſe älteſte aller Leidenſchaften
führt, wenn ſie mit der neueſten aller Beſtrebungen zu=
ſammentrifft
. Das Buch iſt nicht nur wertvoll, ſon=
dern
auch ſpannend und unterhaltend geworden.
Hans Sittenberger: Der geheilte
Vitus Roman, 228 Seiten. Vita, Deutſches Ver=
lagshaus
, Berlin=Ch. Preis: Geheftet 3,50 Mk., eleg.
gebunden 4,50 Mk. Hans Sittenberger, der in der
Scholaſtika Bergamin ſchon eine Probe ſeines wahr=
haft
vornehmen Erzählertalents gegeben, bewährt in
dem vorliegenden Roman von neuem eine ungemein
graziöſe Kunſt der Darſtellung und der Zeichnung
wirklich lebender Menſchen. Mit überaus feinem
Humor ſchildert der Verfaſſer all die kleinen und gro=
ßen
Ueberſpanntheiten eines liebenden und dichtenden
Herrn Profeſſors, ja, er verſteht ſogar, dieſen doch mit
vielen menſchlichen Schwächen Behafteten in unſer Herz
einzuſchmuggeln. Und, wenn zum Schluß auch ein
anderes tragiſcheres Geſchick in das Idyll hinüberklingt,
ſo ſpürt jeder Leſer in ſtarkem Mitgefühl, wie innig=
vertraut
ihm die Geſtalten dieſes wirklich liebenswer=
ten
Buches geworden ſind.
Das Schuldgefühl eines zarten Gewiſſens treibt
den Helden zurück zu der aus Gewiſſensbedenken ver=
worfenen
Religion in dem Roman Ohne Reli=
gion
der von Paſtor Theodor Heede, Dedenſen,
ſoeben bei Stephan Geibel, Verlag, Altenburg S.=A.,
zum Preiſe von 2 Mk. für das geheftete, 2,80 Mk. für
das eleg. gebundene Exemplar erſchien. Der 215 Sei=
ten
umfaſſende Roman erhielt bei dem von der Redak=
tion
des Pfarrhaus erlaſſenen Preisausſchreiben den
erſten Preis. Der Verfaſſer erweiſt ſich als ein ſtarkes
Talent, indem er das ſchwierige Problem in dem ſchon
techniſch hervorragend aufgebauten Inhalte ſeines Wer=
kes
meiſtert und dabei in feiner und naturgetreuer Be=
obachtung
und Auffaſſung die Konflikte im Menſchen=
leben
ſchildert. Wer unterhaltſame und dabei doch tief=
gründige
Lektüre ſucht, dem ſei dieſer Roman warm
empfohlen.
Sündige Mütter. Roman von Anny
Wothe. Elegant broſchiert 4 Mk., in Leinen gebun=
den
5 Mk. Verlag von Albert Goldſchmidt, Berlin
W. 35. Frau Anny Wothe hat hier ein Werk geſchaffen,
das ſicher zu dem Beſten gehört, was dieſe begabte
Schriftſtellerin geſchrieben hat. Sie ſchildert in dem vor=
liegenden
Roman bei ſehr ſorgfältig durchgeführter Cha=
rakteriſtik
aller Peſronen das Leben der Großen dieſer
Welt ebenſo wahr wie die Schickſale der Bürgerfami=
lien
. So bildet das Buch eine abwechslungsreiche, feſ=
ſelnde
und dabei doch gehaltvolle Lektüre, die ernſte
Lehren enthält.

Gewinnauszug
der
223. Königlich Prenßiſchen Klaſſenlotkerie.
6. Klaſſe. 16. Ziehungstag. 26. November 1910.
(Nachdruck verboten.)
(Ohne Gewähr. A. St.=A. f. Z.)
In der Vormittags=Ziehung wurden Gewinne
über 240 Mk. gezogen:
1 Gewinn zu 15000 Mk. 33177
2 Gewinne zu 10000 Mk. 151998 231959
7 Gewinne zu 5000 Mk. 10596 43426 84490 93114
124657 144587 165392
35 Gewinne zu 3000 Mk. 4466 6795 10722 20481
21499 24453 36888 40971 50803 61336 69784 71291
72546 92100 116122 124778 142032 163606 166462
174710 176135 176732 190192 204264 204366 206230
238494 251299 271838 281818 289072 290580 293436
295461 301903
62 Gewinne zu 1000 Mk. 14 664 5395 21247.
21368 22939 23451 27082 30106 35161 46188 46812
48357 56077 70359 75146 77734 79664 80144 86870
86921 89188 104795 105451 117735 119519 121611
122626 123477 127767 140251 140602 142137 142158
165835 167573 176250 182408 165203 192333 196978.
197409 200216 205070 224817 233342 233772 234639
235473 239994 242861. 245403 251333 252068 252594
263801 270642 277455 289339 289728 295726 299176
98 Gewinne zu 500 Mk. 398 851 3966 6329 10770
11466 13280 17218 24429 37100 42795 44120 62538
54848 69369 76844 77118 81558 81929 83727
89047 92197 93100 94323 95808 95897 97138 98569
99354 104373 105779 106516 112177 113217 113767
114525 116032 118932 122132 122136 123959 123988
124711 127823 129212 134281 138136 140162 142972
146209 153171 157255 158495 164699 168366 181634
182061 182727 183440 188196 199660 200695 206829
209565 213181 214704 215646 216639 224430 224712
225117 226216 226278 227171 227411 231217 238360
246944 247104 247253 250631 253929 254863 258247
268061 271834 271894 272512 274447 278073 281253
284206 293068 293233 293561 297588 300514 301139)
In der Nachmittags=Ziehung wurden Gewinne
über 240 Mk. gezogen:
1 Gewinn zu 80000 Mk. 41062
1 Gewinn zu 15000 Mk. 109901
3 Gewinne zu 10000 Mk. 93903 140932 291310)
6 Gewinne zu 5000 Mk. 7154 23420 64843 177239
252882 279383
43 Gewinne zu 3000 Mk. 31235 48900 52040 53460)
66100 56825 70586 71533 85836 95385 100693 110712i
111978 125945 130420 142757 150502 151180 155379
158583 161433 168434 172239 175880 178824 182186
193283 200715 202820 203195 207412 225952 233115
243033 245315 251224 252134. 264656 264739 270728
279413 283599 291592
64 Gewinne zu 1000 Mk. 6154 9714 9991 11836
21755 30497 34451 34969 35977 36752 53005 53451
57205 63823 66392 67651. 69665 73220 80027 83668
85623 87976 91820 94893 94893 98504 98568 108047
124802 136997 137075 148561 155583 158048 158144
161283 162466 162606 163140 164147 172044 176987
195479 206552 211087 213119 217740 237678 245637
247894 252999 253529 257788 267541 268107 269060
269684 274633 277868 276433 279020 288143 289012
291641 293364
97 Gewinne zu 500 Mk. 3251 3507 9063 12840
13750 14131 17220 17341 18276 22701 25567 34830.
38814 39001 40083 50204 51127 53218 54471 65123
66487 60733 62434 65190 73632 75070 76966 82771
83782 86367 90607 94801 95259 100414 106808 108948
115319 115424 115987 131279 135253 137943 138964.
141681 143415 146675 150650 154650 166803 160266
161498 168848 170192 177295 180548 181765 187562
187869 189446 190223 190497 194895 198326 201756
202852 209341 209850 210327 213384 218093 218490
219971 224236 224970 228528 231251 234488 235717
236996 237361 240396 243557 244435 244705 248519)
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