Allergnaͤdigſt privilegirtes
Durmſtädter =rag-u. Anzeige.
136. Jahrgang.
Abonnementseyreis
2f. 48 kr. jährl. inck. Bringer
lohn. - Auswärtz werden von
allen Poſtämtern Beſtellungen
entgegengenommen zu 59 kr. pro
Quartal incl. Pofkaufiſchlag und
Beſellgehühr.
Inſerate
werden angenommen: in Darm=
Radtvonder Expedition.
Rhein=
ſtraße Nr. 23. in Beſſungen
von Friedrich Blößer,
Friedrich=
ſtraße Nr. J. ſowie auswärtz
von allen ſoliden Annoncen
Erbeditionen.
Amtliches Organ
für die Bekanntmachungen des Groſiherzoglichen Kreisamtes Darmſtadt.
42 O0.
Freitag den 9. Mai
R8T3.
3718)
B e k a n n t m a ch u n g.
Diejenigen, welche noch Communalſteuer aus vorigem Jahr an hieſige Stadtkaſſe
verſchulden, werden erſucht, dieſe binnen 8 Tagen bei Vermeidung von Wegnahme der
Pfänder reſp. Pfänder=Verſteigerung zu bezahlen.
Naumann.
Darmſtadt, den 4. Mai 1873.
„
Verſteigerungen.
Bekanntmachung.
Samſtag den 10. d. Mts., Vormittags
um 10 Uhr, ſollen die bei Pfläſterung
ver=
ſchiedener Straßen und Floßrinnen
vor=
kommenden Pflaſterarbeiten und Fuhren auf
hieſigem Rathhauſe an die
Wenigſinehmen=
den öffentlich verſteigert werden.
Darmſtadt, am 6. Mai 1873.
Tas Stadtbauamt Darmſtadt.
Hechler.
3790)
3792) Mittwoch den 14. d. Mts., des
Vormittags 10 Uhr, ſoll in der
Heinheimer=
ſtraße Nr. 36 ein einſpänniger Haudwagen/
gegen baare Zahlung öffentlich verſteigt werden.
Darmſtadt, den 4. Mai 1873.
Naumann.
3824) Holz=Verſteigerung
in der Oberförſterei Eberſtadt.
Die heute im Domanialwalde
Franken=
ſtein abgehaltene Holz=Verſteigerung iſt
ge=
nehmigt. Vom 14. l. Mts. an gibt Großh.
Rentamt Zwingenberg die Abfuhrſcheine aus.
Zuſammenkunft zur Ueberweiſung des Holzes
findet Donnerſtag den 15. l. Mts. Morgens
7 Uhr am Hüttenhäuschen ſtatt.
Eberſtadt, den 6. Mai 1873.
Großherzogliche Oberförſterei Eberſtadt.
Joſeph.
3765) Lacomohile von 2½
Pferde=
kraft, mit oder ohne Keſſel, zu verkaufen in
der C. L. Winter'ſchen Buchdruckerei.
30 Gchul=Tubfellien
noch in beſtem Zuſtande, werden billig
ab=
gegeben Penſion Schwarz, Ecke der
Mar=
tins= und Herdwegſtraße.
(3707
3726)
5Horgen eviger Hee
an der Roſenhöhe gelegenIſt in einzelnen
Stücken aufs Jahr loder ſchurenweiſe zu
verkaufen.
3285) C. M. Kühn, Pallaswieſenflr. 53.
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Alle Sorten Blech=, Meſſing= und
Schwarzblech=Waaren zu ſehr billigen
und herabgeſetzten Preiſen mit Firma.
Stück für Stück 10 kr.
Bernh. Leopold.
Bude in der Reihe, gegenüber der
Gewerbehalle.
[3767
Für Wirthe, Metzger und Private empfehle ich Tiſchmeſſer und Gabeln,
Tranſchir=, Schinken=, Speck= Schlacht= und Küchenmeſſer zu den
billig=
ſten Engros=Preiſen; alle Arten von Scheerenu Taſchenmeſſer in reicher Auswahl.
Bude am Schloßgraben, gegenüber den Schaubuden.
C. G. Woss, Meſſerſchmied.
Das Schwämme= 8 Bürſten=Lager
empfiehlt zum erſtenmal in ſehr großer Auswahl einem hohen Adel und geehrten
Publi=
kum Darmſtadfs alle Arten Bürſten zu billigſten Preiſen.
Firma: Hammel G Lorenz.
Bude neben Herrn Léon, Schloßreihe.
(3805
Feilgebotenes.
3589) Ein großer Herren=Schreib,
tifch mit Aufſatz und Schubladenf, ſowie
mehrere Civildiener=Uniformsſtücke ſind billig
zu verkaufen. Wo? ſagt die Exp. d. Bl.
3820
A väOs
Hiermit die ergebene Anzeige, daß ich heute mit einer großen Parthie
Offen=
bacher Portefeuillewaaren hier angekommen und dieſelben wie bekannt bedeutend
unter dem Fabrikpreis verkaufe. Wiederverkäufer bedeutenden Rabatt!
Bude gegenüber der Schloßwache.
3621) 2 neue polirte Nußholz=Kommode
mit 4 Schubladen, ſowie 2 neue Pfeiler=
Commoden habe in Auftrag billig zu
ver=
kaufen. G. Beck, Rheinſtraße 28.
3799) Ein Hand=Rollwagen zu
ver=
kaufen. Hügelſtraße 20.
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von den feinſten bis zu den ordinärſten
ſempfiehl Frau Chriſtoph Fuchs
aus Kleinſchmalkalden in Thüringen.
Auf der Meſſe hier in der Schloßreihe.
197
722
M90
G
„
BA
Tuffſteine S Kaminröhren
liefert zu billigen Preiſen die Holzhandlung
3825)
Goldſchmidt u. Hernsheim.
3826) Ein gebrauchtes Klavier iſt
wegen Mangel an Platz zu 60 fl. zu
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kaufen. Wilhelminenſtraße 35.
3827) Beſſunger Ludwigſtraße Nr. 59
iſt ausgezeichnet ſchöner Kies zu haben.
3828) Ein noch neues Real zu einer
Ladeneinrichtung zu verkaufen. Eliſab=Str.5.
k 3829) Ein ſchöner Bücherſchrank iſt
billig zu verkaufen. Schützenſtraße 10.
Vermiethungen.
2754) Beſſungen, Heerdwegſtraße 13,
iſt der mittlere Stock, beſtehend in 4
Zim=
mern, Mitgebrauch von Waſchküche und
Bleichplatz, zu vermiethen und bis zum
15. Juni zu beziehen.
2758) Der 2. Stock mit oder ohne
Manſarde Bleichſtraße Nr. 5 iſt zu
ver=
miethen und bis 1. Juli zu beziehen.
2756) Ludwigsplatz 2 zwei Stiegen hoch
2 Zimmer, Küche, Keller, an eine Dame
oder Herrn per 1. Juli zu vermiethen.
Nähere Auskunft K. Röſe, Schulſtr. 1.
3383) Ein möblirtes Zimmer für 1
oder 2 Herren iſt zu vermiethen.
Kiesſtraße Nr. 27 zweiter Stock.
3738) Bleichſtraße 5 iſt ein möblirtes
Zimmer zu vermiethen.
3806) Grafenſtraße Nr. 39
eine Wohnung, beſtehend aus 5 Zimmern,
Küche u, allen Bequemlichkeiten, per 15. Mai
zu vermiethen.
c (Ein möblirtes Zimmer zu vermiethen
C, Alexanderſtraße 5 Seitenbau.
3831) Land=Aufenthalt.
4 Zimmer, anch einzeln, ſind für di=
Sommer=Monate mit oder ohne Möbel zu
vermiethen und gleich zu beziehen.
Carlshof, den 4. Mai 1873.
Fried. Pet. Pitthan.
Vermiſchte Nachrichten.
Eine geübte Einlegerin findet
dauernde Condition.
Näheres bei der Expedition. 3745a
Schuhmacher=Geſellen
auf erſte Sorte Mannarbeit werden geſucht
bei Joſ. Schuhmacher Sohn,
Mainz.
3558)
8 Cedes t. Amt, jeder Geſchäftsmann,
O9 zahlloſe Private ſind heutzutage
kann und wann genöthigt, Anzeigen in den
jedesmaligem Zwecke entſprechenden Zeitungen
zu veröffentlichen. Zu ſolchen Füllen
em=
pfiehlt es ſich die Vermittlung der als ſolid
und discret bekannten Süddeutſchen
Annoncen=Expedition von E.
Stöok-
hardt (in Darmſtadt Vertreter: Herr
Jos. Waitz, Firma Würtz'ſche
Buchhand=
lung) in Anſpruch zu nehmen, welche bei
Original=Zeitungspreiſen keinerlei Speſen,
weder Porto noch Proviſion, in Anrechnung
bringt.
3750) Mehrere Weißbinder können
Beſchäftigung erhalten in Accord oder
Tag=
lohn bei G. Blümlein, Weißbindermſtr.
3530) Ein älteres Dienſtmädchen,
welches ſich allen häuslichen Arbeiten
unter=
zieht, die Haushaltung ſelbſtändig führen
kann, gute Zeugniſſe beſitzt, findet gegen
hohen Lohn ſofort Stelle bei
G. Stammler, Waldſtraße 17.
3580) 2 Lehilinge können unter günſtigen
Bedingungen eintreten.
L. Fries, Schreinermeiſter.
Spengler=Gehülfe
ſucht gegen hohen Lohn
Ph. J. Hoffmann,
Spenglermeiſter,
3686)
Schillerſtraße 48 in Mainz.
können unter ſehrgün=
2 Jungen ſigen Bedingungen
in die Lehre treten bei
Ph. J. Hoffmann,
Spenglermeiſter,
3687
Schillerſtraße 48 in Mainz.
x gegen guten Lohn ge=
S
Kutſcht: ſucht. — Auslunft bei
S.
Zimmermann, Kiesſtraße 28.
S (h ſuche eine vollſiändige Laden=
K U Einrichtung, die noch in einem
guten Zuſtande iſt
Jac. Etumpf, Obergaſſe.
1
3815) 2 Beamte ſuchen Mittagstiſchh
bei einer anſtändigen Familie. Gefl.
Offerten nimmt die Red. d. Bl. unter
A Nr. 22 W. &a. L. entaegen.
LE
m
4
ſFin Wellenpapagei iſt entflohen.
C Dem Wiederbringer eine Belohnung
Galdſtraße Nr. 35 Seitenbau.
Gruben=Entleerungs=Anſtalt.
Der Unterzeichnete empfiehlt obige
An=
ſtalt zur gefälligen Benutzung. Beſtellungen
nimmt entgegen
3832
Fr. P. Pitthan, zu Carlshof.
3822) Für Steindrucher.
Ein tüchtiger und gewandter
Stein-
drucker, welcher im Veberdruok
erfahren, und vorzüglich mit dem
Einnadoln der Farbeplatten gründlich
vertraut ist, wird sofort zu engagiren
gesucht. Stellung langenehm und auf
Dauer. Solide Bewerber wollen ihre
Offerten nebst Proben von grösseren
Farben-Veberdrucken portofrei
einsen-
den an das
Bibliograph. Instiut in Hldburghansen.
C49
EFin anſtändiges gebildetes Mädchen,
5
L das mit größeren Kindern
umzu=
gehen weiß und ſich im Hauſe beſchäftigen
kann, wird gegen hohen Lohn und gute
Behandlung nach Mainz geſucht.
Näheres Rheinſtraße Nro. 2 im erſten
Stock.
„2
c ſAine Schenkamme wird ge=
C
„
E= ſucht. Grafenſtraße Nr. 27
zweiter Stock.
3835) In ein Liqueurgeſchäft wird per
1. Juli c. ein gut empfohlener, mit der
Branche vertrauter junger Mann igeſucht.
Derſelbe hätte Reiſen und Comptoirarbeiten
zu beſorgen. Franco Offerten A. A. poste
restante Darmstadt.
3836) Es können einige Mädchen das
Weißnähen unentgeldlich erlernen bei
Liſette Vogt, wohnhaft bei Hrn.
Bäcker=
meiſter Röhrich, runde Thurmſtr.
3337) Ein Mädchen empfiehlt ſich im
Waſchen und Putzen; auch hat ſie des
Vor=
mittags noch einige Stunden frei für
Aus=
hülfe. Zu erfragen Kiesſtraße Nr. 25 im
Hinterbau eine Stiege hoch.
5 3838) Eine ruhige Beamtenfamilie von
3 Perſonen ſucht im unterſten Stadttheil
ein Logis von 3 Zimmern, Küche nebſt
Zu=
behör Parterre oder im erſten Stock zu
miethen, wo möglich bald zu beziehen.
In der Expedition das Nähere.
3839) Wenn auf den anonymen Brief
vom 6. 5. 73 Werth gelegt werden ſoll,
bittet man vorerſt um nähere Angabe, wer
die betreffende Perſon ſein könnte.
In dem Großherzoglichen Holzmagazen.
wird abgegeben:
per Raummeter.
buchen Scheidholz L. Claſſe 6 fl. 40 kr.
kiefern
4 fl. 40 kr.
Beſtelltage: Dienſtag, Freitag und
Samſtag, Vormittags von 8 bis 11 Uhr.
Der an den Ueberbringer für einen
Raum=
meter zu zahlende Fuhrlohn beträgt für
Darmſtadt und Beſſungen 18 kr.
Großherzogliches Renkamt Darmſtadt.
Hauſer.
N. 2o
723
Wandtafeln über Ankunft und Abgang ſämmtlicher
Eiſenbahnzüge dahier im Sommerfahrtenplan 1873.
Preis: 3 kr.
J. G. Witlich'ſche Hofbuchdruckerei.
3840) 2 Lehrlinge und 2 Geſellen können
eintreten in der Küferei von
A. Federlin, Mühlſtraße Nr. 3.
Großherzogliches Hoftheater.
2898)
H ä u ſ e r
in den beſten Lagen, mit und ohne Geſchäfte, ſowie Herrſchaftshäuſer mit ſchönen
Gartenanlagen, Bauplätze ſind durch den Unterzeichneten zu verkaufen.
M. Nenſtadt, Alexanderſtuaße 8.
Freitag, 9. Mai. 11. Vorſt. im 9. Abonn.:
Philipine Welſer. Hiſtor. Schauſpiel in 5 Acten
von O. v. Redwitz. Philipine, Fräulein Ethel,
vom Gr. Hoftheater in Weimar, als Gaſt.
Sonntag. 11. Mai. Abonnement suspendu.
Erſte Gaſtrolle der kön. Kammerſängerin Frau
Mallinger von Berlin: Lohengrin. Romantiſche
Oper in 3 Acten von R. Wagner. Elſa, Frau
Mallinger. - Anfang 6 Uhr. Erhöhte Preiſe.
Darmſtädter hiſtoriſche Kleinigkeiten.
Mitgetheilt von W.
Kleine Scenen aus dem kleinen Leben vor 50 Jahren.
Ich habe vor einiger Zeit dem Leſer ein allgemeines Bild
von unſerer Stadt wie ſie vor 50 Jahren geweſen iſt, zu geben
verſucht und dabei auch Einzelnes erzählt, welches zeigen konnte,
wie es damals darin hergegangen iſt. Ich will nun dem dort
Erzählten noch einiges Weitere beifügen, was das Bild von
Darmſtadt vor 50 Jahren vervollſtändigen hilft. Es ſind keine
hervorragende Ereigniſſe, ſondern kleine Scenen, wie ſie
tagtäg=
lich im Leben vorzukommen pflegen, die aber trotz ihrer
Unbe=
deutendheit an ſich Thun und Treiben einer beſtimmten Zeit ganz
gut kennzeichnen helfen; Erlebniſſe aus der Kinderzeit, die auf
das Gemüth eines Kindes einen Eindruck zu machen pflegen und
dann in der Erinnerung des Alters zuweilen auftauchen. Die
Perſonen, welche in ſolchen Scenen mitgeſpielt haben, treten dann
gern bei der Erinnerung in den Vordergrund, und werden darum
auch in meinen Mittheilungen auftreten müſſen.
I. Der Wüſtenſand im Südweſten und Weſten.
Im Anfange der 20ger Jahre war ein Theil unſerer
Neu=
ſtadt in der Hauptſache ſchon ſo wie es auch jetzt noch iſt, ein
anderer Theil aber namentlich der ſüdweſtliche der jetzt von dem
Wilhelminenplatz, der Hügelſtraße, Zimmerſtraße, Marienplatz ꝛc.
gebildet wird, war noch ganz anders als jetzo. Dieſer Theil
wurde damals als weitabliegend von dem Schloſſe betrachtet,
denn die nun eine nähere Verbindung herſtellenden Straßen, wie
die Ludwigſtraße ꝛc. waren noch nicht vorhanden. Wer dahin
gelangen wollte, mußte durch die Rheinſtraße ꝛc. gehen. Ein
näherer Weg dahin führte nur durch das „alte Palais;, (die
jetzigen Homberger=Gaydoul'ſchen Häuſer), in dem damals der
Miniſter v. Grolman wohnte. Da ging man durch den Hof
des Palais, dann zwiſchen Mauern hin, um zuletzt durch das
„kleine Thürchen” (zwiſchen dem Mainzer'ſchen und dem
Uebels=
häußer'ſchen Hauſe) in die „Bauſtraße: jetzige Eliſabethenſtraße
zu gelangen. Wenn man dann an die „Stadt Mainz,; damals
noch ein kleines zweiſtöckiges mit Garten verſehenes Haus,
ge=
langt war, dann konnte man, um in die mittlere Hügelſtraße, dem
Schauplatz meiner Knabenjahre, zu gelangen, entweder dem
„ Riedeſelsberg; hinauf ſteigen oder durch das „Baumagazin:
wandern. Der Weg auf den „Riedeſelsberg” war ein ſehr
mühſamer, denn Sand, ungeheurer Sand mußte durchwatet
werden, bis man auf die Höhe gelangte, wo an der Ecke am
Ende des Frey'ſchen Gartens einige Pappeln ſtanden, und wo
nach Oſten hin (wo jetzt die obere Hügelſtraße iſt, die Welt durch
des „Backofens Haus: verſchloſſen war. Nach Süden hin
im=
ponirte noch nicht die Steinmaſſe der katholiſchen Kirche, ſondern
Gärten und Gartenhänſer geleiteten nach der Höhlchesſtraße hin
auf den Beſſunger Weg. Der andere Weg in die Hügelſtraße
der durch das „Baumagazin;, war nur für dlejenigen Hügel=
ſträßer zugänglich, denen der Durchgang durch das Baumagazin
erlaubt war und die eine aus demſelben in ihre eigene Behauſung
führende Thüre hatten machen dürfen.
Die Hügelſtraße ſelbſt war nur an der Seite der Häuſer,
deren nur wenige noch da waren, zu begehen, denn der andere
Theil beſtand aus Sand und zwar tlefem Sande, der ſich auch
theilweiſe mit ſpärlichem Gras= und Brennneſſelgrün bewachſen,
nach dem Neckarthor und nach den „Planken” fortſetzte, welche
die Stadt auf der Weſtſeite von dem „Exercierplatze” trennten.
Auf dieſem ſetzte ſich der Wüſtenſand fort. Deſſen ungeachtet
bot er im Winter den kleinen Jungen - eine Eisbahn, wenn
das aus Bauſtraße und Waldſtraße durch die Planlen abfließende
Waſſer in dem gefrorenen Boden nicht mehr eindringen konnte.
Das war die von ängſtlichen Eltern für ihre Kleinen angenehmſte
Eisbahn, weil ein „Einbrechenu mit Naßwerden dort nicht
mög=
lich war.
Zur Kennzeichnung der damaligen Ortsbeſchaffenheit will
ich noch beifügen, daß auf der Weſtſeite des Prinz=Ludwigs=
Gar=
tens ein tiefer breiter Graben ſich befand, der ſtark mit
Un=
kräutern bewachſen, uns ebenſo einen ſchönen Spielplatz, wie
unſern Schäfchen einen Weideplatz bot.
2. Ein kleiner Straßenraub.
In dieſer urſprünglichen Zeit erſchien ein Gang von der
Hügelſtraße in die Stadt mir eine kleine Reiſe, und die Kinder,
welche die Schulen in der Stadt beſuchten, blieben darum, wenn
ihnen eine ſolche Gelegenheit gegeben war, zum Mittageſſen in
einem befreundeten Hauſe in der Stadt. Im Winter war aber,
namentlich wenn man erſt noch am Abende eine Schreibſtunde bei
dem „Lindheim' beſuchen mußte, das Herz der Mutter gar
un=
ruhig, bis das Kind glücklich zu Hauſe war.
An einem ſolchen und zwar recht ſtürmiſchen Wintertag
trat ich einmal meine Abendwanderung nach Hauſe an. Ich
ge=
langte glücklich durch das kleine Thürchen in die belebtere
Bau=
ſtraße, aber am Riedeſelsberg hörte das Leben auf; die Wüſte
ſtarrte mir da entgegen und ich war ſehr froh, als ein Mann
in einem Soldatenmantel mir bei meiner Bergwanderung durch
die Wüſte auf dem Fuße nachfolgte. Dieſer vermeintliche
Schutz=
geiſt erwies ſich aber als ein ſchlechter, denn kaum hatte ich die
Hügelſtraße betreten, da zog er mir meine neue ſchöne mit
Silber=
kordel beſetzte Kappe, die mir erſt das Chriſikindchen beſchert
hatte, vom Kopfe und lief damit fort. Natürlich kam ich heulend
nach Hauſe und klagte über das Attentat. Mein Vater, ein ſehr
entſchiedener Mann, ging augenblicklich mit mir nach der Artillerie=
Caſerne, weil ich ihm den Dieb als einen wahrſcheinlichen
Ar=
tilleriſten bezeichnet hatte. Der Caſernencommandant ließ ſogleich
das Caſernenthor ſchließen und ein jeder einpaſſirende Kanonier
wurde durchſucht. Und ſiehe da! Eben als es 9 Uhr trommelte,
kam der unglückliche Dieb mit meiner Kappe unter dem Mantel
an. Ich bekam meine ſchöne Kappe wieder und er einen ſehr
unſchönen ſcharfen Arreſt.
724
„o0
3. Ein Geſpenſtim„Baumagazinn.
Dieſer Straßenraub machte mich und meine Eliern ängftlich
über die einſame Reiſeroute und ich erhielt die Weiſung, künftig
durch das „Baumagazin” zu reiſen. Dieſes Baumagazin, welchts
den Naum zwiſchen der jetzigen Hallwachs'ſchen und Walther'ſchen
Behauſung einnahm, und in welches in der jetzigen Zimmerſtraße,
zwiſchen dem Reineck'ſchen und Rühl'ſchen Hauſe ein Thor führte,
war ein weiter=Raum, der öſtlich und nordöſtlich von den
ein=
flöckigen Wohnungen des Bauſecretärs und des Bauaufſehers und
glaube ich — des Brunneninſpectors, füdlich von mehreren
Bauſchuppen begrenzt war. Der mittlere Raum lag voll
Bau=
holz, welches da zurecht gezimmert wurde. Das war für ein
ängſtliches Kindesgemüth kein beſonders vertrauengewährender
Raum und die Phantaſie des Kindes konnte ſich mancherlei da
zu erblicken einbilden, zumal vor 50 Jahren, als der Glaube an
Geſpenſter noch viel mehr vorhanden war, als in unſerer
aufge=
klärten Zeit. In meinem elterlichen Hauſe erhielt zwar der
Aber=
glaube keine Nahrung, aber zuweilen tauchten doch einzelne
Er=
zählungen von Mägden in der Erinnerung der Kinder auf. An
einem Abend nun hatte ich in der Schreibſtunde eine Vorſchrift
nachzuſchreiben gehabt, worauf ſtand: Wenn du etwas ſiehſt, was
du dir nicht erklären kannſt, dann gehe kühn darauf los, und du
wirſt finden, daß es etwas ganz natürliches iſt” Dieſe gute
Lehre hatte mich an die Möglichkelt, etwas Sonderbares zu ſehen,
erinnert, aber ich beſchloß die Lehre mir dann vorzuſagen und ſie
zu befolgen. Ich trat mit dieſem feſten Vorſatz in das in Nacht
gehüllte, aber vom Monde beſchienene Baumagazin ein; die
Augen durchmaßen den weiten Raum und — ſiehe da, dort an
dem einen Holzſchuppen tauchte eine lange Figur auf, die eine
weiße in die Höhe ſtehende Zipfelmütze trug, und die die
kind=
liche Phantaſie ſchnell auch mit einem langen weiße Gewande
be=
kleidete. Die gute Vorſchrift ſagte ich mir, meinem Vorſatze
getreu, allerdings vor, aber zu befolgen vermochte ich nicht. So
ſchnell mich meine Beine trugen, ſtürzte ich nach der Thüre, die
in unſere Behauſung führte und ſtieß ſtammelnd die Worte aus:
„Vater, da draußen im Baumagazin iſt ein Geſpenſt! Und
da=
mit nahm mich mein Vater an der Hand, nachdem er zur
Vor=
ſicht den getreuen Azor von der Kette. losgemacht hatte und
wir betraten den geſpenſtigen Raum. Richtig war das Geſpenſt
bei unſerem Eintritte noch da. Als ich aber angſtvoll die Worte:
„Siehſt Du dort, Vater zu herausgeſtoßen hatte, rief das
Ge=
ſpenſt mit lauter Stimme: „Ei guten Abend, Herr Nachbar,
wollt Ihr noch einmal ausgehen?u Das Geſpenſt war der
Bau=
aufſeher, der zwiſchen dem Holzwerk ſeine Ronde machte, um ſich
zu vergewiſſern, ob ſich nicht etwa ein Dieb eingeſchlichen hatte.
Und künftig freute ich mich immer, wenn ich bei dem Eintritte
in das Baumagazin dieſes ſchützende Geſpenſt erſchaute.
4. Die Exercierfeldwebel.
Die geſtiegene Volksbildung heutiger Zeit läßt ſich an einer
großen Menge von Zeichen erkennen und als ein ſolches darf
unbedingt die größere Anſtelligkeit der heutigen Reeruten gelten,
wenn denſelben auch für die raſchere Einübung eine ungleich
beſſere Methode zu Hülfe kommt. Dem Recruten=Exercieren
zu=
zuſehen, war vor 50 Jahren ein Hauptvergnügen der Darmſtädter
Buben in der Ferienzeit. Da zogen ſie mit ihrem Stücke
Butter=
brod in der Taſche unter dem Trommelſchalle mit hinaus auf
den „Cxert= und trieben ſich den ganzen Morgen in den Recruten=
Abtheilungen herum, die von einigen alten Feldwebeln, Männern
die ſich ihrer Würde in hohem Grade bewußt waren, inſtruirt
wurden. Die meiſten jugendlichen Zuſchauer hatte der alte
Feld=
webel R-v, weil er immer die ſchönſten Anſprachen an die
Recruten hielt, mochten dieſelben ein Lob, oder einen Tadel, oder
eine theoretiſche Belehrung enthalten. Einige dieſer Anſprachen
ſind mir in der Erinnerung geblieben, weil ſie ſehr oft
wieder=
holt worden waren. Eine theoretiſche Anſprache lautete (ſtets in
Hochdeutſch): „Nun, Kerls, gebt Acht, was ich Euch ſage. Bei
dem Commando„Achtung; wird gar nichts gedacht. Wenn ich
aber commandire: „Marſchlu dann wird bei 1 das linke Bein
hinausgeworfen, daß es aus dem Leibe herausfährt, bei 2 wird
dann das rechte Bein dem linken kräftig nachgeſchmiſſen. Wenn
es heißt: „Augen links oder Augen rechts1' dann müßt ihr das
kräftig thun, man muß dann jedesmal einen Krach hören.”
Nun=
gebt Acht „Achtung!” und ſo ging es weiter. Stellten ſich die
„Kerle” ſchlecht an, dann folgte die beliebte Anſprache: „Na
guckt mal an, ihr Rindviecher, ihr ſeid mir ſchöne , Candendaten”
und dann folgten knallende Ohrfeigen, daß ein heutiges
Buben=
gemülh ſich darüber entſetzen würde.
Eine große Beluſtigung gewährte das Exereitium der „
Garde=
reiter, weil dieſe die Handgriffe nach einem uralten Exercier=
Reglement machten, wobei ſie für jede Veränderung in Folge der
vielen vorgeſchriebenen Zwiſchengriffe vielleicht ¼ Minute brauchten.
Das Gardereiter=Exercitium einer noch früheren Zeit wurde oft.
von den Cltern geſchildert, weil dies noch viel unterhaltender
war. Bei dieſem mußten die Gardereiter, da ſie ja eigentlich ein
berittenes Corps vorſtellten, die Reitbewegungen nachmachen ſie
mußten im Schritt gehen, traben und galoppiren. Von einem
ſchalkhaften Trompeter derſelben wurde erzählt, daß er
einmal bei einer ſolchen Uebung auf einmal aus der Linie ſprang
und einige Purzelbäume ſchlug. Als ihn der alte General
Schorokoffski darüber hart anging, entſchuldigte er ſich damit,
„daß ſich ſein Gaul überſchlagen hätte.” Aus dieſer alten Zeit
ſtammt auch das Gardereiterlied zu der Melodie des
Parade=
marſches, deſſen Worte lauteten;
„Ziehn wir in Krieg, ziehn wir ins Feld,
Kriegen wir Brod oder Geld,
Heu oder Stroh, Heu oder Stroh,
Alleweil ſein die Gardereiter dol
Do, do, do 1½½ „
Mittheilnugen ans Stadt und Lauv.
Darmſtadt, 9. Mai. Heute und Morgen findet auf dem
Exercier=
platz große Inſpection der hieſigen Garniſon durch General v. Boſe ſtatt.
Nach den Mittheilungen der ſtatiſtiſchen Centralſtelle befanden ſich
unter 1000 Einwohnern des Großherzogthums im Jahre
1861.
1864.
1867.
87]₈
624,I.
6163. 6093.
594,2. ledige Perſonen.
Die Zahl der Ehen weiſt alſo eine fortwährende Zunahme auf, die jedoch
mehr auf der Erleichterung des Abſchluſſes der Ehen als auf erleichterter
Ernährung einer Familie beruht.
Die hieſigen induſtriellen Etabliſſements werden durch eine große
Dampſpumpenfabrik vermehrt, zu deren Betrieb Herr A. Loſſen
von der Michelbacher Hütte die Conceſſion erhalten hat und welche vor
dem Rheinthor errichtet werden ſoll.
- Bei den geſtiegenen Preiſen aller Lebensbedürfniſſe haben die
Hospitalbeiträge, die 2 fl. per Dienſiboten und 12 kr. monatlich.
per Lehrling betragen, eine Erhöhung nicht erfahren. Die Folge war, daß, wie
wir vernehmen, die Hospitalrechnung pro 1872 mit einem Deficit von
5000 fl. abſchließt, das nach letztem Gemeinderathsbeſchluß aus den
dis=
poniblen Mitteln der Pfandhauskaſſe gedeckt werden ſoll.
— Verkauft wurde das Frhr. Armand v. Schweitzer'ſche Haus in
der Frankfurterſtraße an Hrn. Bankbuchhalter Henigſt um 27,000 fl.
- Am Dienſtag Abend entwickelte ſich in der Marktſtraße ein hefliger
Streit zwiſchen 2 Männern, der mit beiderſeitigem Meſſerziehen und vielen
Stichwunden endete.
In Bickenbach und Jugenheim wird die Verbindung beider Orte
durch eine Pferdebahn in ernſtliche Erwägung gezogen und ſcheint Ausſicht
auf eine baldige Inangriffnahme dieſes ſchon lange ventilirten Projectes
vorhanden zu ſein.
Am Dienſtag früh befand ſich der Stationsdiener Schäfer auf
der Roſenhöhe in Lebensgefahr, indem er in den Zug gerieth und wurde
er nur durch die Geiſtesgegenwart des Stationsverwulters gerettet. Er
ſoll indeß nicht unbedeutend verletzt ſein.
Mit dem Ende des gegenwaͤrtigen Semeſters wird eine allgemeine
Reviſion der im öffentlichen Gebrauch befindlichen Maße und Gewichte
im Großherzogthum ſtattfinden, um den für das Reich beſtehenden
Vor=
ſchriften gemäß alle ältere Maße ꝛc. aus dem Verkehr zu entfernen. Diesmal
werden die im Geſetze gegen Contraventionen angedrohten Strafen zur
Anwendung kommen.
Der „Gießener Anzeiger' bezeichnet die von ihm gebrachte Nachricht
der Verhaftung der Frau Schimpff als irrig, da dieſelbe ſich noch auf
freiem Fuß befinde.
Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchbruckerei.