Darmstädter Tagblatt 1910


28. Juli 1910

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173. Jahrgang
verbunden mit Wohnungs=Anzeiger und der Sonntags=Beilage:

Inſerate
werden angenommen in Darmſtadt.
Rheinſtraße 23, Beſſungerſtraße 47
ſowie von unſeren Agenturen und
den Annoncen=Expeditionen. Bei
gerichtlicher Beitreibung oder bei Konkurs
kommt jeder Annoncenrabatt in Wegfall.

Organ für die Bekanntmachungen des Großh. Polizeiamts Darmſtadt, der Großh. Bürgermeiſtereien des Kreiſes und der andern Behörden.
Das Amtsverkündigungsblatt des Großh. Kreisamts Darmſtadt wird Dienstags, Donnerstags und Samstags nach Bedarf beigefügt.

T 174.
Die heutige Nummer hat 16 Seiten.
Probleme der Weltpolitik.
I.
Politiſche und wirtſchaftliche Expanſion.
DB. Durch die Weltpolitik zieht eine nervöſe Lebhaf=
inkeit
. Wie waren doch noch vor den Zeiten des ſieben=
ſſen
Eduard die Dinge ſo einfach und überſichtlich! Da
hatten wir die drei Grundfaktoren europäiſcher Machtver=
ellung
: den Dreibund Deutſchland=Oeſterreich=Italien,
him Zweibund Frankreich und Rußland und den ſtolzen
Einbund England. Alles wirbelte durcheinander, als
England ſeine glänzende Vereinſamung aufgab und die
lolitik der Bündnismacherei begann, die jeden mit jedem
prrſchwägerte: Bund der Weſtmächte, Triple=Entente,
Nordſee=Abkommen, Oſtſee=Abkommen, engliſch=japaniſcher
Zrveibund, engliſch=franzöſiſch=ruſſiſch=japaniſcher Vierbund
ſund ſo fort von Bund zu Bund.
Deutſchland hat ſich an dieſer allgemeinen Bündnis=
lnacherei
ſo wenig wie möglich beteiligt nicht nur, weil
im von den anderen eine paſſive Rolle zugedacht war,
ſondern auch, weil am letzten Ende bei dieſer allgemeinen
terſchwägerung doch nichts Rechtes herauskommt und die
Efahrung der letzten Jahre gezeigt hat, daß allein das feſte
Zuſammenhalten der beiden zentralen Kaiſermächte voll=
lſommen
genügt, um Europa aus allen politiſchen Irrun=
rm
und Wirrungen ohne Schwertſtreich herauszubug=
ſirren
.
Wenn Deutſchland auch in der politiſchen Kinderſtube
üherall die Rolle des ſchwarzen Mannes zudiktiert
rird, wenn eilfertige Neider und Gegner auch überall
lber ſeinen politiſchen Expanſionsgelüſten bange machen
u dürfen glauben, ſo hat es in Wahrheit durch all’ die
letzten Jahrzehnte hindurch doch zur Genüge bewieſen, wie
fern ihm politiſche Expanſionsbeſtrebungen liegen. Wohl
hart es in Afrika und in der Südſee, dort, wo die Welt
darmals noch nicht weggegeben war, Kolonien erworben,
aher größer als das Kolonialreich, von dem es ſelbſt Beſitz
eigriffen, iſt das Kolonialreich, zu dem die deutſche Politik
Frankreich verholfen hat in der Hoffnung, den galliſchen
gllick von dem Loch in den Vogeſen abzulenken, dem
AEhhrgeiz der großen Nation auf unſchädliche Weiſe Be=
friedigung
zu verſchaffen und die franzöſiſchen Kräfte in
llshordafrika einigermaßen zu binden. Nirgends, wo die
Vselt in feſtem Beſitz war, hat Deutſchland eine expanſive
Holitik getrieben. Das kleine bischen Tſingtau bildet
leime Ausnahme, die doch nur die Regel beſtätigt, wenn
Aman ſich vergegenwärtigt, welche Einſchnitte vorher und
Unnchher andere Mächte in den chineſiſchen Rieſenleib getan
haben. Das deutſch=engliſch=japaniſche Abkommen über
deen portugieſiſchen Kolonialbeſitz hat ſich als eine bri=
tiſche
Düpierung Deutſchlands herausgeſtellt; und, ſo oft
dde Welt alarmiert wurde durch Berichte über bevorſtehende
Crrwerbungen von Kohlenſtationen durch Deutſchland, ha=
ben
ſich dieſe Meldungen als falſch erwieſen, ſo gut
Deutſchland hier und da auf den großen ozeaniſchen Ver=
kchrswegen
einen feſten Stützpunkt brauchen könnte und
ſo glänzend auch ſeine Nebenbuhler verſtanden haben, ſich
damit auszurüſten. Selbſt die harmloſen paar Tonnen
Koohlen auf Madeira hat das Syndikat für das dortige
Adeutſche Sanatorium ja wieder aufgegeben. Nein
Teutſchland treibt wirklich keine Expanſionspolitik!
Politiſch nichts weniger als expanſiv iſt es aber, wenn
es ſeine Volkskräfte nicht verkümmern laſſen will, wirt=
ſchaftlich
zur Expanſion einfach von der Natur gezwungen.
Mit einer durchſchnittlichen Volksvermehrung um 1½ Pro=
zent
im Jahre, die ganz überwiegend auf natürliches
Wachstum zurückzuführen iſt, übertreffen wir jeden an=
daren
großen Staat nicht nur in Europa, ſondern auch
jedes andere Land der Erde, das nicht einen größeren
Teeil ſeiner geſamten Volkszunahme der Zuwanderung
verdankt. 65 Millionen Köpfe zählt gegenwärtig die Be=
völkerung
des Deutſchen Reiches. Nicht lange mehr
urd das deutſche Volk iſt an Kopfzahl um die Hälfte ſtär=
kerr
als zur Zeit der Reichsgründung. Daß ſich ſeine ma=
terrielle
und finanzielle Leiſtungsfähigkeit in nicht gerin=
gem
Grade vermehrt hat, wird im Ernſt niemand zu be=
ſtreiten
wagen. Dieſes ſtarke Volkswachstum treibt das
deutſche Volk mit zwingender Notwendigkeit auf die Hoch=
ſtraßen
des Weltverkehrs. Es hat, zumal bei gleichzeitiger
Steigerung der Kulturbedürfniſſe, entweder zur Folge, daß
der Volksüberſchuß ſich auf die Wanderung in neue Län=
der
begibt, oder daß er aus fremden Ländern einen Teil
bersfürsſeinen Unterhalt erforderlichen Produkte bezieht.

Donnerstag, den 28. Juli.

Die Volksvermehrung iſt ausſchlaggebend für die deutſche
Politik im Innern und nach außen. Dieſer Kraftzuwachs
treibt mit gebieteriſcher Notwendigkeit zu einer ſtärkeren
Kraftentfaltung nach außen und ermöglichte allein die
blühende wirtſchaftliche Entwickelung im Innern. Ohne
dieſe ſtarke Volksvermehrung hätte es keine deutſche Kolo=
nial
= und Weltpolitik, keinen ſo bedeutenden Aufſchwung
der Induſtrie, keine ſo geachtete Stellung der deutſchen
Produktion auf dem Weltmarkte gegeben. Andererſeits
aber auch wieder ohne Kolonial= und Weltpolitik, ohne
Aufſchwung der Induſtrie, ohne fortſchreitende Eroberun=
gen
auf dem Weltmarkt keine Fortdauer der ſtarken Volks=
vermehrung
. Hätte die gewaltig vorwärtsſtrebende Kraft
ſich nicht frei entfalten können, ſo wäre ſie verkümmert; die
Volksvermehrung wäre zurückgegangen, die Produktion
hätte das gleiche Schickſal und der innere Markt arge Ein=
ſchränkungen
erlitten, von dem deutſchen Anteil am Welt=
markt
und von der Sicherung der politiſchen Weltſtellung
ganz zu ſchweigen. Das ſtarke Wachstum des deutſchen
Volkes ſoll ihm zum Segen, nicht zum Fluch gereichen.
Und deshalb müſſen wir fortfahren, dieſem Wachstum
Raum, Luft und Licht zu ſchaffen! Wir müſſen auf dem
Weltmarkte unſere Stellung behaupten und befeſtigen, um
den neuen Händen Raum und Gelegenheit zur Betätigung
zu geben. Zu dieſem Ende ſind wir gezwungen, Sorge
zu tragen für die Freiheit des Wettbewerbes und des
Verkehrs auf dem Weltmarkte, für die Gleichberechtigung
der Konkurrenten überall auf jedem ſozuſagen neutralen
Boden, der nicht in der Hand der führenden Weltwirt=
ſchaftsmächte
liegt.
Die Freiheit des Wettbewerbes ſetzt natürlich nicht
etwa ein allgemeines Syſtem des Freihandels voraus,
ſondern nur die Gleichheit der handels=, wirtſchafts= und
verkehrspolitiſchen Bedingungen, unter denen die Geſamt=
heit
der Wettbewerber ſteht. Haben wir früher geglaubt,
mit der einfachen Formel der Meiſtbegünſtigung dieſes
Ziel zu erreichen, ſo hat die Entwickelung uns gelehrt, daß
doch auch in der äußeren Form der Meiſtbegünſtigung eine
recht ungleiche Behandlung verſchiedner Nationen möglich
iſt, wie wir es in der jüngſten Zeit ſpeziell an dem Bei=
ſpiel
der franzöſiſchen Handelspolitik und der zollpolitiſchen
Auseinanderſetzungen zwiſchen Frankreich und Deutſch=
land
geſehen haben. Deutſchlands Aufgabe muß es dem=
gegenüber
ſein, für eine wirkliche handelspolitiſche Gleich=
berechtigung
auf dem Weltmarkte einzutreten. Es erſtrebt
ſeinerſeits keine Sondervorteile; aber es widerſtrebt ent=
ſprechend
den Sondervorteilen für andere! Ihm die wirt=
ſchaftliche
Expanſion Schritt für Schritt in einem Lande
nach dem anderen unmöglich machen, hieße ſeine Wirt=
ſchaftskräfte
lähmen, hieße ſeinen natürlichen Volkszuwachs
mit Verkümmerung bedrohen; und es iſt ſein gutes Recht,
ja, ſeine nationale Pflicht, ſich hiergegen mit allen zur
Verfügung ſtehenden Mitteln, im Notfalle auch mit den
äußerſten Machtmitteln, zu wehren. Es wird ſie nicht
anwenden aus ehrgeizigem Drange nach politiſcher Ex=
panſion
es muß ſie aber bereit halten, um ſich die Mög=
lichkeit
der wirtſchaftlichen Expanſion zu ſichern!
Sie gereicht ja auch keineswegs etwa denjenigen
Ländern, in denen ſie ſich vollzieht, zum Schaden im Ge=
genteil
! Sie bedeutet für jene nur eine willkommene
kulturelle Förderung! Der freie Wettbewerb der führen=
den
Kulturmächte auf ihrem Markte iſt für ſie ſelbſt zweifel=
los
viel vorteilhafter als die wirtſchaftliche Monopolſtel=
lung
irgend einer einzelnen Macht, die dadurch nur zu
leicht auch in den Beſitz einer drückenden politiſchen Vor=
machtſtellung
gelangt. Deutſchland will kein Monopol
es will nur wirtſchaftliche Bewegungsfreiheit auf dem
Boden der Gleichberechtigung!
Art. Dix.

1910.

** Das offiziöſe Dementi der Nachricht, Staatsſekre=
tär
von Tirpitz habe ſein Entlaſſungsgeſuch eingereicht,
macht den Kombinationen, die ſich hieran über die Gründe
der Amtsmüdigkeit des Admirals und über die Frage ſei=
nes
Nachfolgers knüpften, ein ſchnelles Ende. An und
für ſich klang die Meldung durchaus nicht unwahrſchein=
lich
, denn es war bekannt, daß Herr von Tirpitz mit ſei=
nen
Forderungen für die Marine an gewiſſen Reichsſtellen
auf Schwierigkeiten ſtieß, und dann berückſichtigte man,
daß er ſchon ſeit dreizehn Jahren an der Spitze des Reichs=
marineamtes
ſteht u. ſomit ein Verlangen nach Ruhe nicht
unberechtigt wäre. Andererſeits aber konnte man an=
nehmen
, daß ein Wechſel in dieſer bedeutſamen Stellung
während der Abweſenheit des Kaiſers nicht eintreten

würde oder ſchon bei dem letzten großen Revirement ſeine
Erledigung gefunden hätte, und dieſe Anſchauung hat nun
Recht behalten, denn Herr von Tirpitz bleibt.
Dem um die deutſche Kriegsmarine hochverdienten
Mann ſind in dieſen Tagen ſchon Nekrologe über ſein
Wirken geſchrieben worden, die ſeiner hervorragenden =
tigkeit
in ſo verantwortungsvoller Stellung gerecht wer=
den
mußten. Wir wollen daran erinnern, daß unſer Kai=
ſer
dem Admiral ſeit langem großes Vertrauen entgegen=
bringt
und daß er in einer Ordre an den damaligen kom=
mandierenden
Admiral Frhrn. von der Goltz über die
Herbſtmanöver der Flotte im Jahre 1894 auf die ausge=
zeichneten
Leiſtungen des Kapitäns z. S. Tirpitz, der Chef
des Stabes des Oberkommandos der Marine war, beſon=
ders
hinwies. In der größeren Oeffentlichkeit war zuerſt
im September 1896 von Tirpitz die Rede, man vermutete
in ihm den Urheber der uferloſen Flottenpläne, und
er ſollte eine Denkſchrift über die Notwendigkeit der Flot=
tenvermehrung
verfaßt haben. Gegen dieſe Behauptung
veröffentlichte ſogar der Reichsanzeiger am 12. Septem=
ber
1896 eine amtliche Erklärung, worin es hieß, daß Tir=
pitz
zu einer derartigen Arbeit nie berufen geweſen ſei
und ſich auch nie in einer Stellung befunden habe, in der
ihm der Auftrag zur Ausarbeitung einer ſolchen Denk=,
ſchrift hätte zugehen können. Trotzdem ſoll eine der=
artige
Denkſchrift aus der Feder Tirpitz vorgelegen haben.
Schon als letzterer zur Vertretung Hollmanns komman=
diert
war, wurde er als der kommende Mann, als der
Roon der Marine bezeichnet. Mit ihm kam die junge
Generation unter den Admiralen zu maßgebendem Einfluß
auch in der Verwaltung der Marine.
Wir wollen hier nicht weiter auf die Tätigkeit des
Herrn von Tirpitz eingehen, ſeine Verdienſte ſind ja unbe=
ſtritten
und können auch da nicht geleugnet werden, wo
man das Tempo der Vergrößerung unſerer Flotte für ein
zu ſchnelles hält. Uns kam es lediglich darauf an, einige
Momente anzuführen, die zeigen, daß der Kaiſeredieſen
Mann nicht ſo leicht ziehen laſſen, ſondern ihn noch; mög=
lichſt
lange auf ſeinem Poſten zu halten ſuchen wird.

Die Annexion Elſaß=Lothringens durch Preußen.
B. Zu dem Gedanken einer Annexion Elſaß= Lothrin=
gens
durch Preußen veröffentlichen die Grenzboten, die ſich
für dieſen Gedanken bekanntlich ſeit längerer Zeit einſetzen,
in ihrer demnächſt erſcheinenden Nummer eine Zu=
ſchrift
aus Heſſen, die ein klaſſiſches Beiſpiel für
die Art und Weiſe iſt, in der man nicht Politik treiben
ſoll. Kurz und bündig heißt es darin, daß nahezu nach
40jähriger deutſcher Herrſchaft die Bevölkerung der Reichs=
lande
deutſchem Weſen noch ablehnend, wenn nicht feind=
ſelig
gegenüberſtehe und das Reich angeſichts der Mög=
lichkeit
einer neuen partikulariſtiſchen Unterſtrömung nicht
den Wunſch haben könne, daß ein neuer Bundesſtaat ein=
gerichtet
wird. Folglich bliebe nichts anderes übrig, als
die Annexion der Reichslande durch Preußen. Tatſächlich
beſtehen in Elſaß=Lothringen direkte franzöſiſche Sympa=
thien
nur in ſehr engen Kreiſen, und wo ſich eine Abnei=
gung
gegen das Deutſchtum zeigt, richtet ſie ſich gerade
gegen die preußiſche Bureaukratie, die trotz ihrer großen
Vorzüge, und trotzdem ſie ſich vieler Orten unter ſchwieri=
gen
Verhältniſſen ganz außerordentlich bewährt hat, doch
gerade ſüddeutſcher Eigenart nicht gerecht zu werden ver=
ſteht
.
Noch unkritiſcher iſt der Vorſchlag des Verfaſſers, daß
ſich Preußen die Zuſtimmung der übrigen Bundesſtaaten
dadurch ſichern ſolle, daß es die preußiſchen Staats=
Eiſenbahnen anſcheinend koſtenlos an das Reich ab=
trete
, was es ſehr gut könne, da ihm als Erſatz ein
blühendes Land mit wenig Staatsſchuld und bedeutender
Steuerkraft geboten iſt. Als ob Preußen im Intereſſe
ſeiner Finanzen jetzt auf die Einnahmen aus den preußi=
ſchen
Eiſenbahnen verzichten könnte, und als ob die auf
ihre Eigenart ſo ſehr bedachten ſüddeutſchen Bundesſtag=
ten
, in erſter Linie Bayern, ſo ohne weiteres bereit =
ren
, auch ihrerſeits ihre bundesſtaatlichen Eiſenbahnen
an das Reich abzutreten! Eine Löſung der Frage auf
dieſem Wege wäre weit davon entfernt, den Reichsgedan=
ken
und die finanzielle Selbſtändigkeit des Reiches zu för=
dern
und das Reichs=Eiſenbahnprojekt zu verwirklichen,
ſondern würde nur eine Quelle langjähriger innerpoli=
tiſcher
Beunruhigung werden und außerdem die elſaß=
lothringiſche
Frage dauernd zu einer offenen machen.
Elſaß=Lothringen gegenüber muß ſich Preußens
Kraft erſt recht in der Beſchränkung zeigen, in der Erkennt=

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Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Donnerstag, den 28. Juli 1910.

Nummer 174.

nis, daß preußiſche Eigenart bei allen zweifelloſen Vor=
zügen
doch nicht imſtande iſt, ausgeſprochen ſüddeutſchem
Weſen auf die Dauer gerecht zu werden und es zu befrie=
digen
. Dieſe Erkenntnis iſt ja das anerkannteſte Ver=
dienſt
des größten Preußen, nämlich Bismarcks, der das
Deutſche Reich dadurch ſo feſt zuſammengeſchmiedet hat,
daß er die Bayern und Württemberger auf ihre und nicht
auf preußiſche Weiſe hier auf Erden hat ſelig werden
laſſen. Zur Löſung der elſaß=lothringiſchen Frage gehört
wirklich etwas mehr Vertiefung in die Eigenart der ver=
ſchiedmen
deutſchen Stämme und liebevolles Umfaſſen
dieſer Eigenarten, als ſie der Verfaſſer des Artikels der
Grenzboten beſitzt, der ſeine ſo flachgründigen Vorſchläge
mit dem Schlagwort anpreiſt: Das Vaterland über
alles!
Deutſches Reich.
Wie der Iſchler Korreſpondent der Neuen Freien
Preſſe erfährt, wird nicht nur Kaiſer Wilhelm, ſon=
dern
auch die Kaiſerin in Schönbrunn eintreffen, um
Kaiſer Franz Joſef perſönlich ihre Glückwünſche zum 80.
Geburtstage zum Ausdruck zu bringen.
Folgende Verfügung des neuen preußi=
ſchen
Miniſters des Innern wird bekannt:
Im vergangenen Jahre iſt die Mutter eines unehe=
lichen
Kindes zum Tode verurteilt worden, weil ſie ſich
desſelben durch Ermordung entledigt hatte. Dieſe Strafe
wurde im Gnadenwege in eine Zuchthausſtrafe von zehn
Jahren umgewandelt, weil die Verurteilte ſich durch Maß=
nahmen
einer Polizeiverwaltung und verſchiedener Ge=
meindebehörden
in einer Notlage befand. Sie war mit
ihrer Bitte, ihr uneheliches Kind in von ihr ausgemittel=
ten
Pflegeſtellen unterzubringen oder zu belaſſen, abge=
wieſen
und gezwungen worden, das Kind aus den Be=
zirken
der betreffenden Gemeinden herauszunehmen, trotz=
dem
die Pflegegelder von ihr regelmäßig bezahlt worden
waren. Ein ſolches Verfahren verſtößt gegen die Vor=
ſchriften
des § 4 des Freizügigkeitsgeſetzes vom 1. No=
vember
1867.
Es wird nun von den Radikalen getadelt, daß Herr
von Dallwitz nicht auch einige Worte der Entrüſtung über
die Behörden habe einflechten laſſen, deren verkehrte
Maßregeln das Unglück jener Mutter verſchuldet haben.
Man vergißt aber, daß es ſich um eine Belehrung für
ſämtliche Behörden handelt, und man überſieht,
daß in den erſten Sätzen der Anweiſung die Folgen eines
oberflächlichen Verwaltungsbetriebes ernſt genug bei aller
Knappheit hervorgehoben ſind.
Der Staatsſekretär des Reichskolonialamtes von
Lindequiſt wandte ſich an die Handelskammern
von Berlin, Köln, Chemnitz, Nürnberg, Bremen, Mann=
heim
und Hamburg um die Benennung von Mitgliedern
für eine ſtändige Kommiſſion zur Unterſtützung
der Kolonialverwaltung in wirtſchaftlichen
Fragen, die der Staatsſekretär näher bezeichnet. Hamburg
und Berlin ſollen je zwei, die übrigen Handelskammern je
einen Vertreter wählen. Es iſt beabſichtigt, die Kom=
miſſion
von Zeit zu Zeit zu gemeinſamen Sitzungen unter
dem Vorſitz des Staatsſekretärs einzuberufen und auch in
Einzelfällen das Gutachten von den Mitgliedern zu er=
bitten
.
Im Miniſterium der öffentlichen Ar=
beiten
fand eine Beſprechung über ein Luftver=
kehrsamt
ſtatt.
Der große Ausſchuß der Nationallibera=
len
Partei Mannheims hat einmütig und mit gro=
ßer
Begeiſterung folgende Reſolution angenommen:
Angeſichts der durch die politiſchen Verhältniſſe im
Reich geſteigerten Notwendigkeit einer ſtarken, zielbewußten
Leitung der Nationalliberalen Partei in liberaler Rich=

tung ſprechen der Nationalliberale Verein und der Li=
berale
Arbeiterverein in Mannheim die zuverſichtliche
Hoffnung aus, daß der Reichstagsabgeordnete Baſſer=
mann
, allen Quertreibereien zum Trotz, an der Spitze der
nationalliberalen Reichstagsfraktion ſeine unſchätzbaren
Dienſte nach wie vor der Partei und dem Vaterlande wid=
men
wird.
Der Verband ſozialdemokratiſcher
Wahlvereine von Groß=Berlin ließ in ſechs Berliner
Reichstagswahlkreiſen eine Reſolution annehmen, nach der
die Berliner Parteigenoſſenſchaft von dem Magdeburger
Parteitag erwartet, daß er Vorkehrungen trifft, um in
Zukunft Parteibeſchlüſſen unter allen Um=
ſtänden
Geltung zu verſchaffen. Die radikalen
Führer der Partei wollten die Ausſchließung der Baden=
ſer
, weil ſie für den Etat ſtimmten. Schließlich ſiegte der
mildere Beſchluß des Parteivorſtandes.
Ausland.
Die Fragen, die mit der für den Spätherbſt in Aus=
ſicht
genommenen Einberufung der Delegationen in
Oeſterreich=Ungarn zuſammenhängen, erſchweren ſich da=
durch
, daß die Delegationen bekanntlich zunächſt das noch
nicht erledigte Reichsbudget für das Jahr 1910 und dann,
wenn nicht ein neuerliches Budgetproviſorium oder gar
ein Ausnahmezuſtand eintreten ſoll, das Budget für das
Jahr 1911 unter Dach und Fach zu bringen haben. Dazu
kommt aber noch, daß wenn auch die Mandate der öſter=
reichiſchen
Delegierten für 1910 in Kraft bleiben, in Un=
garn
, wo das Parlament ein neugewähltes iſt, ſelbſtver=
ſtändlich
eine Neuwahl der Delegierten ſtattzufinden hat.
Weiter müſſen aber auch von dem öſterreichiſchen Reichs=
rate
neue Delegierte für 1911 gewählt werden und außer=
dem
hat die Tagung der Delegation für 1910 in Wien
und die der Delegation für 1911 in Peſt ſtattzufinden.
Der Abwickelung der Delegations=Beratungen wird da=
gegen
der Umſtand zuſtatten kommen, daß ſich die politi=
ſchen
Debatten ſchon in der Delegations=Tagung für 1910
abſpielen werden, in der auch Graf Aehrenthal mit ſeiner
Ueberſicht hervortreten wird, die ſich auf die zurücklie=
gende
bewegte Zeit und die bedeutſamen Ereigniſſe der
letzten Jahre erſtrecken wird. Die Beratungen der Dele=
gation
für 1911 werden daher ſchon wegen der raſchen
Aufeinanderfolge beider Delegations=Tagungen, wenn
nicht unerwartete Ereigniſſe eintreten, einen beſchleunigten
Verlauf nehmen können.
Im Matin gibt Senator Gervais aus unge=
nannten
Quelle perſönliche Aeußerungen des Königs von
Italien wieder, der ſich darin als warmer Fürſprecher des
Abrüſtungs=Gedankens zu erkennen gibt. Viktor
Emanuel III. habe für die Flottenrüſtungen einen Plan
entworfen, wonach man für jede Kategorie von Kriegsſchif=
fen
eine allgemeine Regel bezüglich Tonnengehalt, Ge=
ſchwindigkeit
, Ausrüſtung fixieren und feſtſetzen ſolle, daß
man über die beſtimmte Grenze nicht hinausgehen werde.
Man könnte für jeden Schiffstypus nach Maßgabe des
Nationalvermögens eine beſtimmte Anzahl von Fahrzeu=
gen
, die man für notwendig hielte, bauen, aber man würde
einhalten im Wettbewerb um den größten Schiffstypus,
die größte Schnelligkeit, die ſtärkſte Ausrüſtung. Man
würde bei einem beſtimmten Punkte der Zerſtörungskraft
der Kriegswerkzeuge eine Grenze ſetzen und dann der
mörderiſchen Leidenſchaft der Menſchen das Wort entge=
genſetzen
: Bis hierher und nicht weiter! Viktor Emanuel
habe dieſen hochherzigen Gedanken, der die Aera des waf=
fenloſen
Friedens einleiten könne, anderen unterbreitet,
deren Stellung ſeinem Gedanken eine ganze Wirkungskraft
hätte geben können. Ich bin nicht verſtanden worden

fügte der König hinzu. Senator Gervais läßt die Frag
offen, ob der König in London oder Berlin nicht verſta
den wurde.
Daily Expreß ſchreibt zu des Königs Vorſchlag: Eit
Entwaffnung oder eine Begrenzung der Bewaffnung
nicht möglich. Einer ſolchen Idee iſt der Mißerfo
von vornherein ſicher. Im Gegenteil wird die intern
tionale Rivalität durch ſolche Vorſchläge erſt geweckt.
gibt nur ein einziges Mittel, um endlich dem fortwährch
den Konkurrenzkampf in Bezug auf das Wettrüſten
Ende zu machen und das iſt, daß England eine Anleih
aufnimmt, um ein derartiges Flottenprogramm durchz
führen, daß es keiner anderen Macht in den Sinn komm
kann, mit England rivaliſieren zu wollen.
Handelsminiſter Buxton brachte im engliſche
Unterhauſe einen Geſetzentwurf zur Abänderung des h
ſtehenden Urheberrechts ein und führte in ſeiner
gründung aus, die im Entwurf enthaltenen Vorſchlägſ
ſeien das Reſultat der Konferenz von Berlin, auf der mal
zu dem Uebereinkommen gelangt ſei, die betreffenden
ſetze der vertretenen Länder miteinander in Einklang
bringen. Dies Uebereinkommen mache eine Aenderu
der engliſchen Geſetze notwendig und zwar ſeien in Enzll
land größere Aenderungen erforderlich als in irgend eine
anderen Lande, denn jedes andere Land habe die U
heberrecht=Geſetzgebung zu einer zeitgemäßeren geſtaltet all
England.
Der Unterſtaatsſekretär für Indien erklärte bei da
Begründung des indiſchen Budgets, die Regierun
von Indien habe bei der Lage in Tibet nichts gefunde
was ein Abweichen von ihrer Politik und eine Einmg
ſchung in die inneren Angelegenheiten Tibets notwendi
mache. Die Regierung habe der chineſiſchen Regierung kla
gemacht, daß ſie ein genaues Feſthalten an den Beſtim
mungen der engliſch=tibetaniſchen und engliſch=chineſiſche
Abmachungen fordern würde. Die von der chineſiſchel
Regierung erhaltenen Zuſicherungen ließen keinen Zwei
fel an Chinas bona kides zu. Der Unterſtaatsſekretäfl
ſprach dann ausführlich über die inneren Angelegenheiten
Indiens und erklärte: Es hätten kürzlich politiſche Un
triebe ſtattgefunden, mit denen niemand ſympathiſiere
könne. Es ſei zu Mord, zu Mordanſchlägen, zu Auf
reizungen und Gewalttätigkeiten gekommen. Wenn ma
geſtatte, daß ſich dieſe verderblichen Auswüchſe ausbrei
ten, würde ein Zuſtand geſchaffen, der jedem Fortſchritt
mehr entgegenarbeite als die ſchärfſten Zwangsmaßregeln
Die Mehrheit der Indier erkenne die Gefahr und bemühn
ſich, die radikalen Elemente zu unterdrücken, die die bereche
tigten Intereſſen nur gefährdeten. Während der letzten
ſechs Monate habe ſich ein weſentlicher Umſchwung
Gunſten der Regierung vollzogen. Sie werde gegen jeden
Aufwiegelung unerbittlich vorgehen, zu gleicher Zeit aben
berechtigten Beſtrebungen jegliche Förderung zuteil wers
den laſſen. Montagu betonte, daß die im vergangen
Jahre erlaſſenen Akte betreffend die Erweiterung der legit
lativen Räte und die Einführung eines Wahlſyſtems zu
befriedigenden Erfolgen geführt haben. Der Emir vom
Afghaniſtan habe Vertreter zu einer Kommiſſion ernannt
die in Simla zuſammengetreten ſei, um die verſchiedenen
Grenzfragen in die Wege zu leiten. Die Haltung der afgha=
niſtaniſchen
Vertreter verſpreche eine ſchnelle Erledigung.
Der Temps meldet aus Madrid: Die Karliſten
begingen den Geburtstag Don Jaimis. In Bar=
celona
wurden die karliſtiſchen Kundgebungen von der=
Polizei zerſtreut. In Portugalete bei Bilbao erfolgte
ein Zuſammenſtoß zwiſchen Karliſten und Republikanern,

Goethes Vater.
(Zum 29. Juli.)
Von Hermann Krüger=Weſtend (Othmarſchen).
In der Beurteilung von Goethes Vater, der vor
200 Jahren am 29. Juli 1710 geboren wurde, iſt in
früheren Jahren viel geſündigt worden. Man hat
kritiklos die Urteile der Zeitgenoſſen (Karl Alexander,
Herzogin Amalie, Merck, Lavater, Wieland) über=
nommen
, die in Johann Kaſpar Goethe nur einen zähen
Sprößling des Kleinbürgertums mit halsſtarrigem
Weſen erblickten. Erſt eine ſelbſtändige Nachprüfung
hat ergeben, daß der Mann, der über die Jugend des
großen Goethe wachte, durchaus unſerer Bewunderung
würdig iſt. Dieſer Mann verfügte über höhere Eigen=
ſchaften
als Bildungstrieb, Pflichttreue und die land=
läufige
Ehrenhaftigkeit. Ja bei näherer Betrachtung
drängt ſich die Aehnlichkeit im Charakter zwiſchen Vater
und Sohn überzeugend auf.
Der ſtarken individuellen Perſönlichkeit des Kaiſer=
lichen
Rats iſt bis auf den heutigen Tag niemand ge=
rechter
geworden, als der Sohn. Wer mit unbefange=
nen
Augen die Schilderung in Dichtung und Wahrheit
lieſt, wird geſtehen müſſen, daß Rat Goethe nicht nur
über eine gründliche wiſſenſchaftliche Bildung verfügte,
ſondern auch ein für alles Schöne und Erhabene be=
geiſterungsfähiger
Kunſtfreund war. Seine Ordnungs=
liebe
und Sammlerleidenſchaft finden wir beim Sohne
wieder. Auch war J. K. Goethe kein Haustyrann, der
die heitere Lebensſonne der Frau Rat trübte. Der
zärtliche Gatte und ſorgſame Vater hatte nur die beſten
Abſichten für ſeine Familie. Als Kind ſeiner Zeit ließ
er ſich in Erziehungsfragen von ſtrengen Prinzipien
leiten, die freilich mit dem ſtürmiſchen Drängen des
jugendlichen Wolfgang nicht immer in Einklang zu
bringen waren. Hätte der Vater die Zügel aus den
Händen gegeben, wer weiß, was aus dem kleinen Wolf=
gang geworden wäre. Frei von dem Zwange eines
Berufs, erblickte Rat Goethe in der Erziehung ſeiner
Kinder ſeine Lebensaufgabe. Und man kann nur ſagen,
daß er ſie mit der glücklichſten Hand gelöſt hat. Die
allſeitige Ausbildung der Perſönlichkeit war für ihn
das erſtrebenswerteſte Ziel. Sein Ideal ſah er darin,
ein von Kunſt und Wiſſenſchaft erfülltes Daſein zu
führen. Seiner Doktorarbeit über den Erbſchafts=
antritt
nach römiſchem und vaterländiſchem Recht
brauchte ſich auch heute noch kein Juriſt zu ſchämen.
Ständig ſorgte der Rat für Vervollſtändigung ſeiner

umfangreichen Bibliothek. Er beſaß wie der Sohn.
berichtet, die ſchönen holländiſchen Ausgaben der
lateiniſchen Schriftſteller, welche er der äußeren Ueber=
einſtimmung
wegen ſämtlich in Quart anzuſchaffen
ſuchte; ſodann vieles, was ſich auf die römiſchen Anti=
quitäten
und die elegantere Jurisprudenz bezieht. Die
vorzüglichen italieniſchen Dichter fehlten nicht, und für
den Taſſo bezeugte er eine große Vorliebe. Die beſten
neuen Reiſebeſchreibungen waren auch vorhanden
Nicht weniger hatte er ſich mit den nötigſten Hilfs=
mitteln
umgeben, mit Wörterbüchern aus verſchiedenen
Sprachen, mit Reallexika, ſo daß man ſich alſo nach
Belieben Rat erholen konnte, ſowie mit manchem
andern, was zum Nutzen und Vergnügen gereicht.
Das mit trefflichen Gemälden geſchmückte Heim am
Hirſchgraben in Frankfurt machte dem äſthetiſchen
Empfinden des Kaiſerlichen Rats alle Ehre. Er liebte
es, die damaligen Künſtler der Mainſtadt um ſich zu
verſammeln und ihnen Aufträge zu ertzeilen. Mit
großem Intereſſe verfolgte er die ſchriftſtelleriſche Ent=
wicklung
ſeines Sohnes und tat willig für ihn Sekretär=
dienſte
. Freilich wollte er den Sohn auch nicht in den
Armen eines brotloſen Literatentums ſehen, deshalb
drang er auf ein geordnetes Studium. Er hatte oft den
Leichtſinn des Sohnes zu tadeln, ließ ihn aber auch in
ſeinen Poſſen gewähren und hielt ihn zu allerlei
ſchönen Künſten an.
Der große Sohn in Weimar hielt es nicht unter
ſeiner Würde, ſich um häusliche Angelegenheiten zu
kümmern. Auch den Vater erkennen wir aus dem von
Ruland herausgegebenen Haushaltungsbuche (Liber
domestieus) als verſtändig ſorgendes Familienober=
haupt
. In dieſem eigenhändig geführten Ausgabenbuch
notierte Rat Goethe gewiſſenhaft alle Ausgaben, die
im Jahr durchſchnittlich 2570 Reichsgulden betrugen.
Einen nicht unbedeutenden Poſten im Jahresbudget
nehmen Geſchenke und Almoſen ein. Beſonders gut
honorierte Rat Goethe die Lehrer ſeiner Kinder. Das
Mobiliar ließ er oft durch Ankäufe bereichern. Regel=
mäßig
beſuchte er mit ſeiner Gattin Konzerte und
Theater. Sein Sohn erhielt während der Leipziger
Studienzeit den für damalige Verhältniſſe ſehr anſtän=
digen
Monatswechſel von 200 Mark. Faſt dieſelben
väterlichen Mahnungen, mit denen der Dichter aus
dem Elternhauſe entlaſſen wurde, begleiten den jungen
Studioſus Auguſt Goethe von Weimar nach Heidelberg.
Das große Ereignis im Leben des Kaiſerlichen Rats
war ſeine Reiſe nach Italien, von der er oft und gern
erzählte. Einen Teil der Aufzeichnungen ſeiner Reiſe=

erlebniſſe beſitzt das Goethe=Schiller=Archiv in Weimal=
Aus dieſen wichtigen Schriftſtücken erkennen wir, wie=
der
Vater gleich dem Sohne das Typiſche im Indivi=
duellen
und das Einzelne im Allgemeinen betrachtete=
Alle Erſcheinungen des vielgeſtaltigen italieniſchen
Lebens wollte er zu eigenem Nutz in ſich aufnehmen=
Wir ſehen ihn umherſchweifen und mit dem Sammeln
von Naturalien beſchäftigt. Wir ſehen aber auch den
Kunſtfreund, der ſich für italieniſche Malerei und Pla=
ſtik
begeiſtert. Die prächtigen Kirchenbauten und pomp=
haften
Paläſte Venedigs flößen ihm heilige Ehrfurchtl
ein. Auch die Muſik Italiens zieht ihn an. Gleich am
erſten Abend nach ſeiner Ankunft in Venedig erfreut
er ſich an der Oper Adriano in Siria‟. Er ſchreibt
Ich war ſtarr, als ich in die Oper von San Chryſe=
ſtomo
eingetreten war; die Muſik, das Orcheſter, etwä
4050 gute Spieler, die Koſtüme der Hauptperſonem
alles ſehr prächtig und beſonders glänzend der wohll
erſonnene Aufbau. Die Primadonna Fumagalli fin=
det
ſeine höchſte Bewunderung. Auch dem Schauſpiel
widmet er ein eifriges Intereſſe. Die bekannte Mini
tur=Paſtellmalerin Roſalba (Carriera) wird mit fo
gendem Lob bedacht: In ihren Gemälden iſt Lebe=
und Kunſt und Natur über alles Maß nachgeahmt,
daß, wer ſie ſieht, ſie immer zu ſehen wünſcht. Goethe
Vater machte in Italien die Bekanntſchaft vieler
eühmter Männer. Den alten Dichter Apoſtolo Zend
hat er wiederholt beſucht. Er notierte ſich Inſchriften
an Bauwerken, Monumenten und Grabſtätten. Ueber=
all
offenbarte er ſein großes Kunſtverſtändnis, ſeinen
ſcharfen Sinn und ſein kritiſches Vermögen. Er be=
reicherte
ſeine Sprachkenntnis und drang mit Ver=
ſtändnis
in das Syſtem des venetianiſchen Staats=
weſens
ein. Während des Karnevals in Venedig ver=
gnügte
er ſich auf Bällen und plauderte mit ſchönen
Damen bis zum Anbruch des Morgens.
Dieſer alte Herr war gewiß kein Philiſter. In
allen ſeinen Aufzeichnungen, die einmal vereinigt wer=
den
müſſen zu einem großen umfaſſenden Lebensbild
des Kaiſerlichen Rats, drängen ſich die verwandten Be=
ziehungen
zwiſchen Vater und Sohn auf. Die feſten
Grundlagen ſeines univerſellen Wiſſens verdankt der
Sohn der Einſicht des Vaters. Vom Vater wurde der
Grundſtock zum Goetheſchen Lebenswerk gelegt. Von
ihm hatte der Sohn nicht nur die Statur und des Le=
bens
ernſte Führung, ſondern auch die grundlegenden
Züge ſeiner Weſens= und Charaktereigenſchaften als
Erbſtück übernommen.

[ ][  ][ ]


1

Mummer 174.

Darmſtädter Tagblatt, Donnerstag, den 28. Juli 1910.

Seite 3.

loiebei ſieben Perſonen verwundet wurden. Die Feuer=
lolhr
gab Waſſer auf die Demonſtranten und die Polizei
schüſſe in die Luft ab.
Der griechiſche Miniſterrat beſchloß, das Geſetz be=
ürfffend
die Reinigung der Univerſität durchzuführen und
ſtwa 15 Profeſſoren verſchiedener Fakultäten zu entlaſſen.
Venizelos iſt in Athen eingetroffen.
Die Miniſterkriſis in Perſien, die länger als zwei
kochen gedauert hat, iſt beendet. An der Spitze des
ettgebildeten Kabinetts ſteht Muſtauftiſch Mamalik;
ſess Miniſterium des Innern übernimmt Prinz Ferma
Ferma, das Miniſterium des Aeußern Huſſein Kuli
ſtival, das Kriegsminiſterium Kavames Saltanah, das
ſtizminiſterium Debir el Mulk, das Finanzminiſterium
akim el Mulk. Mit Ausnahme des Miniſterpräſidenten
rhören alle Mitglieder des Miniſteriums zu den extremen
titionaliſten.
Aus Udſchda, Marokko, wird gemeldet, daß die
druptſchuldigen an dem Angriff auf die franzöſiſchen

Arruppen bei Mulek Bacha, nämlich die Stämme der Uled
Mosman und der Uled Salem, die um Verzeihung gebeten
ſſaltten, einwilligten, eine Geldbuße zu bezahlen;
ſſſtach deren Erlegung wird ihnen der Zutritt zum Muluja
ſlooeder geſtattet werden.
Die Aſſociated Preß meldet aus Havana: Die
usaniſche Regierung iſt über die Inſurrektion unter dem
Bneneral Miniet in El Caney, im Oſten Kubas, ſehr be=
ſſtiruhigt
. Truppen wurden dorthin entſandt.
In amtlichen Telegrammen aus Havana
Allorrd mitgeteilt, daß die Regierung über die Inſurrektion
hes Generals Minniet nur die Tatſache erfahren hat,
twenſſaßß dieſer mit einem Dutzend Leute aus unbekannter Ur=
Regierungiſſllache gemeutert und ins Innere geflüchtet iſt. Die Meu=
m
den Beſtſſſſeper werden von der Landpolizei und der Miliz verfolgt.
fſlldde Regierung erklärt zwar, daß der Vorfall ohne Bedeu=
Murig ſei, es wird aber von der Oeffentlichkeit darauf hin=
awieſen
, daß der Präſident den Beſuch ſeines Sommer=
ſſipes
aufgeſchoben hat. Man glaubt, daß die Regierung
ſhie Landung von Waffen befürchtet. Die Gerüchte über
Umnruhen in der Provinz Pinar del Rio finden bisher
lenne Beſtätigung.
Ein Drahtbericht aus Macao meldet die endgül=
lige
Niederwerfung der chineſiſchen Räuber auf
Coolowan; ihre letzten Schlupfwinkel auf der Inſel ſind
ſonn den Portugieſen aufgeſtöbert und zerſtört worden.
ID Matroſen und 200 portugieſiſche Soldaten rüſteten ſich
humm Angriff auf die nur ſchwer zugängigen Höhlen in
dm Schluchten der Inſel. Um Mitternacht gingen ſie vor.
ſillEs gelang ihnen, die Piraten zu überraſchen und die
ſaubneſter auszunehmen. Dreißig Chineſen, auch der
lmführer der Piraten, wurden gefangen ge=
Anommen. Sechzehn Gefangene der Räuber wurden
Umit Ketten gefeſſelt in den elenden Höhlen vorgefunden.
Allsite waren zu Skeletten abgemagert und konnten ſich ohne
ſöllfe ihrer Befreier nicht bewegen. In anderen Höhlen
ſſeltgten mehrere Skelette von dem entſetzlichen Hungertode,
udim gefangene Europäer und Bewohner der chineſiſchen
Kliſtenſtädte hier in den Händen der Piraten hatten erlei=
dan
müſſen.
* Der neue Unterſtaatsſekretär des preu=
zieſchen
Staatsminiſteriums Hans v. Eiſen=
ſhart
=Rothe iſt im September 1862 in Lietzow gebo=
ſieet
, alſo 47 Jahre alt. Erſt ſeit wenig mehr als einem
Jahre ſteht er an der Spitze der Merſeburger Regierung.
(884 wurde er zum Kammergerichtsreferendar ernannt
ſſund trat einige Jahre ſpäter zur allgemeinen Staatsver=
hraltung
über. Nachdem er 1890 das Regierungsaſſeſſor=
emmen
beſtanden hatte, wurde er der Regierung in Lüne=
burg
überwieſen und Hilfsarbeiter in Einkommenſteuer=
nen
wir, Wberanlagungsſachen beim Landratsamt in Burgdorf. Im
e im In llolgenden Jahre kam er als Hilfsbeamter des Landrats=
en
betraclmits Steder=Dithmarſchen nach der Inſel Helgoland, wo
italieniſcller zwei Jahre blieb. 1894 wurde er Verwalter des Land=
Aeatsamts in Bromberg und im folgenden Jahre Landrat
dess Kreiſes Bromberg=Land. Bis 1904 war er dort tätig,
adann kam er als Hilfsarbeiter in das Zivilkabinett, in dem
er im folgenden Jahre Vortragender Rat und Geheimer
Regierungsrat wurde. Nachdem er 1908 zum Geheimen

Oberregierungsrat aufgerückt war, wurde er am 1. Inli
1909 Präſident der Regierung in Merſeburg. Unterſtaats=
ſekretär
v. Eiſenhart=Rothe, der eine ſehr ſchnelle Laufbahn
hinter ſich hat, hat ſich auf ſeinem bisherigen Poſten ſtets
wohlbewährt und dürfte ſeine Karriere noch lange nicht
abgeſchloſſen haben.
* Berlin, 27. Juli. Das Militärwochenblatt meldet:
v. Hofacker, bisher Kommandeur des Ulanen= Regi=
ments
Nr. 20, wurde dem Generalſtabe der Armee über=
wieſen
und zum Chef des Generalſtabes des 18. Armee=
korps
ernannt.
* Karlsruhe, 26. Juli. Der Hofbericht der
Karlsruher Zeitung meldet: Der Großherzeg er=
krankte
vor etwa 14 Tagen auf Schloß Eberſtein an
einem fieberhaften Bronchialkatarrh; die Geneſung iſt ſo=
weit
vorgeſchritten, daß der Großherzog am 24. Juli zum
erſten Male das Bett verlaſſen konnte.
* Stuttgart, 26. Juli. Staatsſekretär Lisco iſt
von Friedrichshafen kommend in Stuttgart eingetroffen
und hatte mit dem württembergiſchen Juſtiz=
miniſter
eine Beſprechung. Der Juſtizminiſter veran=
ſtaltete
dem Staatsſekretär zu Ehren ein Eſſen, an dem
auch der Miniſterpräſident und der Kriegsminiſter teil=
nahmen
.
* Wien, 26. Juli. Der Kaiſer hat dem früheren
deutſchen Staatsſekretär v. Schön die Brillanten zum
Großkreuz des Leopoldordens verliehen.
* Wien, 27. Juli. Das Fremdenblatt ſchreibt: In
der ſeltenen Auszeichnung, die dem aus dem
Staatsſekretariat des Aeußern ſcheidenden v. Schön
durch die Verleihung der Brillanten zum Großkreuz des
Leopold=Ordens zuteil geworden iſt, wird man einen Be=
weis
beſonderer Anerkennung zu erblicken nicht verfehlen. Die
Begabung und die glückliche Hand, die Schön während
der drei Jahre ſeiner Tätigkeit im Auswärtigen Amte bei
der Löſung ſo mancher ſchwieriger Fragen erkennen ließ,
iſt man bei uns vielleicht noch beſſer als anderwärts zu
würdigen in der Lage geweſen. Auf den Botſchafter=
poſten
in Paris, wo er einer ſympathiſchſten Aufnahme
gewiß iſt, begleiten Schön auch unſere beſten Wünſche.
* Aaleſund, 26. Juli. Die Hohenzollern mit dem
Kaiſer an Bord hat heute nachmittag um 4 Uhr die
Weiterfahrt nach Bergen angetreten.
* Paris, 27. Juli. Sämtliche Morgenblätter beſchäf=
tigen
ſich eingehend mit der geſtrigen Sitzung der parla=
mentariſchen
Unterſuchungskommiſſion in der Rochette=
Affäre, insbeſondere mit der Vernehmung des Polizei=
präfekten
Lépine. Die Action meint: Die Ausſage =
pines
iſt offenbar bona kide gemacht, aber ſie iſt darum
umſo gefährlicher für die öffentliche und die private Frei=
heit
. Sie enthüllt offen das Vorhandenſein eines Polizei=
miniſteriums
mitten in Frankreich, das alle anderen Mi=
niſterien
beherrſcht und ſogar der Juſtiz das Geſetz vor=
ſchreibt
. Die Petite Republique ſchreibt: Es bleibt nur
übrig, die Rückkehr Clemenceaus abzuwarten, der ſich
ſicherlich nicht weigern wird, vor der Unterſuchungs= Kom=
miſſion
zu erſcheinen und die notwendigen Aufklärungen
zu geben. Es iſt alſo beſſer, abzuwarten, als ſich mit hal=
ber
Arbeit zufrieden zu geben, die das Feld freilaſſen
würde für böswillige Hypotheſen. Der Gaulois ſagt:
Zu beklagen iſt die Einbuße an Preſtige, die das Beamten=
tum
erleidet, welche Wendung auch die Ereigniſſe nehmen.
So viel iſt ſicher: Die Ernennung einer ſolchen Unter=
ſuchungs
=Kommiſſion für eine Affäre, mit der die Juſtiz
beſchäftigt iſt, bringt die Unabhängigkeit der Richter in
Verdacht. Vielleicht wird Clemenceau nicht entzückt dar=
über
ſein, daß Polizeipräfekt Lépine ſich den Anſchein ge=
geben
hat, ihn ſchonen zu wollen.
* Eine Anklage gegen Taft und Rooſe=
velt
. Die New York World veröffentlicht einen ſcharfen
Angriff auf Rooſevelt und Taft. Beide Präſidenten haben
die beiden Regierungsjachten Mayflower und Sylph‟
als Privatjachten betrachtet und vollkommen für ihren
eigenen Gebrauch verwendet. Rooſevelt ſoll ſich an Bord
der Mayflower einen Baderaum für 40000 Mark haben
einrichten laſſen. Die Koſten mußte der Staat tragen.
Taft kreuzt gegenwärtig mit der Mayflower an der
Küſte Maines und bewirtet gleichfalls auf Staats=
koſten
mehrere ſeiner Freunde und ſeine ganze Familie
an Bord. Dieſe Verwendung der beiden Regierungs=
jachten
erklärt die World für ungeſetzlich. Fünf Jahre
hindurch haben die Schiffe an keinen Manövern der Flotte
teilgenommen. Ueber 800000 Mark hat ihre Erhaltung
während dieſer Zeit gekoſtet. Und wofür iſt dieſe Summe
ausgegeben worden? Für das perſönliche Vergnügen von
Rooſevelt und Taft.
Stadt und Land.
Darmſtadt, 28. Juli.
Charaktererteilung. Se. Königl. Hoheit der
Großherzog haben dem Rechner der Spar= und
Leihkaſſe zu Alsfeld Georg Karl Weber dortſelbſt den
Charakter als Rendant erteilt.

Bei den Hopi=Indianern.
K.W. In den von der Kultur noch unberührten
egenden des nördlichen Arizona, die aber mit ihren
ſpuerpurnen Klippen, ihren erloſchenen Vulkanen, den
ſſch attigen Kannons und den damit abwechſelnden wei=
tem
Sandſtrecken einen ſtets wechſelnden, faszinieren=
dan
Reiz ausüben, wohnen heute noch intereſſante In=
dianerſtämme
, die ſich ihre alten Gebräuche in unbe=
wrührter
Strenge erhalten haben. Dem eingehendſten
Sludium dieſer Völker hat ſich ſeit faſt 20 Jahren ein
kamerikaniſcher Gelehrter, Prof. Monſen, gewidmet.
Zrunächſt war er nur auf kurze Zeit nach Arizona ge=
kammen
, um einige ethnologiſche Unterſuchungen vor=
zunehmen
. Aber der Zauber des Landes und die hoch=
ſintereſſanten
primitiven Lebensformen der friedlichen
Imdianer, die hier noch fortlebten nach der Urväter
Veiſe, zogen ihn derartig an, daß er 18 Jahre lang
umter ihnen weilte. Er legte eine große Sammlung
von Photographien an, in denen er ihre Zeremonien,
fülrre Hütten und die Szenen aus ihrem Leben feſthielt,
ſumd ſo hat er ſchließlich gegen 3000 Bilder zuſammen=
gelbracht
, in denen die Exiſtenz dieſer Pueble=Völker,
der Navajos, Apachen, Mojaves und Hopis, in aller
nur möglichen Vollſtändigkeit vor Augen tritt.
Der intereſſanteſte der von Prof. Monſen ſtudierten
Sttämme iſt der der Hopis, weil ſich bei ihm noch die
alllerfrüheſten Kulturformen erhalten haben. Dieſe
Hoopi oder Hopitu, das Volk des Friedens, wie ſie ſich
ſellbſt nennen, ſind nach der Annahme des amerikani=
ſcheen
Gelehrten die direkten Abkömmlinge der alten
Höhlenbewohner und leben noch in einer dieſen primi=
ſtiwſten
Anſiedelungen ähnlichen Form in Felsdörfern
auf den Spitzen der hohen Klippen, die mitten in der
maleriſchen Wüſte des nördlichen Arizona aufragen.
Ihhre Heimſtätten können nur auf höchſt gefährlichen

Pfaden erreicht werden, die die Indianer im Fels durch
Spuren gekennzeichnet haben, und ſind ſo uneinnehm=
bare
Feſtungen gegen jeden Feind. Kein anderer in=
dianiſcher
Stamm hat an ſeinen Ueberlieferungen ſo
ſtreng feſtgehalten und beſitzt eine ſolche Fülle von
ſchönen und intereſſanten volkskundlichen Sitten und
religiöſen Zeremonien. Ihre Mythologie findet Aus=
druck
in einigen höchſt ſeltſamen dramatiſchen Schau=
ſtellungen
, die auf eine Urform des Dramas hinweiſen.
Ihre Götter ſind Naturmächte, ſo die Sonne und die
Mutter Erde und der Himmel. Himmel und Erde ſind
Vater und Mutter alles Lebendigen; beſonderen Ein=
fluß
auf das Leben des Menſchen haben die Gottheiten
des Feuers und des Blitzes ihnen werden alljährlich
beſondere Zeremonien und Darſtellungen geweiht, in
denen ihre Gunſt und ihr Segen angefleht wird. Vor
allem bitten die Hopis ihre Götter um das Koſtbarſte,
das ſich der Wüſtenbewohner erſehnt, um Waſſer, das
ihre Saaten netzt und ſie vor Durſt und Hunger ſchützt.
Einige ſolcher feierlichen religiöſen Riten fallen in
jede Jahreszeit, ſodaß ſich ein fortlaufender Kranz feſt=
licher
Gebräuche durch das Leben der Hopis zieht.
Die Mitglieder des Stammes leben untereinander
in einem glücklichen und idylliſchen Verhältnis Alle
ſind eine große Familie; die Witwen und Waiſen er=
halten
Hilfe und Unterſtützung, Glück und Not iſt ihnen
allen gemeinſam; was der eine erduldet, dulden alle;
was den einen beglückt, wird allen zur Freude. Die
Hopis haben ſich mit vollem Bewußtſein gegen alle
höhere Ziviliſation abgeſchloſſen. Sie halten viel auf
die Reinheit ihres Blutes und ſchließen ſich ſtreng gegen
alle Fremden ab, weil ſie Verderben und Unheil von
jeder Berührung mit anderen Raſſen erwarten. Sie
ſind vielleicht das einzige Volk, das niemals ein be=
rauſchendes
Getränk gekannt hat; von dem Brannt=
wein
des weißen Mannes wenden ſie ſich mit Abſchen
fort. Die Abſchließung der Hopis gegen alles Anders=

Verliehen wurde das Ehrenzeichen für Mitglieder
freiwilliger Feuerwehren durch Entſchließung Sr. Königl.
Hoheit des Großherzogs an Heinrich Frank und
Franz Taver Knapp I., beide zu Dieburg.
Das Großh. Regierungsblatt Nr. 13 vom
27. Juli hat folgenden Inhalt: 1. Verordnung, den
Strafaufſchub betreffend. 2. Bekanntmachung, die Aus=
fertigung
von Uebergangsſcheinen betreffend. 3. Be=
kanntmachung
, die Förderung von Einträgen in das
Staatsſchuldbuch, hier aus der 4=prozentigen Staats=
anleihe
Serie XIV betreffend. 4. Bekanntmachung über
die Ausführung der Kataſterarbeiten. 5. Bekannt=
machung
, die Gebühren der Gerichtsdiener betreffend.
6. Berichtigung.
* Die Kohlenlieferungen für ſämtliche ſtalatliche
Behörden des Großherzogtums ſind vom Miniſterium
an die Syndikat freie Kohlenvereinigung, G. m. b.
H., Offenbach und Mannheim übertragen. Die geſtrige
Meldung iſt dahin richtig zu ſtellen.
Die zweite Polizeifahrt des Heſſiſchen Antomobil=
Klubs fand am Dienstag ſtatt; nachdem die erſte am
Dienstag der vorigen Woche die Zweckdienlichkeit ſol=
cher
Probefahrten eklatant erwieſen hatte. Fünf
Wagen fuhren verſchiedene Gebiete der Provinz ab.

Seite fuhren oder falſch auswichen, wurden feſtgeſtellt,
und die Fuhrleute wurden von den Polizeibeamten
auf ihre Achtloſigkeit hingewieſen. Auf den Strecken
begegneten die Autos 231 Fuhrwerken; davon fuhren
169 richtig, 53 auf der falſchen Seite und 9 wichen falſch
aus. Solche Fahrten haben ganz entſchieden einen
erzieheriſchen Wert, und es iſt durchaus anzuerkennen,
daß die Polizei auf die ſehr glückliche Idee des Heſſi=
ſchen
Automobilklubs eingegangen iſt. Uebrigens ſind
ſoeben 10 Gebote für Fuhrleute aufgeſtellt
worden, die in 10000 Exemplaren von der Polizei, von
Gendarmen uſw. an die Fuhrleute verteilt werden
ſollen. Die Grundſätze ſind deshalb in die Form der
10 Gebote gekleidet, damit ſie leicht faßlich ſind und
ſich ohne Mühe einprägen. Sie lauten: 1. Du ſollſt
immer auf der rechten Straßenſeite fahren. 2. Du ſollſt
überholende Gefährte immer links vorbeilaſſen. 3. Du
ſollſt entgegenkommenden Fahrzeugen immer rechts
ausweichen. 4. Du ſollſt immer eine Laterne mitfüh=
ren
. 5. Du ſollſt bei Dunkelheit Deinen Wagen immer
ſo beleuchten, daß die Laterne von vorne und hinten
geſehen werden kann. 6. Du ſollſt nie auf Deinem
Wagen einſchlafen. 7. Du ſollſt die Kinder belehren,
daß ſie nicht mit Steinen nach Wagen und Automobilen
werfen. 8. Du ſollſt in eine Querſtraße nach rechts
immer möglichſt kurz einbiegen. 9. Du ſollſt in eine
Querſtraße nach links in möglichſt großem Bogen auf
die rechte Seite der Querſtraße einbiegen. 10. Du ſollſt
auf die Warnungsſignale der Automobile achten und
ſie befolgen, auf daß kein Unglück geſchehe, Du auch
nicht zur Anzeige gebracht und beſtraft wirſt.
Heſſiſche Dreimarkſtücke. Die neugeprägten
heſſiſchen Dreimarkſtücke mit dem Bildniſſe des Groß=
herzogs
Ernſt Ludwig ſind nunmehr zur Aus=
gabe
gelangt.
Zuläſſige und unzuläſſige Ausverkäufe. Der
Verein der Detailliſten ſchreibt uns: Unter
dieſem Stichwort war kürzlich in vielen Zeitungen be=
hauptet
, das Oberlandesgericht in Darm=
ſtadt
habe entſchieden, daß die Ergänzung der Waren=
vorräte
nicht gegen das Geſetz zur Bekämpfung des
unlauteren Wettbewerbs verſtoße, wenn ſie nur ſoweit
erfolge, als zur Beendigung des Ausverkaufs erforder=
lich
ſei. Dieſe Mitteilung iſt vollſtändig un=
richtig
. Wie uns auf unſere Erkundigung beſtätigt
wird, iſt eine ſolche Entſcheidung des= Oberlandesge=
richts
nicht ergangen. Eine ſolche Entſcheidung
konnte auch nicht ergehen, denn in dem neuen Geſetz
gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909
iſt das Gegenteil klar und deutlich beſtimmt. Nach
§ 8 dieſes Geſetzes wird mit Gefängnis bis zu einem
Jahre und mit einer Geldſtrafe bis zu 5000 Mark be=
ſtraft
: wer im Falle der Ankündigung eines Ausver=
kaufs
Waren zum Verkauf ſtellt, die nur für den
Zweck des Ausverkaufs herbeigeſchafft ſind (ſog. Vor=
chieben
oder Nachſchieben von Waren) Jeder Waren=
nachſchub
iſt unterſagt, ſelbſt wenn es ſich um ganz
unbedeutende Mengen handelt und ſelbſt wenn die
nachgeſchobenen Waren eine für den Käufer notwendige
Frgänzung derjenigen bilden, die er kaufen will oder
ſchon gekauft hat. Es iſt notwendig, dies hiermit zu
berichtigen, damit nicht die Gewerbetreibenden durch
die falſche Mitteilung von der angeblichen Oberlandes=
gerichtsentſcheidung
irregeführt werde und in Strafe
verfallen.
Großer Preis von Darmſtadt. Außer den Fah=
rern
Meſſori, Stabe, Otto Meyer und Bettinger, die
um den Großen Preis von Darmſtadt am nächſten
Sonntag auf der Radrennbahn an der Heidelberger

artige beruht auf uralter Ueberlieferung und geſtattet
auch Schlüſſe auf ihre frühere Geſchichte. Sie haben
nicht von ſelbſt dieſe unzugänglichen Klippen und waſ=
ſerloſen
Wüſten aufgeſucht, ſondern vor hunderten von
Jahren lebten ſie weiter im Süden in den waldbedeck=
ten
Bergen, die Wild und Waſſer in Fülle gaben. Aber
ihre Feinde, die Apachen, Navajos und Ute, bedrängten
ſie immer mehr, zwangen ſie, von Ort zu Ort zurück=
zugehen
, bis ſie ſchließlich hoch auf die Klippen zurück=
wichen
. Doch mögen ſie hier ein noch primitiveres Volk
verdrängt haben, deſſen alte Sitten des Höhlen= und
Hüttenbaues ſie aufnahmen. Die Frauen haben unter
den Hopis eine ſo angeſehene Stellung, wie ſonſt wohl
ſelten bei unkultivierten Völkern. Sie wählen ſich
ihren Gatten ſelbſtändig aus; die Heirat erhält erſt ihr
feſtes Band, wenn ein Kind geboren wird. Während
die Verbindung ſonſt leicht wieder löslich iſt, gehört
das Paar nach der Geburt des erſten Kindes für immer
zuſammen und kann nicht geſchieden werden. Jeder
Gedanke an eine Trennung der beiden Ehegatten wäre
ein Frevel gegen die Götter. Die Ehen der Hopis ſind
außerordentlich glücklich und friedvoll; die Frauen
ſpielen darin durchaus die erſte Rolle, ihnen gehört
das Haus, das Heim und alles, was darinnen iſt, ſie
ſchalten hier als Königinnen.
Die Arbeiten, die im häuslichen Leben verrichtet
werden, ſind ſtreng zwiſchen Mann und Frau geteilt;
dabei fällt dem Mann vielfach die leichtere Beſchäftig=
ung
zu; er ſchneidert die Sachen und verfertigt die
Strümpfe; das Werk der Frauen dagegen iſt es, das
Haus zu bauen. Die Wohnung der Hopis hat eine ſehr
charakteriſtiſche, altertümliche Form, an der ſie eifrig
feſthalten. Neuerdings ſind jedoch einige Fenſter und
Türen, einige eiſerne Kochöfen und ein paar Acker=
baugeräte
eingedrungen, die doch das langſame Vor=
dringen
moderner Ziviliſation unter den Hopis ver=
raten
.

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Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Donnerstag, den 28. Juli 1910.

Nummer 174.

Straße ringen, ſtarten weiter der rühmlichſt bekannte
Meiſterfahrer von Elſaß=Lothringen Eugen Rohmer=
Kolmar, die Berliner Herm. Packebuſch, Arth. Thiem
und Fritz Hoffmann; ferner die beiden ſchnellen
Mainzer Emil Schaumberger und Hans Leis, der
Würzburger Ad. Prem und andere. Sämtliche Namen
bürgen für vorzüglichen Sport.
* Das Komitee des Obſt= und Kartoffelmarktes
Darmſtadt beabſichtigt, mit dem vom 15. bis 17. Oktober
dieſes Jahres zu Darmſtadt ſtattfindenden Obſt= und
Kartoffelmarkt eine Verloſung von Tafelaufſätzen
und Tafelkörben mit Obſt, Quantitäten von Obſt, Obſt=
wein
und Konſerven, Dörrobſt und Kartoffeln, Gemüſe
und Gegenſtänden, die der Obſtbehandlung, Obſtver=
wertung
und Obſtaufbewahrung dienen, zu verbinden.
Das Großh. Miniſterium des Innern hat die nachge=
ſuchte
Erlaubnis zur Veranſtaltung dieſer Verloſung
unter der Bedingung erteilt, daß bis zu 7000 Loſe, zu
0,30 Mark das Stück, ausgegeben werden dürfen und
mindeſtens 60 Prozent des Bruttoerlöſes aus dem Ver=
kaufe
der Loſe zum Ankauf von Gewinngegenſtänden
zu verwenden ſind. Zugleich wurde der Vertrieb der
Loſe in den Kreiſen Darmſtadt, Bensheim, Dieburg,
Erbach und Groß=Gerau geſtattet.
* Saalban. Im Programm des heutigen Saal=
baukonzertes
der Kapelle des Leibgarde=Regiments
wird des Tages, an welchem vor40 Jahren die heſſiſchen
Truppen ausmarſchierten, um gegen den Erbfeind zu
ziehen, dadurch gedacht werden, daß Saros Deutſch=
lands
Erinnerungen an die ruhmreichen Kriegsjahre
1870/71 mit Schlachtenmuſik unter Mitwirkung der
Spielleute des Regiments zur Aufführung kommen.
Bei ungünſtigem Wetter findet Patriotiſches
Streichkonzert im großen Saale ſtatt. (Näheres
ſiehe Anzeige.)
Im Schützenhof findet heute abend Militär=
Konzert der Kapelle des Artillerie=Regiments Nr. 61
unter Leitung ihres Dirigenten, Herrn Muſikmeiſter
M. Weber, ſtatt. (Siehe Anzeige.)
* Vermißt. Der Beamte H. der Oberrechnungs=
kammer
, welcher ſich auf einer Urlaubsreiſe in der
Schweiz, zuletzt im Montblancgebiete, befand, wird ſeit
über eine Woche vermißt. Ob demſelben ein Unglück zu=
geſtoßen
iſt, konnte durch die behördlichen Recherchen,
welche ſich nunmehr im Gange befinden, noch nicht feſt=
geſtellt
werden.
Brandbericht. Der Feuerwache wurde geſtern
früh 8 Uhr 25 Minuten die Meldung: Steinſtraße 5,
Zimmerbrand. In der Pliſſeebrennerei der Frau Kieſer
war in dem Arbeitsraum Feuer entſtanden, das durch
vorhandenes Papiermaterial raſch an Ausdehnung ge=
minnen
konnte. Bei Ankunft der Wache ſtand das
Zimmer in Flammen und ſtarker Rauch erſchwerte der
Mannſchaft den Angriff, welche mit einer Leitung von
der Gasſpritze von der Rückſeite des Gebäudes vorging,
und ſo ganz raſch das Feuer ablöſchen konnte, wodurch
eine Ausdehnung des Feuers verhindert wurde. Der
Schaden iſt nicht ſehr groß. Die Wache kehrte 8 Uhr
59 Minuten zurück.
Dreieichenhain, 26. Juli. Aus Paris wurde von
dem Sohne des berühmten Geigenſpielers und Kom=
poniſten
Henry Vieuxtemps, welcher längere Zeit
in Dreieichenhain lebte, ein wertvolles Oelgemälde
dem Heimatmuſeum geſchenkt. Das von Künſtler=
hand
gemalte Bild zeigt Henry Vieuxtemps in ſeinem
Muſikzimmer.
n. Höchſt i. O., 28. Juli. In der Nacht zum geſtri=
gen
Tage wurde ein frecher Einbruch im hieſigen
Amtsgerichtsgebäude verübt, nachdem in den
letzten Wochen eine ganze Reihe ähnlicher Einbrüche
hier und in der Umgegend geſchehen waren. Der Dieb
ſtieg durch ein Fenſter in den Dienſtraum des Erd=
geſchoſſes
ein, erbrach alle Behältniſſe und durchſuchte
ſie, ohne jedoch etwas Erhebliches an Wert zu erbeuten,
da die Gelder und dergleichen ſich in ſicherem Gewahr=
ſam
befinden. Die Tat iſt um ſo dreiſter, als in dem
dberen Stockwerk Großh. Oberamtsrichter Dr. Siebert
wohnt. Die Staatsanwaltſchaft Darmſtadt ließ ſofort
durch einen Kriminalbeamten unter Verwendung eines
Polizeihundes Ermittelungen anſtellen.
t. Lindenfels, 26. Juli. Bis zum 25. d. M. kamen
1044 Kurgäſte zur Anmeldung gegen 1036 um die
gleiche Zeit des Vorjahres. Geſtern hatte die Ma=
ſchinengewehr
=Abteilung des Inf.=Regts.
Nr. 118 dahier Quartier bezogen. Auf dem Heimweg
nach Worms fand heute morgen zwiſchen hier und
Erlenbach eine kleine Gefechtsübung ſtatt, bei welcher
die Maſchinengewehre in Tätigkeit traten.
Friedberg, 27. Juli. Die alten Gebäulichkeiten
des Lehrerſeminars werden zur Zeit einer
gänzlichen Renovation unterworfen, entſprechend ver=
größert
und mit einer Niederdruckdampfheizung ver=
ſehen
. Die Firma Darmſtädter Zentralheizungsfabrik,
Ing. Heinrich Fritz, erhielt den Zuſchlag.

(*) Aus dem Kreiſe Gießen, 26. Juli. Die Rog=
genernte
hat begonnen und die Felder füllen ſich
mit Kornhaufen. Körner= und Strohertrag
ſind gut, doch macht das Abernten große Schwierig=
keit
, da die Halme infolge der Stürme und Regenwet=
ter
kreuz und quer liegen. Auch die Frühkartoffeln
liefern gute Erträge, doch die Spätkartoffeln leiden in=
folge
der Feuchtigkeit, und zahlreiche Krankheiten
machen ſich bemerkbar.

Reich und Ausland.
Aus der Reichshauptſtadt, 26. Juli. Eine eigen=
artige
Landkarte von Berlin befindet ſich
im Landwirtſchaftlichen Muſeum. Es iſt dies eine
Glasreliefkarte, welche den Grund und Boden fixiert,
auf dem Berlin aufgebaut iſt. Die Karte hat eine
Länge von 6,5 und eine Breite von 1,1 Meter und zeigt
das unterirdiſche Berlin bis zu einer Tiefe von 400
Metern. In der Ausdehnung umfaßt die Karte den
Teil vom Rummelsburger See bis nach Weſtend, und
in entgegengeſetzter Richtung vom Tegeler Schießplatz
bis hinter Rixdorf und Schmargendorf. Auf der Deck=
glasplatte
befindet ſich ein genauer Situationsplan von
Berlin in plaſtiſcher Ausführung, an welcher ſenkrecht
unzählige Glasſtäbe hängen. Dieſe veranſchaulichen
in mehrfarbigen Abſtufungen genau die verſchiedenen
Erdſchichtenfolgen. Alle Straßen, Plätze und Gaſſen
verraten ſo ihr Fundament bis zur Tiefe von 400
Metern. Der Plan iſt ein Lebenswerk des Profeſſors
Gruner und hat einen Herſtellungswert von rund
20000 Mark. Die Hauptbeſtandteile des Naturfunda=
ments
unter der Reichshauptſtadt ſind Kies, Mergel,
Kohle, bis auf den Norden Berlins, der als Unter=
grund
faſt durchweg reinen Sand hat. Dazwiſchen
ſchlängeln ſich viele größere und kleinere Waſſerarme.
Edelmetalle wie Gold und Silber lagern jedoch unter
Berlin nicht. Ein ſchwerer Unglücksfall er=
eignete
ſich auf der Station Jannowitzbrücke. Die 14 Tochter Frieda des in Lichtenberg wohnenden
Feuerwehrmanns Lorenz hatte vom Bahnhof Frank=
furter
Allee aus einen Nordringzug benutzt, um ſich
nach ihrer in Berlin belegenen Arbeitsſtelle zu begeben.
Auf der Station Jannowitzbrücke waren mehrere
junge Mädchen, die mit der L. in einem Coupé ſaßen,
ausgeſtiegen, ohne die Abteiltür gehörig zu ſchließen.
Bei der Ausfahrt des Zuges lehnte ſich Fräulein L.
an die Tür, die plötzlich nachgab, ſo daß das junge Mäd=
chen
rücklings auf den Bahnkörper ſtürzte. Sie ſchlug
auf einen Holzſtapel auf und blieb blutüberſtrömt und
beſinnungslos liegen. Die Verunglückte wurde bald
darauf von Bahnbeamten aufgefunden und zu einem
in der Nähe wohnenden Arzt gebracht, der eine ſchwere
Gehirnerſchütterung, eine klaffende Kopfwunde und
innere Verletzungen feſtſtellte. Auf ein Verbre=
chen
läßt ein Fund ſchließen, der geſtern in Tegel
gemacht wurde. Spielende Kinder entdeckten in einer
Vertiefung in der ſogenannten Wuhlheide eine leere
Handtaſche und ein über und über mit Blut beflecktes
Damenjackett, in deſſen innerer Taſche ſich eine Brief=
taſche
befand. Dieſe enthielt neben mehreren Briefen
auch eine Anzahl Legitimationspapiere, die ſämtlich
auf den Namen eines Fräulein Helene Hanoſch, ge=
boren
am 20. Dezember 1873 in Tauern, lauten. Bei
den Papieren befand ſich ferner eine Aufforderung des
Gemeindevorſtehers von Tegel, die polizeiliche Anmel=
dung
perſönlich vorzunehmen. Dieſe Anmeldung iſt
bisher nicht erfolgt. Ob ein Verbrechen oder Unglücks=
fall
vorliegt, wird die eingeleitete Unterſuchung er=
geben
.
Karlsruhe, 26. Juli. Der Großherzog und die
Großherzogin, ſowie die Großherzogin=Witwe
Luiſe haben der Karlsruher Zeitung zufolge
als Beitrag zur Sammlung zu Gunſten der durch
das Hochwaſſer Geſchädigten dem Miniſter
des Innern 10000 Mark überwieſen.
Heidelberg, 27 Juli. Zu der Notiz Den Doktor=
titel
mit dem Tode erkauft wird der T. R. geſchrieben,
daß dieſe Meldung auf einer Ente hieſiger Zei=
tungen
beruht. Weder iſt Herr stud. rer. nat. Robert
Oeder (nicht Oehne), an einer Infektion durch ultra=
violette
Kathodenſtrahlen geſtorben, noch hat die natur=
wiſſenſchaftliche
Fakultät daran gedacht, einen Toten
zu promovieren.
Straßburg, 26. Juli. Zu der Demonſtration
gegen Profeſſor Cloétta vom letzten Montag er=
klärte
heute vormittag ein Geſchichtsprofeſſor zu Be=
ginn
ſeiner Vorleſung, daß ſie auf einem Mißverſtänd=
nis
beruhen müſſe, da Profeſſor C. nicht ſchuld an dem
Durchfall des einen der Kandidaten ſei. Dem hält die
beteiligte Studentenſchaft entgegen, daß die Entrüſtung
gegen Profeſſor Cloétta nicht erſt vom letzten Examen=
termin
datiere, ſondern bereits ſeit Wochen eine all=
gemeine
ſei, was die Geſchloſſenheit der Kundgebung
Herren und Damen beteiligten ſich daran zur

Genüge beweiſe. Eine Unterſuchung über den Fall iſt
eingeleitet worden. (Frkf. Ztg.)
Trier, 26. Juli. Bei der Ueberführung eines weger
Meſſerſtecherei zu zwei Jahren Gefängnis verurteiltet
Kroaten nach dem Trierer Gefängnis ereignete ſich in
Eiſenbahnzug bei der Station Densborn ein aufregen=
der
Vorfall. Der gefeſſelte Gefangene bat den beglei=
tenden
Gendarm, das Kloſett aufſuchen zu dürfen und
ſprang hier vor den Augen des Beamten aus dem Fenſte:
hinaus ins Freie. Der Gendarm zog die Notbremſe und
ſprang dem Flüchtling nach. Trotzdem der Kroate bei dern
lebensgefährlichen Sprung aus dem in voller Fahr
befindlichen Zuge die Arme gebrochen hatte, kann
er dem Gendarmen doch ein großes Stück vor und verbarg
ſich im nahen Walde im Buſchwerk. Der Wald wurd
jedoch von Bauern umſtellt, der Flüchtling wieder feſt=
genommen
und weiter nach Trier befördert.
Elberfeld, 26. Juli. Als Auftakt zur 300=Jahr
feier der Stadt veranſtaltete der Bergiſche Ge=
ſchichtsverein
in der Aula des Gymnaſiums eine Feſt=
ſitzung
, in der der Vorſitzende des Vereins, Gymnaſial
direktor Profeſſor Scheibe, einen Abriß über die Ge
ſchichte der wiſſenſchaftlichen Vereine in Elberfeld gall
Im Anſchluß an den Vortrag übergab Prof. Scheil
dem Oberbürgermeiſter als Vertreter der Stadt feier
lich den 43. Band der Zeitſchrift des Geſchichtsvereins
Der Band iſt dem Stadtjubiläum gewidmet und en
hält folgende Beiträge zur Geſchichte der Stadt Elber
feld: Das einzige Haus von 1610 von Profeſſor Dr
Dütſchke, Elberfeld in Dichtungen des 17. Jahrhun=
derts
von Profeſſor Dr. Seitz, Elberfelds Induſtrit
vor 100 Jahren von Archivrat Dr. Redlich, Jakol
Aders von Otto Schell, Elberfelder Medaillen von
Sanitätsrat Dr. Protze, Die Arbeitsgebiete der In=
nern
Miſſion in Elberfeld von Guſtav Diederich
Elberfelder Wohlfahrtseinrichtungen zugunſten den
Jugend, Tatſachen und Betrachtungen aus Anlaß des
Stadtjubiläums von Schulrat Dr. Boodſtein, Flur
namen aus Elberfeld und Umgebung, die den ehemalis
gen Wald= und Wildreichtum bezeugen von Profeſſon
Leithaeuſer. Oberbürgermeiſter Funck dankte für diel
Jubiläumsgabe. Aus Anlaß der Feier hatte der Ver=
ein
eine Reihe von Auszeichnungen beſchloſſen, diel
vom Vorſitzenden zum Schluß bekannt gegeben wur=
den
. Zu Ehrenmitgliedern wurden ernannt: Kommer=
zienrat
Friedrich Bayer=Elberfeld, Univerſitätsprofeſs
ſor Dr. Eduard Simons von der theologiſchen Fakultäu
in Berlin, Profeſſor der Geſchichte Dr. Aloys Meiſter
in Münſter, der Herausgeber Nützlicher Beiträge zur
Geſchichtsforſchung. Zu korreſpondierenden Mitglies
dern wurden Karl Clémant und Fritz Storck von
Elberfeld, ſowie Albert Weyersberg von Solingen er=
nannt
.
Duisburg, 27. Juli. Auf der Strecke Sterkrade=
Neumühl hatten 10= bis 13jährige Knaben Steine:
auf die Schienen gewälzt, um einen Zug zum Ent=
gieiſen
zu bringen. Sie wurden geſtern von der
Strafkammer in Duisburg zu je einem Jahr Gefäng=
nis
verurteilt.
Sagan, 26. Juli. Ein wackeres Rettungs=
werk
iſt von dem Sohne des Maurermeiſters Wil=
ſich
in Sommerfeld ausgeführt worden. Er dient zur=
zeit
als Einjährig=Freiwilliger beim Feldartillerie
Regiment Nr. 5. Bei Uebungen an dem Bober, der
infolge der vielen Regengüſſe der letzten Zeit erheblich
geſtiegen iſt, ſcheute plötzlich ein Pferd in der Nähe vol=
Luthrötha; der Reiter wurde abgeworfen und fiell=
den
hochgehenden Fluß. Ein anderer Kanonier
merkte die Gefahr und verſuchte, den Kameraden i
retten. Aber beide wurden von der ſehr ſtarken Ström=
ung
des angeſchwollenen Bobers mit fortgeriſſen und
gingen unter. In kompletter Marſchrüſtung,
mit Helm, Säbel und Stiefel bekleidet, ſtürzte ſich der
Leutnant Mießeler in die Flut. Fortgeſetzt tauchte
er auf und nieder, aber vergeblich, er konnte die unter=
gegangenen
Kanoniere nicht finden. Für die zuſchauen=
den
Offiziere und Mannſchaften vergingen Sekunden
höchſter Aufregung. In dieſer bangen Erwartung
ſprang, ebenfalls mit voller Bekleidung, der
Einjährig=Freiwillige Wirſich weiter ſtromabwärts
in den Fluß, tauchte in die Tiefe, und nach abermaligen
bangen Sekunden brachte er unter dem Jubel der=
Batterien die beiden ſchon ſtark erſchöpften Kanoniere
an die Oberfläche, wo er ſie ſchwimmend ſo lange über
Waſſer hielt, bis das Rettungswerk zu Ende geführt
werden konnte. Vorläufig wurde dieſe mutige Tat
damit belohnt, daß der Regimentskommandeur vor
verſammelter Mannſchaft mit Worten der höchſten An=
erkennung
den Gefreiten Wirſich zum Unteroffizier und
den Kanonier Schwarz, der ſeinen ſinkenden Kameraden
zuerſt zu retten verſuchte, zum Gefreiten beförderte.
Kiel, 27. Juli. Durch die Preſſe geht die Nachricht
vor einigen Tagen fand auf der Kieler Föhrde an
Bord des großen Kreuzers Blücher eine Meu=

2
um dann!
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Marſeille
zerſtörte der
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Aus Kunſt, Wiſſenſchaft und Leben.
* Julius von Werther. Der Schriftſteller und
frühere Generalintendant des Stuttgarter Hoftheaters,
deſſen Ableben wir meldeten, war 1838 in Roßla im
Harz geboren, ſtudierte in Berlin neue Geſchichte und
Literaturgeſchichte, folgte aber im Jahre 1862 ſeiner Nei=
gung
zur Bühne, zunächſt als Schauſpieler und Regiſſeur
an das Hoftheater in Weimar. Im Jahre 1867 wurde
er nach Mannheim berufen. Hier war er mit einer Un=
terbrechung
von zwei Jahren (18721874), während wel=
cher
Zeit er das Hoftheater in Darmſtadt leitete,
15 Jahre tätig und leitete die alte Dalbergbühne mit fei=
nem
Verſtändnis. 1884 wurde er als Generalintendant zur
Leitung des Stuttgarter Hoftheaters berufen, bis er ſich
im Jahre 1890 ins Privatleben zurückzog.
* Wegen des beanſtandeten Bismarck=
denkmalsplakates
, das urſprünglich mit dem
ierſten Preis ausgezeichnet wurde, erklärt ſein Verfaſſer
Georg A. Stroedel in Leipzig=Borsdorf, daß er über
die ganz bedeutende Aehnlichkeit ſeiner Arbeit mit der
Bismarckbüſte Franz Metzners ſelbſt betroffen geweſen
ſei. Er habe daraufhin bei dem Komitee den Antrag
geſtellt, den erteilten Preis zurückzuziehen, unter aus=
führlicher
Begründung, wie es möglich war, die Ar=
beit
in dieſem Zuſtande einzuliefern. Stroedel führt
raus, daß er beſtimmt nicht in bewußter Abſicht, Fremdes
als Eigenes auszuliefern, gehandelt habe. Seine
Skizze, der Kopfausſchnitt einer Rieſenfigur Bismarcks
mit tief unten liegender, leicht angedeuteter Rheinland=
ſchaft
, ſei vollkommen unabhängig entſtanden und nur
bei der ſehr überhaſteten Ausführung des Entwurfs
habe er mangels brauchbarer Naturaufnahmen zum
Aufzeichnen des Kopſes außer dem Lenbachſchen Profil=
porträt
und plaſtiſchen Bismarckkopfe von Begas und
Siemering eine Wiedergabe der Büſte Metzners in die
Hand bekommen. Obwohl er unter gewöhnlichen Um=

ſtänden allein über die ſchon beſtehende außerordent=
liche
Aehnlichkeit ſeiner Skizze mit dem Werke Metz=
ners
ſicher geſtutzt hätte, ſei nunmehr in der Eile der
Arbeit dieſe Aehnlichkeit durch die Uebernahme ver=
ſchiedener
Details noch vergrößert worden. Bei dieſer
nicht.
O Die Ballonpoſt von 1870. Das Pa=
riſer
Armeemuſeum iſt durch eine intereſſante Gabe
bereichert worden; dem Muſeum wurde ein Exemplar
der erſten und zweifellos einzigen Nummer jener ein=
zigartigen
Zeitung überwieſen, die in den ſtürmiſchen
Tagen des Jahres 1870 unter dem Titel Die Ballon=
von
Gabriel Richard und einigen Mitarbeitern in der
Rue des Martyrs redigiert und durch beſondere Bal=
vinz
geſchickt. Die im Armeemuſeum ausgeſtellte Num=
wurden
, landete in Tours. Auf dem Streifband ſieht
man noch die Abonnementsbedingungen; in Paris
ſollten je 10 Nummern 2 Franks und in der Provinz
4 Franks koſten. Die Zeitung erſtattet genauen Be=
richt
über die Ereigniſſe, die in jenen kriegeriſchen
Zeiten in der franzöſiſchen Hauptſtadt ſtattfanden;
witzig geſchriebene Lokalnotizen fehlen nicht. Unter
anderem findet man in dem Blatte einen Bericht über
einen Proteſt des Inſtitut de France gegen die Be=
ſchädigungen
, die die franzöſiſchen Kunſtſammlungen
durch die Belagerung erleiden könnten, und einen
denſyſtems, das Paris mit einem zweiten Befeſtigungs=
gürtel
umgeben ſoll Was die Aufregung des Tages
brachte, wird verzeichnet, und ſo lieſt man auch in jener
Nummer, daß das Perſonal der Omnibusgeſellſchaft
ſich zu einem Spezialbataillon der Nationalgarde for=
miert
habe.

ck. Die moderne Oper als Schreckens
kammer. In London macht jetzt die auch in Berlin
gegebene Oper Habanera von Laparra einiges Aufe
ſehen und zwar hauptſächlich wegen der hier angehäufe
ten furchtbaren Ereigniſſe, die das Theater wirklich zul
Sachlage beſteht der Tatbeſtand eines Plagiats wohl Schreckenskammer machen. Ein Mitarbeiter den
Daily Mail nennt dieſe Oper die düſterſte von allen
und nimmt ſie zum Ausgangspunkt, um überhaupt von
der Vorliebe zu ſprechen, die die Komponiſten
Schreckensſzenen haben. Er läßt die wichtigſten m
dernen Opern mit Ausnahme der Werke Wagner
deren mythologiſche Themen der Verfaſſer ausſcheiden
der: Reihe nach Revue paſſieren und bringt dahe
poſt in Paris begründet wurde. Die Zeitung wurde wirklich eine Unzahl von Verbrechen und Schreckens=
taten
zuſammen. Hugenotten: Held und Heldin ſter=
ben
zuſammen. Troubadour: Held hingerichtet, Hel
lons während der Belagerung von Paris in die Pro= din nimmt Gift. Traviata: Heldin ſtirbt an der Aus=
zehrung
. Rigoletto: Heldin aus Mißverſtändniser=
mer
trägt das Datum: 30. Oktober 1870; der Ballon, mordet, ihr Vater iſt daran ſchuld. Othello: Helden
mit deſſen Hilfe die Exemplare aus Paris geſchafft mordet Heldin und begeht Selbſtmord. Lucia von
Lammermoor: Heldin erdolcht ihren Gatten und ſtirbt
an gebrochenem Herzen; Held erſticht ſich ſelber. Fauſt
Heldin verurſacht den Tod ihres Bruders, wird wahn=
ſinnig
, tötet ihr Kind und ſtirbt. Ihr Liebhaber wirdt
vom Teufel geholt. Aida: Held und Heldin werden
lebendig begraben. Lakmé‟: Heldin nimmt Gift. Ro=
meo
und Julia: Held nimmt Gift und Heldin erſticht
ſich. Bajazzo: Held erſticht Heldin und ihren Ge=
liebten
. Madame Butterfly‟: Die verlaſſene und be=
trogene
Heldin begeht Harakiri. Toska Held wird
zuerſt gefoltert und dann erſchoſſen. Der Böſewicht des
Beſchluß, betreffend die Abwendung eines Barrika= Stücks wird von Heldin erdolcht, die ſich ihrerſeits von=
einer
Brüſtung herabſtürzt. Carmen: Heldin betrügt
einen ihrer Liebhaber und wird von ihm erſtochen,
Habanera: Hauptcharakter ermordet ſeinen Bruder
und wird wahnſinnig. Der Geiſt des Ermordeten kehrt
wieder und verurſacht den Tod der Heldin. Dieſe Vor=,
liebe für furchtbare, nervenaufreizende Ereigniſſe geht

[ ][  ][ ]

fit
te ſich
eſetzt in
in
t

klicht

et e ehete eh etenet
Bewäſſern.
Stettin, 27. Juli. Von dem Turme der Friedens=
irche
in Stettin=Grabow ſtürzte geſtern nachmittag
ieer Dachdecker Salomon und ſein Gehilfe ab. Salomon
olieb auf der Stelle tot; der Gehilie wurde ichwer ver=
etzt
ins Krankenhaus geſchafft.
Luxemburg, 26. Juli. Einem hieſigen Bürger hat
eer hl. Bureaukratius ein Stückchen geliefert,
das verdient, in Europa die Runde zu machen. Ein
Luxemburger Bürger namens Breiſch hatte in der
ruxemburger Abteilung der Brüſſeler Ausſtellung eine
Unzahl von ihm gearbeiteter Schmuckſachen ausgeſtellt,
ie in der Nacht vom 23. Juli geſtohlen wurden. Er
zibt deren Wert auf 14000 Franken an. Kaum war
ie Nachricht von dem Diebſtahl durch die Zeitungen
egangen, da erhielt Herr Breiſch von der belgiſchen
Zollverwaltung ein Schreiben folgenden Inhalts:
DDa Ihre Schmuckſachen zollfrei nach Belgien einge=
führt
ſind in der Vorausſetzung, daß ſie nach Schluß
er Ausſtellung wieder ausgeführt werden dieſe
Vorausſetzung aber nach dem Diebſtahl hinfällig wird,
indem die Sachen nunmehr auf belgiſchem Gebiete
hauernd verbleiben werden , werden Sie aufgefor=
hert
, die entfallenden Zollſätze für die
geſtohlenen Gegenſtände ſofort zu entrichten.
Herr Breiſch ſoll geantwortet haben, er ſchiebe die Ver=
flichtung
zur Erlegung der Zollgebühren auf den
Dieb ab. Vielleicht macht dieſen die Zollverwaltung
ausfindig, nachdem die Polizei bis jetzt ſich auf den
Standpunkt geſtellt hat, die Sache gehe ſie nichts an.
Paris, 27. Juli. Aus Cherbourg wird gemeldet:
Das Unterſeeboot Pluvioſe ſoll im Laufe der
nächſten Woche von Calais nach Cherbourg geſchleppt
werden, wo es vollſtändig wiederhergeſtellt werden ſoll,
am dann wieder in die Flotte eingereiht zu werden.
Tonlon, 27. Juli. Ein großer Waldbrand,
er bedeutende Verluſte verurſacht, wütet ſeit geſtern
auf dem Gebiete der Gemeinde Pandol (Departement
Bar) an der Küſte. Der Seepräfekt ſchickte Truppen=
abteilungen
zur Hilfe; doch konnte das Feuer infolge
ſies ſtarken Windes nicht gelöſcht werden. Die Aus=
Lehnung des Brandes beträgt über zwei Kilometer.
Auch bei Marſeille iſt in den Waldungen von Carry
und Saurſet ein bedeutender Waldbrand ausgebro=
Den der ſich etwa über 100 Hektar erſtreckt.
Marſeille, 26. Juli. Eine heftige Feuersbrunſt
verſtörte den Schuppen der Handelskammer. Die Ver=
kuſte
beziffern ſich auf Millionen.
St. Gallen, 27. Juli. Während eines heftigen Ge=
witters
ſchlug der Blitz in die Schutzhütte des
Schweizer Alpenklubs Alvier, 2300 Meter hoch in dem
St. Gallener Oberlande. Die vier Inſaſſen wurden
mehr oder weniger ſchwer verletzt. Einem Bergführer
verbrannten die Kleider auf dem Leibe, ſo daß er
üußerſt ſchmerzhafte Brandwunden erlitt.
Rom, 26. Juli. Das wieder verſöhnte Ehepaar
Tofelli wurde kürzlich das Opfer eines merkwür=
nigen
Vorganges, den die Blätter folgendermaßen er=
hählen
: Herr und Frau Toſelli ſaßen ſeelenvergnügt in
Uhrer Florentiner Villa beim Abendeſſen, als plötzlich
i in Steinhagel hereinſauſte, der die Teller und Gläſer
vertrümmerte. Als der Maeſtro wutentbrannt vom
Stuhle ſprang, ſah er noch drei Perſonen, deren eine
ihm in deutſcher Sprache eine ſchwere Beſchimpfung,
and Bedrohung zurief. Die ſofort verſtändigte Po=
izei
glaubt, daß das Attentat von einer ſächſiſchen
Familie ausging, die in der Nähe der Ortſchaft Set=
fignano
eine Villa bewohnt.
Auſiſcſcht.
Wellmann über ſeine Ozean=Luftfahrt.
C.K. Mit wachſendem Intereſſe verfolgt Amerika
leie umfangreichen Vorbereitungen, die in der kühnen
LZuftfahrt gipfeln ſollen, in der Wellmann im Herbſt
mit ſeinem Lenkballon Amerika den Atlantiſchen
Ozean überqueren und in Europa landen will. Der
unternehmende Amerikaner, der ſeinerzeit durch ſeine
nglücklichen Verſuche, mit einem Lenkballon den Pol
zu erreichen, bekannt wurde, hat ſich in Atlantie Eity
füber die Ausſichten ſeines Vorhabens geüußert. Sein
etziger Verſuch ſei ein Echo des Planes, den Nordpol
nnit dem Luftſchiff zu erreichen, den er damals, den
Spuren des unglücklichen André folgend, gefaßt habe.
Die Amerika iſt von Paris bereits unterwegs und
in 14 Tagen werden die Verſuchsfahrten beginnen, und verließ die Bahn.
ſoie das Wagnis des Ozeanfluges vorbereiten. Ich
weiß nicht, ob ich mein Ziel erreichen kann, aber ver=
luchen
können wir es. Die Amerika kann 17000
33 engliſche Meilen in der Stunde zurücklegen, was Rolle. Trotzdem der Rennſport in keinem Lande der=
micht
von dem Komponiſten aus, denn Gounod ſowohl
wie Verdi und Puccini ſind durchaus keine tragiſchen,
ſeem Düſteren zuneigenden Künſtler und haben auch Qualen finden kann.
für das Heitere und Komiſche eine ausgezeichnete Be=
gabung
. Es iſt der Geſchmack des Publikums, der die
Oper zur Schreckenskammer umwandelt.
** Noch ein Märtyrer der T=Strahlen.
Erſt vor wenigen Tagen iſt in London Dr. Cox als
in Opfer der x=Strahlen nach langem, qualvollem
Beiden dahingerafft worden; nun wird aus Philadel=
zohia
berichtet, daß auch die amerikaniſche Wiſſenſchaft Middlesbrough in England war ſo ſehr davon über=
in
kurzer Zeit den Verluſt eines eifrigen Forſchers
wird beklagen müſſen; im Jefferſon=Hoſpital liegt Dr.
Mihran K. Kaſſabian im Sterben. Er war einer der
erſten Gelehrten, die in Amerika die Erforſchung der
gefährlichen K=Strahlen begannen, und wie Dr. Cox
ſtirbt auch er an den Folgen der geheimnisvollen
Strahlenvergiftung. Der herviſche Gelehrte hat ſeine
Leiden mit der größten Sorgfalt verheimlicht, und erſt
ſetzt wird der Urſprung und die Tragweite ſeiner Er=
rankung
bekannt. Die Aerzte geben zu, daß es ſich
um eine Art Hautkrebs handelt, der durch die Ver=(
brennung der Haut durch E=Strahlen entſtanden iſt.
Bereits im vergangenen Jahre hatte das unaufhalt=
ſame
Leiden bedrohliche Fortſchritte gemacht; der ganze
linke Arm war in Mitleidenſchaft gezogen, die Drüſen
heatten ſich erweitert, und man ſchritt zu einer Opera=
tion
. Der Chirurgieprofeſſor an dem Jefferſon Medi=
cal
=College entfernte die Drüſen, aber die Wunden
heeilten nicht, und der Zuſtand wurde immer ſchlim=
mer
. Man mußte bald darauf zu einer zweiten
Operation Zuflucht nehmen. Alle größeren Muskeln
der linken Bruſtſeite wurden vor etwa vier Monaten
durch dieſen neuen chirurgiſchen Eingriff entfernt.
Aber die erhoffte Erleichterung iſt ausgeblieben, alle
Mittel der Wiſſenſchaft, das Uebel zu bekämpfen, waren
ſruchtlos. Die Aerzte geben jetzt zu, daß keine Hoff=
rung
mehr bleibt, und daß Dr. Kaſſabian als ein zwei=

das iſt nur eine theoretiſche Erwägung; in Wirklichkeit Land über derartig viele große Rennbahnen verfügt,
werden wir langſamer fliegen müſen, weil ſonſt unſer erhielt der B. D. R. von Anfang an nur 10 Stimmen
Stunde zufrieden ſein; ſollte der Wetergot uns wirk= die drei Pariſer Bahnen repräſentiert wird. Da die
Motoren benutzen, um größere Geſchwindigkeiten zu
erzielen. Mit meinen Gefährten trage ich die Verant= regelmäßig die je zwei Stimmen der kleineren Län=
wortung
und wir tun alles, um die gefährliche Sache
auf möglichſt gefahrloſe und ſichere Wege zu leiten. war Deutſchland von vornherein majdriſiert. Wegen
einem Mißerfolg; aber wir haben keine Angſt vor die= Differenzen mit dem nach internationaler Anerken=
ſer
Möglichkeit zu ſcheitern und ausgelacht zu wer=
den
. Daß die Amerika imſtande iſt, eine 3000= Mei=
lenfahrt
zu vollbringen, ſollen in den nächſten Tagen
die Landflüge bei Atlantie Eity beweiſen. Aber die u. C. J. auftreten zu können.
entſcheidenden Fragen, die unbekannten Faktoren wer=
den
erſt durch den Flug über den Ozean geklärt; ob die
Ballonhülle durch die transatlantiſche Atmoſphäre ge=
durch
den Wellmann die Gefahren des Fluges auf ein
Minimum zu reduzieren hofft. Er will ſich bei dem
Fluge möglichſt an die Routen halten, die die Paſſa=
gierdampfer
benutzen, ſo daß Hilfe im Notfalle leicht zu
erlangen wäre. Darum hält Wellmann auch das
Unternehmen keineswegs für ſo gefahrvoll, wie das
Publikum im allgemeinen glaubt.

letzten Tage ſich etwas gelegt hatte, iſt 2 I heute
vormittag 9 Uhr 20 Minuten aufgeſtiegen und
hat über Metz und Umgegend manöpriert. Gegen 10
Uhr 35 Minuten landete das Luftſchiff wieder. Um 10
Uhr 14 Minuten war auch M I aufgeſtiegen, der
kurze Zeit im Oſten der Stadt kreuzte.
* Ein neues Mittel zur Bekämpfung
rat zur Bekämpfung von Luftſchiffen, einer Erfindung
des Hauptmanns Sazerac de Forge, wird in franzöſi=
ſchen
Militärzeitungen berichtet: Eine hohle, 2 Meter
eine Reibungsſchlagröhre entzündet werden kann.
Unten iſt die Stange durch ein Bleigewicht beſchwert
und mit einer eiſernen Spitze verſehen, oben trägt ſie
eine Art Kreuz= oder Schwanzſtück, das nicht nur den
ſenkrechten Fall der Stange gewährleiſten ſoll, ſondern
außerdem durch einen Draht mit dem Zünder verbun=
den
iſt. Man hat den Apparat als Luſtpfeil bezeich=
net
, doch iſt dieſer Name wohl kaum glücklich gewählt.
Denn die Waffe kann nicht pfeilartig verſchoſſen wer=
den
, ſondern ſoll augenſcheinlich von einem das feind=
liche
überfliegenden Luftfahrzeug auf dieſes fallen ge=
laſſen
werden. Durchdringt ſie mit der ſchweren Spitze
die Ballonhülle, ſo bleibt das überſtehende Schwanzſtück
an dieſer hängen, der Draht zieht die Schlagröhre ab,
und die entſtehende Stichflamme bringt die Ballongaſe
zur Exploſion. Man muß alſo erſtens den Gegner
überfliegen und zweitens den in ſolchem Gefahrs=
moment
wohl recht beweglichen Gegner mit einem ſo
primitiven Wurfgeſchoß treffen. Zurzeit werden Ver=
ſuche
gemacht zur Ermittelung der Höhe, aus der der
Apparat fallen muß, um die Ballonhülle mit Sicherheit
zu durchſchlagen.
Sport.
Die Vorgänge in Brüſſel.
Wie uns gemeldet wird, trat in Brüſſel das Bu=
reau
der Union Cyeliſte Internationale am Montag
zu einer Sitzung zuſammen und belegte Rütt und
Geldſtrafe und drei Monaten Disquali=
fikation
. Gleichzeitig ſprach die Union Cyeliſte
Internationale (U. C. J.) offiziell ihr Bedauern aus,
daß das Reglement eine Beſtrafung der deutſchen De=
legierten
, die den deutſchen Fahrern den Start unter=
ſagten
, nicht zuließe. Ferner verlangte die U. C. J.
vom Verband Deutſcher Radrennbahnen (B D. R.)
eine Erklärung, ob er das Auftreten ſeiner Delegier=
Verhandlungen nicht beiwohnte, aber als Renn=
kommiſſionär
noch den Rennen beiwohnte, legte nach
Bekanntgabe dieſer Beſchlüſſe ſofort ſein Amt nieder
Dieſe Vorgänge ſetzen der Behandlung Deutſch=
lands
ſeitens der U. C. J. die Krone auf. In dem am
14. April 1900 gegründeten Weltverbande ſpielte der
Gallonen Gaſolin mitführen. Wir könnten wenigſtens B. D. R. von Anfang an nur eine ſtiefmütterliche Zip, St. Hugo, Piece dOr, Diadem, Eiſen. Leicht
tes Opfer der T=Strahlen nur durch den Tod binnen
kurzem Erlöſung von ſeinen mannhaft erduldeten

Kleines Feuilleton.
* Der Fliegentod in Middlesbrough.
Nicht immer führt ein gutes Beginnen, das von den
beſten Abſichten eingegeben iſt, auch zu einem erfreu= den Epidemien geradezu Vorſchub leiſtete. Tauſende
lichen Ausgang. Der Hygiene=Inſpektor der Stadt
zeugt, daß die Fliegen als Verbreiter anſteckender
eines ſchönen Tages ein Manifeſt veröffentlichte, in
welchem er für je fünfzig gewöhnliche Stubenfliegen Geſchichte vom Anfang und Ende der Fliegenjagd von
oder für je zwölf blaue Fleiſchfliegen, die, ordnungs=
mäßig
auf Nadeln geſpießt, im Rathauſe abgeliefert
werden würden, eine Bekohnung von 1 Penny ver=
ſprach
. Hätte er das lieber nicht getan! Nach vier York Tribune erzählt, daß auf Elba eine Inſchrift an
Tagen ſchon hatte man im Rathauſe von Middles=
brough
kaum noch Platz= für die Zündholzſchachteln und
für die Pappendeckel, auf welchen, fein ſäuberlich auf=
geſpießt
, die erjagten Fliegen abgeliefert wurden. Ein Pflug in die Hand und verſuchte ſein Glück, aber mit
kleiner Burſche brachte 1200 Fliegen auf einmal: im geringem Erfolg. Die Inſchrift bezieht ſich hierauf und
ganzen wurden den ſtädtiſchen Behörden 120 000 Flie= lautet: Napoleon der Große, der hier MbéCGxlv
den übergeben und mit 200 Mark ſehr anſtändig be= vorüberging, nahm in dem benachbarten Felde den
zahlt. Das wäre alles ſehr ſchön geweſen, wenn nicht
das ganze, ſonſt ſo ſtille und ernſte Hygieneamt durch
verſetzt worden wäre. Die Beamten hatten keine Zeit entflohen in wilder Haſt.
mehr, ſich ihren wichtigen Arbeiten zu widmen: alle
wer nicht Fliegen zählte oder bezahlte, ſtand als Mit=
Scharen von Jungen und Mädeln, die an den Türene
Spalier bildeten, in Ordnung zu halten. Am vierten
daß der Hygieneaſſeſſor Mattiſon ſein Name ſoll für ihr ſelber Du g’ſagt hat.

910.
Seite 5.
ſchneler würe wie die Fahrt der Maureiania: Aber f artig in Piüte ſeht wie bei und und kein anderes
Heizmaterial zu ſchnell erſchöpft wäre. Bei günſtigem gegen das mit 12 Stimmen an der Spitze ſtehende
Winde werden wir mit 17 engliſchen Meilen in der Frankreich, obwohl dieſes in der Hauptſache nur durch
lich günſtig geſinnt ſein, dann erſt würden wir beide franzöſiſchen Delegierten auf den Konſerenzen der
II. E J. neben 8 Stimmen von Amerika auch noch
der, wie Griechenland, Portugal uſw vertraten, ſo
Vielleicht gelingt es uns, vielleicht endet alles mit der häufigen Streitigkeiten im eigenen Lager und den
nung ſtrebenden Deutſchen Radfahrer=Bund war der
V. D. R. nie recht in der Lage, ſeiner machtvollen
Stellung entſprechend bei den Verhandlungen der
Die Vorgänge bei den letzten Weltmeiſterſchaften
aber werden den V. D. R. nunmehr zu ſeinem Aus=
tritt
aus der u. C. J. zwingen, bei welchem
ſchädigt wird, ob die Windſtrömungen günſtig ſind und Schritt der Deutſche Verband ſicher auf die Unterſtütz=
überwunden
werden können. Auf alle Fälle wird Ende ung aller in Betracht kommenden Kreiſe rechnen kann.
September die Fahrt angetreten Die Amerika führt Daß der V. D. R. die Anordnungen ſeiner Delegier=
einen
Apparat für drahtloſe Telegraphie an Bord, ten in Brüſſel umſtößt, wie er die oben gemeldete An=
frage
der U. C. J. bezweckt, iſt ſo gut wie ausgeſchloſſen,
da dieſe ja ſein Vorſtand getroffen hat. Die Disquali=
fikation
von Rütt und Otto Meyer vermag er eben=
falls
nicht anzuerkennen, da die beiden Fahrer ja nur
ſeinen eigenen Anordnungen gefolgt ſind. Nach den
Beſtimmungen der U. C. J. aber ſind alle Fahrer, die
gegen disqualifizierte Rennfahrer ſtarten, ebenfalls
disqualifiziert und ſo wird es in Deutſchland jeden=
falls
bald keinen qualifizierten Rennfahrer mehr
* Metz, 27. Juli. Nachdem der ſtarke Wind der geben. Der Austritt aus der U. C. J. hat, abge=
ſehen
davon, daß ſicherlich der eine oder andere aus=
ländiſche
Verband, der mit dem innerhalb der U. C. J.
allein tonangebenden franzöſiſchen Verbande auf kei=
nem
guten Fuße ſteht, ſich dem V. D. R. anſchließen
wird, keine beſonderen Nachteile, denn Deutſchland
verfügt über eine ſo große Anzahl hervorragender
einheimiſcher Rennfahrer, um überall gut beſetzte Ren=
von
Luftſchiffen. Von einem eigenartigen Appas nen abhalten zu können. Außerdem werden die in
Deutſchland ſtändig anſäſſigen Fahrer, wie Stol, Ry=
ſer
, Guignard, Dickentman, Hall uſw. ſicherlich auf die
Zugehörigkeit zu der U. E. J. verzichten und ſich eine
lange Stange iſt mit einem Zündſatz gefüllt, der durch Lizenz vom V. D R. löſen, durch den ſie ja bisher
größtenteils ihr Brot verdient haben.
Das Anſehen des deutſchen Rennſports erfordert
jedenfalls das ſchärfſte Auftreten gegen die letzten Be=
ſchlüſſe
der U. C. J., die wie eine direkte Verhöhnung
wirken, wenn man berückſichtigt, daß der vor 8 Tagen
wegen der unerhörten Behinderung des Deutſchen
Neumer auf 3 Monate disqualiſizierte Amateur=
Derier ſchon am letzten Sonntag ohne irgend welce
Bedenken ſeitens des franzöſiſchen Verbandes in Pa=
ris
als Berufsfahrer wieder zum Start zu=
gelaſſen
wurde.
Pfr. Der Schlußtag des Wiesbadener
Eröffnungsmeetings ging am Dienstag bei
Regenwetter vor ſich. Nach dem von Redleap gewonne=
nen
Schloßpreis wurden deſſen Trainer Scheffer und
Jockei Charvat vor die Stewards gerufen, um über das
verſchiedenartige Laufen des Wallachs Aufklärung zu.
geben. Mit der Ausſage Trainer Scheffers, daß Red=
leap
nur unter Jockei Bredereke willig galoppiere, er=
klärten
ſich die Stewards für befriedigt. In dem von
Diabolo II. gewonnenen Kurpreis verlor Bröſen in
der Geraden ſeinen Reiter. Die einzelnen Reſultate
waren: Preis von Saalburg. 3000 Mark. Diſtanz 1000
Meter: 1. Geſtüt Ludwigsfelds Amneſtie (Shurgolb), 2.
Matigeum (Nitzſche), 3. Ent oder weder (Spear). Tot.
27:10, Pl. 17, 22:10. Unpl. Ghoorka, Herr Hauptmann.
Leicht 31½ Lg. Mainzer Jagd=Rennen. Ehren=
preis
und 2500 Mark. Diſtanz 3000 Meter: 1. Hrn. v.
Maſſows Chateauvert (Lt. v. Moßner), 2. Common
Otto Meyer für ihr Nichtſtarten mit 500 Fres. Eonneil (Lt. Hagemann), 3. Dependenee (Lt. Winterer).
Tot. 14:10, Pl. 11, 13:10. Unpl. More Scotch, Vizer.
Ueberlegen 84 Lg. Schloß=Preis. 4000 Mark,
Diſtanz 3200 Meter: 1. Hrn. J. H. Scheffers Redleap
(Bredereke), 2. Oſterhaſe (Charvat), 3. Hofnarr ( Hoff=
mann
). Tot. 96:10, Pl. 30, 15.10. Unpl. Diana, Thilde.
Ueberlegen 2½2 Lg. Kurpreis. 4000 Mark. Diſtanz
1400 Meter: 1. Dr. Harffs Diabolo II. (Shurgold), 2.
Adler (Spear), 3. Suſo (Matz). Tot. 21:10, Pl. 14, 15:10.
ten gut heißt oder nicht. Ullrich=Dresden, der dieſen Unpl. Gruna, Bröſen (gef.). Sehr ſicher, Hals bis 1 Lg=
Preis vom Neroberg. Ehrenpreis und 4000 Mark.
Diſtanz 4000 Meter: 1. Lt. Winterers Stromboli (Beſ.),
2. Viſegrad (Lt. Hagemann). Tot. 14:10. Zwei liefen.
Ueberlegen 8 Lg. Preis von der Eiſernen Hand.
2500 Mark. Diſtanz 300 Meter: 1. Hrn. M. Zollners
Sturm (Baſtian), 2. Lord Rosmead (Birghan), 3. Anchovy
(Naſh). Tot. 156:10, Pl. 38, 17. 2210. Unpl. Sizun,
2½2 2a.
ewige Zeiten aufbewahrt bleiben ſich gezwungen ſah,
um ſeine Entlaſſung aus dem Dienſte zu bitten; vor=
her
ſchrieb er aber noch an die Zeitungen einen Brief,
in welchem er flehentlich bat, daß man der guten Stadt
Middlesbrough kund und zu wiſſen tun ſolle, daß der
Fliegenpreis abgeſchafft ſei, da ſich herausgeſtellt habe,
daß die ſogen. Ausrottung des Fliegenzeugs, ſtatt die
Verbreitung der Infektionskrankheiten zu verhindern,
von Kindern kletterten, um Fliegen zu fangen, ſtunden=
lang
in den Miſtgruben herum, durchwateten das ſchmie=
rigſte
Goſſenwaſſer, durchſtöberten die ſchmutzigſten
Krankheiten der Volksgeſundheit ſchädlich ſind, daß er Winkel der Stadt und erfüllten dann das Hygieneamt
mit unerträglichen veſtilenzialiſchen Düften. . . . Das
iſt die dem Daily Telegraph nacherzählte wunderſamz
Middlesbrough.
* Eine Napoleon=Anekdote. Die New=
einem
Bauernhauſe an eine wenig bekannte Anekdote
Napoleons I. erinnert. Eines Tages ſah der Kaiſer
einen Bauer, namens Giaconi, pflügen, nahm den
Pflug aus den Händen eines Bauern und verſuchte
ſelbſt zu pflügen. Die Ochſen jedoch rebeklierten
die Fliegenjäger und ihre Jagdbeute in hellen Aufruhr gegen die Hände, die Europagelenkt hatten, und
* Liebe Jugend! Mein Burſche war aus der
waren mit der Einreihung der Fliegen beſchäftigt, und Gegend, wo man zu allen Leuten Du ſagt. Meine
Frau betitelte er ſtets: Du Gnädige‟. Ich verbot ihm
glied des Empfangskomitees an der Tür, um die das, und er nahm ſich ſichtlich zuſammen. Bald darauf
erzählt er unſerem Dienſtmädchen folgendes: Du,
Theres, mir hat der Alte verboten, daß i zu der Gnä=
Tage war die Situation ſo ernſt und kritiſch geworden, digen Du ſag’ und heunt hab’n i dawiſcht, wie er zu

[ ][  ][ ]

Seite 6.

Darmſtädter Tagblatt, Donnerstag, den 28. Juli 1910.

Nummer 174.

Homburger OffiziersLamntennis=
Turnier. (Zweiter Turniertag.) Im Herren=
Einzelſpiel um den Kaiſerpreis iſt die erſte
Runde beendet. Die noch ausſtehenden Kämpfe ge=
wannen
Leutn. von Haugk (Grenadier=Regt. Nr. 100,
Dresden) gegen Leutn. zur See Prinz Chriſtian von
Heſſen mit 60, 61, Leutn. Rübſamen (Feldart.=Regt.
Nr. 4, Magdeburg) gegen Leutn. von Ilſemann
(Leibgarde=Inf.=Regt. Nr. 115) mit 64, 63, Oberlin.
Seebohm (Inf.=Regt. Nr. 167, Kaſſel) 30 gegen Lt.
Freiherrn von Buddenbrock (1. Garde=Feldart.=Regt.,
Berlin) mit 97, 62, Leutn. Leſſer (Inf.=Regt. Nr. 49,
Gneſen) gegen Generalleutn. Freiherrn von König
mit 26, 61, 62. Die zweite Runde, deren aus=
ſtehende
Kämpfe gleichfalls ausgetragen ſind, gewann
v. Haugk gegen v. Winterfeld mit 61, 61. Seebohm
( 30½) gegen Rübſamen mit 60, 61 und Leſſer
gegen Leutn. Oppenländer (Inf.=Regt. Nr. 124, Lud=
wigsburg
) mit 63, 61. In der dritten Runde ſiegte
v. Haugk über v. Sommerfeld mit 60, 63, Runge
über Bartels mit 62, 64, Daub über Leſſer mit
63, 46, 62. Der letzte Kampf dieſer Runde, See=
bohm
gegen Erbprinz Adolf zu Schaumburg=Lippe ſteht
noch aus. Im Doppelſpiel ohne Vorgabe
iſt die erſte Runde zu Ende geführt. Es gewannen
v. Haugk und Freiherr v. Buddenbrock gegen v. Papen
und Kirchner mit 62, 62, Seebohm und Runge gegey
Leſſer und v. Ilſemann mit 68, 61, 86, v. Winter=
feld
und Krengel gegen Dulier und Heibey mit 63,
64. Die zweite Runde, welche bis auf ein Spiel
ausgetragen iſt, gewannen Schmidt und Rübſamen
gegen Prinz Chriſtian von Heſſen und Oppenländer
mit 60, 86, Frhr. v. Gienanth und Daub gegen
v. Winterfeld und Krengel mit 63, 62, Seebohm
und Runge gegen Leyers und v. Sommerfeld mit
61, 63. Zu dem Herren=Doppelſpiel
mit Vorgabe haben 13 Paare gemeldet. In der
erſten Runde ſiegten Erbprinz Adolf von Schaumburg=
Lippe und v. Diergardt (*/) über Prinz Chriſtian von
Heſſen und v. Zaſtrow (30) mit 65, 63, Krengel
und Runge ( 15) ſchlugen Leyers und Nonn (15½)
mit 26, 65, 64, v. Papen und Bartels (¾) be=
ſiegten
Leſſer und v. Winterfeld ( ½) mit 65,
63, Heibey und Oppenländer (15) gewannen gegen
v. Sommerfeld und Frhrn. v. Buddenbrock ( ½) mit
46, 62, 62. Ein Kampf ſteht in dieſer Runde
noch aus. Im folgenden Gange gewannen Erbprinz
Adolf zu Schaumburg=Lippe und v. Diergardt gegen
Frhrn. v. Gienanth und Dulier (½) mit 64, 63.
Herren=Einzelſpiel mit Vorgabe. 25
Meldungen. Erſte Runde: Rübſamen (½) ſchlug Erb=
prinz
Adolf zu Schaumburg=Lippe (15½) mit 64,
62, v. Papen (15½) beſiegte v. Sommerfeld (¾) mit
65, 65, Frhr. v. Gienanth (15¾) ſchlug Krengel
(*) mit 56, 64, v. Zaſtrow (15½) ſiegte ohne Spiel
über v. Winterfeld (½), Heibey (15½) gewann gegen
v. Diergardt (*) mit 56, 65, 64, Daub (*) ſchlug
Oppenländer (15½) mit 62, 63. Von den Raſten
gewann in der folgenden Runde Schmidt (15½) über
Prinz Chriſtian von Heſſen (15½) mit 63, 62,
v. Ilſemann (15½) über Kirchner (15¾) mit 61,
62 und v. Haugk ( 15) über Frhrn. v. Budden=
brock
(¾) mit 64, 63.
sch. Das Internationale Meiſter=
ſchafts
=Schachturnier in Hamburg ergab in
der ſiebenten Runde die Siege von Leonard=Deutſchland
über Yates=England, von Marſhall=Amerika über
Speyer=Holland, und von Chotomirski=Rußland über
Fleiſchmann=Ungarn. Remis wurden die Partien
Schlechter=Oeſterreich gegen Tarraſch=Deutſchland,
Duras=Prag gegen John=Deutſchland, Niemzowitſch=
Rußland gegen Teichmann=Deutſchland und Spielmann=
Deutſchland gegen Alechin=Rußland. Unbeendet blieb
die Partie Köhnlein=Deutſchland gegen Tartakower=
Oeſterreich. Jacob=Deutſchland iſt aus dem Turnier
ausgeſchieden, Salve=Rußland, der gegen ihn hätte an=
treten
müſſen, war ſomit ſpielfrei. Schlechter führt mit
5½ Punkten vor Marſhall mit 5 und Duras und Niem=
zowitſch
mit je 4½ Punkten.

Handel und Verkehr.
H. Fran kfurt a. M., 26. Juli. ( Frucht=
marktbericht
.) Am Wochenmarkt blieb der Ver=
kehr
ſehr beſchränkt und die Stimmung noch zur Feſtig=
keit
hinneigend. Landweizen in guter Beſchaffenheit
war nur knapp offeriert und wurde vorhandenes Ma=
terial
ſchlank abgeſetzt. Landroggen neuer Ernte war
ſchon etwas vorhanden, wobei für gut mahlbare Ware
15,50 Mark franko hier bewilligt wurde. Hafer war
etwas mehr gefragt, ebenſo Futtergerſte. Mais preis=
haltend
. Die Forderungen für Mehl blieben hoch=
gehalten
.
Der Mannheimer Getreidemarkt iſt
feſt. Die amerikaniſchen Angebote ſind um 2 Mark er=
höht
; Rumänien fordert unrentable Preiſe. Direkte
Offerten von Südrußland liegen bisher überhaupt
nicht vor.
An der Berliner Produktenbörſe war
Weizen trotz der niedrigen Preiſe in Amerika anfangs
gut behauptet auf Nachfrage nach greifbarer Ware
und auf Nachrichten von Wetterſchäden in der Provinz.
Später erfolgte jedoch Abſchwächung infolge des ſtär=
keren
Inlandangebots, doch bleibt der Schluß wieder
feſter auf Käufe der Importeure. Von der Donau
ſollen große Poſten Weizen nach England verkauft ſein.
Hafer war hingegen auf beträchtliche Zufuhren billiger
erhältlich.

Nach den letzten Kabelmeldungen von den ameri=
kaniſchen
Getreidemärkten (Chicago und
New=York) war Weizen feſt auf ermäßigte Ernteſchätz=
ungen
aus Rußland, günſtige Exportberichte und den
hauſſelautenden Viſible Supply=Ausweis. Mais eben=
falls
im Preiſe anziehend auf Meldungen über Hitze
und Trockenheit. Die ſichtbaren Weizenvorräte ſind
dort in dieſer Woche von 10,83 Millionen Buſhels auf
10,08 Millionen Buſhels und die Maisvorräte von 4,74
Mill. Buſh. auf 3,93 Mill. Buſh. zurückgegangen. Auch
in Kangda reduzierten ſich die Weizenvorräte in
dieſer Woche von 4,50 Millionen Buſehls auf 4,38 Mill.
Buſhels.
Hier ſtellen ſich die Preiſe bei 100 Kilogramm wie
folgt: Weizen, hieſiger und Wetterauer, 21.00 bis
21.25, Norddeutſcher 21.0021.25, Kanſas 21.5022.50,
Rumäniſcher 21.0022.50, Redwinter 21.5022.50, Ruſ=
ſiſcher
21.5022.75, Laplata 21.5022.50, Donauweizen
21.5022.50, Kurheſſiſcher 21.0021.25, Walla Walla
21.5022.50; Roggen, hieſiger, 15.5016.00, Bayeri=
ſcher
(Pfälzer) 15.6016.00, Ruſſiſcher , Amerika=
niſcher
, Rumäniſcher : Gerſte, Pfälzer,
hieſige und Wetterauer , Riedgerſte
Ungariſche , Fränkiſche , Ruſſiſche Futter=
gerſte
.; Hafer, hieſiger, 15.2516.00, Bayeriſcher
15.5016.00, Ruſſiſcher . Amerikaniſcher
Rumäniſcher ; Mais, mixed, 15.0015.50, Ruſſi=
ſcher
15.0015.50, Donaumais 15.2515.75, Rumäni=
ſcher
15.0015.50, Weißer Mais 15.0015.50, Laplata
15.0015.50, Weizenſchalen 9.5010.00, Weizenkleie 9.00
bis 9.50, Roggenkleie 9.5010.00, Futtermehl 12.50 bis
14.00, Biertreber, getrocknet, 12.5012.70; Weizen=
mehl
, hieſiges (Baſis ab Mannheim) Nr. 0 31.50 bis
32.00, feinere Marken 32.2532.50; Nr. 1 29.5030.00,
feinere Marken 30.2530.50; Nr. 2 28.5028.75, feinere
Marken 29.0029.25; Nr. 3 26.5027.00, feinere Mar=
ken
27.2527.50; Nr. 4 22.5023.00, feinere Marken
23.2523.50; Roggenmehl, hieſiges, Nr. 0 24.25 bis
24.75, Nr. 1 23.2523.50, Nr. 2 20.5020.75.

Arbeiterbewegungen.
* Hanau, 27. Juli. Das dem deutſchen Trans=
port
=Arbeiter=Verband angeſchloſſene Perſonal der
Hanauer elektriſchen Straßenbahn, ſowie das Perſonal
der Werkſtätten der elektriſchen Straßenbahn in Hanau
iſt infolge Differenzen mit der Betriebsleitung heute
früh in den Ausſtand getreten. Es verkehren
nur 3 Wagen. Der Verkehr nach Groß=Steinheim iſt
vollſtändig unterbrochen. Verhandlungen ſind einge=
leitet
.
* Lens, 26. Juli. Die geſtern in Streik getrete=
nen
Bergleute der Gruben von Liéwin durchſchnit=
ten
die Telephon= und Telegraphendrähte der Gruben,
ſowie die Signaldrähte der Grubenbahn. Es, wurde
beſchloſſen, mit der Grubenleitung nur dann in Ver=
handlung
zu treten, wenn zwei vorher entlaſſene Ar=
beiter
wieder eingeſtellt werden.
* Barcelona, 26. Juli. Hier herrſcht heute voll=
kommene
Ruhe. In allen Fabriken wird gearbeitet,
nur die Kohlenauslader ſtreiken.

Stimmen aus dem Publikum.
(Für die Veröffentlichungen unter dieſer Ueberſchrift übernimmt die Redaktion
keinerlei Verantwortung: für ſie bleibt auf Grund des § 21 Abſ. 2 des
Preßgeſetzes in vollem Umfange der Einſender verantwortlich.)
Nachdem die Geſchäftsreklame in der
elektriſchen Straßenbahn einmal zugelaſſen
iſt, fängt man leider an, ſogar die Fenſter mit ſol=
chen
Reklametafeln zu verkleben. Wie man nun auch
zu dieſer Art Reklame ſtehen mag, die Fenſter der
Straßenbahn und zwar alle, auch die nach der Vor=
der
= und Hinterſeite, ſind dazu nicht da, ſondern
zum Durchſehen! Der Fremde beſieht ſich gern
das Stadtbild und iſt wenig angenehm berührt, wenn
er, wie in manchen Städten, zum Beiſpiel dem ſchönen
Weimar, ſtatt deſſen auf Reklametafeln blicken muß.
Auch der Einheimiſche orientiert ſich lieber in unge=
trübtem
Ausblick in unſere Stadt und ihre Umgebung,
als durch halb verdeckte Scheiben an Schokolade= uſw.
Reklamen vorbei. Es genügt vielleicht dieſe Bitte an die
maßgebenden Stellen: alle Fenſter der Straßenbahn=
wagen
von Reklametafeln vollſtändig frei zu halten,
und damit wenn’s denn ſein muß , nur die un=
durchſichtigen
Holzteile der Wagen zu verſehen! -1.

Literariſches.
Im Verlage von Paaſche u. Luz in Stuttgart
erſchien ſoeben Walter Paaſches Wander= und
Touriſtenkarte vom Pfälzerwald und
Haardtgebirge, Maßſtab 1:100000, in 8farbigem
Steindruck. Das ſtattliche Blatt reicht vom Donners=
berg
im Norden bis nach Weißenburg im Süden, von
der Rheinebene bis nach Pirmaſens im Oſten, enthält
alſo den beſuchteſten Teil des Pfälzer Waldgebietes.
Unſerer Damenwelt dürfte eine Revue der ſchick=
ſten
Bluſenformen in Wort und Bild ſehr willkommen
ſein, die der bekannte Modenverlag F. Bruckmann
A.=G., Berlin W. 35, ſoeben mit ſeinem neueſten Blu=
ſenalbum
für dieſes Sommerhalbjahr herausge=
geben
hat. Es ermöglicht einen vollen Ueberblick über
dieſen wichtigen Teil der Frauenkleidung, und ſelbſt
des Schneiderns ungeübte Damen ſind imſtande, mit
Hilfe des beigegebenen reichhaltigen Schnittmuſter=
materials
und der detaillierten Beſchreibungen die
Selbſtanfertigung ihrer Bluſen vorzunehmen. Der
Preis dieſer bedeutend vermehrten Ausgabe iſt 1,20 M.
einſchließlich Porto bei allen Buch= und Zeitſchriften=
händlern
oder direkt vom Verlag.

Rechtzeitig zur Penüſung für die begimende
Reiſe= und Ferienzeit erſcheint in dritter Auflage Walter
Paaſches Wander= und Touriſtenkarte vom
Odenwald, Bergſtraße und Neckartal, Maß= 1:100 000, in achtfarbigem Steindruck. Preis 1,10 Mk.
Die längſt gewürdigten Vorzüge dieſer bekannten Karte
ſind durch Eindruck der farbigen Wegbezeichnungen noch er=
höht
worden. Die Karte iſt durch alle Buchhandlungen
oder, wo ſolche nicht vorhanden ſind, direkt durch den Ver=
lag
Paaſche & Lutz, Kartographiſche Anſtalt und Verlag
in Stuttgart, zu beziehen.

Letzte Nachrichten.
(Wolffs telegr. Korreſp.=Bureau.)
* Berlin, 27. Juli. Wie wir hören, wurde Geheimer
Oberregierungsrat im Miniſterium des Innern König=
licher
Kammerherr v. Gersdorff zum Regierungspräs
ſidenten in Merſeburg ernannt.
* Berlin, 27. Juli. Die Norddeutſche Allgemeine
Zeitung meldet: Der Kaiſerliche Konſul für Kairo,
Freiherr von Falkenhauſen, wird vom 3. bis
6. Auguſt und am 8. Auguſt im Hotel Kaiſerhof in Ber=
lin
, Wilhelmsplatz, von 9 bis 11 Uhr vormittags und
von 3 bis 5 Uhr nachmittags für Intereſſenten, die über
die Handelsverhältniſſe Aegyptens Auskunft wünſchen
zur Verfügung ſtehen.
* Karlsruhe, 27. Juli. Herr Krupp von Bohe
len und Halbach hat für die vom Hochwaſſer Ges
ſchädigten den Betrag von 5000 Mark geſpendet.
* Kreuznach, 27. Juli. Nach Vorhaltungen im
Elternhauſe wegen einer geringfügigen Sache ging die
15jährige Tochter des Zahntechnikers Gunkel
ins Waſſer und ertrank.
* Braunſchweig, 27. Juli. Der Herzogregen
und die Herzogin ſind heute mittag nach ſieben
monatiger Abweſenheit hier eingetroffen und von den
Spitzen der Behörden feierlich empfangen worden,
Das Publikum bereitete den Heimgekehrten einen herz=
lichen
Empfang.
* Leipzig, 27. Juli. Vor einigen Tagen wurden
von der hieſigen Kriminalpolizei der 29jährige Arbeis
ter Friedrich Koppius und ein 22jähriger Bruden
von ihm, Fritz Koppius, verhaftet. Sie ſandten
dem Inhaber der Firma J. J. Weber Expreſſer=
briefe
, die die Unterſchrift Argus R. trugen. Da
noch andere belaſtende Momente bei den angeſtellten
Unterſuchungen zutage kamen, wird geglaubt, der
Aufklärung der Friedrichſchen Mordangelegenheit auf
der Spur zu ſein, die im Dezember 1908 viel beſpro=
chen
wurde.
* Marienbad, 27. Juli. Staatsſekretär v. Kiden
len=Waechter iſt heute früh 7 Uhr hier eingetrof=
fen
. Am Bahnhof waren zur Begrüßung der Sekretär
des Miniſters des Aeußern, Freiherr von Francken=
ſtein
, und der Vizebürgermeiſter Stadtrat Rubritius
erſchienen. v. Kiderlen=Waechter wohnt als Gaſt der
Stadt in deren Schloß Luginsland, wo ſeinerzeit auch
Kaiſer Franz Joſef abſtieg. Um 10 Uhr begab ſich der
Staatsſekretär zum Miniſter des Aeußern v. Aehren=
thal
und verblieb bis zum Lunch.
* Peſt, 27. Juli. Die Indemnitäts= und die
Rekrutierungsvorlage wurden vom Abgeord
netenhauſe mit großer Mehrheit angenommen. Hier
durch wird der außergeſetzliche Zuſtand beendet, welcher
durch Ablehnung des Staatshaushaltsgeſetzes und die
Verweigerung der Rekrutenbewilligung entſtanden wan
* Bergen, 27. Juli. Die Hohenzollern mit den
Kaiſer iſt heute vormittag hier eingetroffen.
* Paris, 26. Juli. Aus Algier wird gemeldet=
Ziemlich heftige Erderſchütterungen wurden in
der vergangenen Nacht in Aumale wahrgenommen. Die
meiſten Häuſer wurden geräumt.
* Liſſabon, 27. Juli. Amtlich. Die Portugieſen
nahmen bisher 14 Piraten gefangen und befrei=
ten
fünf Frauen und drei Kinder, die auf der Inſel
Colowan gefangen gehalten worden waren.
* Konſtantinopel, 27. Juli. Das Gerücht von einem
franzöſiſch=türkiſchen Zwiſchen fall in Tune=
ſien
iſt unbegründet, dagegen erſtattete der Gouver=
neur
von Tripolis Bericht über einen Kampf zwiſchen
einem franzöſiſchen Detachement in Tuneſien und Bedui=
nen
, die nicht türkiſche Untertanen ſind.
* Tanger, 27. Juli. Der deutſche Geſandte Roſen
iſt abgereiſt.

H.B. Dortmund, 27. Juli. Der Direktor Ohm
von der Niederdeutſchen Bank iſt heute mittag 1½ Uhr
auf Veranlaſſung des Unterſuchungsrichters verhaftet
und nach dem Unterſuchungsgefängnis überführt worden.
Breslau, 27. Juli. Nach dem Genuſſe gif=
tiger
Pilze iſt die Familie des Eiſenhoblers,
Kiunke=Breslau erkrankt. Zwei Kinder ſind geſtor=
ben
, an dem Aufkommen der Eheleute und der bei=
den
anderen Kinder wird gezweifelt. In Ullers=
dorf
bei Glatz iſt eine Schauſpielertruppe nach dem
Genuß von Pilzen erkrankt. Eine Frau iſt geſtorben,
die anderen wurden gerettet.
HI. B. Wien, 27. Juli. Die hieſige Preſſe mißt der
Zuſammenkunft Kiderlen=Wächters mit dem
Grafen Aehrenthal keine beſondere politiſche Bedeu=
tung
bei. Immerhin vertritt ſie aber die Anſicht, daß der
aktuelle Wert der Zuſammenkunft nicht zu unterſchätzen
ſei. Das Wiener Fremdenblatt ſchreibt: Die heutige Zu=
ſammenkunft
in Marienbad wird eine neue Bürgſchaft
dafür bieten, daß die äußere Politik der beiden Reiche
in voller Uebereinſtimmung und in friſchem Zuge mitein=
ander
geht.

Heesensrauflaschensiere sind hochfeine Qualitätsbiere. (257a AA [ ][  ][ ]

ekrein
rit
haſt de
in

Nummer 174.

ndd
ch
den wa
de

H. B. Marienbad, 27. Juli. Gegen 10½ Uhr vormit=
lgs
begab ſich Kiderlen=Wächter in die Villa
önbertus, um dem Grafen Aehrenthal einen Beſuch
zzuſtatten, bei dem er eine halbe Stunde verblieb. Kurze
it darauf erwiderte Aehrenthal den Beſuch in der Villa
Pnrginsland. Beide Miniſter verblieben längere Zeit in
ngeregteſter Unterhaltung. An dem Diner, welches Graf
lehrenthal zu Ehren des Staatsſekretärs Kiderlen=
llächter
gibt, werden 12 Perſonen teilnehmen, darunter
Dur Bezirkshauptmann Prinz Heinrich von Liechtenſtein,
Dr Abt von Helmer, Bruder der Gräfin Aehrenthal, Graf
gögyeni und Baron Gemmingen.
Peſt, 27. Juli. Durch die Ueberſchwem=
nung
wurde beſonders das ſiebenbürgiſche Komitat
Erolnok Doboka betroffen; viele Ortſchaften ſind voll=
undig
vom Verkehr abgeſchnitten, ſodaß die Zahl der
rtrunkenen weit größer ſein wird als 25, wie amtlich
begegeben wurde. In Dees ſind mehrere Perſonen
n ihren Wohnräumen ertrunken.
Eine kluge Mutter!
Chemnitz, 11. Dez. 1909. Hartmannſtr. 47 I. Teile Ihnen
hierdurch mit, daß ich Ihr Bioſon mit gutem Erfolg bei
B. eichſucht und Appetitloſigkeit augewendet habe. Nachdem
ſch mir eine Probe hatte kommen laſſen u. gefunden hatte,
der Geſchmack ein ausgezeichneter iſt, beſorgte ich mir
ſeFort aus der nächſten Drogerie ein Paket, welches ich in
Wochen verbrauchte. Ich nahm täglich 2mal davon und
verrabreichte es auch meinen beiden Kindern im Alter von
iund 3 Jahren, welche jetzt ein geſundes und blühendes
Ilusſehen haben. Auch ich habe, nachdem ich noch ein
reiteres Paket verbraucht hatte, wieder ſehr regen Appetit
bekkommen. Ebenſo hat ſich meine Geſichtsfarbe erheblich
gebbeſſert und auch an Gewicht habe ich etliche Pfund zu=
umommen
. Ich bin bemüht, Ihr Präparat überall zu
tapfehlen. Hochachtungsvoll! Frau Martha Müller.
Unterſchrift beglaubigt: Dr. Rudolf Harniſch, Notar.
Bioſon iſt das beſte und billigſte Kräftigungsmittel.
Taket 3 Mk. in Apotheken, Drogerien.
(14935D

Darmſtädter Tagblatt, Donnerstag, den 28. Juli 1910.

Seite 7.

Bau Nauheim
Sprudelhotel:
geſchloſſene Geſellſchaften genießen bei vorheriger
Anmeldung Vorzugspreiſe. (14754fl

Bankſagung.
Für die vielen Beweiſe herzlicher Teilnahme
bei dem ſchweren Verluſte meines unvergeßlichen
Gatten, unſeres Vaters, Bruders, Schwiegervaters,
Großvaters, Onkels und Schwagers, ſagen wir
allen Verwandten und Bekannten, vor allem der
Firma Carl Schenck, ſowie ſeinen Kollegen und
Mitarbeitern der Firma Schenck, dem Deutſchen
Metallarbeiterverband, dem Herrn Pfarrer für
ſeine troſtreichen Worte am Grabe, dem Arbeiter=
geſangverein
Sängerkranz für den ergreifenden
Grabgeſang, ſowie für die vielen Blumen= und
Kranzſpenden auf dieſem Wege unſeren herzlichſten
Dank.
(B14951
Die trauernde Gattin:
Friederike Groh nebſt Kindern.
Darmſtadt, 27. Juli 1910.

- Kinder-
mehl

Kranken-
kost

Hervorregend bewährfe
Nahrung.
Die Kinder gedeihen
vorzüglich dabei
u. leiden nicht an
Vardauungsstörung.

Gottesdienſt bei der israelitiſchen Religionsgemeinde.
Haupt=Synagoge (Friedrichſtraße 2).
Freitag, den 29. Juli 1910.
Vorabendgottesdienſt 7 Uhr 30 Min.
Samstag, den 30. Juli 1910.
Morgengottesdienſt 8 Uhr 30 Min. Sabbatausgang
9 Uhr 5 Min.
Gottesdienſt in der Synagoge der israelitiſchen Religions=
geſellſchaft
.
Samstag, den 30. Juli.
Vorabend 7 Uhr 30 Min. Morgens 7 Uhr 30 Min.
Nachmittags 5 Uhr Min. Sabbatausgang 9 Uhr
5 Min.
Wochengottesdienſt von Sonntag, den 31. Juli, an:
Morgens 6 Uhr Min. Nachmittags 7 Uhr 15 Min.

Während meiner Abweſenheit
werde ich vertreten durch die Herren:
Dr. Draudt, Viktoriaſtr. 42,
Dr. Heyer Hügelſtr. 57,
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San.=Rat Dr. Kolb, Riedeſelſtr. 23,
Dr. Loeb, Ernſt=Ludwigſtr. 20,
Dr. Nöllner, Hölgesſtr. 12,
Dr. Schiffer, Hoftheaterplatz 2.
Dr. Göring.
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Amtlicher Wetterbericht.
Oeffentliche Wetterdienſtſtelle Gießen.
Verlauf der Witterung ſeit geſtern früh: Der Nord=
ſeewirbel
iſt raſch nach Rußland abgezogen und hat
unſerem Gebiet geſtern nur vereinzelt etwas Regen
gebracht. Der Süden blieb vorwiegend trocken. Im
Rücken des abziehenden Wirbels hat ſich ein Hochdruck=
gebiet
über Südweſteuropa ausgedehnt, das heute noch
Abnahme der Bewölkung bringt. Doch naht bereits
wieder eine neue Zyklone weſtlich Irland.
Ausſichten in Heſſen am Donnerstag, den
28. Juli: Nur vorübergehend trocken und zeitweiſe
heiter, bald wieder Trübung, Regenfälle; auffriſchen=
der
Südweſt, etwas wärmer.
Tageskalender.
Konzert um 8 Uhr im Saalbau.
Konzert um 8 Uhr im Hotel Heß.
Konzert um 8 Uhr im Schützenhof
Konzert um 8 Uhr im Perkeo.
Ausſtellung des Deutſchen Künſtlerbundes (geöffnel
von 107 Uhr).
1. Darmſtädter Kinematograph (Ecke Rhein= und
Grafenſtraße): Vorſtellungen von 311 Uhr.
Verſteigerungskalender.
Freitag, 29. Juli.
Hofreite=Verſteigerung der Friedrich Fey Witwe
(Kranichſteinerſtraße 12) um 10 Uhr auf dem Orts=
gericht
I.
Hofreite=Verſteigerung des Heinr. Gaigals ( Karl=
ſtraße
65½) um 10 Uhr auf dem Ortsgericht II.
Wollene Decken=, Eiſen= ꝛc. Verſteigerung um
10 Uhr in der Materialienbaracke auf dem Exerzierplatz.
Hafer=Verſteigerung um 6 Uhr Kranichſteiner=
ſtraße
68½.
Hofreite=Verſteigerung (Pfungſtädterſtraße 47) um
7 Uhr im Rathaus zu Eberſtadt.
Druck und Verlag: L. C. Wittich’ſche Hofbuchdruckerei,
Verantwortlich für den politiſchen Teil, für Fenilleton,
Reich und Ausland: i. V.: Max Streeſe; für den übrigen
redaktionellen Teil und Letzte Nachrichten: Max Streeſe;
für den Anzeigenteil: J. Kroſt, ſämtlich in Darmſtadt.
Für den redaktionellen Teil beſtimmte Mitteilungen ſind
an die Redaktion des Tagblatts zu adreſſieren. Etwaige
Honorarforderungen ſind beizufügen; nachträgliche werden
nicht berückſichtigt. Unverlangte Manuſkripte werden=nicht
zurückgeſandt.

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Kurſe vom 27. Juli 1910.
Mitgeteilt von Hermann Reichenbach.

8. Staatspapiere.
4 Dſche. Reichsſchatzanw.
3½ Deutſche Reichsanl.
do.
4 Preuß. Schatzanweiſg.
½ do. Conſols . .
do. do.
4 Bad. Staatsanleihe ..
do.
3½
do.
4 Bayr. Eiſenbahnanl. . 101,60
do.
do.
4 Hamburger Staatsanl.
4 Heſſ. Staatsanleihe . . 101,50
do.
½
do.
Sächſiſche Rente . . .
4 Württemberger v. 1907
do.
5 Bulgaren=Tabak=Anl. 101,00
*/ Griechen v. 1887 . .
¾/ Italiener Rente . . .
½ Oeſterr. Silberrente 97,80

3½

do. Goldrente .
do, einheitl. Rente 93,80
Portug. unif. Serie I
do. unif. Ser. III
do. Spezial.
Rumänier v. 1903 . .
do. v. 1890 . .
do. v. 1905 . .
Ruſſenw. 1880 . 3.

In Proz.
100,40
93,20
84,00
100,70
93,20
84,00
101,70
93,80
91,75
83,50
101,10
91,40
80,70
83,40
102,00
92,80
48,50
99,10
66,30
67,70
11,60
101,70
95,20
90,50
91,50

InProz.
Zf.
4 Ruſſen v. 1902 . 73 . 92,20
100,10
4½ do. v. 1905.
95,70
3½ Schweden .
4 Serbier amort. v. 1895 84,60
4 Türk. Admin. p. 1903 87,30
4 do. unifiz. v. 1903 94,10
4 Ungar. Goldrente . . 94,60
4 do. Staatsrente . 92,10
5 Argentinier . . . . . . 102,00
91,30
do.
4½ Chile Gold=Anleihe . 92,80
5 Chineſ. Staatsanleihe 102,30
do.
4½
4½ Japaner . . . . .
5 Innere Mexikaner . . 99,60

do.
4 Gold=Mexikan. v. 1904
5 Gold=Mexikaner . . . 100,20
Aktien inländiſcher
Transportanſtalten.
4 Hamb.=Amerika= Paket=
fahrt
. . . . . . . . 140,10
4 Nordd. Lloyd . . . . 108,75
4 Südd. Eiſenb.=Geſ. . . 121,50
Aktien ausländiſcher
Transportanſtalten.
4 Anatol. Eiſenb. 60%
Einz. Mk. 408 117,00
4 Baltimore & Ohio . . 106,00
4 Gotthardbahn . .

InProz.
Sf.
4 Oeſt.=Ungar. Staatsb. 157,50
4 Oeſt. Südbhn. (Lomb.) 20,75
4 Pennſylvania R. R. 127,00
Induſtrie=Aktien.
Mainzer Aktienbrauerei . 205,50
Werger=Brauerei
Bad. Anil.=u. Sodafabrik 477,50
Fabrik Griesheim . . . . 261,00
.485,25
Farbwerk Höchſt .
Verein chem. Fabriken
322,50
Mannheim .
Lahmeyer .
110,50
158,00
Schuckert
Siemens & Halske
237,50
Adlerfahrradwerke Kleyer 411,40
Bochumer Bb. u. Guß . . 228,50
Gelſenkirchen .
.204½
Harpener .
.191½
Phönix, Bergb. u. Hütten=
betrieb

.222,50
Prioritäts=
Obligationen.
3½ Südd. Eiſenb.=Geſ. . .
.100,50
4 Pfälzer Prt. .
3½ do.
91,60
4 Eliſabeth., ſteuerpfl. .
4 do. ſteuerfrei . 98,20
5 Oeſterr. Staatsbahn. 105,80
97,50
do.
4
do. alte .
3
5 Oeſterr. Südbahn . . 99,00
do.
78,50
4
do.
56,00
2*/10
3 Raab=Oedenburger . . 75,10
Ruſſ. Südweſt.
90,25
4 Kronpr. Rudolfbahn .

In Proz.
Bf.
75,90
2¼/10 Livorneſer.
78,25
Miſſouri=Paciſic
Bagdadbahn Mk. 408
Anatoliſche Eiſenb..
. 101,90
5 Tehuantepec

Bank=Aktien.
Berliner Handelsgeſ
Darmſtädter Bank . .
Deutſche Bank
Deutſche Vereinsban
Diskonto=Geſellſchaft

Dresdner Bank .
Mitteldeut. Kreditbk.
Nationalbk. f. Deutſchl.
Pfälzer Bank . .
Reichsbank
Rhein, Kredit=Bank
Wiener Bank=Verein

166,40
130,00
251,40
127,75
185,40
156,70
119,70
122,20
101,40
43,00
139,20
137,50

Pfandbriefe.
4 Frankft. Hypoth.=Bank
S. 16 und 17 100,20
do. S. 19. . . . . 92,30
4 Frkf. Hyp.=Kreditverein
S. 1519, 2126 99,60
Hamb.=Hypoth.=Bank 100,50
90,50
do.
3½
4 Heſſ. Land.=Hyp.=Bk. 101,60
92,80
do.
3½
4 Meining. Hyp.=Bank 101,00
91,10
do.
4 Rhein. Hypoth.=Bank
(unk. 1917) 100,00
do. (unk. 1914) 91,00
3½
4 Südd. Bd.=Kr.=Bk.=Pf. 100,40
do.
92,70
3½

InProz.
Zf.
Städte=
Obligationen
4 Darmſtadt .
91,50
3½ do.
Frankfurt .
100,90
96,20
3½ do.
4 Gießen
3½ do.
100,00
4 Heidelberg
3½ do.
100,60
4 Karlsruhe
3½ do.
91,60
4 Magdeburg.
3½ do.
100,10
4 Mainz
3½ do.
4 Mannheim
100,50
3½ do.
4 München .
-
3½ Nauheim
4 Nürnberg.
100,60
3½ do.
4 Offenbach.
3½ do.
4 Wiesbaden .
.100,40
3½ do.
4 Worms.
3½ do.
4 Liſſaboner v. 1886. . 82,20
Verzinsliche
Anlehensloſe.
4 Badiſche Tlr. 100 168,75
3½ Cöln=Mindner 100 135,00
5 Donau=Reg. fl. 100
3 Holl, Komm. z 100 106,40

In Proz.
3 Madrider Fs. 100 77,10
4 Meining. Pr.=Pfand=
.136,75
briefe.
4 Oeſterr. 1860er Loſe 173,50
3 Oldenburger . . . . . 123,50
2½ Raab=Grazer fl. 150 115,30
Unverzinsliche
Anlehensloſe.
Augsburger
ſtl. 7 37,00
Braunſchweiger Tlr. 20
Freiburger Fs. 15
Mailänder
Vs. 45 130,00
do.
Fs. 10
Meininger
fl. 7 37,00
Oeſterreicher v. 1864 100
do. v. 1858 100 461,00
Ungar. Staats 100 383,50.
Venediger
Frs. 30
Türkiſche
400 181,20
Gold, Silber und
Banknoten.
Engl. Sovereigns .
20,39
20 Franks=Stücke
16,22
16,90
Oeſterr. 20=Kronen.
Amerikaniſche Noten . . . 4,191
20,42
Engliſche Noten
81,20
Franzöſiſche Noten .
169,40
Holländiſche Noten .
80,65
Italieniſche Noten
Oeſterr.=Ungariſche Noten 85,10
Ruſſiſche Noten .
Schweizer Noten . . . . . 81,20
Reichsbank=Diskonto
Reichsbank=Lombard Zäf. 5½

[ ][  ][ ]

Nummer 174

Darmſtädter Tagblatt, Donnerstag, den 28. Juli 1910.

Solange Vorrat reicht!
Neu eingetroffen!
eu eingetroffen!
Feterr-dis Reikarfe

Schubert-Album
ca. 225 Seiten stark .
Wagner-Album
50 Operetten
Potpourris
Globus-Noten
Jensen-Album
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Jüngling Tod
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Busso von Malten
(Rich. Graf Du Moulin-Eckart)
Gewitter im Winkel
(Jul. Rauh), Ladenpreis 2 Mk.
Hirschkater
Coh. Georg Luger), Ladenpreis 2 Mk.

Die Erbtochter v. Geroldseck

(F. Kling-Lütelsburg) Ladenpreis 5 Mk.
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Carola v. Eynatten, Ladenpreis 3.75-Mk.
Das Grab am Rhein
(Gustav Adolf Müller) Ladenpreis 2.50 Mk.
Der Meisterfahrer
(C. E. Ries) Ladenpreis 3 Mk.
Geschminkte Liebe
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Frau Jupp.
Erzählung von Horſt Bodemer.

(Nachdruck verboten.)

Einen Augenblick ſieht Jupp ſeinen Freund erſtaunt
aan, dann lacht er hellauf.
Du biſt und bleibſt doch ein komiſcher Kauz!
Nicht wahr? Keiner kann aus ſeiner Haut heraus.
Alſo auf Wiederſehen im Kaſino!
Als mein Gaſt, da will ich dem Monſieur ſchon wieder
ddas europäiſche Gleichgewicht verſchaffen!
Boſemb lacht kurz auf und geht quer über die Straße
fin ſein beſcheidenes Heim.
Und dort ſitzt er, den Kopf in beide Hände geſtützt, an
fſeinem Schreibtiſch und gedenkt vergangener Tage.
Mit Aſta Herwich hatte er auf der Düne bein Cranz
geſtanden, um Mitternacht, heimlich waren ſie von der
Réunion weggeſchlichen; das Haupt an ſeine Bruſt gelegt,
hatten ſie auf das weite Meer geblickt, auf dem der Mond=
ſchein
zitterte, und die alten Buchen rauſchten ihr geheim=
nisvolles
Lied dazu ganz leiſe. Und dann hatten ſie
ſich geküßt und den Brautſchwur ausgetauſcht. Am näch=
ſten
Morgen war er zu ſeinem Vater gefahren.
Ja, wenn Du meinſt, daß Ihr auskommen werdet
immerzu! Aber mehr wie Deinen Monatswechſel von
zweihundert Mark und alle Jahre ein Pferd aus meiner
Fohlenherde kann ich Dir nicht geben. Du haſt drei un=
verheiratete
Schweſtern und in Glanz und Würden ſteht
momentan die Landwirtſchaft nicht! Vielleicht in guten

Jahren mal in Extrazuſchuß! Und übrigens, langt’s nicht,
ſo bin ich auch nicht böſe, Du ziehſt hierher, ſpäter erbſt Du
das Gut doch und heutzutage erfordert die Bewirtſchaf=
tung
einen ganzen Mann. Alſo, ſchenke Deiner Herzaller=
liebſten
klaren Wein ein! Deine tote Mutter brachte auch
nur ein kleines Vermögen mit in die Ehe, da ſchnallt ſich
eben ein anſtändiger Kerl den Rittergurt ein paar Löcher
enger und trägt den Kopf doppelt hoch, bei gutem Willen
und mit ernſter Arbeit erreicht man viel!
So hatte ſein Vater geſagt. Und am nächſten Morgen
hörte ihm Aſta, ein Lächeln um den Mund, zu und am
übernächſten war ſie ohne Abſchied mit ihrer Mutter weg=
gereiſt
.
Da hatte ihn ſein Vater, der biedere oſtpreußiſche
Gutsbeſitzer, halbwegs wieder zur Räſon gebracht. Geh,
gräm' Dich nicht um einen ſolchen Jammerlappen, danke
Gott auf den Knien, daß alles ſo gekommen iſt!
Und gerade in dieſer Zeit hatte er ſich mit dem luſtigen
Jupp angefreundet, war mit ihm öfters nach Königsberg
gefahren, als ſein Geldbeutel vertrug, und als er ſeinem
Vater einen tüchtigen Batzen Schulden beichten mußte,
hatte der ihm auf die Schulter geſchlagen und geſagt: Nun
iſt’s aber gut, mein Junge, mach’ einen dicken Strich unter
die ganze unerfreuliche Rechnung, der Teufel ſoll dieſe
neumodiſchen Weiber holen! Alſo drücke mir die Hand!
So! Und nun nimm Dir den dreijährigen Fuchs mit,
er wird Dir zu ſchaffen machen, einen anſtändigen Gaul
zwiſchen den Schenkeln iſt für einen Oſtpreußen in Deinen
Jahren das beſte Pläſiervergnügen!

Und ſein Vater hatte recht gehabt, er war darüber
weggekommen, nach einigen Rückfällen konnte er
ſagen: So, aus ganz aus, die dumme Geſchichte!
Nun, nach Jahr und Tag, fuhr ihm der Jupp in
die Parade, ſetzte ſein Herz wieder in helle Rebellion!
Die pure Wahrheit hatte Aſta ihrem Verlobten ſicher
nicht geſagt, fragte ſich’s nur, ob er’s tun mußte. Zum
eigenen Beſten und zum beſten des rheiniſchen Jung!
Und wenn der auf die Heirat beſtand, mußte einer von
ihnen weg vom Regiment jawohl, darüber war er
ſich ganz klar. Lange ſaß er an ſeinem Schreibtiſch,
den heißen Kopf in die Fäuſte geſtützt. Was ſollte
nun werden?
Da ſtand mit einem Male der Jupp mitten im
Zimmer.
Du biſt mir mal n ſchöner Kerl, ſitzt hier in Deiner
ſtäubigen Uniform und ich warte auf Dich, um im
Kaſino feierlichſt meine Verlobung zu verkünden und
alle miteinander zu einem fröhlichen Umtrunke ein=
zuladen
!
Die Hände gegen die Schreibtiſchplatte geſtemmt,
lehnt ſich Boſemb weit in ſeinen Stuhl zurück, ſtarrt
zum Fenſter hinaus und ſagt mit ſchwerer Stimme:
Ich komme heute nicht ins Kaſino, Juppl
Nanu?
Geh’ Du auch nicht hinz bis ich mich mit Dir
gründlich ausgeſprochen habe. Und Jupp, nichts
für ungut, laß mich ſprechen, wie mir der Schnabel
gewachſen iſt, und unterbrich mich nicht!
Alſo los, aber etwas plötzlich, wenn ich bitten darf!

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Darmſtädter Tagblatt, Donnerstag, den 28. Juli 1910.

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Nein, nicht plötzlich, hübſch langſam, und dann:
klaren Kopf, Jupp; es tut mir ja ſelbſt weh, daß ich
Dich aus allen Himmeln reißen muß, aber als Mann
von Ehre bleibt mir nichts anderes übrig. Setze Dich
da auf die Chaiſelongue, mein Junge, ſieh mich nicht
an; ich will nicht weich werden!
Kopfſchüttelnd nimmt Riſſen Platz, und dann ſagt
ihm Boſemb alles.
So, nun habe ich mir meine Laſt vom Herzen
runtergeredet!
Es dauert lange, bis er Antwort erhält.
Armer Junge!
O nein, ich bin drüber weg, Jupp; es hat mir auch
nicht allzu viel geſchadet, aber klar muß es zwiſchen
uns dreien werden!
Aſta hat mir ja Andeutungen gemacht, ich verſtehe
ſie eigentlich jetzt erſt richtig, na ja, man begreift das,
nicht wahr? Und die ganze Verloberei ging ſo ſchnell,
eine gewiſſe Scheu bleibt für den Anfang doch immer
beſtehen, und da wird ſie gemeint haben, von Dir
werde ich die Wahrheit wohl gleich erfahren, gründ=
licher
als ſie die Braut mir ſagen mochte, konnte!
Boſemb ſchwieg, aber er ſah das alles durchaus
nicht ein. Jupp wurde nervös, als die Pauſe gar zu
lang wurde.
Biſt Du vielleicht anderer Anſicht?
Der feindliche Unterton der Worte war leicht
herauszuhören.
Meine Anſicht hat Dich nicht zu kümmern, nur das
Gefühl, das Du für Deine Braut hegſt!
Da ſtand der luſtige Jupp auf und lachte.
Alſo das iſt Unſinn. Das Bierdorf iſt für uns

drei abſolut nicht zu klein. Hat zwiſchen Euch mal ’ne
Entente cordiale beſtanden, ſchön! Ne unglückliche
Liebe hat wohl jeder von uns auf dem Buckel. Aber,
Fritze, zu Freunden auf Tod und Leben will ich Euch
machen, denn verſetzen möchte ich mich nicht laſſen; ge=
rade
hier in unſerer ſtillen Ecke denke ich mir ein
junges Eheglück wunderſchön; man kann nach ſeiner
Faſſon ſelig werden! Darum bitte ich Dich, treib'
mich nicht raus, denn unter ſotanen Umſtänden müßte
ſelbſtverſtändlich ich gehen, wenn einer überhaupt
Kehrt, marſch machen muß!
Da fiel Boſemb die Antwort ſchwer.
Wenn Du meinſt, wir ſollten einen ehrlichen Ver=
ſuch
machen. . . .
Jupp ſchlug ihm auf die Schulter.
So, das war eine anſtändige Antwort. Und jetzt
feiern wir, und heute abend ſetzt Du Dich hin und
ſchreibſt einen urvernünftigen Brief an meine Braut,
in dem Du ſie als zukünftige Offiziersdame unſeres
Regimentes willkommen heißt! Aber nun ruf Deine
brave Maſurenſeele, damit ſie Dir ſchleunigſt beim
Umhoſen hilft!
Die Zähne feſt aufeinandergebiſſen, ging der lange,
blonde Fritz Boſemb in ſein Schlafzimmer.
II.
Der Rittergutsbeſitzer Boſemb lehnte an der Tür
und kraute ſich ſeinen langen, grauen Vollbart.
Eine böſe Geſchichte, Fritz, und wenw ich nicht
Dein Vater wäre, würde ich ſagen: das mußt Du mit
Dir allein ausmachen!
Aber ich hab’ döch Riſſen alles geſagt, und nun
ſchreibt mir Fränlein Herwich dieſen Brief!

Kein Wunder, ſie hat Angſt, der Goldjunge geht
ihr durch die Lappen!
Vater, das ſind doch alles am Ende nur Redereien!
Ich bin gekommen, um Dich zu fragen, ob ich dieſen
Brief meinem braven Jupp zeigen ſoll oder nicht.
Ja, glaubſt Du bei den beiden an ein Glück von
Dauer?
Nein!
So gib ihm den Brief!
Eine Dame fleht mich, den Offizier, um weiteſt
gehende Schonung an.
Sehr hübſch, daß Du ſo ritterlich empfindeſt, auch
begreiflich, daß Du Dich nicht in ein zweifelhaftes
Licht ſetzen willſt, aber hier handelt es ſich um Deinen
Kameraden, Deinen beſten Freund!
Fritz Boſemb ſenkte den Kopf.
Sie ſchreibt doch, ſie hätte lange um mich gelitten!
Da lachte der Vater, daß das ganze Zimmer
dröhnte.
Und das glaubſt Du?
Wer kennt ſich in einem Frauenherzen aus?
Mein Junge, ſolche Redereien und ſolche Anſichten
verbittet ſich Dein Vater! Bei uns Oſtpreußen wird
offen und ehrlich gekämpft, bei uns bleibt Ja Ja
und Nein Nein, verſtanden?! Sie hat einfach den
gutmütigen reichen Jungen eingefangen, kommt in das
Alter, in dem man alter Jahrgang wird, und dahießes
endlich Hallali!, die Jagd mußte ein Ende nehmen.
(Fortſetzung folgt.)

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mtsverkündigungsblatt des Großh. Kreisamts Darmſtadt.

ſe 80.

Donnerstag, 293. Iut.

1910.

elh
erei,

Bekanntmachung.
Wir bringen nachſtehend unſere Anordnung vom 27. Dezember 1909 erneut zur
untnis der Beteiligten.
Darmſtadt, den 23. Juli 1910.
(14914
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
Fey.
: Ausführung des Reichsgeſetzes vom 7. Juni 1909 gegen den unlauteren
Wettbewerb.
Bekanntmachung.
Auf Grund der Beſtimmungen des § 7 Abſatz 2 und des § 9 Abſatz 2 des Ge=
ez
vom 7. Juni 1900 gegen den unlauteren Wettbewerb und des § 1 der Vollzugs=
karintmachung
vom 2. September 1909 wird für den Kreis Darmſtadt nach An=
ſung
der Großh. Handelskammer und Handwerkskammer Folgendes mit Wirkung
ſſtr 1. Januar 1910 angeordnet:
I. Wer in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen
eren Kreis von Perſonen beſtimmt ſind, den Verkauf von Waren unter der Be=
Pärnung eines Ausverkaufs wegen Aufgabe des Geſchäfts oder wegen Aufgabe einer
ſſtagengattung oder wegen Umbau oder Umzugs oder wegen eines elementaren Ereig=
iſ
.s ankündigt, hat drei Tage vor der Ankündigung bei der Großh. Handelskammer
fürmſtadt Anzeige über den Grund des Ausverkaufs und den Zeitpunkt ſeines Be=
Aſuus zu erſtatten und ein Verzeichnis der auszuverkaufenden Waren einzureichen.
Der Ankündigung eines Ausverkaufs im Sinne des Abſatzes 1 ſteht jede ſonſtige
Aitündigung gleich, welche den Verkauf von Waren wegen Beendigung des Geſchäfts=
Aſetiebs, Aufgabe einer einzeinen Warengattung oder Räumung eines beſtimmten
Alenrenvorats aus dem vorhandenen Beſtande betrifft.
Auf Saiſon= und Inventurausverkäufe, die in der Ankündigung als ſolche be=
keonet
werden und im ordentlichen Geſchäftsverkehr üblich ſind, finden die vorſtehenden
htordnungen keine Anwendung.
II. Saiſon= und Inventurausverkäufe, die in der Ankündigung als ſolche be=
ſtkienet
werden und im ordentlichen Geſchäftsverkehr üblich ſind, dürfen in einem
Aſechäft innerhalb eines Kalenderjahres im Ganzen nur zweimal, und zwar in der
Allauer von je vier Wochen abgehalten werden.
Der eine dieſer Ausverkäufe darf nur in die Zeit vom 2. Januar bis 15. Februar,
r andere nur in die Zeit vom 1. Juli bis 15. Auguſt gelegt werden.
Darmſtadt, den 27. Dezember 1909.
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
von Grancy.

t, Flaſch
Eiſen,
ihle d

Darmſtadt, den 22. Jult 1910.
ſerreffend: Das Aushebungsgeſchäft für 1910 im Kreiſe Darmſtadt.
Der Zivil=Vorſitzende der Großherzogl. Erſatz=Kommiſſion Darmſtadt
an die Großherzogl. Bürgermeiſtereien des Kreiſes.
Unter Bezugnahme auf die diesſeitige Bekanntmachung vom 14. l. Mts. empfehle
h. Ihnen, ſich an den in derſelben näher bezeichneten Tagen, mit den Militärpflichtigen
hrer Gemeinden vormittags 7½ Uhr zum Aushebungsgeſchäft einzufinden.
Die betr. Militärpflichtigen ſind wiederholt darauf aufmerkſam zu machen, daß
ſich in den Straßen Darmſtadts und im Muſterungslokal ruhig und anſtändig zu
ktragen haben und namentlich nicht im angetrunkenen Zuſtande vor der Ober= Erſatz=
ſornmiſion
erſcheinen dürfen. Zuwiderhandelnde werden alsbald in Gewahrſam ge=
acht
und unter Umſtänden entſprechend beſtraft.

Die Ar. weiche ihren Gunſten die Zurüick=
ſtelung
und bezw. Befreiung ihrer Söhne vom Miltärdienſt in Anſpruch nehmen,
ſind auf diejenigen Tage vorzuladen, an welchem die betr. Militärpflichtigen zu er=
ſcheinen
haben.
Dr. Reinhart, Reg.=Rat.
(14671sf

Bekanntmachung.
Nachſtehend bringe ich das Ergebnis der am 25. Oktober 1909 und 6. Dezember
1909 ſtattgehabten Wahlen der Vertreter der Arbeitgeber und der Verſicherten,
ſowie der Erſatzmänner für den Bezirk des Landkreifes Darmſtadt zur Kenntnis
der Beteiligten und bemerke, daß die Zuziehung zu den Sitzungen in der unten an=
gegebenen
durch das Los beſtimmten Reihenfolge erfolgen wird.
(14915
Es wurden gewählt und werden in folgender Ordnung zugezogen:
I. aus der Zahl der Arbeitgeber:
1. Georg Meier, Bauunternehmer, Roßdorf.
2. Adam Krämer II., Bauunternehmer, Eſchollbrücken,
3. Karl Heim II., Kammfabrikant, Ober=Ramſtadt,
4. Chriſtoph Crößmann V., Kartonagefabrikant, Pfungſtadt,
als Vertreter;
5. Ludwig Büttel I., Kaufmann, Eberſtadt,
6. Ludwig Wild, Maurermeiſter, Arheilgen,
7. Valentin Hofmann, Bauunternehmer, Griesheim,
8. Valentin Baſſenauer II., Druckereibeſitzer, Griesheim,
als Erſatzmänner.
II. aus der Zahl der Arbeitnehmer;
1. Adam Leining, Zimmermann, Eberſtadt,
2. Philipp Caspari, Ortsdiener, Hahn,
3. Georg Kern V., Fabrikarbeiter, Eberſtadt,
4. Peter Wenner, Maſchinenwärter, Eſchollbrücken,
als Vertreter;
5. Wilhelm Kraft I., Schloſſer, Hahn,
6. Georg Waldmann, Schuldiener, Arheilgen,
7. Ludwig Weicker, Schreiner, Eberſtadt,
8. Heinrich Juſt II., Werkführer, Ober=Ramſtadt,
als Erſatzmänner.
Darmſtadt, den 23. Juli 1910.
Der die Wahl leitende Beamte:
Dr. Jann, Regierungs=Aſſeſſor.

Bekanntmachung.
Am Montag, den 25. ds. Mts., wird mit den Teerwalzarbeiten zwiſchen
Auerbach und Zwingenberg begonnen. Während der Dauer der Arbeiten (etwa
8 Tage) muß jeglicher Fuhrwerksverkehr unterbleiben, Fuhrwerke und Automobile
müſſen den Weg über Zwingenberg, Rodau, Fehlheim, Bensheim, bezw. Auerbach
(14913
einſchlagen.
Zuwiderhandlungen werden mit Geldſtrafe, ſofern nicht nach anderen Straf=
geſetzen
ſchwerere Strafen angedroht ſind, mit Geldſtrafe bis zu 30 Mk. beſtraft.
Bensheim, den 19. Juli 1910.
Großherzogliches Kreisamt Bensheim.
Eckſtein.

Amtliche Nachrichten des Großherzoglichen Polizeiamts Darmſtadt.
Polizeilich eingefangene und zugelaufene Hunde.
In polizeilicher Verwahrung und Pflege in der Hofreite Beſſungerſtr. Nr. 56 be=
nden
ſich: 3 Pinſcher. 1 Pinſcher (zugelaufen).
Die Hunde können von den Eigentümern bei dem 5. Polizei=Revier ausgelöſt
parden. Die Verſteigerung der nicht ausgelöſten Hunde findet dortſelbſt jeden Werk=
loer
, vormittags um 10 Uhr, ſtatt.
Ausführung von Gasanlagen im Innern
der Gebände und Grundſtücke.
Die Einrichtung von Gas=Beleuchtungs=, Heiz= und Kraft=Anlagen im
Funern der Gebäude und Grundſtücke, welche an das Rohrnetz des ſtädtiſchen Gas=
ſparks
angeſchloſſen werden ſollen, ſowie alle Erweiterungen, Veränderungen und
iſta paraturen darf nur durch ſolche Inſtallateure erfolgen, die von Großherzoglicher
Bürgermeiſterei eine ſchriftliche Erlaubnis hierzu erhalten und ſich verpflichtet haben,
lie dieſe Einrichtungen unter Zugrundelegung und gewiſſenhafter Beobachtung der
hierfür erlaſſenen Beſtimmungen und Vorſchriſten auszuführen.
Dieſe Erlaubnis iſt folgenden Firmen erteilt:

Zentraluhren=Regulierungsaulage in der Stadt Darmſtadt.
Wir machen darauf aufmerkſam, daß in hieſiger Stadt eine ſtädtiſche Zentral=
uhren
=Regulierungsanlage beſteht, welche den Zweck hat, diejenigen Uhren (Außen=
Uhren, ſowie Zimmeruhren) die an dieſe Anlage angeſchloſſen ſind, in Zeitabſchnitten
von je 6 Stunden auf die Normalzeit der Berliner Sternwarte zu regulieren.
Die Bedingungen für den Anſchluß von Uhren an dieſe Zentraluhren= Regulierungs=
anlage
ſind auf dem Büro des ſtädtiſchen Elektrizitätswerks, Buiſenſtraße 22, zu erhalten.
Daſelbſt wird auch der Antrag auf Herſtellung von Anſchliſſen entgegengenommen und
jede gewünſchte Auskunft erteilt.
Zur Zeit ſind die Uhren folgender öffentlicher Gebäude angeſchloſſen:

Gottfried Beck, Karlſtr. 39.
Gebr. Becker Nachf., Grafenſtr. 27.
3 Heinrich Becker, Brandgaſſe 2.
Karl Bohl, Blumenthalſtr. 107.
Lud. Breitwieſer, N.=Ramſtädterſtr. 54.
Heinr. Brunner, Eliſabethenſtr. 33.
Karl Darmſtädter, Sandbergſtr. 66.
W. Eberhardt, N.=Ramſtädterſtr. 11.
19 Fr. Ewald (Inh. Fr. Wenz) Soder=
ſtraße
49 und 54.
0. Theodor Fey, Kranichſteinerſtr. 8a.
Georg Aug. Fink, Rhönring 53.
. Ludwig Fiſcher, Langgaſſe 21.
Bernhard Gans, Rheinſtr. 47.
Franz Geiger, Karlſtraße 36.
Wilh. Gelfius, Fuhrmannſtraße 6.
Jakob Glock, Langegaſſe 9.
. Guſtav Göckel, Karlſtr. 12.
. Alexander Guntrum, Stiftſtr. 52.
. Philipp Handſchuch, Schloßgarten=
ſtraße
37.
Ludwig Heppenheimer, Luiſenſtr. 2.
el. Wilhelm Heppenheimer, Kiesſtr. 80.
22. Kurt Hiſſerich, Bleichſtr. 28.
23. Karl Hoffmann, Wienersſtr. 44.
Balthaſar Ittmann, Lauteſchlägerſtr. 42.
2. Hermann Jung, Bleichſtr. 11.
Karl Jung, Kaplaneigaſſe 17.
Philipp Jung, Alexanderſtr. 9.
28. Karl Kämmerer, Marienplatz 10.
24. Gg. Kaiſer, Inh.: Marg. Haun,
Rheinſtr. 5.
30. Robert Kaiſer, Landgraf Georgſtr. 8.
31. Georg Keil, Kirchſtr. 17.
32. Auguſt Keller, Hohler Weg 11.
3n. Adolf Kling Nachf. (Inh. A. u. L.
Kling), Rheinſtr. 17.
34. Klink & Rettberg, Ludwigsplatz 8½.
35. Albert Klöpfer, Beſſungerſtr. 84.

36. Philipp Kraus Nachf. (Inh. Adam
Bender), Karlſtraße 51.
37. Hugo Kötting, Liebfrauenſtraße 75.
38. Wilh. Krätzinger, Ludwigſtr. 11.
39. Chriſt. Landzettel, Kaupſtr. 7.
40. Ernſt Loreh, Karlſtr. 56.
41. Ludw. Luck, Gutenbergſtr. 27.
42. V. Marquardt u. Ph. Wamſer,
Dieburgerſtraße 54.
43. Philipp Maul, Eliſabethenſtraße 29.
14. Müller u. Dilling, Kaſinoſtr. 27.
45. Gg. Neumann, Heidelbergerſtr. 117.
46. Aug. Neumeyer Wwe., Gr. Ochſen=
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22.
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48. Jakob Nohl, Martinſtr. 24.
49. Heinrich Pauli, Orangerie=Allee 7.
50. Ludwig Pohl, Heinheimerſtr. 15.
51. F. W. Preußner, Bleichſtraße 40.
52. Karl Rockel Nachf. (Inh. Georg
Momberger), Schützenſtr. 4.
53. G. W. Roth, Moosbergſtr. 97.
54. J. Rühl, Saalbauſtr. 24.
55. Phil. Schäfer, Landwehrſtr. 29.
56. Friedr. Schiller, Tannenſtraße 7.
57. Franz Schulz, Karlſtr. 104½.
58. Heinrich Schwarz, Kiesſtr. 36.
59. Leonh. Sommer, Roßdörferſtr. 3.
60. Wilh. Stauß, Inſelſtraße 21.
61. Karl Tänzer, Marktplatz 7.
62. Michael Vollrath, Nieder= Ramſtädter=
ſtraße
51.
63. Hch. Waldſchmidt, Ludwigshöhſtr. 21.
54. Otto Wamboldt, Heerdweg 2.
65. Joh. Waſſer, Alexanderſtr. 7.
66. Val. Wedel, Beckerſtraße 7.
67. Karl Wenz, Wendelſtadtſtraße 39.
68. Karl Zahrt, Hofſtallſtraße 8.

1. Stadthaus,
2. Rathaus,
3. Städt. Gebäude, Ecke Eliſabethen= und
Grafenſtraße,
4. Neues Gaswerk, Frankfurter Straße,
5. Pfründnerhaus,
6. Schlachthof,
7. Wagenhalle der elektriſchen Straßenbahn
am Böllenfalltor,
8. Knabenmittelſchule, Friedrichſtraße,

9. Mädchenmittelſchule, Viktoriaſtraße,
10. Schule am Ballonplatz,
11. Johanneskirche,
12. Martinskirche,
13. Kirche des Eliſabethenſtifts,
14. Katholiſche Kirche,
15. Beſſungerkirche,
16. Pauluskirche,
17. Schule in der Emilſtraße,
18. Hallenſchwimmbad.

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Gips, 50 Sack Kreide, 1 Partie Geſchäftsbücher, Poſtkarten u. Bilder, 2 Fahr=
räder
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1 Kleiderſchrank, 1 Kommode ꝛc.
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Darmſtadt, den 27. Juli 1910.
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ſteuern
für das Rechnungsjahr 1910 iſt,
bei Vermeidung der Mahnung, bis Ende
dieſes Monats an den Werktagen, vor=
mittags
von 8 bis 12½ Uhr, hierher zu
entrichten.
Im Intereſſe raſcheſter Abfertigung an
den Zahlſchaltern wird gebeten, die Gel=
der
abgezählt bereit zu halten. (14210a
Darmſtadt, den 11. Juli 1910.
Die Stadtkaſſe.
Koch.

Bekanntmachung.

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Der Armenarzt, Herr Dr. Göring,
iſt auf vier Wochen verreiſt und wird wäh=
rend
dieſer Zeit in der Armenpraxis durch
Herrn Dr. Gutenberg, Ludwigſtraße 10,
vertreten.
(14911
Darmſtadt, den 23. Juli 1910.
Städtiſches Pflegeamt.
Krapp.

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Nummer 174.

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[ ][  ][ ]

Seite 14.

Darmſtädter Tagblatt, Donnerstag, den 28, Juli 1910.

Briehinkels Sunndags=Nachmitdags=
Betrachtunge.
Nor aaner, der noch ſei Hoſe mit de Beißzang aziehe
dhut, kann die Behauptung uffſtelle, in Darmſtadt wär
nix los; do kennt mer verſauere, un wann ſich aaner
emal e Baa ausleiern wollt, müßt er ewe immer noch
nooch Frankfort fahrn.
Deß is, wie geſagt, e knibbeldicker Errtum. Aller=
dings
, große ſenſazionelle Darbietunge, wie ſe ewe
Frankfort hawe muß, um als Großſtadt uff de Höh zu
bleiwe, die hawe mir hier gottſeidank net needig.
Zwar hawe mer jetzt aach en Darmſtädter Flug=
platz
, und de Herr Euler liewenswerdig, wie er
nu emol is , ſorgt immer defor, daß mer den Wähk
uff de Schießemer Griesplatz net umſunſt macht. Un
ich hab mer ſage loſſe, er hett werklich als ſei lieb Nod,
vaß em die Stammdiſchpilote net emol aus purum
Enthuſiasmus in eme unbewachte Aagenblick des
Schiffche ausenanner boſſele.
Mit de Zeit geht awer ſchließlich aach dem liewens=
werdigſte
Flugſchifferfinder emol die Gutmietigkeit
aus, un deshalb is es als e Glick zu bedrachte, daß die
Zahl derer, die ſich for des Luftſchiffereikreemche inter=
eſſiern
, net ſehr groß is, ſunſt wär des bische Sand do
unne bald zu klaan.
Wie geſagt, de Darmſtädter is kaa Freund vun
uffregende Darbietunge. Aus dem Grund hott mer
wohl aach die Karnevalswoch uff em Exert net ge=
nehmigt
, die ja, menſchlicher Vorausſicht nach, doch zu
Waſſer worn wär.
Hier werd in erſter Linie der Kunſt gehuldigt. Der
enorme Beſuch, den ſich die diesjährig Ausſtellung zu
erfreie hot, beweiſts. Ich war jetzt ſchun e paarmal
drinn, un es warn immer Leit da. Der Darm=
ſtädter
is ſich ewe ſeines Rufs, e vornehmer Kunſtſtäd=
ter
zu ſei, wohl bewußt. Des zeigt ſich un jetzt
kumm ich zu meim Hauptthema vor alle Dinge in
de Muſik. In kaaner Stadt werd wohl ſoviel zuſam=
memuſiziert
des Johr iwwer, wie hier.
Im Winter is die Zahl der Konzerte oft ſo groß,
daß die Zeitunge die needige Muſikreferende gor net
all uffdreiwe kenne. Im Summer ſin ſe gottesglicks
der Flicht iwwerhowe, dann es wär aach ausgeſchloſſe,
daß des e normaler Kridicker mit eme mitteleuropäiſche
Nerveſyſtem nor vier Woche aushalte kennt.
Do ſin wor alle Dinge emol die Militärmuſik=
maddinees
uff em Paradeplatz, die ſich ihrer ungeheiren
Beliebtheit erfreie, weil mer bequem erſt in die Kerch,
un dann zum Friehſchobbe geh kann. Nu is mer ſich
vor korzem gaſchdig in die Hoorn gefahrn, weil ſe nooch
em Platanehain verlegt ſolle werrn. Ich maan, for
die, die im Dintevertel wohne, bleibt ſich des ganz egal,
des is aan Wähk. Die Konzerte kenne awer uff unſer
muſikliewendes Bubligum geradezu erzieheriſch wirke,
dann ſie fange for alle Dinge emol präzies aa, un
hörn dodefor präzis uff. Aach werd nor geſpielt, was
uff em Programm ſteht, un kaa brofanes Händeklatſche
dhut den Kapellmaaſter zwinge, noch e Zugab zu mache,
obgleichs ja dem aane odder annere uff e halb Dutzend
ſogenanter Eilage gar net akumme dhet. Der
Hauptvorzug beſteht awer dorin, daß mer net an ſein
Platz gebunne is, un wann aam ſei Nachberſchaft ſche=
niert
, geht mer afach wo annerſter hie.
Un domit kemt ich an die Kunſt=, Blech=, Streich=,
Kur=, Bockbier=, Kaffee= un Limonadekonzerte. Es is
eigentlich merkwerdig, wie ſich des Bederfnis nach
Muſik in de letzte Jahrn gehowe hot. Im Grund ge=
numme
, is es doch immer aa un desſelwe Bubligum,
deß dofor zu hawe is. Es krickt ja allerdings aach ganz

energiſch die Nas druff geſtumbt, un im Lokale find
mer unner de Erledigte Dienſtſtelle un ſunſtige uff=
regende
Nachrichte immer den ſtereodiewe Hieweis uff
e halb Dutzend Konzerte.
Wie geſegt, des Bubligum is in unſere jeweilige
Konzertgärte immer desſelwe un unnerſcheid ſi vum
Winterkonzertbubligum nor dodorch, daß es die Un=
tugende
des letzteren in noch erhöhtem Maß un in
noch grodeskere Forme zum Ausdruck bringt.
For ſehr vornehm zilt es, wann mer immer erſt
kimmt, nachdem bereits e Drittel vum Programm
erunnergeſpielt is. Dann ſucht mer ſich mit meglichſter
Umſtendlichkeit en freie Diſch, un bei der bekannte
Vorlieb der Darmſtädter for freie Diſch, helt es
meiſtens ſchwer, en ſolche zu finne. Awer geſucht werd.
Un kimmt zum Beiſpiel ſo a Geſellſchaft vun drei, vier
Perſone, nebſt de dozu gehörige Kinner, ageſchowe, ſo
werd net erſt aa Mann als Kundſchafter ausgeſchickt,
ſundern die ganz Karawane macht im Genſemarſch hin=
nenooch
. For die bereits Aweſende is die Sucherei
nadierlich mit allerhand Anehmlichkeite verknibft. Da
krickt jemand im Vorbeigeh uff ſei beſt Hiehneraag ge=
trete
, dort werd ere Dam des Hütche aus de Balangs
geſtoße, dort krickt aaner wedder de Elleboge geſtumbt,
ausgerechnet in dem Moment, wo er grad jemand zu=
trinke
wollt. Un währendem die Kapell den Pilgerchor
aus em Tannhaiſer ſpielt, kreiſcht en Ower: Achtung,
Scos!, un da hat mer aach ſchun en halwe Schobbe
Konzertbier im Gnick.
Hott ſich dann endlich noch en leere Diſch gefunne,
dann werrn ſofort alle verfügbare Stiehl um= odder
mit Gadroweſticker belegt, damit mer ſchee allaans
ſitzt, un kann ſich ungeſtört dem Familjeklatſch widme.
Dann zu was geht mer ſchließlich in e Konzert, wann
mer ſich net emol ausſpreche ſoll. Dehaam hott mer
dodezu kaa Zeit!
Ja, die Unterhaltunge ſin des ſcheenſte vum ganze
Awend. Fengt die Muſik a zu ſpiele, dann guckt mer
nadierlich uffs Programm: Nr. 3: Alte Kameraden
Marſch.
Hawe Se’s geleſe, Herr Vorſteher, de Bülow un
de Podbielsky hawe ſich in Berlin neilich geſchnitte.
No, die werrn wiſſe, warum. Un daß de Hohen=
lohe
ſei Aemtche niddergelegt hot, des hot aach en
annere Hooke.
Do hawe Se recht, Herr Miller, mit dere Enzi=
klika
deß ſin kaule Fiſch.
Ei, ich maan doch, ſeegt die Fraa Meier dozwiſche,
die hett Kwileka gehaaße?
Wer?
Ei, die mit dem Bahnwärtersbub!
Ach, Quatſch , was verſtehſte vun Boledick.
Noja, ſeegt die gekränkt Ehehälft; wann mer ſich
mit Eich unnerhalte will, dann haaßt’s, deß verſtehſte
net! Do brauch ich aach net ins Kunzert zu geh.
Nr. 5: Wenn die Liebe ſtirbt. Walzer.
Verloſſe Se ſich druff, die is kaa vier Woche im
Sanatorium, dann werd ſe widder uff freien Fuß ge=
ſetzt
, un mir derfe die Prozeßkoſte bezahle.
E deier Vergniege!
Awer ſchee zu leſe war’s doch; wann’s nor net
immer ſo klaa gedruckt geweſe wär. Dodebei verderbt
ma ſich blos die Aage.
Wanns mich nooch ging, kem des iwwerhaubt net
in die Zeitung, dann dodorch verderbt mer ſich noch was
ganz anneres.
Nr. 7: Die Mühle im Schwarzwald. Die
kennt mer ſchun am Vorſpiel. Sofort werrn ſämtliche
Meſſer, Gawel un Hausſchlüſſel barad gehalte, damit
mer im geeignete Momend zwiſche de Stuhlbaa des
Klappern vum Mühlrad unnerſtütze kann.

Nr. 8: Hurra Zeppelin
So kaa Laſt hat ich noch kaa Jahr mit meim
Schillee, ſeegt die Fraa Kimmelweck zu ihre Nachbarn=
er ſtellt ſich net, ſog ich der Ihne, un ich hab en ſchun
dreimal gekocht.
Ei, nemme Se doch emol Schelladin, odder miſcheln
Se Heidelbiern drunner!
Is net mehr needig, brummt de Herr Kimmel=
weck
; er is bereits verbrennt.
Ach was waaßt dann Du. Eſſe kennt mern ſchum
, wann mer’n nor ſchmiern kennt!
Nr. 10: Fantaſie aus Die Götterdämmerung
Ich kann Ihne im Vertoau’n ſage, es dauert käg
finf Johr mehr, un da hawe meer e elektriſch Linie im
Martinsviertel. In de letzte Stadtratſitzung hot men
die Sach ſchun in wohlwollende Erwägung gezogen
No, loſſe Se nor erſt emol die Wahle vorbeiſe
Friſch Blut muß enei; als noch mehr friſch Blut!
Ja, do hawe Se recht. Iwwerhaupt Herts
gott, die mache awer en Raddau mit ihre Muſik; men
verſteht ja ſei eige Wort net!
Nr. 11: Melodien aus Die Luſtige Witwe‟.
Mir eſſe ſchun ſeit drei Woche neie Kadoffel.
Ich derf meimMann kaa uff deDiſch bringe; der hott’s
ſo ſo mit em Mage zu dhu. Mer waaß wahrhaftigen
Gott net mehr, was mer koche ſoll. Un dodebei ſoll
gach noch am Haushaltungsgeld geſpart werrn.
Was, aach noch ſparn! Da kem mer mei Alten
ſchee geſchliche. Des is die aanzig Zeit, wo er mer
net noochrechene kann. Die paar Mak, wo ich noch bei
de Klaadermachern zu bezahle hab', ſpringe dodebe
eraus.
Nr. 12: Lied an den Abendſtern.
Horch emal, Kättche, deß is des ſcheene Lied, des
wo de Wolfram vun Egelsbach ſinge dhut.
Ach ja; ich kenn’s, deß is doch aus de Kawalle
rira wo de Siegfried uff eme weiße Schwan geridde
kimmt un ſingt: Ach, wie ſo kriegeriſch ſind Weiber=
herzen
!
Die Nummer hot nadierlich en kolloſale Erfolg
un als Zugab ertönt dann die Brumhiernheck mit
dem ſcheene Referäng: Un die ſchebbe Baa!
An verſchiedene Diſch werd nadierlich leis mitges
ſunge: Kocht die Mutter Heidelbiern, dhun mer uns
des Maul verſchmiern un ſo weiter.
Ja, wie geſagt, mit dene Zugawe werd en große
Unfug gedriewe vum Bubligum. Wann ſe wiſſe
daß der Kapellmaaſter kaa Speebrenner is, dann werd
nooch jeder Nummer en Mordsraddau geſchlage. Nor
vielleicht e Drittel klatſcht aus purer Dankbarkeit for
den herrliche Genuß; deß zweite Drittel klatſcht nor
ſo als gotterſprich, was krawwelt do; deß dritte Drittel
klatſcht aus purem muſikaliſche Egoismus, damit’s ja
uff ſei Koſte kimmt. Die dhete ſich for ihr zehn Fennig
die ſe fors Programm bezahlt hawe, e ganz Nachk
Unnerhaltungsmuſik mache loſſe. Un trotzdem ſin des
grad die, die am wenigſte zuhorche.
Korzum, die meiſte halte des Muſikmache for
grad ſo groß Vergniege, wie des Muſikhören, un die
könne ſich aach net vorſtelle, daß ſoe Muſiker waaß
was er geſchafft hott, wann er drei Stund lang uff ſein
Inſtrument erumgefingert hott.
Schließlich läßt ſich awer des Darmſtädter Bublig
gum in ſeine bekannte Gutmietigkeit alles abgewehnen
un wann mers energiſch dorchfiehrt, ſin ſe aach ohne
Zugawe zufridde. Deßhalb kann mer ſich doch amig
ſiern un geht haam mit dem Bewußtſein, en herrliche
Awend verlebt un ſei muſikaliſch Bildung uff e höhe
res Niwoh gehowe zu hawe.
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Seite 16.

Darmſtädter Tagblatt, Donnerstag, den 28. Juli 1910.

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