Gonnementspreis
2f. 48 kr. jährl inck Bringen
lohn. - Guzwartz werden von
allen Poſtämtern Beſtellungen
etgegengenommen zu 50 kr. pro
Mserzal inch. Poſtaufichlag End
Beſtekgebllhr.
Amtliches Organ
Hr die Belauntmachungen des Groſiherzoglichen Kreidamtes Darmſtadt.
M. 158.
Freitag den 12
Aus dem Reichs=Geſetzblatt Nr. 24
iſt Gr. 961) Bekanntmachung, betreffend eine Abänderung des Verzeichniſſes der gewerblichen Anlagen, welche einer beſonderen
Genehmigung bedürfen. Vom 20. Juli 1873;
vorſchriftsmäßig zu publiciren.
B e l a n n t m a ch u n g.
Betreffend eine Abänderung des Verzeichniſſes der gewerblichen Anlagen, welche einer beſonderen Genehmigung
bebürfen. Vom 20. Juli 1873.
Auf Grund des 8 16 der Gewerbe=Ordnung vom 21. Juni 1869 - Bundes=Geſetzblatt, Seite 245 - hat der Bundesrath
vorbehältlich der Genehmigung des nächſtfolgenden Reichstages beſchloſſen, das in dieſem 8 16 enthaltene Verzeichniß
coneſſions=
pflichtiger Anlagen
auf Hopfen=Schwefeldörren, Asphalt=Kochereien und Pechſiedereien, ſofern ſie außerhalb der Gewinnungsorte des Materials
errichtet werdeu, Strohpapierſtoff=Fabriken und Darmzubereitungs=Anſtalten
auszudehnen. - Berlin, den 20. Juli 1873.
Der Reichskanzler:
Im Auftrage: (gez.) Eck.
B e k a n n t m a ch u n g.
Wir bringen das nachſtehend abgedruckte Ausſchreiben Großherzogl. Miniſteriums des Innern vom 29. v. M. zu Nr. M. d.
J. 7100, hiermit zur allgemeinen Keuntniß mit dem Anfügen, daß den Großherzoglichen Bürgermeiſtereien u. Gemeindeeinnehmern
noch beſondere Abdrücke deſſelben zur Nachachtung zugehen werdem.
Darmſtadt, den 12. Auguſt 1873.
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
In Verhinderung des Kreisraths:
v. Marquard, Regierungsrath.
Zu Nr. M. d. J. 7100.
Darmſtadt, am 29. Jull 1873.
Betreffend: Die Ausgahlung der Werth= und Schadenserſatzgelder von Feldſtrafen.
Das Großherzogliche Miniſterium des Innern
an die Großherzoglichen Kreisämter.
Nachdem wir im Einverſtändniß mit dem Großherzoglichen Miniſterium der Finanzen angeordnet haben, daß die Werth= und
Schadenserſotzgelder von Feldſtrafen in Zulunſt von den Großherzoglichen Rentämtern uicht mehr direct an die
Empfangsberech=
tigten ausbezahlt, ſondern an die Gemeindeeinnehmer abgelieſert, und von dieſen den bezugsberechtigten Grundbeſitzern zugeſtellt
wer=
den, ſind zur Ausführung dieſer Anordnungen die nachſtehenden Beſtimmungen getroffen worden.
1) Die Großherzoglichen Rentämter werden ſämmtliche Werth= und Schadenserſatzbetraͤge aus einer Feldſtrafperiode auf einmal
dem betreffenden Gemeindeeinnehmer unter Mittheilung eines alphabetiſchen Verzeichniſſes der Empfangsberechtigten, welches ſo
ein=
gerichtet iſt, daß zugleich die Quittungen darauf geſetzt werden können, zuſtellen und gleichzeitig der betreffenden Bürgermeiſterei
eine Mittheilung des Geſammtbetrags dieſes Verzeichniſſes zugehen laſſen, der Bürgermeiſterei auch dann, wenn in einer
Feldſtraf=
periode Werth= und Schadenserſatzbeträge nicht abzuführen ſind, hiervon Nachricht geben.
2) Die Großherzoglichen Bürgermeiſtereien werden auf Grund der ihnen von dem Rentamt gemachten Mittheilung, den von
dem Gemeindeeinnehmer zu erhebenden Betrag demſelben nach vorgängiger Controlirung in Einnahme und reſp. Ausgabe anweiſen,
die Mittheilungen aber darüber, daß Werth= und Schadenserſatzbeträge in einer Feldſtrafperiode nicht abzuliefern waren, dem
Ge=
meindeeinnehmer kurzer Hand zuſtellen.
3) Die Vereinnahmung der in die Gemeindekaſſen fließenden Betrüäge hat unter Ord=Nr. 35, die Verausgabung der den
Be=
zugsberechtigten zu leiſtenden Zahlungen unter Ord=Nr. 100 des Voranſchlags ſtattzufinden.
4) Die Gemeindeinnehmer werden ſich bemühen, den bezugsberechligten Grundbeſitzern die ihnen zukommenden Beträge
voll=
ſtändig zuzuſtellen; werden einzelne Poſten nicht erhoben, ſo verbleiben dieſelben der Gemeindekaſſe.
Wir beauftragen Sie, den Inhalt dieſes Ausſchreibens durch Abdruck in den Kreisblättern zur allgemeinen Kenntniß zu bringen,
die Bürgermeiſtereien und Gemeindeeinnehmer Ihrer Kreiſe ſpeciell darauf hinzuweiſen und ſchließen zu diejem Zweck eine
entſpre=
chende Anzahl von Abdrücken an.
v. Starck.
Rautenbuſch.
343
1254
Bä 158
An die Bewohner von Darmſtadt und Beſſungen.
Betreffend: Maßregeln gegen die Verbreitung der Chölera.
Nach den Erfahrungen aus früheren Jahren iſt zu hoffen, daß unſere Stadt auch diesmal von der Cholera verſchont
blei=
ben wird. Dennoch iſt es Pflicht aller Betheiligten, rechtzeitig und gewiſſenhaft alle zu Gebot ſtehende Vorſichtsmaßregeln zur
Ausführung zu bringen.
Nachdem in Folge der Bekanntmachung von heute die allgemeine Desinfection der Aborte und Senkgruben angeordnet
wor=
den iſt, glauben wir den Bewohnern von Darmſtadt und Beſſungen noch folgende Maßnahmen dringend anempfehlen zu ſollen:
1) in den Häuſern und Höfen iſt die äußerſte Reinlichkeit zu handhaben. Die Goſſen in den Höfen und insbeſondere
die=
jenigen. welche das Küchen= und Spülwaſſer abführen, ſind täglich mit Waſſer auszuſpülen und auszukehren. Sobald ſich
ein übler Geruch bemerkbar macht, iſt ein Begießen mit Desinfectionsflüſſigkeit nothwendig;
2) die in einzelnen Hofraithen noch befindlichen Senkgruben für Küchen= und Spülwaſſer ſind, wenn irgend thunlich, nach
vorheriger Desinfection, ausleeren zu laſſen und außer Gebrauch zu ſetzen, da nach den gemachten Erfahrungen die
Aus=
dünſtung aus dieſen Gruben noch gefährlicher iſt, als diejenige aus den Abtrittsgruben;
3) die Beſitzer von Ställen, insbeſondere von Schweinſtällen, haben in dieſen Ställen und in deren Umgebung die größle
Reinlichkeit zu handhaben;
4) die Entleerung der Abtritts= und ſouſtigen Senkgruben iſt auch im laufenden Monat geſtattet und wird angerathen, ſofern
dieſelbe nach Maßgabe des Realements vom 10. September 1869, betr. Ausleeren der Abtrittsgruben (Verordnungsblatt
Nr. 37 von 1869) mit dem Sangapparat ſtattfindet;
5) Mittheilungen über vorſchriftswidrige Zuſtände werden bereitwillig entgegen genommen und wird im öffentlichen Intereſſe
deren Leſeitigung bewirkt werden;
6) ſchließlich machen wir noch auf die nachſtehenden, vom Großherzogl. Kreismedicinalamt Darmſtadt I. mitgetheilten
diäte=
tiſchen Vorſchriften aufmerkſam.
Darmſtadt, den 13. Auguſt 1873.
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
J. V. d. Kreisraths:
v. Marquard, Regierungsrath.
Diätetiſche Vorſchriften beim Ausbruch der Cholera.
Man lebe in jeder Beziehung regelmäßig und vermeide im Eſſen und Trinken jeden Exeß, ohne jedoch die gewohnte
Lebens=
weiſe in zu aufallender Weiſe und plötzlich zu ändern, hüte ſich vorzugsweiſe vor ſolchen Speiſen und Getränken, nach welchen
man früher Störungen der Verdauung, Magenbeſchwerden und Leibſchmerz oder gar Uebelkeit, Erbrechen und Durchfall beobachtet
hat; man ſei namentlich im Genuſſe von ſchwer verdaulichem oder gar uureiſem Obſte, von Gurken und neuen Kartoffeln, der
ſchweren Gemüſe (Bohnen, Kraut), fetten Fleiſches vorſichtig, ferner vermeide man ſaure Weine, junges oder ſauer gewordenes
Bier ꝛc. Man hüte ſich vor E.kältung, ohne ſich übertrieben warm zu halten, trage eine wollene Leibbinde, vermeide allzulangen
Aufenthalt in kühler Morgen= und Abendluft, Naß= und Kaltwerden der Füße, erwärme dieſelben wenn ſie kalt geworden, durch
warme Fußbäder mit Aſche und Salz oder Senfmehl (¹⁄₈ Pfd. auf ein Bad gerechnet), und die andern bekannten Mittel, trinke
wohl auch etwas Hollunder=, Kamillen= oder Pfeffermünzthee; bei ſtärkerem Unwohlſein, insbeſondere etwa beim Eintritte ſtärkerer
Diarrhöe vermeide man das Trinken reichlicher Quantitäten kalten Waſſers ſowohl als die beliebten Theeaufgüſſe von
Pfeffer=
münz, Kamille ꝛc. und ſuche ſogleich ärztliche Hülfe, lege ſich bis zum Eintreffen derſelben zu Bette. Sollten die
Krankheitser=
ſcheinungen ſich ſteigern, heftliges Erbrechen und Abführen mit ſtarkem Leibſchneiden, Kältegefühl, Wadenkrämpfe ꝛc. eintreten und
das Erſcheinen des Arztes ſich verzögern, ſo ſuche man durch heiße Krüge, Bettflaſchen, heiße Steine an die Fußſohlen, zwiſchen
die Füße und an die Seiten gelegt, durch warme Tücher und Deckel oder warme Kamillenaufſchläge auf den Unterleib, durch ein
allgemeines warmes Bad von 280 R. den Kranken zu erwärmen, durch Senfteige oder Meerrettigpflaſter auf Herzgrube und
Waden, die jedoch nur ½ —½ Stunde an jeder Stelle liegen bleiben dürfen, die Krämpfe zu lindern und durch den Genuß von
etwas Rum oder Arrac, durch ſchwarzen Kaffe oder chineſiſchen Thee und durch Reiben der Haut eine kräſtige Reaction
herbeizu=
führen, den oft heftigen Durſt ſowie Uebelkeit und Erbrechen durch Eisſtückchen oder durch kaltes Waſſer in kleinen Portionen,
durch Soda=Waſſer ꝛc. zu mildern. Es iſt jedoch wohl zu merken, daß die erwähnten Mittel nicht in unmäßiger Menge und
durcheinander dem Kranken gereicht werden, da durch Zuvielthun meiſtens mehr geſchadet wird, als durch Nichtsthun; man ſteigere
namentlich eintretende Ausdünſtung und Reaction nicht übermäßig, ſondern laſſe mit dem Eintritte derſelben in der Anwendung der
genannten äußeren und inneren erhitzenden Mittel nach. Dem Ermeſſen des herbeigerufenen Arztes, deſſen Erſcheinen möglichſt zu
beſchleunigen iſt, bleibt ſelbſtverſtändlich dann das weitere Verfahren überlaſſen. Nie vergeſſe man aber, daß neben einer geregelten
Lebensweiſe, Muth und eine ruhige, heitere Gemüthsſtimmung, Reinlichkeit und ſorgfältige Pflege der Haut unter die
Hauptſchutz=
mittel vor der Cholera gehören, und daß bei rechtzeitiger Anwendung ärztlicher Hülfe die Gefährlichkeit der Krankheit weſentlich
ver=
mindert wird. Schließlich glauben wir nochmals darauf aufmerkſum machen zu müſſen, daß durch eine gründliche Reinigung und
Reinhaltung aller Räumlichkeiten des Hauſes, durch Entfernung verweſender organiſcher Stoffe aus Keller und Bodenräumen, durch
ſorgfältige Desinficirung der Abtritte, Winkel, Kanäle und Senkgruben und durch eine durchgreifende Verbeſſerung dieſer Localitäten,
durch gehöriges Auslüften und Ventiliren der Zimmer, für möglichſt gute und reine Luft in und um die Wohnungen geſorgt und
damit der Weiterverbreitung der Krankheit in wirkſamer Weiſe vorgebeugt werden kann und wird. Wir fügen hier noch an, daß
Entleerungen der Abtritte nach Ausbruch einer Epidemie im Allgemeinen unſtatthaft ſind, ſollten ſolche alsdann nothwendig werden,
ſo muß eine ſehr ſorgfältige Desinfection des Grubeninhaltes vorausgehen. Es iſt dagegen ſehr zu empfehlen, jetzt noch eine
mög=
ligſt allgemeine Entlerung der Abtrittegruben unter Anwendung der Desinfection vorzunehmen.
Polizei=Regl em e n t.
Betreffend: Maßregeln gegen die Verbreitung der Cholera.
84 Nach dem Auftreten der Cholera in verſchiedenen Orten Deutſchlands haben wir uns bereils im vorigen Monat veranlaßzt
geſehen, im öffentlichen Intereſſe verſchiedene Maßnahmen zu treffen und insbeſondere die Desinfection der Aborte in den
Eiſen=
bahnhöfen, Caſernen, Schulen, Wirthshäuſern, die Desinfection der ſtädtiſchen Canäle und Schlitzſteine, ſowie die Reviſion der
Victualien auf dem Markt ꝛc. angeordnet.
Nachdem die Cholera jedoch in letzter Zeit in verſchiedenen Städten epidemiſch aufgetreten und es anerkannt iſt, daß
Des=
infectionen und andere Schutzmittel nur dann wirkſam und erfolgreich ſind, wenn dieſelben frühzeitig zur Anwendung lommen, haben
MIss.
1255
wir inzUebereinſtimmung mit Großherzoglichem Kreismedicinalamt Darmſtadt !., der Großherzoglichen Bürgermeiſterei und der Sanitäts=
Commiſſion des Gemeinderaths von Darmſtadt, ſowie der Großherzoglichen Bürgermeiſterei Beſſungen es für nothwendig erachtet,
daß eine zwangsweiſe Desinfection der Aborte und Senkgruben für Küchen= und Spülwaſſer iu Darmſtadt und Beſſungen alsbald
vorgenommen werde, wie ſolche bereits in früheren Jahren zur Ausführung gekommen iſt. Es wird daher, mit Genehmigung
Groß=
herzoglichen Miniſteriums des Innern vom 13. d. Mts., zu Nr. M. d. J. 8583. Nachſtehendes verfügt:
Alsbald nach dem Erſcheinen dieſer Bekanntmachung werden ſämmtliche Abtritte, ſowie Abtrittsgruben und Senkgruben
für Küchen= und Spülwaſſer in hieſiger Stadt und Beſſungen unter polizeilicher Controle mittelſt Eiſenvitriol und
Carbol=
ſäure desinficirt werden.
2) Dieſe Deinſeclon wird in Privathäufern vorläufig von 8 zu 8 Tagen ſtatfinden, dagegen in Gaſt= und Wirthshäuſern,
in Schulhäuſern, ſowie in allen anderen ſtark frequentirten Gebäuden von 2 zu 2 Tagen wiederholt werden.
3) Zur Erleichterung der Ausführung dieſer Maßregel und um die Koſten für die Einzelnen möglichſt gering zu hallen,
er=
ſcheint es nothwendig, daß zu der Zeit, zu welcher die Desinficirung ſtattfinden ſoll, zum Behuf ſchneller Auflöſung des
Eiſenvitriols eine kleine Quantität heißen Waſſers bereit gehalten wird.
Damit aber dieſes rechtzeitig geſchehen kann, werden die mit der Ausſührung des= Geſchäfts beauftragten Perſonen, etwa
eine Stunde vor dem Beginn der Desinficirung, in den Häuſern anſagen laſſen, daß und um welche Stunde man das
heiße Waſſer bereit halten möge.
4) Die entſtandenen Koſten werden jedesmal ſogleich gegen Quittung von dem Hausbeſitzer erhoben.
Bei etwa verweigerter Bezahlung wird der Koſtenbetrag zwar von der Stadtkaſſe vorlagsweiſe beſiritten, der Erſatz aber
ſofort auf dem Zwangswege beigetrieben, in welchem Falle dann die Reuitenten auch noch die Unkoſten dieſes
Zwangsver=
jahrens zu bezahlen haben.
5) Der Betrag der Koſten der Desinſicirung wird baldigſt belannt gemacht werden.
6) Diejenigen, welche ſich der Desinſection der Aborte und Gruben widerſetzen, oder dieſelbe auf ſonſtige Weiſe zu verhindern
ſuchen, verfallen in eine Polizeiſtrafe von 2 fl. bis 10 fl.
Wir erſuchen ſchließlich die Einwohner von Darmſtadt und Beſſungen, dahin zu wirken, daß der Bollzug dieſer, die
mög=
lichſte Erhaltung des Geſundheitszuſtandes bezweckenden Maßregeln thunlich gefördert wird.
Darmſtadt, am 14. Auguſt 1873.
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
J. V. d. Kreisraths:
v. Marquard, Regierungsrath.
—
B e k a n n t m a ch u n g.
Die Reinhaltung der Straßen und Entfernung geſundheitsgefährlicher Stoffe betr.
Indem wir auf das ſchon wiederholt bekannt gemachte Reglement vom 8. Nov. 1856, Reinhaltung der Ortsſtraßen betreffend,
aufmerkſam machen, empfehlen wir den Bewohnern von Darmſtadt und Beſſungen eine beſſere Reinhaltung des Baukets und der
Fahrbahn vor deu Häuſern, Höfen und Gärten und, bei trockenem Wetter, das Begießen des Bankets und der Straßen bis zur
Mitte der Fahrbahn.
Zugleich wird mit Ermächtigung Großh. Miniſteriums des Innern vom 13. d. M. zu Nr. M. d. J. 8583 weiter verfügt:
1) Die Hausbeſitzer haben bei dem üblichen Reinigen die Floßrinnen vor ihrer Hofraitho mit Waſſer auszuſpülen. Falls
Ubelriechendes Waſſer ſich anſammeln ſollte, ſind die Floßrinnen außerdem zu desinficiren.
2) Die Gaſt= und Zapſwirthe haben die vor den Wirthſchaftslocaliäten ſich anſammelnden flüſſigen Unreinlichkeiten täglich
durch Begießen der Sockelmauern der Häuſer und der Trottoirs mit Waſſer und Desinfectionsflüſſigkeit zu entfernen.
3) Diejenigen Gewerbtreibenden, welche der Fäuluiß unterworfene thieriſche Subſtanzen anfbewahren, ſowie die Händler mit
Lumpeu haben dieſe Gegenſtände außerhalb der Stadt aufzubewahren oder für geruchloſe und unſchädliche Aufbewaͤhrungsweiſe
Sorge zu tragen.
Zuwiderhandlungen unterliegen einer Polizeiſtrafe von 2 bis 10 fl.
Darmſtadt, den 14. Auguſt 1873.
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
In Verh. des Kreisraths:
v. Marquard, Regierungsrath.
B e k a n n t m a ch u n g.
Die Regulirung der Einkommenſteuer für das Jahr 1874 betreffend.
Die Einkommenſteuerpflichtigen werden hierdurch darauf aufmerkſam gemacht, daß die Regulirung der Einkommenſteuer für
das Jahr 1874 hiernächſt ſtattfindet und daß die Steuerpflichtigen nach Art. 20 des Einkommenſieuer Geſetzes vom 21. Juni 1869
berechtigt ſind, über ihre Einkommensverhältniſſe freiwillige Angaben zu machen, welche die Einſchätzungs=Commiſſionen als
Hülfs=
mittel bei der Steuer=Regulirung zu benutzen haben.
Zur Erleichterung ſolcher Angaben ſind die Großherzoglichen Bürgermeiſtereien mit Formularien verſehen, welche ſie auf Ver
langen unentgeldlich abgeben.
Die hiernach ausgeſtellen Declarationen wolle man an den Unterzeichneten adreſſiren und alsbald abſenden.
Darmſtadt, 12. Juli 1873.
Der Großherzogl. Vorſitzende der Einſchätzungs=Commiſſionen für das Steuercommiſſariat Darmſtadt.
Rau, Steuerrath.
6624) Die Rechnung hieſiger Pfandhauskaſſe pro 1872 iſt auf unſerem Büreau
6371) Eine Specereiladen=
Ein=
acht Tage lang zu Jedermann's Emſicht offen gelegt.
richtung zu verkaufen. Alexanderſtraße 7.
Darmſtadt, den 13. Auguft 1873.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Darmſtadt.
6554) Eine Hausthüre 9= hoch
J. V. d. B.:
6⁄ breit iſt billig zu verkaufen.
Appfel, Beigeordneter.
L. Fries, Schreinermeiſter.
M158
Auction von ausrangirten
Lazareth=Utenſilien.
Auf dem ehemaligen Militär=Holzhof in
der Mühlſtraße Nro. 4 ſollen Montag den
18. d. Mts. und folgende Tage, jedesmal
Vormittags von 10 Uhr ab, verſchiedene
Lazareth=Utenſilien, beftehend in wollenen
Decken, alten Lumpen, hölzernen, eiſernen
und zinnernen Geräthen, öffentlich gegen
baare Zahlung verſteigert werden. Unter
den eiſernen Geräthen befinden ſich 20
Bett=
ſtellen, welche ſich zum Privatgebrauch noch
ſehr gut eignen.
Darmſtadt, den 11. Auguſt 1873.
6551) Großherzogliches Garniſon=Lazareth.
Feilgebotenes.
E.
E
E
Aochtes Hlettonwurzelöl
zur
Stärkung und Erhaltung des
Paar=
wuchſes.
1
Römischer Haarbalsam
reinigt die Kopfhaut von allem Schweiß,
Fett und Schuppen, ſtärkt die Haar=
4 wurzeln, ſchützt gegen Ausfallen der
Haare.
Allein ächt in Darmſtadt bei
4890)
Peorz Staust.
liebig Compauys Heisch-Uſradt
aus FRAL-BEos Cud-Amerika).
Höchste Auszeichnung bei den Ausstellungen
Paris 1867- Havre 1868 - Amsterdam 1869- Moscau 1872
Ivon 1872 - Paris 1872.
wenn jeder Lopf untenstehende Unterschritten trägt
t
und aut der Etiquette der Name J. v. HIEUi6 in blauer
E Ght.
Parbe aufgedruckt ist.
NyPeerra
141
Engros Lager bei dem Correspondenten der Gesellschaft:
Herrn H. Herckz in Darmstadti
Zu haben in Darmstadt bei den Herren:
C. H. Anber E Söhne, Elisabethenstr.14.
I. G, Reller, Grafenstrasse,
feorg Liebig Sohn, Louisenstrasse,
Wilh. Manck Ballonplatz 5,
G. P. Poth, Casinostrasse 12,
lacob Röhrich Wiwe, Sandstrasse 10
E. Seriba, Apotheker, Kirchstrasse 25.
Carl Watzinger, Louisenplatz 4.
Wüh. Aensel in Bessungen.
Gi narr v rir drheArnrn Dres.
4rrSisr Uir.Wisirdirii Firsinrrärr rIirririr
4⁄₈
23.
14
4en
Ju= Maltrahuad. c rAiir-trkirdiatiriat Ar adEriöt-rtiverdtetrslAerzl. oatav-Mitkhitetitivreln
6450)
6D¾LauRab
ON0p A eel
Muser-Ardeiten huyot arl
werden ſchnell, billig und prompt ausgeführt.
Fäſſer in allen gewöhnlichen Größen halie vorräthig.
Gediegene Arbeit. Trockenes Holz.
Alle Reparaturen werden auf Beſtellung abgeholt und
geſchickt.
J. Geldims, Küfermeiſter,
große Ochſengaſſe 33. — Langegaſſe 24.
6608) Wegen vorgerückter Saiſon
5.6256) Ein gewölbter geräumiger Keller
zu vermiethen. Beſſ. Carlsſtraße 3.
6257) Magdalenenſtraße Nr. 3 iſt ein
Manſarden=Logis, beſtehend aus 2 Zimmern
und Cabinetten nebſt Küche, Mitgebrauch
der Waſchküche und Bleichplatz, an eine ſtille
Familie zu vermiethen u. ſofort zu beziehen.
BARTRLATTRARAATAAAA¾
6385) Frankfurterſtraße 7 ein Logis F=
F
H von 6 Piecen nebſt Zugehör zu ver=
4 miethen und zum 1. November d. J.
8 beziehbar. Auf Wunſch kann auch
4 Stallung für 3 Pferde, Remiſe und
H
B Burſchenſtube dazu gegeben werden.
BrANAAAAAAaNAAAAAaagn,
6393) Roßdörferſtraße ein freundliches
Logis zu vermiethen und gleich zu beziehen.
Näheres Hügelſtraße 16 Manſarde.
6453) 2 ſchöne Zimmer nebſt Küche
und allen Bequemlihkeiten eine Stiege hoch
zu vermiethen und ſogleich zu beziehen.
Schirngaſſe 2.
6494) Frankfurterſtraße Nr. 5 iſt ein
möbl. Zimmer zu verm. u. gleich zu beziehen.
6613) Neckarſtraße Nr. 1 im
Hinter=
haus eine Treppe hoch eine neu hergerichtete
Wohnung von 3-4 Zimmern, Küche,
Bo=
denkammer ꝛc. an eine kleine ruhige Familie
zu vermiethen, gleich zu beziehen.
Vorderhaus Parterre Näheres.
6615) Das ſeither von Hrn. Lieutenant
Mock bewohnte möblirte Zimmer iſt
Weg=
zugs halber zu vermiethen. Heinheimerſtr. 3.
6615a) Ein Zimmer ohne Möbel,
1. September zu beziehen. Marktſtraße 8.
6626) Im 2. Stock meines Hauſes iſt
ein Logis, 2 Zimmer, Kabinet, Küche ꝛc. ꝛc.,
zu vermiethen und kann bald bezogen werden.
Georg Lerch.
f. e.
von Damen= und Kinder=Laſtingſtiefeln zum Fabrikationspreiſe.
HGiard Sevilssleg,
4 Louiſenplatz 4.
Sohul- oder Schreibtinte F,
Alizarintinte von Aug. Leonhardi,
Doppel-Copirtinte von
empfiehlt
Carl Walzinger,
6579)
Louiſenplatz 4.
6625) Zu verkaufen: l6 Tiſchtücher am
Stück, rein Leinen, Hausmachend, für eine
Ausſtattung geeignet.
Zu erfragen bei der Expedition.
5505) Beſſ. Karlsſraße Nr. 3 iſt
par=
erre ein freundlich möblirtes Zimmer zu ver
miethen.
5854) Steinſtraße Nr. 8 eine Wohnung
von 5 Stuben, Küche u. außergewöhnlichen
Bequemlichkeiten zu vermiethen.
Näheres Parterre daſelbſt.
5944) Rheinſtraße 30 iſt ein Pferdeſtall
mit 4 Ständen, große Remiſe und
Kutſcher=
ſtube bis zum 1. Auguſt zu vermiethen.
Vermiſchte Nachrichten.
5048) Ein braver Junge kann in die
Lehre treten bei
Heinr. Martin, Steinhauermeiſter.
5655) Zwei Steinhauergeſellen ſucht
gegen guten Lohn und dauernde Arbeit.
J. W. Mersheimer, Hof=Maurermſtr.
5544) Zwei Schreiner können bei
mir dauernde Beſchäftigung finden
Ed. Kühnſt, Pianofortefabrik.
6592) Auf einem Büreau der
Finanz=
brauche zu Darmſtadt iſt für einen jungen
Mann, der ſchön, correct und gewandt
ſchreibt, eine Stelle vacant.
Näheres bei der Expedition.
6603) Dem Finder dreier
Schlüſſel=
ſ cher ſammt Kettchen, verloren am 9. l. M.
auf dem Wege zwiſchen Darmſtadt u. Traiſa,
eine ſehr gute Belohnung. Die Schlüſſel ꝛc.
ſind jauf dem Polizeibüreau in Darmſtadt
abzugeben.
16620) Unterzeichneter ſucht tüchtige
Weiß=
binder=Geſellen, welche ſogleich eintreten
können. Philipp Schaub, Weißbindermſtr.
6627) Ein fein möblirtes Zimmer zu
vermiethen Schützenſtraße Nr. 8 Hinterbau
1 Treppe hoch.
Schmidt.
1s8.
Au dem Honstre=Coneert im Saalbau
Samſtag den 16. Auguſt Abends 5 Uhr
ſind Gintrittskarten
12 kr.
für Kinder
für zwei Perſonen 1 fl.
für einzelne Perſonen 36 kr.
für vier Perſonen 1 fl. 30 kr.
in den Hofbuchhandlungen der Herren Bergſträßer, Klingelhöffer und
Schor=
kopf zum Verkauf niedergelegt und daſelbſt zur Bequemlichleit des Publikums bis
ein=
ſchließlich Freitag Abend zu beziehen, während an der Caſſe im Saalbau nur
Eintritts=
karten zu 42 kr. per Perſon ausgegeben werden.
Eingang zum Concert Riedeſelſtraße.
Eröffnung der Caſſe am 14. Auguſt 4 Uhr Nachmittags.
(6616
Concert=Programme werden per Stück zu 3lr. an der Caſſe verkauft.
6617)
„
6e
Geſangverein „-tedertafet.
Sonntag den 17. Auguſt l. J.
Waldparthie an den Glasberg.
Der Vorſtand.
1257
8 Ein ſoldes Madhen wünſcht ſofort
Monatarbeit zu übernehmen bei
einzelnen Herren oder Damen. Näheres
Stiftſtraße Nr. 50 parterre.
„
6630) Für meine Papier= und
Schreib=
materialien=Handlung ſuche ich einen Lehrling
mit guter Schulbilduug.
Ind. Bh. Müller.
6631) Mädchen, mit der Nadel geübt,
finden Beſchäftigung bei H. Schuchard.
Geſucht
6632)
ein braves, geſittetes, junges Mädchen für
Haushaltung. Schützenſtraße 18 parterre.
()ie Unterzeichneten machen hiermit die Anzeige, daß ſie öſterreichiſche
8 „ Guldenſtücke bis auf Weiteres nur noch zu 1 fl. 7 kr. annehmen können.
Darmſtadt, den 13. Auguft 1873.
Jakob Wolff. J. J. Dieſenbach. Gg. Habich. Anton Schüchner. Gebr. Guthmann.
J. P. Traiſer. Ferd. Wolff. Ludw. Walz. Heinr. Ritſert. Aug. Keller Wtwe.
von Eberſtadt. J. Hilß von Eberſtadt. W. Darmſtädter von Eberſtadt.
Jak. Wolff von Eberſtadt.
6633) Bohnenſchneidmaſchine wird
aus=
geliehen bei
F. Lautermann, gr. Kaplaneigaſſe 26.
6634) Verloren wurde ein Bund Schlüſſel
mit Schlüſſelhaken in der Neckarſtraße oder.
Marienplatz. Abzugeben gegen Belohnung
Neckarſtraße Nr. 26.
Eizzx.
ErLIum
rSe.
Die Erben.
Novelle von Max Ring.
Fortſetzung.
Sie befand ſich noch immer in der kleinen, engen Stube mit dem
gelben Anſtrich und dem blauen Ofen, der eine ganz angenehme Wärme
verbreitete. In der Mitte ſtand der wackelnde Tiſch und
rings=
herum ſaßen die Kinder bei ihrer Arbeit, oder ſie ſaßen
viel=
mehr nicht, denn ſie waren aufgeſprungen und umringten jetzt
den Vater. Hannchen war bemüht, ihm den naſſen Rock vom
Leib zu ziehen, der die dentlichen Spuren ſeiner wäſſrigen Exiſtenz
auf dem Boden zurückließ, zwei Mädchen ſchleppten nun den
be=
quemen Schlafrock herbei, die Jungen Pantoffeln und Pfeife
ſammt Tabakskaſten. Kein Sultan, Papſt oder Fürſt konnte
beſſer bedient ſein als der arme Kaſſenbote und was für Diener
hatte er? Da war zuerſt die Garderobemeiſterin Johanna, auch
Hannchen genannt, ſchön wie eine Houri, oder wie eine blühende
Roſenknoſpe mit ihren blonden Flechten um die weiße Stirn, mit
den friſchen Wangen, den kleinen Grühchen darin, dem feinen,
kecken Näschen und den ein wenig aufgeworfenen, ſchwellenden
Lippen. welche füß und roth wie Kleeblüthe ausſahen; ferner
zwei Zofen, welche ihrer Schweſter wie Miniaturbilder glichen,
nur mit dem Unterſchiede, daß die ältere Marie dunkle
Haare und blaue Augen, die jüngere Auguſte helle Locken und
Augen hatte. Beide waren gar lieblich anzuſchauen, wie ſie jetzt
einherſprangen und Alles thaten, was ſie dem Vater abſehn konnten.
Dann kamen die Pagen, wirklich luſtige Pagen, ſchlank gewachſen
und voll Muthwillen, wenn ſie ſich nicht beobachtet ſahen, ſonſt
aber gutmüthig und voll Reſpect, muntere Burſchen, denen der
Uebermuth aus den dunklen, ſeurigen Augen blitzte. Das war
die Dienerſchaft des Kaſſenboten, um die ihn ſelbſt ein Fürſt
benei=
den konnte und die ihm keinen Heller koſtete, ſondern im
Gegen=
theil noch Geld einbrachte. Die Kinder waren aufgewachſen in
der Furcht des Herrn und in guter elterlicher Zucht. Auf einen
Schlag oder einen Katzenkopf kam es bei der Erziehungsnicht an,
denn ſowohl Meiſter Bauer wie ſeine Frau richteten ſich in dieſer
Beziehung weit mehr nach den Sprüchen Salomon's, als nach
densneueſten pädagogiſchen Theorien, welche die Kinder wie
unge=
ſchälte Eier zu behandeln rathen. Der Kaſſenbote hatte von ſeinem
ſeligen Vater manchen Hieb bekommen, den er jetzt ſeinen Junger
mit Zinſen wiedergab. Das war ſeine Logik: hat es mir nichts
geſchadet, ſo wird es den Kindern auch nicht ſchaden und wenn
der Baum gerade wachſen ſoll, ſo muß er mit dem Stock groß
gezogen werden; trotzdem liebte er die Seinigen gewiß von ganzem
Herzen und wurde auch von ihnen wiedergeliebt.
Jetzt ſaß er recht behaglich im Schoße der Familie, ſich
aus=
ruhend und die ſteifen, durchnäßten Glieder am Ofen wärmend.
Zuvor aber mußte er Rechenſchaft ablegen, wo er ſo lange geblieben,
warum er nicht zur rechten Zeit gekommen. Es war, wie Hannchen
vermuthet hatte, der Buchhalter hatte ihn noch einen Gang geſchickt,
um eine Beſorgung auszurichten.
„Du hätteſt nicht gehen ſollen, noch dazu bei dem Wetter,
meinte die Frau.
„Das geht nicht, der Herr Buchhalter iſt doch gewiſſermaßen
mein Vorgeſetzter, dem ich gehorchen muß.
„Freilich, aber nur in allen Dingen, die zur Bank gehören
und zu denen Du durch dein Amt verpflichtet biſt. Was kümmern
Dich ſeine Geſchichten ?„
„Na, ich bin von dem Gange auch nicht geſtorben und ein
Trinkgeld hat es obendrein geſetzt, zehn Groſchen, das kann man
ſich ſchon gefallen laſſen.
„Ich wollte, Du brauchteſt nicht mehr Deine Beine zu
ſtra-
paziren und könnteſt Dich auf Deine alten Tage ausruhen.”
„ Ja, wenn kleine Steinchen Geld wären. Ich danke Gott,
daß ich mein Brod habe und ſo lange ich kann, will ich auch
ar=
beiten.
„Wer weiß, vielleicht ſchickt uns Gott einnal unvermulhet
ein Paar tauſend Thälerchen, dann kannſt Du Dich pflegen.
„Wie Du nur ſo redeſt. Sollte man nicht denken, daß Du
auf eine reiche Erbſchaft hoffſte Wir haben keinen Vetter in Amerika;
die kommen nur noch in den närriſchen Geſchichtsbüchern vor."
„Wer weiß, was geſchieht, entgegnete ſie mit einem bezüglichen
Lächeln. 38, Es braucht darum keine Erbſchaft zu ſein.
Mehr zu ſagen hütete ſich aber Frau Bauer, weil ſie ihrem
Manne nicht ganz traute; er war ſehr ökonomiſch und ſparſam;
wahrſcheinlich hätte er es auch nicht gelitten, daß ſie in die Lotterie
ſetzte. Sie wollte ihn mit den zehntauſend Thalern, welche ſie
ganz gewiß zu gewinnen hoffte, lieber überraſchen. Deßhalb ließ
ie auch jetzt das Geſpräch fallen und machte ſich mit dem Abendbrod
zu thun. Der Kaſſenbote wandte ſich an die Kinder, die bei der
Arbeit ſaßen und ſtill zuhörten. Es war heute Sonnabend und
da pflegte er die Einnahmen der Woche regelmäßig nachzurechnen.
Jedes Kind mußte dann das Geld abliefern, was es im Laufe
der Woche verdient hatte. Es kam ein ganz artiges Sümmchen
344
M. 18.
1258
zuſammen. Der Aelteſte hatte einen Thaler und fünfzehn
Silber=
groſchen erarbeitet und die beiden Sänger zuſammen faſt zwei Thaler
erſungen; auch die Mädchen kamen nicht mit leeren Händen. Das
Geld wurde, wie gewöhnlich, vor den Augen der Kinder in zwei
gleiche Theile getheilt, von denen der eine für die Haushaltung
verwendet wurde, während der andere in die Sparkaſſe wanderte
um für die Zukunft als Nothgroſchen den Seinigen zu dienen.
Auf dieſe Weiſe war es Bauer möglich, mit ſeinem geringen
Ge=
halt eine zahlreiche Familie zu ernähren und ſogar noch jedes
Jahr einige Erſparniſſe zu machen. Für Leute ſeines Schlages
ſind Kinder ein wahrer Segen, weil ſie mit arbeiten und mit
er=
werben helfen. Die Kleinen waren auch ganz ſtolz auf ihre
Thätig=
keit und ihr Selbſtbewußtſein wurde nicht wenig durch dieſe weiſe
Einrichtung gehoben. — Der Kaſſenbote hatte allen Grund, mit
ſeinem Schickſale zufrieden zu ſein, wenn er auf die fleißigen Buben
und Mädchen blickte, mit denen ihn Gott geſegnet hatte. Er fühlte
ſich auch recht glücklich und beſonders in dieſem Augenblick, wo
er im Schlafrock und Pantoffeln mitten unter ihnen am warmen
Ofen ſaß während draußen die Frühlingsſtürme wütheten.
Unter=
deß war das Abendbrod fertig geworden, Hannchen breitete eine
zwar grobe, aber blühend weiße Decke über den Tiſch, auf
welch=
ſie die Schüſſel mit Kartoffeln ſtellte, das gewöhnliche Leibgericht
an Wochentagen, das höchſtens mit einer Mehlſuppe ſabwechſelte.
Bevor ſich aber der Vater niederſetzte, holte er ein bisher
ſorg=
fältig verborgenes Päckchen herbei, das er in der Taſche des
durchnäßten Rockes mitgebracht hatte. Lüchelnd entfernte er das
zum Umſchlag dienende Zeitungsblatt; er freute ſich im Voraus
auf die Ueberraſchung, welche er den Seinigen als
Entſchädi=
gung für das lange Ausbleiben bereiten wollte. Ein Stück
Schinken kam zum Vorſchein, zart röthlich mit weißem Fett
durchzogen, daß den Kindern das Waſſer im Munde
ordent=
lich bet dem Anblick zuſammenlief und die Augen lüſtern zu
glänzen anfingen.
„Das hab' ich Euch mitgebracht," ſagte der Kaſſenbote.
„Schinken! Schinken!” jubelten die Jungen und Mädchen.
„ Aber Vater, was fällt Dir ein?u fragte die Alte. „Du
wirſt auf Deine alten Tage gar noch ein Verſchwender.
„Es iſt=heute Sopnabend, die Kinder haben dieſe Woche
tüchtig gearbeitet, da wollte ich ihnen auch eine Freude machen.
Die zehn Silbergroſchen vom Buchhalter mußten einmalſpringen.
„Nun, mir kann es recht ſein, meinte Frau Bauer, die
den Ihrigen gern zuweilen eine kleine Freude gönnte. „Aber
was iſt denn das noch? Ich glaube gar eine Citrone.
„ Nun ja, eine Citrone und ein Fläſchchen Rum. Du ſollſt
uns einen Punſch machen."
„Ich glaube wirtlich, daß es bei Dir im Kopfe nicht ganz
richtig iſt?
„Wie ich beim Kaufmann an der Ecke vorüberkam, dachte
ich, daß ein Gläschen Warmes bei dem Wetter nichts ſchaden
würde. Ich hatte noch fünf Groſchen übrig.
„Und die haben Dich gedrückt.”
„ Für einen Groſchen eine Citrone, für drei GroſchenzRum;
Zucker haben wir im Hauſe; das gibt einen ausgezeichneten
Punſch. Nicht wahr, Alte, Du trinkſt auch zuweilen gern ein
Gläschen ?”
„Du haſt einmal heute die Spendirhoſen angezogen”,
ſchmunzelte ſie freundlich, indem ſie Hannchen befahl, in einem
Topf Waſſer auf dem Heerd zu wärmen und aus dem
Speiſe=
ſchrank den ſorgfältig verſchloſſenen Zucker herbeizuholen. Dieſe
ernſthaften Anſtalten zu einem „Punſch' verſetzte die kleine Ge=
Geſellſchaft in die lebhafteſte Aufregung; der bloße Gedanken an
das ſeltene Getränk berauſchte ſchon die Kinder, ſie ſprangen von
ihren Stühlen auf und äußerten, ihre Freude in ziemlich
lautem Jubel, bis der Vater mit ſeiner Stentorſtimme
dazwi=
ſchen fuhr.
„Ruhig! und wer ſich vom Platze rührt, bekommt nichts!
rief er im drohend väterlichen Tone.
Das wirkte beſſer wie jedes andere Mittel; es wurde ſo
ſtill, daß man faſt ein Mäuschen pfeifen hören konnte.
(Fortſetzung folgt.)
Mithelungen aus Stadt und Land.
Das Brigade=Excercieren der 49. Inf.=Brigade wird vom
26. bis 30. l. M. bei Gießen und zwar zwiſchen Klein=Linden und
Allen=
dorf a. d. Lahn, die Detachements= und Diviſionsübungen werden
vom 30. d. M. reſp. 1. September bis incl. 12. September bei Friedberg
und Gießen abgehalten. - In Allendorf ſind dem Vernehmen nach die
Blattern ausgebrochen, ſo daß dieſer Ort nicht mit Truppen belegt werden wird.
Der bereits im Druck befindliche Bericht des Synodal=
Aus=
ſchuſſes wird in Kürze durch die Verlagsbuchhandlung von Joh. Würtz
dahier auch dem größeren Publikum zugänglich ſein. Er beſteht aus dem
Gutachten der Majorität: Waſſerſchleben, Buchner, Meyer, Königer und
Köhler, erſtattet von dem Letzteren, und aus zwei Minoritätsgutachten von
Pfarrer Diefenbach und Dr. Rieger, Beide der ſtrengeren Richtung
ange=
hörig. Die dem Proteſtantenverein angehörigen Mitglieder, Ohly und
Schlich, gehen im Weſentlichen mit der Majorität und haben ſich nur für
das Plenum der Synode die Geltendmachung ihrer abweichenden
Anſchau=
ungen vorbehalten. Den Abſchluß der Ausſchußberathungen bildete ein
zwiſchen den Ausſchußmitgliedern, dem Präſidium der Synode und den
Vertretern des Kirchenregiments und der Synode gemeinſchaftliches
Mittags=
mahl im Darmſtädter Hof, bei welchem - was als Zeichen der
verſöhn=
lichen Stimmung beider Theile hervorgehoben zu werden verdient, untel
andern der Berichterſtatter der Majorität ein Hoch auf die Minorität aus
brachte. — Während ſich der Geſammtertrag aus Stempelpapier,
Stempel=
marken und Spielkartenſtempel 1871 nur auf 554984 fl. ſtellte, hat er
ſich nach den jetzt abgeſchloſſenen Berechnungen im vorigen Jahre au
648044 fl., alſo um nahezu 100,000 fl. erhöht. — Einen Ausſall ergibt
dagegen die Hundeſteuer pro 1872 gegen 1871. Im letzteren Jahre
er=
trug ſie 48.557 fl., während ſie v. J. ſich nur auf 48,123 fl. ſtellte.
Aus dem erſterwähnten Reſultat bezüglich des Stempels ergibt ſich, daß die
zweite Kammer, als ſie 630000 fl., ſtatt 590,000 fl., wie die Regierung
wollte, in das Einnahme=Budget aufnahm, noch erheblich unter der jetzt
feſtgeſtellten Einnahme pro 1872 verblieben iſt. — Als Referent über das
Volksſchulgeſetz in der erſten Kammer iſt Graf Görtz ernannt.
Der am verfloſſenen Samſtag ſo plötzlich eingetretene Sturmwind
hat auf dem neuen Friedhof 2 Bäume entwurzelt und umgeſtürzt, auch
das Dach des Leichenhauſes erheblich beſchädigt.
Am verfloſſenen Montag ſind die letzten der aus Frankreich
rück=
kehrenden Truppen hier durchpaſſirt. Erfreut über die ihnen Seitens der
Stadt gereichten Erfriſchungen verließen dieſelben die hieſige Stalion mit
weithin ſchallenden kraͤftigen Hurrahs.
Für die Stadt ſteht eine zwangsweiſe Desinfection
ſämmt=
licher Dung= und Abtrittsgruben bevor und ſind die betr. Arbeiten und
Lieſerungen bereits von Gr. Bürgermeiſterei am Mittwoch Abend verſteigert
worden.
Am Mittwoch Morgen wurden in der Stadt zuſammen über ½Ohm
zu ſtark gewäſſerte Milch confiscirt, die der Kleinkinderſchule
über=
wieſen worden iſt.
Am Dienſtag Abend warf ein Herr im Hotel Traube mehrſach
Hände voll Sechstreuzerſtücke unter eine ſich raſch ſammelnde Knabenſchaar.
Die Armenkaſſe=Rechnung pro 1872 ſchließt in Einnahme mit
fl. 36226. 26. deren größter Beſtandtheil mit 24000 fl. Zuſchuß aus der
Stadtkaſſe und einem Beitrag von 2200 fl. aus der Pfandhauskaſſe
ent=
nommen iſt. Die andern Einnahmen beſtehen in Kapitalzinſen und Erſatz
von Verpflegungsgeldern ꝛc. — Unter den Ausgaben ſind an namhaften
Poſten enthalten: Verpflegungsgelder für arme Kinder fl. 1374. 50., Poſten
der Pfründner=Verpflegung fl. 5821., für Unterhaltung armer Geiſteskranker
fl. 3010., ſtändige und unſtändige Unterſtützungen fl. 7455. 40., Lebensmittel
zum Verbrauch im Hospital fl. 2969. 24, Holz und Licht fl. 2577. 5.,
Weißzeug und Bettwerk fl. 1181. 25., Arzneyen ꝛc. fl. 1020. 42.,
Unter=
haltung der Gebäude fl. 2825. 82., für arme Schulkinder und andere
Poſten fl. 1040. 3.; zuſammen fl. 35171. 31½, ſo daß ein Kaſſe=
Ueber=
ſchuß verbleibt von 1054 fl. 34½ kr.
Die Centralſtelle für die Landesſtatiſtik veröffentlicht eine=
Zuſammen=
ſtellung der Einkommenſteuerkapitalien auf Grund der Jahre
187073. Aus dieſer Zuſammenſtellung geht eine Erhöhung der
Steuer=
kapitalien hervor und zwar von 132 pCt. auf Starkenburg, 6 pCt. auf
Oberheſſen und 127pCt. auf Rheinheſſen. Den größten Zugang in unſerem
Lande weiſen Caſtel mit 447 pCt. von 35,850 fl. auf 51870 fl., ſodann
Mainz um 314 pCt. (Hebung von 881,445 fl. auf 1157,970 fl.) Nach
Steuercommiſſariaten hat ſich der Bezirk Mainz am mehrſten, um 303 pCt.,
Offenbach um 226 pCt. Darmſtadt um 15 pCt. erhöht.
Von verſchiedenen Städten wird berichtet, daß der 2. September
(Schlacht bei Sedan) als nationaler Feſttag begangen wird; ſo werden
z. B. in Leipzig ſammtliche ſtädtiſche Verwaltungsbureau geſchloſſen und in
allen Kirchen Feſtgottesdienſt abgehalten. Ebenſo iſt ein Feſtact in der
Schule und Abends feſtliche Beleuchtung der öffentlichen Plütze angeordnet.
In Wiesbaden hat der Gemeinderath zur Feier des Tages 400 Thlr. bewilligt,
Mainz, 13. Auguſt. Geſtern Avend lief ein Frauenzimmer
lau=
ſchreiend bis zur Mitte der Schiffbruͤcke, ſtieg auf das Geländer und ſtlltzte
ſich in den Strom. Alle Rettungsverſuche blieben erfolglos.
Gießen, 13. Auguſt. Die Platzfrage für die neu zu erbauende
Aula iſt nun definitiv entſchieden. Die Aula kommt in die
Stephans=
mark zu ſtehen und iſt man nur darin noch nicht einig, ob der Raum von
4 Morgen mehr oben oder unten an der Ludwigsſtraße genommen werden
ſoll.
G. A.)
Redactioy und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.