Darmstädter Tagblatt 1873


16. Mai 1873

[  ][ ]

Allergnaͤdigſt privilegirtes

136. Jahrgang.

Wonnemensvreis
2fl. 48 tr. Phrl. inc Bringer=
Ehn. - Auswärtz werden von
allen Poſtämtern Beſtellungen
entgegengenommen zu 59 kr. pro
Quartal inc- Poſtaufſchlag und
Beſellgebühr.

Amtliches Organ

Inſerate
verdem angenomment n Darme
Rtadt von der Erpediton. Rhein=
ſtraße
Nr. 23. in Beſſungen
von Friedrich Büßer, Friedrich=
ſtraße
Nr. 7, ſowie auswarzz
von allen ſoliden Annoncen
Eweditenn.

für die Bekanntmachungen des Großherzoglichen Kreisamtes Darmſtadt.

RO.

Freitag ven 16. Mai

B e k a n n t m a ch u n g.
Betreffend: Das Kreis=Erſatzzeſchäſt im Jahr 1873.
Diejenigen Militärpflichtigen, welche in dieſem Jahre vor der Kreis=Erſatz=Commiſſion dahier erſchienen waren, werden hiermit
aufgefordert, ihre Geſtellungsſcheine auf dem Büreau des Unterzeichneten (in dem Kreisamts=Lokal) in Empfang zu nehmen.
Darmſtadt, den 14. Mai 1873.
Der Civil=Vorſitzende der Kreis=Erſatz=Commiſſion Darmſtadt.
v. Marquard.
.

Veröffentlichungen aus dem Firmen=
Regiſter Großherzoglichen Stadtgerichts
Darmſtadt.
4020)
Im Firmenregiſter des unterzeichneten
Gerichts wurden folgende Einträge vollzogen:
I. Am 17. April 1873.
1) Wilhelm Hoffmann dahier betreibt
ſeit dem 1. Auguſt 1871 in Darmſtadt,
eine Steinkohlenhandlung unter der Firma
Wilhelm Hoffmann
2) Der hieſige Kaufmann Ludwig Bern=
hard
Müller betreibt ſeit dem 1. Mai 1871
dahier eine Papier= und Schreibmaterialien=
handlung
unter der Firma,Lud. Bh. Müller-
11. Am 18. April 1873.
Der Kauſmann Abraham Ullmann be=
treibt
ſeit dem 15. Mai 1871 am hieſigen
Platze eine Kurz= und Galanteriewaaren=
handlung
unter der Firma,A. Ullmannz.
III. Am 19. April 1873.
1) Die hieſige Firma J. N. Gütlich=
iſt
ſeit dem 1. October 1871 durch Auf=
gabe
des Geſchäfts erloſchen.
2) Chriſtian Goſſi dahier führt vom
21. April d. J. an in hieſiger Stadt eine Liqueur=
u
. Eſſigfabrik unter der Firma Chr. Goſſiv.
3) Der Kaufmann Carl Dauernheim be=
treibt
ſeit dem 1. Juli 1871 in Darm=
ſtadt
eine Weinhandlung unter der Firma
Carl Dauernheim
IV. Am 22. April 1873.
1) Die hieſige Firma C. Nungeſſer
iſt ſeit dem 1. April 1873 durch Aufgabe
des Geſchäfts erloſchen.
2) Simon Löb Stern dahier betreibt ſeit
Pfingſten 1870 in Darmſtadt ein Ellen=
waarengeſchäft
unter der Firma, S. L. Stern.
3) Fritz Frommann und Bernhard von
Schuler dahier betreiben ſeit dem 1. Ok=
tober
1872 am hieſigen Platz eine Spiel=
kartenfabrik
und Druckerei unter der Firma

. Frommann und von Schulern. Beide In=
haber
ſind berechtigt, ſelbſtſtändig die Firma
zu zeichnen.
4) Wilhelmine Holtz dahier führt ſeit
dem 24. Oktober 1871 in Darmſtadt eine
Specereihandlung unter der Firma,W.Holtz."
V. Am 23. April 1873.
1) Georg Lehr von Beſſungen betreibt
daſelbſt ſeit dem 1. Oktober 1870 eine
Specereihandlung unter der Firma G9.
Lehr.
2) Georg Mahr dahier betreibt ſeit dem
1. Mai 1872 eine Holzhandlung in Darm=
ſſtadt
unter der Firma Gg. Mahr.
3) Der Kaufmann Heinrich Scharmann
dahier betreibt ſeit dem 25. September
1871 in Darmſtadt eine Galanteriewaaren=
handlung
unter der Firma H. Scharmann.
4) Heinrich Bauernfeind und Albert
Stützer dahier betreiben ſeit dem 24. Feb=
ruar
1873 in Darmſtadt eine Tapetenhand=
lung
unter der Firmaj, Bauernfeind und
Cie." Jeder Inhaber hat das Recht, ſelbſt=
ſtändig
die Firma zu zeichnen.
VI. Am 26. April 1873.
1) Chriſtiane Hammann dahier führt ſeit
December 1871 am hieſigen Platz eine
Specereihandlung unter der Firma, C. Ham=
mann
.
2) Die hieſige Firma Dorothea Kraft
iſt ſeit 1870 durch Aufgabe des Geſchäfts
erloſchen.
3) Adolph Henſel dahier betreibt ſeit
dem 30. Oktober 1871 in Darmſtadt eine
Specereihandlung unter der Firma,Adolph
Henſelv.
4) Der hieſige Kaufmann Auguſt Glaſer
betreibt ſeit dem 23. November 1871 dahier
ſeine Kurzwaarenhandlung unter der Firma
Auguſt Glaſer.

VII. Am 30. April 1873.
1) Georg Weber dahier betreibt ſeit dem
5. Juni 1871 am hieſigen Platz eine Eiſig=
fabrik
unter der Firma ,Georg Weberv.
2) Hermann Schmitt dahier betreibt ſeit
Anfang 1871 in Darmſtadt eine Buch=
handlung
unter der Firma Schulbuchhand=
lung
des heſiſchen Landeslehrervereins.
Der Vater des Inhabers, Johann Schmitt,
hat Procura.
3) Die unter der Firma Karl Gerſch=
lauer
dahier beſtehende Colonialwaarenhand=
lung
wird vom 1. Mai 1873 an von
Georg Philippi dahier unter der Firma
Georg Philippi, vormals Karl Gerſchlauer
weiter geführt.
4) Eliſe Strauß dahier betreibt ſeit Mitte
November 1871 in Darmſtadt eine Specerei=
handlung
unter der Firma Eliſe Strauß.
Salzmagazinsverwalter Georg Strauß und
deſſen Ehefrau Margaretha Strauß haben
Prokura.
VIII. Am 2. Mai 1873.
Die unter der Firma Heinrich Brill=
dahier
beſtehende Buchdruckerei iſt ſeit dem
1. Mai 1873 auf den Sohn des ſeitherigen
Inhabers, Ludwig Brill, übergegangen.
IX. Am 3. Mai 1873.
Max Anſpach und Siegmund Anſpach
dahier betreiben ſeit dem 24. März 1873
in Darmſtadt eine Kleiderhandlung unter
der Firma M. Anſpach Söhnen. Beide
Inhaber ſind ſelbſtſtändig zur Vertretung
der Firma berechtigt.
Darmſtadt, den 3. Mai 1873.
Großherzogliches Stadtgericht Darmſtadt.
Piſtor,
Vogel,
Stadtrichter. Stadtgerichts=Aſſeſor.
208

[ ][  ][ ]

KO

762
Grasſamen=Verſteigerung.
Mittwoch den 28. d. Mts., Vormittags
10 Uhr, ſoll auf dem Gemeindehaus zu
Zwingenberg die diesjährige Grasſamen=
Erate aus den Domanial=Waldungen der
Oberförſtereien Jägersburg, Ernſthofen und
Nieder=Ramſtadt, ſowie aus den Waldungen
der Gemeinden Biblis, Gernsheim, Groß=
Rohrheim, Bickenbach, Eberſtadt, Nieder=
Beerbach, Pfungſtadtz Seeheiw, Roßdorf
und Nieder=Modau verſteigert werden.
44 Jugenheim, den 14. Mai 1873.
Großherzogliches Forſtamt Jugenheim.
Dittmar.
4021)

Feilgebotenes.
3589) Ein großer Herren= Schreib=
tiſch
mit Aufſatz und Schubladenl, ſowie
mehrere Civildiener=Uniformsſtücke ſind billig
zu verkaufen. Wo? ſagt die Erp. d. Bl.
3828) Ein noch neues Real zu einer
Ladeneinrichtung zu verkaufen. Eliſab=Str. 5.
3801) Bauſand unentgeldlich.
Alexanderſtraße 9.

Buschenthals
Fleischextract.
höchſte Auszeichnung
Ausstellung Moskau1872,
Vorzüglicher billiggter Kleiſcherlract
Unterſuchungscontrole:
r-cnD
Haupt=Depot: H. Andreae, Frankf. a. M.
Chr. Reller & Co. in Heidelberg.
Engros=Lager bei Apoth. Dr. Tenner
in Darmſtadt.
Verkaufsſtelle bei: Franz Sch aoler,
Apoth. E. Calmberg, Darmſtadt, Apoth.
(4022
5. Mich elſtadt.

3965) Unterhalte fortwährend im Auf=
trag
einen Vorrath von großen 4ſchubladigen
Commoden, ſowie Pfeiler= Commo=
den
zu außergewöhnlich billigen Preiſen.
G. Beck, Rheinſtraße 28.

180)

Liebig Compauy's Feisch-Etraot
aus PRAT-BElTos (Cüd-Amerika).

Höchste Auszeichnung bei den Ausstellungen
Paris 1867- Havre 1868- Amsterdam 1869- Moscau 1872
Ivon 1872 - Paris 1872.
wenn jeder Lopf untenstehende Unterschritten trägt
und aut der Etiquette der Name J. v. LIEBlE in blauer
dur ächt,
Parbe aufgedruckt ist.

Cte C.

r.Ptatt.
xiaz
Engros Lager bei dem Correspondenten der Gesellschaft:
Herrn H. Herekz in Darmstadt:

Au haben in Darmstadt bei den Herren:
Emanuel Fuld, Kirchstrasse,
G. H. Huber a Söhne, Elisabethenstr.14,
Georg Liebig Sohn, Louisenstrasse,
Wüh. Manck, Ballonplatz 5.
Pitehher
Pudral
1)
Gatresesvnzdut HiAn
3990) 4 Morgen ewiger Klee, erſte
Schur, zuſammen oder getheilt zu verkaufen.
Schießhaus bei A. Gärter.
3991) Ein faſt neues Nollwägelchen
zu verkaufen Ballonplatz Nr. 2.
L. Fries, Schreinermeiſter.
1

G. P. Poth, Casinostrasse 12,
Jacob Röhrich Wiwe., Sandstrasse 10
E. Soriba, Apotheker, Kirchstrasse 25;
Wüh. Hensel in Bessungen.

E. Löflund's Malz-Uxtract
und Hinder-Nahrung
empfiehlt in Original=Verpackung
kr. Schasſer,
Ludwigsplatz Nr. 7.
4023)

2507)
Frauz Charkstophs
RESSUUATU EURAAUIN
in bekiannter Auaſilät empfiehſt
Schaoſer,
Vr.
Ludwigsplatz 7.
.

4012) Kiesſtraße
Kies zu verkaufen.

Nro. 15 iſt ſchöner

4024) Getragene Herrenkleider,
ſowie ein feiner Militärſäbel zu ver=
kaufen
. Arheilgerſtraße Nr. 27d.

4026) Wir machen hiermit die ergebene
Anzeige, daß ſämmtliche von uns geführten
Mineralwaſſer
in friſcher Füllung bei uns eingetroffen ſind.
o
Großh. Hof=Lieferanten.

3967) ¼ Liter und ¼⁄ Liter Bier=
gläſer
ſind angekommen!
Schoppen zu ¼ Liter geaicht verkaufe
zu Fabrikpreiſen.
E. Mraetzinger Sohn,
Ludwigsſtraße Nr. 11.

403) Selleie, Leoboien, alle Sorten C. H. Huber a; Söhne,
Gemüſepflanzen. gefüllte Grasblumen, buchene
Erbſenreiſer bei D. Miſchlich, Hochſtraße 8.
Wc viAop reintisthirtrtii. Arraarmmaa
Tuſſſteine 8 Kamnröhren
liefert zu billigen Preiſen die Holzhandlung
6 3825)
Goldſchmidt u. Hernsheim.
4027) Ein faſt neuer ſchwarzer Tuchrock 4029) Feine Waſche wird zum Waſchen
zu verkaufen. Hügelſtr. 21. 2 Stiegen hoch. übernommen. Näheres bei der Exp.
p
Zu verkaufen:
4028)
Vermiethungen.
Ein ganz neues eiſernes Hofthor, 8 Fuß
breit, eine ſehr gute Pumpe mit Pumpen= 2754) Beſſungen, Heerdwegſtraße 13,
ſtock von Holz, eine Kinderbettlade, welche iſt der mittlere Stock, beſtehend in 4 Zim=
auch
als Wiege gebraucht werden kann, ein, mern, Mitgebrauch von Waſchküche und
Bockichlitten. Näheres Magazinſtraße Nr. 4 Bleichplatz, zu vermiethen und bis zum
ſebener Erde.
15. Juni zu beziehen.

[ ][  ][ ]

Ao.

763

2756) Ludwigsplatz 2 zwei Stiegen hoch
2 Zimmer, Küche, Keller, an eine Dame
oder Herrn per 1. Juli zu vermiethen.
Nähere Auskunft K. Röſe, Schulſtr. I.
2758) Der 2. Stock mit oder ohne
Manſarde Bleichſtraße Nr. 5 iſt zu ver=
miethen
und bis 1. Juli zu beziehen.
3738) Bleichſtraße 5 iſt ein möblirtes
Zimmer zu vermiethen.
3806) Grafenſtraße Nr. 39
eine Wohnung, beſtehend aus 5 Zimmern,
Küche u. allen Bequemlichkeiten, per 15. Mai
zu vermiethen.
533885) In meinem neu erbauten Hauſe,
Ecke der Heidelberger= und Eſchollbrücker=
ſtraße
, gegenüber dem Octroihauſe, iſt die
1. Etage enthaltend 6 Zimmer ꝛc ꝛc und
die Dach=Etage alsbald zu beziehen.
Näheres Heinheimerſtraße Nr. 4 bei
Joh. Con. Mahr.
3970) Beſſ. Karlſtraße Nr. 3 iſt par=
terre
ein freundliches möblirtes Zimmer zu
vermiethen.
673996) Waldſtraße 23 ein Logis im
Vorderhaus zu vermiethen.

Wandtafeln über Ankunft und Abgang ſämmtlicher
Eiſenbahnzüge dahier im Sommerfahrtenplan 1873.
Preis: 3 kr.
J. G. Vittich'ſche Hofbuchdruckerel.

Finfluler Keuh= Belſchenundos Oieanlhoſr.
Die Dividende pro 1872 für die mit Gewinn=Antheil Verſicherten
beträgt
111

und kann bei den Unterzeichneten
erhoben werden.
Darmſtadt, den 14. Mai 1873.

oder den betreffenden) Agenten der Geſellſchaft
Die Hanpt=Agentur:
C. Hemmerde & Söhne.

4000) Ein zuverläſiger

0*
EEOr.

der im Schreiben und Rechnen geübt iſt und ſich über ſeine Qualification genügend
ausweiſen kann, wird für ein bedeutendes Fabrikgeſchäft geſucht. Ausgediente Militärs
mit guten Führungs=Atteſten erhalten den Vorzug. Franko Offerten mit genauer An=
gabe
der bisherigen Dienſtleiſtungen sub Chiffre F 7283 befördert die Annoncen=Expedition
von Rudalf Manse in Franlſurt a. M.

c (in ſachkundiger, gewiſſenhafter Mann
AE wird als Heizer zu einer Dampf=
maſchine
geſucht. Reflectanten wollen ſich
an die Maſchinenfabrik von Hleyer & Beck
hier wenden.

3982) Ein junger Mann, der eine
ſchöne Handſchrift ſchreibt und längere Zeit
auf einem Büreau, woſelbſt eine Spar=
und Leihkaſſe unter der Verwaltung ſteht,
gearbeitet hat und auch im Rechnungsweſen
bewandert iſt, ſucht auf einem Büreau,
einer Kaſſe, oder einer Verſicherungs= Geſell=
ſchaft
in oder außerhalb Darmſtadteine
Stelle. Gefl. Offerten sub C. V. 579. bef.
die Annoncen Expedition von G. L. Daube
(3032
&E Co. in Frankſurt a. H.

44016) Für unſere Herren= Garderobe=
u
. Verſicherungs=Geſchäft ſuchen wir einen
jungen Mann mit den nöthigen Schulkennt=
niſſen
in die Lehre.
J. G. Kahlert u. Söhne.
4031) Ein junger Mann ſucht ſeine
freien Abendſtunden durch Buchführung aus=
zufüllen
. Offerten möge man gefl. unter
Chiffre O. R. in der Exp. d. B. abgeben.

4032) Ein reinliches Mädchen empfiehlt
ſich im Waſchen und Putzen, Garten= und
Feldarbeit. Zu erfr. Heinheimerſtr. 9. 3rStock.

Vermiſchte Nachrichten.
Cedes t. Amt, jeder Geſchäftsmann,
Oh zahlloſe Private ſind heutzutage
kann und wann genöthigt, Anzeigen in den
jedesmaligem Zwecke entſprechenden Zeitungen
zu veröffentlichen. Zu ſolchen Fällen em=
pfiehlt
es ſich die Vermittlung der als ſolid
und discret bekannten Süddeutſchen
Annoncen=Cxpedition von L. Stöok-
hardt
(in Darmſtadt Vertreter: Herr
Jos. Waitz, Firma Würtz'ſche Buchhand=
lung
) in Anſpruch zu nehmen, welche bei
Original=Zeitungspreiſen keinerlei Speſen,
weder Porto noch Proviſion, in Anrechnung
bringt.

Der Arcier.
Von Levin Schücking.
1.
Es war um die Mittagsſtunde eines Herbſtages im Jahre
1763. Auf dem Platze vor dem Eingang zu der großen und
prächtigen, eben neuerbauten kaiſerlichen Reitſchule zu Wien, dicht
neben der Burg, ſchritt langſam eine eigenthümliche Geſtalt auf
und ab.
Es war noch ein junger Mann mit edlen, ja ſchönen Zügen,
einer ſtark gewölbten, mehr breiten als hohen Stirn, einer ge=
bogenen
Naſe, energiſch ausgebildetem Kinn, das Alles dunkel
gebräunt von Wind und Wetter. Starkes ſchwarzes Haar hing,
gegen alle Mode der Zeit, in loſen Locken wirr und wild auf
ſeine breiten Schultern herab, die mit einem abgetragenen und
geflickten Zwillichkittel bekleidet waren. Der alte breitrandige
Hut, die engen ungariſchen Beinkleider, die in alten zeriſſenen
Stiefeln endigten und ſich mit Recht ein wenig lichtſcheu darin
zu verkriechen ſchienen, ſtanden in beſter Harmonie zu der Klei=
dung
des Oberkörpers; aber auffallend war, daß in einem ſolchen
dürftigen und verkommenen Anzuge eine ſo hochgewachſene,
jugendlich kräftige und zur Arbeit tüchtige Geſtalt ſteckte.
Das Thor öffnete ſich von Zeit zu Zeit; es ließ Cavaliere,
die zu zweien oder dreien mit ihren Reittnechten, meiſt auf aus=
gezeichneten
Thieren, kamen, hinein; es ließ andere Gruppen

heraus. Der Fremde im Zwillichkittel und Slowakenhut ſah
mit einem Ausdruck von Sorge forſchend in die Züge der neu
Ankommenden, ſuchte auch wohl ihren Reitknechten einige Worte
abzugewinnen, ſprach einen oder den andern der Stallmeiſter
und Bereiter an, deren er beim Aus= und Eingehen habhaft
werden konnte; aber, wie es ſchien, immer vergebens, denn der
Unmuth, der auf ſeinem Geſicht ausgeprägt lag, kehrte nach jeder
ſolchen kurz abgebrochenen Converſation in erhöhtem Grade auf
ſeine Züge zurück.
Mittag war längſt vorüber, Neue Reiter, die ihre Pferde
in der Reitbahn tummeln wollten, kamen nicht mehr; die, welche
darin geweſen, zogen as; die Bahn war faſt leer geworden und
das Perſonal ſchickte ſich an, den Schauplatz ſeiner Thätigkeit zu
räumen; da tauchte unerwartet noch eine kleine, aber glänzende
Cavalcade auf dem Platze auf. Ein zierlich gebauter, freundlich
ausſehender alter Herr, deſſen Beinkleider ſofort den kaiſerlichen
General ankündigten, ritt auf einem ſchönen Pferde von ſpaniſcher
Zucht an der Spitze einer kleinen Gruppe von ein paar Adju=
tanten
und Reitknechten, deren Einer ein Reitpferd führte, herbei.
Die Thore der Reitbahn flogen weit vor ihm auf. Die Be=
reiter
und Stallmeiſter eilten herbei, ihn zu empfangen, und der
alte Herr grüßte mit einem Kopfnicken ſo herablaſſend vornehm,
wie ein König. Langſam, gemeſſenen Schritts ritt er ein und
warf ſich dann ſofort in die Bahn.

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M9
764
Er war ein vortrefflicher Reiter, der vornehme alte Herr. Der
dem kleinen Trupp in die Bahn begeben, und in dem Haufen der Seitenſätze, um ſeine Laſt fortzuſchleudern, er ſchien ſich darein
Baſtinbereiter Stallübergeher und Schulputzer die heran= zu ergeben, in des Mannes Hand und Gewalt zu ſein, der Be=
mit
der Sicherheit eines Uhrwerks. Endlich hielt die Excellenz= und ihm die Abſicht verriethen, es zu beſteigen; darum hatte er
inne, wandte ſich in die Mitte der Bahn und ließ das mitge= den kühnen Satz über die Croupe gemacht.
brachte Handpferd, einen Fuchs, der währenddeß ungeduldig den
bändigenden Naturells gegeben hatte, vorführen.
winkte, verſuche Er jetzt den Alezan da! Ich habe ihn geſtern und Mann; jenes ſchien namentlich nicht ganz über den paſſen=
all
Corpsl
hochbeinige Fuchs, als jener nach dem Mähnenhaar greifen wollte. die Geduld und Ruhe des Reiters, verbunden mit einer uner=
einen
ſolchen Seitenſatz machte, daß der Piqueur Mühe hatte, ſchütterlichen Feſtigkeit im Sitz, brachte es immer wieder zu einem
ihn zu halten, war der gewandte Reiter doch bald im Sattel. baldigen Friedensſchluß.
Der Piqueur ließ die Zügel los; das Pferd ſtiegzaugenblicklich
ſteilrecht in die Höhe, machte eine Lancade, bockte, und der ganz angenehm überraſcht dem Schauſpiel zu.
Bereiter flog weit ab in den Sand! Zehn Hände haſchten nach
den Zügeln des ausbrechenden Pferdes. Der Abgeworfene ſprang Ungeheuer in die Mitte der Bahn, dem General gegenüber,
er machte Miene, ſich wieder aufzuſchwingen.
Laß Er's nur gut ſein, rief ungnädig die Excellenz, laß Mannes.
Er's einen Andern verſuchen i
Ein Stallmeiſter war ſchon im Eifer, die Ehre der Bahn
ſanft und behutſam die Weichen, um ihn in Bewegung zu ſetzen ſchulen iſt; iſt mir ſehr lieb; da nehm' Erl
- die Bewegung läßt nicht auf ſich warten, nur iſt ſie leider
ſo furchtbar heftig und gewaltſam, daß eine Secunde ſpäter der der tief herabhängenden geflickten Weſte gefahren und hatte wie
Stallmeiſter alle Vier von ſich ſtreckend da lag, wo eben der eine Priſe daraus vier oder fünf nagelneue, funtelnde Kremnitzer
Bereiter lag.
Kreuzſchockſchwerenoth iu rief der Mann zornig aus, indem
er aufſprang und ſich die verrenkte Schulter rieb, da meint
man , man ſitzt auf einem Pulverfaß, das mit einem in die ſehen, ein armer Teufel, den die Noth und der Hunger zwingen,
Luft geht, und nicht auf einem Gaul!
zu einem der Stallmeiſter und ſagt mit beſcheidenem, faſt demüth=
igem
Tone:
Würden Sie mir nicht von dem Herrn Generalzdie Erlaub=
niß
erbitten, daß Pferd zu reiten ?u
Ihm Zu verſetzte der Angeredete verwundert, indem er den
Fremden vom Kopf bis zu den Füßen maß.
Ich würde ſchon damit fertig werden, antwortete der Letz=
tere
, laſſen Sie mich nur daraufſ-
Menſch zu rief er dem Stallmeiſter zu,
Nun, ſo laßt ihn, vielleicht gibt der hannakiſche Bauer der kaiſer=
lichen
Manége eine Lection.
gehalten, ſchon weggeworfen; er ſtrich jetzt das dunkle, dichte ger je 6 kr. und für ein Eichhörnchen 12 kr.
Haar aus der Stirn, und indem er ſich dem Pferde näherte,
ſeits, von den Zuſchauern weiter entfernt, führen. Dann ſuchte
er es durch Zureden und Streicheln zu beruhigen, und nachdem
dies gelungen ſchien, machte er einen Bogen, der ihn eine Strecke in unſre Gegend uͤberſiedelt worden. Die im vorigen Jahre auf den Feld=
weit
hinter das Pferd brachte, nahm einen kurzen Anlauf und berg verpflanzten Exemplare gedeihen vortrefflich.
ſich mit einem mächtigen Satze über des Pferdes Croupe in den verkauft worden.
Sattel.
verwundert aus.

Der Fuchs bäumte ſich ſofort, aber er ließ ſich von dem
Mann im Zwillichkittel konnte es bezeugen. Er hatte ſich mit Reiter beſchwichtigen; er ſcheute wenigſtens nicht und machte keine
gekommen, die Excellenz zu bewundern, wurde er geduldet, ohne ſitz von ihm genommen; vielleicht auch war er durch den früher
daß man ihm Beachtung ſchenkte. Der General ließ ſeinen Spa= geleiſteten Widerſtand ermüdet. Jedenfalls hatte der Fremde
nier mit der vollendetſten Reitergewandtheit die Schule durchmachen; richtig beobachtet; er hatte wahrgenommen, daß das Thier vor
das edle Thier changirte, machte Volten, traverſirte und arbeitete denen ſcheute, welche raſch und aufgeregt an ſeine Seite traten
Der Fuchs ließ ſich jetzt in die Bahn führen und ließ
Sand geſtampft, ſich gebäumt und alle Zeichen eines ſchwer zu ahnen, daß nicht jeder gute Keim zu Gehorſam und Zucht in
ihm erſtickt ſei. Wohl gab es von Zeit zu Zeit kleine Störun=
Chacun son tour,' ſagte er, indem er einem Bereiter gen in dem ſich anbahnenden guten Einvernehmen zwiſchen Roß
aus Ungarn bekommen! Mais, je vous le dis - il a le diable den Gebrauch ſeiner vier Beine mit ſich einig zu ſein und von
Zeit zu Zeit von der Idee befallen zu werden, die vorderen ſeien
Der Bereiter eilte dienſtfertig herbei, und obwohl der ſchlanke nur dazu da, mit ihnen in der Luft Entrechats zu ſchlagen; aber
Der General ſah mit Vergnügen, das Stallperſonal nicht
Der Fremde führte endlich das bezwungene, ſchweißbedeckte
auf und klopfte Flüche murmelnd den Staub von ſeiner Uniform; ſprang leicht aus dem Sattel und machte der Excellenz eine
ruhige Verbeugung, mit dem Anſtande eines wohlerzogenen
Der General winkte ihn heran.
Brav, brav ſagte er in ſeinem gebrochenen Deutſchi
zu vertreten, herangeſprungen; trotz der Unbändigkeit des Pferdes man ſollte meinen, Er ſei ein verkappter engliſcher Reiter, der
brachte er den Fuß in den Bügel und ſchwang ſich auf. Ein= ſich einen Spaß mit der kaiſerlichen Mansge machen will! Nun,
mal oben, ſaß er feſt wie angeklammert. Er drückte dem Fuchs jedenfalls hat Er gezeigt, daß der Fuchs zu bändigen und zu
Die Excellenz war mit der ſchmalen Hand in die Taſche
Dukaten herausgeholt, die er dem Fremden reichte.
Dieſer trat beſcheiden einen Schritt zurück.
Halten zu Gnaden, Excellenzu, ſagte er, nich bin, wie Sie
hier einen Herrendienſt als Bereiter, oder was es irgend ſein
Die Excellenz ſchilt und flucht jetzt deutſch und franzöſiſch mag, zu ſuchen. Aber ich bin kaiſerlicher Offizier, und Ew. Ex=
durcheinander
. Da tritt unſer Mann im Kittel und Slowakenhut cellenz werden mir deßhalb vergönnen, ein Trinkgeld abzulehnen.
Offizier ? Er iſt Offizier zu fragte der General über=
raſcht
aufhorchend. Wie iſt das möglich? Expliquez-vous i
(Fortſetzung folgt.)

Mittheilungen aus Stadt und Land.
Darmſtadt, den 16. Mai. In der vorberathenden Verſammlung,
welche wegen Errichtung eines Denkmals für J. v. Liebig im Hotel Köhler
ſtattfand, wurde ein Comite gebildet mit dem Auftrag ſich durch Cooptation.
Die Excellenz hatte ihn ins Auge gefaßt. Was will der zu verſtaͤrken, welches dann ſofort einen Aufruf an alle Freunde und Ver=
auf
den Fuchs ? ehrer des Verſtorbenen im In= und Auslande zu erlaſſen habe.
Der Thierſchutzverein in Offenbach hat Prämien ausgeſetzt
auf die Lieferung ſchädlicher Vögel ꝛc. wonach für folgende Feinde der
Singvögel bezahlt werden: für Kornweihe, Habicht, Elſter, Horndreher
Der Fremde hatte den großen Hut, den er in der Hand Geunlodter) e 12 kr., für Heher, Krahe, Rabe, Sperber und grauen Wür=
Die Veraußzerung der Großh. Domänen zu Salzhauſen GBade=
anſtalt
und Braunkohlenbergwerk, welches letztere ubrigens demnächſt abge=
ließ
er es von den zwei Reitknechten, die es hielten, mehr ab= baut wird) iſt von dem Finanzausſchuß abermals in Anregung gebracht
worden.
2 Eine der ſchönſten Alpenpflanzen, die Alvenroſe, iſt mit Erſolg
Das von Klipſtein'ſche Haus am Neckarthor iſt durch Vermitt=
mit
einer bewunderungswürdigen Turnergewandtheit ſchwang er lung von G. Gerſt für 60,000 fl. an Herrn Rentner Rau von Mainz.
Friedberg. Bei dem nahen Fauerbach legte Herr Bernhard Becker
von dort einen neuen Baſaltſteinbruch an. Durch die Nachgrabungen wurde
Alle Wetter, vie ſpringt der Kerliv rief die Epellenz nun der Krater eines erloſchenen Bullans blosgelegt, und bietet ge=
rade
jetzt den Beſuchenden einen imponirenden Anblic.
D. A.

Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.