Darmstädter Tagblatt 1873


03. Oktober 1873

[  ][ ]

Hergnoͤbisſ hrivilegirtes

136. Jahrgang.

ſhonnemenisoreis
24 . ührtl. inék Britgen=
(ohn. - Kuzwlriz werden von
aAm Pofämiern Beſtelungen
Atzegengenommen zu 53 kr. pry
grsriadl inck. Poſtcauffslag ind
Eßellgesühe.

füx die

Bahse
verden angenommen in Dabne
pedtvan der Exediiga. Rhein
Pratze Nr. 23. in Beſſungen
zen Friedrich Büößer, Frledrich=
Rraße Nr. 7. ſobie auzwänz
von allen jeliden Ennonen
Trgeditionen

Kmiliches Organ
Bekanntmachungen des Grof herzoglichen Kreisamtes Darmſtadt

A123

Freitag den 3. October

4¾Z.

Be k a n nt mach u n g.
Es wird hierdurch zur Kenntniß der Iutereſſenten gebracht, daß die franzöſiſche Regierung aus Anlaß des Ausbruchs der
Cholera in verſchiedenen Gegenden Deutſchlands das Verbot der Beförderuig von Auswanderern mittelſt ſolcher Schiffe erlaſſen
hat, welche von Hamburg kommend in Havre und Cherbourg anlegen. Da hiernach Auswanderer, welche ihren Weg durch Frank=
reich
nehmen wollten, um ſich in einem der genannten Häfen einzuſchiffen, daſelbſt zurückgewieſen werden würden, ſo machen wir
alle Auswanderer darauf aufmerlſam, vorerſt ihren Weg nicht über Frankreich zu nehmen.
Darmſtadt, 29. September 1873.
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
Dr. Goldmann.
5
CD

Bekanntmachung.
Am Donnerſtag den 8. October d. 3
Vormittags 9½ Uhr ſoll auf dem hieſigen
Zeughaushofe ausrangirtes Artillerie= Mate=
rial
worunter 12 Laffeten mit Protzen, 6
Vorrathswagen, 21 Räder, 100 kleine Woi=
lachs
81 Kummte, diverſe Geſchirr= und
Stallſachen, 1 Kaſſenſchrank, diverſe Schmied=
werkzeuge
, 565 Kilo Eiſenblech, 5781 Kilo
Gußeiſen, 9224 Kilo Schmiedeifen in gro=
ßen
und kleinen Beſchlägen, 494 Kilo Pa=
pierabfälle
ꝛc. gegen gleich baare Bezahlung
öffentlich meiſtbietend verkauft werden.
Die Bedingungen werden im Termin be=
kannt
gemacht, können auch im dieſſeitigen
Büreau, Zeughausſtraße I, u. in Büreau des
Artillerie=Oepots Mainz eingeſehen werden.
Darmſtadt, den 27. September 1873.
8127)
Artillerie=Depot.
8158) Pferde=Verkauf.
Samſtag den 4. October d. J.
Vormittags 10 Uhr
ſoll im Hofe der hieſigen Cavallerie=Kaſerne
ein ausrangirtes Reitpferd öffentlich und
meiſtbietend gegen gleich baare Bezahlung
verſteigert werden.
Darmſtadt, den 30. September 1873.

Feilgsbotenes.
6371) Eine Bpecereiladen= Gin=
richtung
zu verkaufen. Alexanderſtraße 7.
7767) Verſchiedene neue Kleidungs=
kücke
eines Einjährig=Freiwilligen der
Artillerie ſind zu verkaufen.
Gr. Ochſengaſſe 26.
8132) Liegracsir fabriqué 4lagi
Chartreuse verte et blanche ächt bei
Minis Lalllsr.

7690) Wir erlauben uns hiermit unjer
Lager deutscher Weiss- & Rothweine, spanischer,
≈ fraurösischer Veine,
Mgarischer
alienischer,
Cap-Neine, Honssirender Weine & Champagner
in empfehlende Erinnerung zu bringen und offeriren ganz beſonders:
per Ozd. per ½ Ohd. per 1 Flaſche.
fl. 3. 36.
42.
Vordenuz: Superieur
fl. 7.
fl.-

Burginder

Hedoc
8t. Julien
Chat. Hargeaux

Afenthaler
Oher-Angetheimier
Assmannshünser
Auriziekekiert
Außerdem empiehlen einen guten Tiſchwein
Rulöncker

8.
10.
12.
9.

4. 12.
5. 12.
6. 12.
4. 36.

7. 30. 4.
7. 30. 4.
9.
4. 36.
9. - 4. 36.

5.

2. 36.

=- 54.
I. 6.
I. 24.
I.
42.

42.
48.
48.

27.

D*
C. H. Huber a SGAmO,

Großherzogliche Hof Lieferanten.

8129)

Lür Bausfrauen!
Vaniller, Gewürz. & Gesundhcits-Chocolade von
Gebrüder Waldbaur in Stuttgart, Lieferanten des K. Württemb. Hofes und J. M.
der Königin der Niederlande, empfiehlt von 54 kr. bis 4 fl. per Pfund.
Hanzis Leuzt,
Ecke der Eliſabethen= und Wilhelminenſtraße.

8178)

4
Hiddheder-Crehhe,

anerkannt das einzig bewährte Mittel, verdorbenem Kidd=, Dock, Seehund=, Chevreau=
und Chagrinleder ſeine urſprüngliche Farbe, Geſchmeidigkeit, überhaupt ein neues Anſehen
wieder zu verleihen, empfiehlt
Louiſenplapz
Eduard Schüssler,
Nr. 4.
423

[ ][  ][ ]

154¼
2
CAAAadhoon
AAEEATuRTAURNöOOIN
HUmzugshalber zu verkaufen;
E Eine gut erhaitene grüne Pelüſch=Cau=

ſeuſe mit ſechs Stühlen und zwii Seſ=
25
ſeln. Ehendaſelbſt zwei elegante Ma=
goni=Bettſelen und emn vergoldeter
K Lüſtre für Petroleum. Einzuſehen 4
B Obere Heinrichſzraße Nr. 48. (79324
AATRRRUAETAAITTAATAAET
Ein zahmes Neh
auf den Namen Lieſel hörend, zu verkaufen
Brandgaſſe 16.
81294)

8179) Ein Kalb zu verkaufen.
Kranichſteinerſiraße 41.

re.

Verui zthungen.
5854) Steinſtraße Nr. 8 eine Wohnung
von 5 Stuben, Küche u. auhergewöhnliche:
Bequemlichkeiten zu vermieihen.
Näheres Parterre daſelbſt.
6256) Ein gewölbter geräumiger Keller
zu vermiethen. Beſſ. Carlsſtraße 3.
AAxATTTAATAiUTTIATAPIN
8 6385) Frankjurterſtraße7 ein Logis
H von 6 Piecen nebſt Zugehör zu ver=
H miethen und Anfang October d. J.
K beziehbar. Auf Wunſch kann auch
8 Stallung für 3 Pferde, Remiſe und
B Burſchenſtube dazu gegeben werden.
EDulsAAAUAAAAyrAAAtapi
7454) Große Ochſengaſſe 19 iſt ein
möblirtes Zimmer mit 2 Beltſtellen zu
vermiethen.
7519) Ein freundliches Man=
ſarden
=Logis vom 1. October an eine
kinderloſe Familie zu vermiethen bei
Franz Hoffmann, Promanadeſtr. 6.
7603) Manſarde, hübſche Ausſicht,
1 oder 2 Zimmer, 2 Cabinette ꝛc. Garten.
Beſſungen, Kirchſtraße 25.
7608) Bpecerei= ꝛc. Geſchäft,
vortheilhafte Lage, alsbald unter ſehr an=
nehmbaren
Bedingungen, auf Wunſch mit
größeren Räumen für Reſtauration.

17815) 1 Iin Nneinden inen eroanten
Hauſe, Caſernenſtraße, gegenüber der
neuen Güter=Halle, iſt der L., 2. und
3. Stock, beſtehend je aus 5 Zimmern,
Küche, Vorplatz, Waſchküche und Bleich= F
platz, zu vermiethen und Ende Oe=
H
tober beziehbar.
Auf Verlangen kann auch Stallung
für 3 Pferde dazu gegeben werden.
L. Geider, Hofweißbinder,
Waldſtraße Nr. 23.

4896) HDeielberder Crdhe Nr. 1 ein
Zimmer mit 2 Kabinetten ſofort zu ver=
miethen
. Auf Verlangen auch Stallung
mit Burſchenzimmer und Heuboden auf An=
fang
October.

4ö Ulſabethenirdie nen 3
4 im Vorderhaus iſt der zweite Stock F
A mit allen Bequemlichkeiten zu vermie=
K then und eventuell ſofort zu beziehen. P
R Näheres parterre. Joſ. Mainzer. 8
NATLATAAATANLAAAAOTN

Mf. 153
7798) Stiftſtraße Nr. 58 iſt ein hüh=
ſches
Logis, beſtehend aus 3 Zimmern,
Küche, Keller, Bodenkammer, Mitgebr auch
der Waſchküche, des Bleichplatzes ꝛc., zu
vermiethen und ſofort zu beziehen.
7881) Bleichſiraße 46 nächſt den Bahn=
höfen
2 unmöblirte Zimmer zu vermiethen
und gleich zu beziehen.
7884) Eine ſchöne Schlafſtelle an einen
einzelnen Herrn ſogleich zu beziehen.
Hochſtraße 13.
7953) In der Nähe der Katholiſchen
Kirche iſt ein einfach möblirtes Zimmer ſo=
gleich
zu vermiethen. Näheres bei der Exp.
8164) In dem neuen von mir erkauften
Hauſe Roßdörferſtraße Nr. 10 iſt der 2. u.
3. Stock, je 4 Zimmer, 1 Alkoven, Küche,
Magd= und Bodenkammer, Mitgebrauch der
Waſchküche und des Bleichplatzes zu vermiethen
und alsbald zu beziehen.
Ferdinand Brückner.
8165) Ein freundlich möblirtes Zimmer
zu vermiethen. Mühlſtraße 31 1. Stock.
8166) Beſſunger Ludwigsſtraße Nr. 3 5544) Zwei Schreiner können bei
ſind 2 Logis zu vermiethen.
8180) Ein möblirtes Zimmer.
Alexanderſtraße 9.

8181) Ernſt=Ludwigſtr. 15 in die Par=
terre
=Wohnung im Hinterhaus (ein freund=
lich
räumliches Logis), beſtehend aus drei
großen Zimmern, Küche, Keller, Souterrain,
Holzſtall, Waſchküche und Mitgebrauch des
Bleichplatzes gleich zu beziehen.
Auch können daſelbſt noch 2 große Räume
für veiſchiedene Zwecke dazu gegeben werden.
H. Henkel, Hof=Vocquctlieferant.

186
24³3
541
5⁄₈
⁄₈₈
5⁄₈
8⁄₈
4)
178
1⁄₈
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85
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⁵⁄
Pret AA rAAn AAridunähsAd Ad Ad sd udr ha irhrse d unrubete
79
Neuer Mannzer -nzeiger.
(Redacteur J. Schaefer.)
Dieſes neue Blatt wird es ſich zur Hauptaufgabe machen, die Intereſſen der Stadt
und deren Umgegend zu wahren. Außer ſorgfältig gewählten Lokalmittheilungen wird
es auch Berichte aus anderen Orten Rheinheſſens und der beiden anderen Provinzen des
Landes br ngen, während ihm zugleich vielfache Nachrichten aus der weiteren Umgebung
zugeſagt ſind.
Der täglichen politiſchen Ueberſicht werden von Zeit zu Zeit eingehende Leitartikel
über die wichtigſten Vorgänge der Gegenwart vorausgeſchickt werden.
Dem poliliſchen Theil ſchließen ſich inhaltreiche Rubriken über Handel, Verkehr,
Landwirthſchaft, geſellſchaftliches Leben u. ſ. w. an.
Der Unterhaltung dient ein gewähltes Feuilleton in Novellen, Biographien, Ge=
dichten
u. dgl. Der Sonntagsnummer des Neuen Mainzer Anzeigers wird unter
dem Titel Moguntia ein belletriſtiſches Beiblatt beigegeben, das unterhaltende Erzäh=
lungen
bietet, und in dem Mainzer und auswärtige Verhältniſſe in humoriſtiſcher Weiſe
zur Sprache gebracht werden ſollen.
Der Neue Mainzer Anzeiger' erſcheint vom 1. October an täglich mit Ausnahme
des Montags.
Der Abounementspreis für das Blatt einſchließlich der ſonntäglichen Beilage Mo=
guntia'
beträgt vierteljährlich 54 kr. ohne Poſtproviſion. Alle Poſtanſtalten nehmen Be=
ſtellungen
auf das neue Blatt an.
Lokalinſerate werden die gewöhnliche Petitzeile mit 3 kr. berechnet; ſonſtige Anzeigen
loſten 6 kr. per Zeile. Bei wiederholter Annoncirung wird ein erheblicher Rabatt be=
willigt
.
Drrck und Papier des Reuen Mainzer Anzeigers; werden in jeder Beiehung
befriedigend ſein.
Zu zahlreicher Abonnirung auf die neue Zeitung erlaubt ſich Unterzeichnete ergebenſt
Mainz, im September 1873.
einzuladen.
Die Expebition des Neuen Mainzer Anzeigers=
8182)
(kleine Emmeransgaſſe 4).

f.. r. e.r. e.

Vermiſchte Nachrichten.
3 Ein Werkmeiſter
für eine Eiſengießerel in Frankfurt
d. M. geſucht, der practiſche Erfahrung
im Maſchinenguß haben muß. Uebung im
Zeichnen erwünſcht. Franco=Offerten unter
P. V. 841 an die Aunoncen=Expedition
von Haasenstein & Jogler in Frank-
furt
a. M. zu richten.
(V864.)

8154) In ein Putzgeſckäft werdenemige
Lehrmä chen geſucht. Wo? ſagt die Exp.

mir dauernde Beſchäftigung finden
Ed. Kühnſt, Pianofortefabrik.
v8panNlönPir. ly.ips aprarayPredpieNetrrapg.
bes
½=
Beäp
e=
ON
GlO.
Dreatis.
Sh
AArdA Ad A h an ndra undtn haAAh tradratr r r idit
Beſſunger älterer Geſangverein.
22
Samſtag, 4. October.
84
55.
.
ASORAuRtOTöATbUU7
auf dem Chauſſeehaus. - Anfang 8 Uhr.
Herr Reſtaurateur Niedmatter hat die Gejälligkeit für dieſen Abend
2 Wirthſchaft zu beſorgen.
8146)
Der Vorstund.

[ ][  ][ ]

3182a

. 193

1545

Haöfluuut,
unſeres
ingerichteten L0
amt . October 1873.

4

39)
B. E. Ahho GZa,
Großherzogliche Hof=Lieferaulen

ſSinen Lackirer ſucht
Chr. Mölbert,
Maler u. Lackrer, Mühlſtraße 62.

8177) Ich ſuche einen Scribenten.
Maſſot, Hofgerichts=Advokat.

8171)
Meine Wohnung befinder ſich nun
mehr Veorgſtraße Nr. 8.

J. G. JJorats.

3183)

55
Aurngemeinas =armstadt.

Freitag den 3. Oetober 1873 Abends 8 Uhr in der Turnhalie am loogeplatze:
Musikalisch declamatorische AbendUnterhallung,
veranslallet von Mitgliedern des Teichnen-Cursus für. Jolksschallehrer.
Die Miglieder der Parngemeinde, sooie die des Vereins für Volks-
Hildung werden diermit zum Besuche freundlichst eingeladen.
Der Vorstand.

5048) Ein braver Junge lanu in die
Lehre treten bei
Heinr. Martin, Steinhauermeiſier.
7966) Ein ſpaniſche Wand wird zu
Laufen geſucht. Näheres Eliſabethenſtraße
Nr. 17 im Laden.
7931) 2 Schüler können jofort freund=
liche
Aufnahme finden. Wo? ſagt die Exp.

7457) Ein Hausburſche geſucht.
Zu erfragen bei der Exp. d. Bl.

8175) Eine Laufrau geſucht. Arheilger=
traße
Nr. 59.
8153) Ein braves zuverläſſiges Mädchen
wird in einen Laden als Verkäuferin geſucht.
Wo? ſagt die xpedition.

8184) Ich ſuche jür 2 Mädchen von
6 und 10 Jahren einen Herrn oder Dame
zur Erlernung des Klavier=Unterrichts, welche
wo möglich hier auf dem Hofe Wohnung
nehmen könrten.
Carlshof. F. P. Pitthan.

8185) Einige Mädchen für leichte
und dauernde Arbeit geſucht.
Näheres im Verlag d. Bl.
8186) Tapezier=Arbeiten
werden gut und möglichſt billig gefertigt.
Fr. Wentzel, Tapezier, Dieburgerſtr. 90.

H.
ſin zuverläſfiger junger Maun, ge=

E, dienter Unteroffizier, im Rechnen
u. Schreiben bewandert, ſucht Stelle als
Aufſeher, Magazinier, Ausläufer u. dgl.
Gefällige Offerten unter Chiffre G. H. 24.
befördert die Expedition dieſes Blattes.

8188) Man wünſcht eine junge Dame,
15 Jahr alt, bei einer gebildeten Familie
in Darmſtadt in Penſion zu geben. Luſt=
tragende
wollen ihre Offerten nebſt Preis=
Angabe bei der Expedition d. Bl. einreichen
unter der Chiffre H. H. 2.

Die Erben.
Novelle von Mar Ring.
Fortſetzung.
Das freundliche Anerbieten des Schwagers klang ſo ver=
führeriſch
und ſchien ſo ehrlich gemeint, daß der Kaſſenbote ganz
an ihm irrz wurde und im Stillen ihm alles Unrecht abbat, was
er an ihm begangen zu haben glaubte. Er hatte ihn immer früher
für einen eigennützigen Menſchen, für einen Wucherer und Hals=
abſchneider
gehalten, ihm nur das Schlimmſte und nicht einen
Funken Liebe zugetraut; nun aber mußte er zu ſeiner Beſchämung
Lingeſtehen, daß er ſich getäuſcht, daß Haſenfritz die großmüthig=
ſte
Seele auf Gottes Erde war, ein edler Mann voll Aufopfe=
rung
und Hingebung für die Seinigen. Darum meinte er nicht
recht gehört zu haben, oder nur zu träumen, er zweifelte noch
ammer an der Wahrheit dieſes Anerbietens, aber der Schwager
wiederholte noch ein Mal ſeine früheren Worte, ſo, daß Bauer
freilich jetzt daran glauben mußte. Hätte er nur die Abſicht des
ſchlauen Schneiders durchſchauen können, ſo würde er ihm nicht
ſo innig gedankt haben wie er es jetzt that. Herr Haſenfritz war
aber ein feiner Kunde und ließ ſich nicht ſo leicht in die Karten
ſehn.
Vorläufig ſchloß der Familiencongreß zur allgemeinen Zu=
friedenheit
; man hatte ſich vollkommen verſtändigt, die nöthigen
Schritte verabredet und hielt die große Erbſchaft für ſo ſicher
als wenn das Geld bereits in den Taſchen wäre. Unter den
zärtlichſten Freundſchaftsverſicherungen nahmen die Gäſte von ih=
ren
Wirthsleuten Abſchied, mit dem Verſprechen, bald wiederzu=
kommen
. Man umarmte und küßte ſich, ſchüttelte einander die
Hände und auch Herr Haſenfritz, Junior, war heute die Liebens
würdigkeit und Feinheit ſelbſt gegen ſeine Couſine geweſen, ſo daß
auch die letzte Spur ihres Widerwillens verſchwinden mußte, wenn
hr arglos gutes Herz überhaupt im Stande war, einen ſolcher
Längere Zeit zu bewahren.

Sechstes Capitel.
Nun aber begann für den Kaſſenboten ein neues, ganz ver=
ändertes
Leben voll Aufregung und fortwährender Unruhe. Mit
einem Schlage war Alles umgekehrt, ſeine Lage eine ganz andere
geworden.
Früher lebte er ſtill in ſeinem beſchränkten Kreiſe, zufrieden
mit ſeiner geringen Stellung, glücklich mit den Kindern, welche
den Stolz und die Freude ſeines Daſeins ausmachten. Jetzt
mußte er den ganzen Tag an den großen Projeß und ſeine Erb=
ſchaft
denken, Termine abhalten, Advokaten ſprechen, Schreiber
beſuchen, Beweismittel herbeiſchaffen. Er hatte keinen Augenblick
mehr Zeit für ſich und die Seinigen und wollte er all den An=
ſtrengungen
genügen, ſo konnte er nicht lünger Kaſſenbote bleiben.
Das ſah er ein und er ſprach oft mit ſeiner Frau darüber, aber
zu einem feſten Entſchluſſe konnte er ſo leicht nicht kommen, weil
er das ſichere Brod nicht leichtſinnig aufgeben mochte.
Ich will nicht unreines Waſſer ausgießen, bevor ich reines
habe und dann weiß ich nicht, wovon wir leben ſollen, wenn ich
abgehe.
Du mußt mit dem Bruder ſprechen und was der Dir an=
rathen
wird, das thue dann. Man kann nicht zweien Herrn dienen,
entweder vernachläſſigſt Du den Prozeß, oder Dein Amt; denn
Bides läßt ſich nicht zugleich halten.
Das jeh ich wohl ein, aber es fällt mir ſchwer, das Ge=
wiſſe
für das Ungewiſſe hinzugeben. Der Sperling in der Hand
iſt mehr werth, als die Taube auf dem Dache.
Alles gut und ſchön, aber damit iſt nichts gethau und die
chöne Erbſchaft geht am Ende uns verloren. Für ein Paar hun=
dert
Thaler willſt Du eine halbe Million hingeben. Hat man
je ſolch einen Unverſtand geſehn. Du handelſt wie ein ſchlechter
Vater an Deinen Kindern, wenn Du nicht Alles daran ſetzeſt,
den Projeß zu gewinnen. Sie würden Dir ewige Vorwürfe
nachen.
Das half, dann der ehrliche Kaſienbote hatte weit mehr ſeine

[ ][  ]

14⁄₈
1546
Kinder im Auge, als ſein eignes Glück; er bielt es für ſeine
Schuldigkeit, jedes Opfer für ihr Wohl und ihre Zulunft zu brin=
geß
, ohne an ſich ſelber zu denken. Außerdem wurde ihm ſeine
Stellung mit jedem Tage läſtiger und es gehörte ein weit ſiär=
Lerer. Charakter dazu, den überraſchenden Wechſel dieſer Verhält=
niſſe
zu ertragen und geduldig bis an's Ende auszuharren. Das
Gericht hatte vorläufig ſeine Anſprüche auf das Vermögen des
Hofmedicus Arnold und ſeine Verwandtſchaft mit demſelben an=
erkannt
und nur eine genauere Prüſung, nebſt Herbeiſchaffung
einiger noch fehlender Beweismittel angeordnet. Wenn er im
Stande war, dieſelben beizubringen, wozu er die gegründetſte
Hoffnung hatte, ſo erhielt er die bedentende, für ihn ungeheure
Summe ausgezahlt. Das konnte ſchon in weuigen Monaten ge=
ſchehn
und dann war er ein reicher Mann, der ſich nicht mehr
mit Herumlaufen und dem Schleppen der ſchweren Geldbeutel zu
plagen hatte. Je näher aber der Termin für ihn heranzurücken
ſchien, je günſtiger ſich die Angelegenheit geſtaltete, deſto größer
wurde auch ſeine Ungeduld, deſto fieberhafter ſeine Aufregung.
Wer in ſeinem Leben einen ähnlichen, bedeutenden Prozeß
geführt hat, bei dem Alles zu gewinnen, oder zu verlieren ſteht,
der wird am beſten die Gemülhsſtimmung des Kaſſenboten begreiſen
können. Das ſtachelt und reizt, prickelt und brennt, ſo daß ein
Menſch darüber wahuſinnig werden und ſeine Beſinnung verlieren
muß. Kein leidenſchaftlicher Spieler kann mit mehr Spannung
und größerer Aufregung den Lauf des Noulets, oder dem launiſchen
Wechſel der Karten folgen, als ein Prozeſſirender den verſchiedenen
Wendungen und Chancen des Nechts. Der grüne Tiſch des
Nichters und die grüne Bank des Spielers üben denſelben dämoni=
ſchen
Zauber anf die Betheiligten aus. Dort wie hier herrſcht
nach dem Glauben der Menge der Zufall, Dauk unſerer oft ver=
wickelten
und unklaren Geſetzgebung. Ein Wort, oft ein Buchſtabe
entſcheidet über Reichthum oder Armuth. Dort wie hier ſchwankt
bas Zünglein der Wage zwiſchen Glück und Elend, zwiſchen Hoff=
nung
und Verzweiflung. Gleicht nicht der ſchlaue Advokat dem
Croupier, der zum Spiele auffordert dem Muthloſen zuredet und
zu neuen Anſtrengungen anſpornt? Je größere Summen bereits
in den Schlund gefallen, je mehr Opfer man gebracht hat, deſto
höher ſchwillt auch die Begierde. Ein Geldſtück zieht das andere
nach ſich, bis das letzte verſchwunden iſt und kein Pfennig mehr
in der Taſche übrig bleibt. Das Prozeßfieber iſt eine gar ſchlimme
Krankheit und hat ſchon Manchen um Haus und Hof, um Glück
und Ehre gebracht, grad wie die Spielwuth. Jede freie Stunde,
welche er ſich abmüßigen konnte, verlebte der Kaſſenbote auf dem
Gericht, oder bei ſeinem Advokaten. Da gab es zu fragen, Er=
kundigungen
einzuziehn, einen Rath zu holen. Jeder Schritt koſtete
aber Geld, denn die Herrn Advokaten laſſen ſich gut bezahlen.
Der Sachwalier, den ihm Schwager Haſenfritz empfohlen hatte,
war ein feiner Kunde, in allen juriſtiſchen Ränken und Pfiffen
ſehr bewandert, er verſtand es, ſeine Klienten zu behandeln und
nebenbei auch zu ſchröpfen. Solch ein fetter Proceß war für ihn
eine willkommene Revenu und er hatte den beſten Willen, daran
ſo lange als nur irgend möglich zu zehren. Nicht alle Tage kommt
eine Erbſchaft von einer halben Million Einem in die Hände,
darum war er entſchloſſen, ſo viel Nutzen als möglich davon zu
ziehn und ſeinen Schnitt dabei zu machen. Er ließ ſich ſeinen
Rath mit Gold aufwiegen und die Vorſchüſſe drohten bald die
kleinen Erſparniſſe des Kaſſenboten zu verſchlingen.
Aber dabei blieb es nicht allein; eine ganze Meute kleiner
und großer Rechtsverdreher, von Winkeladvokaten, Geſchäftsleuten
und Schreibern kam noch hinzu, um ebenfalls ihren bald größeren,
bald geringeren Profit zu nehmen. An jedem Gericht giebt es
eine Menge ſolcher Raubvögel, welche nur auf die Gelegenheit
lauern; ſie wittern und ſpüren die fette Beute in der Luft, ſie
Lreiſen und treiben ſich in den Sälen, Hallen und Gerichtsſtuben
herum; ſie haben allerlei Verbindungen, kennen die verſchiedenen
Hinterthüren, rühmen ſich ihrer einflußreichen Bekanntſchaften und
wiſſen ſich ein Aaſehen zugehen, als hänge die Entſcheidung ledig=
rich
von ihnen ab. Meiſt ſind es verdorbene Juriſten, entlaſſene
Schreiber in ſchäbig anſtändigen Kleidern mit einem Altenhefte
niter im Arme. das gewöhnlich nur aus einigen leeren Papierbogen

198.
beſteht. Hört man ſie ſprechen, ſo ſollte man glauben, daß ſie=
geheime
Rüſze ſind und mehr wiſſen als der Präſident und das
höchſt= Tribunal. Sie lauern den Prozeß führenden Parteien
auf brängen ſich nnaufgefordert mit ihrem Nath veran und wiſſer:
die Leichtgläubigen zu bethören. Vater Bauer hatte ihre Bekannt=
ſchaft
bald gemacht, denn die Nachricht, daß er als Erbe der Ar=
nold'ſchen
Maſſe aufgetreten ſei, war wie ein Lauffeuer in der
ganzen Stadt verbreitel. Von allen Seiten regnete es nun Mit=
theilungen
, Rathſchläge, wohlgemeinte Warnungen, daß er nichr
wußte wo ihm der Kopf ſtand. Da kam ein Canzliſt, der ihm,
atürlich gegen eine angemeſſene Belohnung, den Stand der Akten
im Geheim entdecken wollte; ihm folgte der Protocollführer mir
einer ähnlichen Eröffnung und kaum war dieſer verſchwunden, ſo
erſchien ein Anderer mit der höchſt wichtigen Nachricht, daß die
Richter in der betreffenden Angelegenheit dieſen oder jenen Ent=
chluß
gefaßt hätten, daß man ſo oder ſo ausſagen, handeln und
verfahren müſſe, wenn man den Prozeß gewinnen wolle Alle
dieſe Ehrenleute hielten die Hände auf und gaben damit nicht un=
deutlich
zu verſtehn, daß ſie auf eine Gabe rechneten. Vater
Bauer hatte weder den Muth, noch die Kraft, die zudringlichen
Geſellen ein und für allemal abzuweiſen, weil er voll ängſtlicher
Befürchtungen ihnen wirtlich einen gewiſſen Einfluß zutrante, den=
ſie
in der That nicht hatten. War auch die Summe nicht groß=
welche
er zu ſolchen Zwecken verwendete, ſo wiederholten ſich dafür=
dieſe
Ausgaben um ſo öfter, da derartige Blutegel nicht ſo leicht
wieder los laſſen, wenn ſie einmal ſich feſt geſogen haben. Ein
größerer Verluſt aber als der an Geld, war der Verluſt an guter
Laune, an Zufriedenheit und häuslichem Glück; die natürliche Folge
von derartigen Zufländen. Da verging jetzt kein Tag ohne Aerger,
Aufregung, Befürchtungen aller Art; der ſtille Friede war dahin
und ſchien für immer verloren. Am meiſten aber beſchäftigte
ſich der Kaſſenbote jetzt mit dem Gedanken, ſeine Stellung an
der Bank aufzugeben, da er keine Möglichket ſah, dieſelbe länger
unter dieſen veränderten Verhältniſſen beizubehalten. Mit Necht
befürchtete er jedoch einen voreiligen Schritt zu thun, weil er ſonſt
keine andern Mittel hatte, ſich und ſeine Familie zu ernähren.
auf den Nath ſeiner Frau entſchloß er ſich deshalb endlich, mitz
dem Schwager Haſenfritz Rückſprache zu nehmen und dieſem ſeine
Verlegenheit anzuvertraun.
Gortſetzung folgt.)

Mittheilungen aus Stadt und Land.
Darmſtadt, 3. Oct. Geh. Juſtigrath Proſeſſor Dr. Waſſerſch=
1eben zu Gießen und Hofgerichts=Advocat Dornſeiff ſind zu lebens=
länglichen
Mitgliedern der 1. Kammer der Stände ernannt worden.
Die 2. Löſung des Kirchengeſetzentwurſs beginnt am 8. d. M.
Von der Adreſſe an die 1. Kammer der Landſtände in der
Schulgeſetzfrage hat dem Vernehmen nach die ſtädtiſche Behörde Nachricht
an die 2. Kammer und an Hohes Miniſterium gelangen laſſen. Wie ver=
lautet
, wird der Verein für Volksbildung ſich der Offenlage einer analogen
Adreſſe unterziehen und wird dann dem Publikum directe Gelegenheit ge=
boten
ſein, ſich an dem Veto für das Geſetz zu betheiligen.
Wir ſind gewohnt, die Poſt ihren Geſchäſtsbetrieb von der prak=
tiſchſten
Seite aus auffaſſen zu ſehen und können als weiteren Beleg hier=
für
anführen, daß dermalen auf der Poſt ein General=Adreßbuch
angelegt und fortgeführt wird, indem die Brieſträger angewieſen ſind, jeden
ihnen bekannt werdenden Logiswechſel, ſowie Ab= und Anzüge ſofort auf
dem Poſtbureau zur Wahrung anzuzeigen.
Wer mit den Verhältniſſen der höheren Töchterſchule bekannt
iſt, den wird es intereſſiren, daß Mitprediger Mitzenius ſein Decret als
Lehrer in Gießen erhalten hat und Mitprediger Pfnor zum Oberlehrer der
Stadmädchenſchulgruppe ernannt worden iſt.
Die hier in Ausſicht genommenen Mittelſchulen ſollen mit
Ablauf der üblichen Herbſtferien beginnen. Bezüglich Beſetzung der Lehrer=
ſtellen
verlautet, daß der als Lehrer der Mittelſchule deſignirte Lehrer W.
nachträglich durch Lehrer H. erſetzt werden ſoll, wobei indeß noch unent=
ſchieden
iſt, ob ſich verehrl. Stadtvorſtand mit dieſer Subſtituirung einver=
ſtanden
erklären wird.
In letzter Gemeinderathsſitzung wurde die Kieſernſamen=
ernte
aus der Tanne um den geringen Preis von 10 fl. zugeſchlagen,
weil man der Anſicht war, lieber dieſe 10 fl. als nichts zu nehmen, indem
der Samen doch geſtohlen würde.
In der Gegend der Louiſen= und Rheinſtraße wird ſehr über
Waſſermangel getlagt und iſt es zu bedauern, daß die Vorrichtungen
zur Abfaſſung des Waſſers aus der Gehbauer'ſchen Leitung behufs Ver=
wendung
zu techniſchen Zwecken nicht beſſer befördert werden.

Redaction und Veriag: J. C. Aliftich'ſche Hofbuchdruckerei.