Darmstädter Tagblatt 1910


27. September 1910

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173. Jahrgang
verbunden mit Wohnungs=Anzeiger und der Sonntags=Beilage:
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kommt jeder Annoncenrabatt in Wegfall.

Organ für die Bekanntmachungen des Großh. Polizeiamts Darmſtadt, der Großh. Bürgermeiſtereien des Kreiſes und der andern Behörden.
Das Amtsverkündigungsblatt des Großh. Kreisamts Darmſtadt wird Dienstags, Donnerstags und Samstags nach Bedarf beigefügt.

N 226.

Dienstag, den 27. September.

1910.

Die heutige Nummer hat 18 Seiten.

Magdeburger Nachleſe.
Die rote Heerſchau iſt zu Ende und mit großer Er=
wartung
hatte man auch in bürgerlichen Kreiſen dem Ver=
laufe
des diesjährigen Parteitages entgegengeſehen, da es
wieder einmal zu einer Ausſprache zwiſchen Nord und
Süd kommen ſollte, nachdem man ſüdlich des Mains ſich
ſo ſchwer gegen wichtige Parteitagsbeſchlüſſe vergangen
hatte. Dieſe Erörterung hat ſtattgefunden, trotz allen Lär=
mens
und aller ſcharfen Zuſammenſtöße iſt die Sache doch
ausgegangen wie das Hornberger Schießen. Die Situation
ſah auf dem Parteitage eine Zeitlang recht kritiſch aus,
man konnte faſt glauben, daß die ſchroffe Haltung der nord=
deutſchen
Radikalen die ſüddeutſchen Genoſſen vor den
Kopf ſtoßen würde, und der Auszug der 70 Süddeutſchen
ſchien auf eine Exploſion hinzudeuten, aber man heſann
ſich wieder, um der Welt nicht das Schauſpiel eines Bru=
derzwiſtes
im roten Lager zu geben. Zu einem Bruche
wird es alſo vorerſt nicht kommen, die Sieger in dieſem
Streit ſind aber keineswegs die Radikalen, trotz Annahme
ihrer Reſolution, ſondern die Süddeutſchen, welche nach
wie vor tun werden, was ihnen beliebt, unbekümmert
darum, ob ihre Haltung etwa die Mißbilligung des Partei=
vorſtandes
und eines Teiles der ſozialdemokratiſchen
Preſſe finden könnte. In ſonſtigen Fragen nahm der
Parteitag dagegen eine ziemlich gemäßigte Haltung ein,
ſo bei der Maifeier, vor allem aber hinſichtlich der Frage
des Maſſenſtreiks. Dieſe wurde bei der Erörterung der
preußiſchen Wahlrechtsreform aufgerollt, und zwar durch
Roſa Luxemburg, die mit dieſer Waffe drohte, falls das
Wahlrecht nicht den Wünſchen der Sozialdemokratie ent=
ſprechend
geändert würde. Mit dieſem Vorſchlage fand
ſie aber bei der überwiegenden Mehrheit des Parteitages
keinerlei Anklang, verſchiedentlich ſogar allerſchärfſte Zu=
rückweiſung
, namentlich von ſeiten der Gewerkſchaften,
welche erklären ließen, daß die Frage des Maſſenſtreiks
nicht einſeitig durch die politiſchen Organe entſchieden
werden könne; auch die gewerkſchaftlichen Organe in ihrer
Geſamtheit müſſen dazu gehört werden, um etwaige Be=
denken
darzulegen. Die überreichte Erklärung ließ ſogar
durchblicken, daß man den Antrag Luxemburg als eine
Friedensſtörung zwiſchen Partei und Gewerkſchaft auf=
faſſen
müſſe. In dieſer Frage konnte es leicht zu einem
neuen Konflikt zwiſchen Partei und Gewerkſchaften kom=
men
, den die beſonnenen Elemente in der Partei unter
allen Umſtänden vermieden ſehen möchten. Bei der Dis=
kuſſion
war es nicht ohne Intereſſe, wahrzunehmen, daß
eine alte Erfahrung am radikalſten ſich die Frauen
gebärdeten und mit großer Lebhaftigkeit für den Maſſen=
ſtreik
eintraten. Als politiſches Kampfmittel dürfte dem=
nach
vorläufig der Maſſenſtreik ausſcheiden.
In Anknüpfung an den Parteitag veröffentlicht der
Vorwärts jetzt einen Artikel, betitelt Maſchinengewehre
gegen das eigene Volk über die Enthüllung, die Ge=
noſſe
Limbertz auf dem Magdeburger Parteitage gemacht
hat. Wenn es noch zweifelhaft geweſen wäre, welcher
Zweck in Magdeburg mit der Bekanntgabe einer angeb=
lichen
Verfügung des früheren kommandierenden Generals
v. Biſſing verfolgt wurde, ſo würde dieſer Artikel volle
Klarheit ſchaffen. Die ſozialdemokratiſche Partei bedurfte
nach dem Zuſammenſtoß der Radikalen mit den Reviſio=
niſten
dringend eines Ablenkungsmittels, das die Maſſen
über die Kluft der grundſätzlichen Gegenſätze innerhalb
der eigenen Reihen hinwegblicken läßt. So wurde Ge=
noſſe
Limbertz dazu auserſehen, durch ſeine Enthüllung
bei den Maſſen die Vorſtellung zu erwecken, als ob die
Staatsgewalt auf den Augenblick lauere, in dem ſie
Maſchinengewehre gegen das eigene Volk richten könne.
Unter Umkehrung des wirklichen Verhältniſſes, das in der
Bedrohung der ſtaatlichen und der geſellſchaftlichen Ord=
nung
beſteht, vird es ſo hingeſtellt, als ob die Staats=
gewalt
es ſei, die das Volk bedrohe. In Wahrheit han=
deln
die oberſten Militärbehörden nur pflichtgemäß, falls
ſie rechtzeitig Vorkehrungen gegen Straßenkämpfe treffen.
Derartige Unruhen für möglich zu halten, iſt ein Stand=
punkt
, auf den ſich jeder ſtellen muß, der die ſozialdemo=
kratiſchen
Drohungen nicht verſchlafen hat, in denen ſich
die Sozialdemokratie auf dem Kopenhagener Kongreß
und Abg. Bebel auf dem Magdeburger Parteitage er=
gingen
. Wenn wir gekonnt hätten, hätten wir losge=
ſchlagen
und alles zertrümmert, was uns im Wege ſtand,
bekannte=Bebelefür die Zeit der Verabſchiedung des Sozia=

liſtengeſetzes. Von der Eroberung Preußens mittels des
allgemeinen und gleichen Wahlrechtes ſagte er: Das koſtet
Mühe, das koſtet Arbeit, das koſtet Schweiß, und das koſtet
eventuell noch mehr. Noch mehr bedeutet hier ohne
Zweifel ſoviel wie Blut. Auf blutige Kämpfe mit der
Staatsgewalt deutete Bebel auch hin, als er in dunklen
Wendungen deſſen gedachte, was die Sozialdemokratie tun
würde, wenn ein europäiſches Kriegsgewitter herunter=
ſauſt
. Sollen die oberſten Militärbehörden ſich derartigen
Drohungen gegenüber taub ſtellen und die Hände in den
Schoß legen? Der Militärbehörde die Abſicht leichtfertigen
Blutvergießens zu unterſchieben, iſt eine Beſchuldigung, zu
deren Kennzeichnung der Hinweis auf die Tatſache genügt,
daß in Preußen das Militär ſeit Menſchenaltern dem
eigenen Volke gegenüber von der Schußwaffe keinen Ge=
brauch
gemacht hat. Wie anders es in dieſem Punkte
beiſpielsweiſe jenſeits der Vogeſen ſteht, darüber könnten
am beſten die ſozialdemokratiſchen Miniſter Aufſchluß
geben, unter deren Regiment franzöſiſchen Truppen der Be=
fehl
zum Feuern auf Arbeitermaſſen gegeben wurde!

Jolltarifgeſetz und Hinterbliebenen=Verſicherung.
* Ueber eine bevorſtehende nochmalige geſetzliche Ab=
änderung
des § 15 des Zolltarifgeſetzes ſchreibt man
Berliner Blättern: Im letzten Winter hat der Reichstag
ein Geſetz verabſchiedet zur Abänderung des § 15 des Zoll=
tarifgeſetzes
vom Jahre 1902 und des § 2 des Geſetzes be=
treffend
den Hinterbliebenenverſicherungsfonds und den
Reichs=Invalidenfonds vom Jahre 1907. Dieſes Geſetz
war dadurch notwendig geworden, daß im § 15 des Zoll=
tärifgeſetzes
ein Teil der Zollerträge aus der Einfuhr von
Getreide und Vieh zur Durchführung einer Witwen= und
Waiſenverſicherung beſtimmt iſt, deren geſetzliche Regelung
bis zum 1. Januar 1910 in Ausſicht genommen war. Für
den Fall, daß dieſer Termin nicht eingehalten wurde,
ſollten die Zollerträge einſchließlich der angeſammelten
Zinſen den Invalidenverſicherungsanſtalten zum Zwecke
der Witwen= und Waiſenverſorgung überwieſen werden.
Nun konnte bekanntlich die Witwen= und Waiſenverſor=
gung
im Rahmen der Reichsverſicherungsordnung vorläu=
fig
nicht zur Durchführung gelangen. Es wurde daher
der Termin für ihr Inkrafttreten vom 1. Januar 1910 auf
den 1. April 1911 verlegt. Aber man kann wohl ſchon
heute mit Sicherheit annehmen, daß ſich auch dieſer
Termin nicht wird einhalten laſſen. Denn
ſelbſt wenn der Reichstag, was wohl möglich iſt, bis zum
1. April nächſten Jahres die Reichsverſicherungsordnung
verabſchiedet und auch das zugehörige Einführungsgeſetz
bis dahin erledigt, durch das der Uebergang des beſtehen=
den
Zuſtandes in die neuen Verhältniſſe geregelt werden
ſoll und das auch die Ausführungsbeſtimmungen zur Hin=
terbliebenenverſicherung
enthalten wird, ſo wäre an ein In=
krafttreten
dieſes neuen ſozialen Verſicherungszweiges
doch wohl früheſtens zum 1. Oktober 1911 oder zum Be=
ginn
des Jahres 1912 zu denken. Das Ausführungsgeſetz
zur Reichsverſicherungsordnung ſelbſt wird aber auch die
Aufhebung des § 15 des Zolltarifgeſetzes enthalten, und
aus dieſem Grunde wird es nötig ſein, in der nächſten
Seſſion nochmals ein Geſetz zu verabſchieden, durch das
der Termin zur Durchführung der Witwen= und Waiſen=
verſorgung
im § 15 des Zolltarifes abermals ver=
tagt
wird.

Ueber die angebliche türkiſch=rumäniſche
Militärkonvention
ſchreibt die italieniſche Tribuna: Obwohl die Mel=
dungen
von dem Bündnis zwiſchen Oeſterreich=Ungarn,
der Türkei und Deutſchland und von einer kürzlich abge=
ſchloſſenen
Militärkonvention zwiſchen der Tür=
kei
und Rumänien, die ohne Wiſſen Ita=
liens
abgeſchloſſen worden ſei, mehrere Male in autori=
tativer
Weiſe dementiert worden ſind, gibt es noch man=
ches
Blatt, das dabei beharrt und dieſe Nachrichten wenig=
ſtens
für teilweiſe begründet hält. Wir haben uns des=
halb
an eine abſolut ſichere Stelle gewandt und ſind jetzt
in der Lage, zu wiederholen, daß dieſe Meldungen jeder
Begründung entbehren. Wir können auch hinzu=
fügen
, obgleich es überflüſſig iſt, daß die gegenſeitigen
Beziehungen zwiſchen Italien, Oeſterreich=
Ungarn und Deutſchland äußerſt intime, ver=
trauensvolle
und herzliche ſind und daß die Regierungen
dieſer Länder in den jüngſten Zuſammenkünften und im
Laufe des gewöhnlichen Schriftwechſels ſich gegenſeitig alle

Fakten der letzten Phaſen der internationalen Politik mit=
geteilt
haben. Wir freuen uns, feſtſtellen zu können, daß
auch die öffentliche Meinung Italiens ſich durch dieſe ten=
denziöſen
, der Begründung entbehrenden Nachrichten nicht
hat irreleiten laſſen
Der nach Sofia geſandte Sonderberichterſtatter des
Matin telegraphiert ſeinem Blatte, der Miniſter des
Aeußern Malinow habe ihm mitgeteilt, daß die Ge=
ſandten
der Türkei und Rumäniens am Samstag gele=
gentlich
eines diplomatiſchen Empfanges die Exiſtenz
eines Militärabkommens zwiſchen der Türkei
und Rumänien dementiert hätten. Angeſichts dieſes
Schrittes könne die bulgariſche Regierung auf die dieſes
Abkommen betreffenden Veröffentlichungen amtlich keiner=
lei
Rückſicht nehmen. Demzufolge werde ſich auch die Hal=
tung
Bulgariens weder gegenüber Rumänien noch gegen=
über
der Türkei ändern. In betreff des Gerüchtes über den
Abſchluß eines bulgariſch=griechiſchen Abkommens erklärte
Malinow, daß keinerlei Abkommen dieſer Art beſtehe. Er
ſei übrigens ein Gegner von irgendwelchen Abkommen auf
dem Balkan, da er dieſelben für höchſt ſchädlich halte.

Deutſches Reich.
Der Kaiſer und der ſozialdemokra=
tiſche
Parteitag. In Berliner Blättern leſen wir:
Ueber die Verhandlungen des ſozialdemokratiſchen Partei=
tages
in Magdeburg wurde dem Kaiſer laufend Bericht
erſtattet. Von einer den Parteitag beſuchenden Vertrau=
ensperſon
erhielt das Miniſterium täglich mehrere Male
einen Auszug aus den Verhandlungen. Faſt wörtlich
wurden dieſe Berichte unverzüglich dem Kaiſer mitgeteilt.
Am Tage erfolgte dies chiffriert=telegraphiſch, den Nach=
mittags
= und Abendbericht überbrachte der kaiſerliche Ku=
rier
. Es dürfte wenig bekannt ſein, daß der Kaiſer bisher
gerade dieſen Verhandlungen großes Intereſſe entgegen=
gebracht
hat und daß der Monarch wiederholt noch nach=
träglich
in den Tageszeitungen die Verhandlungsberichte
nachlas. Als Anfang der neunziger Jahre einmal der
Kaiſer aus den Tageszeitungen erſah, daß ein ihm über
eine wichtige Angelegenheit erſtatteter Bericht ſtark redi=
giert
und friſiert war, hatte er ſeinem Unwillen hierüber
nachdrücklichſt Ausdruck gegeben.
Konſervative und Bund der Land=
wirte
. Schon öfter hat die konſervative Partei ihre
ſtarke Abhängigkeit von dem mit äußerſter Energie in
ihren Reihen nach der Herrſchaft ſtrebenden Bunde ſchmerz=
lich
empfunden und Verſuche gemacht, ihre Selbſtändigkeit
wieder zu erlangen. Nachdem es längere Zeit von dieſem
Gegenſatze ſtill geweſen iſt, meldet ſich jetzt die Kreuz=
zeitung
mit folgenden Bemerkungen, in denen ſich die
Sehnſucht nach Wiedergewinnung der Führung im poli=
tiſchen
Kampfe deutlich ausſpricht:
Man hat ſich in unſeren Kreiſen mancherorts viel zu
viel auf den Bund der Landwirte verlaſſen und dabei zu
ſehr überſehen, daß eine parteipolitiſche Organiſation nie=
mals
durch eine wirtſchaftspolitiſche erſetzt werden kann,
ſchon aus dem einfachen Grunde nicht, weil die rein idealen
Ziele, denen eine politiſche Partei wie die konſervative
zuſtrebt und zuſtreben muß, durch allzu ſtarke Betonung
wirtſchaftlicher Intereſſen beeinträchtigt werden würden.
Die konſervative Politik will und kann ſich nicht in der
Verfolgung wirtſchaftlicher Zwecke erſchöpfen, und damit
iſt ganz von ſelbſt die überaus wichtige Forderung gege=
ben
, daß jeder Konſervative, auch wenn er Mitglied des
Bundes der Landwirte iſt, ſich in erſter Linie als konſer=
vativer
Mann betätigen muß.
Die Rede des reichsländiſchen Statt=
halters
. Das Gebaren des Souvenir Frangais in
der Wachhaltung franzöſiſcher Sympathien im Reichslande
hat in letzter Zeit jedes erlaubte Maß überſchritten. Auf
die Feiern von Noiſſeville und Weißenburg iſt am 8. Sep=
tember
eine Gedächtnisfeier auf dem Friedhofe von Metz,
am 18. September eine gleiche in der Kirche von Plappe=
ville
für die gefallenen franzöſiſchen Soldaten gefolgt. Die
politiſche Agitation macht vor dem Altar der Kirche keinen
Halt mehr. Nach einer Mitteilung der Kölniſchen Volks=
zeitung
ließ der genannte franzöſiſche Verein für ſeine
kirchlichen Gedächtnisfeiern einen Katafalk bauen, der von
einer Kirche zur andern transportiert wurde. Mit einem
blau=weiß=roten Bahrtuch ausgeſchlagen, trägt er fran=
zöſiſche
Kriegswaffen und an beiden Seiten die Uniform
eines franzöſiſchen Infanteriſten und eines Küraſſiers.
Dieſe Totenfeier überſchreitet alle Grenzen. Hier mußte
auch der langmütigſten Regierung die Geduld ausgehen
und die im Wortlaut bereits mitgeteilte Rede des Statt=
halters
Graf von Wedel war ein Zeichen der Zeit. Dieſe
war nötig, einmal um den beleidigten Gefühlen der Alt=

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Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 27. September 1910.

Nummer 226.

deutſchen gerecht zu werden, dann um den Standpunkt
der Regierung in dieſer Frage deutlich zum Ausdruck zu
bringen. Hoffen wir, daß dieſen Worten auch entſprechende
Taten folgen werden.
Der Landesausſchuß der national=
liberalen
Partei Sachſens nahm eine Reſo=
lution
an, die das Vertrauen zu Baſſermanns Führung
ausſpricht, ferner verlangt, daß die Politik der Partei ſich
auf Unabhängigkeit gründe, und die Behauptungen, die
Partei beabſichtigte eine Rechtsſchwenkung in der ſäch=
ſiſchen
Landespolitik und wolle die Kampfſtellung gegen
die Sozialdemokratie aufgeben, zurückweiſt.

Ausland.
Frankreich.
Die türkiſche Anleihe. Der Temps hält es
für möglich, daß die am Samstag abend erfolgte Abreiſe
Hakki Paſchas nach Berlin und Wien mit der offiziöſen
engliſchen Meldung zuſammenhänge, wonach Sir Erneſt
Caſſel keinerlei Abſicht habe, eine türkiſche Anleihe auf dem
Londoner Markt unterzubringen. Unter Hinweis auf die
Anleihefrage erörtert das Journal des Débats die tür=
kiſche
Finanzlage und ſpricht die Ueberzeugung aus, daß
der Kriegsminiſter Schefket Paſcha, welcher ſchon einmal
ſein Land gerettet habe, gegen die dem Bankrott zu=
ſteuernde
Finanzpolitik Dſchavid Beys auftreten und ſich
insbeſondere nicht von dem Begeiſterungstaumel für die
Schaffung einer Kriegsflotte anſtecken laſſen werde. Die
gleichzeitige Wiederherſtellung des Landesheeres und einer
ſtarken Kriegsmarine ſei für die Türkei eine materielle Un=
möglichkeit
. Uebrigens ſei die Türkei von keiner ernſten
Gefahr zur See bedroht, welche ſie zwingen könnte, ſich
durch den Ankauf von Panzerſchiffen zu ruinieren, im
Gegenteil, die Errichtung eines Dreadnought=Geſchwaders
würde ſicher dieſe Gefahr erſt heraufbeſchwören. Dem
Petit Pariſien zufolge dürfte Sir Erneſt Caſſel, der am
Montag in der Angelegenheit der türkiſchen Anleihe in
Paris eintreffen ſollte, von Miniſter Pichon empfangen
werden, doch würde Sir Erneſt Caſſel in keinem Falle die
Rolle eines Vermittlers zwiſchen Frankreich und der
Türkei ſpielen, um an die Stelle der Diplomatie treten zu
können.
England.
Selbſtverwaltung für Wales. In der jetzi=
gen
politiſch ſtillen Zeit hat eine Rede des engliſchen
Schatzkanzlers ein gewiſſes Aufſehen erregt. Lloyd George
enthüllte in einer Stadt ſeines Heimatlandes, in einer
Kirche mit einem unausſprechlichen Namen, Cefnddwyſarn=
Kapelle, eine Erinnerungstafel an Tom Ellis, der Mit=
glied
des Parlaments und liberaler Haupteinpeitſcher ge=
weſen
war. Am Schluß ſeiner Rede, die in Waliſer
Sprache gehalten wurde, drückte der Schatzkanzler die
Hoffnung aus, einſt ein unabhängies und freies Wales
zu ſehen, ein Wales, das Gott fürchtet und ſonſt nichts
auf der Welt und dieſe Worte wurden mit lautem Beifall
aufgenommen. Die liberale Zeitung Daily Chronicle,
eine der eifrigſten Anhänger des Schatzkanzlers, veröffent=
licht
einen Kommentar unter dem Titel Home Rule für
Wales, und es kann nicht geleugnet werden, daß ſich in
den einzelnen Teilen des Vereinigten Königreiches wäh=
rend
des letzten Jahres die Home Rule=Bewegung leb=
haft
geregt hat. Während früher nur Irland Selbſtregie=
rung
anſtrebte, haben neuerdings auch die ſchottiſchen
Radikalen ſich zugunſten einer verhältnismäßigen Unab=
hängigkeit
geregt und die Worte des Schatzkanzlers, der
ein eifriger Waliſer Patriot iſt, können kaum anders als
in dieſem Sinne ausgelegt werden. Der unioniſtiſche
Globe greift Lloyd George wegen ſeiner Aeußerung auf
das heftigſte an und glaubt, daß er mit dieſem Wunſche
bei ſeinen Landsleuten wenig Gegenliebe finden wird.
da Wales ſich vollkommen darüber klar ſei, daß eine enge
Verbindung mit England vorteilhafter für das Land als
Selbſtändigkeit wäre. Ob dieſe Anſicht die richtige iſt,
bleibt abzuwarten, einſtweilen kann nur feſtgeſtellt werden,

daß der Gedanke der Home Rule kaum je zuvor ſo oft aus=
geſprochen
wurde als gerade jetzt, und der Gedanke kann
nicht ganz von der Hand gewieſen werden, daß das Inſel=
reich
mit ſeinen verſchiedenen Nationalitäten ſich dennoch
einſt zur föderativen Regierung entſchließen wird.
Spanien und Marolko.
El Mokri iſt am Sonntag in Sevilla eingetroffen. Er
erklärte in einer Unterredung, die Nachricht, er habe Auf=
trag
, in Madrid wegen einer Anleihe zu unterhandeln, ſei
erfunden. Er habe die Vollmacht, alle zwiſchen Spanien
und Marokko ſchwebenden Streitigkeiten endgültig zu
regeln.
Südafrika.
Keine Kabinettskriſis. In den letzten Tagen
wurde aus Johannesburg und Kapſtadt gemeldet, daß
eine Kabinettskriſis in Südafrika bevorſtehe, infolge deren
General Botha zurücktreten und dem Kappolitiker Merri=
man
das Feld räumen müſſe, da dieſer unter Botha keinen
Miniſterpoſten annehmen wolle. Jetzt liegt eine Depeſche
des liberalen Randminenbeſitzers Robinſon aus Johannes=
burg
vor, in der es heißt: Es hat niemals eine Kriſis im
Kabinett Botha gegeben. Seine Stellung iſt ſeit den
Wahlen ſtärker, als ſie je geweſen iſt. Legen Sie den Be=
richten
von einer Kriſis keine Bedeutung bei. Sie kommen
von der ſchwächlichen Oppoſition und der Preſſe, die ihren
Parteizwecken dient. General Botha und ſeine Partei
werden das Land nach einem Prinzip, das keinen Raſſen=
unterſchied
zwiſchen Engländern und Buren kennt, re=
gieren
.

Stadt und Land.
Darmſtadt. 27. September.
Ernannt haben Se. Königl. Hoheit der Groß=
herzog
den Privatdozenten an der Univerſität Würz=
burg
Dr. Wilhelm Pinder mit Wirkung vom 1. April
1911 an zum ordentlichen Profeſſor der Kunſtgeſchichte an
der Techniſchen Hochſchule in Darmſtadt, den Steuer=
kontrolleur
Finanzaſſeſſor Richard Schnupp zu Fried=
berg
zum Reviſionskontrolleur bei dem Hauptſteueramt
Mainz und den Hauptſteueramtsaſſiſtenten Wilhelm
Rube zu Offenbach zum Bezirkskaſſeaſſiſtenten bei der
Bezirkskaſſe Mainz I. Ferner wurde der Hauswärter
im ſüdlichen Kollegiengebäude, Paul Hinze zu Darm=
ſtadt
zum Kanzleiwärter bei der Hauptſtaatskaſſe mit
Wirkung vom 1. Oktober d. Js. an ernannt.
Mit Ermächtigung Sr. Königl. Hoheit des Groß=
herzogs
wurden nachſtehende Beamte zu Vorſitzenden
und Mitgliedern der Prüfungskommiſſion für den höheren
Finanzdienſt im Nebenamt ernannt: I. Vorſitzender:
Miniſterialrat und Vorſitzender der Miniſterialabteilung
für Steuerweſen Geheimerat Dr. Becker; II. Mit=
glieder
: Ordentlicher Profeſſor der Staatswiſſenſchaften
an der Landesuniverſität Dr. jur. et phil. Biermer;
Erſter Hauptſtaatskaſſedirektor Dexheimer; Ober=
finanzräte
Weißenbruch und Frenz, vortragende
Räte bei der Abteilung für Steuerweſen des Großh.
Miniſteriums der Finanzen.
Den Charakter als Profeſſor erteilt haben Se.
Königl. Hoheit der Großherzog dem Oberlehrer an
der Realſchule zu Michelſtadt Philipp Wahl.
In den Ruheſtand verſetzt wurde der Lade=
meiſter
in der Heſſiſch=Preußiſchen Eiſenbahngemeinſchaft
Jakob Bicking zu Mainz vom 1. Januar 1911 an, der
Weichenſteller in der Heſſiſch=Preußiſchen Eiſenbahn=
gemeinſchaft
Heinrich Becker zu Biſchofsheim vom
1. Januar 1911 an, der Bahnwärter in der Heſſiſch=
Preußiſchen Eiſenbahngemeinſchaft Johann Barth I. zu
Büdesheim mit Wirkung vom 1. Dezember 1910 an, der
Bahnwärter in der Heſſiſch=Preußiſchen Eiſenbahngemein=
ſchaft
Joſef Dietrich zu Oberbimbach mit Wirkung
vom 1. Januar 1911 an.
Die Beſtätigung erteilt haben Se. Königl. Hoheit
der Großherzog der durch die Dekanatsſynode des
Dekanats Zwingenberg für den Reſt der im Jahre 1913
ablaufenden Wahlperiode vollzogenen Wahl des Pfarrers
Karl Zaubitz zu Bensheim a. d. B. zum Stellvertreter
des Dekans des Dekanats Zwingenberg.
Ordensverleihungen. Se. Königl. Hoheit der
Großherzog haben dem ſtellvertretenden Vorſitzenden
des Verbandes der Verpflegungsſtationen im Groß=
herzogtum
Heſſen und der Provinz Heſſen=Naſſau, Landrat
v. Gröning zu Gelnhauſen das Ritterkreuz 1. Klaſſe
und dem katholiſchen Pfarrer und Dekan Anton Kuhn
in Bürſtadt die Krone zum Ritterkreuz 1. Klaſſe des
Verdienſtordens Philipps des Großmütigen verliehen.

L. Die diesmaligen Schwurgerichtsverhandlungen
nahmen geſtern unter dem Vorſitz des Landgerichts=
rats
Dr. Stein ihren Anfang. Nachdem die Geſchwo=
renen
eingehend auf ihre Rechte und Pflichten hinge=
wieſen
worden waren, kam die Strafſache gegen den
35 Jahre alten Fuhrknecht Michael Weber III. von
Weitengeſäß, wohnhaft in Michelſtadt, wegen Körper=
verletzung
mit tödlichem Erfolg zur Verhandlung.
Der Angeklagte iſt nur einmal wegen Körperverletz=
ung
zu 6 Mark Geldſtrafe verurteilt worden; er lebt
ſolid und erfreut ſich der vollen Zufriedenheit des
Brauereibeſitzers Dörr, bei dem er ſeit Jahren in Dien=
ſten
ſteht. Bei dem Militär hat er nicht gedient, weil er
ſich im Alter von 19 Jahren einen Finger abhieb; daß
er es tat, um ſich dienſtuntauglich zu machen, beſtreitet
er. Am 17. Juli hatte ſein 6jähriger Sohn Adam ein
6 Monate altes Schweſterchen zu bewachen, welches in
einem Kinderwagen lag. Dabei blieb er an einem
Holzhaufen hängen und warf das Fuhrwerk um. Der
Vater ſchrie: Wenn ich dir jetzt komme, kriegſt du die
Krenk! und eilte herbei. Vorher war aber ſchon die
Ehefrau des Zimmermanns Johann Geyer an Ort
und Stelle erſchienen, hatte das Wägelchen aufgehoben
und feſtgeſtellt, daß nichts paſſiert ſei. Trotzdem ver=
ſetzte
der Vater im Zorn dem Jungen, der flehte, Ich
habe nichts dazu gekonnt mit ſeinem Plüſchpantoffel
einen kräftigen Fußtritt, daß er umfiel. Der Roheit
folgte, obwohl die Frau dem Wütenden in den Arm
fiel und ihn auf die möglichen üblen Folgen aufmerk=
ſam
machte, noch ein zweiter Tritt. Au, mein Leib,
klagte der Knabe. Der Vater wurde davon nicht ge=
rührt
, ſondern zwang ihn auch noch, den Wagen in das
Haus zu heben. Der Tritt hatte eine Darmzerreiß=
ung
zur Folge, die am anderen Abend bereits den Tod
des Verletzten, der gräßliche Schmerzen litt, herbei=
führte
. Weber iſt reumütig geſtändig. Staatsanwalt
Hoos beantragte, ihn der Körperverletzung mit töd=
lichem
Erfolg unter Zubilligung mildernder Umſtände
ſchuldig zu ſprechen. Der Verteidiger, Rechtsanwalt
Dr. Mainzer, erachtete höchſtens eine fahrläſſige Töt=
ung
für erwieſen und für letztere entſchieden ſich nach
längerer Beratung auch die Geſchworenen. Das Ur=
teil
des Gerichts lautete auf 10 Monate Ge=
fängnis
.
L. Die Strafkammer verhandelte geſtern gegen den
aus Schöllenbach ſtammenden Poſtboten Karl Gerbig in
Egelsbach, der vom Schöffengericht zu 10 Tagen Ge=
fängnis
verurteilt worden iſt, weil er bei einem Krämer
12 Mark bares Geld geſtohlen habe. Fußſpuren vor
dem Laden waren den ſeinigen ähnlich. Der Ver=
urteilte
verfolgte Berufung uund beſtritt entſchieden,
in den Laden gekommen zu ſein, im Haus hatte er
etwas zu beſorgen gehabt. Er iſt ſeit vier Jahren im
Amt und genießt den beſten Ruf. Das Berufungsge=
richt
erachtete den geführten Beweis nicht für aus=
reichend
und ſprach ihn frei.
Die 42. Jahresverſammlung des Landesvereins
für Innere Miſſion tagte am Sonntag und Montag. Die
Tagung begann mit einem Feſtgottesdienſt in der Stadt=
kapelle
, wobei Herr Pfarrer Saul aus Frankfurt a. M.
die Feſtpredigt hielt. Am Sonntag abend fand im Ge=
meindehauſe
(Kiesſtraße) ein Familienabend zum
Gedächtnis Vater Bodelſchwinghs ſtatt, der äußerſt zahl=
reich
beſucht war. Der Kirchengeſangverein der Paulus=
gemeinde
wirkte mit und verſchönerte das Feſt durch den
Vortrag mehrerer Chöre. Herr Pfarrer Glock entwarf ein
Lebensbild des großen Toten. Es folgte ein gemeinſamer
Geſang und ein Chor: Selig ſind die Toten. Herr
Pfarrer Leydhecker aus Auerbach teilte perſönliche Erin=
nerungen
an Bodelſchwingh mit.
Geſtern morgen um 9 Uhr wurde im Gemeindehauſe
in der Kiesſtraße eine Mitgliederverſammlung
abgehalten. In dieſer wurden der im Druck vorliegende
Jahresbericht erſtattet, Rechnung und Voranſchlag erledigt,
ſowie Wahlen vorgenommen. Die Hauptarbeit des abge=
laufenen
Vereinsjahres (Oktober 1909 bis Ende April
1910) iſt noch von dem bisherigen Vereinsgeiſtlichen Ru=
dolf
Schloſſer, jetzt Pfarrer in Rodheim bei Hungen, ge=
leiſtet
worden. Die perſönlichen Arbeitsleiſtungen des
Vereinsgeiſtlichen galten zu einem nicht geringen Teile den
Aufgaben der Krüppelfürſorge. Die Gründung eines
Krüppelheims in Nieder=Ramſtadt, die ſchon zur Zeit des
vorigen Jahresberichtes geplant war, hat ſich inzwiſchen
verwirklichen laſſen. Ein beträchtlicher Teil der Anſchaf=
fungskoſten
wird durch die vom Großh. Oberkonſiſtorium
bewilligte Kirchenkollekte gedeckt werden können. Die
Rechnung, deren Reviſion keinerlei Beanſtandungen er=
geben
hat, wurde genehmigt und dem langjährigen ver=
dienten
Rechner, Herrn Rechnungsrat Neuß, Entlaſtung
erteilt. Der Voranſchlag für 1911 wurde vorgelegt und
genehmigt. Bei den Wahlen wurden die nach den Satzun=
gen
ausſcheidenden Ausſchußmitglieder Pfarrer Dingeldey
und Rat Sonne=Darmſtadt, Profeſſor D. Schian=Gießen

Vom modernen Herrenhut.

** Die Männer, die ſo gern die neuen Launen
der Damenmode belächeln, ſtehen nicht weniger unter
der Macht der Modegöttin, wenn ſie auch bei dem Er=
laſſe
neuer Geſetze für die Männerkleidung in kluger
Liſt eine andere Taktik einſchlägt. Während die Neuer=
ungen
in der Damentracht in der Regel aus dekora=
tiven
Geſichtspunkten hervorgehen, ſo zeigt die Herren=
mode
mit Vorliebe wenigſtens den Schein einer logi=
ſchen
Geſetzmäßigkeit und begründet jeden Knopf mit
Erwägungen des Zweckdienlichen. Unter dem Schutze
dieſer Logik huldigt auch der Mann der Mode, und der
elegante Kavalier weiß ebenſo wie die Frau, den Nach=
bar
nach einem flüchtigen Blick auf ſeine Kleidung zu
beurteilen, nach Farbe und Form ſeiner Krawatte, ſei=
ner
Weſte, vor allem aber nach dem Stil ſeines Zylin=
ders
. Und doch ſind die Ruhmestage des Zylinders,
dieſes empfindlichen Thermometers männlicher Ele=
ganz
, im Schwinden! Aus London, der Metropole der
Herrenmode, kommen bittere Klagen der Hutfabrikan=
ten
, denn von Jahr zu Jahr nimmt die Widerſtands=
kraft
ab, mit der der Zylinder ſich gegen den Anſturm
ſeiner plebejiſchen Nebenbuhler, des ſteifen Hutes
und vor allem des weichen Filzhutes, wehrt. Nur in
den Herbſttagen, wenn die neue Zylindermode dekre=
tiert
iſt, ſteigt auf kurze Zeit die Nachfrage nach dieſer
Kopfbedeckung, die einſt nicht nur das Vorrecht, ſon=
dern
auch das Wahrzeichen des Kavaliers bedeutete.
Der neueſte Zylinder, deſſen Form nun feſtgeſtellt iſt,
der moderne Zylinder muß genau ſechs Zoll hoch ſein.
Elegante Schwingungen und Kurven der Form ſind
vermieden, ſchlicht, einfach, ſeines inneren Wertes ſich
bewußt, entfaltet er ſeine irdiſche Hülle: eine faſt
kerzengerade Linie von der Krempe bis hinauf zur
Krone. Seidenbänder werden nicht länger getragen,
nur Stoff= oder fein gearbeitete Filzbänder von 1½
bis 1¾ Zoll Höhe ſind erlaubt. Das breite Band, das
noch vor kurzem obne Anſtoß paſſieren konnte, iſt heute

ein Symbol der Unkenntnis der wahren Eleganz;
ſelbſt bei Trauer darf es nicht mehr getragen werden.
Die Höhe des Hutes iſt viel größer, als bisher, aber
der echte Gentleman ſcheut nicht vor dem kleinen Man=
gel
an Folgerichtigkeit zurück, der zwiſchen dieſem
Hute und dem Evangelium der Zweckmäßigkeit ſich
fühlbar macht.
Die Hochburg des Seidenhutes beſchränkt ſich immer
mehr auf die Londoner City, wo Geſchäftsleute und
Bankiers dem alten Symbol, das ſowohl Zuverläſſig=
keit
wie Sinn für Lebensformen in harmoniſcher Ver=
bindung
ausdrücken ſollte, treu bleiben. Im eigent=
lichen
Geſellſchaftsleben verliert der Zylinder von
Jahr zu Jahr an Terrain. Nur die Pariſer Herren=
welt
verteidigt den hohen Hut, wenngleich der Pari=
ſer
Zylinder ſtets kleine Abweichungen von der Lon=
doner
Form zeigt und daher vor dem Forum männ=
licher
Eleganz erſt an zweiter Stelle rangiert. Im
übrigen aber gewinnen die Feinde immer mehr die
Oberhand. Man führt das darauf zurück, daß die
Geſellſchaft nicht mehr ſo konventionell iſt, wie früher.
Wo vor fünf Jahren die Höflichkeit es noch zu gebieten
ſchien, den hohen Seidenhut zu tragen, erſcheinen die
tonangebenden engliſchen Ariſtokraten heute im ein=
fachen
ſteifen Hut, ja im weichen Filzhut. Vor drei
Jahren erkannte man in London an dem weichen Hute
noch den Ausländer; heute iſt das anders, die führende
Jugend hat den maleriſch geknifften, läſſig eleganten
Filzhut in den Codex der eleganten Herrentracht end=
gültig
aufgenommen. Freilich, am Abend bleibt er un=
möglich
; da herrſcht der Zylinder und neuerdings wie=
der
der Chapeau claque. Vor fünf Jahren ſchien es,
als ob die Tage des Chapeau claque endgültig gezählt
ſeien. Aber der Schein trog, er lebt wieder auf und
hat ſogar eine Variante erzeugt: den Chapeau claque
aus mattem, geripptem Atlas, der weniger empfind=
lich
iſt, als die dünne, glänzende Seide, die früher be=
vorzugt
wurde.

Aus Kunſt, Wiſſenſchaft und Leben.

* Berlin, 27. Sept. In der Königlichen Aka=
demie
der Künſte wurde heute nachmittag 3 Uhr die
Gedächtnisausſtellung für Profeſſor Franz
Skarbina und Profeſſor Joſef M. Olbrich im
Beiſein eines geladenen Publikums eröffnet. Unter
den Anweſenden befanden ſich Kultusminiſter von
Trott zu Solz, mehrere Geheimeräte, die Mitglieder
des Senats der Akademie der Künſte und zahlreiche
Freunde und Verehrer der verblichenen Künſtler. Auch
die Familienangehörigen Skarbinas und Olbrichs
waren anweſend. Die Erſchienenen wurden von dem
Präſidenten der Akademie, Profeſſor Artur Kampf,
und dem ſtändigen Sekretär, Profeſſor Ammersdorfer,
begrüßt, worauf die Beſichtigung der Ausſtellung er=
folgte
.
Das neue Poſener Stadttheater.
Man ſchreibt der N. G. C. aus Poſen: Kaum iſt der
Feſttrubel der Poſener Kaiſertage verrauſcht, da ſteht
unſere jüngſte Reſidenzſtadt ſchon wieder im Zeichen
eines feierlichen Ereigniſſes: Das neue Stadt=
theater
, ein Millionenbau von einer für Provinz=
verhältniſſe
ſehr achtungswerten Ausſtattung und
Inneneinrichtung wird am 30. September durch einen
beſonderen Feſtakt, dem die Aufführung der Oper Die
Zauberflöte ſich anſchließt, ſeiner Beſtimmung in An=
weſenheit
des Finanzminiſters Dr. Lentze und des Mi=
niſters
der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach über=
geben
werden. Als mit der räumlichen Ausdehnung
Poſens die Notwendigkeit ſich herausbildete, auch dem
bislang nur ſpärlich gepflegten geiſtigen und
künſtleriſchen Leben der werdenden Großſtadt
würdige Aufmerkſamkeit zuzuwenden, ſtand die
Theaterfrage noch nicht in vorderſter Reihe. Von den
zunächſt entſtandenen wiſſenſchaftlichen Inſtituten
ſeien nur die Kaiſer Wilhelms=Bibliothek, das Kai=
ſer
Friedrich=Muſeum und die Königliche Akademie
genannt. Es blieb als Lücke das Bedürfnis nach einem

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[ ][  ][ ]

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 27. September 1910.

Seite 3.

durch

und Pfarrer Weimar=Nieder=Ramſtadt einſtimmig wieder=
gewählt
. An Stelle des wegen Arbeitsüberhäufung aus=
ſcheidenden
Herrn Geh. Juſtizrat Dr. Lahr=Darmſtadt und
Fabrikant Dörr=Nieder=Ramſtadt wurden die Herren De=
kan
Stock=Hangen=Weisheim und Dekan Jaudt=Planig
neugewählt.
Nach der Mitglieder=Verſammlung fand im Gemeinde=
hauſe
eine öffentliche Hauptverſammlung
ſtatt. Herr Pfarrer D. Grünberg aus Straßburg hielt
darin einen Vortrag über Innere Miſſion und Gemeinde=
arbeit
in Stadt und Land Mittags um 1 Uhr war ein
gemeinſames Mittageſſen der Teilnehmer an der Tagung
im Reſtaurant Sitte. Eine zweite öffentliche Verſamm=
lung
fand dann noch um 3 Uhr im Gemeindehauſe in der
Kiesſtraße ſtatt.
Berichtigung. Die Geſchäftsſtelle der Ausſtel=
lung
des Deutſchen Künſtlerbundes ſchreibt
uns: In Nummer 224 Ihres geſchätzten Blattes (24.
September 1910) brachten Sie von der Ausſtellung des
Deutſchen Künſtlerbundes eine Notiz, worin ausge=
führt
wurde, daß Stucks Salome‟ Dank einer groß=
herzoglichen
Zuwendung in den Beſitz unſeres
Landesmuſeums gelangen wird. Dieſe Notiz enthält
inſofern einen Druckfehler, als es ſtatt großherzog=
lichen
großherzigen heißen muß, und wir wären
Ihnen zu Dank verbunden, wenn Sie eine dahin=
gehende
Berichtigung in Ihrem geſchätzten Blatte ver=
öffentlichen
würden.
Penſionären=Verſammlung. In den Räumen
der Stadt Pfungſtadt zu Darmſtadt tagten am
24. dieſes Monats die Großh. Heſſiſchen Staats=
beamten
a. D., zum zweiten Male ſeit Beſtehen ihres
im vorigen Jahre gegründeten Vereins. Die Verſamm=
lung
war recht gut beſucht, namentlich aus höheren
Beamtenkreiſen. Der erſte Vorſitzende, Rechnungsrat
a. D. Derſch, gab ſeiner Freude hierüber in ſeiner Be=
grüßungsanſprache
Ausdruck und widmete einen be=
ſonderen
Gruß dem Helfer aller Bedrängten, dem er=
ſchienenen
Reichs= und Landtagsabgeordneten Dr.
Oſann. S. K. Hoh. dem Großherzog wurde mit Be=
geiſterung
ein Hoch ausgebracht, hierauf der verſtor=
benen
ſieben Mitglieder ehrend gedacht, und dann in
die geſchäftliche Verhandlung eingetreten. Es erfolgte
durch Herrn Derſch eine Berichterſtattung über die ſeit=
herige
Tätigkeit des Vorſtandes, und wurde dabei tief
beklagt, daß man ſelbſt in den Zeiten finanzieller Hoch=
flut
nicht ſeiner verdienten Beamten im Ruheſtande
gebührend gedachte, als 1897 nochmals, und zwar ſtark
aufgebeſſert wurde. Ebenſo muß es als eine Zurück=
ſetzung
angeſehen werden, daß vor wenigen Jahren bei
Bewilligung von Wohnungsgeld die Ruheſtandsbeam=
ten
einfach leer ausgingen.
Nachdem noch der Vorgänge zu Gunſten einer Beſ=
ſerſtellung
der Penſionäre und deren Hinterbliebenen
in anderen deutſchen Staaten und in Oeſterreich gedacht
wurde, verbreitete ſich Herr Dr. Oſann in längerer
Rede über den Stand der Sache bei der Regierung und
den Ständen. Beruhigend klangen die zu Herzen gehen=
den
Worte; ſie ſprechen dafür, daß eine Beſſerſtellung
ernſtlich geplant iſt. Geh. Juſtizrat Römheld legte in
rechtlicher und moraliſcher Hinſicht das Weſen der Pen=
ſion
eingehend dar. Profeſſor Dr. Weis und Geh. Ober=
ſchulrat
Greim beleuchteten in ſachlicher Weiſe die be=
gründete
Unzufriedenheit und den Notſtand unter den
Penſionären, denen auch Stationsvorſteher Heyder und
Lehrer Hechler beipflichteten. Andere Staaten uſw. ſind
längſt ihren Ruheſtandsbeamten gerecht geworden. Was
die heſſiſchen Penſionäre, insbeſondere die vor 1897,
bis jetzt ſchon alles entbehren mußten, läßt ſich leider
nicht mehr annähernd einholen. Es iſt auch bekannt,
welch’ große Einſchränkungen auf den knapp bemeſ=
ſenen
Gehältern laſteten: Einlage und Beiträge zur
Witwenkaſſe, 3 Prozent Dekretſtempel, keine Umzugs=
koſten
und ſehr wenig Tagegelder uſw. Erſparungen
waren dabei kaum möglich. Heſſen ſollte nicht länger
zurückſtehen in der Fürſorge für ſeine alten, verdien=
ten
Ruheſtandsbeamten, deren Reihen ſich immer mehr
durch den Tod lichten. Da dem Vorſtande im Herbſt
vorigen Jahres ſeitens der drei Herren Miniſter die
wohlwollendſten Verſicherungen gegeben wurden, ſo
darf auf eine dringend notwendige, baldige Hilfe
gehofft werden, um einem eingetretenen Notſtande zu
ſteuern, der durch die Unzulänglichkeit der Witwengel=
der
noch ganz beſonders geſteigert worden iſt.

Rechnungsablage, Neuwahl des Vorſtandes und
Beratung über weitere Schritte bildeten den übrigen
Teil der Tagesordnung. Mit einem warmen Dank an
Herrn Dr. Oſann und der Aufforderung, in Einigkeit
weiter auszuharren, ſchloß der erſte Vorſitzende die
Verſammlung.
* Abſchiedsfeier. Zu Ehren des am 1. Oktober
von hier nach Nürnberg überſiedelnden Chefredakteurs
des Täglichen Anzeigers, Herrn Erich Beuthner,
veranſtaltete der Landesverein heſſiſcher Zeitungs=
redakteure
am Samstag abend im Darmſtädter Hof
eine Abſchiedsfeier, an der die hieſigen Mitglieder des
Landesvereins und Vorſtandsmitglieder des Darm=
ſtädter
Journaliſten= und Schriftſteller=Vereins teil=
nahmen
. Der Vorſitzende gab in einer Anſprache dem
Bedauern über den Weggang des verdienten Vorſtands=
mitgliedes
und wertgeſchätzten Kollegen und herz=
lichen
Wünſchen für ſeine neue Stellung, die einen
ſchönen Fortſchritt für ihn bedeute, Ausdruck. Herr
Beuthner erwiderte mit Worten aufrichtigen Dankes,
gedachte ſeiner hieſigen Tätigkeit und des Vereins,
deſſen Kaſſierer er geweſen iſt, und dankte den Kollegen
für das ihm hier entgegengebrachte Vertrauen. Nach
dem gemeinſamen Eſſen verbrachte man noch mehrere
Stunden in gemütlichem, kollegialem Zuſammenſein.
C. Das Gebäude im Orangeriegarten, das der Groß=
herzog
in deſſen nordweſtlichem Teile neuerdings errich=
ten
ließ, iſt nunmehr bezogen worden. Es enthält ſechs
geräumige Dreizimmerwohnungen, die für Hofbedienſtete
beſtimmt ſind. Der ſtattliche Bau iſt das Werk der Firma
Ludw. Riedlinger.
Der Literariſche Verein, der ſeit einer geraumen
Reihe von Jahren hier beſteht und ſich lebhaften Zu=
ſpruchs
aus den verſchiedenſten Kreiſen der Bevölkerung
erfreut, verfolgt den Zweck, ſeine Mitglieder mit den
neueſten Erſcheinungen unſerer ſchönen Literatur bekannt
zu machen und zugleich alle hervorragenden älteren
Werke ihnen zugänglich zu halten. Dieſen doppelten
Zweck ſucht er einerſeits durch einen Leſezirkel zu er=
reichen
, deſſen Mappen (mit je 3 Büchern) alle 14 Tage
gewechſelt werden, andererſeits durch eine ſehr reichhaltige
Bibliothek, die annähernd 7000 Bände umfaßt. Die
Bücherausgabe findet jeden Montag von 1012 Uhr
im Vereinslokal (Wilhelminenſtraße 9) ſtatt. Infolge
der großen Mitgliederzahl iſt es möglich, den Beitrag
auch jetzt noch, wie ſchon ſeit längerer Zeit, auf der
mäßigen Höhe von 10 Mk. für das ganze Jahr zu
halten. Der Eintritt kann jederzeit, am beſten zu Beginn
eines neuen Quartals, erfolgen.
Allgemeiner deutſcher Frauenverein ( Orts=
gruppe
Darmſtadt.) Man ſchreibt uns: Den Mitgliedern
ſowohl, wie auch allen denjenigen Frauen, die ſich, ob=
ſchon
ſie ſich noch keinem Verein angeſchloſſen haben,
von dem gegenwärtigen Stand der Frauenbewegung
ein Bild machen möchten, empfehlen wir den Beſuch der
9. Generalverſammlung des Bundes deut=
ſcher
Frauenvereine, die in Heidelberg vom
6. bis 9. Oktober ſtattfindet. Der Bund umfaßt zur
Zeit die Mehrzahl aller größeren, bürgerlichen Frauen=
vereine
Deutſchlands, vom kirchlich=konfeſſionell= konſer=
vativen
rechten Flügel bis zum fortſchrittlich=linksliberalen.
Beſonders dürften die Freitag, den 7. Oktober, früh
91 Uhr und nachmittags von 46 Uhr, vorgeſehenen
Vorträge und Diskuſſionen über Das Bürgerrecht der
Frau in der Gemeinde‟ (Referentinnen: Frau Bensheimer
und Dr. Eliſabeth Altmann=Gotheiner), ſowie die Abend=
verſammlungen
am 6. und 7. von allgemeinem Intereſſe
ſein. Die Sitzungen werden ſämtlich in der Stadthalle
abgehalten und ſind, bis auf diejenige am Sonntag von
114 Uhr, zu der nur die Mitgpeder der angeſchloſſenen
Vereine Zutritt haben, offen fl jedermann. Am 9. Ok=
tober
, abends 7 Uhr, iſt, zu Ehren des Frauentages, die
letzte diesjährige Schloßbeleuchtung. Auskunft wird, im
Anſchluß an die nächſte Mitgliederverſammlung im
Hotel Prinz Carl, wenn erwünſcht, gern erteilt.
Deutſcher Flottenverein. Die Kreisgruppe Darm=
ſtadt
hält ihre Hauptverſammlung am Dienstag, den
4. Oktober, im Kaiſerſaal ab. (Näheres ſiehe Anzeige.)
Das Reform=Konſervatorium (Dir. O. Bartke)
hielt am Sonntag vormittag im Fürſtenſaal eine Schüler=
Prüfungsaufführung ab. Man ſchreibt uns dazu: Der
Umfang der Unterrichtsdauer war dem Programm vorge=
druckt
; ſie bewegte ſich zwiſchen 8 Wochen und 5 Jahren.

Das Programm hatte die von den früheren Aufführungen
her bekannte, ſtreng progreſſive Anordnung erfahren und
wurde von einem Teil der Eleven des Inſtituts beſtritten,
deren Leiſtungen beſonders dadurch achtunggebietend ge=
nannt
zu werden verdienen, weil ſie ohne den Lehrer zur
Seite, allein und mit größter Ruhe und Sicherheit ausge=
führt
wurden. Es würde zu weit führen, jeden einzelnen
mit Namen zu nennen; daher beſchränken wir uns darauf,
zu konſtatieren, daß Herr Bartke auch diesmal wie bei ſei=
nen
zahlreichen früheren Aufführungen mit dem Erfolge
zufrieden ſein kann. Das ſehr zahlreich erſchienene Publi=
kum
ließ es an reichem Beifall nicht fehlen. Einen Abſchluß
von hoher Wirkung fand die Aufführung durch die Wieder=
gabe
einer Hymne an die Muſik welche vom Geſangver=
ein
Sängerluſt mit ſchönem, fein ausgearbeitetem Vor=
trag
unter der bewährten Leitung ſeines Direktors O.
Bartke zu Gehör gebracht wurde und ſtürmiſchen Beifall
fand.
Badener=Verein. Man bittet uns nachzutra=
gen
, daß die Dichtung von Karl Hepp, die Herr Hof=
ſchauſpieler
Hacker vortrug, Der Mantel des Kalifen
betitelt iſt.
Das Orpheum eröffnet ſeine Winterſpielzeit
1910/11 am kommenden Samstag, den 1. Oktober, mit
dem Gaſtſpiel des allbeliebten Oberbayeriſchen Bauern=
theaters
(Dir. Michl Dengg). Die Leiſtungen des
Denggſchen Enſembles ſtehen hier in Darmſtadt in zu
gutem Andenken, als daß eine beſondere Empfehlung
nötig wäre. Es wird jedem, der die ſchöne Alpenwelt
und ſeine biederen Bewohner mit ihren altehrwürdigen
Sitten und Gebräuchen ſchätzt und lieben gelernt hat,
manche Stunde reinen Genuſſes gewährleiſtet.
Das 3. Stiftungsfeſt des Zityerklubs Edel=
weiß
findet, wie berichtigend bemerkt ſei, erſt am
Sonntag, den 2. Oktober, im Kaiſerſaal ſtatt.
X Unfall. Am Sonntag nachmittag um 6 Uhr
trat ein Arbeiter des auf der Herbſtmeſſe befindlichen
Luftſchiffkaruſſells unvorſichtiger Weiſe auf eine im
Gang befindliche Transmiſſion des im Innern des
Karuſſells befindlichen Triebwerks. Hierbei geriet
er mit dem Fuß in die Transmiſſion und wurden
ihm zwei Zehen abgequetſcht. Der Verletzte iſt mittelſt
Krankenautomobil in das ſtädtiſche Krankenhaus ver=
bracht
worden.
Körperverletzung. Zwei auf der Aktienziegelei
beſchäftigte Arbeiter ſind in der Nacht von Samstag
auf Sonntag beim Kartenſpiel in Streit geraten. Die=
ſelben
haben ſich hierbei gegenſeitig derart verletzt, daß
beide in das ſtädtiſche Krankenhaus verbracht werden
mußten.
Dornheim, 25. Sept. Bei den Vorbereitungs=
arbeiten
zur heutigen Kirchweihe verunglückte der
Schießbudenbeſitzer Gutjahr von hier dadurch, daß eine
der Patronen, die er für ſeinen am Kirchweihplatz auf=
geſtellten
Schlagbaum ſelbſt herſtellte, bei der Arbeit
explodierte und ihn ſchwer verletzte. Gutjahr erlitt
namentlich ſchwere Brandwunden, ſo daß er alsbald
in das Krankenhaus verbracht werden mußte.
B. Ober=Ingelheim, 26. Sept. In unſerer Ge=
markung
iſt die Leſe der Spätrottrauben im
Gange. Das Ergebnis iſt bezüglich der Menge gering.
Das Moſtgewicht ſtellte ſich bis 71 Grad, dabei wurden
bis 18,2 pro Mille Säure feſtgeſtellt. Die 18 Pfund
Portugieſer erbrachten zuletzt 3,70 Mark.
(*) Lauterbach, 26. Sept. Unſer Städtchen ſteht
heute im Zeichen der Landwirtſchaft. Es findet eine
landwirtſchaftliche Kreisſchau ſtatt, die alle
Gebiete des Ackerbaues, der Tierzucht, des Obſtbaues
uſw. umfaßt. Die Kreisſchau wird von dem Landwirt=
ſchaftskammerausſchuß
der Provinz Oberheſſen ver=
anſtaltet
. An der Spitze des Feſtausſchuſſes ſtand
Kreisrat von Bechtold. Der Feſtzug wurde um 1½ Uhr
in der Bahnhofſtraße aufgeſtellt; er umfaßte 43 Num=
mern
in vier Abteilungen: Frühling, Sommer, Herbſt
und Winter. Der Vorſitzende des Landwirtſchafts=
kammer
=Ausſchuſſes für Oberheſſen, Landtagsabg.
Korell, eröffnete die Ausſtellung. Sie gibt Zeugnis von
dem Aufſchwung, den die Landwirtſchaft im Kreiſe
Lauterbach in den letzten Jahren gemacht hat; ſelbſt vom
hohen Vogelsberg liegen beachtenswerte Erzeugniſſe
vor. Da die Viehzucht das Schwergewicht der Land=
wirtſchaft
im Vogelsberg iſt, ſo ſind auch die einzelnen
Abteilungen der Tierzucht reichlich und mit Pracht=
exemplaren
beſchickt. Die Geflügelausſtellung zeigt

den großſtädtiſchen Verhältniſſen angepaßten Theater.
Im Jahre 1880 war das alte Theater erbaut worden,
in einer Zeit mit beſcheidenen Anſprüchen, die bei wei=
tem
nicht die ſpätere ſchnelle Entwickelung ahnen ließ;
ein Bau mit äußerſt beſchränkten Raumverhältniſſen,
engen, niedrigen Korridoren und unzweckmäßiger, bald
durch die moderne Technik überholter Inneneinricht=
ung
; dazu noch feuergefährlich.
So wurde denn im März 1908, nachdem man ſich
eines größeren ſtaatlichen Zuſchuſſes verſichert hatte,
von den Poſener Stadtverordneten mit großer Mehr=
heit
die Errichtung eines neuen, ganz modern aus=
geſtatteten
Stadttheaters beſchloſſen, und zwar nach
den Plänen des Architekten Profeſſors Max
Littmann in München, des Erbauers des Wei=
marer
Hoftheaters. Die klaſſiſchen Formen des letz=
teren
ſind auch bei dem jetzt fertig geſtellten neuen, in
der Nähe des Schloſſes errichteten Poſener Muſen=
tempel
innegehalten. Seiner Vorderfront gibt ein von
ſechs mächtigen Säulen getragener Portikus ein monu=
mentales
, vornehm=ruhiges Gepräge. Landſchaftlich
und architektoniſch iſt der Bau den palaſtartigen Mo=
numentalbauten
in der Umgebung harmoniſch ange=
paßt
. Vorgelagert iſt der Front eine etwas tiefer lie=
gende
, mächtige Raſenfläche mit ſtilvoller Teichanlage
und Springbrunnen, an welche auf der einen Seite
das ſtattliche Akademiegebäude, auf der anderen das
in trotzigen Linien emporſtrebende Reſidenzſchloß an=
grenzt
. Das Theater iſt für 1000 Sitzplätze eingerichtet;
ſeine Koſten belaufen ſich auf 2035.000 Mark; wovon
der Staat 800000 Mark zuſchießt. Ich habe Euch
alles recht ſchön hier gemacht, für das andere müßt Ihr
nun ſelbſt ſorgen, ſagte der Kaiſer, als er ſich am 22.
Auguſt auf dem Bahnhofe verabſchiedete. Zu der im
Nachſatz der kaiſerlichen Aeußerung enthaltenen Auf=
forderung
dülfte auch das neue Stadttheater als ge=
wichtiger
Kulturfaktor an der Eingangspforte der Oſt=
mark
ſein Teil zur Verwirklichung beitragen, indem
es ſich als eine Pflanzſtätte deutſcher Geſinnung und
B.
Geſittung erweiſt. . . . .
* Geheimerat Louis Jakobi, der Wieder=
erbauer
der Saalburg und Ehrenbürger der
Stadt Homburg, iſt am Samstag in Homburg nach
ſchwerem Leiden geſtorben. Noch vormittags hatte
ſich der Kaiſer telegraphiſch nach ſeinem Befinden er=
kundigt
. Jakobi entſtammt einer alten Homburger
Familie. Als Sohn des landgräflichen Haushofmini=
ſters
Chriſtian Jakobi am 21. April 1836 geboren, reiſte
er ſchon mit vierzehn Jahren nach Amerika, wo er in

Buffalo in einer Maſchinenfabrik Beſchäftigung fand.
Abends beſuchte er die engliſche Gewerbeſchule. Später
zog er nach St. Louis, dann nach Mobile und kehrte
im Herbſt 1856 in die Heimat zurück, um ſich als Ar=
chitekt
in Karlsruhe auszubilden. Vorübergehend war
er in Mülhauſen beſchäftigt, leitete dann 1860 den gro=
ßen
Umbau des Kurhauſes in Homburg und behielt
auch dauernd die Leitung aller Kurhausarbeiten. Das
von ihm in Homburg erbaute Kriegslazarett wurde
als Muſteranſtalt auf der Wiener Weltausſtellung
prämiiert. 1873 begann Jakobi römiſche Fundſtücke
der Saalburg zu ſammeln und dem Publikum zugäng=
lich
zu machen. In den Kriegsjahren trat die kaiſer=
liche
Familie mit ihm in freundſchaftlichen Verkehr.
In dieſem Jahre war das Kaiſerpaar perſönlich wäh=
rend
ſeines Homburger Aufenthaltes bei Jakobi er=
ſchienen
, um ihm zu ſeinem Geburtstage zu gratu=
lieren
.
Breslau, 26. Sept. Rektor Profeſſor Schenk
macht bekannt, daß die Eröffnung der neu erbau=
ten
Techniſchen Hochſchule in Breslau am
1. Oktober erfolgt. Es beſtehen Abteilungen für Ma=
ſchinen
=Ingenieurweſen, Elektrotechnik, Chemie, All=
gemeine
Wiſſenſchaften und Hüttenkunde. Die Vor=
leſungen
beginnen am 15. Oktober. Bis auf drei Pro=
feſſoren
, deren Ernennung bevorſteht, iſt der Lehr=
körper
vollzählig. Die Koſten für die geſamte Bau=
anlage
und innere Einrichtung betragen etwa 580000
Mark.
C. Meteorologiſches aus Heſſen (vgl.
Nr. 196 d. Bl. vom 23. Auguſt). Der diesjährige Auguſt
hinterließ einen freundlicheren Eindruck als der Juli,
war aber immer noch recht veränderlich und ziemlich
kühl. Das höchſte Monatsmittel der Temperatur weiſt
wieder Mainz mit 18,1 Grad Celſius auf, dem Worms
mit 17,5, Offenbach mit 17,3 und Darmſtadt mit 17,1
folgen. Den niedrigſten Wert notiert Ulrichſtein mit
14,2 Grad. Die höchſten Stände fielen allenthalben
auf den 21., wo in Mainz 29,1 Grad abgeleſen wurden,
gegenüber nur 23,3 in Ulrichſtein (Darmſtadt 27,5).
Die tiefſten Stände wurden an den meiſten Stationen
am 28. beobachtet, während in Michelſtadt der 8. mit
nur 6 Grad das Monatsminimum der 10 Stationen
aufweiſt. Tage mit mindeſtens 25 Grad gab es höch=
ſtens
6 (in Mainz), wogegen Ulrichſtein keinen ein=
zigen
verzeichnete (Darmſtadt 4). Der Prozentſatz der
Bewölkung ſchwankt zwiſchen 55 in Alzey und 77 in
Gießen (Darmſtadt 58) bei weit überwiegenden äquato=
rialen
Winden. Die Höchſtzahl der klaren Tage war

3 in Darmſtadt, Worms und Alzey, während ſolche in
Offenbach und den meiſten oberheſſiſchen Stationen
fehlten. Die Verteilung der Niederſchläge war in=
folge
der häufigen Gewitterregen ſehr unregelmäßig.
Die Mengen ſchwanken zwiſchen 58 Millimeter in
Homberg und 176,4 in Nieder=Saulheim ( Darm=
ſtadt
65,7), während die größte Tagesſumme Schlitz mit
48,5 aufweiſt, gegenüber nur 12,2 in Alzey. Hagel
wurde nur an 12 unter den 47 Stationen ein= bis
zweimal beobachtet, während die Zahl der Gewitter
mit häufigen verderblichen Blitzſchlägen bis zu 9 an=
ſteigt
(Darmſtadt, Worms, Lindenfels, Vilbel). Auf=
fallend
war dagegen die Gewitterarmut im Vogels=
berg
. Das Temperaturmittel des meteorologiſchen
Sommers 1910 blieb in Darmſtadt, von wo allein län=
gere
Aufzeichnungen vorliegen, um 1,3 Grad hinter
dem Mittel zurück, ſodaß daſelbſt der heurige Som=
mer
in den letzten 49 Jahren der drittkühlſte war.
Beſonders bemerkenswert iſt dabei, daß nunmehr fünf
Sommer hintereinander, und zwar zum Teil ſehr er=
heblich
, zu kühl waren, während die höchſte Zahl auf=
einanderfolgender
kühler Sommer bisher nur vier
geweſen war, nämlich von 1888 bis 1891.
* Frankfurter. Theater=Spielplan.
1. Opernhaus. Dienstag, 27. Sept.: Liebelei.
Mittwoch, 28. Sept.: Der Graf von Luxemburg, Don=
nerstag
, 29. Sept.: Liebelei. Freitag, 30. Sept.: Ge=
ſchloſſen
. Samstag, 1. Okt.: Gaſtſpiel von Enrico Ca=
ruſo
: Alda. Sonntag, 2. Okt., 3¼ Uhr: Undine, abends
7 Uhr: Der Graf von Luxemburg. Montag, 3. Okt.:
Lohengrin. Dienstag, 4. Okt.: Gaſtſpiel von Enrico
Caruſo: Carmen. 2. Schauſpielhaus. Diens=
tag
, 27. Sept.: Don Carlos. Mittwoch, 28. Sept.: Ein
idealer Gatte. Donnerstag, 29. Sept.: Der Richter
von Zalamea. Freitag, 30. Sept.: Das Konzert.
Samstag, 1. Okt.: Das vierte Gebot. Sonntag, 2. Okt.,
3½ Uhr: Der große Name, 7 Uhr: Das vierte Gebot.
Montag, 3. Okt.: Der Graf von Gleichen. Dienstag,
4. Okt.: Das vierte Gebot.
Spielplan des Großh. Hof= und Natio=
nal
=Theaters in Mannheim. Dienstag, 27.
Sept.: Tiefland. Mittwoch, 28. Sept.: Der Gwiſſens=
wurm
. Donnerstag, 29. Sept.: Suſannens Geheim=
nis
, Brüderlein fein. Tänze. Freitag, 30. Sept.: Der
Barbier von Bagdad. Samstag, 1. Okt.: Neu ein=
ſtudiert
: Gelehrte Frauen, Tartüff. Sonntag, 2. Okt.:
Alda.

[ ][  ][ ]

Seite 4

Nummer 226.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 27. September 1910.

allein 235 Nummern. Ebenſo wie die Kreisſchau, fin=
det
auch die Ausſtellung des Volksbildungsvereins
allgemeine Beachtung; ſie befindet ſich im Saale zum
Johannisberg und zeigt Erzeugniſſe der Heimatkunſt
aus drei Jahrhunderten. Alte Trachten, Geräte,
Waffen, Handwerkszeuge, Bauernſtuben, Zunftladen
uſw. ſind in ſchöner Weiſe zuſammengeſtellt. Die Aus=
ſtellung
ſchließt am Dienstag.
A Ehringshauſen (Oberheſſen), 26. Sept. In der letz=
ten
Woche fand die Abnahme der in dieſem Frühjahr
in Angriff genommenen Waſſerleitungsarbei=
ten
ſtatt. Die für die Waſſerverſorgung geſchürften
Quellen befinden ſich in der Nähe von dem zu unſerer
Gemeinde gehörigen Oberndorf und liegen ſo hoch, daß
ſie mit natürlichem Gefälle dem Hochbehälter und dem
Ort zugeführt werden konnten. Der Hochbehälter, der 100
Kubikmeter Waſſer faßt, reicht mit ſeiner Höhenlage gerade
noch aus, um das neu erbaute Stationsgebäude und die
hochgelegenen Häuſer am Bahnhof mit Waſſer zu verſor=
gen
. Das Projekt wurde von der Großh. Kultur= Inſpek=
tion
Gießen aufgeſtellt, die auch die Ausführung der Ar=
beiten
geleitet hat.
(*) Aus dem Kreiſe Gießen, 25. Sept. Eine außer=
ordentlich
reiche Obſternte ſteht der Kreis=
ſtraßenverwaltung
bevor. In dieſen Tagen werden
rund 3300 Zentner Obſt verſteigert, darunter befinden
ſich in erſter Linie vorzügliche Sorten Taſeläpfel, wie
Goldparmänen, Schöner von Boskoop, Landsberger,
Edeläpfel und mehrere Reinettearten. Birnen und
Zwetſchen gibt es nur in geringen Mengen.
(**) Gambach, 25. Sept. Das heſſiſche Wander=
tuberkuloſe
=Muſeum macht jetzt in den größeren
Orten der Wetterau die Runde. Geſtern wurde es
hier durch Geheimrat Dr. Dietz=Darmſtadt und im Bei=
ſein
des Bürgermeiſters Reuhl eröffnet Dr. Dietz gab
die Erläuterungen über Gefahr und Verbreitung der
Tuberkuloſe und über die Mittel zu ihrer Bekämpfung.
Sanitätsrat Dr. Ohnacker=Butzbach und Dr. Krug=
Butzbach hatten heute die Leitung der Ausſtellung. Der
Beſuch von hier und den umliegenden Orten war ſehr
zahlreich.

Reich und Ausland.
Aus der Reichshauptſtadt, 25. Sept. In der Roſtocker
und der Sitkingenſtraße, ſowie anderwärts fanden, wie
ſchon gemeldet, im Laufe des geſtrigen Tages zwiſchen
den ausſtändigen Arbeitern der Firma Ernſt
Kupfer & Ko. (Steglitzer Straße 44) und den Ar=
beitswilligen
ſchwere erneute Zuſammen=
ſtöße
ſtatt, ſo daß die Moabiter Polizei in einer Stärke
von 100 Mann unter Leitung des Polizeimajors Klein auf=
geboten
ward. In der Roſtocker Straße wurden nach=
mittags
zwei Geſpanne der Firma Kupfer von den Aus=
ſtändigen
überfallen, obwohl jeder Wagen von vier Poli=
ziſten
begleitet war. Die Geſchirre wurden zerſchnitten
und die Kutſcher, Hilfsarbeiter, ſowie die Beamten mit
einem Hagel von Steinen überſchüttet, ſo daß ſie flüchten
mußten. In der Lützowſtraße wurde ein berittener Schutz=
mann
durch Steinwürfe verletzt. Als gegen 3 Uhr an
dem Eliſabeth=Krankenhaus einige Kohlenwagen vorbei=
fuhren
, wurde das arbeitswillige Perſonal von Streiken=
den
angegriffen, ſo daß mehrere Poliziſten, darunter auch
ein berittener Schutzmann, den Bedrängten zu Hilfe eilten.
Jetzt aber drang man auf die Beamten ein und bewarf ſie
mit Steinen, von denen einer dem berittenen Schutzmann
den Helm durchſchlug. Gegen 6 Uhr nachmittags ver=
ſammelten
ſich in der Sikkingenſtraße wohl 1500 Perſonen,
die unter Johlen und Pfeifen gegen die Lagerplätze der
Kohlenfirma Kupfer & Ko. vordrangen. Die ſofort alar=
mierten
Revierwachen waren dem Anſturm der Menge
gegenüber machtlos, ſo daß Berittene gerufen werden
mußten. Als die Maſſen immer noch nicht zurückwichen,
ließ Major Klein blank ziehen. Dies war das Zeichen
zum Angriff. In der nächſten Minute flogen Holzteile,
Stöcke, Schirme und Steine gegen die Poliziſten. Wie es
heißt, ſollen auch Revolverſchüſſe abgefeuert worden ſein.
Erſt in ſpäter Abendſtunde gelang es den Beamten, die
zahlreiche Verhaftungen vorgenommen hatten, die Menge,
unter der ſich viele Frauen befanden, zu zerſtreuen. Die
Sikkingenſtraße blieb von der Beuſſelſtraße bis zum Stra=
ßenbahnhof
Wiebeſtraße geſperrt. Auch die Plätze der
Firma wurden von 20 Wachmannſchaften beſonders ge=
ſchützt
. Die ſchweren Ausſchreitungen veranlaßten die

Kleines Feuilleton.
Die Entdeckung Berlins. Seitdem Jules
Huret den Pariſern ſein Loblied auf Berlin geſungen hat,
rückt auch in den Augen des nicht immer neidloſen Aus=
lands
das einſtige Aſchenbrödel unter den europäiſchen
Metropolen zur kosmopolitiſchen Muſterſtadt empor.
Immer größer wird die Zahl der Ausländer, die Berlin
entdecken und ihren Mitbürgern die Reichshauptſtadt als
Vorbild empfehlen. Erſt vor kurzem hat ein italieniſcher
Schriftſteller eine Lobeshymne auf Berlin angeſtimmt, nun
folgt ein britiſcher Beobachter, der ſeine Eindrücke im
Daily Expreß niederlegt. Als Engländer, ſo beginnt er,
wußte ich natürlich alles über Deutſchland, ehe ich es
kennen lernte. Berühmte Lehrer hatten mich unterwieſen.
Ich wußte z. B., als ich die Fahrt über den Kanal antrat,
daß alle deutſchen Frauen wie Fäſſer ausſehen. Nun, da
ich hier geweſen bin und die Hauptſtadt wie die Provinz=
ſtädte
kennen gelernt habe, nun denke ich anders und habe
die Lehren, die ich daheim empfing, als grobe und kindliche
Verleumdungen erkannt. Vor Jahren ſank ich nieder und
betete Paris an und ſchwor, daß es keine zweite ſo ſchöne
Stadt geben könne. Heute gilt mir Berlin als ſchöner.
Gewiß, Berlin hat keine Champs Elyſées und die Linden
können ſich nicht mit der prächtigen Avenug, die zum
Pariſer Triumphbogen führt, meſſen. Doch nimmt man
Berlin im Querſchnitt, dann entthront es in meinem Geiſte
Paris. Kraft, Sauberkeit, Ordnung und Pracht ſind über=
all
. Berlin iſt ein Ausdruck von Macht, Geſundheit und
Schönheit, und über all dem thront das eine Wort: Fort=
ſchritt
! Ich habe auch die Arbeiterviertel in Berlin beſucht,
war in den öffentlichen Speiſeanſtalten, in den Tanzſälen,
in den Gärten, wo der Arbeiter mit ſeiner Familie ſein
Bier trinkt. Wenn ich in den Arbeitervierteln die Kinder
ſah, dann fühlte ich Mitleid mit den bleichen, dünnarmigen,
müden Kindern Londons! Auf allen meinen Wande=
rungen
durch die deutſche Hauvtſtadt ſah ich nicht einen
einzigen zerlumpten Mann, keine ungekämmte, gebeugte
Frau, kein blaſſes, ſchwächliches Kind. Die Kraft, das iſt
der Schlüſſel Berlins; das lehrt die Geſchäftigkeit, lehren
die mächtigen Gebiete, wo die großen Fabriken rauchen.
Der Handel füllt die Adern dieſes Organismus. Ueberall
ſtarke, pulſierende Geſundheit. Deutſchland ſchreitet voran
mit mächtigen, ſicheren Schritten
* Der Normalvertrag. Den Roſenkava=
lier
von Richard Strauß und die vielerörterten Auf=
führungsbedingungen
haben ſichedie Witzblätter natürlich

Polizei, auch heute ein ſtarkes Schutzmannsaufgebot in der
Nähe der Kohlenplätze zu halten. Für den Montag wurde
der Wachdienſt auf 150 Mann verſtärkt. Bei dem
Motor=Rennen auf dem Sportplatz Steglitz ereignete
ſich heute ein gefährlich ausſehender Motorradſturz. Der
Fahrer Lieſe kam in der Kurve mit ſeinem Motorrad zu
Fall und über ihn hinweg ſtürzte der Fahrer Polck. Mit
brennenden Kleidern eilte Lieſe die Kurve hinab. Beide
kamen verhältnismäßig glimpflich davon. Polck erlitt Ver=
letzungen
an den Händen und eine ſtark blutende Wunde
am Kopf. Lieſe wurde am rechten Arm verletzt.
Durch mehrere Revolverſchüſſe wurden geſtern nach=
mittag
kurz nach 3 Uhr die Bewohner des Hauſes
Scharnhorſtſtraße 27 aufgeſchreckt. Wie ſich ergab, hatte
dort im dritten Stock des Vordergebäudes der 28 jäh=
rige
Gardeleutnant v. Lieres die 30jährige Schnei=
derin
Anna Grabow durch einen Revolverſchuß zu
töten geſucht und dann die Waffe gegen ſich ſelbſt ge=
richtet
. Während das Mädchen nur leicht verletzt iſt,
hat ſich von Lieres durch einen Schuß in den Kopf ſo
ſchwer verwundet, daß er kaum mit dem Leben davon=
kommen
dürfte. Leutnant von Lieres war erſt geſtern
aus dem Manöver zurückgekehrt. Vor langer Zeit
hatte er die Schneiderin Anna Grabow kennen ge=
lernt
und mit ihr ein Verhältnis angeknüpft. Das
Mädchen verfolgte den Offizier auf Schritt und Tritt.
Heute abend gelang es der Schöneberger Kriminal=
polizei
, auch des Hauptdiebes an dem ſchweren Ein=
bruchsdiebſtahl
habhaft zu werden, der in der
Nacht auf den 17. September in der Villa des Ban=
kiers
Moſeler in Dahlem begangen wurde.
In einem Friedenauer Tanzlokal wurde der frühere
Diener des beſtohlenen Bankiers Berndt verhaftet.
Der überraſchte Verbrecher wollte mit einem Revol=
ver
, den er ſtets bei ſich trug, ſeinem Leben ein Ende
machen, die Waffe wurde ihm jedoch rechtzeitig ent=
wunden
. Er legte ein volles Geſtändnis ab. An Geld
fand man ſo gut wie nichts bei ihm vor.
Metz, 26. Sept. In der Angelegenheit des Raub=
anfalles
auf den Rechnungsführer der Grube
Maringen ſind bisher drei Täter verhaftet worden,
alle Italiener, die früher ſchon auf der Grube beſchäf=
tigt
waren und deren einer mit den dortigen Verhält=
niſſen
genau vertraut war. Von dem geraubten Gelde
iſt bisher noch nichts gefunden worden; wahrſcheinlich
liegt es im Walde von Jaumont verſteckt. Der Ueber=
fall
hat in der ganzen Umgebung große Erregung
hervorgerufen. Die Polizei hatte Mühe, die drei Ver=
hafteten
vor der Volkswut zu ſchützen. Der Rech=
nungsführer
, der einen Stich in den Kopf erhalten hat,
befindet ſich auf dem Wege der Beſſerung.
München, 26. Sept. Nach Schluß des Oktober=
feſthauptſonntages
entſtand geſtern abend auf
der Feſtwieſe ein gewaltiger Tumult infolge
der Verhaftung zweier Meſſerhelden. Bei der Polizei=
wache
, auf welche die letzteren verbracht wurden,
proteſtierte eine 3000= bis 4000köpfige Menſchenmenge
durch Lärmen und Johlen gegen die Verhaftung.
Einem halben Hundert Schutzleute gelang es, die
Menge zu zerſtreuen, ohne daß das auf der Wieſe be=
reitgehaltene
Militäraufgebot hinzugezogen zu werden
brauchte.
Paris, 26. Sept. Ein furchtbares Unglück
ereignete ſich geſtern in der Rue de Rennes. Ein
Fiaker, in dem ſich die Frau des Gerichtsaktuars Ville=
relle
mit ihren Kindern und ihrer Schweſter befand,
geriet zwiſchen zwei Trambahnwagen und wurde voll=
ſtändig
zertrümmert. Die Frau und ihr elfjähriges
Töchterchen ſtürzten unter die Räder und wurden zer=
malmt
; die übrigen Inſaſſen des Fiakers erlitten
ſchwere Verletzungen. Die Feuerwehr mußte requiriert
werden, um die Leichen unter den Rädern herauszu=
holen
.
Paris, 25. Sept. Auf der Paris=Lyon=Mittelmeer=
Bahn wurden heute nacht in der Nähe des Pariſer
Vorortes Maiſon=Alfort von bisher unbekannten
Miſſetätern 17 Signaldrähte und fünf Tele=
graphendrähte
entzwei geſchnitten. Fer=
ner
wurden längs der Straße 26 Telegraphendrähte
zerſchnitten.
Kopenhagen, 25. Sept. Bei dem Internationalen
Pferderennen bei Kramenborg ſtürzte das deutſche
Pferd Conradi mit Freiherrn von Wangenheim,
der eine Gehirnerſchütterung erlitt.

richt entgehen laſſen. Die Luſtigen Blätter bringen fol=
denden
deutſchen Normalvertrag‟: Der Komponiſt
Richard Strauß übergibt ſeine neue Oper Der Roſen=
kavalier
der Hofbühne zu . . . . als demnächſt einzuſtudie=
rende
Novität. Dafür geht die genannte Hofbühne vom
Datum des Vertragsſchluſſes ab in den Beſitz des Kom=
poniſten
Richard Strauß über. Der Roſenkavalier wird
allabendlich aufgeführt, mit Ausnahme derjenigen Abende,
an denen Elektra gegeben wird. Mit Zuſtimmung des
Komponiſten darf die Elektra an gewiſſen Tagen abge=
ſetzt
werden, ſobald an dieſem Tage die Salome oder
der Roſenkavalier auf dem Spielplan erſcheinen. Als
Aequivalent erhält Herr Richard Strauß die Geſamtein=
nahme
, zwanzig Prozent vom Brutto, den Theaterfundus,
den Baugrund, das perſönliche Vermögen des Intendan=
ten
, die Hälfte aus den Steuererträgniſſen des Landes, ein
Drittel der Zivilliſte und fünf Freibilletts zu jeder Vor=
ſtellung
. Die Dekorationen werden ſtreng nach den Wün=
ſchen
des Komponiſten auf Koſten der Hofſchatulle herge=
ſtellt
; ſobald ſie angefertigt ſind, gehen ſie in den Beſitz des
Komponiſten über, der ſie gegen eine abendliche Leihgebühr
dem Hoftheater überläßt. Die erſten zehn Aufführungen
werden von Richard Strauß perſönlich dirigiert. Er wird
zu jeder dieſer zehn Premieren in einem neuen Automobil
abgeholt, das nach dieſer Benutzung an den Komponiſten
verfällt. Konventionalſtrafen greifen Platz: wenn der Kom=
poniſt
bei einer Vorſtellung weniger als drei Dutzend Mal
gerufen wird; wenn der Roſenkavalier heiſer ſingt; wenn
das Haus nicht ausverkauft iſt; in allen übrigen Fällen.
Die Höhe der Konventionalſtrafe wird vom Komponiſten
beſtimmt, ſobald ſie verwirkt iſt.
* Auch ein Bankdirektor! Unter dieſer
Ueberſchrift berichtet die Voſſiſche Zeitung aus Berlin:
Wegen großer Betrügereien, die ſich vielleicht auf
Hunderttauſende belaufen, deren Höhe ſich aber noch
nicht überſehen läßt, iſt der Bankdirektor Otto Satt=
ler
, ein junger Mann von 28 Jahren, wie ſchon be=
richtet
wurde, auf Veranlaſſung des Unterſuchungs=
richters
von der Kriminalpolizei feſtgenommen wor=
den
. Sattler, der aus Wien gebürtig iſt, kam vor zwei
oder drei Jahren nach Berlin und verſuchte zuerſt, ſich
als Zeitungsverleger eine Stellung zu ſchaffen. Er
gründete ein Blättchen, das er Leuchtturm nannte,
das aber gleich am erſten Tage in Börſenkreiſen als ein
Revolverblatt bezeichnet wurde. Von dem Blättchen
erſchien nur eine einzige Nummer. Auch der Kom=
pagnon
=Sattlers, ein Mann namens Pickenbach, ver=

London, 29. Sept. Eine von 10 200 armen Frauen
unterzeichnete Petition gegen das Automo=
ilunweſen
wurde der Königin von England über=
reicht
. Die Zeichnerinnen wohnen ſämtlich an Auto=, ſie erklären, ihre Kinder ſeien fort= in Gefahr, ihre Sachen würden vom Staub
verdorben, ſie könnten ihre Fenſter nicht öffnen, und
ihre Nachtruhe werde durch den Lärm geſtört. Es
würde große Abhilfe bringen, wenn die Automobile
langſam durch die Dörfer fahren müßten. Sie=
wüßten
nicht, was zu tun ſei, und wendeten ſich daher
an die Königin.

Kunſtnotizen.
Aeber Werke, Künſtler und künſtleriſche Veranſtaltungen ꝛc., deren im Nach=
ſtehenden
Erwähnung geſchieht, behält ſich die Redaktion ihr Urteil vor.
Sinfonie=Konzerte im Großh. Hof=
theater
. Unter der ſtattlichen Zahl der in zykliſcher
Form alljährlich wiederkehrenden muſikaliſchen Veranſtal=
tungen
ſtehen im kommenden Winter wieder die 6 Sin=
fonie
=Konzerte der hieſigen Hofkapelle an
erſter Stelle. Bei der Aufſtellung des geſamten Programms
ſind in unverkennbarer Weiſe zwei Geſichtspunkte maß=
gebend
geweſen: Mit Recht iſt dem in weiten Kreiſen vor=
herrſchenden
Verlangen nach einer ausreichenden Vorfüh=
rung
moderner Werke Rechnung getragen worden. Mit
größeren Orcheſterwerken ſind neben den bekannten Mei=
ſtern
Brahms, Tſchaikowsky, R. Strauß, Fr. Volbach,
Saint=Saéns, Sinigaglia und Ceſar Frank die vier
zuletzt Genannten mit erſtmalig in Darmſtadt zur Auffüh=
rung
kommenden Werken noch drei Namen vertreten,
die hier zum erſten Male auf einem Konzertſpielplane ver=
zeichnet
ſtehen: Guſtav Cords mit einer ſinfoniſchen Dich=
tung
Gudrun Walther Braunfels, von dem Orcheſter=
variationen
über ein altfranzöſiſches Volkslied im zweiten
Konzert geſpielt werden, und Walter Lampe, deſſen Sere=
nade
für Blasinſtrumente dem ausgezeichneten Bläſerchor
unſerer Hofkapelle wieder einmal Gelegenheit zu glänzen=
der
Betätigung ſeines Könnens geben wird. Andererſeits
wird die große Gemeinde derer, die im Anhören klaſſiſcher
Meiſterwerke erſt volle Befriedigung für Geiſt und Gemüt
finden, mit Genugtuung erkennen, daß auch diesmal die
alten, in ihrer monumentalen Größen immer wieder Licht
und Freude ſpendenden Tonheroen Mozart und Beethoven
den ihnen gebührenden Ehrenplatz einnehmen. Eine kurze
Betrachtung über die zur Mitwirkung berufenen Soliſten
behalten wir uns für eine ſpätere Gelegenheit vor. Er=
wähnt
ſei nur noch, daß das 1. und 6. Konzert wieder mit
bedeutend verſtärktem Orcheſter ſtattfinden wird und daß
der materielle Ertrag der Konzerte nach wie vor für eine
außerordentlich ſegenſpendende Einrichtung, den Wit=
wen
= und Waiſenfonds der Großh. Hof=
muſik
beſtimmt iſt. Die Inſtitution der Hofmuſik=
Konzerte dient demnach mit der Erfüllung ihrer hohen
künſtleriſchen Miſſion zugleich einem eminent humani=
tären
Zwecke, indem die ausübende Künſtlerſchar den ihr
ſelbſt nicht werdenden klingenden Lohn den ſo oft der Hilfe
dringend bedürftigen Hinterbliebenen zugute kommen läßt.
Und ſo wird auch den Konzertbeſucher das Bewußtſein er=
füllen
, daß er, indem er ſich einen bedeutenden Kunſtgenuß
verſchafft, auch zu dem Gedeihen eines Werkes edler
Menſchlichkeit ſein Teil beiträgt.
Kammermuſik=Vereinigung (de Haan,
Schmitt, Bornemann, Schwerley, Andrä). Wie bereits be=
kannt
ſein dürfte, findet die erſte Matinee kommenden
Sonntag, 2. Oktober, ſtatt. Der Abſicht entſprechend, dieſen
Winter auf Werke der modernen Kammermuſik zu verzich=
ten
und nur ſolche von Bach bis Schumann in chronologi=
ſcher
Reihenfolge vorzuführen, wird das Programm eine
Sonate für Violine und Klavier von Bach und Streich=
quartetts
von Haydn und Dittersdorf bringen. Letzterer,
ein Zeitgenoſſe Haydns und einer der fruchtbarſten Kom=
poniſten
der damaligen Zeit hat er doch mehr als 30
Opern, gegen 60 Sinfonien, mehrere Oratorien, Kantaten
und viele Sachen für Violine und andere Inſtrumente,
Streichquartette uſw. hinterlaſſen verdient beſonders,
daß ſeine Werke dem Publikum öfters gebracht werden,
ſind ſie doch voll von muſikaliſcher Schönheit und Liebens=
würdigkeit
. So wird auch ſein Streichquartett, das näch=
ſten
Sonntag geſpielt wird, die Zuhörer erfreuen.

zichtete dgrauf, es weiter erſcheinen zu laſſen. Sattler
gründete nun ein Bankgeſchäft Mercur in der
Oranienburger Straße 51. Er gab dem kleinen Ge=
ſchäftchen
den hochtönenden Untertitel Bank=, Kom=
miſſions
= und Finanzierungs=Inſtitut‟ Die Bank war
beſonders für den Fernverkehr eingerichtet und beſchäf=
igte
von vornherein Agenten in der Provinz. Vor
einem Jahre vergrößerte Sattler das Geſchäft und ver=
legte
es nach der Ecke der Oranienburger und Friedrich=
ſtraße
, wo er den ganzen erſten Stock mietete. Die
Einrichtung war reich, und beſonders die großen Geld=
ſchränke
erregten ſofort die Aufmerkſamkeit der Kund=
ſchaft
. Viele Stenographinnen und Maſchinenſchreibe=
rinnen
arbeiteten den ganzen Tag. Ein großer Konfe=
renzſaal
, wie er in großen Bankinſtituten üblich, fehlte
auch nicht. Ob er jedoch jemals gebraucht worden iſt,
ſteht dahin. Aufſchriften an den Fenſtern und die
Briefbogen der Bank trugen ſtolz den preußiſchen
Adler. Das Geſchäft ging jetzt noch viel flotter als
früher. Aber bald befaßte ſich auch ſchon die Kriminal=
polizei
mit dem Herrn Direktor Sattler, ſeiner
Gründung und ſeinem Betrieb. Schon vor einigen
Monaten nahm ein Kriminalkommiſſar mit einem
Sachverſtändigen eine eingehende Durchſuchung der
Räume und eine Prüfung des Betriebes vor. Es ergab
ſich, daß die Umſätze ſehr hoch waren. Nachdem ſich
inzwiſchen auch der Unterſuchungsrichter mit Sattler
beſchäftigt hatte, erſuchte ihn der Kriminalkommiſſar
um eine Rückſprache auf dem Polizeipräſidium.
Zur verabredeten Zeit fuhr er von ſeiner Villa im
Grunewald aus mit einem ſchönen Automobil vor. Die
Unterredung dauerte nicht lange. Dann zeigte der
Kommiſſar Herrn Sattler den Haftbefehl des Unter=
ſuchungsrichters
und ließ ihn mit ſeinem eigenen Auto=
mobil
nach Moabit bringen. Um wieviel die Kund=
ſchaft
in der Provinz betrogen worden iſt, läßt ſich
heute noch nicht ſagen.
* Auf 26 männliche Einwohner eine Gaſt=
wirtſchaft
. Vor dem Senat der pfälziſchen Regierung
kam eine Beſchwerde wegen Nichterteilung einer Wirt=
ſchaftskonzeſſion
in Neuſtadt a. d. H. zur Verhandlung,
Vom Bezirksamt war Mitteilung gemacht worden, daß in
Neuſtadt 153 Wirtſchaften vorhanden ſind, ſo daß auf je
26 erwachſene männliche Bewohner eine Wirtſchaft kommt.
Dieſen Grund erkannte auch der Senat als ſtichhaltig an
und wies die Beſchwerde ab.

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Nummer 226.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 27. September 1910.

Seite 5.

Nationalliberale Vertrauensmänner=
Verſammlung.
*x* Darmſtadt, 26. Sept. Im Gartenſaal des
ſtädtiſchen Saalbaues fand geſtern nachmittag eine von
zirka 160 Vertrauensmännern der national=
liberalen
Partei des Reichstagswahl=
kreiſes
Darmſtadt=Groß=Gerau beſuchte
Verſammlung ſtatt. Der Vorſitzende des Landesaus=
ſchuſſes
, Herr Reichstagsabgeordneter Dr. Oſann,
begrüßte einleitend die Delegierten aus allen
Teilen des Reichstagswahlkreiſes und ſprach ſeine
Freude darüber aus, daß die ländlichen Partei=
freunde
ſo zahlreich der Einladung gefolgt ſeien. Nach=
dem
dann Herr Stadtverordneter Lautz den Vorſitz
übernommen, hielt Abg. Dr. Oſann zu dem Kaſſeler
Parteitag einen längeren, ſehr beifällig aufgenommenen
Vortrag, worin er etwa folgendes ausführte:
Seit dem Abſchluß der Reichsfinanzreform iſt in
Deutſchland eine ſtarke Mißſtimmung eingetreten, und
ſeit dem Scheitern des Blocks und dem Rücktritt des
Reichskanziers zog auch die denkbar größte Uneinigkeit
in die Kreiſe der bürgerlichen Parteien ein, die auch
bei den zahlreichen Nachwahlen zum Reichstage dafür
ſorgte, daß die radikalen Parteien ausgezeichnete Ge=
ſchäfte
machten. Dieſe Zerſplitterung der bürgerlichen
Parteien läßt auch für die Zukunft unſeres Vaterlan=
des
das Schlimmſte befürchten, denn ſchon jetzt muß
bei den Nachwahlen ein ſtarkes Anwachſen der ſozial=
demokratiſchen
Stimmen, oder doch ein Fernbleiben
der bürgerlichen Elemente konſtatiert werden. Ge=
nährt
wird diefe Unzufriedenheit durch die anhaltende
ſchwierige wirtſchaftliche Lage, beſonders durch die
Fleiſchteuerung und die durchaus unbegründete und
unverlangte Ausſchlachtng der Königsberger Rede des
Kaiſers zu demagogiſchen Zwecken ſeitens der radikalen
und namentlich der linksliberalen Preſſe. Die dem
Kanzler von der Frankfurter Zeitung vindizierte
Wahlparole mit dem Rufe nach Erhaltung der bis=
herigen
Schutzzollpolitik und der nationalen Arbeit
wurde von der freihändleriſchen bis zur ſozialdemo=
kratiſchen
Preſſe mit Begierde erfaßt und die Richtig=
ſtellung
in der Nordd. Allg. Ztg. kam reichlich ſpät. Die
darin gegebene Verſicherung des Kanzlers, daß der
Nation das zum Gedeihen ihres Erwerbslebens, wie
zu ihrem militäriſchen Schutze Nötige geſichert und ihre
ſtetige kulturelle Entwickelung gefördert werden ſolle
uſw., iſt ein edles Programm, das auch durchgeführt zu
werden verdient, doch vielleicht zu ideal gedacht, als daß
es eine Unterlage für die realen Kämpfe zur Reichs=
tagswahl
hilden könnte. Dazu ſeien beſtimmte Schlag=
worte
im guten Sinne und Ideen dringend notwendig,
die geeignet ſind, die guten Kräfte der Nation zu=
ſammenzufaſſen
und den Hader in den bürgerlichen
Parteien zurückzudrängen. Der Kaiſer hat in ſeiner
Marienburger Rede vortreffliche Worte geſprochen,
indem er ſagte: Es ſollen die Stämme und Berufsge=
noſſenſchaften
die Hände ineinander ſchlagen zu gemein=
ſamer
Arbeit, zur Erfüllung der ſtaatlichen Notwendig=
keiten
uſw. Dieſe Worte müßten aber auch in realen
Dingen ihren Ausdruck finden, wie in einer gerechten
Beſteuerung des Beſitzes, die unausbleiblich ſei. Der
Radikalismus hat die ſchärfſte Tonart in Magdeburg
gefunden, und mit brutaler Gewalt die Andersdenken=
den
auf die Knie gezwungen. Pardon wird nicht ge=
geben
! Der dort angeſchlagene Ton müßte doch jedem
bürgerlichen Politiker die Augen öffnen über das, was
man von jener Seite zu erwarten hat! (Zuſtimmung.)
Ein freiſinniger Berichterſtatter nannte die Debatte
über die Budgetbewilligungsfrage ein ekelhaftes
Schauſpiel des Aufflammens wilder Machtinſtinkte und
perſönlicher, kleinlicher Rachſucht innerhalb der Par=
tei
, die damit ihren Gegnern ihre moraliſche und
kulturelle Schwäche ſo kraß gezeigt hat, wie kaum auf
dem Dresdener Parteitag. Und haben denn unſere
Badener Freunde die Taktik der Sozialdemokratie noch
immer nicht durchſchaut, deren Standpunkt in Baden
ebenfalls vollſtändig revolutionär iſt? (Lebhafter Bei=
fall
.) Abg. Dr. David wies darauf hin, wohin die Ab=
ſicht
der Reviſioniſten geht, indem er ſagte, daß die
Nationalliberalen ſich im weſentlichen auf die ſtädtiſche
Bevölkerung ſtützten und es nicht ratſam ſei, die ſtädti=
ſche
und die ländliche Bevölkerung wieder zuſammen=
zutreiben
, ſondern daß man vielmehr einen Keil da=
zwiſchen
treiben müſſe. (Hört, hört!) Und bei dieſer
Taktik haben die Sozialdemokraten auch ſchon in Fried=
berg
und anderen Wahlkreiſen die Früchte geerntet.
Die Friedberger Wahl habe der Partei und der land=
wirtſchaftlichen
Bevölkerung den richtigen Weg ge=
wieſen
, und wie dort, ſtünden die Dinge faſt im ganzen
Großherzogtum; ohne die tätige, kräftige Hilfe der länd=
lichen
Wählerſchaft werde ſich foſt kein einziger heſſiſcher
Wahlkreis halten laſſen. Der Grundgedanke müſſe ſein,
daß wir eine Trennung zwiſchen Stadt und Land nicht
kennen, daß wir alle Kreiſe der Bevölkerung gleich=
mäßig
vertreten und die gerechten Wünſche derſelben
auch zu erfüllen ſuchen. (Beifall.) Die noch ſchwanken=
den
Linksliberalen ſollten angeſichts der Magdeburger
Vorgänge ebenſo wie die ſüddeutſche freiſinnige Volks=
partei
ſich daran erinnern, daß ſie im Gedenken an
Eugen Richters Wirken gegen die Sozialdemokratie
keine Veranlaſſung haben, Beziehungen zu dieſer Par=
tei
zu pflegen. Es müſſe aber den Freiſinnigen geſagt
werden, daß die Nationalliberalen auf dem
Boden der Schutzzollpolitik ſtehen, unter
deren Herrſchaft ſich Handel, Induſtrie und Landwirt=
ſchaft
in Deutſchland mächtig entwickelte und daß die
geſamte Reichstagsfraktion nicht die Hand dazu bieten
wird, freihändleriſchen Gelüſten Gehör zu ſchenken.
(Lebh. Zuſtimmung.) Wenn in Kaſſel die Meinungen
ſcharf aufeinander platzen, ſo iſt das kein Nachteil;
offene Ausſprache iſt notwendig. Es ſcheint mir per=
ſönlich
zweifelhaft, ob in Kaſſel für alle Teile des
Reiches eine einheitliche Regelung getroffen werden
kann. Für uns in Heſſen iſt der Weg klar
vorgezeichnet, wollen wir nicht der
Sozialdemokratie unterliegen. Aber wir
wollen in Kaſſel gerade im Gegenſatz zu Magdeburg
zeigen, wie man im Intereſſe des Vaterlandes und
damit auch der Partei ſich mit ſeinen Freunden aus=
ſprechen
kann die auch nichts anderes wollen, als das
Wohl der Geſamtheit. (Langanhaltender Beifall.)
In der anſchließenden Debatte ſprach Bürgermeiſter
Geibel=Hahn ſeine Freude darüber aus, daß die
Partei auch in Zukunft der bewährten Schutzzollpolitik
treu bleiben werde. Der jungliberale Lehrer Ger=
man
wünſchte näheren Aufſchluß darüber, wie ſich die
Partei zum Bund der Landwirte ſtelle. Nicht nur
gegen links, ſondern auch gegen rechts und gegen das
Zentrum müſſe der Kampf geführt werden. Redner
polemiſiert dann gegen die Wormſer Ecke und die
Politik des Frhrn. v. Heyl. Dagegen erwidert Abg.
Dr. Oſann, man könne doch nicht den Kampf gegen
vier Fronten führen. Der Bund der Landwirte habe,
ebenſo wie das Zentrum, im Darmſtädter Wahlkreis
die nationalliberale Kandidatur unterſtützt, weshalb

wolle man da gegen dieſe einen Kampf heraufbe=
ſchwören
? Er habe niemals ſeinen nationalliberalen
Standpunkt verleugnet, trotzdem er auch von dieſen
Parteien und den Freiſinnigen gewählt worden ſei.
Die Angelegenheit v. Heyl=Oriola ſei im vorigen Jahre
von der Partei erledigt worden und ſollte jetzt nicht
nochmals angeregt werden. So, wie der Vorredner
wolle, komme man nicht weiter; man ſolle den Wahl=
kampf
nicht unnötig erſchweren, ſondern alle bürger=
lichen
Kräfte zu gemeinſamer Arbeit zuſammenfaſſen.
(Lebh. Zuſtimmung.) Dr. Cremer=Eberſtadt und
Profeſſor Neßling traten gleichfalls unter lebhaftem
Beifall der Verſammlung dem erſten Redner entgegen,
während Ingenieur Ritſert deſſen Ausführungen
unterſtützte. Es wurden ſchließlich fünf Delegierte für
Kaſſel ernannt (die Herren Homburger, Lautz, Lang,
German und Fey=Pfungſtadt und als Erſatzmann Bür=
germeiſter
Müller=Roßdorf), die im Sinne der
Ausführungen Dr. Oſanns auftreten werden.

Hauptverſammlung des Landesgewerbevereins.
(*) Grünberg, 25. Sept. Unter einem günſtigen
Zeichen ſtand die heute hier im Rappen tagende
Hauptverſammlung des Landesgewerbevereins; etwa
400 auswärtige Feſtgäſte hielten in der ehemaligen
Kreisſtadt ihren Einzug, darunter Vertreter der Regie=
rung
, der Provinzialdirektion, des Kreisamts Gießen,
die Spitzen der Behörden und der Handwerkskammer,
Abgeſandte von 130 Gewerbevereinen des ganzen
Großherzogtums Heſſen. Der hieſige Gewerbeverein
veranſtaltete geſtern abend zu Ehren der Gäſte eine
Vorfeier in der geſchmückten Turnhalle. Zum heutigen
Feſttage hatte die Stadt Flaggenſchmuck angelegt, am
Bahnhof begrüßte die Gäſte eine prächtige Ehrenpforte.
Um ½11 Uhr begann im Rappen die Hauptver=
ſammlung
unter dem Vorſitz des Geh. Regierungs=
rats
Noack. Als Ehrengäſte wohnten der Verſamm=
lung
u. a. bei: Miniſter des Innern von Hombergk zu
Vach, Miniſterialrat Hölzinger=Darmſtadt, Ober=
Regierungsrat Dr. Wagner, Gewerberat Falk=Mainz
uſw. Nach den üblichen Begrüßungs= und Dankes=
worten
erſtattete Geh. Regierungsrat Noack den Ge=
ſchäftsbericht
von September 1909 bis September
1910. Die 13 Bezirksverbände mit 125 Ortsgewerbe=
vereinen
zäblen 10945 Mitglieder, 125 Vorträge wur=
den
gehalten, 1903 von Prüfungsausſchüſſen bei den
Ortsgewerbevereinen geprüfte Lehrlinge ſind vorhan=
den
. Auf Starkenburg entfallen ſechs Bezirksverbände
mit 5482, auf Oberheſſen vier Bezirksverbände mit
2644, auf Rheinheſſen drei Bezirksverbände mit 2819
Mitgliedern. Für 1909 betrugen die Einnahmen der
Rechnung 157747 Mark, darunter ein Staatszuſchuß
von 110316 Mark und Mitgliederbeiträge in Höhe von
44787 Mark. Die Mitgliederſterbekaſſe litt unter der
ungünſtigen Geſchäftslage der letzten Jahre. Der Kaſſe
gehören 1161 Mitglieder mit 648 520 Mark Verſicher=
ungskapital
an. An Sterbegeldern wurden bisher ins=
geſamt
an 246 Mitglieder 119040 Mark ausbezahlt und
15 125 Mark als Dividenden zurückvergütet. Das Kaſ=
ſenvermögen
beträgt 112000 Mark, der Jahresüber=
ſchuß
2543 Mark.
Zu Punkt 2: Beſtimmung des Ortes für die nächſte
Hauptverſammlung in der Provinz Starkenburg, er=
hielt
durch Abſtimmung Offenbach die Mehrzahl.
Eine ſehr ausgiebige Ausſprache ſchloß ſich an Punkt3:
Die Mitarbeit der Gewerbe= und Handwerkervereine
an der Lehrlingsfürſorge. Gewerberat Falk=
Mainz, Reallehrer Kahl=Darmſtadt und Dr. Becker=
Sprendlingen wünſchen, daß an die bereits beſtehende
konfeſſionelle Jugendfürſorge angeknüpft werden ſolle.
Syndikus Engelbach=Darmſtadt meint, Männer der
Praxis, Handwerksmeiſter und gewerbliche Korpora=
tionen
müßten ſich mehr wie bisher auch in den Dienſt
der Jugendfürſorge ſtellen, neben der Frage einer
religiös=ſittlichen Heranbildung in den Lehrlingshei=
men
, müßten dieſe auch mehr allgemein bildend, beruf=
lich
fördernd und den Sinn für nationales Weſen
weckend, auf die Beſucher einwirken. Kirche und Schule
müſſen bei der Jugenderziehung Hand in Hand gehen,
Hand in Hand aber auch mit der Gemeinde und Fa=
milie
. Lotz=Offenbach will in den Fortbildungsſchulen
mehr die ſozialpolitiſche Geſetzgebung gelehrt haben.
Der Vorſitzende weiſt auf die Sozialdemokratie als den
Todfeind des Handwerks hin und verlieſt einiges aus
der verhetzenden Jugenderziehung der Sozialdemo=
kraten
. Mit Hilfe der Volkswohlfahrtsvereine und
anderer lokaler Vereinigungen ſollten Vereinsabende
für Schüler abgehalten werden. Punkt 4: Bericht über
den derzeitigen Stand der Frage der Reichsverſicher=
ungsordnung
, wird zurückgeſtellt. Zu Punkt 5: Das
Vortragsweſen in den Gewerbevereinen, teilt der Vor=
ſitzende
mit, daß der Ausſchuß eine Kommiſſion gewählt
und dieſe am 24. Juni mit einigen Abänderungen ſich
befaßt habe. Die Vorträge ſeien für kleinere Vereine
unentbehrlich; die Vereine können ſich auch mit den
Volksbildungsvereinen zuſammentun. Die Abhaltung
von Lichtbildervorträgen ſoll gefördert werden, Wan=
derausſtellungen
mit Vorträgen ſind zu empfehlen, wie
es in Baden und Württemberg geſchieht. Zur Wür=
digung
und zur Hebung des Anſehens unſerer Sache
ſind auch für Darmſtadt Vorträge wünſchenswert. Der
Antrag Vilbel, der Landesgewerbeverein möge korpo=
ratives
Mitglied des Rhein=Main=Verbandes für
Volksbildung werden, findet Annahme. Krausmüller=
Gießen weiſt einen Vorwurf Lotz=Offenbach, die Ver=
eine
der größeren Städte hätten für die Landvereine
nichts übrig, zurück. Der Vertreter von Lollar ſpricht
über die Wichtigkeit der Frage der Reichsverſicherungs=
ordnung
, die auch ferner in Vorträgen behandelt wer=
den
müſſe. Der Vorſitzende teilt hierzu mit, daß mit
Beſchlüſſen und Reſolutionen jetzt nichts mehr zu än=
dern
iſt, in Kürze wird die Reichsverſicherungsordnung
Geſetz, dann ſoll darüber ausgiebig aufgeklärt werden.
Ein Antrag Homberg a. d. Ohm wendet ſich gegen die
Wanderlager und den Hauſierhandel. Nach noch eini=
gen
erläuternden Worten ſchloß um 2 Uhr der Vor=
ſitzende
die arbeitsreiche diesjährige Tagung.
Im großen Saale der Turnhalle fand das Feſteſſen
ſtatt, bei welchem die Kapelle des Kaiſer Wilhelm= Re=
giments
die Tafelmuſik ſtellte.

Die elektriſche Bahn nach der Bergſtraße.
* Zu der Frage des Baues einer elektriſchen Bahn
nach der Bergſtraße geht uns folgende Zuſchrift zu, die
dieſe Frage sine ira et stuclio behandelt und der wir
deshalb gern Aufnahme gewähren.
Die Frage des Baues einer elektriſchen Bahn nach
der Bergſtraße iſt neuerdings in den Zeitungen wie=
derholt
in einer Weiſe dargeſtellt und behandelt wor=
den
, als ob es ſich dabei um ein Unternehmen handele,
von deſſen Verwirklichung die weitere Entwicklung
unſerer Stadt ausſchließlich abhinge. Von dem Ge=
ſichtspunkte
ausgehend, daß jede in eine Stadt ein=
mündende
Bahn dieſer etwas bringe,=hält namentlich

unſere Geſchäftswelt die elektriſche Bahn nach der
Bergſtraße in ihrem Intereſſe für ſehr not- dig.
Insbeſondere wird befürchtet, daß das kaufkräftige
Publikum der Bergſtraße nach Eröffnung unſeres
neuen Bahnhofes an Darmſtadt vorbei nach Frankfurt
zum Einkauf fahren würde, weil der neue Hauptbahn=
hof
eine Viertelſtunde weiter wie ſeither von der Stadt
läge. Ob dieſe Befürchtungen begründet ſind, bleibe
zunächſt dahingeſtellt. Die Hauptfrage iſt die, ob eine
Rentabilität der Bahn zu erwarten iſt, und wenn nicht,
von wem und in welcher Verteilung der jährliche Zu=
ſchuß
geleiſtet werden ſoll. Weiter, ob der Zuſchuß, den
unſere Stadt dazu geben müßte, durch die von uns und
namentlich von der Geſchäftswelt zu erwartenden Vor=
teile
aufgewogen werden wird. Ferner müßte man
wiſſen, wie weit dieſe elektriſche Bahn gehen ſoll, ob
bis Jugenheim oder bis Bensheim oder Heppenheim
und wer dieſe Bahn betreiben ſoll. An eine Rentabili=
tät
der Bahn glaubt zunächſt in Darmſtadt niemand.
Denn wenn eine ſolche zu erwarten wäre, hätts die
Süddeutſche Eiſenbahngeſellſchaft, die die Verhältniſſe
doch genau kennt, die Weiterführung ihrer Bahn über
Eberſtadt hinaus längſt ausgeführt oder wenigſtens
projektiert. Einen Maßſtab für den zu erwartenden
Verkehr nach Seeheim, Jugenheim und Alsbach hat
man an der bereits beſtehenden Nebenbahn Bickenbach=
Jugenheim. Der Verkehr an dieſer Bahn iſt bekannt=
lich
ſehr mäßig; er iſt vorwiegend ein Sommer= und
Sonntagsverkehr. An den 60 Feiertagen des Jahres,
wovon 20, höchſtens 30, zu Ausflügen verleiten, iſt die
Bahn überfüllt, während an den ſonſtigen Tagen der
Verkehr außerordentlich beſcheiden genannt werden
muß. Seit Beſtehen der Bahn hat der gewöhnliche
Verkehr auch nicht zugenommen, und zwar aus dem
einfachen Grunde, weil neben den Orten der Berg=
ſtraße
kein entwickelungsfähiges Hinter=
land
vorhanden iſt. Der Verkehr der jenſeits des
Gebirges gelegenen Ortſchaften mit Ausnahme von
Ober=Beerbach geht durch das Modautal nach Ober=
Ramſtadt=Darmſtadt. Man wird alſo bei der geplanten
elektriſchen Bahn entlang der Bergſtraße ausſchließlich
auf den Verkehr mit Malchen, Seeheim, Jugenheim,
Alsbach und eventuell weiter mit Zwingenberg, Auer=
bach
, Bensheim und Heppenheim angewieſen ſein. Der
Verkehr von Heppenheim wird ſich nach Fertigſtellung
der Bahn Heppenheim=Worms von Darmſtadt ab nach
Worms wenden, ebenſo wie der Verkehr von Lorſch
leider bereits nach Worms abgeleitet iſt.
Man könnte nun fragen, ob die Regierung über=
haupt
eine Konkurrenzbahn entlang der Bergſtraße ge=
nehmigen
wird. Dies dürfte aber wohl zu erwarten
ſein, weil ihr eine weſentliche Konkurrenz durch die
gedachte elektriſche Bahn nicht entſtehen kann. Ins=
beſondere
dürfte eine Benutzung der elektriſchen Bahn
von Zwingenberg bis Heppenheim zur Fahrt nach
Darmſtadt kaum in Frage kommen, weil dieſe
Orte direkt an der Bahn liegen und man
mit dieſer viel ſchneller und billiger
nach Darmſtadt gelangen kann. Dem Ver=
nehmen
nach ſind dieſe Gemeinden trotzdem zur pekuni=
ären
Teilnahme an den Koſten der Bahn bereit. Es
ſcheint daher, daß man dort aus anderen Gründen, und
zwar weniger wegen des Verkehrs mit
Darmſtadt, als wegen des Lokalverkehrs
der Orteunterſich, auf dieſe Bahn reflektiert. Auch
macht es ſich ganz gut in Proſpekten, wenn Kurorte
ſagen können, daß der betreffende Ort eine elektriſche
Bahn beſitzt. Ob aber der Lokalverkehr den Bau einer
elektriſchen Bahn Zwingenberg=Bensheim oder Heppen=
heim
als rentabel erſcheinen läßt, dürfte bezweifelt
werden, ganz abgeſehen davon, daß unſere Intereſſen
eine andere Betriebsweiſe erheiſchen, als der Lokalver=
kehr
dieſer Orte es verlangt. Da bei der fraglichen
Strecke Zwingenberg=Bensheim oder Heppenheim alſo
weder ein reger Verkehr mit Darmſtadt, noch ein leb=
hafter
Lokalverkehr zu erwarten iſt, dürfte der Bau
dieſer Strecke vorerſt wenigſtens kaum rätlich
erſcheinen.
Es bleibt noch die Strecke der Bahn bis Jugen=
heim
=Alsbach zu unterſuchen. Das ganze Hinterland
beſteht dabei aus den Orten Ober=Beerbach und Hähn=
lein
. Die Fahrt Darmſtadt=Jugenheim koſtet in der
3. Klaſſe 55 Pfg., in der 4. Klaſſe 35 Pfg. Hierzu
15 Pfg. vom neuen Hauptbahnhof in das Innere
unſerer Stadt, ergäbe als Koſten der Fahrt 70 Pfg.
oder 50 Pfg., während die Fahrt mit der elektriſchen
Bahn vorausſichtlich gleichfalls mindeſtens 70 Pfg.
koſten wird. Auf der Staatsbahn fährt man ferner an
Sonntagen, wo gerade der Hauptverkehr nach der Berg=
ſtraße
ſtattfindet, um etwa ein Drittel billiger. Dabei
braucht man auf der elektriſchen Bahn mindeſtens die
doppelte Fahrzeit und hat weiter den Genuß, bis in die
Mitte unſerer Stadt an mindeſtens 14 Punkten anzu=
halten
, während die Eiſenbahn nur an 4 Punkten hält,
wobei allerdings in Bickenbach und am Hauptbahnhof
umgeſtiegen werden muß. Daß das Umſteigen in
Bickenbach während der Sommerszeit wegfällt, dürfte
aber nur eine Frage der Zeit ſein. Man muß ſich
daher auch hier fragen, ob dieſe projektierte Bahn bei
dem zu erwartenden ſchwachen Verkehr wirklich ein
ſolches Bedürfnis iſt, daß man ſie heute ſchon bauen
muß.
Die Geſchäfte in Darmſtadt ſind wohl geneigt, an=
zunehmen
, daß, wenn man dieſe Bahn bauen würde,
die Villenbeſitzer und Kurfremden aus der Bergſtraße
mit der elektriſchen Bahn nach Darmſtadt ſtrömen
würden, um hier ihre Einkäufe zu machen. Ebenſo
erhoffen die Orte an der Bergſtraße ein Herausſtrömen
der Darmſtädter zu ihnen und den dort gelegenen Aus=
flugspunkten
. Wie die Verhältniſſe zu liegen ſcheinen,
werden wohl ſchließlich die Wirte in den Orten an der
Bergſtraße die einzigen ſein, die einen nennenswerten
Vorteil von der Bahn haben dürften. Die Darmſtädter
werden ſich morgens durch die 20 Haltepunkte und die
Reize der Bickenbacher Tanne nicht abſchrecken und an
den verſchiedenen Wirtshäuſern der Bergſtraße abladen
laſſen, während ſie des Abends vorziehen werden, die
Staatsbahn zur Heimfahrt zu benutzen, 1. weil ſie
billiger iſt, 2. weil man ſchneller heimkommt, und 3.
weil die elektriſche Bahn den Verkehr an Sonntag=
abenden
im Sommer überhaupt nicht bewältigen kann.
Für den Betrieb der Bahn kann nur die Süd=
deutſche
in Betracht kommen, da dieſe die Strecke Darm=
ſtadt
=Eberſtadt bereits in Betrieb hat. Wenn alſo die
Bahn gebaut werden ſoll, wäre eine vorherige
Verſtändigung mit der Süddeutſchen
nicht zu umgehen. Man müßte denn gerade eine
neue Linie Darmſtadt=Eberſtadt bauen, wodurch aber
die Ausſicht auf eine Rentabilität noch ſchlechter wird.
Nach dieſen Ueberlegungen erſcheint es erklärlich,
wenn unſere Stadtverwaltung und =vertretung zögert
und ſich die Sache reiflich überlegt.
In anderen Städten finden ſich für ſolche Unter=
nehmungen
immer Geſellſchaften oder Körperſchaften,
die den Bau und Betrieb übernehmen, während hier
bei uns alles, aber auc
ie Stadt zu Laſten

[ ][  ][ ]

Seite 6.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 27. September 1910.

Nummer 226.

innert, deſſen Verlauf, bei ſtarker Beteiligung tüchtiger
Spielerinnen und Spieler, ein ſehr guter zu werden

der Steuerzahler gemacht werden muß. Die Steuer=
zahler
erwarten jedoch von der Stadtverwaltung, daß
ſie ſich nicht ohne weiteres in ein Unternehmen hinein=
jagen
läßt, das vorerſt gänzlich unrentabel erſcheint.
Einige wenige Geſchäfte unſerer Stadt mögen vielleicht
einige Vorteile davon haben. Dieſe werden aber zu
den aufgewendeten Opfern vorausſichtlich in keinem
Verhältnis ſtehen, während die Steuerzahler ſich dabei
auf eine neue Erhöhung ihrer Steuer zum Schaden der
Stadt mit Sicherheit gefaßt machen können.
Die Befürchtungen unſerer Geſchäftswelt, daß das
kaufende Publikum der Bergſtraße demnächſt an
Darmſtadt vorbei nach Frankfurt fahren würde, um
dort zu kaufen, dürften nicht begründet ſein. Wer die
Eiſenbahn benutzt, für den iſt es einerlei, ob er am
alten oder neuen Bahnhof ausſteigt. Die Fahrt mit
der elektriſchen Bahn vom neuen Bahnhof nach dem
Innern der Stadt koſtet vielleicht in Zukunft 5 Pfg.
mehr. Aber deswegen nach Frankfurt weiter zu fahren
und 2 Mark für Hin= und Rückfahrt mehr auszugeben,
iſt doch ſehr unwahrſcheinlich.
Unſere Geſchäftswelt muß vor wie nach in erſter
Linie beſtrebt ſein, mit Frankfurt konkurrenz=
fähig
zu bleiben. Dies iſt ihr ſeither mit Erfolg
gelungen und wird ihr auch weiter gelingen. Das iſt
aber auch das einzige Mittel, was ihr helfen kann,
nicht aber der Bau einer elektriſchen Bahn nach der
Bergſtraße.
Der Zar in Frankfurt.
* Frankfurt, 26. Sept. Der Zar mit ſeinen
vier Töchtern, das Großherzogspaarvon Heſſen
nebſt hohem Beſuch, im ganzen 10 Perſonen, trafen heute
vormittag in vier Automobilen zu einem Beſuch des
Zoologiſchen Gartens hier ein. Am Eingang des
Gartens wurden die Fürſtlichkeiten von zwei Aufſichtsräten
der Zoologiſchen Garten=Geſellſchaft empfangen. Der
Großherzog von Heſſen bat dann, man möge von einer
Führung abſehen, weil der Zar möglichſt unbeobachtet
ſein und während des Friedberger Aufenthaltes öfters den
ſchönen Park mit ſeinen Kindern beſuchen wolle. Dieſer
Wunſch wurde reſpektiert. Die beiden Direktoren des Gar=
tens
ſind verreiſt, nur Prof. Dr. Seitz, der frühere wiſſen=
ſchaftliche
Direktor, war von Darmſtadt herübergekommen
und hielt ſich in der Nähe der Gäſte auf. Die Beſichtigung
dauerte mehrere Stunden. Im Affenhaus gab der Schim=
panſe
eine Vorſtellung, dann ging es in das Aquarium
und von hier durch den ganzen Garten. Natürlich war ein
ſtarkes Aufgebot von Kriminalbeamten anweſend, die aber
das Publikum verſtändigerweiſe unbehelligt ließen. Nach
der Beſichtigung fuhren die Herrſchaften zum Diner in den
Engliſchen Hof.
* Nach einer anderen Meldung beteiligten ſich an dem
Beſüche: Der Zar, der Großherzog von Heſſen, Prinzeſſin
Heinrich von Preußen, Prinz Waldemar von Preußen,
Prinzeſſin Luiſe von Württemberg und Prinzeſſin von
Battenberg. Nach dem Diner im Hotel Engliſcher Hof
wurde um 3,15 Uhr die Rückreiſe nach Friedberg ange=
treten
.
Luftſchiffahrt.
* Frankfurt a. M., 25. Sept. An dem für heute
vom Frankfurter Verein für Luftſchiffahrt veranſtalteten
Freiballon=Wettfliegen, das für Führer des
Kartells ſüdweſtdeutſcher Luftſchiffervereine offen war, be=
teiligten
ſich ſieben Ballons. Als Ziel war Groß=
Gerau beſtimmt, doch trieben die Ballons etwas mehr
weſtwärts in der Richtung nach Mainz zu. An der ſich an=
ſchließenden
Weitfahrt beteiligten ſich drei Bal=
lons
. Sieger iſt derjenige, der mit ſeinem Ballon ohne
Zwiſchenlandung am längſten in der Luft verweilt.
* Bitterfeld, 25. Sept. Heute nachmittag ½46 Uhr
fand hier ein vom Bitterfelder Verein für Luftſchiffahrt
veranſtaltetes Ballon=Wettfliegen ſtatt. Es nah=
men
teil: Ballon Hewald vom Berliner Verein für
Luftſchiffahrt, Anhalt vom Anhalter Verein, Harburg
vom Berliner Verein, Delitzſch vom Bitterfelder Verein,
Magdeburg vom Magdeburger Verein. Leipzig vom
Leipziger Verein, Tſchudi vom Berliner Verein,
Clouth 3 vom Bitterfelder Verein, D. A. K. 3 vom
Kaiſerlichen Aeroklub. D. A. K. 2 vom Kaiſerlichen
Aeroklub und Bitterfeld vom Bitterfelder Verein. Für
dieſes Wettfliegen ſind mehrere Ehrenpreiſe geſtiftet.
* Paris, 26. Sept. Der Aviatiker Mahieu ſetzte
heute früh 6,15 Uhr den Flug nach Brüſſel mit einem
Begleiter fort.
* Chartres, 25. Sept. Der Aviatiker Poillot,
der mit einem Paſſagier auf dem hieſigen Flugplatz einen
Aufſtieg unternahm, iſt abgeſtürzt; er wurde ſo ſchwer
verletzt, daß er nach 20 Minuten ſtarb. Der Paſſa=
gier
iſt leicht verletzt.
* Das Befinden des verunglückten Sim=
plonfliegers
Chavez iſt den Umſtänden nach gün=
ſtig
, ſodaß Lebensgefahr ausgeſchloſſen erſcheint. Immer=
hin
ſind die Verletzungen derartig ſchwer, daß Chavez viele
Wochen im Krankenbett verbringen wird. Es wird fer=
ner
beſtätigt, daß er einen Bruch beider Schienbeine und
des Oberſchenkelknochen erlitten hat. Der für den Sim=
plonflug
noch allein noch konkurrenzberechtigte Far=
man
=Pilot Weymann gab offiziell die Erklärung ab, daß
er von dem Wettbewerb zurücktrete, da ihm ſein Apparat
das Ueberfliegen des Simplon=Paſſes nicht ermögliche.
Unter Berückſichtigung dieſer Verhältniſſe ſchlug das Haupt=
organiſations
=Komitee noch am Freitag abend vor, Cha=
vez
den erſten Preis von 70000 Lire zuzu=
erkennen
.

Sport.
Schlittſchuhklub=Sportverein Darm=
ſtadt
. Der Schlittſchuhklub=Sportverein hat wieder
einen ſchönen Sieg errungen. Am vergangenen Sonn=
tag
fand auf dem Sportplatze am Böllenfalltor ein
Lawn=Tennis=Städtewettſpiel Mannheim
gegen Darmſtadt ſtatt, in welchem die Darmſtädter
Mannſchaft mit 14 zu 10 Punkten Sieger blieb. Es
kamen 16 Einzelſpiele und acht Doppelſpiele zum Aus=
trag
. In den erſteren war das Ergebnis für beide
Parteien mit je acht Punkten gleich; in den Doppelſpie=
len
gelang es aber den Darmſtädtern, ſechs Punkte für
ſich zu buchen, während die Mannheimer ſich mit zwei
Punkten begnügen mußten. Am ſpannendſten verlie=
fen
die Spiele gegen das erſte Mannheimer Paar, Kuhn=
Fouqué, welches von Landmann=Frankfurter über=
raſchend
glatt 6:0, 6:0, und von Fitting=Koch 7:5,
7:5 geſchlagen wurde. Das letztere Paar holte den
erſten Satz von 175 und den zweiten von 2:5 mit be=
wundernswerter
Ruhe und durch ausgezeichnetes
Placieren der Bälle auf. Bei dem ſchönen Wetter hat=
ten
ſich viele Zuſchauer auf dem Sportplatze eingefun=
den
, die den ſchönen Spielen das lebhafteſte Intereſſe
entgegenbrachten. Es ſei hier nochmals an das am
Mittwoch, den 28. d. M., beginnende Herbſtturnier er=

verſpricht.
Fußball. Am Sonntag ſpielte die 1. Mann=
ſchaft
des Fußballklubs Alemannia‟=Darmſtadt gegen
die kombinierte 1. Mannſchaft des Fußballklubs Haſ=
ſia‟
=Bickenbach und Union=Zwingenberg. Das Spiel
endete zu Gunſten der kombinierten Mannſchaft mit
4: 1 Toren.
Das am Sonntag ſtattgehabte erſte Verbandsſpiel
der erſten Mannſchaft des Darmſtädter Sportklubs
1905 gegen die gleiche Mannſchaft des Fußballklubs
Union endigte nach intereſſantem Kampfe mit 2 :0
Toren zu Gunſten des Darmſtädter Sportklubs 1905.
Die vierte Mannſchaft unterlag knapp mit 2:1 Toren
gegen diejenige der Offenbacher Kickers.

Handel und Verkehr.
* Berlin, 26. Sept. Der Reichsbankdis=
kont
wurde auf 5, der Lombardzinsfuß auf 6 Prozent
erhöht. In der heutigen Sitzung des Zentral=
ausſchuſſes
der Reichsbank führte Präſident
Havenſtein nach Vorlegung des per 23. September
abgeſchloſſenen Bankausweiſes aus, daß nach der Zu=
ſammenſtellung
vom 24. an dieſem Tage noch eine
ſteuerfreie Notenreſerve von 35 Millionen gegen 86
Millionen im Vorjahre vorhanden geweſen ſei. Der
Status der Bank ſei noch leidlich, beſonders, weil das
Reich keine großen Anſprüche an die Bank geſtellt habe.
Aber die Lage des offenen Geldmarktes, das Anziehen
des Privatdiskonts und der hohe Satz des Ultimogel=
des
von 5¾ Prozent gegen 5 Prozent des Vorjahres,
mache eine Diskonterhöhung notwendig. Die Geld=
knappheit
ſei offenbar keine vorübergehende wegen des
Ultimos, ſondern eine andauernde und zum Teil durch
die übermäßige Ausdehnung des Spekulationskredits
hervorgerufen. Deshalb ſei eine Erhöhung um ein
ganzes Prozent notwendig, auch zu dem Zwecke, damit
die Kreditanſprüche an die Reichsbank auf das unbe=
dingt
notwendige Maß eingeſchränkt werden. Bei einer
Erhöhung um ein halbes Prozent würde in kurzem
eine weitere Erhöhung notwendig werden.
* Dresden, 26.Sept. Die Sächſiſche Bank
hat den Wechſeldiskont von 4½ auf 5 Prozent und den
Lombardzinsfuß von 5½ auf 6 Prozent erhöht.

Die Cholera.
* Rom, 25. Sept. In Neapel iſt heute bei einem
Schuhmacher, Erneſto Vigilante, Cholera feſtgeſtellt wor=
den
. Der Kranke iſt ſofort in die Sanitätsſtation gebracht
worden. Die Behörden haben alle Vorſichtsmaßregeln er=
griffen
, um einer Weiterverbreitung der Krankheit vorzu=
beugen
.
* Rom, 25. Sept. Der Miniſter des Innern hat den
Miniſter des Aeußern erſucht, den fremden Regierungen,
welche die Konvention von Paris unterzeichnet haben,
durch ihre Vertreter in Rom von dem Cholerafall
in Neapel Kenntnis zu geben und dabei mitzuteilen,
daß ſeit dem erſten Auftreten der Cholera in Apulien die
italieniſche Regierung die größte Aufmerkſamkeit auf die
Ueberwachung des Geſundheitszuſtandes in Neapel gerich=
tet
und einen Nachrichtendienſt eingerichtet habe, um von
jedem verdächtigen Fall Kenntnis=zu erhalten; außerdem
ſei der Sanitätsdienſt bedeutend verſtärkt worden, ſo daß
Neapel für die tatſächliche Bekämpfung der Cholera vor=
bereitet
ſei.
H.B. Mohges, 26. Sept. Geſtern wurden hier
vier neue Erkrankungen an Cholera kon=
ſtatiert
.
H. B. Kopenhagen, 26. Sept. Von dem Kapi=
tän
des geſtern nachmittag von Petersburg auf der
Reede von Kopenhagen eingetroffenen holländiſchen
Dampfers Hebe wurde den hieſigen Sanitätsbehör=
den
mitgeteilt, daß ein Teil der Beſatzung des
Dampfers unter choleraverdächtigen Er=
ſcheinungen
erkrankt ſei. Die choleraverdächtigen
Matroſen wurden zur Unterſuchung in das hieſige Ho=
ſpital
gebracht. Da es ſich nach Anſicht der Aerzte
wahrſcheinlich um aſiatiſche Cholera handelt, ſind von
den hieſigen Behörden alle ſanitären Vorſichtsmaß=
regeln
getroffen worden. Ferner wurden von dem
däniſchen Dampfer Bogatyr der Steuermann und
ein Matroſe zur Beobachtung in das Hoſpital gebracht.
Beide zeigten auf der Reiſe von Petersburg nach hier
choleraverdächtige Erſcheinungen, doch iſt es zweifel=
haft
, ob es ſich bei ihnen um Cholera handelt.
* Konſtantinopel, 26. Sept. Im Laufe des
geſtrigen Tages wurden hier fünf Erkrankun=
gen
an Cholera feſtgeſtellt.

Stimmen aus dem Publikum.
(Für die Veröffentlichungen unter dieſer Ueberſchrift übernimmt die Redaktion
keinerlei Verantwortung; für ſie bleibt auf Grund des § 21 Abſ. 2 des
Preßgeſetzes in vollem Umfange der Einſender verantwortlich.)
Leiſe Anfrage! Am letzten Samstag waren in
Frankfurt a. M. 335 heſſiſche Oberlehrer verſammelt. Iſt
keine heſſiſche Stadt vorhanden, die dieſe Verſammlung
aufnehmen kann? Bei etwaiger Gehaltserhöhung werden
doch auch nur die heſſiſchen Steuerzahler berückſichtigt!
Es ſollte doch Ehrenſache ſein, daß derartige Verſammlun=
gen
nur in heſſiſchen Städten abgehalten werden; das
trägt dazu bei, die Steuerkraft zu erhöhen.
R.

Literariſches.
Wiener Frauen und anderes Wiene=
riſche
iſt der Titel des zweiten Bandes von Ludwig
Speidels Schriften, den der Verlag von Meyer und
Jeſſen in Berlin S.W. 11 jetzt zur Verſendung bringt.
(Preis 3,50 Mk.) Nach der zum Teil ſchweren Gedanken=
fracht
des erſten Bandes (Perſönlichkeiten) folgt hier
die leichte Anmut Speidelſcher Kunſt. Das Beſte, was
die Wiener beſitzen, ſind ihre Frauen ſteht gleich auf der
erſten Seite zu leſen. Und den Wiener Frauen vor allem
ſind die Blätter von Ludwig Speidels Buch von Wien
geweiht. Es ſind Seiten darin, die zu dem Schönſten
und Tiefſten zählen, was wohl je über die Frauen und
die Wienerinnen insbeſondere geſagt worden iſt. Den
Wiener Frauen folgen die Wiener Stimmungen, das
Wiener Lied und der Wiener Walzer, der Wiener Wald
und der Wiener Wein. Das Buch wird geleſen und
immer wieder geleſen werden. Jedesmal wird man neue
Schönheiten und geiſtige Koſtbarkeiten in ihm entdecken.
Ein Jagdtag. Roman von Klara Cruſe.
Memmingers Verlagsanſtalt, Würzburg. Broſchiert
1.50 Mark, elegant gebunden 2 Mark. Der Roman
ſpielt in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts
in den wilden Zeiten des Zaren Alexander des
Zweiten. Petersburger und andere deutſch=ruſſiſche
Typen, verſchiedene buntbewegte, hier und da auch
heiter gefärbte Szenen begleiten die Handlung, deren

Hintergrund hiſtoriſch iſt und an tatſächliche Vor=
gänge
ſich anlehnt.

Letzte Nachrichten.
(Wolffs telegr. Korreſp.=Bureau.)
* Berlin, 26. Sept. Die Angriffe gegen Ar=
beitswillige
der Kohlenfirma Kupfer u. Ko. haben
heute noch angedauert. Als heute mittag mehrere
leere Kohlenwagen nach dem Kohlenplatz in der Sikkin=
genſtraße
zurückkehrten, wurden der Kutſcher und die
Mitfahrer eines Wagens von Arbeitern der Löweſchen
Fabrik, die ſich gegenüber dem Kohlenplatz befindet,
mit Steinen beworfen. Als einer der Mit=
fahrer
erheblich am Kopfe verletzt wurde, gab der Kut=
ſcher
einen Revolverſchuß auf die Menge ab. Die
polizeiliche Begleitmannſchaft, verſtärkt durch Wach=
mannſchaften
, ging nun energiſch gegen die Angreifen=
den
vor und trieb ſie auf das Löweſche Fabrikgrund=
ſtück
zurück. Da ſich das Werfen mit Steinen vom
Hofe des Fabrikgrundſtückes und von den Fenſtern der
Fabrik gegen die Schutzmannſchaft fortſetzte,
ging dieſe mit blanker Waffe vor und räumte den Vor=
hof
. Die Arbeiter zogen ſich zurück, als ſie durch die
Fabrikpfeife nach ihren Arbeitsſälen zurückgerufen
wurden. Einer der Polizeioffiziere zu Pferde wurde
von Steinen am linken Knie getroffen.
* Homburg v. d. H., 26. Sept. Herrn Oberbürger=
meiſter
Lübke iſt geſtern folgendes Telegramm
zugegangen: Seine Majeſtät der Kaiſer laſſen der Stadt
Homburg Allerhöchſt Ihre Teilnahme an dem Hin=
ſcheiden
ihres hochverdienten Ehrenbürgers, des Ge=
heimen
Baurates Jacobi, ausſprechen. Graf zu Eulen=
burg
, Ober=Hofmarſchall. Daraufhin wurde folgen=
des
Antworttelegramm abgeſandt: An Seine
Majeſtät den Kaiſer, Rominten. Eurer Kaiſerlichen
und Königlichen Majeſtät ſpricht die Stadt Homburg
ihren alleruntertänigſten Dank aus für den gnädigen
Ausdruck der Teilnahme an dem Ableben ihres Ehren=
bürgers
. Oberbürgermeiſter Lübke. Stadtverordneten=
vorſteher
Dr. Rüdiger.
* Hanau, 26. Sept. Der bei dem Tonwerk Sterbfritz
bei Schlüchtern beſchäftigte Maurer Hufnagel aus Sterb=
fritz
wurde durch herabſtürzendes Geſtein erſchlagen.
* Dresden, 26. Sept. Der Kaiſer enthob mit Aller=
höchſter
Kabinettsordre vom 26. September den General
v. Broizem von ſeiner Stellung als kommandierender
General des 12. Armeekorps und ernannte auf Grund des
Vorſchlages des Königs den General der Infanterie
dElſa, bisher von der Armee, zum kommandierenden
General des 12. Armeekorps. General von Broizem wurde
in Genehmigung ſeines Abſchiedsgeſuches mit Penſion und
Erlaubnis zum Tragen der Generalsuniform zur Dispo=
ſition
geſtellt unter Belaſſung à la Suite des Gardereiter=
Regimentes. Der König verlieh ihm den Orden der
Rautenkrone.
* Dresden, 26. Sept. Das Dresdener Journal
meldet: Der König wird am 13. Oktober nach Braun=
ſchweig
und am 19. Oktober nach Neuſtrelitz zum Beſuche
der dortigen Höfe ſich begeben.

H. B. Berlin, 26. Sept. Der Bundesrat hat den Ge=
heimen
Obermedizinalrat Profeſſor Dr. Ehrlich zum
Mitglied des Reichs=Geſundheitsrates erwählt.
H.B. Berlin, 26. Sept. Der Teltower Kreistag hat
heute die Zahlungsgarantie für den Verkauf des=
Tempelhofer Feldes an Tempelhof über=
nommen
.
H.B. Frankfurt a. M., 26. Sept. Der langjährige
Heldendarſteller des Frankfurter Stadttheaters, Richard
Kirſch, hat nunmehr, wie auch verſchiedene andere,
ſeine Bewerbung um die Direktion der Vereinigten
Leipziger Stadttheater zurückgezogen.
H. B. Wilhelmshaven, 26. Sept. Der Panzerkreu=
zer
Gneiſenau tritt mit dem Kronprinzen an
Bord die Ausreiſe nach Oſtaſien am 10. No=
vember
an.
H.B. Preußiſch=Stargard, 26. Sept. Die Familie
des hieſigen Stadtrates Arndt hat verſucht, durch Gas=
vergiftung
ihrem Leben ein Ende zu machen.
Während der Stadtrat und ſeine 22jährige Tochter
durch die giftigen Gaſe getötet wurden, ſind ſeine Frau
und ein 18jähriger Sohn, der als Primaner das ſtädti=
ſche
Gymnaſium beſuchte, ſchwer erkrankt dem ſtädtiſchen
Krankenhauſe zugeführt worden. Es beſteht der Ver=
dacht
, daß Stadtrat Arndt ihm anvertraute Gelder
unterſchlagen hat und aus dieſem Grunde im Einver=
ſtändnis
mit ſeiner Familie den Tod geſucht und ge=
funden
hat.
II.B. Kötzſchenbroda, 26. Sept. Der Beleidig=
ungsprozeß
Karl Mays gegen den katholiſchen
Pater Schmidt, Herausgeber der katholiſchen Revue=
Ueber den Waſſern der in der Augsburger Poſtzeit=
ung
unter anderem behauptete, daß Karl May zu glei=
cher
Zeit unſittliche Kolportage=Romane und fromme
katholiſche Mutter Gottes=Geſchichten geſchrieben hätte,
wurde wegen Ladung neuer Zeugen und Sachverſtän=
diger
auf vier Wochen vertagt.
H. B. Kattowitz, 26. Sept. Ungeheures Aufſehen er=
regt
unter der Bevölkerung ein Doppelmord, began=
gen
an den beiden 10 und 11 Jahre alten Brüdern Woroz.
Beide Knaben verſchwanden Mitte voriger Woche plötzlich.
Alles Suchen nach ihnen blieb erfolglos. Geſtern fand
man die gräßlich verſtümmelten Leichen in einem nahen
Teich. Die Unterſuchung hat ergeben, daß beide, nachdem
ſie in beſtialiſcher Weiſe ermordet worden waren, vom
Mörder in den Teich geworfen worden ſind.
H.B. Genf, 26. Sept. Im Park der Villa der
Sängerin Marcella Sembrich in Lauſanne wurde
geſtern abend an der langjährigen Geſellſchaftsdame
der Künſtlerin ein Raubmordverſuch verübt.
Von den Tätern hat man noch keine Spur. Man glaubt,
daß es die Täter auf Marcella Sembrich ſelbſt abge=
ſehen
hatten.
Petersburg, 26. Sept. Der Abt und Oekonom des
Kloſters Filaret wurde vom Gericht in Kiew für
ſchuldig befunden, acht Jahre hindurch große Betrügereien
und Unterſchlagungen in Höhe von anderthalb Millionen,
ſowie Schulden auf Rechnung des Kloſters in Höhe von
anderthalb Millionen gemacht zu haben. Das Urteil
hängt vom Metropoliten in Kiew ab.

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[ ][  ][ ]

Nummer 226.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 27. September 1910.

Gichtanfälle ganz verſchont.
Zeugnis. . . . . . bewieſen, wie dankbar ich für
jedes Mittel bin, welches geeignet iſt, die furchtbaren
Schmerzen dieſer tückiſchſten aller Krankheiten zu
lindern, und wie ſehr ich beſtrebt bin, das Los
meiner armen Leidensgenoſſen zu lindern. Ihr
Waſſer hat mir ſchon ganz weſentliche Dienſte ge=
leiſtet
. Ich leide ſchon ſeit langen Jahren an Gicht
und Rheumatismus und konnte z. B. einen Ring an
dem Ringfinger ſeit mehreren Jahren nicht mehr
tragen. Seitdem ich jedoch Ihr ſtets friſch und an=
genehmes
wohlſchmeckendes Waſſer der St. Georgs=
quelle
in Biskirchen a. d. Lahn trinke, konnte ich
den Ring wieder tragen. Wenn ich noch eine Zeit=
lang
Ihr Waſſer trinke, glaube ich von meinen Gicht=
anfällen
ganz verſchont zu bleiben. J. Chr. G. i. W.
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Fran kfurt a. M.), beim Publikum fand, hat die Firma
veranlaßt, dieſes Jahr eine wiederum mit Illuſtrationen
verſehene Fortſetzung herauszubringen. Das beachtens=
werte
Schriftchen wird allen Intereſſenten auf Wunſch
franko übermittelt.
(18643Mf

Seite 7a

Jamiliennachrichten.

Becha Horwitz
Sally Mainzer
VERLOBTE

Cannstatt

Darmstadt

1910

Dankſagung.
Für die uns bewieſene herzliche Teilnahme
bei dem Hinſcheiden unſeres lieben Vaters, Bruders,
Großvaters, Schwiegervaters und Onkels (18671
Herrn Ministerialkanzlist i. P.
Jacob Balzer
ſagen wir unſeren innigſten Dank.
Die trauernden Hinterbliebenen.
Darmſtadt, Frankfurt a. M., Caſſel,
Berlin, den 26. September 1910.

Dankſagung.
Für die Beweiſe herzlicher Teilnahme beim
Hinſcheiden meiner lieben Frau und treuſorgenden
Mutter, unſerer Schweſter, Schwägerin und Tante
Margarete Merz
geborene Lutz
ſagen wir herzlichen Dank. Beſonders danken wir
noch Herrn Pfarrer Kleberger für ſeine tröſtenden
Worte am Grabe, der Gemeindeſchweſter Käthe
für ihren Beiſtand, ſowie für die überaus zahl=
(18687
reichen Blumenſpenden.
Die trauernden Hinterbliebenen:
Adam Merz und Kind,
Alexander Röhrich und Familie.
Darmſtadt (Gr. Ochſengaſſe 15), 25. Septbr. 1910.

Todes-Anzeige.
Heute mittag 12 Uhr verschied nach längerem Leiden unsere liebe Tante
und Grosstante
(18686
Frau
Landgerichtsassessor Elisabetha Goetz
im 72. Lebensjahre.
Um stille Teilnahme bitten
im Namen der trauernden Anverwandten:
Familie Goetz,
Familie Zentner,
Familie Scholz.
Darmstadt (Frankfurterstrasse 36), Griesheim a. M., Frankfurt a. M.,
Wiesbaden, Heubach, Lauterbach, den 26. September 1910.
Die Beerdigung findet Donnerstag, den 29. September, vormittags 11 Uhr, vom Portale des
Darmstädter Friedhofes aus, statt.

Todes-Anzeige.
(Statt jeder besonderen Mitteilung.)
Nach langem, schwerem Leiden verschied heute morgen 10 Uhr unsere
innigstgeliebte Tochter, Schwester, Schwägerin und Tante
(B18685
Frr. Huise Zmmmerhahf
im Alter von 44 Jahren.
Im Namen der tieftrauernden Hinterbliebenen:
Luise Zimmermann,
Witwe des Dr. med. Wilh. Zimmermann.
Darmstadt, den 26. September 1910.
Die Beerdigung findet Mittwoch, den 28. September, nachmittags 3 Uhr, von der Kapelle des
städt. Friedhofes aus, statt. Die Einsegnung unmittelbar vorher.

Tageskalender.
Hoftheater, Anfang 7 Uhr (Abon. D): Figaros
Hochzeit.
Konzert um 8 Uhr im Hotel Heß.
Konzert um 8 Uhr im Perkeo.
Ausſtellung des Deutſchen Künſtlerbundes (geöffnet
v. 10 Uhr ab). Sonntags v. 1 Uhr ab Eintritt 50 Pfg.
Gemälde=Ausſtellung im Haus Chriſtianſen auf
der Mathildenhöhe (geöffnet von 106 Uhr).
1. Darmſtädter Kinema tograph (Ecke Rhein= und
Grafenſtraße): Vorſtellungen von 311 Uhr.
Verſteigerungskalender.
Mittwoch, 28. September.
Mobiliar= ꝛc. Verſteigerung um 10 Uhr Runde=
turmſtraße
16.

Mobiliar= ꝛc. Verſteigerung um 3 Uhr in der
Ludwigshalle‟.
Dünger=Verſteigerung um 11 Uhr in der Art.=
Kaſerne (Regiment Nr. 25).
Druck und Berlage z. 6.Wilichſche Sondachunſtrck=
Verantwortlich für den politiſchen Teil, für Feuilleton,
Reich und Ausland: Dr. Otto Waldaeſtel; für den übrigen
redaktionellen Teil und Letzte Nachrichten: i. V. Dr. Otto
Waldaeſtel; für den Inſeratenteil: J. Kroſt, ſämtlich in
Darmſtadt. Für den redaktionellen Teil beſtimmte
Mitteilungen ſind an die Redaktion des Tagblatts zu
adreſſieren. Etwaige Honorarforderungen ſind beizu=
fügen
; nachträgliche werden nicht berückſichtigt. Un=
verlangte
Manuſkripte werden nicht zurückgeſandt.

Kurſe vom 26. September 1910.
Mitgeteilt von Hermann Reichenbach.
Staatspapiere. In Proz. Zf.
Deutſche Reichsanl. . 22,10 4½ do. v. 1905 . .
do.
do. do.
do.
do.
r. Eiſenbahnanl. . 101,00
do.
do.
ſamburger Staatsanl. 101, 10 4½
eſſ. Staatsanleihe . . 101,50 4½ Japaner . . . . .
do.
80,40
do.
92,60
do.
Bulgaren=Tabak=Anl. 101,00 Aktien inländiſcher
Griechen v. 1887 . . 47,20 Transportanſtalten.
4 Hamb.=Amerika=Paket=
Italiener Rente . . .
fahrt .
. . . . 142,25
Oeſterr. Silberrente . 97,10
do. Goldrente . . 98,704 Nordd. Lloyd .
do. einheitl. Rente 93,40 4 Südd. Eiſenb.=Geſ. . . 122,30
Portug. unif. Serie I 67,25
do. unif. Ser. III 69,10 Aktien ausländiſcher
do. Spezial. 12,10 Transportanſtalten.
Rumänier v. 1903 . . 101,30 4 Anatol. Eiſenb. 60%
Einz. Mk. 408
do. v. 1890 . .
do. v. 1905 . . 91,00 4 Baltimore & Ohio . . 106½
Ruſſen v. 1880 a . . , 92,404 Gotthardbahn . . . .

InProz.
Dſche. Reichsſchatzanw. 100,00 4 Ruſſen v. 1902 . . 93,00
100,20
82,90 3½ Schweden . . .
Preuß. Schatzanweifg. 100,00 4 Serbier amort. v. 1895 83,50
do. Conſols . . . . 92,104 Türk. Admin. v. 1903 86,70
82,804 do. unifiz. v. 1903 93,90
ad. Staatsanleihe . . 101,60 4 Ungar. Goldrente . . 93,80
93,50 4 do. Staatsrente . 91,75
84,30 5 Argentinier . . . . . . 100,80
91,30
do.
91,40 4½ Chile Gold=Anleihe . 94,00
5 Chineſ. Staatsanleihe 102, 10
99,50
do.
97,60
91,00 5 Innere Mexikaner . . 99,60
do.
Sächſiſche Rente . . . 82,80 4 Gold=Mexikan. v. 1904 95,30
Württemberger v. 1907 101,90 5 Gold=Mexikaner . . . 100,25

109,40

InProt.
31.
4 Oeſt.=Ungar. Staatsb. 162,25
4 Oeſt. Südbhn. (Lomb.) 22½
4 Pennſylvania R. R. 128,50
Induſtrie=Aktien.
Mainzer Aktienbrauerei . 205,00
Werger=Brauerei .
. 73,00
Bad. Anil.=u. Sodafabrik 485,00
Fabrik Griesheim .
.264,20
Farbwerk Höchſt . . . . . 540,50
Verein chem. Fabriken
-
Mannheim .
Lahmeyer .
117,00
Schuckert .
163½
Siemens & Halske . . . 256,00
Adlerfahrradwerke Kleyer 441,00
Bochumer Bb. u. Guß . . 234,25
Gelſenkirchen .
. .216,75
Harpener . . .
. . 195,20
Phönix, Vergb. u. Hütten=
betrieb
.
. . . . . 246,50
Prioritäts=
Obligationen.
3½ Südd. Eiſenb.=Geſ. . . 90,00
4 Pfälzer Prt. . . . . .
.
3½
4 Eliſabeth., ſteuerpfl. . 99,20
4 do. ſteuerfrei .
5 Oeſterr. Staatsbahn. 105,20
do.
4
97,60
3
do. alte . 81,60
5 Oeſterr. Südbahn . .
do.
80,20
do.
57,50
3 Raab=Oedenburger . . 75,30
4 Ruſſ. Südweſt. . .
90,30
4 Kronpr. Rudolfbahn , 98,00

In Prot.
Sf.
2¾/10 Livorneſet . . . . . . 75,40
4 Miſſouri=Paciſic . .
Bagdadbahn Mk. 408 86,30
Anatoliſche Eiſenb..
5 Tehuantepec . . . . . 102,00

Bank=Aktien.
Berliner Handelsgeſ
Darmſtädter Bank
Deutſche Bank 256,50
Deutſche Vereinsbank 127,20
Diskonto=Geſellſchaft . 189,80
Dresdner Bank. 160,80
Mitteldent. Kreditbk.
Nationalbk. f. Deutſchl. 125,00
Pfälzer Bank . .
Reichsbank
Rhein. Kredit=Bank . 139,00
Wiener Bank=Verein

Pfandbriefe.
4 Frankſt. Hypoth.=Bank
S. 16 und 17
do. S. 19. . . . .
4 Frkf. Hyp.=Kreditverein
S. 1519, 2126
4 Hamb.=Hypoth.=Bank
do.
3½
4 Heſſ. Land.=Hyp.=Bk.
do.
3½
4 Meining. Hyp.=Bank
do.
3½
4 Rhein. Hypoth.=Bank
(unk. 1917
do. (unk. 1914)
3½
4 Südd. Bd.=Kr.=Bk.=Pf.
3½
do,

166,80
131,00
120,00
105,00
144,20
139,00

100,20
92,00
99,50
100,50
90,50
101,60.
92,30
101,00
91,00
100,00
90,90
100,30
92,50

Jtz:)
Bf.
Städte=
Obligationen
. 100,50
4 Darmſtadt .
91,50
3½ do.
100,90
4 Frankfurt . . .
95,50
3½ do.
100,20
4 Gießen .
3½ do.
4 Heidelberg .
91,20
3½ do.
4 Karlsruhe
3½ do.
91,40
-
4 Magdeburg.
3½ do.
4 Mainz
3½ do.
4 Mannheim
100,00
3½ do.
4 München .
101,10
3½ Nauheim
90,80
4 Nürnberg.
3½ do.
4 Offenbach .
3½ do.
4 Wiesbaden .
.100,00
3½ do.
4 Worms .
99,80
3½ do.
4 Liſſaboner v. 1886.
Verzinsliche
Anlehensloſe.
4 Badiſche Tlr. 100
3½ Cöln=Mindner 100
5 Donau=Reg. fl. 100
3 Holl. Komm. 100

In Pes;
Bf.
3 Madrider Fs. 100 77,75
4 Meining. Pr.=Pfand=
136,00
briefe.
4 Oeſterr. 1860er Loſe 174,80
3 Oldenburger
2½ Raab=Grazer fl. 150

Unverzinsliche
Anlehensloſe.

Augsburger
Braunſchweiger
Freiburger
Mailänder
do.
Meininger

fl.
Tlr.
Fs.
Fs.
Fs.
fl.

7 36,00
20 209,70
15 55,10
45
10
7

Oeſterreicher v. 1864 100 546,00
do. v. 1858 100 446,00
Ungar. Staats 100385,20
Venediger Frs. 30 41,40
Türkiſche
400181,00
Gold, Silber und
Banknoten.
Engl. Sovereigns .
20,39
16,18
20 Franks=Stücke .
Oeſterr. 20=Kronen . .
16,90
Amerikaniſche Noten .
4,19
Engliſche Noten .
20,42
Franzöſiſche Noten.
81,00
169,10
Holländiſche Noten .
80,75
Italieniſche Noten .
Oeſterr.=Ungariſche Noten 85,15
Ruſſiſche Noten . . . . .
Schweizer Noten . . . . . *80,90
Reichsbank=Diskonto. .
Reichsbank=Lombard Zäf.=6%

[ ][  ][ ]

Seite 8.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 27. September 1910.

Nummer 226.

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Roman von H. Ehrhardt.
(Nachdruck verboten.)
15)
Zwei Tage ſpäter gab es auf dem Bahnhof der kleinen
Harzſtadt ein geräuſchvolles Abſchiednehmen.
Neben der dunkeläugigen Franzöſin und der blonden
Muſiklehrerin umdrängten ſämtliche dreizehn Penſio=
närinnen
die ſcheidende kleine Helene, deren träumeriſche
Augen heute mit einem ſeltſam bangen und heimlich for=
ſchenden
Ausdruck aus dem blaſſen, verweinten Geſichtchen
ſchauten. Zuweilen dämmerte ein ſchwaches Lächeln in
ihren Zügen auf bei all den Worten, die ſie wie freund=
liche
, lichte Vögel umflatterten.
Haſt Du mein Päckchen auch ſicher hingelegt, Helene?
Setz’ Dich bloß nicht drauf, es ſind Likörbohnen drin.
Schreib’ mir eine Anſichtskarte mit dem dickſten Pa=
tienten
von Karlsbad laß wohlbeleibte Männer um
mich ſein!
Das war natürlich die Berliner Range.
Oh, f donc! entſetzte ſich die Franzöſin.
Hat Shakeſpeare voller Weisheit ſeinen Julius Cäſar
ſagen laſſen, entſchuldigte der Schwarzkopf ſich und lachte.
Die Anderen lachten trotz der Tränen des Ab=
ſchieds
mit.
Verlier das vierblättrige Kleeblatt nicht, Helene!
ſagte eine andere. Geſchenktes Glück dauert; wer weiß,
was Dir auf der Reiſe für ein Glück begegnet!

Sersih uns ur uich u ſchlt nchniedie Soaſen=
jüngſte
, ein ſchüchternes, zierliches Ding mit ſchönen
Augen, aber bedauerlich großer Naſe, und alle fielen ein:
Vergiß uns nicht! und fanden das ſo rührend, daß die
Taſchentücher in Tätigkeit treten mußten.
Nur Lisbeth Schäffer weinte nicht.
Sie ſtand in ihrem knappen, fußfreien, dunklen Rock
und teiner weißen, geſtickten Batiſtbluſe ſehr gerade und
ſtolz etwas zur Seite und blickte mit ihren ruhigen, klaren,
aufmerkſamen Augen über den Bahnſteig, ohne ſich an dem
Geſchwätz der anderen zu beteiligen. Die beiden Freun=
dinnen
hatten ſchon im ſtillen Zimmer bewegten Abſchied
genommen.
Nur einmal ſuchten Lisbeths Augen die verweinten
der Freundin, das war, als ein großer, ſchlanker, blonder
Herr in grauem Anzuge mit einem vertragenen Lodenhute
den Bahnſteig betrat, einen flüchtigen Blick über die
Damengruppe vor dem Coupé dritter Klaſſe gleiten ließ
und dann ein Abteil zweiter Klaſſe beſtieg. Lichtes Rot
färbte Helene Falks blaſſes Geſicht, im nächſten Moment
aber verfärbte ſie ſich vor Aufregung.
Impulſiv trat Lisbeth heran und reichte ihr die Hand.
Mut! ſagte ſie leiſe. Es wird alles gut gehen.
Helene vermochte nichts zu erwidern, ihre Lippen
zitterten.
Klagend, langgezogen tönte der Pfiff der Lokomotive
nach dem knappen Abfahrt des Stationsvorſtehers.
Leb wohl, Leb wohl! Glückliche Reiſe! Schreibe
bald! Auf Wiederſehen!

So tönte es verſchwommen an die Ohren des
blaſſen Mädchens.
Weiße Tücher wehten, winkende Mädchenhände
grüßten.
Sie ſah nichts davon, die kleine Helene, ſie ſah hin=
über
, wo der Buchenwald, vom Gewitterregen erfriſcht,
dunkelgrün das kleine Städtchen umkränzte, umgoldet
und geliebkoſt von der ſtrahlenden Morgenſonne.
Eine traurige Ahnung ſagte ihr, daß ſie ihn nie
wiederſehen würde.
*
Als der Zug nach zwei Stunden in dem kleinen,
aber weltberühmten Badeort H. anhielt, betrat Haſſin=
gen
die Halle des kleinen Bahnhofes und blieb dort
ſtehen. Dann erſchien Helene mit ihrer kleinen Reiſe=
taſche
, ihren Blumen und den vielen Paketchen, mit
denen Mädchenliebe ſie gut gemeint beladen hatte.
Glückſeligkeit ſtrahlte aus ihrem blaſſen Geſicht=
chen
, als ſie ihn wartend fand.
Oh, welche Angſt ich hatte, Hans, daß uns irgend
etwas dazwiſchen kommen könnte! Gott ſei dank, daß
ich Dich jetzt habe!
Sie lächelten ſich glücklich an.
Helene ſah ſehr reizend aus unter ihrem runden,
weißen Matroſenhut, in der loſen, weißen Batiſtbluſe,
deren viereckiger Ausſchnitt von breiter, durchbrochener
Stickerei umgeben war, und zu der ſie einen kurzen,
grauen, nach unten ſtark geſchweiften Rock trug, der
beim Gehen ſeine graziöſen Falten um ihre in graue
Segeltuchſchuhe gekleideten Füßchen warf.

1. Beilag
zum Darmſtädter Tagblatt.

N. 20.

Dienstag, 27. September.

1910.

Voranzeigel

Unsere

beginnt:

Donnerstag, den 29. September

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Haſſingen freute ſich an ihrem Ausſehen, er hatte
ein ſo ſtark ausgeprägtes Schönheitsgefühl, daß irgend
ein kleiner Mißgriff an weiblicher Toilette ihm den
ganzen Eindruck einer ſonſt ſchönen Erſcheinung ver=
derben
konnte.
Das Paar ging zu Fuß ins Innere der Stadt. Es
war angenehmes, nicht zu heißes Wetter. Der Himmel
blaute, Sonnenflecken tanzten auf ihrem Wege, den
ſchöne Ahornbäume beſchatteten. Zuweilen taumelte
ein gelbes Blatt hernieder und legte ſich ihnen zu
Füßen. Sie ſchritten raſch und fröhlich aus. Die ſechs
Stunden, die ſie vor ſich hatten, erſchienen ihnen
märchenhaft lang, ihr gemeinſames Wandern in einer
fremden Stadt, ſo ganz losgelöſt von allen Banden, ſo
ganz für ſich allein, beglückte ſie.
In einem jugendhaft übermütigen Gefühl hängte
der blonde Offizier ſich in den Arm ſeiner Gefährtin.
Sie erglühte vor ſeligem Stolz.
Nun darf ich doch einmal mit Dir gehen, ſo offen
vor aller Welt, wie ich mir’s immer gewünſcht. Alle
Leute, die uns begegnen, halten uns für ein Brautpaar
und lächeln. Sie freuen ſich, daß wir glücklich ſind,
nicht wahr?
Gewiß, mein Lieb. Und daß ich mir eine ſo reizende,
kleine Braut ausgeſucht habe.
Oh Du! Sie muſterte ihn ganz verklärt. Ich glaube
viel eher, daß Du ihnen in die Augen ſtichſt, ich bin
eigentlich viel zu unbedeutend für Dich und ein bißchen
zu klein, nicht?
Du biſt gerade recht ſo, kleine Helene.
Sie drückte ſeinen Arm ein wenig.
Wenn ich Dir nur gefalle, Hans, mögen alle
anderen mich häßlich finden, überhaupt alles iſt mir
doch ſo gleichgültig außer Dir Lisbeth und die
anderen Mädchen, ich habe ſie gern gehabt, aber ich
denke ſchon gar nicht mehr an ſie, und auch Papa,

Mama, die Geſchwiſter, das iſt, als gehörte ich nicht
mehr zu ihnen, als wären es fremde Menſchen wie
ſonderbar iſt das vor vier Monaten habe ich Dich
noch nicht gekannt, und jetzt erſcheint es mir faſt
unmöglich, ohne Dich weiter zu leben.
Sie ſagte es nicht traurig, ſondern einfach und
natürlich, es kam ihr im Moment noch gar nicht der
Gedanke, wie nah das Leben ohne ihn ihr ſchon warg
die Sonne ſtand ja erſt gerade in Mittagshöhe.
Aber ſie ſtand nicht ſtill.
Es kam die Zeit, da ſie miteinander im Kurhotel an
einem kleinen Tiſchchen Mittagbrot aßen, Helene etwas
eingeſchüchtert durch die weißgoldene Pracht des
Speiſeſaals, die Würde des Oberkellners und die ele=
gante
Art des Servierens. Sie hatte noch nie in einem
Hotel erſten Ranges gegeſſen.
Ihre Bewunderung für den Geliebten ſteigerte ſich,
als ſie ihn ſcheu und zärtlich beobachtete, wie er etwas
hochmütig und mit der Sicherheit der Gewohnheit dem
Oberkellner ſeine Befehle gab und kein Zeichen von
Erſtaunen zeigte über den zierlichen Aufbau des
pikanten Vorgerichts, den zu zerſtören ihr direkt leid
tat, über das ſtete Erneuern von Meſſer und Gabel
nach jedem Gang, über die ſilbernen Fiſchbeſtecks und
die goldgeränderten, ſchlanken, hochſtieligen Weingläſer,
in denen die Sonne vielfarbige Lichtreflexe weckte.
Der kleinen Penſionärin, die an gut bürgerliche
Einfachheit gewöhnt war, öffnete ſich eine neue Welt,
die Welt, in der ihr Geliebter heimiſch war, in die
allein er gehörte. Gewiß war die Flaſche Sekt, die er
beſtellte, dieſes ganze vornehme, kleine Diner in dem
erſten Hotel des weltbekannten Harzer Badeortes für
ſeinen Geldbeutel ein Luxus, für ſein Empfinden jedoch
eine Selbſtverſtändlichkeit, die ihn keinen Moment der
Ueberlegung gekoſtet hatte.
Er würde in ſeinem einſamen Zimmer dafür
wochenlang zum Abendbrot nur eine Schmalzſtulle

eſſen und eine Taſſe Tee trinken, das erſchien ihm
ebenſo ſelbſtverſtändlich, und durch die Konſequenz, die
er in dieſer Richtung bewies, unterſchied ſein nach
außen hin ſtandesgemäßes Leben ſich von dem leicht=
ſinnigen
Drauflosleben anderer unbemittelter Kame=
raden
, die ſich beim unvermeidlichen Zuſammenbruch
als bedauernswerte Opfer ihrer Standesrückſichten
hinzuſtellen lieben und die Teilnahme der Welt für
ſich haben.
Hans von Haſſingen war von Hauſe aus an Ent=
behrungen
aller Art gewöhnt, aber er liebte den Luxus
in dem Sinne, als er Schönheit und Harmonie um ſich
verbreitete.
Eine ſichere Glücksruhe nahm noch ein letztes Mal
Beſitz von den beiden jungen Herzen, die ſich in Liebe
entgegenſchlugen. An dem kleinen Tiſchchen in ihrer
Niſche, an der plaudernde Menſchen meiſt achtlos
vorüber ſchritten, fühlten ſie ſich auf der Inſel der
Seligen.
Rote Dahlien glühten wie Feuerblumen der Liebe
in hoher Kriſtallvaſe über dem weißglänzenden Damaſt
des Tafeltuches, im goldig=klaren Sekt perlten uner=
müdlich
ſilberne Kügelchen, lachende Sonne ſtrahlte
durch das breite Fenſter, tanzte, blitzte und zitterte auf
Porzellan, Glas und Metall, auf Helenens goldbraunen
Flechten und über Haſſingens glänzend glatten Offi=
ziersſcheitel
. Wenn er die Hand bewegte, gleißten die
breiten Goldringe am kleinen Finger freudig auf, des
Mädchens Blick ſtreifte ſie zuweilen faſt ehrfürchtig,
aber ſie ſagte nichts darüber. Sie kannte das Wappen
in dem grünen Stein, den zum Streit erhobenen, mit
der Keule bewaffneten Arm, aber ſie hatte eine Scheu
davor, als vor einem Feinde ihrer Liebe, ,und doch den
heimlichen Stolz, die kleine, begreifliche Eitelkeit an=
der
vornehmen Geburt des Mannes, der ſie vor allen
anderen gewählt.
(Fartſetzung=folgt.)

[ ][  ][ ]

Nummer 226.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 27. September 1910.

Seite 11.

Amtliche Nachrichten des Großherzoglichen Kreisamts Darmſtadt.
Bekanntmachung.
Es wird hiermit zur Kenntnis der Intereſſenten gebracht, daß die Kreisſtraße von
Nieder=Ramſtadt bis zur Abzweigung in die neue Kreisſtraße bei den Schachenmühlen
behufs der Kanalanlage am Lohberg von heute ab auf ca. 8 Tage für Fuhrwerke,
Automobile und Motorräder geſperrt iſt.
Darmſtadt, den 24. September 1910.
(18647id
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
Fey.

Amtliche Nachrichten des Großherzoglichen Polizeiamts Darmſtadt.
Polizeilich eingefangene und zugelaufene Hunde.
In polizeilicher Verwahrung und Pflege in der Hofreite Beſſungerſtr. Nr. 56 be=
finden
ſich: 1 Spitzhund, 1 Pinſcher.
Die Hunde können von den Eigentümern bei dem 5. Polizei=Revier ausgelöſt
werden. Die Verſteigerung der nicht ausgelöſten Hunde findet dortſelbſt jeden Werk=
tag
, vormittags um 10 Uhr, ſtatt.

Bekannt machung.
Betreffend: Die Herbſtmeſſe 1910.
Unter Bezugnahme auf §366 Ziffer 10 St. G. B., Art. 264 Pol. St. G. und Art. 56
Abſ. 2 der Städteordnung wird für die Dauer der diesjährigen auf dem ſtädtiſchen Gelände
gegenüber dem Hallenſchwimmbad ſtattfindenden Herbſtmeſſe folgendes angeordnet:
1. Es iſt verboten, durch die Reihen der Schau= und Verkaufsbuden zu reiten
oder mit Fuhrwerken irgend welcher Art. namentlich auch mit Fahrrädern, zu
fahren.
2. Ueber die an das vorerwähnte Gelände grenzenden Straßen (Lindenhof=, Mühl=
und Landgraf=Georg=Straße) darf nur im Schritt gefahren oder geritten werden.
Darmſtadt, den 22. September 1910.
(18456soi
Großherzogliches Polizeiamt.
Dr. Kranzbühler.
Bekanntmachung,
betreffend die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe in der Haupt= und
Reſidenzſtadt Darmſtadt.
Da aus Anlaß der Meſſe am Sonntag, den 2. Oktober 1910, für die Stadt
ein geſteigerter örtlicher Geſchäftsverkehr zu erwarten iſt, wird hiermit auf Grund des
§ 105b Abſatz 2 der Reichsgewerbeordnung und des § 37 der Ausführungsanweiſung
für dieſen Tag die Offenhaltung ſämtlicher offenen Verkaufsſtellen einſchließlich der
Verkaufsſtände der Meſſe in der Zeit von 11 Uhr vormittags bis 7 Uhr abends
zugelaſſen.
Während dieſer Stunden iſt die Beſchäftigung von Gehilfen, Lehrlingen und
Arbeitern in allen offenen Verkaufsſtellen geſtattet.
(18553oim
Darmſtadt, den 23. September 1910.
Großherzogliches Polizeiamt.
Dr. Kranzbühler.

Die öffentliche Impfung im Jahre 1910.
Oeffentliche Impftermine für den Stadtbezirk werden, ſo lange das Bedürfnis
dauert, jeden Mittwoch, nachmittags 5 Uhr, in dem Schulhauſe in der Rundeturm=
ſtraße
abgehalten.
Impfpflichtig im laufenden Kalenderjahre ſind nach Geſetz die im vorigen Jahre
geborenen Kinder ſowie die rückſtändigen früheren Jahrgänge.
Wir laden die hieſigen Einwohner, die impfpflichtige Kinder haben, zur Benutzung
dieſer öffentlichen Termine mit dem Bemerken ein, daß alle in denſelben vorgenom=
menen
Impfungen für den Einzelnen unentgeltlich ſind. Wer die Termine nicht be=
nutzen
will, muß die Impfung ſeines pflichtigen Kindes bis zum Jahresſchluß auf
ſeine Koſten bewerkſtelligen laſſen, widrigenfalls ihm im Januar nächſten Jahres zur
Nachholung der Impfung eine vierwöchige Friſt unter Strafandrohung geſetzt wird.
Außer den Pflichtigen werden in den Terminen auch Erwachſene auf ihren
Wunſch, und Kinder, die erſt im laufenden Jahre geboren ſind, auf Wunſch ihrer
Vertreter geimpft. In der Regel werden in jedem Termin nicht mehr als 50 Impf=
ungen
vorgenommen. Alle in einem Termine geimpften Kinder müſſen, bei Meidung
der geſetzlichen Strafe, in dem 8 Tage ſpäter abgehaltenen Termine zur Nachſchau noch=
mals
gebracht werden. Kinder, deren Zurückſtellung von der Impfung wegen Kränk=
lichkeit
beanſprucht wird, können gleichfalls in den Terminen dem Impfarzt vorgeſtellt
werden.
Wegen der Wiederimpfung der Schulkinder wird beſondere Benachrichtigung an
die Schulvorſteher erfolgen.
Aus einem Hauſe, in dem anſteckende Krankheiten wie Scharlach, Maſern,
Diphtherie, Croup, Keuchhuſten, Flecktyphus, roſenartige Entzündungen oder die natür=
lichen
Pocken herrſchen, dürfen Impflinge zum allgemeinen Termin nicht gebracht
werden. Die Kinder müſſen zum Impftermin mit rein gewaſchenem Körper und mit
reinen Kleidern gebracht werden.
Darmſtadt, den 30. Juni 1910.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Darmſtadt.
J. V.: Schmitt.
(13276a

Verſteigerungs-Anzeige.
Mittwoch, den 28. September 1910, vormittags 10 Uhr,
werden im Pfandlokale Rundeturmſtraße 16 (Roſenhöhe)
verſchiedene Möbel, darunter Betten, Waſchkommode, Nachtſchränkchen,
Kleiderſchränke, Diwans, Schreibtiſche, 1 Büfett, 1 Pianino, Vertikos, ferner
verſchiedene Ladentheken, 1 Kaſſenſchrank, 1 Eisſchrank, 1 Dezimalwage, 1 Fahr=
rad
, verſchiedene Pferde, Landauer, Kupees, 8 Fl. Eſſenzen, 2 Ballon
Kognak ꝛc. und 20 Bände Meyers Konverſations=Lexikon
zwangsweiſe verſteigert.
Berbert, Großh. Gerichtsvollzieher,
Georgenſtraße 11, I.
18678)

Verſteigerungs-Anzeige.
Mittwoch, den 28. September 1910, nachmittags 3 Uhr,
verſteigere ich im Verſteigerungslokal Zur Ludwigshalle (Obergaſſe) öffentlich
zwangsweiſe gegen Barzahlung:
Mehrere Mille Zigarren, eine Partie Irigator, 50 Karton Verbandwatte,
25 Flaſchen Südweine, 1 zweiſpänniger Wagen, 1 Wirtſchaftsbüfett, 1 Kaſſen=
ſchrank
, 1 Kontrollkaſſe, Hobelbänke, Fournierböcke, Leimböcke, 1 Eisſchrank,
1 Ladentheke, 1 Ausſtelltheke, 1 Fahrrad, 1 Füllofen, 1 Reiſekoffer, eine
Partie Geſchäftsbücher, 1 Plüſchgarnitur, 1 Vertiko, 1 Waſchkommode, 1 Diwan,
1 Kanapee, 1 Galerieſchränkchen, 1 Spiegel, 1 Pianino, 1 Grammophon,
1 Akkordeon u. a. m.
Darmſtadt, den 19. September 1910.
Kapp, Großh. Gerichtsvollzieher,
Friedrichſtraße 24, I.
18655)

ekanntmachung.

Donnerstag, den 29. September 1910, vormittags 11¼ Uhr,
läßt die Gemeinde Ober=Ramſtadt in der Faſelhofreite dahier zwei gut gehaltene, zur
Zucht untauglich gewordene
Faſelochſen
eiſtbietend öffentlich verſteigern.
Die Gemeinde beabſichtigt, wieder 2 junge, ſprungfähige Faſelochſen ( Simmen=
aler
Raſſe) anzukaufen und ſind Offerten an die Großherzogliche Bürgermeiſterei
dahier innerhalb 8 Tagen einzuſenden.
(18354fi
Ober=Ramſtadt, den 22. September 1910.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Ober=Ramſtadt.
Fritſch.

ierahmte Bilder, Einrahmungen gesc
billig
rnst-Ludwigstr. 8 Jullus Herge, Ernst-Ludwigstr. 8.

Verſteigerungs-Anzeige.
Freitag, den 30. September I. J., vormittags 9 Uhr,
verſteigere ich in der Ludwigshalle, Obergaſſe, wegen Auflöſung eines Haushaltes im
Auftrage des Vormundes, Herrn Juſtizrat Dr. Jäger, hier, folgende Gegenſtände:
1 Büfett (klein), hierzu paſſend 1 Ausziehtiſch und 8 Stühle in Naturnußbaum
und 1 Büfett (klein) in nußb. poliert, 1 Glasſchrank, 1 Chaiſelongue, 1 Sofa,
1 Nähtiſch, 1 Damenſchreibtiſch (nußb. pol.), verſch. Seſſel, Stühle und Hocker,
1 Bauerntiſch, 2 Paneelbretter, 2 Teppiche, 1 große Matte, 1 Pfeilerſchränkchen,
verſchiedene kleinere Tiſche, darunter 1 Salontiſch (nußb. pol.), 1 ſpan. Wand‟
1 Weißzeugſchränkchen, 1 eintür. Kleiderſchrank, verſch. Spiegel und 1 großer
Trumeauſpiegel, 1 Kommode, 1 Waſchtiſch, 1 Nachttiſch mit Marmorplatte,
1 Spieltiſch, 1 Hausapotheke, 1 Petroleumofen, 1 Gasherd, 1 Regulator,
1 Stahlſtich, groß: Die Amazonenſchlacht nach Rubens 1 Prachtwerk: Die
deutſche Bühne in Wort und Bild von Eckſtein, verſchiedene Vorhänge und
andere Haushaltungsgegenſtände, 1 vollſt. Bett, 1 eiſ. Bettſtelle mit dreiteil.
Matratze, 1 Bettſtelle mit Rahmen, ſodann 1 Partie Kleider, Weiß=
zeug
, Bett= u. Tiſchwaſche, 1 Küchenſchrank und Küchenmöbel, Ge=
ſchirr
und Porzellan und ſonſtiger Hausrat u. a. m.
Die Verſteigerung findet an den Meiſtbietenden gegen bare Zahlung ſtatt.
Darmſtadt, den 27. September 1910.
(18617id
Ernst Wolff, Amtsgerichtstaxator,
Mühlſtraße 62, am Kapellplatz.

Bekanntmachung.
Die Zahlung der rückſtändigen Be=
träge
für erſteigertes Heugras und er=
ſteigerten
Klee von der ſtädtiſchen Pallas=
wieſe
, den früheren Beſſunger Wieſen, den
Scheftheimer und Teichwieſen und von ver=
ſchiedenen
anderen ſtädtiſchen Grundſtücken
(aus den Verſteigerungen Großherzoglicher
Bürgermeiſterei vom 27. Mai, 9., 10., 20.
und 30. Juni 1910) hat bei Vermeidung
des Mahn= und Pfändungsverfahrens
bis längſtens Ende September 1910
an den Werktagen, vormittags 8½ bis
12½ Uhr, hierher zu erfolgen. (18105a
Darmſtadt, den 16. September 1910.
Die Stadtkaſſe.
Koch.

In unſer Handelsregiſter 4, wurden fol=
gende
Einträge vollzogen:
Am 13. September 1910.
Aenderung hinſichtlich der Firma:
Hotel=Reſtaurant Gottwald Ma=
thias
Schießlinger, Darmſtadt.
Die Firma iſt geändert in:
Eiſenbahn=Hotel Gottwald Ma=
thias
Schießlinger.
Am 14. September 1910.
Gelöſcht die Firma:
Ludwig Vogt, Darmſtadt.
Am 17. September 1910.
Neu eingetragen die Firma:
Doll & Benz, Darmſtadt.
Inhaber: Carl Ludwig Doll, Ingenieur
in Darmſtadt,
Carl Benz, Kaufmann in
Darmſtadt.
Offene Handelsgeſellſchaft.
Die Geſellſchaft hat am 1. Mai 1910
begonnen.
Gelöſcht die Firma:
Louis Weber, Darmſtadt.
Am 20. September 1910.
Neu eingetragen die Firma:
Hans Gehlhaar, Darmſtadt.
Inhaber: Hans Gehlhaar, Kaufmann
in Darmſtadt.
Am 22. September 1910.
Gelöſcht die Firma:
L. Remmert Witwe, Darmſtadt.
Am 23. September 1910.
Hinſichtlich der Firma:
Evertz & Co., Darmſtadt.
Die offene Handelsgeſellſchaft iſt mit
Wirkung vom 20. September 1910 auf=
gelöſt
.
Geſchäft und Firma ſind auf den ſeit=
herigen
Geſellſchafter Ernſt Everts als Ein=
zelkaufmann
übergegangen.
Hinſichtlich der Firma:
W. Schoeller, Darmſtadt.
Die Prokura des Joſef Heinrich in Darm=
ſtadt
iſt erloſchen.
Hinſichtlich der Firma:
Paul Wolf & Co., Darmſtadt.
Die Firma iſt auf die Geſellſchaft Paul
Wolf & Co., Geſellſchaft mit beſchränkter
Haftung in Darmſtadt, übergegangen und
wird gelöſcht.
(18623
Darmſtadt, den 24. September 1910.
Großh. Amtsgericht Darmſtadt I.

Bekanntmachung.
In dem Konkursverfahren über das
Vermögen der offenen Handelsgeſellſchaft
Bavaria=Drogerie (Kaufleute Hans Wa=
genbrenner
und Veit Kötzner, perſönlich
haftende Geſellſchafter) in Darmſtadt iſt
Termin zur Abnahme der Schlußrechnung,
Erhebung von Einwendungen gegen das
Schlußverzeichnis und Beſchlußfaſſung der
Gläubiger über die nicht verwertbaren Ver=
(18619
mögensſtücke auf:
Dienstag, den 18. Oktober 1910,
vormittags 11 Uhr,
vor dem unterzeichneten Gerichte, Neues
Gerichtsgebäude am Mathildenplatz, Zim=
mer
Nr. 210, anberaumt worden.
Darmſtadt, den 21. September 1910.
Der Gerichtsſchreiber
Großherzoglichen Amtsgerichts I.

Forderungen
aus dem Nachlaſſe des Herrn Joſeph
Heinrich beliebe man innerhalb 8 Tagen
bei dem Unterzeichneten anzumelden, andern=
falls
dieſelbe keine Berückſichtigung finden
(18557
können.
Darmſtadt, den 26. September 1910.
F. M. Oppel, Parcusſtr. 11.

Gasofen
zu kaufen geſucht. Offerten unter V 46
an die Expedition ds. Bl.
(*23647id

In unſer Handels=Regiſter, Abteilung B,
a iſt heute unter Nr. 78 die Geſellſchaft
mit beſchränkter Haftung unter der Firma:
Paul Wolf & Co., Geſellſchaft mit
beſchränkter Haftung, und mit dem
Sitze in Darmſtadt,
eingetragen worden.
Gegenſtand des Unternehmens iſt der
Betrieb eines Möbeltransport=, Speditions=
und Lagerungsgeſchäfts mit allen in dieſem
Betrieb einſchlagenden und damit ver=
bundenen
gewerblichen Tätigkeiten.
Das Stammkapital beträgt: 78000 Mk.
Geſchäftsführer ſind:
Kaufmann Paul Wolf in Darmſtadt,
Kaufmann Karl Rothermel in Darm=
ſtadt
,
Privatier Georg Brengelin Darmſtadt.
Der Geſellſchaftsvertrag iſt am 2. Sep=
tember
1910 feſtgeſtellt. Zur Vertretung
der Geſellſchaft iſt die Mitwirkung von
mindeſtens 2 Geſchäftsführern erforderlich.
Die Geſellſchafter: Paul Wolf, Kauf=
man
, Karl Rothermel, Kaufmann, beide in
Darmſtadt, bringen das von ihnen unter
der Firma Paul Wolf & Co. zu Darm=
ſtadt
als offene Handelsgeſellſchaft betrie=
bene
Möbeltransport=, Speditions= und
Lagerungsgeſchäft nebſt Zubehör, der Ge=
ſellſchafter
Georg Brengel, Privatier in
Darmſtadt, bringt das Geſchäftsvermögen
der unter der Firma Darmſtädter Trans=
portgeſellſchaft
Georg Götz & Co. beſtehen=
den
Geſellſchaft mit beſchränkter Haftung,
deren alleiniger Geſellſchafter er iſt, nebſt
Zubehör, insbeſondere die im Grundbuche
der Gemarkung Darmſtadt auf den Namen
der zuletzt genannten Geſellſchaft einge=
tragenen
Grundſtücke:
Fl. 20 Nr. 73¾/100 499 am Hofreite Pal=
laswieſenſtr
.,
7399/100 362 Hofreite daſ.,
20
20 8351/100 772 Hofreite daſ.,
20 8350/100 1170 Bauplatz ein,
wofür ihnen auf ihre Stammeinlagen an=
gerechnet
werden:
a) dem Paul Wolf 29000 Mk.,
b) dem Karl Rothermel 29000 Mk.,
c) dem Georg Brengel 20000 Mk.
Oeffentliche Bekanntmachungen der Ge=
ſellſchaft
erfolgen nur durch den Deutſchen
Reichs=Anzeiger.
(18624
Darmſtadt, den 23. September 1910.
Großh. Amtsgericht Darmſtadt I.

In unſer Geſellſchafts=Regiſter wurde heute
a eingetragen hinſichtlich der Firma:
Plantagen=Geſellſchaft El Triunfo
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[ ][  ][ ]

Seite 12.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 27. September 1910.

Nummer 226.

Jahrplan der Städtiſchen Straßenbahn Darmſtadt.
Gültig vom 1. Oktober 1910.
Dieſachzeitenv. (habends bis desfrüh ind.
Unterſtreichung derMinutenziffer gekennzeichnet.
I. Böllenfalltor-Herdweg-Hauptbahnhöfe (Signalfarbe weiß).

545 618 650 636 641 648 700 712724 730 745
§ 255 105
525 624 686 642 647 654 706 718 730 737 752 .5 85 ab Böllenfalltor
Herdweg 5u 6i Ga gunger Git zeh 15 7i0 go 715 7.0 g
600 630 642 648 (58 700 712 724 736 743 751 758 2
3 Säa 11
(35 647 653 659 705 717 729 741 740 756 804 mg
ig 11m an Herdweg
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82 6as 825 905
bis

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12 Min. 11§ 11ms 11gs
bis 1122. 112

bl.2. bl.2.

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(t 70 75
701 713 725-

130 740 790 705
737 749 757 805

642 654 706 718 730 736 742 740 756 804 811 65g

82 91. 0cs 6 5
S 994 918 920 565

1§ 1m
1122e 1134
1130 1142

ab

Schloßgartenplat
Hauptbahnhöfe

654 706 718 720 742 749 756 804 811 819826 :- 918 930 942 %5 1142

an Gt 2 715 75 1 750 750 go gn=
647 659 711 723 735 742 748 753 800

642 654 706 718 730 736 742 746 754 Ss
an ? Landskronſtraße Bab 654 706 718 730 742

Ernſt=Ludwigsplatz
III. Heidelbergerſtraße-Taunnsſtraße-Faſanerie (Signalfarbe grün).

19
294
(250al 0m 0m da
847 854 904 918 920z
834 841 849 904 918

Kis.
1115 1120
S2 1106 11151122112

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(18684ifs
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Nummer 226,

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 27. September 1910.

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auf dem Neuen Schießhaus mitnahmen,
werden erſucht, denſelben dorthin ſofort
zurückzubringen, da erkannt. (*23643

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Landgraf=Philipp=Anlage 4, 3. St.

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ein Kanarienvogel
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Belohnung bitte abzugeben
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Brauntiger, m.braun.
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Hügelſtraße 6.
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Brauntiger, abhand.
Jagdhund, gekommen

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im Kaisersaal (Schlaraffiasaal) in Darmstadt.
Tagesordnung: 1. Jahresbericht des Vorſitzenden. 2. Rechnungsablage und
Entlaſtung des Schatzmeiſters. 3. Neuwahl des Ausſchuſſes. 4. Beſchlußfaſſung über
etwaige Anträge.
Zu dieſer Verſammlung ſind alle Mitglieder der Kreisgruppe, aber auch ſonſt
jedermann eingeladen und willkommen.
(18680
Der Ausschuss der Kreisgruppe Darmstadt.

Erterdrischer Verch.
Vereinslokal: Wilhelminenstrasse 9.
Bücherausgabe: Montags von 1012 Uhr.
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1012 Uhr im Vereinslokal.
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Cherubin, Page d. Grafen Frl. Zeiller
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des Grafen . . . . Hr. Stephant
Suſanne, Kammermäd=
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der Gräfin . . . Frl. Suchanek
Marzelline, Beſchließerin
im Schloſſe d. Grafen Frl. Howard
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Bartolo, Arzt
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von 11 bis 1 Uhr für die Vorſtellungen:
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Zum erſten Male wiederholt: Gawän.
Große Preiſe. Anfang 7 Uhr.
Donnerstag, 29. Sept. 21. Ab.=Vorſtell.
B 6. Neu einſtudiert: Das Nacht=
lager
in Granada. Kleine Preiſe.
Anfang 7 Uhr.
Freitag, 30. Sept. 22. Ab.=Vorſt. C 6.
Zum erſten Male: Der Biberpelz.
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7 Uhr.
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Seite 14.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 27, September 1910.

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Nummer 226

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 27. September 1910.

Seite 15.

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Seite 16.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 27. September 1910.

Nummer 226.

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geſtellte Arbeitsraum ohne weiteres entzogen und zu
dreiviertel für die Schaffung einer neuen Totaliſator=
kaſſe
verwendet worden iſt. Der Beſchluß, über die
Grunewald=Rennen wegen des augenblicklich zur Ver=
fügung
geſtellten unzulänglichen Arbeitsraumes bis
auf weiteres nicht zu referieren, iſt von den anweſen=
den
Vertretern der Preſſe einſtimmig gefaßt worden.
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Leipziger Herbſtmeetings ging bei ſchönem Wetter und
ſtarkem Beſuch vor ſich. Um die Hauptkonkurrenz, den
Großen Preis von Leipzig, im Werte von 25000 Mark
bewarben ſich vier Pferde. Roſeninſel führte nach dem
Start vor Cola Rienzi und Walter Stolzing, während
Mikado III. zum Schluß galoppierte. Im Einlauf,
wo Roſeninſel geſchlagen war, nahm Walter Stolzing
das Rennen auf, hatte ſofort gewonnenes Spiel und
ſiegte leicht mit dreiviertel Längen gegen Cola Rienzi.
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Mark, Diſtanz 1350 Meter: 1. Herrn G. von Lippas
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Sicher ¾ Lg. bis Hals. Großer Preis von Leipzig,
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Walter Stolzing (Liſter), 2. Cola Rienzi ( Clemin=
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Diana=Jagd=Rennen, Ehrenpreis und 2200 Mark, Di=
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4000 Meter: 1. Herrn W. Dodels Avignon (Beſ.),
2. Boabdil (Lt. von Lütcken), 3. Augsburg (Lt. Braune).
Ueberlegen 45 Lg. Leipziger Handicap, 12000
Mark, Diſtanz 1800 Meter: 1. Herrn G. Lippas Rohr=

ſperling (Spear), 2. Cheops (A. Schläfke), 3. Indiana
(Warne). Kampf, Hals bis ½ Lg. September=Jagd=
Rennen, Ehrenpreis und 3200 Mark, Diſtanz 4000 Me=
ter
: 1. Herrn E. von Lieres Judelle II. (Dr. Rieſe),
2. Red Girſha (Beſ.), 3. Saint Mihiel (Beſ.). Kampf,
Hals bis 7 Lg.
C) Auf der Mainzer Radrennbahn ge=
langte
am Sonntag ein Match zwiſchen dem ehemali=
gen
Amateur=Straßenfahrer Ludwig=Soſſenheim und
Weiß=Frankfurt a. M. über 10, 20 und nochmals 20
Kilometer zum Austrag. Das Rennen hatte keinen
beſonderen Zuſpruch ſeitens des Publikums gefunden.
Sieger blieb Ludwig, der die beiden erſten Läufe in
10 Minuten 19 Sekunden bezw. 20 Minuten ½ Sek.
gewann, während er im dritten Lauf nach 6 Kilometer
aufgab. Weiß verbeſſerte in dieſem Lauf mit 19 Min.
59,2 Sek. den kurz vorher von Ludwig aufgeſtellten
Bahnrekord.
sr. Die Radrennen in Treptow waren
am Sonntag trotz des ſchönen Herbſtwetters nicht allzu
zahlreich beſucht. Als Hauptkonkurrenz ſtand das von
Demke, Hugo Przyrembel, Schulze=Zehlendorf und dem
Schweizer Miller beſtrittene Stundenrennen in zwei
Läufen von je einer halben Stunde auf dem Programm.
Den erſten Lauf gewann der vom Start ab führende
Demke überlegen. Przyrembel hielt ſich durchweg dicht
hinter dem Berliner, während Schulze und Miller
keine Rolle ſpielten. Der zweite Lauf verzögerte ſich
dadurch ſtark, daß gleich nach dem Start der Motore der
Schrittmacher Przyrembels denjenigen von Demke an=
fuhr
, ſo daß beide ſtürzten. Als die Maſchinen wieder
in Stand geſetzt waren, brach bereits die Dunkelheit
herein und das Rennen mußte bei 20 Kilometer abge=
brochen
werden. Die Spitze hielt Schulze vor Miller.
Im Geſamtklaſſement ſiegte Demke vor Schulze, Mil=
ler
und Przyrembel. Im Stunden=Prämienfahren
holte ſich der ausgezeichnet fahrende Lorenz die ſämt=
lichen
ſieben nach je fünf Kilometer ausgeſetzten Prä=
mien
. Lorenz hätte wahrſcheinlich auch das Rennen
gewonnen, wenn er nicht bei Beginn der letzten Runde
infolge Reifendefekts geſtürzt wäre. Sieger blieb dann
Pawke. Die genauen Reſultate waren: Vorgabefahren:
1. Birkholz (80 Kilometer), 2. Finn (60 Kilometer),
3. Abraham (80 Kilometer). Stunden=Prämienfahren:
1. Pawke, 39,400 Kilometer; 2. Saldow, 1 Lg. zurück;
3. Götze, dichtauf; 4. Theis, 5. Gehrke. Stundenrennen
mit Motorſchrittmachern: Erſter Lauf, halbe Stunde:
1. Demke, 36,180 Kilometer; 2. Hugo Przyrembel, 35,960
Kilometer; 3. Schulze, 33,660 Kilometer; 4. Miller,
31,660 Kilometer. Zweiter Lauf, nach 20 Kilometer ab=
gebrochen
: 1. Schulze, 18 Minuten 11,2 Sekunden; 2.
Miller 290 Meter, 3. Demke 950 Meter, 4. Przyrembel
weit zurück. Geſamtklaſſement: 1. Demke 57,210 Kilo=
meter
, 2. Schulze 55,840 Kilometer, 3. Przyrembel
54,460 Kilometer, 4. Miller 53,550 Kilometer.
Eine Radwettfahrt Rund durch
Deutſchland. Nach dem Muſter der alljährlich
zum Austrag gelangenden Rieſenfernfahrt Rund durch
Frankreich ſoll eine ähnliche Konkurrenz auch in
Deutſchland ins Leben gerufen werden. Ein ähnliches
Projekt tauchte ſchon vor längerer Zeit auf. Nachdem
jetzt der Amateur= und Berufsfahrer=Sport durch den
Zuſammenſchluß des Verbandes Deutſcher Radrenn=
bahnen
und des Deutſchen Radfahrer=Bundes gemein=
ſamere
Intereſſen verfolgt, hat das Projekt bereits
greifbare Geſtalt angenommen. Während ſich das
franzöſiſche Rennen mit einigen Ruhetagen über volle
4 Wochen erſtreckt, ſoll die geplante deutſche Konkur=
renz
ſich weniger umfangreich geſtalten und, wie ſchon
die letzte Rundfahrt um Berlin, in zwei Gruppen für
Amateure und Berufsfahrer ausgefahren werden.
Als Anfangstermin iſt der Pfingſtſonntag in Ausſicht
genommen, als Start Dresden, wo im nächſten Jahre
eine große Sport=Ausſtellung ſtattfindet. Die vorge=

ſehene Strecke führt zunächſt gemeinſam für beide
Gruppen am erſten Tage über Chemnitz, Zwickau und
Planen nach Nürnberg (326 Kilometer), von dort am
Pfingſtmontag über Würzburg, Aſchaffenburg und Ha=
nau
nach Frankfurt a. M. (zirka 221 Kilometer). Am
dritten Pfingſtfeiertag geht die Ronte am Rhein ent=
lang
über Bingen, Koblenz, Bonn, Köln und Düſſel=
dorf
nach Eſſen (298 Kilometer), um am vierten Tage,
für die Amateure, die Schlußetappe durch Weſtfalen
nach Hannover über 241 Kilometer zu bringen. Für
die Berufsfahrer geſtaltet ſich die Aufgabe um vier
Tage länger, da ſie dann am fünften Tage von Han=
nover
durch die Lüneburger Heide nach Hamburg und
von dort über Lübeck und Roſtock nach Stralſund die
weite Strecke von 400 Kilometer zurücklegen ſollen.
Der ſechſte Tag führt über Stettin nach Landsberg (305
Kilometer), von dort geht es am Samstag nach Bres=
lau
und endlich am Sonntag, dem Schlußtage, über
Liegnitz und Görlitz nach Berlin. Die Geſamtleiſtung
der Herrenfahrer würde rund 1100 und die der Be=
rufsfahrer
etwas über 2400 Kilometer betragen.
Die Oktober=Verſammlung in Leipzig, die über eine
durchgreifende Neuorganiſation des Rennweſens
innerhalb des Deutſchen Radfahrer=Bundes beſchlie=
ßen
ſoll, wird ſich auch über die Möglichkeit einer
Rundfahrt durch Deutſchland ſchlüſſig werden.

Vermiſchtes.
* Eine chineſiſche Köpenickade. Wir leſen im Tageblatt
für Nordchina: Auch in China hat jetzt der Hauptmann
von Köpenick einen Nachahmer gefunden. Ein aus dem
Norden kommender Herr brachte folgende gelungene Ge=
ſchichte
aus der Nähe von Kirin mit. Dort trieb ſeit län=
gerer
Zeit ein Hunghutzenhäuptling namens Hung Fong
(Der rote Wind) ſein Unweſen. Er hat eine Bande
von etwa 4000 Anhängern. Der Bezirksmandarin hatte
einen Preis von 10000 Taels auf den Kopf des Banditen
geſetzt. Unlängſt erſchien nun im Hauſe des Mandarinen
ein hoher chineſiſcher Beamter mit dem roten Knopf, in
grüner Sänfte und mit großem Gefolge. Er verlangte
den Mandarinen zu ſprechen, dem er einen Spezialbefehl
aus Peking überbringen ſolle. Er wurde mit großen
Ehren empfangen, und der Mandarin geleitete den Frem=
den
in ſeine Privatgemächer. Dort angelangt, verlangte
der hohe Beamte, mit dem Mandarin allein gelaſſen zu
werden, da er den Auftrag habe, mit ihm allein zu ver=
handeln
. Nachdem dieſem Wunſche gewillfahrt worden
war, ſchloß der Fremde die Tür ab und hielt dem verblüff=
ten
Mandarin eine Browningpiſtole unter die Naſe, in=
dem
er ſagte: Ich bin Hung Fong, auf deſſen Kopf Du
10000 Taels geſetzt haſt, ich bin gekommen, ſie mir abzu=
holen
. Der erſchreckte Mandarin entnahm ſeinem Geld=
ſchranke
das Geld, übergab es dem Räuber, der ihn darauf
feſſelte und knebelte und ihn in das anſtoßende Schlaf=
gemach
ſperrte. An die Tür heftete er einen Befehl, worin
jeder mit Todesſtrafe bedroht wurde, der innerhalb 24
Stunden das Zimmer betrete. Der Räuber ging darauf
in aller Ruhe hinaus und ſagte: Er habe bei der Unter=
ſuchung
, zu der er beauftragt worden ſei, große Unter=
ſchleife
ſeitens des Mandarinen entdeckt. Er habe ihm
Arreſt bis zu ſeiner Rückkehr diktiert und niemand ſollte
es wagen, den Gefangenen vor ſeiner Rückkehr zu be=
freien
. Keiner wagte zu demonſtrieren, und der hohe Be=
amte
zog mit ſeinem Gefolge unbehelligt weiter. Als die
Beamten des Mandarinen, die telegraphiſch in den benach=
barten
Orten nach dem Verbleib des hohen Herrn Erkun=
digungen
einzogen, hörten, daß niemand von ihm etwas
wüßte, ſchöpften ſie Verdacht und begaben ſich in die Ge=
mächer
des Mandarinen, den ſie in ſeiner unglücklichen
Verfaſſung antrafen und befreiten. Vom Hunghutzen von
Köpenick hat aber niemand bis jetzt weiteres gehört.

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