Darmstädter Tagblatt 1876


07. Juli 1876

[  ][ ]

Darmſtaͤdter Taablall.

Monnsmentshreis
d dk i enie öin.
ungwaͤrls werden von allen Poſt=
ämlern
Beſtellungen entgegengenom=
men
zu 1 Mark J0 Pf. pro Quartal
mel. Poſtaufichlag und Beſtellgebühr.

(Frag= und Anzeigeslatt.)
Mit der Sonntags=Bellage:

Inſerate
werben ang vdmmien. in Vormſtad=
von
der Expedition, Rheinſir. Nr. 23.
m Beſſungen von Friedr. Blbßer,
Friedrichsſtr. Nr. 7. ſowie auzwärtz
von allen ſoliden Annoneen= Erhe-
ditlonen
.

139. Jahrgang.
Amtliches Grgan füe die Behannkmachungen des Großh. Kreisamts, ſowie des Großh. Volizeiamts Darmſtadt.

W131

Freitag den 7. Juli

1876

Verſteigerung eines Kaufſchillings.
Auf gerichtliche Verfügung wird Montag den 10. Juli d. J.
Vormittags 10 Uhr ein Hofraithe=Reſtkaufſchilling im Be=
trage
von 13435 Mark 71 Pfg., zahlbar in 3 Jahreszielen, Wihnachten
1876, 1877 und 1878, mit Zinſen zu 5 pCt. vom 8. Mai 1876 an,
an den Meiſtbietenden verſteigert.
Darmſtadt, den 30. Juni 1876.
Großherzogliches Ortsgericht Darmſtadt.
5767)
Der Vorſteher: Berntheiſel.
5768) Um mit unſerem ſehr bedeutenden Lager in allen Arten
Kleiberſtoffen, ſowie Kattunen
raſch zu räumen, nehmen wir von Montag au auf einige Tage einen
Ausverkauf
zu ſehr billigen Preiſen vor.
S. Meyer Söhne.

5346) Die berühmten Pfarrer Kayſer's
ühneraugen-Pſlästerchen
nach deren 2- 3maligem Gebrauche das
Hühnerauge ſchmerzlos ſchwindet, empfehle
in Schächtelchen 12 Stück Pflaſter zu
1 Mark.
Heorg Liebig Hohn.

5720) Ein dreiſtöckiges, in der Altſtadt
dahier gelegenes Haus von beſter Geſchäfts=
lage
unter günſtigen Bedingungen aus freier
Hand zu verkaufen. Näheres bei
Jacob Sieben, Schulzengaſſe 22.
5340) ½ Morgen Heugras nächſt der
Gasfabrik abzugeben. Näheres bei der Exp.
Fur Fuhrwerksbeſitzer.
7 4 vollſtändige Pferdegeſchirre im beſten
Zuſtande ſind billig abzugeben.
(5769
Näheres beim Verlage.
5770) Täglich friſche Sauer=Kirſchen
auf dem Schießhaus. A. Gärtner.
5771) Auanas=Erdbeeren.
Kranichſteinerſtraße 17.

3641)
Foinster
vorscb Leberthran,
fast geruch- und geschmacklos in Fla-
schen
mit, gestempeltem Metall- Ver=
schluss
60 Pfg. und 1 Mark echt
zu haben bei
Emanuel Fuld in Darmstadt.
L. H. Jochneiz

G. L. Eriegk,

G. P. Poth

Carl Schweikert

J. Wüst

Gl. A. Gläser in Dieburg.
Holz=Handlung v. Gebr. Vogel
Nauheim bei Groß=Gerau.
Großes Lager, 10E. 5791)
ſelbſt ausgehauener Daubhölzer.
4909) für Bier= und Weinfaß.

Zahnſchmerzen

jeder Art werden augenblicklich vertrieben durch
Dr. Hirsch's Lahn Mundwasser.
Dieſes ausgezeichnete Mittel iſt zu be=
ziehen
in Gläſern 50 Pfg. von
Georg Liebig Sohn.
Kindermehl
von Wiſſey, Sehiaie & Lo.,
dem Neſtle'ſchen vollkommen gleich, in
Büchſen M. 1. 20 Pf.,
bei
Fulius Köhler,
Ernſt=Ludwigſtraße II.
Die leeren Blechbüchſen werden zu
rückgenommen.

5772) Rein gehaltener Aepfelwein iſt
zu verkaufen. Zu erfr. auf der Exp. d. Bl.

Vermiethungen.
4068) Wienerſtraße 11 iſt der mittlere
Stock mit Glasabſchluß. 4 Zimmer, Küche,
Geräthkammer ꝛc. bis Mitte Juli ander=
weitig
zu vermiethen. Preis 368 Mark.
K. Anton.
3209) Eck der Heinheimer und Laute=
ſchlägerſtraße
50 iſt die Parterrewohnung
zu vermiethen und Ende Juni zu beziehen.
Näheres bel Etage.
4455) Ein Zimmer ohne Möbel zu
vermiethen. Eliſabethenſtraße 1 Vorderhaus.
5049) Caſerneſtraße 64 ein gut möbl.
Zimmer im 1. Stock an einen ledigen Herrn
ſofort zu vermiethen.
333

[ ][  ][ ]

H. 131

W.
1
M
)

4528) Ein einzelnes Zimmer mit.
oder ohne Möbel billig zu vermiethen.
Beſſungen, Ecke der Kirch=u. Hügelſte. 25
Paſſend für einen Herrn.
Ein elegant möblirtes Parterre=Zimmer
mit Balcon, Frühſtück und Bedienung zu
vermiethen. Frankfurterſtraße Eck der
5466
Aliceſtraße Nr. 2.
viwcripPrpirrurairarree.
4AAAA.AAAAAl.AAc. AAA.
d4 5728) Promenadeſtraße v8 ein klei=
d
4 nes Logis 2 Stiegen hoch - abge=
4 ſchloſſ. Vorplatz und allen Bequem=
lichkeiten
, Anfangs Octbr. beziehbar.
24
Cr.aur hen.

F.
vAu'ur.
LAA AAA hAtä AAAArA A ä r k;
5749) Beſſunger Weinbergſtraße 11 ſind
2 Logis, gleich beziehbar, zu vermiethen.
5756) Ein freundliches nach der Straße
gehendes Zimmer ſofort zu vermiethen.
Obergaſſe Nr. 40.
5773) Carlſtraße Nr. 20 ein Manſarden=
Logis zu vermiethen. Preis 150 Mark.
175774) Eine Parterre=Wohnung auf dem
Schießhaus zu vermiethen, nach Wunſch
mit oder ohne Wirthſchaft, bis zum 1. Oct.
zu beziehen.
Näheres bei A. Gärtner daſelbſt.
Möhhiur in in din
Stock eine neu hergerichtete Wohnung,
78 Piecen, Gartenvergnügen ꝛc., ſofort
zu beziehen.
AAaanauauu
9116) Teichhausſtraße Nr. 14 iſt ein
Manſarden=Logis an eine ruhige Familie
Anfangs October, auf Verlangen auch,
früher, zu vermiethen.
önriviirrrreee.
Peuz.
A-AA AA AAAAAaAinz AA Aas
d6 5777) Blumenthalſtraße, nahe den
Bahnhöfen und gegenüber dem ſtädt.
4 Lagerhauſe, iſt in Nr. 43 der 2.
2 und in Nr. 47 der 3. Stock ander= ds
⁵¾ weit zu vermiethen und bis 1. Oct.
8é d. J. zu beziehen. Näheres in Nr. 43
4
bs parterre daſelbſt zu erfahren.
L. Niedlinger.
7
er. Ppe.
vrEDr
TAlTTT-AnATäTlAaArl

Darmſtädter Actien-Ziegelei.
Die ordentliche Generalverſammlung pro 1875-76 findet Mittwoch den
12. Juli, Nachmittags 4 Uhr, im oberen Saale der Karlshof=Reſtauration ſtatt.
Die Ausgabe der Legitimationskarten mit Angabe der Stimmberechtigung findet
vom 1. Juli ab täglich von 3-5 Uhr auf dem Büreau der Geſellſchaft, Kranich=
teinerſtraße
Nr. 71, ſtatt.
Gegenſtände der Verhandlung ſind die durch den 8 17 der Statuten vorgeſchrie=
benen
, insbeſondere Rechnungsablage und Neuwahlen.
Darmſtadt, den 12. Juni 1876.
Der Aufſichtsrath.

Vermiſchte Nachrichten.

12.
4kussbodenanstrioh
288)
und
14)
WoInOt
der Fußböden wird beſtens und billig 4
ausgeführt von
Viſh. Hill,
Rittergaſſe 4.
Beſtellungen können gemacht werden
bei Herrn Friedr. Schäfer, Ludw.=
4 Platz 7.
GnatrmummurrAtAuungat
5739) Ein Madchen fur auswärts
geſucht, welches kochen kann u. alle Haus=
arbeit
verſteht. Näheres bei Verdingerin
Matteru.

Großherzogliche Handelskammer zu Darmſtadt.
Heffentliche Hitzung:
Freitag den 7. Juli 1876 Abends 6 Uhr.
Tagesordnung: Jahresbericht pro 1575.
(ö778
Pari-i Ph ritz.
r
S4EIOF
isdBisadiasuvaliaaarieoe
4)
GAäIOIU
5779)
1)
Freitag den 7. Juli Abends halb 8 Uhr
L5
L l.
Uuterhaltungs=Muſik
ausgeführt von der ganzen
420
) Capelle des Großherzogl. Heſſ. Leib=Dragoner===
4
7
Regiments Nr. 24,
unter Leitung ihres Capellmeiſters Herrn Gaubatz.
ſEintrittspreis Perſon 20 Pfg

Bei ungünſtiger Witterung Concert im Saal.
4ETrU6½57
AION

5009

H ü u f e tz
in den beſten Lagen, mit u. ohne Geſchäfte, ſowie Herrſchaftshäuſer mit ſchö=
neu
Gartenanlagen, Bauplätze ſind durch den Unterzeichneten zu verkaufen.
M. Neuſtadt, Alerxanderſtraße.

[ ][  ][ ]

.

Au die Bewohner Darmſtadts

- ,

Das Feſt unſerer Fahuenweihe naht heran und treffen Sonntag den 9. Juli er. Tauſende unſerer auswärtigen
Kameraden, mit welchen wir durch die großen Errungenſchaften der geeinigten deutſchen Waffen während des glorreichen Feldzugs
1870-71 kameradſchaftlich verbrüdert ſind, von Nah und Ferne in unſerer Reſidenz zuſammen.
An die Einwohner unſerer anerkaunt gaſtfreien Stadt, deren Sympathien für ihre Vaterlands=Vertheidiger ſich bei dem
glänzenden Empfang im Jahre 1871 documentirten und ſich in dem Krieger Vereins=Weſen bis heute erhalten haben, richten wir
hiermit die freundlichſte Bitte, im Iutereſſe unſeres rein patriotiſchen Feſtes und zur Ehre unſerer Stadt durch Schmückung der
Häuſer und Straßen ꝛc. unſeren auswärtigen Kameraden einen gaſtfreundlichen Empfang zu bereiten und ihnen den Aufenthalt
hierſelbſt ſo angenehm wie möglich zu machen.
24
2.
Dus Feſt=Comite des Krieger=Vereins Darmſtadt.

4
8

214

Bach.
E4- Wir erſuchen das gehrte inſerivende Publikum, bei Abbe=
ſtellungen
, Aenderungen, ſowie bei verlangter Auskunſt über einzelne
Annoncen immer die denſelben beigefügten fortlaufenden Inſeraten= Num=
mern
gefälligſt angeben zu wollen, indem nur dadurch eine raſchere und
ſichere Beförderung ermöglicht wird.
Die Expedition des Tagblatts.

5780) Ein reinliches Mädchen ſucht
Arbeit im Waſchen und Putzen.
Kirchſtraße Nr. 21.
5781) Ein junges Mädchen geſucht als
Wärterin für die Kleinkinderſchule

5784) Ein vermöge ſeiner Lage ſehr
leiſtungsfähiges Walzwerk, welches Band=,
Fein=, Façon= und Handelseiſen fabricirt,
ſucht in größeren Städten Süd= und
Mittel=Deutſchlands mit der Eiſen=Branche
vertraute

5782) Vom 1. October l. J. an ſind
2000 fl. ganz oder getrennt auf erſte
Hypothek zu verleihen.
Wor ſagt die Exp. d. Bl.
5783) Ein reinliches Mädchen ſucht einen
Monatdienſt. Langegaſſe 25, 2 St. hoch.

Vertreter.
Gefl. Franco=Offerten sub Chiffre
E1404 befördert die Annoncen=Exped.
von Rudolſ Mosse, Franl-
jurl
a. M.

Eintracht
geſellſchafl
Samſtag den 8. Juli, Abends 7½ Uhr:
SOUROTTTOSImO
mit vorangehendem Concert
im Zaalbau.
(Bei ungünſtiger Witterung im großen Saal.)
Die Vergnügungs=Commiſſion.

5740) Eine zweitſtillende geſunde
Schenkamme wird geſucht. Näh. Frank=
furterſtraße
15 gegenüber d. Centralwerkſtätte.
Im Großherzoglichen Holzmagazin wird
gegen Baarzahlung abgegeben:
Buchen=Scheitholz pr. Rmtr. 17 Mark
Kiefern=
11
Beſtellzeit: Dienſtag, Freiltag u. Samſtag
Vormittags von 8-1 Uhr.
Für das Verbringen von 1 Rmtr. Holz
nach Darmſtadt oder Beſſungen ſind 55 Pf.
an den Fuhrmann zu entrichten.
Großherzogliches Rentamt Darmſtadt.
Hauſer.

Cageskalender.

Großh. Muſenm und Bildergalerie im Schloß
geoͤffnet Sonntags von 11-1 Uhr, Dienſtag. Mitt=
woch
. Donnerſtag und Freitag von 11-12 Uhr=
Großh. Hoſbibliothek im Schloß, geöffutt täg
lich von J-12 Uhr Vormittags und ſaußer Samſtag)
von 2- 4 Uhr Nachmittags.
Großherzogliche Gärten. Der Garſen vor dem
Jägerthor (Mathildenhöhe) iſt dem Publikum jeden
Miktwoch, der Beſſunger Hofgarten jeden Donners=
tag
geöffnet.
Spärkaſſe. Zahltag an jedem Werktage von
9-12 Uhr Vormittags. Die Büchlein werden ſo=
gleich
ausgefertigt.
Tarmſtädter Vollsbank, eingetragene Ge=
noſſenſchaft
, verbunden, mit Star=Kaſſe.
Geſchäftsſtunden täglich Morgens von 9-12 Uhr,
Nachmittags von 3-6 Uhr. Kaſſeſchluß um 5 Uhr
Nachmittags. Sparkaſſe=Bulchelchen werden ſogleich
bei der Einlage ausgejertigt.
Spar= und Leihkäſſe in Beſſungen Carlsſtraße
Nro. 2. Zahltage Vienſtag und Samſtag von
8-12 Uhr Vormittags.

Die Deutſchen auf der Ausſtellung in Philadelphia.
Der kürzlich zum Generalkommiſſär der deutſchen Ausſtel=
lung
in Philadelphia ernannte Berliner Prof. Reuleaux hat
einen Brief an die National=Ztg. gerichtet, der großes und ge=
rechtes
Aufſehen macht.
Der Kern dieſes Briefes liegt in dem offenen Bekenntniß,
daß wir im Wettkampf des Schaffens in Philadelphia beſchämt
ſchö= daſtehen. Es darf nicht verhehlt, es muß ſogar laut ausge=
uſen
. ſprochen werden, daß Deutſchland eine ſchwere Niederlage au
der Philadelphiaausſtellung erlitten hat. Solche Worte von ſol=
chem
Fachmanne ausgeſprochen und aus der Feder des Mannes,

der an der Spitze der amtlichen deutſchen Kommiſſion ſteht, ſind

eine Mahnung an Deutſchland, daß es durch Fleiß und Schaffens=
luſt
lerne, wie man ſich geiſtig empor arbeitet, um nicht beſchämt
dazuſtehen, wenn es gilt, auf ſittlichem und intelligentem Ge=
biete
eine Ebenbürtigkeit zu zeigen.
Die Kernſtellen dieſes Briefes lauten wie folgt:
Unſere Leiſtungen ſtehen in der weitaus größten Zahl der
ausgeſtellten Gegenſtände hinter denen anderer Nationen zurück,
nur in wenigen erſcheinen wir bei näherer Prüfung ihnen gleich,
in einem Minimum von Fällen nur überlegen.
Leider iſt denn auch die Preſſe, und vor Allem die deutſch=
amerikaniſche
, ſchonungslos über unſere Ausſtellung hergefallen.
Wir haben Wahrheiten der bitterſten Art hören müſſen und noch
zu erwarten. Wie in einer Art von Wuth und deßhalb auch

[ ][  ]

1214

häufig viel zu weitgehend, werden die Schwächen der deutſchen
Induſtrie an unſerer Ausſtellung demonſtrirt, wird jeder kleine,
wenn auch noch ſo verzeihliche Mangel gerügt und herausgeſucht.
Der Grund dieſer Gereiztheit, welche wahrſcheinlich in einiger
Zeit einer wenigſtens unparteiiſchen Auffaſſung weichen wird, iſt
einigermaßen erklärlich. Jahrelang haben die Deutſch=Amerikaner
von den Leiſtungen geſprochen, welche Deutſchland, das wieder=
geborene
, erſtarkte, an den Tag legen werde; mit Stolz haben
ſie prophezeit, wie ihr ehemaliges Vaterland die übrigen Natio=
nen
, wenn nicht in Schatten ſtellen, ſo doch vielfach überflügeln
werde. Und nun iſt von alledem nichts, vielmehr meiſtens das
Gegentheil geſchehen, und darum ſind die überführten ehemaligen
Freunde nun unſere erbittertſten Gegner und Tadler geworden.
Vielleicht ſind ſie aber dennoch indirekt unſere Freunde, indem
ſie Deutſchland öffentlich den Spiegel vorhalten, den ihm ſeine
Freunde in Europa ſo oft ſchon im kleineren Kreiſe vorzuhalten
geſucht, ohne daß ihnen geglaubt wurde. Aber das neue Deutſch=
land
iſt verwöhnt von ſeinen Schmeichlern, die Phraſe von
Deutſchlands Beſtimmung und Stellung iſt ihm ſo oft in's Ge=
icht
geſagt worden, das Lied ſeines Ruhmes ſo oft vorgetrillert
worden, daß es die Fühlung mit den Forderungen verloren hat,
welche ein internationaler Wettkampf an ſeine Kräfte ſtellt. That=
ſache
iſt: unſere Niederlage iſt unläugbar. Sie den Landsleuten
zu verſchweigen oder zu bemänteln, wäre gegen die patriotiſche
Pflicht. Ich werde vielmehr verſuchen, im Einzelnen die ſchwachen
Punkte zu charakteriſiren. Für heute möchte ich nur in einigen
Hauptzügen die gegen uns geſchleuderten Vorwürfe ausführen.
Als Quinteſſenz aller Angriffe tritt der Wahrſpruch auf:
Deutſchlands Induſtrie hat das Grundprinzip billig und ſchlecht.
Leider hat unſere Induſtrie wirklich im Durchſchnitt dieſen Grund=
ſatz
, wenigſtens rückſichtslos in ſeinem erſten Theile und darum
als Konſequeuz in ſeinem zweiten. So viel ſich auch ſchon tüch=
tige
wackere Induſtrielle, welche jenen Grundſatz verdammen,
bei uns bemüht haben, ihm entgegenzuwirken, ſo viel auch ſchon
Mancher, dem ein warmes Herz für unſere Induſtrie im Buſen
ſchlägt, dagegen geſprochen, es behält immer die Oberhand und
iſt denn auch in unſerer Ausſtellung nur zu deutlich zum Aus=
druck
gelangt.
Zweiter Satz: Deutſchland weiß in den gewerblichen und
bildenden Künſten keine andere Motive mehr, als tendenziös
patriotiſche, die doch auf den Weltkampfplatz nicht hingehören,
die auch keine andere Nation hingebracht; für die tendenzloſe,
durch ſich ſelbſt gewinnende Schönheit hat es keinen Sinn mehr.
In der That, nachdem man uns dies geſagt, beſchleicht uns ein
beſchämendes Gefühl, wenn wir die Ausſtellung durchwandern und
in unſerer Abtheilung die geradezu bataillonsweiſe aufmarſchiren=
den
Germanien, Boruſſien, Kaiſer, Kronprinzen, yred princes,"
Bismarck, Moltke, Roon betrachten, die in Porzellan, in Bis=
cuit
, in Bronze, in Zink, in Eiſen, in Thon, die gemalt, ge=
ſtickt
, gewirkt, gedruckt, lithographirt, gewebt, an allen Ecken und
Enden uns entgegenkommen. Und nun in der Kunſtabtheilung
gar zweimal Sedan! Was hat die Kommiſſion für Kunſtwerke
ich bei der Aufnahme dieſer Bilder gedacht! Und wieder in der
Maſchinenhalle ſieben Achtel des Raumes, ſo ſcheint es, für
Krupp's Rieſenkanonen, die Killingmashinesé wie man ſie
genannt hat, hergegeben, die da zwiſchen all dem friedlichen
Werk, das die anderen Nationen geſandt haben, wie eine Dro=
hung
ſtehen! Iſt das wirklich der Ausdruck von Deutſchlands
Miſſion zu Muß man nicht den Chauvinismus und Byzanti=
nismus
als bei uns in höchſter Blüthe ſtehend annehmen? Zwin=
gen
wir nicht die fremden Nationen geradezu zu dieſer An=
nahme
?
Dritter Satz: Mangel an Geſchmack im Kunſtgewerblichen,
Mangel an Fortſchritt im rein Techniſchen. Wiederum müſſen
wir an unſere Bruſt ſchlagen. Wiederum müſſen wir auf die
Wichtigkeit der Beſtrebungen des Gewerbemuſeums, auf das ge=
ringe
Entgegenkommen hinweiſen, welches der Handelsminiſter

in ſeiner warmen Fürſorge für dieſe Induſtrie findet. Be
allen Nationen, die auf der Ausſtellung vertreten ſind," ſagel
die Tadler, haben wir etwas zu lernen gefunden, in Deutſch
land nichts11 Hart, aber beinahe wahr!
Dieſe ſind die zwei Hauptargumente, welche gegen uns er
hoben werden. Ich werde nächſtens verſuchen, bei näherer Ana
lyſe die troſtreichen Ausnahmen hervorzuheben; im Allgemeinen
aber vermag ich den Vorwürfen nicht zu widerſprechen und kan
nur den Wunſch äußern, es möchten recht viele deutſche In=
duſtrielle
herüberkommen, um zu ſehen, wie viel wir zu lerner
F. Reuleaux.
und wie viel wir zu vergeſſen haben.
Es iſt hier nur noch hinzu zufügen, daß das kaufende Pub.
likum ſelbſt einen großen Theil der Schuld des niedrigen Stan=
des
unſerer Induſtrie trägt. Statt wie die Engländer vor
allem auf die Solidität oder wie die Franzoſen auf guten Ge=
ſchmack
zu ſehen, verlangt das deutſche Publikum nur billig
ohne zu bedenken, daß das Theure in der Regel auch das wirk=
Billigere iſt; wer aber für gute und geſchmackvolle Waare et=
was
mehr anlegen will, bezieht dieſelbe, wenn es irgend angeht,
direct aus Paris, London oder Brüſſel.
Der Fabrikant arbeitet zunächſt für den Bedarf ſeiner Ab=
nehmer
und dieſe richten ſich wieder nach dem Geſchmack ihrer
Käufer; wenn das Publikum daher erſt einmal dahin kommt,
daß es in erſter Linie deutſches Fabrikat, dieſes jedoch ſolid und
geſchmackvoll verlangt, dann aber auch entſprechend bezahlt,
wird die deutſche Induſtrie raſch genug einen neuen Aufſchwung
nehmen.

Mittheilungen aus Stadt und Land.
Darmſtadt, 7. Juli.
- S. M. der Kaiſer von Rußland iſt heute Vormittag 9 Uhr
in einem Extra=Zug von Bickenbach nach Rußland abgereiſt. Unterwegs
ſoll eine Zuſammenkunft mit dem Kaiſer von Oeſterreich ſtattfinden. Wie
gewohnt ſind bei der Abreiſe viele werthvolle Geſchenke vertheilt worden.
Die Aachen=Münchener Feuer=Verſicherungs= Geſell=
ſchaft
hat den durch die letzte Ueberſchwemmung heimgeſuchten Bewohnern
Rheinheſſens eine Unterſtützung von 10,000 Mark übermittelt. Ein Zei=
chen
der geſunden Finanzverhältniſſe dieſer Geſellſchaft.
Münchener Kunſt= und Kunſtgewerbe=Ausſtellung 1876.
Im Verlage von Lehmann und Wentzel in Wien (für München durch die
Dr. Wild'ſche Buchdruckerei, Gebr. Parcus, vertreten) iſt ſoeben erſchienen:
Führer durch die Kunſt= und Kunſtgewerbe=Ausſtellung in
München 1876 von K. A Regnet. Dieſer Führer, deſſen Erſcheinen
jedem Beſucher der Ausſtellung ſehr willkommen ſein dürſte, zeichnet ſich
durch recht praktiſche Eintheilung ſowies durch hübſche und handliche Aus=
ſtattung
aus und erleichtert der beigegebene überſichtliche Plan des Ausſtel=
lungsraumes
ſehr das Auffinden von einzelnen Abtheilungen und Gruppen.
Der Führer folgt ſtreng der Anordnung der Ausſtellungsräume, führt die
bedeutenderen Gegenſtände mit Beifügung der Meiſter auf, die ſie geſchaffen
und erſetzt dadurch für die Mehrzahl der Beſucher den officiellen Katalog.
Er ſührt den Beſucher aber auch in die Bedeutung der Kunſt und des
Kunſtgewerbes für die Entwickelungsgeſchichte des deutſchen Volkes ein. Er
iſt nicht für Gelehrte geſchrieben, ſondern für das Volk, das ſich deſſen
freuen will, was deutſche Kunſt und deutſches Kunſtgewerbe ſeit 11 Jahr=
hunderten
geleiſtet haben. Um die Gegenwart zu verſtehen, muß man
die Vergangenheit kennen. Der Führer iſt ihm behülflich, ſie kennen zu
lernen. Er zeigt ihm in leicht verſtändlicher Sprache nicht blos wo und
wie die für das Kunſtgewerbe wichtigſten Arten der Technik entſtanden ſind,
ſondern auch welche Phaſen der Geſtaltung wichtige und noch heute be=
nützte
Gebrauchs=Gegenſtände durchgemacht, wie ſie ihre heutige Form ge=
wonnen
haben. Er nennt ihm ferner die bedeutendſten deutſchen Meiſter
in den verſchiedenen Zeiten und zweigen und führt ihm charakteriſtiſche
Bilder des öffentlichen und Privatlebens vor Augen. Und iſt die Aus=
tellung
längſt geſchloſſen, dient er noch in vielen Richtungen als Nach=
ſchlage
=Büchlein. Der Preis 1 M. 60 Pf. iſt für das Gebotene und die
hübſche Ausſtattung ein ſehr niedriger und iſt der Führer zu dieſem Preiſe
durch jede Buchhandlung zu beziehen.
Für Hundebeſitzer. Eine Entſcheidung des Pr. Ober= Tribu=
nals
ſagt: Der Beſitzer eines Hundes. welcher durch Heulen und Bellen
zur Nachtzeit die Ruhe in erheblicher Weiſe ſtört, macht ſich dadurch einer
Uebertretung ſchuldig, wenn er nicht dieſem Uebelſtand in entſprechender
Weiſe abhilft. Es macht keinen Unterſchied, ob der Angeklagte einen Hund,
der in dieſem Zuſtande durch häufiges und ſortgeſetztes Bellen die Ruhe
der Bewohner der Nachbarſchaft ſtört, dauernd an der Kette hält, oder ob
der Angeklagte ein ſolches Heulen und Bellen des Hundes durch wiederholtes
zeitweiſes Feſtlegen oder durch eine ſonſtige Behandlung des Thieres ver=
anlaßt
. (eitſchriſt für Staats=und Gemeinde=Verwaltung im Großh. Heſſen)

Redaction und Verlag: F. C. Wittichſche Hofbuchdruckerei.