Darmstädter Tagblatt 1873


29. August 1873

[  ][ ]

Ailergnaͤdigſt pribilegirtes

armſtädter rag-u. Anzeige-Blatt.

136. Jahrgang.

Wonnemenopten
21. 48 k. jähri. ind. Bringer=
John - Auzwärtz werden von
alen Poſtümtern Beſtellungm
Ettgegengenommen zu 50 kr. pro
vaarta inck. Poſtaufſchlag und
Beſtellgebühr.

Iylerole
vereden angernummen in Darho
Ladt von der Expedition. Rhein=
Praße Nr. 23. in Beſſungen
von Friedrich Blößer, Friedrich=
Fraße Nr. 7. ſowie auzwärtz
von ellen ſoliden Unnoneen
Erpeditonen.

Kmtliches Organ
für die Bekanntmachungen des Großherzoglichen Kreisamtes Darmſtadt.

N 168

Freitag dey 20. Auguſt

1873.

7033) Der in der Heinrichſtraße neben,
dem Octroi=Erheber=Haus belegene circa,
53 Klftr. haltende ſtädtiſche Bauplatz,
ſowie der hinter der Hofraithe herziehende
Platz, der nach dem bei uns offen liegenden
Plan im rechten Winkel auf die Nieder=
Ramſtädter Straße mit einem Flächengehalt
von ca. 42 Klftr. ſtößt, ſollen
Mittwoch den 3. kommenden Monats,
Vormittags 11 Uhr,
auf unſerem Büreau unter den im Termin
bekannt gemacht werdenden und bis dahin
bei uns offen liegenden Bedingungen öffent=
lich
verſteigert werden.
Darmſtadt, den 26. Auguſt 1873.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Darmſiadt.
J. V. d. B.:
Appfel, Beigeordneter.

Feilgebotenes.

4D
1

Wien 1873.
SGGaESGSChuntgz
Der Rath der Präsidenten der Internationalen Jury
verlieh das
B IRBUDITLoI
(ie hschste Ausaeichuung)
DEll
Liebig Company's Fleiſch-Ertract

aus

RRAL-BEIIOS.

Buschenthals
Fleischentract.
goldene Medaille
Hoskau 1872.
Vorzüglicher billigſter Fleiſchertract.
Unterſuchungscontrole:
lo-MtanD.
Haupt=Depot; H. Andrege, Frankf. a. M.
Chr. Reller & Co. in Heidelberg.
Engros=Lager bei Apoth. Dr. Tenner
in Darmſtadt.
Verkaufsſtelle bei: Franz Schaeker,
Apoth. E. Calmberg, Darmſtadt, Apoth.
Hess, Michelſtadt.
4022

6371) Ene Specereiladen- Oin=
richtung
zu verkaufen. Alexanderſtraße 7.

Engros Lager bei dem Correspondenten der Gesellschaft:
Herrn E. Rerek in Darmstadt.

(6819

6989)
verkaufen.

2 flarke Einlegſchwein=
Arheilgerſtraße 37.

7034) Untere Rheinſtraße Nro. 44 iſt
ein Gewächshaus von 5 Meter Länge,
4 Meter Breite auf den Abbruch zu ver=
kaufen
. Nähere Ausknnft ertheilt Verwalter
Querner im Main Neckar=Bahnhof dahier.
7035) Salz= und Eſig=Gurken bei
RAirt-

Ligeket
44¼
us ermiethuugen.
5503) Beſſ. Karlsſtraße Nr. 3 iſt par= 6996) Heinheimerſtraße 50 (neu erbautes
miethen.
5854) Steinſtraße Nr. 8 eine Wohnung, Näheres daſelbſt Parterre.
von 5 Stuben, Küche u. außergewöhnlichen 7013) Hochſtraße 30 iſt die Manſarde,
Bequemlichkeiten zu vermiethen.
Näheres Parterre daſelbſt.
6256) Ein gewölbter geräumiger Keller ſoſort zu vermiethen.
zu vermiethen. Beſſ. Carlsſtraße 3.

lhdrud
E von 6 Piecen nebſt Zugehör zu ver=
E miethen und Anfang October d. J.
B beziehbar. Auf Wunſch kann auch
Stallung für 3 Pferde, Remiſe und
4 Burſchenſtube dazu gegeben werden.

Waldſtraße Nr. 23.

8455) 2 ſchone Zimmer noſ Lüche
F. Lautermann, gr. Kaplaneigaſſe 26. und allen Bequemlichkeiten eine Stiege hoch
Meraia zu vermiethen und ſogleich zu beziehen.
Schirngaſſe 2.
terre ein freundlich möblirtes Zimmer zu ver= Haus) iſt der mittlere Stock zu vermiethen
und vom 26. October beziehbar.
55 Piecen, Lüche und allen übrigen Annehm=
lichkeiten
, an eine ſtille kinderloſe Familie
7016) Wendelſtadtſtraße Nr. 13 zunächſt
6969) Ein möbl. Parterre Zimmer per der Gasfabrik im Vorderhaus eine Man=
1. Septbr. zu vermiethen. Grafenſtraße 4. ſarden=Wohnung gleich beziehbar. Desgl.
6 6995) Ein freundlich möblirtes Zimmer leine Wohnung im 2. Stock des Seitenbaues
vorn heraus Parterre ſogleich zu beziehen. in ¼, Jahr beziehbar, zu vermiethen.
Joh. Heinr. Reinhard.
363

[ ][  ][ ]

K168

1328
7036) Beſſunger Ludwigſtraße Nr. 80
ſind zwei Zimmer an einzelne Perſonen zu,
vermiethen.
7037) Teichhausſtraße 8 iſt ein freundl.
Logis, 3 Zimmer, Küche und allen Bequem=
lichkeiten
bis 1. October zu beziehen.
en
Vermiſchte Nachrichten
7902) Während der mehrwöchentlichen
Abweſenheit des Unterzeichneten haben die
Herren Dr. Buxmann, Dr. Fuchs,
Dr. Leydhecker, Dr. Lipp, Dr. Orth,
Dr. Reißner und Dr. Verdier deſſen,
Stellvertretung freundlichſt übernommen.
Darmſtadt, den 27. Auguſt 1873
Br. Wruudt.

6975)
Kartographen
für ein namhaftes Leipziger Inſtitut werden tüchtige
Verrain= und Schriftſtecher gegen guten Gehalt geſucht.
Näheres unter P. T. 673 durch die Annoncen=Expedition
von Haasenstein &ap Jogler in heipaig.
C. 187)

7003) Während meiner vom 28. Auauſt
bis 16. September dauernden Abweſenheit
bei den Manövern werden die Herren
Dr. Lipp, Dr. Jäger und Dr. Bur=
mann
die Güte haben, mich zu vertreten.
Br. Haulmatin.

6971) Mein Geſchäftslocal befindet ſich jetzt
LN
Murrtplatz Nr. 7
2V
299
m Lulcuer Grazb'ſchen Hauſe.
Darmſtadt, den 24. Auguſt 1873.
Ne. Lante VidLe,
Glas=, Porzellan= u. Steingeſchirr=Handlung.

6769) Die Kaſſaſchrank=Fabrik und
Bauſchloſſerei von
August Nold
vormals E. Guerfeld
befindet ſich nunmehr
14 Caſinoſtraße 14.
5544) Zwei Schreiner können bei
mir dauernde Beſchäftigung finden
Ed. Kühnſt, Pianofortefabrik.
5048) Ein braver Junge kann in die,
Lehre treten bei
Heinr. Martin, Steinhauermeiſter.
6620) Unterzeichneter ſucht tüchtige Weiß=
binder
=Geſellen, welche ſogleich eintreten
Eönnen. Philipp Schaub, Weißbindermſir.
5183) Einen braven Jungen ſucht
Adolf Kling, Spenglermeiſier.

7039)
Jorläoheo
hyoeo.
In den nächſten Tagen trifft
Profeſſor Henrmann, gen. der Wunderthäter,
mit ſeinem elegant ſtabil eingerichteten griechiſchen Theater in Darmſtadt ein.
Alles Nähere beſagen Zettel und Annoncen.

3 6Fine geübte Einlegerin findet dau= Beſchäftigung.
5
Näheres in der Expedition.

6981) Ein guter Caſſeuſchrauk wird zu
kaufen geſucht. Heimrichſtraße 110.
7022) Tüchtige Bchueider,
die beſtändig arbetten und größere Parthien
übernehmen können, finden fortwährend gegen
guten Lohn Beſchäftlaung bei
3. Oppenheimer, Ludwigſtraße 8.
7038) Ich ſucke für mein Lampen= und
Lackirwaaren Geſchäft einen mit guten Zeug=
niſſen
verſehenen kräſtigen Burſchen.
J. C. Rouge, Bleichſtraße 21.

Gartenbau=Verein.
Monatsverſammlung Mittwoch den 3. Sept.
1873, Nachmittags 3 Uhr, in der höheren
1007) 4 junge Leute können Logis er= Töchterſchule, Eck der Grafen= und Eliſa=
halten
, kl. Ochſengaſſe Nr. 14.
bethenſtraße.
7040) Ein Mädchen empfichlt ſich den 17044)
Der Vorſtand.

geehrten Damen in allen möglichen Putz=

Arbeiten in und außer dem Hauſe. Näheres
zu erfragen Arheilgerſtraße 27d.

7941)
Lehrling
für das Comptoir geſucht. Bedingung:
gute Schulbildung und aus guter Familie.
Frommann & Bünte.
7942) Veraltete Delgemälde u. Blder
werden uen hergeſtellt bei
F. Lautermann, gr. Kaplaneigaſſe 26.
7043) Kutſcher=Geſuch
von einem einzelnen Herrn gegen hohen Lohn.
Derſelbe nuß gut fahren und reiten, auch
ſerviren können. Franco Offerten urter
G. W. 602 befördert die Annoncen= Expe=
dition
von Haasenstein & Jogler in
C. 575.)
Frankfurt a.

7045) Ein anſtändiges Mädchen, wel=
ches
im Nähen und Bügeln geübt, ſucht
Stelle als Zimmermädchen oder in einem
Ladengeſchäft. - Zu erfragen bei Fran
Mattern, Louiſenſtraße 28.
7046) Möbel werden gut und billig auf=
polirt
. Roßdörjerſtraße 41.
7047) Schöne Schlafſtellen mit Koſt.
Roßdörferſtraße 41.
7048) Nr. 68 hat den Hirſchkopf ge=
wonnen
.
J. Briatta.

7049)
Verloren!
Am Mittwoch verlor ein kleiner Junge
von der Mühlſtraße bis zur Holzſtraße
eine gewaſchene Drilljacke. Den Finder
bittet man, dieſelbe gegen Belohnung Mühl=
ſtraße
13 in der Bleiche abzugeben.

00009 sho)abe 3ahſhesah dd Ligd 00 20 banen Ad cd 20o2 44e aan aoae dpop eo Poho ad v00.
RööbGolhadiöös öilööösnsrä ansNnosonoznuuunn
Eit.
70
E1nL
GLöpire Palthie -CLgras
4
V in ſehr guter Qualilät gebe ich zu billigen Preiſen ab.
48 7050)

L.
A7
Ge Hi. Aaken, andwigſtraße.
Apriotahshenſche psaa)h
20 00 4509 80 nl 00o ap and ao n n g
8a91000
RöoooöooöoöURösOösoNooöno NLusoi
gaunazin

[ ][  ][ ]

R 168.

Die Erben.
Novelle von Mar Ring.

Fortſezung.
Wir haben uns lange nicht geſehen, bemerkte die Schweſter,
indem ſie ſogleich und auch im ferneren Verlaufe der Unterhaltung
immer von Zeit zu Zeit mit ängſtlichen Blicken die Mienen ihres
Mannes beobachtete, um darnach das Maß ihrer Freundlichkeit und
ihr Benehmen gegen den Bruder abzumeſſen.
Darüber wollen wir ein ander Mal reden, antwortete dieſer.
Was geſchehen iſt, iſt geſchehen und läßt ſich auch nicht ändern.
Heut handelt es ſich um eine Auskunft, die ich von Dir verlange.
Die Sache geht Dich eben ſo ſehr an wie mich ſelber! Kannſt
Du mir ſagen, ob unſere Mutter mit dem Hofmedicus Arnold
verwandt war, hat ſie nicht darüber mit Dir geſprochen ?-
Unſere Großmutter war eine geborene Arnold; ſie hatte
auch einen Bruder, der Medicin ſtudirt hat; das weiß ich ganz
gewiß. Aber was geht das uns an?
Das ſollſt Du gleich ſehen.
Mit dieſen Worten überreichte er ihr das verhängnißvolle
Zeitungsblatt, welches er ſorgfältig in der Taſche zuſammengefaltet
bei ſich trug. Neugierig drängte ſich der Schwager hinzu und
ſteckte ſeine Naſe anch hinein. Schuell überflog er den Inhalt
der gerichtlichen Aufforderung, ſeine kleinen Augen wurden größer
und größer, ſie blitzten und funkelten vor Freude und Geldgier.
Daß ich das überſehen konnte? fragte er faſt ürgerlich.
Natürlich, meine Gans von einer Frau hat mir niemals von
ihrer Verwandtſchaft etwas geſagt. Wer hätte dies ahnen ſollen ?
Haſt Du mich denn darum gefragt?u erwiderte ſie ge=
kränkt
, baſt Du Dich überhaupt um die Meinigen bekümmert?
Du biſt Schuld, daß ich meinen Bruder hier ſeit Jahr und Tag
nicht geſehn habe.
Wer Teufel ſollte auch wiſſen, murmelte er beſtürzt, in=
dem
er ſich verdrießlich in die Lippen biß. Ein wahres Glück,
daß der Schwager das Blatt geleſen und uns aufgeſucht hat,
ehe der Termin verſtrichen iſt. Wir wollen ſchon die Sache in
die Hände nehmen; ich kenne die Gerichte und die Advokaten.
Die ſchöne Erbſchaft ſoll uns nicht entgehen.
Vor allen Dingen müſſen wir den Beweis führen, daß
wir in gerader Linie mit dem Hofmedicus verwandt ſind, be=
merkte
der Kaſſenbote.
Das bin ich feſt überzeugt, erwiderte die Schweſter.
Unſere Familie ſtammt wie Du weißt aus Zwickau, wo der
Vater unſerer Großmutter als Tuchmacher lebte. Die Mutter
hat mir oft genug davon erzählt und daß ihr einziger Bruder
in Wien Medicin ſtudirt und ſich als Arzt niedergelaſſen hat.
Wenn das erſt feſt ſteht, ſo haben wir die gegründetſten
Anſprüche auf die Erbſchaft
Man muß ſogleich an den Magiſtrat in Zwickau ſchreiben,
ſagte der Schwager der in Prozeßgeſchichten hinlänglich be=
wandert
war. Auch wollen wir einen tüchtigen Rechtsanwalt
befragen.
Ich ſelber verſtehe nichts davon, entgegnete der Kaſſenbote.
Das thut nichts: ich will mich ſchon der Sache annehmen.
und Du ſollſt dabei nicht zu kommen. Wie freue ich mich, Dich
einmal wieder bei uns zu ſehen. Wir haben noch ſo viel mit
einander zu beſprechen. Stecke Dir doch eine Cigarre an, ächte
Havaneſer, das Stück drei Groſchen.
Herr Haſenfritz war wie umgewandelt und erſchöpfte ſich in
Höflichkeiten. Der gute, liebe Bauer mußte ſich zu ihm aufs
Sopha ſetzen und er ſelbſt reichte ihm den angezündeten Wachs=
ſtock
, damit er ſich die Cigarre anrauchen konnte.
Du bleibſt doch bei uns zum Eſſen, lieber Schwazer,
ſagte er nach einer Pauſe.
Das wird wohl nicht gut angehen, meine Alte und die
Kinder erwarten mich. Auch wollte ich die Kirche nicht verſäumen.
Ach was Kirchel Ich gehe das ganze Jahr nicht in die
Kirche, außer zum Abendmahl; deswegen bin ich doch ein guter
Chriſt und Menſch. Heute mußt Du bei uns bleiben.

1329
Ich kann wirklich nicht. Es wäre das erſte Mal an einem
Sonntage. daß ich nicht zu Hauſe äße. Meine Frau würde ſich
halb todt ängſtigen.
Aber wenigſtens ein Glas Wein wirſt Du nicht aus=
ſchlagen
. Wir müſſen unſere Verſöhnung feiern.
Die Schweſter vereinigte ihre Bitten mit denen des Mannes,
ſo daß der ehrliche Kaſſenbote nicht gut ausweichen konnte; er
war ohnehin innerlich erfreut über die ſtattgefundene Ausgleichung
der bisherigen Familienzwietracht. Das Herz war ihm ſo voll
davon und er fühlte das Bedürfniß, bei der wiedergewonnenen
Schweſter zu verweilen um mit ihr über alle Verhältniſſe vom Grunde
aus zu ſprechen, alte Erinnerungen wieder aufzufriſchen und ihr ſeine
nie geſchwundene Liebe zu beweiſen. Die in ihrer Weiſe gutmüthige
Frau erkundigte ſich nach ſeinen Kindern; das war der richtigſte
Ton, den ſie unwillkührlich anzeſchlagen hatte, um ihn zum Blei=
ben
zu bewegen. War einmal das Capitel auf dem Tapet, dann
konnte der Kaſſenbote Stunden lang darüber mit ſtrahlenden
Augen reden und er merkte gar nicht, wie ſchnell die Zeit ver=
flog
. Auf einen Wink des Schwagers, der jetzt von Liebe
und Güte überfloß, wurde eine Flaſche Wein aus dem Keller
geholt und mit drei Gläſern auf den Tiſch geſtellt. Goldhell
funkelte das edle Naß in dem geſchliffenen Kriſtall und verbreitete
einen angenehmen Duft in dem ganzen Zimmer. Wie lange war
es ſchon her, duß der alte Bauer keinen Wein geſehn, geſchweige
gar getrunken hatte. Der einzige Luxus, den er ſich gewöhnlich
erlaubte, war ein Gläschen Bier und eine Pfeife Tabak, das
Pfund zu fünf Silbergroſchen und das auch nur ausnahmsweiſe
an Sonn= und Feiertagen. Da ging es bei dem Meiſter Haſen=
fritz
ganz anders her; dem ſah man ſo recht an, daß er ſein
Schäfchen im Trocknen hatte und ein Paar Thaler gar keine
Rolle bei ihm ſpielten. Das Zimmer, worin ſie ſaßen, war,
wenn auch nicht mit dem beſten Geſchmack aber wenigſtens mit
dem größten Luxus eingerichtet, ein wahrer Parvenü=Luxus,
ſchreiende Tapeten, mittelmäßige Kupferſtiche und ſchlechte Oel=
bilder
in prächtigen Rahmen, vergoldete Spiegel und theure
Möbel, die aber nicht zuſammen paſſen wollten und ausſahen,
als wären ſie auf dem Trödelmarkt oder auf einer Auction er=
ſtanden
.
Das war auch zum Theil der Fall, zum Theil hatte ſie
der Meiſter von ſäumigen Schuldnern für einen Spottpreis als
Abſchlagszahlung angenommen. Der prachtvolle Schreibſecretär
hatte einem jungen Kaufmann angehört, der vor Kurzem Bank=
rott
geworden; auf dem weichen Divan dehnte ſich noch vor
einem Jahre der Baron, der Schuldenhalber die Reſidenz ver=
laſſen
mußte. Hätten die verſchiedenen Lehnſtühle, Sophas und
Oelgemälde Sprache bekommen, ſie hätten wunderliche Geſchichten
von ſelbſtverſchuldetem Elend, von wilder Verſchwendung und zu
ſpäter Neue, von taumelnden Orgien und verzweifelten Entſchlüſſen
erzählen können; der ehrliche Kaſſenbote wäre dann entſetzt auf=
geſprungen
und hätte nicht den Wein getrunken, der ſo einladend
und duftend ihm in die Naſe ſtieg, denn ſelbſt dieſer Wein war
nur die Beute eines geplünderten Schlachtopfers.
Auf Dein Wohlſein, lieber Schwagerlu rief Herr Haſen=
fritz
. Du und die Deinigen ſollen leben!"
Die Gläſer klangen heller wie das Glockengeläute in der
Kirche, welches Bauer ſeit langer Zeit einmal an einem Sonntag
überhört hatte. Er trank und das flüſſige Feuer that ihm wohl
und erwärmte ſeine von der fortwährenden Arbeit erſchöpften
Glieder.
Nicht wahr, ſcherzte der Schwager ſchmunzelnd, ein
nettes Weinchen, es läßt ſich trinken.
Delikat, murmelte der Gaſt mit zuſammengekniffenen
Augen. So etwas habe ich nicht gekoſtet ſo lange ich lebe.
Die Flaſche koſtet auch zwei Thaler, ächter Domdech znt.
Der wird nur meinen beſten Freunden vorgeſetzt.
Schmeckſt Du prächtig! ſagte der Kaſſenbote, mit den
Lippen ſchmatzend und die Naſe von Neuem in das Glas ſteckend,
um mit allen Sinnen den herrlichen und ungewohnten Genuß
einzuſchlürfen.
Das zweite Glas hatte ihn in eine heitere Stimmung ver=

[ ][  ]

1330
ſetzt und er kam ſich ordentlich wie vergnügt vor. Bei dem
dritten wurde er bereits zärtlich und ſein argloſes Herz vergaß
das Vergangene.
Sollſt leben, Schweſterherziu ſchrie er laut und erhob ſein
Glas, und der Schwager dazuſ
Wieder klangen die Gläſer und dazwiſchen frohes Geplauder,
das rohe Gelächter des Schwagers und das feinere der Frau,
welche ſeit langer Zeit wieder einmal von Herzen ſich freuen
durfte über die Gegenwart des Bruders und über die gute Laune
ihres Tyrannen. Trotz ihrer Beſchränktheit merkte ſie doch an
ſeinem veränderten Benehmen, daß ſchon die Ausſicht auf die
Erbſchaft vortheilhaft auf ihn einwirlte und ihr ein gewiſſes An=
ſehn
in ſeinen Argen gab. Mit weiblicher Schlauheit hoffte ſie
für ihre Stellung im Hauſe Nutzen davon zu ziehen.
Noch ein Glas bat Herr Haſenfritz.
Es wird mir zu viel werden,: wehrte der Gaſt mit vor=
gehaltener
Hand.
Der liebenswürdige Wirth wußte aber ſo freundſchaftlich zu
nöthigen, die Schweſter ſo traulich zuzureden, der Wein duftete
ſo würzig und angenehm, daß Freund Bauer nicht anders konnte
und alle ſeine nüchternen Vorſätze aufgeben mußte. Er trank
noch dies Glas und noch eins, bis die Flaſche leer war und eine
zweite auf dem Tiſche ſtand, diesmal ſogar eine mit Champagner,
mit ächtem Champagner, die Flaſche zwei Thaler und zwanzig
Groſchen, wie Herr Haſenfritz nicht verfehlte, hinzuzuſetzen.
lichen Bauer Hören und Sehen verging, aber es ſchmeckte auch haben die Nivellements=Arbeiten daſelbſt begonnen.
herrlich und ging ſo glatt und ſüß die Zunge hinunter, daß er
einem gewiſſen Schwindel ergriffen.
Ich bitte Dich, lachte der Schwager, der an dergleichen Raumer=Mannſchaft zu ſtellen hätte.
Genüſſe ſchon gewöhnt war. Das wird Dir nichts ſchaden, kellermeiſter Ritſert'ſchen Hofraithe in der Louiſenſtraße blieben Letzt=
es
iſt ein Frauengetränk, ſo leicht, daß mans kaum merkt.
Ich fürchte, daß ich mir einen Rauſch trinke.
Mann, ſang Herr Haſenfritz mit ausgelaſſener Luſtigkeit und
werde. Die prachtvolle Pendeluhr des Schwagers ſchlug bereits ſoll ſich der Flüchtige dem Vernehmen nach auch falſcher Bucheintraͤge ſchuldig
zmei Uhr; er hatte alſo die Kirche längſt verſäumt. Erſchrocken gemacht haben.
fuhr er von ſeinem Stuhle auf; das war ihm nicht eingefallen,
daß es ſchon ſo ſpät geworden war.
Och muß fort, rief er mit ſtammelnder Zunge. Ich muß im Betrage von etwa 40,000 fl. flüchtig.
fort. Meine Alte, meine gute Alle
Satz nicht vollenden konnte; er mußte ſich mit dem Rockärmel geladen ſind=
er
an ſeiner Frau und den Kindern ein großes Unrecht begangen. ſchleppung des Anſteckungsſtoffes zu verhüten, hat der Handels=Miniſter in
zärtlichen Abſchied. Mit ziemlich unſicheren Schritten wanlte er weilen einzuſtellen.
über die Straße, nur von einem donklen Inſtinkt geleitet kam
er in ſeiner Wohnung an, wo über dies ungewohnte Ausbleiben Tod des Componiſten der Wacht am Rhein' Carl Wilhelm.
des Vaters keine geringe Beſtürzung herrſchte. Wie immer am
eſſen bereit gehalten. Die Kinder wurden ungeguldig, über ½ Nah und Fern ein, um die ſeltene Arbeit anzuſehen. Die rieſigen Kanonen=
Bauer ſtand etwartungsvoll am Fenſter und ſchaute auf die Straße Nachdem noch eine Stunde zuvor ungefähr 60 Centner Zinn in die flülſige
und einſiweilen ſich auch zufrieden gaben.
Aber die Uhr ſchlug zwei. und der Vater kam noch immer 1 Menge verließ ziemlich niedergeſchlagen die Werlälte.

nicht zurück; das war ein nie zuvor erlebtes Ereigniß und noch
dazu an einem Sonntage Es mußte etwas vorgeſallen ſein,
das ließ ſich Frau Bauer nicht ausreden. Angſt und Gram er=
füllten
zu gleicher Zeit ihre Seele und lämpften mit einander.
Haunchen ſuchte ihr die Befürchtungen zu beſchwichtigen, obgleich
ſie ſelbſt nicht ganz frei von ihnen war.
Schicke doch Wilhelm zu Haſenfritzens;, mahnte ſie, um
zu ſehen, wo der Vater bleibt. Gewiß werden ſie ihn dort auf=
gehalten
haben.
Wilhelm ſtand ſchon auf dem Sprung, als der Vermißte
mitten unter die Seinigen trat, in einem aufgeregten Zuſtande,
der ihnen nicht entgehen konnte. Er ſuchte ſoviel als möglich
eine feſte Haltung zu behaupten, was ihm aber nicht vollkommen
gelang. da er bald nach der einen, bald nach der andern Seite,
wenn auch nicht grade allzu bemerkbar, ſchwankte. Sein Geſicht
zeigte eine verdächtige Röthe, die Augen ſchwammen und irrten
im Kreiſe herum, während eine ungewohnte Luſtigkeit und ein
fortwährendes Lächeln in ſeinen Zügen ſchwebte.
Herrgott iu rief die Frau beflürzt aus und ſchlug die Hände
verwondert über dem Kopf zuſammen. Bauer! was iſt denn
mit Dir vorgefallen ?
Gortletzung folgt.)

Mittheilungen aus Stadt und Land.
Darmſtadt, 28. Auguſt. Behufs Beleuchtung und Darlegung des
Das knallte und zichte, perlte und ſchäumte, daß dem ehr= Proieis der Anlage des Guts Achens Mühle zum botaniſchen Garten,
Die hieſige Turnerſeuerwehr haͤt ſich einer Reihe neuer Anmeldungen
zu erfreuen und ſteht zu erwarten, daß ſich das Corvs unter der anerkannt
in ſeinem ganzen Leben nichts Beſſeres getrunken zu haben glaubte. küchtigen Leitung ſeines Obmanns Juſtus recht bald jo erweitern wird,
Das Teufelszeug ſteigt mir zu Kopf, bemerkte er, von daß demſelben die noch unter ſtädtiſcher Bedienung ſtehenden 4 Feuerſpritzen
ebenſalls überwieſen werden lönnen, ſo daß die Stadt nur noch eine
- Bei der am 25. ds. Mis. abgehaltenen Verſteigerung der Hof=
bietende
die Herren H. Schuchard und Paul Diehm um 23000 fl.
Die Jagd wurde am 26. Aug. nicht unter beſonders günſtigen Auſpicien
Wer niemals einen Rauſch gehabt, der iſt kein braver eroͤffnet. wenigſtens wurde hier nicht beſonders viel geſchoſſen, doch ver=
ſprechen
ſich unſere Nimrode noch eine einigermaßen erlrägliche Hühnerjagd.
Der Rechner der Spar= und Credit=Anſtalt für den Landgerichts=
ſchenkte
die Spizgläſer von Neuem ſo voll, daß der milchweiße bezirk Reinheim, Sparkaſſerechner Lehr in Groß=Bieberau, iſt wegen eines
Schaum über den Tiſch floß. Ein dunlles Bewußtſein ſagte Caſſedeſects flüchtig und wird ſteckbrieflich verfolgt. Die Geſchäftsſührung
dem Kaſſenboten, daß er zu Hauſe von ſeiner Frau erwartet deſſelben war ſchon ſeit Jahren eine ſehr nachläſſige; das vorhandene, bis
jetzt erſichtliche Deficit wird zwar durch die hinterlegte Caution gedeckt, doch
Auch in dem benachbarten Rodau iſt ein angeſehener junger Bauers=
mann
, der vor noch nicht langer Zeit eine reiche Frau, die ihm, wie wir
hören, 80,000 fl. mitgebracht haben ſoll, heimgeführt, wegen Wechſelſchulden
(0. V.=Bl.)
- Für nächſten Samſtag iſt von der Groß=Gerauer Schützengeſellſchaft
Die Rührung überwältigte ihn, ſo daß er den angefangenen ein Gabenſchießen angekundigt, wozu die Darmſtadter Schühenſreunde ein=
Mit Rückſicht darauf, daß das Auftreten der Cholera an verſchie=
die
ſtrömenden Thränen abwiſchen. Es kam ihm vor, als hälte denen Orten Deutſchlands zu beſonderer Vorſicht aufgefordert, um die Ver=
Die Schweſter redete ihm zu, aber nun ließ er ſich nicht mehr einer Verfügung an die Eiſenbahn=Verwaltungen dringend empfohlen, die
halten, mit dem Verſprechen bald wieder zu kehren, nahm er Ablaſſung von Perſonen=Extrazügen zu Maſſen=Excurſionen aus Orten,
an denen eine größere Verbreitung der Cholera bereits eingetreten iſt, einſt=

Nan meldet aus Schmaltalden den daſelbſt am 26. ds. erſolgten
Ueber den ſwie ſchön mitgetheilt, mißlungenen) Guß der Cölner.
Kaiſerglocke wird aus Frankenthal unter dem 20. d. weiter berichtet:
Sonntag wurde der Tiſch um zwölf Uhr gedeckt und das Mittags= Der öffentlichen Einladung zuſolge, ſanden ſich gegen 3000 Peiſonen aus
Mangel an Appetit hatten ſie ſich gerade nicht zu beklagen. Frau läuſe in glühendem Schlunde gewährten einen ſchauerlichſchönen Anblick.
Maſſe geworſen waren, wurde unter geſpannter Aufmerkſamkeit der An=
hinaus
, wer aber nicht kam, war der Kaſſenbote. Es ſchlug weſenden endlich der Zapfen geſtoßen. In wilder Haſt ſtürzte ſich die
ein Uhr, das junge Bölkchen ließ ſich kaum mehr beſchwichtigen, glühende Maſſe in die Form. Plötzlich ein Knall und haushoch wirbelten
ſie murrten zwar, aber ohne den Vater zu eſſen, wäre Keinem die ausſirömenden Gaſe die obere Schicht des Leimens auf. Allgemeiner
eingefallen. Die Mutter ärgerte ſich, weil die Suppe verdarb, Schrecken bemächtigte ſich der Anweſenden und des Meiſters allen An=
zeichen
nach iſt der Guß mißlungen. Die glühende Maſſe muß die Luft
das Fleiſch ganz weich wurde und in Stücke zerfiel, ſo daß es im Innern des hohlen Kerns allzuraſch erhitzt und ihn geſprengt haben,
gar kein Anſehn hatte, noch mehr thaten ihr aber die hungernden ſo daß das Erz nicht die Form, ſondern wahrſcheinlich den Kern gefulli
Kinder leid. Gegen die ſonſtige Hausordnung wurde ihnen ein hätte. Es waren ſtatt 500 600 Centner Metall in Fluß gebracht worden, aber
Stück Brod verabreicht, worüber ſie wie die Raben herfielen es ſüllte die Form nicht; wo es hingekommen, konnte für den Augenblick
nicht mit Gewißheit beſtimmt werden. Näheres wird man erſt nach der
Abkühlung des Metalls, in etwa 14 Tagen, in Erſahrung bringen. Die
Redaclign und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.