Darmstädter Tagblatt 1910


02. September 1910

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173. Jahrgang
verbunden mit Wohnungs=Anzeiger und der Sonntags=Beilage: ſowie von unſeren Agenturen und
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Organ für die Bekanntmachungen des Großh. Polizeiamts Darmſtadt, der Großh. Bürgermeiſtereien des Kreiſes und der andern Behörden.
Das Amtsverkündigungsblatt des Großh. Kreisamts Darmſtadt wird Dienstags, Donnerstags und Samstags nach Bedarf beigefügt.

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kommt jeder Annoncenrabatt in Wegfall.

N 205.

Freitag, den 2. September.

1910.

Die heutige Nummer hat 14 Seiten.

Sedan!
** Ein Stück Weltgeſchichte und Weltgericht liegt in
dieſem einen Worte, und deshalb ragen aus der glor=
reichen
Zeit vor vierzig Jahren die Tage vom 1. und
2. September weit hervor, ſie ſtehen in der Erinnerung
unſeres Volkes mit in vorderſter Reihe. Welch eine
Wendung durch Gottes Führung! ſo ſchloß König Wil=
helm
das Telegramm, in welchem er der Königin Auguſta
das große Ereignis mitteilte. Der franzöſiſche Kaiſer mit
ſeiner Armee gefangen! Dieſe Kunde trug der Telegraph
am 2. September es war ein Freitag wie in dieſem
Jahre in die Welt. Wer den Eindruck dieſer Nachricht
nicht miterlebt hat, vermag ſich keine Vorſtellung davon zu
machen. Wenn man freilich zuerſt allgemein glaubte, der
Krieg ſei nun zu Ende und der Friedensſchluß werde bald
folgen, ſo ſollte dieſe Hoffnung nicht in Erfüllung gehen,
und wir ſind überzeugt, es war gut ſo. Denn wäre da= mesheimat, flüchteten, erſcheinen der bulgariſchen Bevöl=
mals
der Friede geſchloſſen worden, ſo wären Europa
reich hätte ſchon längſt Revanche geſucht. Ob es dann
auch wieder niedergeworfen worden wäre? So hart es
den deutſchen Müttern zwar ankam, ihre Söhne noch
weiter im Feindesland zu laſſen, es mußte ſein, denn noch
war der Feind nicht völlig niedergeworfen, und er wollte
ja auch keinen Frieden der Kaiſer hatte ſich wohl ergeben,
aber nun führte das franzöſiſche Volk den Krieg weiter, i fahr für den Frieden Europas bedeutet, da ein kriegeri=
Fand der Feldzug auch bei Sedan nicht ſeinen Ab=
ſchluß
, ſo wird hierdurch die Bedeutung des 1. und 2. Sep=
tember
keineswegs beeinträchtigt. Abgeſehen von der Un=
ſchädlichmachung
einer Armee und der Eroberung vielen
Kriegsmaterials lag der Hauptwert in dem moraliſchen
Eindruck der Gefangennahme Napoleons. Binnen weniger
Stunden hatte ſich dieſes Weltgericht an dem Korſen voll=
zogen
; vom Glück verlaſſen, zog der einſt ſo ſtolze Macht=
haber
in die Verbannung, und ſein Adler, der ſo kühn und
mächtig die Schwingen gebreitet hatte, ſank in den Staub.
Napoleon mußte aus dem Lande ziehen, das er zwei
Jahrzehnte regiert hatte, und vernichtend wirkte es jeden=
falls
auf ihn, daß man ihn ohne Bedauern ſcheiden ſah.
Vierzig Jahre ſind nun ſeitdem verfloſſen. Die Gene=
ration
, welche bei Sedan focht oder in der Heimat jubelnd
die Kunde von den gewaltigen Ereigniſſen vernahm, iſt er=
graut
und viele haben ſchon der Erde den Tribut gezollt,
aber in den Herzen des deutſchen Volkes wird von Ge=
ſchlecht
zu Geſchlecht die Erinnerung an die Großtaten
ſeiner Väter erhalten bleiben, und insbeſondere der Name
Sedan wird als Ruhmesblatt in unſerer Geſchichte fort=
leben
bis zu den fernſten Zeiten.

Der deutſche Kronprinz und die Ausländerei.
* Mit Bezug auf die Königsberger Rede des Kron=
prinzen
wird Berliner Blättern über die Abneigung des
Thronfolgers gegen die deutſche Ausländerei u. a. folgen=
des
mitgeteilt: Was dem Kronprinzen widerwärtig iſt,
iſt die aus den Zeiten der Kleinſtaaterei und Kleinſtädterei
herrührende Neigung der Deutſchen zur Ueber=
ſchätzung
von Leiſtungen und Sitten des
Auslandes auf Koſten deutſcher Einrichtungen und
Gewohnheiten. Niemand empfindet es peinlicher als er,
daß Mangel an nationalem Selbſtbewußtſein und würde=
loſe
Abhängigkeit vom Ausland dem Aufkommen einer
eigentlich deutſchen geſellſchaftlichen Kultur ſo hartnückig
im Wege ſteht. Früher waren wir in geſellſchaftlicher Be=
ziehung
von den Franzoſen abhängig; heute ſind wir es
von den Engländern. Bei aller Wertſchätzung der Lei=
ſtungen
der Engländer auf ſportlichem Gebiet: weshalb
ſchaffen wir uns nicht, ſtatt immer und immer wieder
Fremdes ſklaviſch nachzuahmen, einen deutſchen
Sport? Es iſt faſt unmöglich, Deutſche in der Diaſpora
des Auslandes geſellſchaftlich zuſammen zu halten; für
zwar politiſch deutſche, national aber umſtrittene Gebiete,
wie die Reichslande oder namentlich den deutſchen Oſten,
gilt dasſelbe. Hier könnte, nach des Kronprinzen Mei=
nung
, ein allgemein anerkannter und allgemein beliebter
deutſcher Sport vieles ändern. Bier und Skat allein tun
es nicht. Dem Geſchmack des Kronprinzen widerſtrebt
auch die geſellſchaftliche Bevorzugung von
Ausländern, wie man ſie in Deutſchland oft zu beob=
achten
Gelegenheit hat, eine Bevorzugung, die ſich ſelbſt
über geſellſchaftliche Minderwertigkeit des Fremden unter

Umſtänden hinwegſetzt. Was der Kronprinz daher u. a.
mehr als einmal als ein Ziel aufs innigſte zu wünſchen
bezeichnet hat, das iſt ein nationaler Sport. Ge=
danken
dieſer Art ſind vom Kronprinzen bereits vor län=
gerer
Zeit mit ausführlicher Begründung ſchriſtlich nie=
dergelegt
worden.,
Bulgarien und die Türkei.
** In den maßgebenden politiſchen Kreiſen Bulga=
riens
beſteht, wie der N. G. C. aus Sofia gemeldet wird,
ſtarke Unzufriedenheit mit der Haltung, die die Groß=
mächte
nach der Beſchwerde Bulgariens über die
Art der Entwaffnung der Banden beobachtet haben. Es
iſt bekannt, daß Bulgarien kein Glück mit dem Verſuche
hatte, die Großmächte zu einer Intervention zu veran=
laſſen
, und daß ſich das bulgariſche Kabinett darauf be=
ſchränken
mußte, bei der Hohen Pforte diplomatiſche Vor=
ſtellungen
zu erheben. Die Tauſende von Verfolgten, die
aus Mazedonien auf bulgariſchen Boden, den ihrer Stam=
kerung
in ihren Leiden und in ihrer Not als ein leben=
keine
vierzig Jahre der Ruhe beſchieden geweſen, Frank= diger Beweis dafür, daß die mazedoniſche Frage der
; ſchleunigen Löſung bedarf, und daß dieſe Löſung nur von
den Großmächten herbeigeführt werden kann, aber nicht
in das Ermeſſen der jetzigen türkiſchen Machthaber ge=
ſtellt
werden darf.
Man iſt auf bulgariſcher Seite der Anſicht, daß das.
Beſtehen einer mazedoniſchen Frage eine Ge=
ſcher
Konflikt auf dem Balkan ſchwerlich auf ſeinen Herd
begrenzt werden könnte. Man hat in Sofia das Gefühl
einer Enttäuſchung gegenüber der jetzt in der Türkei am
Ruder befindlichen Partei. Man erkennt vorläufig keine
Gewähr dafür, daß dieſe Partei imſtande wäre, die Auf=
gaben
zu löſen, die ſie ſich vornahm, als ſie ſich an den
Platz des alten Regiments ſetzte. Man meint in Sofia,
daß Weſteuropa dieſen realen Verhältniſſen nicht aus all=
zugroßer
Friedensliebe die Augen verſchließen ſollte.
Es iſt ſehr intereſſant, ſo fügt die N. G. C. hinzu,
dieſe bulgariſche Auffaſſung der mazedoniſchen Frage ein=
mal
in präziſer Form ausgeſprochen zu hören. Das
Deutſche Reich ſteht auf dem Standpunkt, daß die Pazi=
fizierung
Mazedoniens einer Einwirkung der Großmächte
nicht bedürfe.
Deutſches Reich.
Der Reichskanzler iſt nach Hohenfinow zu=
rückgekehrt
. Er ſtattete in Berlin dem künftigen Präſiden=
ten
der Vereinigten Staaten von Braſilien Marſchall
Hermes da Fonſeca einen Beſuch ab. Am Mittwoch kon=
ferierte
der Kaiſer mit dem Reichskanzler in anderthalb=
ſtündiger
Audienz.
Der frühere Staatsſekretär Dern=
burg
iſt in Tokio eingetroffen und glänzend empfangen
worden. Der Vertreter des Miniſters des Aeußern Ko=
mura
und der Verkehrsminiſter Goto waren ihm bis Su=
ruga
entgegengereiſt. Auf dem Bahnhof in Tokio war
amtlicher Empfang. Anweſend waren die Mitglieder der
deutſchen Botſchaft und Vertreter der deutſchen Kolonie.
Alle Zeitungen in Tokio bewillkommnen den Gaſt aufs
freundlichſte und veröffentlichen ſeine Biographie.
Hanſabund und Sozialdemokratie.
Die Mitteilungen des Hanſabundes veröffentlichen jetzt
eine Antwort auf die auch von uns mitgeteilten Angriffe
gegen den Hanſabund wegen ſeiner Stellung zur Sozial=
demokratie
. Es heißt dort:
Der Schriftwechſel zwiſchen dem Vorſitzenden des
Präſidiums des Hanſabundes und dem Freiherrn von
Pechmann in München iſt von einem Teil der rechtsſtehen=
den
Preſſe, u. a. von der Konſervativen Korreſpondenz,
im Intereſſe politiſcher Zwecke zu der ſchwer zu charak=
teriſierenden
Behauptung ausgenutzt worden, der Hanſa=
bund
lehne es ab, zur Sozialdemokratie Stellung zu neh=
men
, wolle vielmehr unter dem Namen des Kampfes
gegen die Reaktion das Deutſche Reich an die Sozialdemo=
kratie
verraten‟ Die Konſervative Korreſpondenz und
ihre Gefolgſchaft kannte und kennt die nationale Richtung
des Hanſabundes und ſeiner Führer ſehr wohl, deren Ab=
ſichten
und Worie ſie hier in unerhörter Weiſe entſtellt hat.
Sie weiß auch ganz genan, daß der Hanfabund als eine
wirtſchaftliche Vereinigung bürgerlicher Erwerbsſtände auf
dem Boden der heutigen Wirtſchaftsordnung ſteht, deren
zeitgemäße Verbeſſerung er anſtrebt, und ebenſo auf dem
Boden der heutigen Staatsordnung, daß er alſo ſelbſtver=
ſtändlich
und genau ebenſo wie die bürgerlichen politiſchen
Parteien Gegner einer Partei iſt, deren ausgeſprochene
Abſicht die Vernichtung der Grundlagen der heutigen
Staats= und Wirtſchaftsordnung, die Vergeſellſchaftung
1 der Produtkionsmittel und die Aufhebungedes Privat=-

eigentums iſt. Die Konſervative Korreſpondenz wußte
und weiß auch, daß der Freiherr von Pechmann nicht
eine bloße Stellungnahme des Hanſabundes zur Sozial=
demokratie
, die von ſelbſt gegeben iſt, verlangte, ſondern
daß er wünſchte, daß der Hanſabund durch einen Samm=
lungsaufruf
an das geſamte Bürgertum die Führung
in dem politiſchen Kampfe gegen die Sozialdemokratie
übernehme, wozu er nach ſeiner Natur als wirtſchaftliche
Vereinigung nicht in der Lage iſt. Der wahre Kern des
Schriftwechſels iſt und bleibt für jeden, der in dem heu=
tigen
politiſchen Wirrwarr noch klar zu ſehen und ſachlich
zu urteilen vermag, unanfechtbar:
Unter den heutigen, durch die agrar=demagogiſche
Wühlarbeit weſentlich verſchärften Verhältniſſen wird jeder
derartige Sammlungsaufruf dann wirkungslos bleiben,
wenn nicht zugleich den mit der heutigen Wirtſchafts= und
Finanzpolitik unzufriedenen, nicht ſozialdemokratiſchen
Schichten des Bürgertums die Gewißheit gegeben wird, daß
mit dieſer Politik gründlich und dauernd gebrochen wer=
den
und ſie erſetzt werden ſoll durch eine dem Programm
des Hanſabundes entſprechende allen Erwerbsſtänden
gleichermaßen gerecht werdende Wirtſchafts= und Finanz=
politik
.
Kundgebung der ſelbſtändigen Kauf=
mannſchaft
zur Penſionsverſicherung der
Angeſtellten. Zu einer Kundgebung der ſelbſtän=
digen
Kaufmannſchaft auf den 23. September d. J. in
Berlin laden zehn führende Fachverbände des Handels,
darunter der Verband deutſcher Detailgeſchäfte der Textil=
branche
und der Verband deutſcher Eiſenwarenhändler
ein. In der Einladung heißt es: Dem Plane der Ein=
führung
einer ſtaatlichen Penſionsverſicherung für die An=
geſtellten
wird auch der ſelbſtändige Kaufmannsſtand
grundſätzlich ſeine Sympathie und Unterſtützung nicht ver=
ſagen
. Auf der anderen Seite aber hat die bisherige ein=
ſeitige
Vehandlung der Angelegenheit durch die Angeſtell=
tenverbände
zur Aufſtellung von Forderungen geführt,
deren Gewährung eine völlige Preisgabe der bisherigen
Grundlagen der ſozialen Verſicherung bedeuten und deren
Durchführung zu einer ſo erheblichen Steigerung der Ver=
ſicherungslaſt
führen würde, daß breite Schichten nament=
lich
des kleingewerblichen Unternehmertums ſolche Laſten
nicht mehr übernehmen können.
Der Verein deutſcher Schiffswerften
in Hamburg hat, nachdem die Organiſationen der Werft=
arbeiter
ſich an die Werftbeſitzer zum Zwecke der Gewäh=
rung
einer Beſprechung gewandt haben, beſchloſſen, dem
Erſuchen Folge zu geben, und hat die Beſprechung für
Anfang nächſter Woche in Ausſicht genommen.
Deutſch=Oſtafrika. In Berlin haben Ver=
handlungen
zwiſchen Deutſchland, England und Belgien
zur Regelung der Einzelheiten für die neuen Grenzen
Belgiens, Deutſchlands und Englands in der Seengegend
ſtattgefunden. Nach viertägigen Sitzungen im Reichs=
kolonialamt
wurde ein in allen Punkten befriedigendes
Einvernehmen hergeſtellt.
Ausland.
Frankreich.
Die Verdammung des Sillon. Papſt
Pius X. richtete, wie gemeldet, eine neue Enzyklika an
Frankreich, deren Folgen nicht ohne Spannung erwartet
werden. Es handelt ſich um nichts Geringeres als die
Verdammung des ſogenannten Sillon, d. h. jener Katho=
liken
, die am aufrichtigſten die Verſöhnung der republika=
niſchen
Regierung mit dem Heiligen Stuhle wünſchten.
Der Sillon iſt eine Laiengemeinſchaft mit leicht ſozialiſtiſch
angehauchter Tendenz, richtet ſich mit Vorliebe an die Ar=
beiter
und Niedrigen, hält aber an dem oberſten Grund=
ſatze
feſt, daß die Religon, der Katholizismus zwar der
Urquell aller Handlungen ſein müſſe, daß man aber auch
die zeitliche Wohlfahrt, die Verbeſſerung der ſozialen Ver=
hältniſſe
betreiben müſſe. Mit der Zeit zählte der Verein
Tauſende von Mitgliedern. Sein Kampforgan war eine
kleine, im Jahre 1902 gegründete Zeitſchrift Le Sillon,
und ſeit dem 17. Auguſt dieſes Jahres hat ſich der Haupt=
führer
der katholiſch=demokratiſchen Bewegung, Mare
Sangnier, an die Spitze einer täglich erſcheinenden Zeitung
La Démocratie geſtellt. La Démocratie wurde in dem
katholiſch=reaktionären Lager nicht gar freundlich begrüßt;
die royaliſtiſche Action Francaiſe, die Libre Parole‟
und andere katholiſche Organe hielten keinen Augenblick
mit ihrer ſcharfen Kritik zurück, zumal da Mare Sangnier.
ſeine demokratiſchen Grundſätze nach den Menſchenrech=
ten
der Großen Revolution bildete und ſich offen dazu
bekannte, Les droits de Thomme mit der katholiſchen
Lehre verſchmelzen zu wollen. So hat vielleicht dieſe Zei=
tungsgründung
, die, wie man nachträglich erfuhr, ar, ein
gewaltiges Kapital geſtützt iſt=und ſchon inſofern als ge=

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Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 2. September 1910.

Nummer 205.

fürchteter Gegner der kleinen Royaliſtenpartei auftreten
kann, die Veröffentlichung der päpſtlichen Enzyklika verur=
ſacht
oder wenigſtens beſchleunigt. Die Gründer des
Sillon, heißt es da, waren in ihrem jugendlichen En=
thuſiasmus
und Selbſtvertrauen nicht genügend mit ge=
ſchichtlichen
Kenntniſſen, mit geſunder Philoſophie und un=
beugſamer
Theologie gewappnet, um ohne Gefahr an die
ſchwierigen ſozialen Probleme herangehen zu können, zu
denen ſie ihr Herz und ihre Tatenluſt getrieben. Nach=
dem
ihnen Pius X. dann vorgeworfen hat, ſich von der
kirchlichen Oberleitung losgetrennt zu haben, geht er näher
auf ihre Irrtümer ein, die ſich auf die Politik und ihre
ſonſtigen ökonomiſchen und intellektuellen Geſichtspunkte
beziehen, und kommt zu dem Schluſſe, daß der Sillon ein
Werk der Revolution und der Anarchie iſt. . . . So ſind.
die Lehren des Sillon voll Irrtümer, und daher iſt ſein
Geiſt gefährlich und ſein Wirken verderbenbringend. Auf
der anderen Seite will der Papſt indes anerkennen, daß
Mare Sangnier und ſeine Freunde voll guten Willens
und voll aufrichtigen Glaubens und religiöſen Eifers ſind,
und daher möchte er die Bewegung des Sillon nicht mit
allen Wurzeln ausrotten, ſondern verlangt im Grunde
bloß, daß ſich das große Ganze des Sillon ſpalten und
in ebenſoviele Gruppen teilen ſolle, als es in Frankreich
Bistümer gibt. Dieſe Gruppen ſollen dann unter direkter
biſchöflicher Leitung ſtehen und den Namen Sillons
catholiques führen. Bekanntlich hat ſich Sangnier unter
den Willen des Papſtes gebeugt; es fragt ſich nur, ob
ſeine Anhänger dieſen Schritt mitmachen oder ihm den
Gehorſam verweigern werden.
Die Türkei und Griechenland.
Der griechiſche Geſandte in Konſtantinopel Gryaris
hatte eine längere Unterredung mit dem türkiſchen Miniſter
des Aeußern Rifaat Paſcha, in der er über verſchiedene
im Verlaufe des Boykotts vorgekommene Zwiſchenfälle
Beſchwerde führte. Der Miniſter des Aeußern ſoll, wie
verlautet, aus der Verſtimmung der Pforte kein Hehl ge=
macht
und auch auf die durch die Wahlen geſchaffene kom=
plizierte
Lage hingewieſen haben. Der Geſandte habe
demgegenüber dargelegt, daß die Beſtimmungen des grie=
chiſchen
Wahlgeſetzes den Wählern vollſtändige Freiheit
bei der Aufſtellung von Kandidaten gewährten.
China.
Der neue Kurs. Die Regierung und die gegen=
wärtig
in Peking befindlichen Vizekönige verhandeln eifrig
über die geplante Wiedereinſetzung Yuanſchikais in das
Amt eines Vizekönigs. Der Generalgouverneur der drei
Oſtprovinzen, Hſiliang, empfiehlt furchtlos gründliche
Wandlung in der Haltung des Regenten gegenüber den
öffentlichen Angelegenheiten und in der inneren und der
äußeren Politik. Es werden bedeutende Perſonalverände=
rungen
erwartet. In den amtlichen Geſchäften herrſcht
völliger Stillſtand.
* Paris, 1. Sept. Aus Kopenhagen wird ge=
meldet
: Der dortige Sozialiſtenkongreß erhielt eine
mit Briand unterzeichnete Depeſche, deren
Unterzeichner erklärte, er habe ſeine politiſche Meinung
nicht geändert und ſei nach wie vor der Anſicht, daß die
Zukunft der Sozialdemokratie gehöre. Die Verleſung der
Depeſche rief bei einem Teil der Verſammlung große Be=
geiſterung
hervor, doch erklärten die franzöſiſchen Delegier=
ten
ſofort, daß es ſich zweifellos um eine Myſtifika=
tion
handle. Die Unterſuchung ergab denn auch, daß
dieſe Vermutung richtig war.
* San Sebaſtian, 31. Aug. Der König ſtattete
heute vormittag in Begleitung des Miniſters des Aeußern
dem deutſchen Kreuzer Hertha einen Beſuch
ab. Der König, der deutſche Admiralsuniform trug mit
dem Bande des Schwarzen Adlerordens, wurde an Bord
von dem deutſchen Geſchäftsträger und dem Komman=
danten
der Hertha empfangen. Er beſichtigte dann das

Schiff und wohnte verſchiedenen Uebungen der Beſatzung
bei. Der deutſche Geſchäftsträger, der Kommandant und
eine Anzahl der Offiziere der Hertha wurden von dem
König zum Frühſtück geladen. Morgen gibt der Miniſter
des Aeußern dem deutſchen Geſchäftsträger, dem Komman=
danten
und den Offizieren der Hertha ein Frühſtück.
* Bilbao, 1. Sept. Die Unruhen dauern
fort. Gegen Abend erhielten die nach Bilbao kommen=
den
Dampfer die Weiſung, nach anderen Häfen zu gehen.
Die Setzer der Bilbaoer Zeitungen ſind ebenfalls in den
Ausſtand getreten.

Stadt und Land.
Darmſtadt, 2. September,
* Ordensverleihungen. Se. Maj. der König
von Preußen haben dem Generalleutnant z. D.
Korwan zu Darmſtadt den Stern zum Königlichen
Kronenorden 2. Klaſſe verliehen.
Se. Königl. Hoheit der Großherzog haben dem
Leibkutſcher Karl Schneider und dem Leibfahrer
Georg Laun die Annahme und das Tragen des ihnen
von Sr. Maj. dem König von Spanien verliehenen
Silbernen Kreuzes des Iſabellenordens (5.A.) erteilt.
L. Die geſtrige Ferienſtrafkammerverhandlung
richtete ſich gegen folgende Perſonen: Der Taglöhner
Georg Zehfuß von Alsbach hatte für einen Kar=
toffelhändler
Geſchäfte vermittelt und iſt vom Schöf=
fengericht
zu 4 Wochen Gefängnis verurteilt worden,
weil er einen Teil des ihm anvertrauten Geldes
unterſchlagen habe. Er rief die zweite Inſtanz an,
welche feſtſtellte, daß er zwar noch einen Betrag dem
Auftraggeber verſchulde, jedoch gegen dieſen für Pro=
viſion
uſw. zivilrechtliche Anſprüche geltend machte.
Unter dieſen Umſtänden war das angefochtene Urteil
aufzuheben und auf Freiſprechung zu erkennen.
Weniger glücklich war der 38 Jahre alte Taglöhner
Ernſt Wolf von Rüſſelsheim, welcher beim Kohlen=
abladen
mit ſeiner Vermieterin in Streit geriet, dieſe
anpackte, ſtieß und mit Totmachen bedrohte. Da=
bei
ſchrie er laut und beleidigte den herbeieilenden
Nachtwächter durch geringſchätzige Redensarten. Die
erſte Inſtanz erkannte deshalb auf 32 Tage Gefängnis
und 3 Tage Haft, welches Urteil auch in der zweiten
Inſtanz beſtätigt wurde. Auch dem 17 Jahre alten
Mechaniker Johann Grimm von Offenbach er=
ging
es nicht anders. Gegen ihn hatte das Schöffen=
gericht
6 Wochen Gefängnis ausgeſprochen, weil er
ſich in roher und brutaler Weiſe in einen Familien=
ſtreit
einmiſchte, einer Frau, welche eine Hacke im
Arm trug, um auf das Feld zu gehen, dieſe entriß
und mit ihr einem jungen Mann einen Schlag auf den
Kopf verſetzte. Dabei ging der Hackenſtiel entzwei,
der Getroffene ſank zu Boden und war 14 Tage
arbeitsunfähig; ernſtere Folgen hatte die Tat nicht.
Grimm verfolgte Berufung und ſchützt Notwehr
vor, es behielt jedoch, weil von einer ſolchen keine
Rede war, bei der Strafe ſein Bewenden. Der 30
Jahre alte Portefeuiller Friedrich Joſeph Krämer
in Offenbach erſchwindelte ſich unter Gebrauch eines
falſchen Namens 37 Mark, was er mit 2 Monaten Ge=
fängnis
büßt. Der 28 Jahre alte Fabrikarbeiter
Peter Weigold in Wald=Michelbach, ein nach dem
Gutachten eines Sachverſtändigen geiſtig minder=
wertiger
Mann, wurde nach nicht öffentlich geführter
Verhandlung wegen Verſuchs eines Sittlichkeitsver=
brechens
zu 10 Wochen Gefängnis verurteilt.
Die Leiche des Generhlleutnants Hof Exzellenz
wurde geſtern vormittag um 11 Uhr zur Ueberführung
nach Gießen in feierlicher Weiſe zum Bahnhof ge=
bracht
. Zahlreiche Freunde und Kameraden des Ver=
ſtorbenen
, ſowie ſonſtige Leidtragende hatten ſich zur
Ueberführung eingefunden. Nach einer Trauerfeier
im Hauſe bewegte ſich der Zug durch die Alexander=
und Rheinſtraße zum Bahnhof. Vor dem Leichen=
wagen
ſchritten nächſt der Militärkapelle 16 Fahnen=
deputationen
aus dem Bezirk Darmſtadt der Haſſia‟,
denen ſich viele Deputationen anderer Bezirke bezw.
Vereine anſchloſſen. Das Präſidium der Haſſia ſo=
wie
die Vorſtände der Kriegervereine Darmſtadts
folgten. Hinter dem Leichenwagen, in dem der Sarg,
auf dem Helm und Degen des Verſchiedenen lagen,
unter einem Hügel von koſtbaren Blumen und Krän=
zen
faſt verſchwand, wurde das Kiſſen mit den Orden
des Verſtorbenen getragen. Dann folgten, teils in
Wagen, die nächſten Anverwandten und perſönlichen
Freunde. Als der Sarg in den ſchwarz ausgeſchlage=
nen
Eiſenbahnwagen gehoben wurde, intonierte die

Kapelle den Choral Jeſus, meine Zuverſicht und
die Fahnen ſenkten ſich. Dann rief der Geiſtliche,
Herr Diviſionspfarrer Schettler, dem Heimgegan=
genen
ein letztes Lebewohl nach. Der kurzen, inni=
gen
Trauerrede war das Bibelwort Sei getreu bis
in den Tod zugrunde gelegt. Mit einem weiteren
Choral fand die Feier ihren Abſchluß. Die Beiſetz=
ung
fand auf dem alten Friedhof zu Gießen nach=
mittags
5 Uhr ſtatt. Die Aufſtellung des Trauerzuges
erfolgte an der Leichenhalle. Unter Vorantritt der
Kapelle des Kaiſer Wilhelm=Regiments bewegte ſich
der Zug zum Friedhof. Es beteiligten ſich an dem
Trauergeleite außer den Abordnungen der einzelnen
Haſſiabezirke die zum Bezirk Gießen gehörigen Krie=
ger
= und Militärvereine, beſonders auch die Gießener.
Nach der Beſtattung hielt das Präſidium der Haſſia‟
eine Beſprechung im Hotel Viktoria ab.
(*) Vom Manöver, 31. Aug. In vielen Teilen
des nördlichen Oberheſſens und des Fulderlandes be=
wegen
ſich jetzt die Truppenabteilungen des 18.
Armeekorps. Ueberall ſieht man ſchwarze Flaggen
oder Strohwiegen im Felde, die teils zur Vorſicht,
teils zur Schonung der Felder mahnen. Geſtern
manövrierten in der Gegend von Wetzlar, Braunfels,
Aßlar die Dragoner Nr. 6; heute rückten die heſſiſchen
Garde=Dragoner Nr. 23 aus der Wetterau
gegen das Lahn= und Wieſecktal und hielten im Ver=
ein
mit den in der Garniſon zurückgebliebenen 116ern
bei Klein=Linden, Gießen, Heuchelheim Auſklärungs=
übungen
ab. Nach dem Scharfſchießen bei Melbach
und Wohnbach ſind die 63er Artillerie und die 27er
Artillerie nach dem Vogelsberg gegen Ulrichſtein und
Ruppertenrod abgerückt, wo ſie ihre Manöver fortſetzen,
um dann zu der 42. Infanterie=Brigade zu ſtoßen.
Die 24er Leib=Dragoner treffen dieſer Tage
im Vogelsberg ein und beziehen in Stockhauſen, Nie=
der
=Moos, Freienſteinau und Altenſchlirf Quartier.
Das 5. heſſiſche Infanterie=Regiment Nr. 168 iſt heute
im Manövergelände bei Fulda angekommen. Die
115er und 116er hatten heute einen Ruhetag nach
den Regimentsbeſichtigungen. Morgen beginnt das
Brigade=Exerzieren. Auch die 117er und 118er haben
bei Alsfeld und Romrod ihr Regimentsexerzieren
geſtern beendet. Die 23er Dragoner ſtoßen jetzt zur
50. Brigade, die 24er Dragoner marſchieren über
Herbſtein zur 49. Brigade. Die Artillerie=Regimenter
Nr. 25 und 61 ſind bei Lauterbach bezw. Großenlüder
einquartiert, um dort ihr Scharfſchießen abzuhalten,
worauf ſie nach Fulda und Gersfeld weiterziehen.
Das Scharfſchießen iſt am 2. September bei Maar.
Die Infanterie=Regimenter Nr. 87 und 88, welche bei
Lich, Birklar und Langsdorf üben, hatten heute Ruhe=
tag
. Vom 2. bis 7. September findet ihr Brigade=
exerzieren
im gleichen Gelände ſtatt. Die 61er= Ar=
tillerie
übte geſtern bei Ober=Ohmen, die 27er bei
Großen=Buſeck. Am 7. September beginnen die Bri=
gademanöver
, am 13. September die Diviſions=
manöver
. Die heſſiſche Diviſion manövriert bei
Fulda, die 21. Diviſion bei Grünberg und Mücke. Die
Korpsmanöver vereinigen beide Diviſionen im nörd=
lichen
Vogelsberg zwiſchen Alsfeld und Grünberg;
ſie ſchließen am 22. September.
Ueber die Tätigkeit der Arbeitsnachweisſtelle im
Städtiſchen Hauſe Waldſtraße 6 (Telephon 371) werden
für den Monat Auguſt folgende Zahlen mitgeteilt:
499 offene Stellen, 921 Arbeitſuchende, 296 Vermittelungen,
darunter 119 Dienſtboten.
Vortragskurſus des Lehrervereins. In der erſten
Vorleſung behandelte Herr Profeſſor Goldſtein die
Lage der Philoſophie in der zweiten Hälfte des 19. Jahr=
hunderts
und wandte ſich dann einer ausführlicheren
Charakteriſtik des Materialismus zu. Er gab einen kur=
zen
geſchichtlichen Ueberblick über die Entwickelung des
Materialismus und entwickelte darauf die Grundbehaup=
tungen
dieſer Weltanſchauung nach den verſchiedenſten
Seiten. Er widerlegte in längerer Betrachtung die Be=
hauptung
des Materialismus, daß ſeeliſches Leben ein
Produkt materieller Prozeſſe ſei. In der zweiten Vor=
leſung
ging er zu den neueren Theorien über das Ver=
hältnis
von Leib und Seele über zum pſychophyſiſchen
Parallelismus zur Theorie der Wechſelwirkung und zur
Durchlaſſungs=Theorie von W. James. Nächſten Sams=
tag
wird er das Evolutionsproblem behandeln.
* Der Obſt=, Gemüſe= und Kartoffelmarkt, ver=
bunden
mit Obſt= und Gemüſeausſtellung, findet in
dieſem Jahre vom 15. bis 17. Oktober im Saale der
Brauerei Zum Schützenhof ſtatt. Der Zweck der Ver=
anſtaltung
iſt, gute und preiswürdige Produkte, ſowie

Auf dem Schlachtfelde von Sedan.
O) Unter dem Titel: Vierzig Jahre nachher ſam=
melt
Jules Clarétie ſeine Erinnerungen an
das Kriegsjahr 1870, unter denen in dieſem
Augenblick die Schilderung ſeiner Erlebniſſe bei Sedan
das größte Intereſſe erregt. Der bekannte franzö=
ſiſche
Schriftſteller wurde mit einem Kameraden zu=
ſammen
von zwei deutſchen Ulanen auf dem Wege
aufgegriffen und in das Hauptquartier des Prinzen
Albrecht gebracht. Da er aber nicht als Kombattant
an dem Kampfe teilgenommen hatte, ſo lag keine Ver=
anlaſſung
vor, die Kriegsgefangenſchaft aufrecht zu
erhalten, und es wurde ihm erlaubt, nach Belgien zu
gehen. Vorher wurde er jedoch noch vor den Prinzen
geführt, der mit ihm zu ſprechen wünſchte. Der Prinz
frühſtückte mit ſeinem Generalſtab in dem großen Saal
des Wirtshauſes Zum weißen Roß in La Chapelle.
An den beiden parallel geſtellten Tafeln ſaßen die
Offiziere, in ihren ſauberen Uniformen, elegant trotz
ihrer Schmuckloſigkeit, nahmen den Kaffee und plau=
derten
. Der Prinz ſaß auf einem Taburett an der
Spitze der linken Tafel und rollte eine Zigarette zwi=
ſchen
ſeinen Fingern. Die Offiziere, die ihm zunächſt
auf der Bank ſaßen, rückten zuſammen, um den Platz
neben dem Prinzen frei zu machen. Dieſer fragte
uns, ſanft, ohne einen anderen Akzent als einen etwas
ſüdlichen Tonfall, woher wir kämen, was wir vor=
hätten
, wohin wir gehen wollten. Ich glaube nicht,
ſagte er, daß ich Sie werde zurückhalten müſſen, man
wird Ihnen ſogleich in meinem Generalſtab einen
Paſſierſchein geben. Uebrigens weiß ich gar nicht, ob
wir überhaupt noch im Kriege ſind, fügte er lächelnd
hinzu. Als wir über dieſe Worte einige Ueberraſch=
ung
bezeigten, erwiderte er, indem er den Rauch ſeiner
Zigarette tief einſog: Napoleon iſt Gefangener, der
Kaiſer hat ſich ergeben. Er erzählte uns alle Einzel=
heiten
von Sedan, und ein preußiſcher General fügte
hinzu: Ihre Journale werden ſicherlich ſogleich aus
dieſen Ereigniſſen Siegesberichte machen. Ihre Preſſe
mit ihren falſchen Informationen und ihren Romanen
hat Frankreich in einer abſurden Zuverſicht gehalten.
In Oeſterreich war es 1866 ganz ſo. Nach den Zeit=
ungen
waren wir emig geſchlagen. Die Oeſterreicher

hatten keine genaue Kenntnis von unſeren Erfolgen,
bis wir ſchon beinahe im Prater und vor den Toren
Wiens waren. Manche Ihrer Zeitungen haben uns
ebenſo gute Dienſte getan wie zwei Armeekorps. Um
gerecht zu ſein, muß ich bekennen, daß dieſe Offiziere
von dem Feldzug ohne jede Emphaſe ſprachen, wie wenn
ſie nach Beendigung der Operationen dieſe nun auch
objektiv beurteilen könnten. Sie drückten ſich wie
Mathematiker und Fachleute aus, kühl und mit mehr
Beſcheidenheit, als wir hätten glauben können. Haupt=
ſächlich
beſchäftigte ſie die Frage, was man jetzt in
Paris machen werde: Wenn der Kaiſer oder das
Kaiſerreich in Frankreich noch möglich wäre, würden
wir zufrieden ſein, ſo erörterten ſie, denn wir wür=
den
von dieſer Seite alle Bedingungen erfüllt erhal=
ten
. Aber die neue Regierung wird in nichts nach=
geben
, und ſo werden wir den Kampf fortſetzen müſſen.
Uebrigens wird ſich Frankreich die Regierungsform
wählen, die ihm die beſte ſcheint. Das ſind Privatan=
gelegenheiten
, in die wir uns nicht einmiſchen wollen.
Das Wichtige für uns iſt, die gewünſchten Bedingungen
zu erhalten und Ihr Vaterland zu zwingen, uns nicht
in einem oder zwei Jahren wieder anzugreifen. Wahr=
lich
, wir wiſſen, daß die Revanche=Idee nicht aus Ihren
Gedanken weichen wird. So wollen wir auch nicht,
daß unſere Opfer unfruchtbar geweſen ſeien, und wir
müſſen uns deſſen gegen Sie verſichern.
Prinz Albrecht gab Clarétie und ſeinem Be=
gleiter
einen ſeiner Adjutanten mit, der ihnen den
Paß nach Belgien ausſtellen laſſen ſollte. Der Offi=
zier
, ein junger, eleganter Huſar, ſo erzählt Clarétie
weiter, ſchwärmt ihnen von den militäriſchen Manö=
vern
des ſchickſalvollen Tages vor, der ſich ſoeben zu
EEnde neigt. Vor ihnen dehnt ſich das Schlachtfeld aus
mit all ſeinen Schrecken und all ſeinen Schauern,
dies ungeheure Leichenfeld, auf dem die Kranken=
wagen
hin= und herfahren und die Aerzte ihre trau=
rige
Arbeit verrichten. Nach dem erſten Entſetzen,
das der Anblick dieſer Leichenmaſſen verurſacht, blicken
wir auf die toten Körper, die, in ihrer Bewegung oder
im letzten Todeskrampf verſteinert, in ihrer fahlen
Bläſſe, mit den offenen, verglaſten Augen mehr
Wachsfiguren gleichen als Geſtorbenen. Allmählich
fühlt man ſich von einer tiefen Verachtung des Todes
ergriffen, man wird erfüllt von Bewunderung für

dieſe Märtyrer, die ihr Leben dahingegeben habeu.
Die ſtoiſche Liebe zum Vaterland ſpricht lauter und
ſtärker zu uns; der Anblick dieſer Helden läßt die er=
habene
Größe dieſes Opfers beſſer begreifen und hei=
ßer
lieben. Sie waren ſchön, dieſe franzöſiſchen Toten,
und neben Leichnamen, deren Schrecken an die Kriegs=
bilder
Goyas erinnerte, lagen Unglückliche, deren
ſtolze, ſtraffe Stellung in ihrer Plaſtik an Meiſter=
werke
der Skulptur erinnerte, und ich ſuchte in dem
durchbohrenden Schmerzgefühl, das mich umklammert
hatte, einen grauſamen Troſt darin, die deutſchen
Toten mit den franzöſiſchen zu vergleichen, dieſe ſchwe=
ren
Germanen, die maſſig dalagen, dieſe blonden,
ſtarken Soldaten mit dieſen mageren Galliern, aus
deren ſchmalen Geſichtern noch ein Zug höhniſcher
Ironie und ſpottenden Heldentums zu ſprechen
ſchien. . . .
Der Abend kam. Am Himmel breiteten ſich die
melancholiſchen Schatten der Dämmerung aus. Ich
ſtreifte mit einem Blick des Abſchieds die Gehölze von
Birken, in deren Schatten man noch die aufgehäuften
Leichen erkennen konnte. Von Sedan her warf die
untergehende Sonne blutrote Reflexe auf die Waſſer
der Maas. Man hörte noch vereinzelte Gewehrſchüſſe,
den Knall einer Flinte, die in die Luft entladen
wurde, oder den letzten Schuß eines Verwundeten,
eines Beſiegten, der ſeine Niederlage noch nicht aner=
kennen
wollte. Wir ſtiegen langſam nach Givonne
herunter. Plötzlich erblicken wir mit ſtumpfem Stau=
nen
auf dem Plateau, ſich abhebend von dem bleichen
Himmel, das vermeſſene Geleit der ſiegreichen Gene=
rale
: den König, den Kronprinzen, Bismarck, und
hinter ihnen, unbeweglich auf ihren Pferden, wie Ko=
loſſe
von Granit, die berühmten weißen Küraſſiere,
das Schwert in der Fauſt, den Helm auf dem Haupt.
Der König kam, um mit ſeinem Gefangenen, dem Kai=
ſer
, zu reden; jetzt beſichtigte er das Schlachtfeld. Der
Hals ſeines Pferdes, das ſich niederbückte, um den
Leichengeruch zu wittern, hatte die Körperbewegung
und das Blähen der Nüſtern gleich dem der Pferde, die
Delacroix auf ſeinem Einzug der Kreuzfahrer in
Konſtantinopel gemalt hat. Der König, unbeweglich,
aufrecht und feſt im Sattel ſitzend, blickte geradeaus,
ohne daß eine Muskel in ſeinem roten Geſicht
zuckte. . . 2

[ ][  ][ ]

Seite 3.

Nummer 205.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 2. September 1910.

bervorragende Beiſtungen zur Anſchalung und zum
Angebot zu bringen, den Konſumenten Gelegenheit zu
geben, gut und zu annehmbarem Preiſe einzukaufen.
Der Obſtmarkt nebſt Ausſtellung insbeſondere bezweckt,
das Intereſſe am Obſtbau, Obſtgenuß und an der Obſt=
verwertung
zu fördern und ſolches in weitere Kreiſe auch
der ſtädtiſchen Bevölkerung zu tragen. Die Veran=
ſtaltung
umfaßt einen Obſt=. Gemüſe= und Kartoffel=
markt
, eine Obſt= und Gemüſe=Ausſtellung mit Prä=
miierung
und eine Verloſung. Zu dem Obſt=, Gemüſe=
und Kartoffelmarkt wird zugelaſſen: a) ſortiertes Tafel=
obſt
, b) gepflücktes Wirtſchaftsobſt, e) gewöhnliches Wirt=
ſchafts
= und Moſtobſt, d) gedörrte und eingekochte Obſt=
früchte
, Obſt= und Beerenwein, Obſtbranntwein, Obſt=
liköre
, Mus, Marmelade, Gelee uſw., e) Speiſekartoffeln
(insbeſondere auch Salatkartoffeln), k) gedörrtes Obſt,
g) Gemüſe (friſch), h) getrocknetes Gemüſe, i) Gegen=
ſtände
zur Verpackung und Aufbewahrung von Obſt
und Obſtkonſerven.
A Für das Grummetgras von den Beſſunger Ge=
meindewieſen
wurden bei der Verſteigerung am Dienstag
und Mittwoch dieſer Woche rund 2070 Mark erzielt. Das
Gras ſteht teilweiſe recht gut. Im einzelnen erbrachten die
10½ Hektar große alte Nachtweide 378 Mark, die 17 Hektar=
große
neue Nachtweide 593 Mark, die 18 Hektar große jubiläum. Trotz ſeines hohen Alters und der zwei
Viehweide 687 Mark uſw. Außer den Landwirten hieſiger
Stadt haben ſich auch, wie gewohnt, die Roßdörfer Land=
wirte
an der Verſteigerung ſtark beteiligt.
Von der Wach= und Schließgeſellſchaft. Im
Monat Auguſt ergaben die fortlaufenden Reviſionen lernte fällt heuer ſo reich aus, wie ſeit Jahren eine
türen und Tore vorgefunden, 108 mal brannte Licht in
Geſchäfts= und Bureaulokalitäten, Kellern und Boden= außerordentlich. Die Preiſe ſind daher auch zurzeit
räumen bezw. wurde vergeſſen, dasſelbe zu löſchen,
6 defekte Schlöſſer und Türen, ſowie ſteckengebliebene
Schlüſſel vorgefunden, 20 offenſtehende Parterrefenſter
hatten, geöffnet, 2 Waſſerleitungen abgeſtellt, 2mal
Häuſer abgeſucht, 3 Diebe verſcheucht.
m. Brombeeren. Nachdem die Himbeeren in dieſem
Sommer ihre reichen Schätze an ſüßen Früchten her= rufungsverhandlung der Darmſtädter Strafkam=
gegeben
haben, treten nun die Brombeeren an ihre mer gegen den vom Schöffengericht hier wegen fortgeſetz=
Stelle und bieten dem emſig pflückenden Sammler eine ten Betrugs zu 2000 Mark Geldſtrafe verurteilten Schorn=
gute
Ernte. Die ſchwarzen Beeren haben einen feinen
Wohlgeſchmack und wirken, zu Gelee gekocht und ge=
noſſen
, belebend auf die Atmungsorgane. Die Waldungen klage gemäß ſchuldig befunden, in ſeinem Geſchäfts=
belebt
durch eifrige Beerenſucher. Die Brombeere liefert
außer ihren wohlſchmeckenden Früchten in ihren friſch= Weiſe höhere Gebühren, als er fordern durfte, erhoben
gepflückten Blättern einen Tee, der bei Erkältungen der
Atmungsorgane und des Halſes vorzügliche Dienſte Angeklagte auf Irrtum uſw. beruft.
leiſtet.
heuie ſtatt. Wie bereits bekannt, iſt hierfür aus Anlaß
der Sedanfeier ein beſonders gewähltes Programm in
der Leitung des Muſikmeiſters Herrn M. Weber, iſt privatiſieren. In letzterer Zeit bemerkte man an ihm
durch hieſige Kräfte verſtärkt. Auch die Donnertags= Spuren pſychiſcher Störungen und es ſteht wohl außer
Karten haben Gültigkeit. Die Sommerkonzerte er=
reichen
hiermit ihren Abſchluß. Die nicht benutzten
Abonnementskarten haben zu den Saalbaukonzerten im
nächſten Sommer Gültigkeit.
heute Freitag, den 2. September, nachmittags, ein großes
Extra=Feſtkonzert ſtatt. Herr Muſikmeiſter Weber, Teilnehmer eingefunden, zunächſt zu dem Feſtgottes=
Charakter des Tages angepaßtes Programm in Ausſicht
genommen. U. a. wird der beliebte Solobläſer Herr
Lemmer einige hübſche Lieder zum Vortrag bringen.
Abonnements haben Gültigkeit. Bemerkt ſei noch, daß
die Sonntagskonzerte vorläufig ausfallen, dagegen die liches Spielen mit Preiſeausteilen bis ſpät zum Abend
Kurkonzerte am Mittwoch und Samstag unter Herrn! ſich und die Anweſenden erfreuten. Ein herrliches
Webers Leitung regelmäßig durchgeführt werden.
(Siehe Anzeige.)
tember dürfte das Programm des neuen Enſembles des Robert Kleiſer geborgen wurden und muß durch
ſind die Ulmer Spatzen verpflichtet; die aus 5 Damen Frau Fehres hatte am Freitag nachmittag die Fabrik

und 4 Herren beſtehende Geſellſchaft konzertierte ſeither
mit rieſigem Erfolg in einem großen Varieté in Straß=
burg
. Für die 2. Hälfte September wird noch einmal
auf vielſeitigen Wunſch ein Peſter Burlesken=Enſemble
gaſtieren, Im Monat Oktober findet wieder wie in
früheren Jahren ein großes Münchener Oktoberfeſt ſtatt,
wobei ein vorzügliches Damen=Trompeter=Korps die
fidelen Bierkonzerte ausführen wird.
Kinderfeſt im Schützenhof. Das für heute
nachmittag 4 Uhr angeſagte Konzert findet bei jeder
Witterung ſtatt.
-gs- Unfälle. Geſtern abend gegen 6 Uhr wurde ein
Junge in der unteren Alexanderſtraße von einer Anto=
droſchke
angefahren und erlitt dadurch mehrere
ernſtliche Hautabſchürfungen. Der Chauffeur der Auto=
droſchke
verbrachte den Verletzten ſelbſt ins Krankenhaus.
Zu gleicher Zeit fiel vor der Infanterie=Kaſerne ein
75jähriger Hauſierer aufs Trottoir und zog ſich da=
durch
einen Leiſtenbruch zu. Mittels Kranken=Automobils
wurde der Mann durch die Rettungswache in das
Städtiſche Krankenhaus gebracht.
Arheilgen, 1. Sept. Wie uns mitgeteilt wird, feiert
Herr Joſeph Hübner am 1. September als Güter=
Bodenarbeiter auf der Bahn ſein 35jähriges Arbeits=
Feldzüge, die der Jubilar mitgemacht hat, erfüllt er
noch täglich ſeine Pflicht als pünktlicher und gewiſſen=
hafter
Arbeiter.
Aus dem Ried, 31. Aug. Die Weißkraut=
unſerer
Nachtwachbeamten folgende Fälle: 368 offeneHaus= ſolche nicht erlebt wurde. Die feuchte Witterung för=
derte
das Wachstum der verſchiedenen Gemüſepflanzen
ungewöhnlich niedrig, und die größeren Krautfabriken,
die ihre Kampagne bereits begonnen haben, verkaufen
ſchon jetzt zu ungewöhnlich billigen Preiſen friſches
ermittelt, 14 Hausbewohnern, die ihre Schlüſſel vergeſſen Kraut. Leider koſtet das zum Kraut beſonders gern
gegeſſene Schweinefleiſch heuer um ſo mehr.
n. Offenbach, 1. Sept. Mit Spannung ſieht man in
hieſigen Kreiſen der auf nächſten Montag anberaumten Be=
ſteinfegermeiſters
Schaub entgegen. Jenes von Sch.
zwecks Freiſprechung angefochtene Urteil hat ihn der An=
in
der Tanne und hinter dem Schießhaus ſind täglich betrieb jahrelang in ſehr zahlreichen Fällen betrügeriſcher
zu haben, während ſich der 70jährige, bisher unbeſtrafte
Seligenſtadt, 31. Aug. Nach einer aus Frankfurt
Saalbau. Das letzte Abonnementskonzert findet heute hier eingetroffenen Nachricht hat ſich der Kaufmann
B. Bacharach von Seligenſtadt im Alter von 47 Jah=
ren
erſchoſſen. Bacharach betrieb in Darmſtadt ein
Ausſicht genommen. Mit dieſem Konzert iſt Reunion Weißwarengeſchäft, das er nach dem Ableben ſeiner Frau
verbunden, die beſtimmt ſtattfindet. Die Kapelle, unter aufgab, um ſeitdem bei Verwandten in Seligenſtadt zu
allem Zweifel, daß der Selbſtmord in einem ſolchen An=
falle
begangen wurde. (Offb. Ztg.)
Hähnlein, 30. Aug. In altgewohnter Weiſe feierte
das Rettungshaus in Gegenwart der Protektorin,
Ludwigshöhe. Anläßlich der Sedanfeier findet Fürſtin Marie zu Erbach=Schönberg, ein Jahresfeſt.
Aus dem Ort und der Umgegend hatten ſich zahlreiche
welcher das Konzert perſönlich leiten wird, hat ein dem dienſt, bei dem Pfarrer Vogel aus Darmſtadt die
Predigt hielt. Das Mitwirken eines Poſaunenchors
und eines Geſangvereins verſchönte die kirchliche Feier.
Das weitere Feſt fand in den Räumen der Anſtalt
ſelbſt ſtatt, wobei die Knaben durch Geſang und fröh=
Wetter begünſtigte ſehr das Gelingen der Feier.
Lorſch, 31. Aug. Die Frau des Val. Fehres, hier,
* Perkeo. Man ſchreibt uns: Im Monat Sep= war zugegen, als die Leichen der Greta Schäfer und
das ſeitherige weit übertreffen, vom 1. bis 15. September f deren Anblick den Verſtand verloren haebn.

verlaſſen und wollte ſich in einem Graben auf dem
Felde ertränken. Zwei in der Nähe weilende Männer
zogen die Unglückliche heraus und brachten ſie nach
Hauſe.
Mainz, 31. Aug. In der heutigen Stadtverord=
netenverſammlung
war wiederum von kaufmän=
niſchen
Berufsverbänden eine Eingabe eingereicht worden,
in der um Einführung der vollſtändigen Sonntags=
ruhe
erſucht wurde. Stadtverordneter Stein wies bei
dieſer Gelegenheit darauf hin, daß durch dieſe fortwäh=
renden
Eingaben um vollſtändige Sonntagsruhe die kauf=
männiſche
Geſchäftswelt ſchwer beunruhigt werde und
empfehle er der Bürgermeiſterei und den betreffenden
Kommiſſionen, dieſe Eingaben alsbald durch Abweiſung
zu erledigen.
Heidesheim, 31. Aug. Das 10jährige Töchterchen des
Landwirts Joſ. Menges geriet dem offenen Herd=
feuer
zu nahe, ſodaß die Kleider Feuer finden und das
Kind ſich ſehr ſchwere Brandwunden zuzog. Die
22jährige Schweſter, die zur Hilfe herbeieilte, verbrannte
ſich beide Hände. Die Geſchwiſter mußten in ärztliche Be=
handlung
.
A Mainzlar (Kreis Gießen), 1. Sept. Seit mehr als
zwei Jahren iſt das Feldbereinigungsverfah=
ren
in unſerer Gemarkung im Gang, und zwar ſind von
dem 565 Hektar großen Gebiet über 400 Hektar in den Be=
reinigungsbezirk
einbezogen worden. Der bereits im vori=
gen
Jahre von der Landeskommiſſion für Feldbereinigun=
gen
geprüfte allgemeine Meliorationsplan ſieht eine
Grenzregulierung mit der Gemarkung Treis vor, während
die Gemarkungsgrenzen mit Staufenberg und Daubringen
bereits anläßlich der Feldbereinigung in dieſen Gemar=
kungen
reguliert wurden. Außer einer größeren Anzahl
von Meliorationen, wie die Herſtellung von Drainagen
zur Entwäſſerung naſſer Ackerflächen, verſchiedener Hohl=
verſchleifungen
und Grabenregulierungsarbeiten, die in
dieſem Herbſt zur Ausführung kommen, wurde die Lumda
bereits auf einer größeren Strecke reguliert, um ſchädliche
Ueberſchwemmungen der Wieſen und Uferabbrüche zu ver=
hüten
; ebenſo wurde bereits eine Regulierung des Mühl=
grabens
vorgenommen. Die Arbeiten wurden in der letzten
Woche in Gegenwart des Ortsvorſtandes von der Voll=
zugskommiſſion
abgenommen. Die Koſten hierfür waren
zu 12000 Mark veranſchlagt. Weiter wurde noch der Bau
einer Straßenbrücke über die Lumda beſchloſſen zur Her=
ſtellung
eines Verbindungsweges zwiſchen Ort und der
Fabrik, ſowie dem Gemarkungsteil öſtlich der Bahn. Die
Brücke, die in Eiſenbeton hergeſtellt werden ſoll, wird etwa
5000 Mark koſten.

Aus der Reichshauptſtadt, 31. Aug. Der Präſi=
dent
des Hanſa=Bundes, Geheimer Juſtizrat Dr.
Rieſer, wurde heute vormittag vom Kaiſer im
Tiergarten in eine längere Unterredung gezogen. Der
Kaiſer ritt an den Geheimerat, der ihm begegnete,
heran, begrüßte ihn freundlich und zog ihn vom
Pferde aus in eine Unterredung, die länger als 10
Minuten dauerte. Der Kaiſer und Geheimerat Rie=
ſer
ſprachen in ſehr angeregtem Tone miteinander.
Ueber den Inhalt dieſer Unterredung iſt nichts be=
kannt
geworden. Man geht jedoch nicht fehl in der
Annahme, daß das Geſpräch einen politiſchen Cha=
rakter
hatte. Gelegentlich des Sedan=Gedenkens in
den Schulen werden an eine Anzahl Schüler und
Schülerinnen im Auftrage des Kaiſers Sedan=
Bücher zur Verteilung kommen. Aus der reich=
haltigen
Sedan=Literatur hat der Monarch für dieſen
Zweck Exemplare verſchiedener Ausgaben ankaufen
laſſen und hierfür, dem Vernehmen nach, eine Summe
von 20000 Mark zur Verfügung geſtellt. Die Bücher
werden mit einer entſprechenden Widmung verſehen
und würdigen, fleißigen Schülern und Schülerinnen
als Geſchenk überreicht. Neben dieſen Büchern wer=
den
auch Schlachtenbilder verteilt, welche Szenen aus
den Kämpfen um Sedan und ferner den hiſtoriſchen
Moment darſtellen, in welchem ſich Kaiſer Napoleon
gefangen gibt. Vor dem Berliner Landgericht III

Aus Kunſt, Wiſſenſchaft und Leben.
* Ein neues Bildnis des jungen
Schiller aus der Stuttgarter Zeit. Den
Nachforſchungen von Dr. Max Rubenſohn in Kaſſel iſt
es vor kurzem gelungen, ein lange verſchollenes Bild=
nis
des jungen Schiller wieder aufzufinden. Das Ge=
mälde
zeigt Schiller, den Dichter der Räuber im be=
quemen
Hausrock mit offenem Hemdkragen ohne Zopf.
Der Kopf, im Dreiviertelprofil nach links gewendet, iſt
leiſe gehoben in jener etwas zurückgelegten Haltung,
die für Schiller ſo bezeichnend iſt und leicht als Stolz
ausgelegt wurde. Das Gemälde iſt in Heft 649 von
Weſtermanns Monatsheften dem Eröffnungsheft des
neuen Jahrganges, als farbiges Kunſtblatt reprodu=
ziert
und feſſelt jeden Betrachter durch die jugendliche,
faſt knabenhafte Friſche, die über das Geſicht des jungen
Feuerkopfes ausgegoſſen iſt. Der Schöpfer des Ge=
mäldes
iſt, wie Rubenſohn nachweiſt, Jakob Friedrich
Weckerlin, ein Karlsſchüler.
Die Paſſionsſpiele in Oberammer=
gau
, die aus allen Teilen der Welt Beſucher in großer
Zahl angezogen haben, werden nur noch im Monat
September zur Aufführung gelangen. Zehn Jahre, ein
langer Zeitraum im menſchlichen Leben, werden ver=
fließen
bis zur nächſten Darſtellung der Leidensge=
ſchichte
Chriſti in Oberammergau. Der Andrang zu den
letzten Aufführungen iſt erfahrungsgemäß ſehr groß.
Am 4., 8., 11., 18., 25. September wird beſtimmt geſpielt
werden. Anfragen und Billettbeſtellungen ſind zu
richten an das Wohnungskomitee in Oberammergau.

Kleines Feuilleton.
C.K. Pelleas und Meliſande in Maeter=
lincks
Schloß. In der alten normanniſchen Abtei
von St. Wandrille, die ſich Maeterlinck und ſeine Frau
Georgette Leblanc zu ihrem romantiſchen Herrenſitz
erkoren haben, hat nun die langangekündigte Auffüh=
rung
von Pelleas und Meliſande ſtattgefunden. Das
von myſtiſcher Verklärung und ritterlicher Schwermut
erfüllte Jugendwerk des belgiſchen Dichters fand einen
köſtlichen, einzigartigen Rahmen in den gotiſchen Sälen
und dumpf hallenden Gängen des ehrwürdigen Kloſters,
in der tiefen Waldeinſamkeit und den verſchwiegenen
Alleen des Parkes, der dieſe verwitterte Mönchsburg
umgibt. Die wenig über 30 zählenden Gäſte, die ſich
die hohe Gunſt, dieſer Wiedererweckung des Mittel=
alters
beiwohnen zu dürfen, mit einer Spende von je
200 Francs für wohltätige Zwecke erkaufen mußten,
wurden von fackeltragenden Dienern in mittelalter=
licher
Gewandung empfangen, die ſie in den Zwiſchen=
pauſen
nach den wechſelnden Schauplätzen der Szenen
führten. Nichts konnte einfacher und ſtimmungsvoller

ſein als dieſer natürliche Rahmen der einzelnen Szenen,
ſo beſchreibt einer der Beſucher ſeine Eindrücke. Nichts
war verändert im Park und in der Abtei. Das einzige,
was arrangiert wurde, war die Stellung der Zu=
ſchauer
, die als ſtumme Teilnehmer gleichſam ſelbſt
in die Handlung hineingezogen wurden. Dieſes ge=
heimnisvolle
Geführtwerden von einem Ort zum
andern brachte ſelbſt in die Pauſen einen Duft ver=
gangener
Myſtik: durch die langen Korridore, die hoch
ſich wölbenden Hallen wandeln wir vorbei an den
Statuen alter Mönche, an buntverglaſten Fenſtern und
altem Schnitzwerk, während die Diener mit Fackeln
und Laternen im ungewiſſen Lichter= und Schattenſpiel
uns den Weg weiſen und hie und da ſchöne, mittelalter=
liche
Damen vor den Zellentüren ſtehen und uns mit
alten Lampen leuchten. So war die aus Bewunderung
und Schauder gewobene Atmoſphäre ſogleich um alle
gebreitet, in der ſich das Schickſal der armen, ſchönen
Meliſande, des rieſigen, finſtern Golaud und des
jungen, leidenſchaftlichen Pelleas vollzog.
Die Vorſtellung begann damit, daß die Zuſchauer
zunächſt nach einem verborgenen Orte des Parkes ge=
leitet
wurden, wo im Halbdunkel der Baumſchatten, am
Ufer des ſtillen Märchenſees Meliſande weint und von
dem düſteren König als Braut hinweggeführt wird.
Nach dieſem Präludium wandert das Publikum vor die
Terraſſe der Abtei, auf der die Familie und der Hof=
ſtaat
des Königs den Herrſcher erwarten. In die
ahnungsvoll erregte, zitternde Spannung der Harren=
den
tönt nun leiſe und lauter das Getrappel von Roſſe=
hufen
, das Flimmern von Fackeln leuchtet auf aus dem
dunkeln Grün des Waldes, und langſam naht der Zug
Golauds, der auf ſtolzem Schimmel daherſprengt, die
junge Braut im Arm. Und nun folgen Szenen der
Pracht und dunkeln Schwermut, in denen die melancho=
liſch
ſüße Melodie weiterklingt vom alten König, der
eine junge Frau nahm. Unter dem grünen Gewölbe
der uralten Bäume des Parks begegnet Meliſande, die
Arme voll von Blumen, dem jungen Pelleas; am
Brunnenrande, über dem die Blätter verführeriſch
flüſtern und unter dem das Waſſer unheimlich ſchluchzt,
geſtehen ſie ſich ihre Liebe; in Meliſandens Gebets=
zimmer
, in das Orgeltöne hineinhallen, werden ſie von
Golaud überraſcht, der von der Jagd zurückkehrt. Alle
Süßigkeit der Liebe klingt lauter in dieſer ſchönen
Natur; wilder hallt alles Grauen und alle zügelloſe
Leidenſchaft der Vergangenheit in dieſen rieſigen, ver=
witterten
Räumen Unendlich wehmütig iſt der Tod
Meliſandens in dem hohen, mittelalterlichen Bett und
dem weiten, dunkeln Zimmer, aus dem ihre liebende,
zarte Seele zu den Blumen und Vögeln des Waldes
hinwegzuſchweben ſcheint. . .
Ein Buddhaporträt aus Haaren. Aus
allen Teilen des japaniſchen Reiches ſtrömen gegen=

wärtig Tauſende von Perſonen zuſammen, um ein
höchſt merkwürdiges Buddhaporträt zu betrachten, das
zu Ehren der im ruſſiſch=japaniſchen Kriege gefallenen
Helden vollendet wurde. Das zwei Meter hohe Bild
iſt ganz aus Frauenhaar hergeſtellt. Ein Prieſter von
Oſaka hatte die Idee, zu dieſem Zweck an die japaniſchen
Frauen und Mädchen die Aufforderung zu richten, jede
ſollte ihm fünf von ihren längſten und ſchönſten Haaren
überſenden. 85000 Frauen ſind dieſer Aufforderung
nachgekommen, und ſo konnte das Werk mit faſt 500000
Haaren ausgeführt werden. Es iſt ein Wunderwerk
von Feinheit und minutiöſer Arbeit, das in Japan die
höchſte Begeiſterung erregt. Selbſt die kaiſerliche
Familie iſt, wie der Gaulois berichtet, in Tokio, wo es
zunächſt ausgeſtellt wurde, zu ſeiner Beſichtigung ge=
kommen
.
* Der Hundebeller. Im Foxterrier iſt zu leſen:
In Paris beſteht ein eigenartiges Amt, deſſen Ausübung
mit einem Monatsgehalt von 150 Franken dotiert iſt und
von deſſen Exiſtenz nur wenige Bürger wiſſen: das Amt
des Hundeentdeckers oder Hundebellers das direkt
dem Finanzminiſterium unterſteht. Wer dieſen Beruf er=
greifen
will, braucht keine Schulzeugniſſe vorzulegen und
kein Univerſitätsſtudium zu abſolvieren; nur eins muß er
können: bellen wie ein Hund. Das iſt bei Menſchen ge=
wöhnlich
keine natürliche Gabe, aber mit Geduld, Uebung,
Fleiß und einigem Talent läßt es ſich wohl erlernen, die
Stimme des Hundes täuſchend nachzuahmen. Nach einem
kurzen praktiſchen Examen wird der Hundeentdecker dann
amtlich angeſtellt. Seine Aufgabe iſt nicht allzu ſchwierig:
des Nachts, wenn die Dunkelheit ſich über die einſamen
Straßen der Vororte ſenkt, ſchleicht der Hundeentdecker ſei=
nes
Weges und läßt von Zeit zu Zeit ein wütendes Gebell
erſchallen. In jedem Hauſe, in dem ſich ein Hund befindet,
wird alsbald die Antwort ertönen. Der Hundeentdecker
aber ſchreibt ſich Straße und Hausnummer in das Notiz=
buch
und liefert am Morgen nach ſeinem Rundgang dem
Finanzminiſterium das Verzeichnis ab. Bald wird in dem
betreffenden Hauſe ein Steuerinſpektor erſcheinen, um ſich
zu überzeugen, ob die Hundeſteuer auch richtig bezahlt iſt.
* Kriegswitze von 1870/71 werden an=
läßlich
der Wiederkehr des Sedantages wieder aufge=
friſcht
, u. a. anch ein Scherz, der ſich wirklich ereignet
haben ſoll. Als nach einer der erſten Schlachten, in der
die Bayern unter unſerm Fritz in das Feuer kamen
und ſich ſehr tapfer hielten, der Kronprinz ſich gegen=
über
den tapferen Soldaten im Raupenhelm in aner=
kennender
Weiſe ausſprach, entfuhr es einem biederen
Bayern: Ja, Königliche Hoheit, hätten wir nur auch
Anno 66 ſolchen Führer gehabt, dann hätten wir die
verfluchten Preußen ſchon verhauen!

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Nummer 205.

Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 2. September 1910,

ſtand ein Prozeß zur Verhandlung, der ſich als
eine direkte Folge des Allenſteiner Senſa=
tionsprozeſſes
darſtellt. Der vorläufig zum
Vormund der Frau von Schönebeck=Weber ernannte
Rechtsanwalt Braun hatte gegen den Ehemann der
ehemaligen Frau von Schönebeck, den Satiriker
A. O. Weber, den Antrag geſtellt, dieſem die Ver=
waltung
und Nutznießung des Vermögens ſeiner
Gatten zu entziehen, weil er unwirtſchaftlich ſei
und das Geld der Frau von Schönebeck zu ſeinem
Vorteil verwende. Im weſentlichen begründete
Rechtsanwalt Braun ſeinen Antrag damit, daß von
den 185000 Mark, die Frau Weber bei der Eheſchließ=
ung
mit Herrn Weber noch beſaß, 100000 Mark be=
reits
verausgabt ſeien. Davon ſeien 50000 Mark für
das Weberhaus, den neugegründeten Verlag A. O.
Webers, angelegt, 30000 Mark hätten die Verteidiger
im Allenſteiner Prozeß erhalten, 15000 Mark habe
der Aufenthalt in Allenſtein verſchlungen, 5000 Mark
ſeien für einen Stenographen und Herrn Webers
Bruder ausgegeben worden, 3000 Mark für Detektive
und 10000 Mark habe Herr Weber für ſich als Ver=
trauensſpeſen
erhalten. 15000 Mark hätten die Neu=
anſchaffungen
gelegentlich der Verheiratung ver=
ſchlungen
, wobei allein 4500 Mark für ein Herren=
zimmer
figurieren. 3000 Mark wären für Toiletten
der Frau Weber ausgegeben und 3000 Mark für eine
Erholungsreiſe nach Schandau. Das Urteil wurde
noch nicht geſprochen. Das Gericht ſetzte vielmehr den
Verkündigungstermin des Urteils auf den 6. Septem=
ber
dieſes Jahres feſt. Bei der Verhandlung kam es
häufig zu heftigen Zuſammenſtößen zwiſchen dem
Vormund der Frau Weber und Herrn A. O. Weber,
ſodaß der Richter eingreifen mußte. Rechtsanwalt
Braun erklärte, es habe befremden müſſen, mit wel=
cher
Eile Weber das Geld an ſich geriſſen habe. In
unverantwortlicher Weiſe habe er während des Allen=
ſteiner
Prozeſſes das Geld verſchlendert. Er, der vor=
her
völlig vermögenslos geweſen ſei, der noch im
Auguſt vorigen Jahres den Offenbarungseid geleiſtet
habe, habe nichts zu teuer gefunden, ſodaß ſich ſelbſt
Frau Weber darüber ihrem Bruder gegenüber miß=
billigend
ausgeſprochen habe. Es ſei höchſte Zeit, daß
im Intereſſe der unmündigen Kinder eingegriffen und
der Ausbeutung einer anormalen Frau ein Ziel ge=
ſetzt
werde. Der Verteidiger, Rechtsanwalt Bayer,
ſtellte in ſeiner Verteidigungsrede die Sache anders
dar. Als Herr Weber Frau von Schönebeck geheiratet
habe, ſeien 183000 Mark dageweſen. Gegenwärtig
ſeien noch 123000 Mark im Beſitze der Frau, von
welchen allerdings ein großer Teil im Geſchäfte des
Herrn Weber angelegt ſei. Es handle ſich alſo um den
Nachweis des Verbleibens von 60000 Mark. Davon
ſeien 45000 Mark für den Allenſteiner Prozeß ver=
wendet
worden und jeder Kriminaliſt wiſſe, daß dieſe
Summe nicht zu hoch gegriffen ſei. 30000 Mark
hätten die Verteidiger bekommen, 5000 Mark hätte der
AAufenthalt gekoſtet, 3000 Mark ſeien für Detektivs
ausgegeben worden, 3000 Mark für die Preſſe. Die
Ausgabe dieſer Summe bezeichnete Rechtsanwalt
Bayer als äußerſt notwendig.
München, 31. Aug. Die Königin der Belgier
iſt heute nachmittag nach Schloß Lichtenſtein in Würt=
temberg
zum Beſuch des Herzogs und der Herzogin
Wilhelm von Urach abgereiſt. Die Erzherzogin Marie
Valerie von Oeſterreich, die mittags hier eingetroffen
war, begleitet die Königin.
Oberlahnſtein, 1. Sept. Hier wurde ein Mädchen=
händler
verhaftet, als er mit mehreren jungen
Mädchen, die ſich als ſeine Nichten ausgaben, nach
Argentinien abreiſen wollte. Sie ſollten angeblich in
der Ausſtellung von Buenos=Aires Stellung nehmen.
Köln, 1. Sept. Die Kölner Kriminalpoli=
zei
verhaftete vor einiger Zeit zwei Männer
ſund eine Frau, als ſie eine Brillantbroſche zu ver=
kaufen
verſuchten. Wie nunmehr feſtſteht, handelt es
ſich um eine gefährliche Einbrecherbande, die
in Frankfurt, Berlin, Hamburg, Erfurt, Prag, Wien
und anderen großen Städten tätig war. Die Frauens=
perſon
mietete ſich bei alleinſtehenden Damen als
Dienſtmädchen ein und benutzte ihre Stelle, um ihren
Komplizen Gelegenheit zu Einbrüchen zu geben. Man
fand bei ihnen Brillanten vor, die von einem
Frankfurter Einbruch herrühren.
Hamburg, 1. Sept. Auf der Werft von Blohm u.
Voß vernichtete geſtern abend Großfeuer den
größten Teil des Taulagers. Der Schaden iſt ſehr
bedeutend.
Königsberg i Pr., 1. Sept. In der Georgſtraße
iſt ein Balkon vom dritten Stock abgeſtürzt.
Der Bahnbeamte Falleck, der ſich mit ſeinem vier=
jährigen
Söhnchen auf dem Balkon befand, wurde
ſchwer verletzt, der Knabe wurde getötet.
Rom, 1. Sept. Heute wurde die Stadt Reggio in
Calabrien durch ein Erdbeben heimgeſucht. Es
entſtand eine Panik unter den Bewohnern, die noch
durch einen Brand in den Militärbaracken vergrößert
wurde. Das Feuer verurſachte eine Exploſion, und
infolgedeſſen flog ein Munitionsdepot in die Luft.
Paris, 1. Sept. Aus Dieppe wird gemeldet: Bei
einer Fechtübung zweier Sportsleute namens
Aubry und Romilly brach der Knopf vom Degen des
letzteren ab. Die Waffe drang ſeinem Gegner in die
Bruſt und durchbohrte dieſelbe. Wenige Minuten
ſpäter erlag Aubry den erlittenen Verletzungen.
C.K. London, 31. Aug. Ein tragiſches, bisher in
Dunkel gehülltes Schickſal hat nun auf einem einſamen
Berggipfel des ſchottiſchen Hochlandes ſeine Aufklärung
gefunden: Lady Marjorie Gladys Stuart
Erskine, die ſchöne Tochter des Earl von Buchan,
die ſeit einem Monat verſchwunden war, wurde an
einem entlegenen Fleck des berühmten Craigellachie
Hill tot aufgefunden. Wochen hindurch hatte man
ſie vergebens geſucht. Auf einem einſam unternomme=
nen
Ausfluge war ſie eines Tages von dem ſchottiſchen
Städtchen Aviemore aufgebrochen, um eine jener Berg=
touren
zu unternehmen, die ſie ſo ſehr liebte. Aber ſie
kehrte nicht mehr zurück, und erſt vor wenigen Tagen
fand ſie zufällig ein Arbeiter, der hinaufgeſtiegen war
auf den Berg, um weiße Heideblüten zu ſuchen. In
der ſtillen, blühenden Wildnis ſah er plötzlich einen
jungen Frauenkörper in den Heideblüten liegen, das
Geſicht nach unten gekehrt. Er holte Hilfe und brachte
den Leichnam nach Aviemore herab. Hier fand man
aus den Papieren ihres Tagebuches, unter denen ſich
noch eine auf ihren Namen ausgeſtellte Hotelrechnung
befand, heraus, daß es ſich um die lange vermißte Lady
Marjorie handelte. An dem Körper fanden ſich keine
anderen Verletzungen als ein gebrochener Fußknöchel.
Daraus läßt ſich die furchtbare Tragödie, die ſich in der
einſamen Höhe des ſchottiſchen Hochlands abſpielte,
rekonſtruieren. Lady Marjorie war augenſcheinlich auf
einem wenig betretenen Fußpfade den Berg hinange=
ſtiegen
, war oben ausgeglitten und hatte den Fuß ge=
brochen
. In ihrer völligen Hilfloſigkeit lag ſie nun da;

in dem weiten Heideblütenteppich waren noch Spuren
zu erkennen, daß ſie verſucht hatte, von dem Fleck fort=
zukriechen
, an dem ſie hingeſtürzt war. Aber es gelang
ihr nur, ſich wenige Schritte zu bewegen. So mußte ſie
langſam ihr Ende erwarten, wie ein angeſchoſſenes
Reh, das einſam verendet. Das rauhe, ſtürmiſche
Wetter, das in den erſten Tagen des Auguſt wütete,
wird ihre Qualen verkürzt haben. Lady Marjorie, die
zu den Mitgliedern der höchſten engliſchen Ariſtokratie
gehörte, war ein ſchönes Mädchen. Allgemeines Auf=
ſehen
hatte es erregt, als ſie im Jahre 1904 ihren Ent=
ſchluß
erklärte, Krankenpflegerin zu werden. Mit
ſchöner Begeiſterung war ſie vier Jahre lang in dieſem
Berufe tätig. Dann aber fühlte ſie ihre Geſundheit an=
gegriffen
und verließ das Londoner Kinderhoſpital, in
dem ſie ſegensreich gewirkt. Sie war im Jahre 1908
verlobt geweſen; aber ſchon nach zehn Tagen war dies
Verlöbnis wieder gelöſt worden.

Stadtverordneten=Verſammlung.
9. Sitzung.
St. Darmſtadt, 1. Sept.
In Vertretung des Oberbürgermeiſters Dr
Gläſſing eröffnet Beigeordneter Mueller die Ver=
ſammlung
und macht vor Eintritt in die Tagesordnung
folgende
Mitteilungen:
Der Arbeitsausſchuß für den Kriegsvete=
ranenappell
1910 hat für die ihm zuteil gewor=
dene
Unterſtützung ſeinen Dank ausgeſprochen.
Herr Beigeordneter Mueller teilt hiernach mit, daß
ihm Herr Major Beck, der zweite Vorſitzende des
Kriegerverbandes Haſſia von dem Ableben Sr.
Exzellenz des Generalleutnants z. D. Hof Mitteilung
gemacht, und daß er die Teilnahme der Stadt ausge=
ſprochen
und an der Beiſetzung teilgenommen habe.
Intendanturſekretär Bögel hat für das ihm bei
Behandlung ſeines Geſuchs um Steuerbefreiung be=
wieſene
Wohlwollen gedankt.
Der Bezirksverein Darmſtadt des Deutſchen
Kellnerbundes hat eine Reſolution unterbreitet
wegen Einrichtung eines Facharbeitsnachweiſes für
das Gaſtwirtsgewerbe auf Koſten der Stadt.
Der Oekonomen=Verein Darmſtadt
bittet um Herſtellung des Weges nördlich der Merckſchen
Fabrik, da der Sensfelderweg infolge der Bahnbauten
nicht mehr befahrbar ſei.
Die Schuldiener derſtädtiſchen Schulen
bitten um Weiterbewilligung einer beſonderen Ver=
gütung
für Oelen der Fußböden uſw. und um Erhöhung
der Vergütung für Beſchaffung von Reinigungs=
material
.
Die hohen Fleiſchpreiſe.
Hinſichtlich der gegenwärtigen Höhe der Fleiſch=
preiſe
wird vom Herrn Beigeordneten Mueller die
folgende Erklärung abgegeben:
Die gegenwärtige Lage des Fleiſchmarktes hat in
die Bevölkerung eine Beunruhigung hineingetragen,
der die ſtädtiſche Verwaltung nicht mit verſchränkten
Armen zuſehen darf. Das Publikum verſteht es nicht,
wie es möglich iſt, daß die ohnehin unerſchwinglichen
Preiſe immer aufs neue eine Steigerung erfahren.
Insbeſondere ſind Zweifel darüber laut geworden, ob
die jüngſt eingetretene Erhöhung des
Preiſes für Ochſen=, Kuh= und Rindfleiſch
in einer Steigerung der Einkaufspreiſe auf den für
Darmſtadt in erſter Linie in Betracht kommenden
Märkten ihren Grund hat oder nicht. Eine ſolche
Steigerung iſt nun allerdings zu konſtatieren. Nach
dem mir vorliegenden Material ſind in der Zeit vom
27. Inni bis 13. Auguſt die Preiſe pro Pfund Schlacht=
gewicht
in die Höhe gegangen: in Fraukfurt bei
Ochſen um 36 Pfg., bei Kühen und Rindern um
79 Pfg., in Mannheim um 4 Pfg. bezw. 1 Pfg., in
Mainz um 1 Pfg. bezw. 2 Pfg. In der gleichen Zeit
war der Auftrieb von Ochſen und Kühen auf dem
Frankfurter und Mannheimer Markt nach erheblichem
Sinken zuletzt wieder in die Höhe gegangen, auf dem
Mainzer Markt hatte er durchweg eine langſam
ſteigende Tendenz aufzuweiſen.
Es ergibt ſich daraus, daß die Preisſteigerung für
Ochſen und Rindfleiſch im großen und ganzen durch die
Steigerung der Schlachtgewichtspreiſe, und
dieſe wieder durch den kaum überwundenen Tief=
ſtand
des Auftriebs auf den beiden Haupt=
märkten
erklärt werden kann. Anders liegen die Ver=
hältniſſe
auf dem Kälber= und Schweinemarkt. Hier
haben die Schlachtgewichtspreiſe im Durchſchnitt noch
ſtärker angezogen, und zwar bei Kälbern in
Frankfurt um 36 Pfg., in Mannheim um 45 Pfg.,
in Mainz um 5 Pfg., und bei Schweinen in Frankfurt
um 23 Pfg., in Mannheim um 45 Pfg., in Mainz
um 2 Pfg. Dabei hat der Auftrieb von Kälbern in
Frankfurt nach freilich ſtarkem Sinken wieder zu=
genemmen
, in Mannheim und Mainz war
er ſtetig geſtiegen. Der Auftrieb von
Schweinen war in Frankfurt ſogar erheblich
und ſtetig geſtiegen, in Mannheim war er
ſchwankend, aber im ganzen ſteigend, lediglich in Mainz
war er eine Kleinigkeit geſunken.
Die ſtarken Steigerungen der Schlachtviehpreiſe für
dieſe beiden Viehgattungen ſcheinen alſo in einem ge=
wiſſen
Mißverhältnis zu den Auftriebs=
ziffern
zu ſtehen. Unſere Metzger haben ſie denn
auch nicht mitgemacht, wobei allerdings nicht vergeſſen
werden darf, daß der Ladenpreis für Kalbfleiſch ſchon
im März d. Js. auf 90 Pfg. pro Pfund ge=
ſtiegen
iſt, die Preiſe für Schweinefleiſch nach einem
kleinen Rückgang im April d. Js. zurzeit noch 86 und
92 Pfg. betragen und damit auch angeſichts der heutigen
Schlachtgewichtspreiſe noch eine recht erhebliche Spannung
aufweiſen. Nebenbei bemerkt ſind die Preiſe für Leber=
und Blutwurſt im Juli v. Js. von 68 auf 72 Pfg. ge=
ſtiegen
und haben ſich ſeither ununterbrochen anf
dieſer beträchtlichen Höhe gehalten. Immer=
hin
muß zugegeben werden, daß die jüngſt eingetretene
Steigerung für Ochſen= und Rindfleiſch und die der=
zeitige
Höhe der Kalb= und Schweinefleiſchpreiſe ſich
rechtfertigen laſſen, unter der Vorausſetzung,
daß die ſeitherigen Ladenpreiſe berechtigt waren, d. h.
in einem normalen Verhältnis zu den Schlachtgewichts=
preiſen
geſtanden haben. Es wäre ungerecht, dieſe
Frage ohne weiteres zu verneinen. Wer das tut, wird
in ſeiner Auffaſſung freilich beſtärkt werden durch die
Tatſache, daß auf dem Frankfurter Viehmarkt vom
22. Auguſt die Preiſe für Ochſenfleiſch 1. Qualität um
35 Pfg., 2. Qualität um 14 Pfg., 3. Qualität um
34 Pfg., für Kuhfleiſch 1. Qualität um 15 Pfg.,
2. Qualität um 45 Pfg., 3. Qualität um 46 Pfg. und
4. Qualität um 4 Pfg. wieder gefallen ſind
und dieſer Preisrückgang ſich auch am
Markt vom 29. Auguſt gehalten hat, ohne
daß die hieſigen Metzger hiervon im
Intereſſe des Publikums Notiz genom=

men haben. (!) Allerdings iſt der Mannheimer
Markt an dem Rückgang der Schlachtgewichtspreiſe
bisher nicht beteiligt geweſen.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Spannung
zwiſchen den Einkaufspreiſen und den Verkaufs=
preiſen
eine normale iſt, darf übrigens nicht ver=
geſſen
werden, in Rechnung zu ziehen die
nicht unerheblich gewachſenen Geſchäftsunkoſten
wie Ladenmiete, Steuern, Löhne, Schlachtge=
bühren
und nicht zuletzt auch die Bequem=
lichkeit
des Publikums, das ſich oft die kleinſten
Quantitäten ins Haus bringen läßt und an die
äußere Ausſtattung des Ladens Anſprüche ſtellt, die
häufig weit über das durch die Rückſichten einer zweck=
mäßigen
Hygiene bedingte Maß hinausgehen. Ferner
fällt für den Metzger die mit dem Wegfall des Oktrois
geſteigerte Konkurrenz von eingeführtem
Fleiſch ins Gewicht, die namentlich den Schweine=
metzger
betrifft, da die Räucherware und alles zu=
bereitete
Fleiſch der Nachunterſuchung nicht unter=
piegen
. Sicher iſt, daß der Metzgerſtand früher
beſſere Zeiten geſehen hat. Ebenſo wenig kann freilich
geleugnet werden, daß er unter den Gewerbetreibenden,
was die durchſchnittlichen Einkommensverhältniſſe
anbetrifft, auch heute noch immer mit an
erſter Stelle ſteht. Wenn die Zahl der in den
Rentnerſtand übergetretenen Metzger heute vielleicht
nicht mehr ſo groß iſt, als früher, ſo liegt das an den
allgemeinen ungünſtigen Zeitverhältniſſen und der
auf der anderen Seite geſtiegenen Neigung zu einer
beſſeren Lebenshaltung, von der auch der Metzgerſtand
wohl nicht frei iſt.
Wie dem aber auch ſei: die Tatſache iſt unbeſtreit=
bar
, daß die Fleiſchpreiſe eine unerträg=
liche
Höhe erreicht haben und daß ein Ende
der Aufwärtsbeweguna anſcheinend noch gar nicht ab=
ßuſehen
iſt. Dieſe Tatſache legt der ſtädtiſchen Ver=
waltung
die ernſte Verpflichtung auf, alles zu tun,
was in ihren Kräften ſteht, um dieſer Bewegung Ein=
hhalt
zu gebieten und ſie womöglich zurückzudämmen.
Denn es handelt ſich um nicht mehr und nicht weniger
als um die Erhaltung der Volksgeſund=
heit
. Die Unterernährung, die unter den
gegenwärtigen Verhältniſſen nicht allein bei
den Minderbemittelten, ſondern bis
weit in die Reihen des Mittelſtandes
hinauf Platz gegriffen hat, ſie muß auf die
Dauer zu einer Untergrabung der Volkskraft führen.
Da die Fleiſchpreisſteigerung in ganz Deutſch=
land
in mehr oder minder gleichem Maße hervor=
getreten
iſt, kann eine grundlegende Abhilfe nur
von der Reichsregierung erwartet werden. Die Bür=
germeiſterei
hat ſich daher mit der Anfrage an
das Miniſterium des Innern gewandt,
ob dieſes bereits entſprechende Schritte getan hat oder
zu tun beabſichtigt und in welcher Richtung ſich dieſe
Schritte gegebenenfalls bewegen. Die Bürger=
meiſterei
hat es dabei vermieden, mit beſonderen Vor=
ſchlägen
hervorzutreten. Sie iſt der Meinung, daß
die Reichsregierung all das Material in der Hand
hat oder ſich leicht beſchaffen kann, das ſie befähigt, die
Geſamtlage zu überblicken und hiernach ihre Ent=
ſchließungen
zu treffen. Ein Hinweis auf dieſen oder
jenen Schritt erſchien daher unnötig, zumal davon
eine beſſere Wirkung kaum erwartet werden dürfte.
Es läßt ſich auch von hier aus nicht mit unbedingter
Zuverläſſigkeit beurteilen, welcher Weg der richtige
iſt, um ſo ſchnell als möglich zu dem erwünſchten Ziele
zu gelangen. Die Tatſache läßt ſich nicht wegleugnen,
daß der Auftrieb von Schlachtvieh auf den großen
deutſchen Märkten allenthalben wieder nicht unerheb=
lich
geſtiegen iſt. Freilich kann niemand eine Gewähr
dafür bieten, daß der Auftrieb auf die Dauer ein aus=
reichender
ſein wird. Eine größere Stetigkeit wäre
aber zweifellos dadurch zu erzielen, daß in ſchlechten
Futterjahren, wenn auch nur für die ſpeziell betroffe=
nen
Gebiete, ein entſprechender Zollnachlaß auf ein=
zuführende
Futtermittel zugeſtanden würde. Stellt
ſich dann heraus, daß die eigene Prodnktion gleich=
wohl
nicht genügt, um den Bedarf an Schlachtvieh zu
decken, dann muß eben wenigſtens verſucht wer=
den
, für die Dauer dieſes Zuſtandes die Einfuhr von
Vieh und Fleiſch durch entſprechende Zoll= und In=
landstransport
=Erleichterungen zu ſteigern. Der Ge=
fahr
einer Verſeuchung unſerer eigenen Beſtände läßt
ſich bei einigem guten Willen dadurch begegnen, daß
das eingeführte Vieh unter ſtrengſter Kontrolle in
ſolchen Schlachthöfen, die direkte Bahnverbindung mit
dem Einfuhrhafen beſitzen, oder in Grenzſchlacht=
häuſern
geſchlachtet und in dieſem Zuſtand nach den
Bedarfsplätzen des Inlandes verſchickt wird. Sollte
ein erheblicher Rückgang der Fleiſchpreiſe auf dieſem
oder einem anderen geeigneten Wege nicht erreicht
werden können, dann bliebe zu prüfen, ob nicht un=
ſere
Stadt für ſich geeignete Maßnahmen zur Behebung
des Notſtandes zu treffen haben wird. Mit Einzel=
heiten
nach dieſer Richtung ſchon jetzt hervortreten,
wäre verfrüht. Zu der auch in der Preſſe erörterten
Frage einer vorübergehenden Aufhebung der
Schlachtgebühren möchte ich nur bemerken, daß
dieſe kaum den Erfolg haben würde der
hier erzielt werden ſoll. Das lehrt die Er=
fahrung
einer ganzen Reihe von Städten, die nach
Aufhebung des Oktrois von einer Erhöhung
der Schlachtgebühren abgeſehen haben. Auch in unſe=
rer
Stadt wurde die Schlachtgebühren=Erhöhung nach
dem Wegfall des Oktrois mit der Begründung be=
kämpft
, daß der Metzgerſtand nicht das Publikum
dieſe Belaſtung nicht würde ertragen können; ein
Beweis dafür, daß man nicht daran dachte den
Wegfall des Oktrois mit einer Herab=
ſetzung
der Fleiſchpreiſe zu beantwor=
ten
. Die Errichtung einer ſtädtiſchen Schweine=
mäſterei
, wie ſie ſeit 1906 in Karlsruhe beſteht, und ein
höchſt beſcheidenes Daſein friſtet, dürfte ſich für Darm=
ſtadt
kaum empfehlen.
Eine Lehre möge aber der Metzgerſtand aus
der gegenwärtigen Lage ziehen: Die hohen Fleiſchpreiſe
führen notgedrungen zu einem Wenigerverbrauch an
Fleiſch in den bürgerlichen Haushaltungen. Damit wird
auch für die Metzger die Verdienſtmöglichkeit verringert.
In kapitalſchwachen Betrieben kann das zur Gefährdung
der Exiſtenz führen. Der Metzgerſtand möge es ſich daher
wohl überlegen, ob er auf die Dauer klug daran tut, jedes
Anziehen der Viehpreiſe mit einem Fleiſchpreisaufſchlag
zu beantworten, bei einem Rückgang aber nicht in
dem gleichen Maße und mit der gleichen
Promptheit zu reagieren (Sehr richtig!); ob er
nicht beſſer daran tut, ſich vorübergehend mit
einem kleineren Gewinn zu begnügen, bei
dem er doch wohl auch noch ganz gut beſtehen kann. Es
gibt eben eine Grenze, bis zu der man gut=
willig
, wenn auch vielleicht ſchweren Her=
zens
, mitgeht. Iſt dieſe Grenze einmal

[ ][  ][ ]

Nummer 205.

darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 2. September 1910.

Seite 5.

überſchritten, dann verſagt eben die Kraft
und die Geduld, und an den Folgen wird
der Metzgerſtand vielleicht noch weniger
Freude haben als das Publikum. (Bravo!)
Stadtv. Saeng ſchlägt vor, die Angelegenheit auf
dem Städtetag zur Sprache zu bringen. Stadtv. Lautz
bittet, ihm die Ausführungen ſchriftlich zuzuſtellen, da er
die Abſicht habe, in einer Denkſchrift darauf zu antworten.
Er hätte gewünſcht, daß man ihn hinzugezogen hätte bei
Ausarbeitung des Elaborats‟. Er nimmt die Metzger
natürlich in Schutz und meint, ſie ſeien mit die ärmſten
der Gewerbetreibenden (Widerſpruch), mit ihren glänzen=
den
Zeiten ſei es längſt vorbei. Stadtv. Hüfner
ſpricht dem Beigeordneten Mueller Dank und Anerkennung
für die objektive Darſtellung aus. Es ſei doch gar
nicht zu leugnen, und man wiſſe das im
Volke ſehr genau, daß die Metzger den Ver=
dienſt
, den ſie durch Ausfall des Oktrois
erzielten, ganz einfach eingeſteckt haben.
(Beifall.) Es gäbe eine ganze Anzahl kleiner Leute, die
ihre Schweine gern verkaufen wollen, ſie können ſie aber
nichts loswerden. Dazu meint Herr Lautz, es ſeien keinen
Schweine zu haben. Wie iſt das zu erklären? Stadtv.
Lautz meint, der Vorredner ſoll ihm die Säubeſitzer
nennen, in acht Tagen würden ſämtliche Schweine ge=
ſchlachtet
ſein. Im übrigen werde man von ihm hören,
wenn er die Erklärung in Händen habe.
Darauf wird in die Tagesordnung eingetreten:
Baudispensgeſuch.
Se. Durchlaucht Prinz Otto von Schaum=
burg
=Lippe beabſichtigt, auf dem Grundſtück des
früheren Parkhotels an der Dieburger Straße ein be=
ſonderes
Nebengebäude für Dienerwohnungen uſw.
zu errichten. Der Hochbauausſchuß empfiehlt die nach=
geſuchte
Geſtattung einer Ausnahme von § 5 des Orts=
bauſtatuts
. Die Verſammlung ſtimmt dem zu. Ref.:
Stadtv. Markwort.
Bebauungsplan der Gartenvorſtadt
Hohler Weg.
Auf Grund des von dem Miniſterium im Prinzip
gutgeheißenen generellen Bebauungsplanes für die
Gartenvorſtadt Dieburger Straße-Hohler Weg hat
für eine Reihe von Baublöcken eine Einigung der
Grundbeſitzer durch Zuſammenlegung und Aufteilung
des Geländes in angemeſſene Bauplätze ſtattgefunden.
Für die bereinigten Baublöcke liegen bereits mehrere
Baugeſuche vor, ſo daß die Feſtſtellung eines endgül=
tigen
Bebauungsplanes notwendig wird. Das Stadt=
bauamt
hat den generellen Plan nochmals geprüft und
verſchiedene Aenderungen in den Fluchtlinien einiger
Straßen und Plätze in Vorſchlag gebracht, um auch für
die noch nicht bereinigten Baublöcke eine zweckmäßige
Zuſammenlegung des Geländes zu erleichtern und
eine Verſtändigung der Grundbeſitzer mit der Stadt,
namentlich hinſichtlich der Abtretung von Platzgelände,
zu fördern. Die Bürgermeiſterei und der Hochbauaus=
ſchuß
haben ſich mit den Abänderungsvorſchlägen ein=
verſtanden
erklärt. Der endgültige Plan ſoll alsbald
offengelegt und alsdann die miniſterielle Genehmig=
ung
eingeholt werden, um für das fragliche Gebiet die
Genehmigung von Baugeſuchen zu ermöglichen. Nach
längerer Debatte wird hierzu ein Antrag Sames
angenommen, der für die Straße an der Parkmauer
eine Straßenbreite auf 15 Meter, die Vorgartenbreite
auf 7½ Meter Breite feſtſetzt. Im übrigen wird dem
Hochbauausſchuß=Antrag zugeſtimmt.
Bauliche Erlaubnis.
Schreinermeiſter Peter Arnold will an dem
Hintergebäude ſeiner Hofreite Pareusſtraße 12, nach
der ſtädtiſchen Hofreite Pallaswieſenſtraße 54 zu, ein
Fenſter anbringen. Der Hochbauausſchuß empfiehlt
die Erteilung der hierzu nachgeſuchten Erlaubnis
gegen Ausſtellung eines entſprechenden Reverſes. Das
Geſuch wird nach dem Referat des Stadtv. Mark=
wort
genehmigt.
Wegherſtellung auf der Mathildenhöhe.
Der Verbindungsweg zwiſchen Alexandraweg und
Prinz Chriſtiansweg iſt zur Zeit nur mit Kiesgeröll
befeſtigt. Er wird infolge ſeines Längsgefälles bei
Regenfällen ſtark ausgeriſſen und bedurfte häufig der
Ausbeſſerung. Der Weg ſoll jetzt durch eine Pflaſter=
ung
in gemuſtertem Moſaik befeſtigt werden. Tiefbau=
deputation
und Finanzausſchuß haben die Bewilligung
der erforderlichen Mittel, zu denen Herr Kommerzien=
rat
Glückert einen freiwilligen Beitrag von 200 M.
zugeſagt hat, zur Genehmigung empfohlen. Die Ver=
ſammlung
ſtimmt dem zu. Ref.: Stadtv. Sames.
Abſchluß der Oberrealſchulkaſſe.
Nach dem vorliegenden Abſchluß der Ober=
realſchulkaſſe
für 1909 betragen die Einnahmen
79942 Mk. 75 Pfg., die perſönlichen Ausgaben 179886
Mk. 11 Pfg., und die ſachlichen Ausgaben 10063 Mk.
55 Pfg. Der ſtädtiſche Zuſchuß berechnet ſich auf 60 433
Mk. 49 Pfg. und bleibt hinter dem Voranſchlagsbetrag
(62961 Mk.) um 1916 Mk. 51 Pfg. zurück. Der Finanz=
ausſchuß
hat den Abſchluß gutgeheißen, desgleichen
die Verſammlung. Ref.: Stadtv. Bormet.
Schutz der Munitionsmagazine.
Zum Schutze der neuen Munitions=Magazine in
der Nähe der Eſchollbrücker Straße ſoll eine Polizei=
Verordnung erlaſſen werden, nach der die Ausübung
der Jagd mit Feuergewehren im Umkreis der Muni=
tionsmagazine
bis zu einer Entfernung von 225 Meter
und das Anzünden von Feuer in einem Abſtand von
150 Meter verboten wird. Der Rechtsausſchuß hat den
von Großh. Polizeiamt vorgelegten Entwurf der Poli=
zeiverordnung
nicht beanſtandet. Nach dem Referat
des Vorſitzenden ſtimmt die Verſammlung zu.
Vom Pfründnerhaus.
Die Waſſerwärmungsanlage im ſtädti=
ſchen
Pfründnerhaus war vollſtändig ver=
braucht
und mußte mit einem Koſtenaufwand von 750
Mark erneuert werden. Die Krankenhausdeputation
und der Finanzausſchuß befürworten die nachträgliche
Bewilligung der Mittel. Ref.: Stadtv. Kalbfuß.
Umbau der Feuerwehrſtation.
Von dem für den Umbau der Feuerwehr=
ſtation
im Schulhaus hinter der Stadt=
kirche
bewilligten Baukredit iſt ein Betrag von 2400
Mark erſpart worden. Die Bürgermeiſterei beantragt
im Einverſtändnis mit dem Hochbau=, Feuerlöſch= und
Finanzausſchuß, dieſen Betrag zur Erweiterung des
Stockwerkes über dem hinteren Teil der Gerätehalle
zu verwenden, um einen größeren Schlafſaal für die
Mannſchaft zu gewinnen. Ref.: Stadtv. Wittmann.
Eine Kreditnachforderung.
Bei der Erbauung des genehmigten prov. Ka=
nals
in der verlängerten Gutenberg=

ſtraße haben ſich derart ungünſtige Untergrundsver=
hältniſſe
ergeben, daß die Herſtellung des Anſchluſſes
an den bereits beſtehenden Kanaldurchlaß unter der
neuen Odenwaldbahnlinie nicht, wie vorgeſehen, im
Tunnelbetrieb, ſondern infolge des auftretenden Trieb=
ſandes
mit ſehr heftigem Waſſerdrang nur im offenen
Einſchnittsbetrieb ausgeführt werden kann. Da dieſe
Ausführungsart ſehr hohe Koſten verurſacht, ſchlägt
das Tiefbauamt vor, von einem Proviſorium abzu=
ſehen
und auf die fragliche Strecke gleich den endgül=
tigen
Kanal einzulegen. Die entſtehenden Mehrkoſten
ſind auf 10000 Mark veranſchlagt, deren Bewilliguna
von der Tiefbau=Deputation und dem Finanzausſchuß
befürwortet wird. Die Verſammlung bewilligt die
Summe. Referent: Stadtv. Wittmann.
Winterfahrplan der Elektriſchen und
Dampfſtraßenbahn.
Der Entwurf des Winterfahrplans der
ſtädtiſchen Straßenbahn liegt zur Genehmig=
ung
vor. Er ſtimmt mit dem vorjährigen Winterfahr=
plan
, der ſich bewährt hatte, überein und war der Han=
delskammer
und dem Verkehrsverein zur Vorbring=
ung
etwaiger Wünſche mitgeteilt worden. Die Han=
delskammer
hatte keine Wünſche vorgebracht, dagegen
hatte der Verkehrsverein verſchiedene Wünſche geäußert,
die ſoweit durchführbar berückſichtigt worden ſind.
Der Verkehrsausſchuß und die Elektrizitätswerks=
Deputation haben den Entwurf in gemeinſamer Be=
ratung
gutgeheißen. Die Verſammlung ſchließt ſich
dem nach dem Referat des Stadtv. Saeng an.
Auch der Entwurf des Winterfahrplans der
Dampfſtraßenbahn wurde von dem Verkehrs=
ausſchuß
gutgeheißen und von der Verſammlung ge=
nehmigt
.
Damit war die Tagesordnung erſchöpft.

Der Beſuch der Zarenfamilie in Friedberg.
* Bad Nauheim, 31. Aug. Die Bad
Nauheimer Zeitung ſchreibt: Ueber die ge=
troffenen
Anordnungen während des
Aufenthaltes des Zarenpaares in Friedberg
werden die unglaublichſten Mitteilungen ver=
breitet
; ſo ſchreibt von Kiſſingen aus ein langjähriger
Nauheimer Kurgaſt, Großinduſtrieller aus Lodz:
Beruht es auf Wahrheit, daß man in Nauheim ſämt=
liche
ruſſiſchen Juden während des Aufenthaltes des
Zaren ausweiſt? Nach eingehender Erkundigung an
maßgebender Stelle ſtellen wir hierdurch ausdrücklich
feſt, daß in Bad Nauheim kein Kurgaſt durch beſon=
dere
, durch die Anweſenheit der ruſſiſchen Majeſtäten
in Friedberg verurſachte Polizeimaßregeln irgend=
wie
beläſtigt worden iſt. Ebenſo hat das Berl.
Tagebl. kürzlich in einem Friedberger Brief ge=
ſchrieben
: In Bad Nauheim weiſt man die Juden
aus, die an den dortigen Quellen Heilung ſuchen.
Wir müſſen dieſe Nachrichten als eine böswillige Er=
findung
bezeichnen, denn es iſt tatſächlich noch nie=
mand
ausgewieſen worden. Auch die Frankfurter Blät=
ter
wiſſen vorgeſtern abend zu berichten, daß ein be=
kannter
Anarchiſt namens Mandelberg in Nauheim
verhaftet und abgeſchoben worden ſei; auch dieſes iſt
nicht richtig. Der fragliche Herr kommt ſeit drei Jah=
ren
regelmäßig zur Kur hierher und hatte unſere
Badeſtadt ſchon vor Ankunft der ruſſiſchen Herr=
ſchaften
verlaſſen. Ueber die abenteuerlichen Erzähl=
ungen
von ganz ungewöhnlichen Sicherheitsmaß=
regeln
in der Friedberger Burg macht ſich auch der
Korreſpondent einer großen Berliner Zeitung, der
zur Berichterſtattung in hieſiger Gegend weilt, luſtig.
Nach ſeiner Ausſage iſt der Sicherheitsdienſt in Fried=
berg
genau ſo geregelt, wie im Neuen Palais in Pots=
dam
.
* Friedberg, 1. Sept. Der Zar machte heute
vormittag mit dem Großherzog einen Spaziergang.
Die Zarin fuhr per Automobil in Begleitung ihrer
Töchter nach Bad=Nauheim und kehrte gegen 1 Uhr zurück.
Luftſchiffahrt.
* Berlin, 1. Sept. Der Aviatiker Thelen unter=
nahmn
vom Flugplatz Johannisthal einen Aufſtieg,
mußte aber infolge widriger Winde wieder zurückkehren;
ebenſo mußte Kapitän Engelhardt nach einigen Runden
wieder landen.
* Neuſtadt, 1. Sept. Von der Luftſchiffabteilung
in Baden=Baden iſt heute vormittag die Meldung hier
eingetroffen, daß das Luftſchiff L. 2 VI‟ Sonntag
früh 9 Uhr nach Mannheim fahren wird. Auf der Rück=
fahrt
wird L. 2 VI den Weg längs der Haardt nehmen.
* Paris, 1. Sept. Der Marineminiſter hat verfügt,
daß in Toulon ein Luftſchifferpark errichtet werde,
der zunächſt mit einem Lenkballon und drei Aeroplanen
ausgeſtattet werden ſoll. Der Präſident der Republik wird
in Begleitung des Miniſterpräſidenten und des Kriegs=
miniſters
den für den 14. September bei den diesjährigen
Herbſtmanövern geplanten Lenkballon= und Aeroplan=
übungen
beiwohnen.
* Havre, 31. Aug. Vierzehn Aviatiker ſind
heute über das Meer von Havre nach Deauville geflogen.
Fünf von ihnen kehrten auf demſelben Weg zurück. Latham
gelang es, den Flug hin und zurück dreimal zu bewerk=
ſtelligen
.
* Paris, 1. Sept. Bei den geſtrigen Flügen in
Havre wurde das Meer von Havre nach Trouville und
Deauville und zurück etwa 20mal überflogen. Wiederholt
ſchwebten gleichzeitig zehn Aeroplane über dem Meere.
Morane legte die Strecke Havre=Trouville in 9 Minuten
52 Sekunden, alſo mit einer Schnelligkeit von 102 Kilo=
metern
in der Stunde zurück. Der Flieger Aubrun er=
klärte
einem Berichterſtatter: Die Schnelligkeit unſerer
Aeroplane macht unſere Apparate durchaus unverwundbar.
Wir könnten unſeren Geſchwadern die größten Dienſte er=
weiſen
. Ich nahm auf meinen heutigen Flügen deutlich
den Meresgrund wahr und unterſchied Sandbänke und
Klippen genau. Ein Leichtes iſt es für uns, über ein ſeind=
liches
Schiff hinwegzufliegen und dabei auf dasſelbe eine
Sprengbombe zu ſchleudern.
Sport.
Florettfechten Darmſtadt=Wiesbaden.
Man ſchreibt uns: Seit vor 6 Jahren bei den erſten inter=
nationalen
Olympiſchen Spielen zu Athen, um die Stärke
der Nationen in den verſchiedenen Arten von Leibes=
übungen
zu meſſen, jedes Land eine Mannſchaft beſtimmte,
die ihre Nation in gewiſſem Sinne verkörperte und dabei
gleich die Deutſchen einwandfrei im Säbelfechten den
erſten, im Florett den zweiten Platz ſich ſicherten, hat ſich
auch innerhalb der Fechterverbände der Brauch eingeführt,
die Leiſtungsfähigkeit der Klubs durch ſolche Mannſchafts=
kämpfe
abzuwägen. Mag nun deren Ergebnis nicht immer

ein ſicherer Mahſiab dafür ſein, ſo regt doch ein Meſſer
der Klubkräfte mehr an und ſpornt die allgemeine Tätig=
keit
eines Vereins reger an, als Einzelerfolge auf den
größeren Fechtturnieren, ſeien ſie noch ſo große. Bei
dem nächſten Sonntag hier ſtattfindenden Florettfechten
der 1. Wiesbadener gegen die 2. hieſige Mannſchaft hat
jeder Darmſtädter einen Gang gegen jeden Wiesbadener
zu fechten, bis zuſammen 5 Treffer geſetzt ſind. Als Sie=
gerin
wird diejenige Mannſchaft erklärt und erhält die
ausgeſetzten Preiſe, welche die wenigſten Treffer erhält
und die meiſten austeilt. Zu Schiedsrichtern ſind be=
kannte
Herrenfechter von Frankfurt, Offenbach und Mainz
berufen.
sr. Neue Disqualifikation der U. C. J.
Die Union Cyeliſte Internationale hat infolge des
Austritts des Verbandes Deutſcher Radrennbahnen
nunmehr auch die Rennfahrer Walthour und Guignard
wegen ihrer Teilnahme an den Rennen in Köln am
letzten Sonntag bis auf weiteres dispenſiert. Insge=
ſamt
ſind bisher die Fahrer Rütt, Otto Meyer, Henry
Mayer, ſowie Guignard und Walthour von der U. C. J.
beſtraft worden. Da außer dieſen an den beiden letzten
Sonntagen noch verſchiedene andere ausländiſche
Fahrer, wie Tommy Hall, di Majo, Leon Vanderſtuyft,
Kudela und Carapezzi auf deutſchen Bahnen ſtarteten,
wird es in Kürze überhaupt keine qualifizierten aus=
ländiſchen
Fahrer auf den deutſchen Bahnen mehr
geben. Die meiſten dieſer Fahrer werden ſich aber
vorausſichtlich wenig um die Beſtrafungen der U. C. J.
kümmern und nach wie vor in Deutſchland ſtarten.
sr. Die Lawn=Tennis=Meiſterſchaft von
Amerika wurde von dem Verteidiger des Meiſterſchafts=
titels
W. Larned gegen Bundy als Herausforderer
gewonnen.
Handel und Verkehr.
* Süddeutſche Eiſenbahn=Geſellſchaft.
In dem Bericht an die 17. ordentliche Generalver=
ſammlung
der Aktionäre am 17. September 1910
heißt es u. a.: Nach der Gewinn= und Verluſtrechnung
für den 31. März 1910 verbleibt nach Abzug der erfor=
derlichen
Rücklagen in die Erneuerungs= und kon=
zeſſionsmäßigen
Reſervefonds, der Eiſenbahnſteuer,
Abgaben und Rückſtellungen, ein zur Verfügung der
Generalverſammlung ſtehender Ueberſchuß von
1863 279,45 Mark. Es wird vorgeſchlagen, den=
ſelben
wie folgt zu verwenden: 1. 6 Prozent Divi=
dende
auf das dividendenberechtigte Aktienkapital,
welches ſich verteilt wie folgt: a) auf 21600000 Mark
voll eingezahltes Aktienkapital mit 1296000 Mark, b)
auf 4 400000 Mark neue Aktien, von denen 3520000
Mark 80 Prozent Einzahlung für das volle Jahr
und 880000 Mark für ein halbes Jahr teilnehmen, mit
237600 Mark, zuſammen 1533600 Mark, 2. Statuten=
mäßige
Tantieme an den Aufſichtsrat 77481,64 Mark,
3. Vertragsmäßige Tantieme an die Direktion 58 111,23
Mark, 4. Vortrag auf neue Rechnung 194086,58 Mark,
Summa 1863 279,45 Mark.
Die Zahl der Mitglieder des Aufſichts=
rats
wurde von urſprünglich 3 durch Beſchluß der
außerordentlichen Generalverſammlung vom 2. Dezem=
ber
1897 auf die noch jetzt geltende von 5 erhöht. In
§ 21 Abſatz 1 der Statuten iſt bei einer Erweiterung des
Unternehmens die Vermehrung auf 7 Mitglieder vor=
geſehen
. Seit dem erwähnten Generalverſammlungs=
beſchluſſe
hat dieſe Erweiterung bei den Unternehmun=
gen
der Geſellſchaft durch Ausbau des Wiesbadener
Straßenbahnnetzes, Vermehrung der Eſſener Linien
und Herſtellung weiterer Nebenbahnen in Heſſen und
Baden ſtattgefunden. Der Aufſichtsrat hat daher be=
ſchloſſen
, der Generalverſammlung Gelegenheit zu
geben, zur Erhöhung Stellung zu nehmen. Die in
der letzten Generalverſammlung beſchloſſene diesbezüg=
liche
Statutenänderung iſt noch nicht vom Regiſter=
richter
eingetragen worden. Für zwei turnusmäßig
ausſcheidende und wieder wählbare Mitglieder des Auf=
ſichtsrats
iſt Neuwahl erforderlich.

Die Cholera.
* Berlin, 1. Sept. Im Rudolf Virchow= Kranken=
haus
iſt der am Dienstag nachmittag eingelieſerte Ar=
beiter
Paul Friedrich unter Anzeichen geſtorben,
die den Choleraverdacht nicht ausſchließen.
* Berlin, 31. Aug. Wie von zuſtändiger amt=
licher
Stelle verlautet, beſtätigte ſich bei ſämtlichen
Krankheitsfällen im Landespolizeibezirk Berlin der
Choleraverdacht nicht. Auch bei dem Char=
lottenburger
Fall ſcheint wie mit ziemlicher Sicher=
heit
angenommen werden kann keine Cholera=
erkrankung
vorzuliegen. Im übrigen wird jeder Mel=
dung
von einer choleraähnlichen Erkrankung ſofort und
auf das Peinlichſte nachgegangen, ſo daß zur Be=
unruhigung
nicht der geringſte Anlaß vorliegt.
* New=York, 1. Sept. Die Geſundheitsbe=
hörde
des New=Yorker Hafens hat als Maßnahmen
gegen die Cholera die Unterſuchung ſämtlicher aus
Italien, Deutſchland und Rußland einlaufenden Schiffe
angeordnet.
Vermiſchtes.
Der dritte deutſche Kolonialkon=
greß
. Vom 6. bis 8. Oktober d. J. ſoll in Berlin im
Reichstagsgebäude der dritte deutſche Kolonialkongreß
ſtattfinden, zu dem jetzt bereits die Einladungen er=
gehen
. Die Mitgliedſchaft wird durch Zahlung von
12 Mark an die Deutſche Kolonial=Geſellſchaft, Berlin
W. 9, Schellingſtr. 4, erworben. Die Beteiligung wird
vorausſichtlich eine ſehr ſtarke werden. Während 1902
bei dem erſten Kongreß 70 und 1905 bei dem zweiten
Kongreß 87 gemeinnützige Vereine und Inſtitute an
der Veranſtaltung beteiligt waren, haben ſich jetzt be=
reits
117 Vereine uſw. angemeldet. Der Kongreß, der
unter dem Präſidium des Herzogs Johann Albrecht zu
Mecklenburg ſtehen wird, hat vorläufig 7 verſchiedene
Sektionen errichtet, darunter auch eine, die üher die
religiöſen und kulturellen Verhältniſſe der Kolonien
und überſeeiſchen Intereſſengebiete verhandeln wird.
Zwiſchen der evangeliſchen und katholiſchen Miſſion
hat bereits eine freundſchaftliche Verſtändigung über
die Themata der von beiden zu nennenden Vorträge
ſtattgefunden. Im Vordergrunde werden die Frage
der Eingeborenenerziehung und die Islamfrage ſtehen.
Zu beiden Gegenſtänden iſt ſowohl ein evangeliſcher
wie ein katholiſcher Referent gemeldet. Die Heraus=
gabe
einer Statiſtik über die Miſſionen beider Kon=
feſſionen
und einer gemeinſamen Karte über den
Stand der chriſtlichen Bewegung in den deutſchen Schutz=
gebieten
iſt vorgeſehen.
* Die Schweigepflicht der Poſtbeamten.
Poſtbeamte ſind verpflichtet, ſowohl über den Inhalt
von Poſtkarten als auch über Perſonen, mit denen
jemand korreſpondiert oder poſtaliſch verkehrt, Schwei=
gen
zu beobachten. Einer neueren Entſcheidung zufolge

[ ][  ][ ]

Seite 6.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 2. September 1910

Nummer 205.

darf ein Briefträger unberufenen Perſonen aber auch
nicht einmal mitteilen, daß an jemand ein Brief ange=
kommen
iſt, auch nicht, welche Wohnung des Adreſſaten
auf dem Brief angegeben iſt.

Literariſches.
Uns liegt das erſte Heft des neuen (27.) Jahr=
gangs
der illuſtrierten Monatsſchrift Arena vor,
herausgegeben von Dr. Rudolf Presber bei der Deut=
ſchen
Verlags=Anſtalt in Stuttgart. Schon die äußere
Ausſtattung und das handliche Format machen die
Arena=Hefte zu einer der vornehmſten unter den
deutſchen Monatsſchriften großen Stils. Aber auch in=
haltlich
ſteht es ganz auf der Höhe der Zeit. In die=
ſer
Arena tummelt ſich das Leben in allen ſeinen
Offenbarungen. Kunſt und Literatur, Wiſſenſchaft
und Technik ſind durch erſte Namen vertreten. Wir
möchten aus der großen Fülle nur die ſo gediegenen
Beiträge herausgreifen, wie Der alte Schäfer von
Herbert Eulenberg, Das weiße Nashorn von Wil=
helm
Bölſche, Ein verkannter Sinn von Dr. Th.
Zell, Der Garten der Armen von Heinrich Lauten=
ſack
, Wirtshausſchilder von Fritz Endell und Das
Erbe Meneliks von Dr. Alfred Funke. Alles in
allem wieder einmal ein köſtliches Arena=Heft.

Die Miniſterbegegnung in Salzburg.
* Iſchl, 1. Sept. Heute vormittag ½10 Uhr wurde
Graf Aehrenthal im Kaiſerſchloß von Kaiſer
Franz Joſef in einer Audienz empfangen, die bis
kurz nach 10 Uhr dauerte. Um 11 Uhr empfing der
Kaiſer den italieniſchen Miniſter Marquis di San
Giuliano in Audienz, die etwa 20 Minuten dauerte.
Nach Beendigung derſelben äußerte ſich Giuliano
äußerſt befriedigt über ihren Verlauf. Kaiſer Franz
Joſef verlieh dem italieniſchen Miniſter des Aeußeren
das Großkreuz des Leopoldordens und dem italieniſchen
Kabinettschef Fascioti das Großkreuz des Kaiſer Franz
Joſefordens. Bei gutem Wetter ſollte heute nach=
mittag
ein Ausflug der beiden Miniſter Giuliano und
Aehrenthal nach Strepl ſtattfinden. Abends findet
beim Grafen Aehrenthal ein Diner ſtatt. Morgen
mittag reiſen beide Miniſter von Iſchl wieder ab.
* Iſchl, 1. Sept. Das Wiener Korr.=Bureau
verbreitet folgendes Communiqué: Die Reiſe, die
der Marcheſe di San Giuliano nach Iſchl unter=
nommen
hat, um ſich dem Kaiſer Franz Joſef vorzu=
ſtellen
, ſowie die Begegnung des italieniſchen Mini=
ſters
des Auswärtigen mit dem Grafen Aehrenthal, die
vorher in Salzburg ſtattgefunden hat, ſind ein neuer
Beweis für die freundſchaftlichen und ver=
trauensvollen
Beziehungen zwiſchen
Italien und Oeſterreich=Ungarn. Die
Entrevue der beiden Staatsmänner gab ihnen die Mög=
lichkeit
, einen den Allianceverhältniſſen entſprechenden
intimen Gedankenaustauſch über die allgemeine Lage
in Europa wie auch ſpeziell über die Verhältniſſe im
nahen Oſten zu pflegen. In der Beurteilung dieſer
Fragen ergab ſich eine erfreuliche Uebereinſtimmung
der Anſichten der Vertreter der beiden Kabinette, die
vor allem auf die Aufrechterhaltung des Status quo
und des Friedens gerichtet ſind. Insbeſondere erhoffen
ſie von dem neuen Regime in der Türkei eine Kon=
ſolidierung
dieſer letzteren. Sie werden auch weiter=
hin
das Gedeihen der Balkanſtaaten mit ihren Sym=
pathien
begleiten.
Letzte Nachrichten.
(Wolffs telegr. Korreſp.=Bureau.)
* Berlin, 1. Sept. Heute vormittag hielt der Kai=
ſer
auf dem Tempelhofer Felde Parade über das
geſamte Gardekorps ab. Die Parade komman=
dierte
General von Löwenfeld. Die Aufſtellung der Trup=
pen
war wie immer in zwei Treffen erfolgt. Es hatten ſich
eingefunden: die Kaiſerin und die Prinzeſſin Viktoria
Luiſe in offenem Sechsſpänner und in einem zweiten glei=
chen
Wagen die Kronprinzeſſin und die Prinzeſſin Eitel
Friedrich mit den beiden älteſten Söhnen des Kronprin=
zen
, der Kronprinz und die übrigen kaiſerlichen Prinzen
waren bei ihren Regimentern eingetreten. Der Kai=
ſer
ritt mit den Fürſtlichkeiten und der geſamten Suite
die Fronten ab; es folgte ein zweimaliger Vorbeimarſch.
Die Parade war um 12,15 Uhr beendet. Die Kaiſerin mit
der Prinzeſſin=Tochter kehrte im Wagen mit Eskorte nach
dem Schloß zurück; der Kaiſer führte die Feldzeichen
ebendahin.
* Berlin, 1. Sept. Generalſtabschef v. Moltke
iſt erkrankt; er wird eventuell bei den Kaiſer=
manövern
vom 6. bis 10. September von dem General=
oberſt
von der Goltz vertreten.
* Dresden, 1. Sept. Geſtern nacht erſchoß in
einem Hotel der 28jährige Maler Joſeph Sabat aus
Prag ſeine Geliebte und brachte ſich dann ſelbſt eine
tödliche Schußwunde in die Schläfe bei.
* Zittan, 1. Sept. Geſtern abend brannte in
Seifhennersdorf das dicht an der böhmiſchen Grenze
gelegene Bauerngut des Beſitzers Pahne bis auf die
Umfaſſungsmauern nieder. Das meiſte Inventar
und das Vieh wurde ein Raub der Flammen. Bei den
Rettungsarbeiten wurden zwei Feuerwehrleute ſchwer
verletzt. Heute vormittag wurde unter den Trümmern
des niedergebrannten Wohnhauſes die verkohlte Leiche
des in den 50er Jahren ſtehenden Beſitzers aufgefun=
den
, der bei den Rettungsverſuchen umgekommen iſt.
* Bremen, 1. Sept. Ueber 2000 ſtreikende
Werftarbeiter verſammelten ſich heute auf dem
Spielplatz an der Nordſtraße und veranſtalteten einen
Demonſtrationszug durch die Stadt nach dem
Bürgerpark. Die Polizei ſchritt nicht ein, obgleich der
Umzug nicht angemeldet war.
* Lübeck, 1. Sept. In einem benachbarten Orte
wurden zwei Kinder durch die Chauſſeewalze über=
fahren
. Eins iſt tot, das andere ſchwer verletzt.
* London, 1. Sept. Als vermißt wird ſeit geſtern
von der Lloyds Agentur der deutſche Dampfer
Margarethe Ruß aufgeführt, der am 21. Juni
mit einer Holzladung von Norfolk (Virginia) nach
Amſterdam und Sharpneß abgegangen war. Der
Dampfer hatte eine Beſatzung von 26 Perſonen; Paſ=
ſſagiere
befanden ſich nicht an Bord.
* Cetinje, 1. Sept. Das griechiſche Ge=
ſſchwader
mit dem Kronprinzen und der Kron=
prinzeſſin
iſt geſtern in Antivari eingetroffen. In
Cetinje findet feierlicher Empfang ſtatt.
* Cetinje, 1. Sept. Zu Ehren des Kronprin=
zen
von Griechenland veranſtaltete König Niko=
laus
ein Diner, wobei er einen Toaſt ausbrachte, in
dem er hervorhob, daß ein dauerndes Band der Sym=
pathie
und der aufrichtigen Freundſchaft zwiſchen
Montenegro und Griechenland und den beiden Königs=
häuſern
beſtehe.

Müncheberg, 1. Sept. Während der Streckenwärter
Streſow die Geleiſe kontrollierte, wurde er von
einem Schuß getroffen. Er vermochte ſich nur
noch mit Mühe bis zur Dienſtſtelle zu ſchleppen. Ob
es ſich um ein Attentat oder um einen unglücklichen
Schuß eines Jägers handelt, konnte bisher nicht auf=
geklärt
werden.
H. B. Paris, 1. Sept. Eine der hervorragendſten
und ſchönſten Pariſer Schauſpielerinnen, Frau André
Mégard, die mit dem Direktor des Théatre Antoin
verheiratet iſt, wurde geſtern bei einer Automobil=
Ausfahrt in Nordfrankreich das Opfer eines Unfalles,
bei dem ſie ſchwere innere Verletzungen erlitt, während
der Chauffeur einen Arm= und Schlüſſelbeinbruch davon=
trug
.
Petersburg, 1. Sept. Der Naphthainduſtrielle
Medemejew aus Baku iſt nach Hinterlaſſung von
800000 Rubeln Verbindlichkeiten ins Ausland ge=
flüchtet
.

E

klimatischer Kurort in Süd-
tirol
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Frequenz 1909/10 27000 Kur-
gäste
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u. Fremdenvillen. Prosp. gr. d. d. Kurvorstehung. (16379a

Amtlicher Wetterbericht.
Oeffentliche Wetterdienſtſtelle Gießen.
Verlauf der Witterung ſeit geſtern früh: Am Oſt=
rand
des großen weſtlichen Hochdruckgebietes haben ſich
kleine Randwirbel entwickelt, die Trübung und Strich=
regen
brachten. Weſtliche Winde bringen gleichzeitig
Abkühlung. Da innerhalb des Frankreich und Weſt=
deutſchland
bedeckenden Hochs Unregelmäßigkeiten vor=
handen
ſind, dauert das wolkige Wetter an.
Ausſichten in Heſſen für Freitag, den 2. Sept.:
Meiſt wolkig und kühl, vorwiegend trocken.

Gottesdienſt bei der israelitiſchen Religionsgemeinde.
Haupt=Synagoge (Friedrichſtraße 2).
Freitag, den 2. September 1910.
Vorabendgottesdienſt 6 Uhr 45 Min.
Samstag, den 3. September 1910.
Morgengottesdienſt 8 Uhr 30 Min. Sabbataus=
gang
7 Uhr 55 Min.
Gottesdienſt in der Synagoge der israelitiſchen Religions=
geſellſchaft
.
Samstag, den 3. September.
Vorabend 6 Uhr 35 Min. Morgens 7 Uhr 45 Min.
Nachmittags 5 Uhr Min. Sabbatausgang 7 Uhr
55 Min.
Wochengottesdienſt von Sonntag, den 4. Sept., an:
Morgens 6 Uhr Min. Nachmittags 6 Uhr 45 Min.
NB. Sonntag, den 4. Sept., und Montag, den 5. Sept.:
Rausch Caudesch Elul.
Tageskalender.
Kinderfeſt um 4 Uhr im Schützenhof.
Sedanfeier des Kriegervereins um 8 Uhr im
Schützenhof.
Konzert um 4 Uhr auf der Ludwigshöhe.
Konzert um 7 Uhr auf Hugenſchütz’ Felſenkeller
Konzert um 8 Uhr im Saalbau.
Konzert um 8 Uhr im Hotel Heß.
Konzert um 8 Uhr im Perkeo.
Ausſtellung des Deutſchen Künſtlerbundes (geöffnet
v. 10 Uhr ab). Sonntags v. 1 Uhr ab Eintritt 50 Pfg.
1. Darmſtädter Kinema tograph (Ecke Rhein= und
Crafenſtraße): Vorſtellungen von 311 Uhr.
Verſteigerungskalender.
Samstag, 3. September.
Pferde=Verſteigerung um 11 Uhr in der Train=
Kaſerne (Eſchollbrückerſtraße).
Aerztliche Beratungsſtelle für Säug=
lingspflege
, im alten Theater. Sprechſtunden:
Montags, Dienstags, Mittwochs und Freitags von
5½6½ Uhr.
Botaniſcher Garten, Erbacherſtr. 91, geöffnet täglich
von 6½ Uhr morgens bis 7½ Uhr abends mit Aus=
nahme
des Sonntags

Statt besonderer Anzeige.
Verwandten und Freunden die schmerzliche Mitteilung von dem heute
nachmittag nach längerem Leiden erfolgten Ableben meines innigstgeliebten
Mannes, meines lieben teuren Vaters und guten Sohnes
Herrn
Foncier Hinionn Uchwabr
Die tieftrauernd Hinterbliebenen:
Valérie Schwab, geb. Stockhausen,
Kurt Schwab,
Louise Schwab.

Darmstadt, den 1. September 1910.

(17030

Die Beisetzung findet Samstag, 3. September, nachmittags 4 Uhr, die Einsegnung ½ Stunde
vorher im Trauerhause, Wendelstadtstrasse 7, statt.

Statt jeder beſonderen Anzeige.

Heute nachmittag 7 Uhr verſchied nach
kurzem, ſchwerem Leiden, gottergeben und ge=
ſtärkt
durch den Empfang der hl. Sterbeſakra=
mente
, unſere liebe, gute Mutter, Schwieger=
mutter
, Großmutter und Tante
(17009
Frau
Wieie Vatcken Bedchroder
Marie, geb. Plies
im 74. Lebensjahre.
Darmſtadt, 31. Auguſt 1910.
Karl Bodenröder u. Frau,
Familie Postsekretär Kessler,
Magdalene Reuter.
Die Beerdigung findet Samstag, den 3. Sep=
tember
, nachmittags 3 Uhr, vom Sterbehauſe,
Bleichſtraße 23, aus ſtatt.
Im Sinne der Verſtorbenen wird gebeten, von
Kranzſpenden abzuſehen.

Bankſagung.
Für die vielen Beweiſe herzlichſter Teilnahme
bei dem Hinſcheiden meiner unvergeßlichen, lieben
Gattin, unſerer guten Mutter, Schwiegermutter,
Großmutter, Schweſter, Schwägerin und Tante
Frau Lina Göbel
Hebamme
für die tröſtende Grabrede des Herrn Pfarrers
D. Waitz, für die aufopfernde Pflege der
Gemeindeſchweſtern, für den erhebenden Grab=
geſang
des Darmſtädter Männer=Geſangvereins,
dem Hebammen=Verein und dem Werkmeiſter=
Bezirksverein Darmſtadt, ſowie für die zahlreichen
Blumenſpenden ſagen innigſten Dank. (16987
Darmſtadt, den 1. September 1910.
Im Namen der tieftrauernden Hinterbliebenen:
Philipp Göbel.

Hochzeitsturm. Turmzimmer und Ausſtellungs=
räume
, täglich geöffnet von 912 und 36 Uhr.
Druck und Verlag: L. C. Wittich’ſche Hofbuchdruckerei.
Verantwortlich für den politiſchen Teil, für Feuilleton,
Reich und Ausland: Dr. Otto Waldaeſtel; für den übrigen
redaktionellen Teil und Letzte Nachrichten: Max Streeſe;
für den Inſeratenteil: J. Kroſt, ſämtlich in Darmſtadt.
Für den redaktionellen Teil beſtimmte Mitteilungen ſind
an die Redaktion des Tagblatts zu adreſſieren. Etwaige
Honorarforderungen ſind beizufügen; nachträgliche werden
nicht berückſichtigt. Unverlangte Manuſkripte werden nicht
zurückgeſandt.

[ ][  ][ ]

Nummer 205

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 2. September 1910.

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Der Doppelſchrauben=Poſtdampfer Bres=
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Auguſt, 12 Uhr mittags, wohlbehalten in
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Der Doppelſchrauben=Schnellpoſtdampfer
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pers
, vom Norddeutſchen Llond in Bre=
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, iſt am 1. September, 6 Uhr morg.,
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Kurſe vom 1. September 1910.
Mitgeteilt von Hermann Reichenbach.

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3½ Deutſche Reichsanl. . (2,60
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4 Preuß. Schatzanweiſg. 100,30

83,60
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3½ do. Conſols . . . . 92,60
3 do. do,
4 Bad. Staatsanleihe . . 101,40
do.
3½
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Bayr. Eiſenbahnanl. . 101,50
do.
do.
4 Hamburger Staatsanl. 101,80
4 Heſſ. Staatsanleihe . . 101,50
do.
90,70
do.
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Württembergerv. 1907 101,70
91,60
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1¾ Griechen v. 1887 . . 47,20
3¾ Italiener Rente . .
4½ Oeſterr. Silberrente . 97,40
do. Goldrente . . 99,20
do. einheitl. Rente 93,60
3 Portug. unif. Serie I 66,25
do. unif. Ser. III. 68,25
do. Spezial . 11,90
Rumänier v. 1903 . . 101,70
do. v. 1890 . . 94,60
do. v. 1905 . . 90,50
Ruſſen. v. 1889.. a. a. 91.50

InProz.
3f.
4 Ruſſen v. 1902 . . . . 92,00
100,40
4½ do. v. 1905.
92,50
3½ Schweden . . . .
4 Serbier amort. v. 1895 83,80
4 Türk. Admin. v. 1903 87,90
4 do. unifiz. v. 1903 94,60
4 Ungar. Goldrente . . 94,40
4 do. Staatsrente . 92,00
5 Argentinier . . . . . . 101,60
do.
91,10
4½ Chile Gold=Anleihe . 93,25
5 Chineſ. Staatsanleihe 102,00
99,60
do.
4½
. . . . 97,75
4½ Japaner .
5 Innere Mexikaner . . 100,00
do.
69,50
3
4 Gold=Mexikan. v. 1904 95,30
5 Gold=Mexikaner . . .

Aktien inländiſcher
Transvortanſtalten.
4 Hamb.=Amerika= Paket=
fahrt
. . . . . . . . 144,20
4 Nordd. Lloyd . . . . 110,10
4 Südd. Eiſenb.=Geſ. . . 121,60
Aktien ausländiſcher
Transportanſtalten.
4 Anatol. Eiſenb. 60%
Einz. Mk. 408
4 Baltimore & Ohio . . 107,25
4 Gotthardbahn . . . .

InProt.
Zf.
4 Oeſt.=Ungar. Staatsb. 160,50
4. Oeſt. Südbhn. (Lomb.) 24,10
4 Pennſylvania R. R. 130,00
Induſtrie=Aktien.
Mainzer Aktienbrauerei . 207,50
. 76,70
Werger=Brauerei
Bad. Anil.=u. Sodafabrik 482,00
Fabrik Griesheim . . . . 257,50
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.518,00
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.328,00
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.120,25
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betrieb
.
. . . . 238,10
Prioritäts=
Obligationen.
3½ Südd. Eiſenb.=Geſ. . . 89,80
4 Pfälzer Prt. . . . . . 101,00
91,70
3½ do.
4 Eliſabeth., ſteuerpfl. .
4 do. ſteuerfrei . 98,30
5 Oeſterr. Staatsbahn. 105,20
do.
4
97,50
do. alte .
3
5 Oeſterr. Südbahn . . 99,00
do.
4
82,75
do.
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In Pry.
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4 Bagdadbahn Mk. 408 86,80
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Diskonto=Geſellſchaft
Dresdner Bank
Mitteldeut. Kreditbk.
Nationalbk. f. Deutſchl.
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Reichsbank
Rhein. Kredit=Bank
Wiener Bank=Verein

Pfandbriefe.
4 Frankft. Hypoth.=Bank
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do. S. 19 . . . . .
4 Frkf. Hyp.=Kreditverein
S. 1519, 2126
Hamb.=Hypoth.=Bank
do.
3½
4 Heſſ. Land.=Hyp.=Bk.
do.
3½
4 Meining. Hyp.=Bank
do.
4 Rhein. Hypoth.=Bank
(unk. 1917)
do. (unk. 1914)
4 Südd. Bd.=Kr.=Bk.=Pf.
3½ . .. .50.

171,25
31,80
256,00
127,30
190,50
59,25
119,10
125,00
105,25
143,25
139,20
139,50

100,20
92,00
99,60
100,50
90,50
101,60
92,60
101,00
91,00
100,10
91,00
100,40
92.50

Inß:)).
Zſ.
Städte=
Obligationen
.100,25
4 Darmſtadt .
92,25
3½ do.
100,90
4 Frankfurt
96,10
3½ do.
-
4 Gießen
3½ do.
-
4 Heidelberg
-
3½ do.
4 Karlsruhe
100,10
3½ do.
4 Magdeburg.
-
3½ do.
4 Mainz
3½ do.
4 Mannheim
100,10
3½ do.
4 München .
100,10
3½ Nauheim
4 Nürnberg.
3½ do.
4 Offenbach.
3½ do.
4 Wiesbaden
102,40
3½ do.
4 Worms .

3½ do.
4 Liſſaboner v. 1886. .
Verzinsliche
Anlehensloſe.
4 Badiſche Tlr. 100 164,30
3½ Cöln=Mindner 100 134,50
5 Donau=Reg. fl. 100 150,00
3 Holl, Komm. 100

In Pro;
Bf.
3 Madrider Fs. 100
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briefe
. . . . . . . . 136,00
4 Oeſterr. 1860er Loſe 173,50
3 Oldenburger
2½ Raab=Grazer fl. 150
Unverzinsliche
Anlehensloſe.
Augsburger
fl. 7 38,60
Braunſchweiger Tlr. 20 204,30
Freiburger Fs. 15
Mailänder Fs. 45 120,00
do.
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38,60
Oeſterreicher v. 1864 100 358,00
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Ungar. Staats 100 384,40
Venediger Frs. 30
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Die Kapelle iſt durch hieſige Kräfte verſtärkt.
Leitung: Herr Musikmeister M. WEB ER.
Dem Charakter des Tages entſprechendes Programm.
Es findet bestimmt Réunion ſtatt.
Eintritt 50 Pfg., Studierende u. Militär 30 Pfg., Dutzendkarten (Blocks) à Mk. 4.
Donnerstagskarten haben Gültigkeit. Kriegervereinsmitglieder ermäßigte Preiſe.
Das Konzert findet bei jeder Witterung (bei ungünſtiger Witterung im Saal)
(17006
ſtatt. Réunion im Gartenſaal oder Vorſagl.

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Hüdwigshone.

Heute Freitag, den 2. September, nachmittags 4 Uhr:
Anläßlich der Sedanfeier
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Estragrosses Festkonzert
Militärmuſik. Leitung: Herr Muſikmeiſter M. Weber.
Im Programm: Feſt=Ouverture von Lortzing, Fantaſie aus Die Hugenotten
und Mikado, Schlachthymne und Siegesmarſch aus Cola Rienzi, Steuermannslied
und Matroſenchor aus Der fliegende Holländer Solovorträge des Herrn Lemmer.
Eintritt 25 Pfg.
Abonnements haben Gültigkeit.
Samstag, den 3. September: Kurkonzert obiger Kapelle.

Augenschütz Felsenkeller.
Heute, Freitag (Sedanfeier):
Grosses Konzert.

IIlumination des Gartens.

Bei ungünſtiger Witterung Streichkonzert im Saale.
Eintritt frei.
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Eintritt frei.

Nachkirchweihe in Traisa
findet Sonntag, den 4. September, ſtatt, wozu höflichſt einladet
Walter, Hessischer Hol.
17013)

Kriegerverem Darmſtadt.
proiektor: Seine Königliche Hoheit der Grossherzog
Freitag, den 2. September 1910, abends 8 Uhr,
Sedanfeler
beſtehend aus Feſtanſprache, Konzert uſw. im Schützenhof.
Wir laden unſere Mitglieder nebſt ihren Familienangehörigen zu dieſer Feier ein.
Die Monatsverſammlung am Mittwoch, den 7. September I. Js., fällt aus.
16828)
Der Vorſtand des Kriegervereins Darmſtadt.

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Schützenhof.
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findet heute nachmittag 4 Uhr bei jeder Witterung ſtatt.

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Der Pfarrer von Gamsegg.
Roman von Erich Ebenſtein.
(Nachdruck verboten.)
20)
Silas Hempel war froh, als er ſein wohl durchwärm=
tes
Zimmer betrat und ſeine Wirtin mit den Vorberei=
tungen
zum Nachtmahl beſchäftigt fand.
Als dann noch ein kräftiger Grog auf dem einladend
gedeckten Tiſch dampfte, fühlte ſich Hempel ſo behaglich,
daß er die alte Frau bat, ihm doch während der Mahlzeit
Geſellſchaft zu leiſten, was dieſe nur zu gern tat.
Die Unterhaltung drehte ſich bald um die bevor=
ſtehende
Verhandlung gegen den Pfarrer.
So iſts alſo wirklich wahr, daß unſer Herr Pfarrer
am 11. Januar vor die Geſchworenen geſtellt werden ſoll?
fragte Frau Bliſſen.
Hempel zuckte die Achſeln. Die Beweiſe ſind alle ge=
gen
ihn, und die Leute glauben doch auch ſo feſt an ſeine
Schuld! Volkesſtimme iſt Gottesſtimme! ſagt ein altes
Sprichwort.
Frau Bliſſen ließ das Strickzeug ſinken und ſah ihren
Mieter kopfſchüttelnd an. Alſo Sie auch? Iſts nicht ge=
nug
, daß alle hinter dem armen Herrn her ſind wie die
Meute hinter dem Edelwild? Sie hätte ich wirklich für ein=
ſichtiger
gehalten!
Mich? fragte Hempel harmlos. Man muß doch nach
allem, was man hört, an die Schuld des Pfarrers glau=
ben
! Ich kümmere mich zwar nicht viel um ſolche Ge=

e e ere e e en ee
ausgeſagt haben, und die Mordwaffe wurde im Pfarr=
garten
gefunden.
O, der Stigl! Das iſt ſchon der richtige! rief Frau
Bliſſen. Der weiß ſicher, warum er den Pfarrer weg=
haben
will von Gamsegg. Sie hielt inne und ſtrickte
dann eifrig weiter.
Hempel horchte auf.
Na, der Stigl iſt doch ein ruhiger, ordentlicher Menſch,
warf er nach einer Weile hin.
O ja ſehr.
Und wenn er ſich auch wirklich irren ſollte, die Mord=
waffe
kann er doch nicht in den Garten geworfen haben!
Nun, zuzutrauen wäre dem alles!
Aber wieſo? fragte Hempel geſpannt.
Ich rede keinem Menſchen etwas Schlechtes nach
obwohl, weiß Gott manchmal wäre es beſſer, man öff=
nete
den Leuten die Augen.
Was ſoll das heißen?
Frau Bliſſen warf ihr Strickzeug energiſch auf den
Tiſch, dann ſagte ſie erregter, als es ſonſt ihre Art war:
Schier den Glauben könnte man verlieren, wenn man
zuſieht, wie es in der Welt zugeht. Da werfen ſie alle
mit Steinen nach dem Pfarrer, der ſein Lebtag nichts wie
Gutes getan und ſich geopfert hat für die Gamsegger, und
den größten Stein wirft juſt der, der ihm am dankbarſten
ſein ſollte. Aber das ſage ich Ihnen, Herr Hempel, wenn
der Stigl, der ſcheinheilige Schleicher, bei der Verhand=

lung noch ein einziges Wort gegen den Pfarrer aus=
ſagt
, dann ſtehe ich, die alte Bliſſen, auf und rede auch!
Hempel war aufgeſtanden und beobachtete die erregte
Frau. Dann ſagte er ſcheinbar gleichmütig:
Meine liebe Frau Bliſſen, wenn Sie wirklich etwas
wiſſen, dann iſt es ja nur Ihre Pflicht, zu ſprechen! Bis=
her
waren alle Zeugenausſagen gegen den Pfarrer, es
wird gut ſein, wenn wenigſtens eine zu ſeinen Gunſten
lautet. Hängt Ihre Ausſage mit dem Mord zuſammen?
Nein. Aber ſie ſollen wenigſtens oben bei Gericht
wiſſen, warum der Stigl ſo froh iſt, daß der Pfarrer
hinter Schloß und Riegel ſitzt.
Froh iſt? Ja, warum denn?
Weil der Pfarrer ihn dabei betroffen hat, wie er den
Opferſtock ausleerte. Und wenn ihm der geiſtliche Herr
den Poſten ließ, ſo hat er ihm ſeitdem wohl ſcharf auf
die Finger geſehen, und Stigl mußte ſich ohne das Opfer=
geld
behelfen. Und zum Dank dafür ſchwärzt er den
Pfarrer jetzt an! Natürlich, der neue geiſtliche Herr weiß
ja nichts, da kann er wieder ruhig weiter plündern. Das
iſt es, was ich unter Eid ausſagen kann.
So, ſo. Hm und woher wiſſen Sie denn das,
liebe Frau Bliſſen? fragte Hempel.
Die Alte blickte ihm ehrlich ins Geſicht und antwor=
tete
ohne Zögern: Ich habe die ganze Geſchichte zufällig
mit angehört, als ich am 27. Auguſt beim Kreuz des hei=
ligen
Auguſtinns betete. Mein Seliger hieß nämlich Au=
guſt
, und jedes Jahr am Vorabend ſeines Namenstages
ſchmücke ich ſein Grab und bringe nachher zum Kreuz des

1. Beilage zum Darmſtädter Tagblatt.

3 205.

Freitag, 2. September.

1910.

[ ][  ][ ]

Seite 10.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 2. September 1910.

Nummer 205.

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neben dem Sakriſteifenſter, einen Kranz. In dieſem Jahre
iſt es ſpäter geworden als ſonſt. Das Sarkiſteifenſter
ſtand offen, aber es war dunkel drinnen. Ich kniete nie=
der
und betete. Und auf einmal höre ich drinnen die
Stimme des Herrn Pfarrer: Stigl, was machſt Du denn
hier? Und der Stigl ſchreit auf, und dann höre ich alles,
wie er eingeſteht, den Opferſtock ſchon ſeit langem beſtohlen
zu haben, und wie er den Pfarrer um Verzeihung bittet,
und alle gütigen Worte vom Herrn Pfarrer, und wie er
ihm zuletzt verzeiht und zu ſchweigen verſpricht, wenn
Sigl Reue und Beſſerung gelobt. Und jetzt ſehen Sie,
Herr Hempel, dankt es ihm dieſer Mann ſo böſe!
Hempel nickte.
Da haben Sie ganz recht, meine liebe Frau Bliſſen,
wenn Sie die Wahrheit über Stigls Charakter bei Gericht
bekannt geben. Da verliert die Ausſage Stigls freilich an
Bedeutung.
Frau Bliſſen hatte ſich wieder beruhigt und ſtrickte
weiter. Auch Hempel ſchwieg eine Weile, in Nachdenken
verſunken. Endlich ſagte er wie nebenſächlich:
Was ich Sie ſchon immer fragen wollte, Frau Bliſſen,
haben Sie eigentlich in Friedberg, in der Oſtſteiermark,
gar keine Bekannten? Ich werde nächſtens in Geſchäften
einmal hin müſſen und wäre recht froh, wenn Sie mich
an jemand empfehlen könnten.
Die alte Frau beſann ſich einen Augenblick.
In Friedberg? O ja dort lebt die Konſtantia
Huberin, ein Geſchwiſterkind von mir. Wir haben einan=
der
wohl fünfzehn Jahre nicht geſehen, aber ſie wird ſich
meiner ſchon erinnern, wenn Sie ihr einen ſchönen Gruß
beſtellen. Wann wollen Sie denn nach Friedberg fahren?
Vielleicht ſchon in den nächſten Tagen!
Die Sache mit Stigl ging Hempel nicht aus dem Sinn.
Sollte der Alte etwa heute wieder auf heimlichen Wegen
gewandelt ſein? Auffallend war es ja, daß er ohne Licht

in die Kirche ging. Und Hempels unerwarteter Beſuch
hatte ihn ſichtlich erſchreckt.
Unter dieſem neuen Geſichtspunkt betrachtet, verlor
Stigls Ausſage unbedingt an Wert, denn er hatte das
ſtärkſte Intereſſe daran, daß Pfarrer Dolland nicht mehr
auf ſeinen Poſten nach Gamsegg zurückkam.
Am Abend des folgenden Tages Hempel war eben
damit beſchäftigt, ſeine Reiſetaſche zu packen klopfte es
an die Türe ſeines Zimmers, und Hermann Moosheimer
trat ein.
Der Detektiv erſchrak, als er einen Blick in Hermanns
Geſicht tat.
Müde und glanzlos lagen die Augen in dem bleichen
Geſicht, das einen krampfhaft geſpannten Ausdruck hatte.
Um Gottes willen was iſt geſchehen, Herr Moos=
heimer
? rief Hempel betroffen.
Hermann ſank auf den nächſten Stuhl.
Ich ließ im Heimfahren hier halten, denn Ihnen bin
ich die Wahrheit ſchuldig, ſagte er mit klangloſer Stimme,
wenn ich Sie auch bitte, vorläufig noch darüber zu ſchwei=
gen
. Ich habe heute mit Martha Dolland geſprochen.
Es iſt kein Zweifel mehr, der Förſter iſt der allein Schul=
dige
!
Hempel machte unwillkürlich eine Bewegung der
Ueberraſchung. Und Hermann fuhr nach einer Pauſe
fort: In der Nacht nach der Tat der Förſter hatte
ſich ganz allein in ſein Zimmer begeben und war auch
nicht zum Abendeſſen gekommen erwachte Martha
und hörte ihren Vaten auf= und abgehen. Gegen Mor=
gen
wurde es plötzlich ſtill. Von Angſt erfaßt, ſtand
ſie auf und ſchlich leiſe in des Vaters Zimmer hinüber
ſie kam eben zurecht, um ihm die Piſtole aus der
Hand zu reißen, die er auf ſich ſelbſt abdrücken wollte.
Auf dem Tiſch lag ſein Teſtament, das er in der Nacht
geſchrieben hatte.
Und wie motivierte er ſeine Tat? fragte Hempel
geſpannt.
Ueberhaupt nicht. Er gab auf keine Frage eine
Antwort, ſondern blickte Martha nur ſo ſeltſam, faſt

mitleidig an. Sie nahm die Piſtole mit ſich, und er
ließ es auch ruhig geſchehen. Das Teſtament muß er
nachher wieder vernichtet haben, denn es wurde nir=
gends
gefunden. Nun iſt ja auch des Pfarrers Be=
nehmen
erklärlich er hat offenbar ſeinen Bruder bei
der Tat geſehen und will nicht gegen ihn ausſagen
Hempel ſchüttelte zweifelnd den Kopf.
Und der im Pfarrgarten gefundene Revolver?
Vielleicht nahm er ihn ſeinem Bruder ab und warf
ihn, zu Hauſe angelangt, in ſeiner Aufregung zum
Fenſter hinaus. Er muß ja halb von Sinnen geweſen
ſein. Die Brüder hängen aneinander. Hermann
Moosheimer ſtand auf und fuhr ſich mit der Hand über
die Stirne.
Das wollte ich Ihnen ſagen und daß nun alles
für mich aus iſt! Martha und ich haben Abſchied von=
einander
genommen für immer.
Hempel hätte ihm gern ein tröſtendes Wort geſagt,
aber er war durch das Gehörte ſelbſt ſo verwirrt und
überraſcht, daß er kein Wort der Hoffnung und Auf=
munterung
fand.
Als Hermann daheim anlangte, fand er auf alleu
Geſichtern ängſtliche Erregung. Eva lag ſeit Mittag
in hohem Fieber, phantaſierte und erkannte niemand.
Doktor Trewendt, der ſeit dem Morgen nun ſchon das
dritte Mal bei ihr weilte, ſchüttelte ſehr ernſt den Kopf.
Eine Lungenentzündung. Gott gebe, daß die
Kräfte aushalten, ſagte er und drückte Hermanns Hand
in warmer Teilnahme.
Mit, verweintem Geſicht und brennenden Augen
ſaß Anne=Marie neben Evas Bett und hielt die heiße
Hand der Fiebernden in der ihren.
Warum nicht ich? fragte ſie bitter, als Hermann
ſich ſtumm an ihrer Seite niederließ. Warum muß
das Schickſal gerade ſie niederwerfen, ſie, die Glückliche?
Und leiſe gab er zurück: Es wirft uns alle nieder,
Anne=Marie, früher oder ſpäter wohl dem, der’s
ohne Bewußtſein hinnehmen kann, wie Evchen,
(Fortſetzung folat.)

[ ][  ][ ]

Nummer 205.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 2. September 1910.

Seite 1I.

Amtliche Nachrichten des Großherzoglichen Polizeiamts Darmſtadt.
Polizeilich eingefangene und zugelaufene Hunde.
In polizeilicher Verwahrung und Pflege in der Hofreite Beſſungerſtr. Nr. 56 be=
finden
ſich: 1 Pinſcher.
Die Hunde lönnen von den Eigentümern bei dem 5. Polizei=Revier ausgelöſt
werden. Die Verſteigerung der nicht ausgelöſten Hunde findet dortſelbſt jeden Werk=
1ag, vormittags um 10 Uhr, ſtatt.

Bekanntmachung,
den Wagen= und Fußgängerverkehr am Großh. Hoftheater betreffend.
Bei dem bevorſtehenden Beginne der Spielzeit im Großh. Hoftheater bringen
wir die nachſtehenden polizeilichen Anordnungen zur Regelung des Wagen= und Fuß=
gängerverkehrs
am Großh. Hoftheater vom 10. Dezember 1907 in Erinnerung.
Darmſtadt, den 30. Auguſt 1910.
Großherzogliches Polizeiamt Darmſtadt.
Dr. Kranzbühler.
Bekanntmachung,
die Regelung des Wagen= und Fußgängerverkehrs bei Beginn und Schluß der
Vorſtellungen im Großherzoglichen Hoftheater zu Darmſtadt betreffend.
I. Auf Grund des § 1 der Polizeiverordnung, die Erhaltung der Sicherheit und
Ordnung in und vor dem Großherzoglichen Hoftheater zu Darmſtadt betreffend, vom
1. September 1906 haben wir zur Regelung des Wagen= und Fußgängerverkehrs bei
Beginn und Schluß der Vorſtellungen im Großherzoglichen Hoftheater die nachſtehenden
Anordnungen getroffen, die an die Stelle der früheren Anordnungen (vergl. unſere Be=
kanntmachung
vom 6. v. Mts.) getreten ſind:
1. Die An= und Abfahrt der Wagen vor dem Großherzoglichen Hoftheater bei Beginn
und Ende der Vorſtellungen hat ausſchließlich unter der Säulenhalle des Haupt=
portals
auf der Südſeite des Hoftheaters, und zwar vor dem mittleren Ausgang,
zu erfolgen.
2. Wagen, welche bei Beginn der Vorſtellungen Perſonen nach dem Großherzoglichen
Hoftheater bringen, haben von Weſten, d. i. von der Zeughausſtraße her, unter
der Säulenhalle des Hauptportals anzufahren und ſofort nach dem Ausſteigen
der Perſonen nach Oſten abzufahren.
Die öſtlich des Großherzoglichen Hoftheaters aus der Hochſchulſtraße,
Alexanderſtraße oder der Straße am Schloßgraben anfahrenden Wagen müſſen
daher an der Hinterbrücke des Reſidenzſchloſſes vorbei bis zur Südweſtecke des
Theaterplatzes fahren und alsdann die obige Fahrtrichtung nehmen.
3. Die zum Abholen des fahrenden Publikums nach Schluß der Vorſtellung
beſtimmten Wagen haben auf beiden Seiten der an der Oſtſeite des Theater=
platzes
herziehenden Fahrbahn vor dem Reſtaurant Zur Oper hintereinander
Aufſtellung zu nehmen. Inſoweit daſelbſt Platz nicht mehr vorhanden iſt, hat
die Aufſtellung nach Anweiſung des dienſthabenden Polizeibeamten in gleicher
Weiſe auf der von dem Hoftheater nach dem alten Theater führenden Straße zu
geſchehen. Für Automobile können nötigenfalls beſondere Aufſtellungsplätze an=
gewieſen
werden.
4. Der Aufruf bei der Abfahrt der Wagen erfolgt durch den ausſchließlich hierzu
befugten Bedienſteten des Großherzoglichen Hoftheaters. Iſt bei dem Anfahren
unter dem Hauptportal ein Einſteigen ohne Zeitverluſt nicht möglich, ſo muß der
Wagenführer abfahren und abermals auf den Aufſtellungsplätzen ſo lange halten,
bis er aufgerufen wird.
5. Das Ein= und Ausſteigen an anderer Stelle als an der unter 1 angegebenen, iſt
verboten.
6. Die An= und Abfahrt der Wagen hat, ſoweit dies gegebenenfalls möglich iſt, im
Trabe zu erfolgen. Unter der Säulenhalle darf nur im Schritt gefahren werden.
7. Die vorſtehenden Beſtimmungen finden keine Anwendung auf die Hofwagen, die
an den Hauptportalen auf der Oſt= und Weſtſeite des Großherzoglichen Hoftheaters
anfahren.
8. Es iſt verboten, unbefugt den Wagen= und Fußgängerverkehr vor dem Hoftheater
zu hindern.
9. Bezüglich des Ausweichens gilt die allgemeine Beſtimmung des §271 des Polizei=
ſtrafgeſetzes
, wonach bei entgegengeſetzter Fahrtrichtung beide Wagen nach rechts
und bei gleicher Fahrtrichtung der vordere zurückbleibende Wagen nach rechts,
der nachkommende überholende Wagen nach links auszuweichen hat.
II. Wer den vorſtehenden Beſtimmungen oder anderen zur Regelung des Verkehrs
vor dem Großherzoglichen Hoftheater ergehenden Anordnungen der Aufſichtsbeamten
zuwiderhandelt, wird gemäß § 4 der eingangs erwähnten Polizeiverordnung vom
1. September 1906 auf Grund des § 366 pos. 10 des Reichsſtrafgeſetzbuchs mit Geldſtrafe
bis zu 150 Mk. oder mit Haft bis zu 14 Tagen beſtraft.
(16989fso
Darmſtadt, den 10. Dezember 1907.
Großherzogliches Polizeiamt Darmſtadt.

Lie Fortblldungsschule
für die aus der Volksſchule entlaſſene männliche Jugend, hier:
Beginn des Unterrichts für die kaufmänniſchen Klaſſen.
Für die kaufmänniſchen Klaſſen (Kaufleute und Schreiber) der obligatoriſchen
Fortbildungsſchule beginnt der Unterricht in dieſem Jahre ſchon Montag, den 5. Sep=
tember
, nachmittags 1½ Uhr.
Der Unterricht findet ſtatt an 2 Nachmittagen der Woche von 1½4½ Uhr
6 Stunden wöchentlich, ſeither 7 Stunden an 3 Nachmittagen) und dauert vom 5. Sep=
tember
1910 bis 18. März 1911, mit Unterbrechung vom 29. September bis 16. Oktober
(Herbſtferien) und vom 16. Dezember bis 3. Januar (Weihnachtsferien).
Die Fortbildungsſchulpflichtigen aus den Jahrgängen 1908 und 1909 die im
vorigen Winter die kaufmänniſchen Klaſſen in den Schulhäuſern am Ballonplatz
und in der Müllerſtraße (Lehrer und Krenz) beſucht haben, haben ſich Montag,
den 5. September, 1½ Uhr nachmittags, in der Turnhalle der Ballonſchule
einzufinden.
Zur gleichen Zeit haben ſich daſelbſt alle diejenigen zu ſtellen, die Oſtern 1910
aus den Stadtknabenſchulen 1 und II, aus der Bezirksſchule in der Lagerhaus=
ſtraße
und aus den Knabenmittelſchulen 1 und II entlaſſen worden ſind und ſich
dem kaufmänniſchen oder Schreiberberufe gewidmet haben, ebenſo die von aus=
wärts
zugezogenen ſchulpflichtigen Lehrlinge dieſer Berufsgruppen.
Die im Bezirk der ehemaligen Gemeinde Beſſungen wohnenden Kauf=
manns
= und Schreiberlehrlinge aus den Jahrgängen 1908, 1909 und 1910 können auf
Wunſch ebenfalls dieſen Klaſſen, deren Unterricht im Schulhaus am Ballonplatz ſtatt=
findet
, zugeteilt werden, wenn ſie ſich Montag, den 5. September, um 1½ Uhr, da=
ſelbſt
einfinden.
Vom Beſuche der obligatoriſchen Fortbildungsſchule befreit ſind die Schüler
der kaufmänniſchen Schule (Schulſtraße) und diejenigen jungen Leute, die anderen
genügenden Schulunterricht genießen.
Geſuche um gänzliche oder teilweiſe Befreiung vom Beſuche der Fortbildungs=
ſchule
ſind bei Meidung der Nichtberückſichtigung alsbald ſchriftlich an Großh. Kreis=
ſchulkommiſſion
Darmſtadt (Neckarſtraße 3) zu richten. Die Geſuche müſſen von
den Schülern ſelbſt verfaßt, geſchrieben und unterſchrieben ſein und Angaben enthalten
über Alter, Heimatsort, Namen und Geſchäft der Eltern, ſeitherigen Schulbeſuch und
dermaligen Arbeitsherrn des Schülers. In den Eingaben ſind die Gründe anzu=
führen
, aus welchen Befreiung beanſprucht wird; außerdem ſind Art, ſowie wöchent=
liche
Stundenzahl etwaigen anderen Unterrichts und die dieſen Unterricht erteilenden
Lehrer zu bezeichnen.
Für die übrigen Berufsgruppen beginnt der Unterricht Montag, den
17. Oktober, und findet an 3 Nachmittagen der Woche ſtatt. Beſondere diesbezüg=
liche
Bekanntmachung erfolgt anfangs Oktober.
(16926dfs
Darmſtadt, den 30. Auguſt 1910.
Der Vorſitzende des Schulvorſtandes.
J. V.: Mueller.

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Grummetgrasverſteigerung.
Das Grummetgras der früher Wiener’ſchen Wieſen wird Freitag, den 2. Sep=
tember
, mittags 5 Uhr anfangend, öffentlich meiſtbietend verſteigert.
Zuſammenkunft an der Kreisabdeckerei, Gräfenhäuſerſtraße.
(17003
Großherzogliche Hofmeierei.

Grummetgras=Versteigerung.
Dienstag, den 6. September I. Js., morgens 10 Uhr,
wird bei Wilhelm Gruber Witwe zu Thomashütte das Grummetgras von den
Domanialwieſen verſteigert. Steigliebhaber wollen die Kreszenz vorher einſehen.
Meſſeler Forſthaus, 31. Auguſt 1910.
(17021
Großherzogliche Oberförſterei Meſſel.
Schlag.

Die zur Konkursmaſſe des Weißbindermeiſters Georg Hellmuth gehörige
Geſchäftseinrichtung, ſowie die Vorräte ꝛc. werden
Montag, den 5. Sepfember 1910,
im Hauſe
13 Woogsplatz 13
öffentlich verſteigert, und zwar kommen zum Ausgebot:
vormittags 9 Uhr
das geſamte Rüſtzeug, beſtehend in
Gerüſtſtangen, Dielen, Hebeln, Stangen= und Rollſeilen, Leitern,
Eimern, Zübern und ſonſtigen Geſchirren; 1 grosser eiserner Kalk-
wagen
, große und kleine Handwagen u. v. a. mehr.
(16927dfs
nachmittags 2½ Uhr
die Vorräte an Farben, Oelen, Lacken, Pinſeln ꝛc. ꝛc.;
1 großer, maſſiver Lagerſchuppen.
Darmſtadt, den 30. Auguſt 1910.
Der Konkursverwalter:
Karl Dechert.

Grummetgrasverſteigerung.
Die am 23. I. Mts. ſtattgehabte Verſtei=
gerung
des Grummets von der Pallas=
wieſe
iſt genehmigt.
Die Mähſcheine ſind bei der Stadtkaſſe
erhältlich und müſſen bis zum 10. k. Mts.
abgeholt ſein.
(16925df
Darmſtadt, den 27. Auguſt 1910.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Darmſtadt.
I. V.: Jaeger.

Bekanntmachung.
Freitag, den 23. September 1910,
vormittags 10 Uhr,
ſoll die dem Hermann Geyer II. in Eber=
ſtadt
in der Gemarkung Beſſungen zuge=
ſchriebene
Liegenſchaft:
Flur Nr. qm
I 225 230 Hofreite Sandſtraße
(Sandbergſtr. 45),
in unſerem Geſchäftszimmer, Wittmann=
ſtraße
1, zwangsweiſe verſteigert werden.
Die Genehmigung der Verſteigerung
wird auch dann erfolgen, falls ein der
Schätzung entſprechendes Gebot nicht ein=
gelegt
wird und andere rechtliche Hinder=
niſſe
nicht entgegenſtehen.
Darmſtadt, den 31. Auguſt 1910.
Großherzogl. Ortsgericht Darmſtadt II.
(Beſſungen.)
Frantz. (D16992,5

Bekanntmachung.
Freitag, den 23. September I. Js.,
vormittags 10 Uhr,
ſoll die den Bierbrauereibeſitzer Georg
Friedrich Diehl Eheleuten dahier zuge=
ſchriebene
Liegenſchaft:
Flur Nr. qm
35 149//10 212 HofreitehintermBan=
gert
, jetzt Heinhei=
merſtraße
Nr. 77,
in unſerem Bureau zwangsweiſe verſteigert
(K52/10
werden.
Falls andere rechtliche Hinderniſſe nicht
entgegenſtehen, kann Genehmigung der Ver=
ſteigerung
auch dann erfolgen, wenn das
eingelegte Meiſtgebot die Schätzung nicht
erreicht.
Darmſtadt, den 29. Auguſt 1910.
Großherzogliches Ortsgericht Darmſtadt I.
Müller. (D16991,5

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[ ][  ][ ]

Seite 12.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 2. September 1910.

Nummer 205.

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[ ][  ][ ]

2. Beilage zum Darmſtädter Taablatt.

75 205.

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11 Jahr auf hieſigem Bureau beſchäftigt,
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O. 80 an die Expedition ds. Bl. erbeten.
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beſſern
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unter O. 74 an die Expedition ds. Bl.

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(*21296

Schützenſtraße 1, 3. Stock.

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unter O 72 an die Expedition. (*21265

N
2

erf. Büglerin n. noch Kunden in und
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empfiehlt ſich in und
Schneiderin außer dem Hauſe
*21075mf) Kiesſtraße 49, Seitenb. 1. St.

*20946ifo) Kinderfräulein Stütze mit
beſt. Zeugn. ſucht Stellung ſof. od. 1. Okt.
Offerten erb. unter O. 10 an die Exped.
*21120dfs) Mädch., 26 J. alt, welch. etw.
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Martinſtraße 59, 1. Stock.
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*21311fs) Stellen ſuchen: ält. u. jüngere
Haushälterinnen, ſehr tücht. u. gutempfohl.,
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auch zu Kindern. Jöckel, Eliſabethenſtr. 32.

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od. ſonſt. Vertrauens=
Kaſſierer= poſten ſucht gut beleu=
mundeter
Herr. Kaution in beliebiger Höhe
vorhanden. Offerten unter O. 13 an die
Expedition ds. Bl.
(*20978mdfs
*21293) Jung. verheir. Mann, 28 Jahre
alt, ſucht Beſchäftigung irgendwelcher Art.
Offert. unter O. 79 an die Exped. d. Bl.
*21266fids) Jg. Kaufmann ſucht Stellg. als
Volontär.
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[ ][  ]

Seite 14.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 2, September 1910.

Nummer 205.

Zur Bekämpfung des Borgunweſens.
Die Heſſiſche Handwerkskammer zu
Darmſtadt hat an die gewerblichen Korporationen
ihres Kammerbezirks ein ſehr zeitgemäßes Rundſchrei=
ben
, betreffend Bekämpfung des Borgunweſens, ge=
richtet
. Aus dem Inhalt des Schreibens heben wir
folgende weſentlichen Punkte hervor:
Das in Deutſchland übliche ungebührlich lange
Kreditfordern und Kreditgeben wird in den Kreiſen
der Gewerbetreibenden und Handwerker bereits ſeit
längerer Zeit als ein drückender Mißſtand auf das
lebhafteſte empfunden und beklagt. Trotzdem wird der
Kampf gegen dieſe Unſitte von den Handwerkern ſelbſt
immer noch gemieden oder doch ohne beſonderen Eifer
und Nachdruck geführt.
Infolge dieſer Lauheit hat ſich bedauerlicherweiſe
im kaufenden Publikum, auch in zahlungskräftigen
Kreiſen, dierfalſche Anſchauung eingebürgert, als könne
man gerade beim Handwerker den Kredit am längſten
in Anſpruch nehmen. Die Folge hiervon ſind Außen=
ſtände
, die nur langſam und ſchwer einzuziehen ſind.
Wenn aber die Außenſtände ſchlecht eingehen, wird es
in den meiſten Fällen dem Handwerker unmöglich ge=
macht
, ſeine Lieferanten pünktlich zu bezahlen; die
Folge davon iſt, daß dem Handwerker die Lieferanten
nicht mehr die günſtigen Einkaufsbedingungen ein=
räumen
, und daß dadurch manchem kleinen, ſonſt aber
tüchtigen Handwerker die Exiſtenz vernichtet, oder doch
erheblich erſchwert wird.
Den Handwerkern kann daher gar nicht energiſch
genug zugerufen werden: Schreibt rechtzeitig Rech=
nungen
und brecht mit dem alten, verrotteten Gebrauch,
dem Kunden erſt am Jahresſchluß oder halbjährlich
Rechnung zu überſenden! Am empfehlenswerteſten iſt
es jedenfalls, ſofort nach Fertigſtellung der Arbeit die
Rechnung zuzuſenden und für Barzahlung innerhalb
4 Wochen einen angemeſſenen Rabatt oder Skonto zu
gewähren, um auf dieſe Weiſe auf die Kunden einen
Anreiz auszuüben, die Rechnung bald zu regulieren.
Die durch das Borgunweſen bedingten Mißſtände
wirken zweifellos auf die Konkurrenzfähigkeit des
Handwerkerſtandes im allgemeinen und ſie gefährden
vielfach die Exiſtenz des einzelnen Gewerbetreibenden
im beſonderen, ſie haben vor allen Dingen wegen des
langſamen Umſatzes des Geſchäftskapitals eine Ver=
teuerung
der handwerkerlichen Gewerbeerzeugniſſe
unausbleiblich im Gefolge. Es iſt ſelbſtverſtändlich,

daß jemand, der ſein Betriebskapital nur einmal im
Jahre umſetzt, viel teurer produziert als derjenige, der
ſein Betriebskapital vier= und fünfmal umzuſetzen ver=
mag
. Die große wirtſchaftliche Ueberlegenheit des mit
dem Handwerk in Konkurxenz tretenden Handels und
der Induſtrie beruht in der Hauptſache doch auch darauf,
daß dieſe immer mehr zur Barzahlung übergehen und
dadurch in der Lage ſind, bei gleichen Leiſtungen durch
ihren mehrfachen Kapitalumſatz billiger zu produzie=
ren
, als der Handwerker, der wegen der Borgwirtſchaft
ſein Kapital womöglich nur einmal im Jahre umſetzt:
Ein großer Teil der Handwerker hat dieſe Schäden, die
durch das Borgunweſen entſtehen, erkannt, fürchtet ſich
aber, von der bisherigen Gewohnheit abzugehen, weil
er glaubt, die Kundſchaft dadurch zu verlieren. Dieſe
Befürchtung iſt jedoch unbegründet oder übertrieben,
zumal bei einem gemeinſamen Vorgehen aller Hand=
werker
.
Die Handwerkskammer wendet ſich deshalb an den
Handwerker= und Gewerbeſtand, ſowie an jedermann,
dem an der Beſſerung dieſer Zuſtände gelegen iſt, und
fordert zu gemeinſamem energiſchen Wirken zwecks
Abkürzung und ſachgemäßer Regelung der Kredit=
friſten
, ſowie zur Regelung der Barzahlung die In=
nungen
und Handwerks= und gewerblichen Vereine
hiermit auf. Die Möglichkeit der Durchführung eines
prompten Zahlungsverkehrs zeigt das Beiſpiel Eng=
lands
und Frankreichs, wo jetzt bereits in kleingewerb=
lichen
Kreiſen faſt allgemein Barzahlung oder verhält=
nismäßig
kurze Kreditfriſten üblich ſind. Es wird da=
her
auch hier in Deutſchland an der Möglichkeit der
Beſchränkung dieſer Mißſtände bei ernſtem Willen der
Intereſſenten nicht gezweifelt werden können.
Hierzu iſt aber dringend geboten, daß von allen
Handwerksorganiſationen, ſeien es nun Innungen,
gewerbliche Vereine oder ſonſt gewerbliche Organi=
ſationen
, ungeſäumt energiſche und zuſammenhängende
Maßnahmen zur Bekämpfung des Borgunweſens er=
griffen
und durchgeführt werden.
Als Waffen in dieſem Kampfe gegen das Borg=
unweſen
ſind folgende Mittel empfohlen:
Die Rechnungsſtellung der Handwerker hat tun=
lichſt
ſofort unter genauer Angabe der Zahlungsbe=
dingungen
, oder ſofern dies nicht angängig erſcheint,
am Ende eines jeden Monats, ſpäteſtens aber am Ende
dreier Monate, zu geſchehen.
Zu dem Zwecke empfiehlt ſich:
a) Für die einzelnen Gewerbezweige einheitliche
Zahlungsbedingungen auf einheitlichen Rechnungs=

formularen einzuführen. Bei Ablieferung oder
Fertigſtellung jeder größeren Beſtellung bezw. Ar=
beit
iſt dem Auftraggeber ſogleich mit der Ware
eine Begleitrechnung zuzuſtellen.
b) Dieſe Begleitrechnungen ſind mit einem gedruck=
ten
Vermerk zu verſehen, daß Reklamationen nur
binnen 14 Tagen (4 Wochen) nach Zuſtellung der
Rechnung geltend gemacht werden können.
e) Im Falle ſofortiger oder innerhalb 4 Wochen nach
Zuſtellung der Rechnung erfolgender Zahlung iſt
ein Skonto von 2 Prozent (4 Prozent) zu gewäh=
ren
, um auf dieſe Weiſe einen Anreiz zur Bar=
zahlung
zu bieten.
d) Für alle nicht innerhalb 3 Monaten nach Zuſtel=
lung
der erſten Vierteljahrsrechnung berichtigten
Beträge ſind auf Mahnung Verzugszinſen in Höhe
von 4 Prozent in Rechnung zu ſtellen, die dem Be=
trage
der Rechnung zuzufügen ſind.
e) Auf den Rechnungsformularen ſind die obigen
Zahlungsbedingungen ausdrücklich zum Ausdruck
zu bringen.
k) Da wo in Gegenrechnung gearbeitet wird, iſt mög=
lichſt
am Schluſſe jeden Vierteljahres Abrechnung
zu halten.
Durch regelmäßige öffentliche Bekanntgabe ſolcher
Vorſchläge, durch Aufforderungen an das Publikum,
die ausgeſchriebenen Rechnungen auch zu bezahlen,
durch Uebertragung der Forderungen an Kreditinſtitute
(Kreditgenoſſenſchaften) zur Einziehung, durch Errich=
tung
und Beitritt zu Kreditanſtalten und zu Kredit=
ſchutzvereinen
, iſt die Wirkſamkeit der ergriffenen Maß=
regeln
zu ſichern.
Dieſem Rundſchreiben iſt ein Muſterbeiſpiel für
ein Rechnungsformular beigefügt und es wurde wei=
terhin
dringend gebeten, energiſch und geſchloſſen den
Kampf gegen das Borgunweſen aufzunehmen, das noch
vielfach durch die herrſchende Nachläſſigkeit in der Buch=
und Rechnungsführung unterſtützt wird; darum wird
es eine weitere weſentliche Aufgabe der handwerker=
lichen
Korporationen ſein müſſen, die Handwerker durch
Einrichtung von Buchführungskurſen für ſich und auch
für ihre Frauen und Töchter zu einer regelmäßigen
Buch= und Rechnungsführung zu erziehen.
Die Handwerkskammer wird nicht unterlaſſen, die
Beſtrebungen der Handwerker hinſichtlich der Be=
kämpfung
des Borgunweſens auf jede Weiſe zu unter=
ſtützen
und auf dieſe Weiſe mit ihrer Autorität das
Vorgehen der einzelnen gewerblichen Vereinigungen
decken.

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nur Mühlstrasse 1 bis 3
direkt neben dem Militärlazarett.
5 Ehrendiplome und Medaillen auf ersten Ausstellungen
Gut erhaltene eiſerne
Dettsterten
mit Matratzen, 1= u. 2=tür. Kleiderſchränke,
1 groß. (1 2 m) und mehr. kleinere Tiſche,
Spiegel, Waſchtiſchgarnituren, olivgrüne
Tuchvorhänge, Tüllvorhänge, Gashänge=
lampen
, 3=arm. Lüſter, Porzellan, Küchen=
geräte
, Obſtpreſſe ꝛc., mehr. Jahrgänge
Gartenlaube‟, Daheim, Roman=
welt
ꝛc., eine Partie Klaviernoten, verſch.
Klavierſchulen, teils gebunden, zu verk.
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Martinſtraße 11½.
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Gold., 585geſt. Herrenuhr, ganz moderne
Form, mit 3 gold. Deckel 85 Mark, do.
2 Deckel, 65 Mark, gold. Damenuhren, 15,
20 u. eine mit Sprungdeckeln 22 Mk., lange
gold. Kette 45 Mk., gold. Ketten=Armband
22 Mk., gold. Anhänger mit echten Steinen
25 Mk., Damenring mit echten Perlen und
Diamanten 30 Mk., lange ſilb. Kette, 5 Mk.,
ſilb. Armband mit Uhr 15 Mark, ſilberne
Taſche 25 Mk., ſilb. Beſtecke u. Gebrauchs=
gegenſtände
in reicher Auswahl bill. zu verk.
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Viktoriaſtraße 50, 3. Stock.
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