Darmstädter Tagblatt 1873


21. Februar 1873

[  ][ ]

Allergnädigſt privilegirtes

armſtädter Frag-u. Anzeige-Blatt.

136. Jahrgang.

Abonnementspreis
2fl. 48 kr. jährl. inc. Bringer=
lohn
. - Auswärtz werden von
allen Poſtämtern Beſtellungen
entgegengenommen zu 59 kr. Pro
Quartal incl. Poſtaufſchlag und
Beſtellgebühr.

Inſerate
werden angenommen: in Darm=
ſtadtvon
der Expedition. Rhein=
ſtraße
Nr. 23. in Beſſungen
von Friedrich Büßer, Friedrich=
ſtraße
Nr. 7. ſowie auswärtz
von allen ſoliden Annoncen=
Exbeditionen.

Amtliches Organ
für die Bekanntmachungen des Großherzoglichen Kreisamtes Darmſtadt.

42 3T.

Freitag den 21. Februa=

1873.

im

Verſteigerungen.
Arbeits=Verſteigerung.
Montag den 24. d. Mts., des Vormit=
tags
um 10 Uhr, wird die Planirarbeit,
auf der ſtädtiſchen Pallaswieſe, veranſchlagt
zu 810 fl, an die Wenigſtnehmenden auf
Ort und Stelle öffentlich vergeben.
Darmſtadt, am 17. Februar 1873.
Der Großherzogliche Wieſen=Commiſſär:
1282)
L. Erb.
1310) Bekanntmachung
Die Anfuhr von ca. 24000 Ctr. Stein=
kohlen
für den Kohlen=Verein Merkur=
dahier
ſoll in Submiſſion vergeben werden.
Die Angebote müſſen die Zahl der Fuhr=
werke
und der Pferde enthalten und ſind
bis längſtens Mittwoch den 26. d. M.
bei dem Secretär des Vereins, Hrn. Gaſt=
wirth
Graß, abzugeben, woſelbſt auch die
näheren Bedingungen zu erfahren ſind.
Darmſtadt, den 18 Februar 1873.
Der Vorſtand
der Steinkohlen=Geſellſchaft-Merkurv.
1325)
Große
Oelgemälde=Verſteigerung
wegen Abreiſe Mittwoch den 26. Februar
im Schlößchen zu Gräfenhauſen,
ſowie engliſche und franzöſiſche Betten,
Niederrheiniſche Teppiche,
1 gutes Pianino,
Engliſche und Franzöſiſche Uhren und
ſonſtiges Hausgeräthe.
Ebendaſelbſt ſind im Schloß ſchöne Zim=
mer
zu vermiethen.

als

Feilgebotenes.
5
r=
11albengélée
wieder eingetroffen bei
Rheinſtraße
9
G. L. Lriegk, neben der Poſt.
1112) Bei Bäckermeiſter W. Hindel in
Beſſungen iſt tannen und buchen Scheidholz
um einen näßigen Preis zu verkaufen.
1312) Eine Wiege iſt billig zu ver=
kaufen
. Hügelſtraße 16 Hinterbau.

Wein-Handlung
(en gros & en detail)

von

G. H. Huber ap Höhne in Darmſtadt,
Hof Lieferanten Seiner Königl. Hoheit des Großherzogs von Heſſen und bei Rhein
empfiehlt ihr reichhaltiges Lager in
n &6 Allslänälschen Weinen,
als:
deutsche Weiss. -E Roth-Weine, deutsche Sehaum-Weine;
Spanische, italienische &am; ungarische Weine.
BORUEAUx.
Aechte Champagner (von den beſten Häuſern).
946)
Cx-RTAIT

180)

ebig Compauys Heisch-Urtract
aus PRAT-BEnLos Cud-Amerika).

Höchste Auszeichnung bei den Ausstellungen
Paris 1867- Havre 1868- Amsterdam 1869- Moscau 1872
Iyon 1872 - Paris 1872.
wenn jeder Topf untenstehende Unterochritten trägt
und aut der Etiquette der Name J. v. IIEblſ in blauer
hur ächt,
- Parbe aufgedruckt ist.

C.C.C.,

AWaaz.
Engros Lager bei dem Correspondenten der Gesellschatt:
Herrn H. Herelz in Darmstadt,

Zu haben in Darmstadt bei den Herren:
Emanuel Fuld, Kirchstrasse,
C. H. Huber &a Söhne, Elisabethenstr.14,
Georg Liebig Sohn, Louisenstrasse,
Wilh. Hanck, Ballonplatz 5.

Gl. P. Roth, obere Hügelstrasse,
Jacob Röhrich Wiwe, Sandstrasse 10
E. Seriba, Apotheker, Kirchstrasse 25
Wüh. Hensel in Bessungen.

1290) Hobelſpähne zu verkaufen.
Carlsſtraße Nr. 20.

1326)
Ruhrkohlen.
Groblornig Fettſchrot per Ctr. 54kr
Stückkohlen
fl. 1.14 kr.
frei in's Haus geliefert, empfiehlt
Leopold Reinhard,
Nieder=Ramſtädterſtraße Nro. 8.

Mauerſtein=Lieferungen
in größeren und kleineren Parthien aus
unſeren Brüchen in Mümling=Grumbach
übernehmen
Darmſtadt, im Februar 1873.
Ga. W. Schneider K Schultz,
Sandſtraße 42.
1327)
70

[ ][  ][ ]

K8I.

254
Taſelmandeln,
rosinen,
reigen,
Muscat=Datteln,
Rathar.-Pflaumen,
Haselnüsse,
1½½
Hessina-Orangen,
Gryst. Früchte ſos u. in Schachteln,
Fondant- & Chocolade vessert
(in allen Sorten)
empfehlen C. H. Huber u. Söhne,
Großh. Hof=Lieferanten.
942)
51328) Hofmehl feinſtes, friſche Eier
und ſelbſt gemahlenen Hafer empfiehlt
J. Kiſſel, untere Schützenſtraße.
Friſcher
1329)
Rheinsalmen & Cabliau
eingetroffen bei
Jacob Röhrich,
Hof=Lieferant.
C.
Vermiethungen.
639) Karlsſtraße'8 iſt im 3ten Stock
rechts ein möblirtes Zimmer bis Anfang
März zu vermiethen.
717) Ein möblirtes Zimmer zu ver=
miethen
. Caſinoſtraße 15 dritter Stock.
944) Ein ſchönes möblirtes Zimmer zu
vermiethen. Ludwigsplatz Nr. 4.
1271) Rheinſtraße Nr. 16 im 3. Stock
eine Wohnung von 3 Zimmern nach der
Straße, Küche, Magdkammer ꝛc., ſowie
eine Manſarde von 2 Zimmern nebſt Küche
ſogleich zu beziehen.
Vermiſchte Nachrichtka.
1257) Zwei anſtändige Herren können
Schlafſtelle bekommen bei
A. Boos, Holzſtraße.

5 (Es wird auf ſogleich eine Köchin
C= geſucht, welche ſelbſtändig kochen
5.
kann und auch Hausarbeit übernimmt.
Promenade 27 zweiter Stock.
550) Einen Lehrling ſucht gegen Lohn,
die Handelsgärtnerei von K. Arheilger.

1330)

Gartenbau=Verein.
Diejenigen Mitglieder, welche ihre Samenliſte eingereicht haben, können
die beſtellten Samen nun bei Hrn. Handelsgärtner H. Noack in Beſſungen
in Empfang nehmen. Die bis zum 1. März nicht abgeholten Samen werden
den betreffenden Herren auf ihre Koſten zugeſchickt.
Darmſtadt, den 20. Februar 1873.
Der Vorſtand.
Achſenſchmiede
geſucht.
Tüchtige Achſenſchmiede finden bei hohem Stücklohn ſofort dauernde Beſchäftigung.
5. Dick u. Kirſchten in Offenbach a. M.

RALL.

des

Bürger=Vereins zu Beſſungen
Samſtag den 22. Februar Abends 8 Uhr,
im Saale des Herrn Gaſtwirth Guntrum.
Fremdenkarten ſind bei Herren Kaufmann Lind, Ludwigsſtraße Nr. 1, und
Kaufmann Greinerth, Karlsſtraße und Abends an der Kaſſe zu einem Gulden zu
haben. Masken haben Zutritt.
Der Vorſtand.

B Sedes t. Amt, jeder Geſchäftsmann,
2. ahzahlloſe Private ſind heutzutage
kann und wann genöthigt, Anzeigen in den
jedesmaligem Zwecke entſprechenden Zeitungen
zu veröffentlichen. Zu ſolchen Fällen em=
pfiehlt
es ſich die Vermittlung der als ſolid
und discret bekannten Süddeutſchen
Annoncen=Expedition von L. Stöck-
hardt
(in Darmſtadt Vertreter: Herr
Jos. Waitz, Firma Würtz'ſche Buchhand=
lung
) in Anſpruch zu nehmen, welche bei
Original=Zeitungspreiſen keinerlei Speſen,
weder Porto noch Proviſion, in Anrechnung
bringt.

1331) Eine anſtändige kinderloſe Frau,
welche perfekt kocht, nimmt Aushülfe an.
Schloßgartenſtraße Nr. 21.

1332) Am Mittwoch Nachmittag wurde
vom Ludwigsplatz durch die Ludwigſtraße,
den Markt bis in die Promenade eine ver=
goldete
Taſchenuhr an ſchwarzem Jett=
Ktettchen mit Medaillon verloren. Der
Finder wird gebeten, dieſelbe gegen eine
gute Belohnung auf der Exp. d. Bl.
abzugeben.

1336) 3Freunden u. Belannten die raurige
Nachricht, daß unſer einziges Söhnchen
Ludwig heute Mittag ½3 Uhr ſanft dem Herrn
entſchlafen iſt und bitten wir um ſtille Theil=
nahme
. - Darmſtadt, 20. Februar 1873.
Peter Klöß und Familie.
Die Beerdigung findet Samſtag Nach=
mittag
3 Uhr ſtatt.

1279) Schreiner finden dauernde
Beſchäftigung bei Ed. Mühnst,
Pianofortefabr.

Ein goldnes Armband
1333) (Halskette)
wurde bei der Feier des Cäcilienfeſtes in
den Geſellſchaftsräumen der Vereinigten
Geſellſchaft verloren. Der Finder wird ge=
beten
, es Woogsplatz Nr. 3 abzugeben.
1334)
Metzelſuppe
ſmit humoriſtiſcher Unterhaltung von F. f.)
Samſtag den 22. Februar, wozu freund=
lichſt
einladet
Beſſungen. Chriſtiau Fey,
Weinbergſtraße.

3.
8SDT Amerikauische Bonds.
Nachverzeichnete Bonds ſind gekündigt und per 1. Juni a. c. rückzahlbar:
II. Serie Stück Dollar 50. Nr. 10776- 27798.
II. Serie Stück Dollar 50. Nr. 1-12876.
100. 25936 - 66646.
100. 1-41030.
500. 16180- 4373.
500. 1-20744.
1000. 27444-7259.

1000. 1-52273.
Dieſelben werden jetzt ſchon gegen Baar oder im Tüuſch gegen andere Effecten
zu dem höchſten Courſe von mir angenommen.
Herdiuand
Wolſskehl

Darmſtadt, Rheinſtraße 14.

Frankfurt a. M., Steinweg 9.

[ ][  ][ ]

Ein Lebensbild

R37.

(Schluß.)
Ich ſchlief in der Nacht wie ein Todter, war ich doch vier=
zehn
Meilen gegangen, und doch verließ mich das Bewußtſein
meiner That keinen einzigen Augenblick. Es hat mich ſeitdem
nie verlaſſen; wenn ich erwache, alle Morgen wälzt es ſich mir
wie eine blutige Wolke vor die Augen, es liegt mitten in der
Nacht eine Bleilaſt auf meiner Bruſt. Anfangs trieb's mich
vorwärts, raſtlos vorwärts, immer weiter nach Elbing hin.
Eine Meile vor der Stadt war damals, wo jetzt die
Bahnlinie gezogen wird, noch tiefer Wald. Ich hatte mich dort
unter einen Baum geworfen und den Torniſter von meinen müden
Schultern geſtreift. Ich dachte nichts. Vor meinen Augen ſtand
der ſtille kleine See, in den der Körper fo hineinklatſchte, ich ſah
und hörte das alles immer wieder. - Da füllt mein Auge mit
einemmal auf den Torniſter. Es wird mir grün und blau, ich
meine der Tag des Gerichts kommt ſchon. Der Torniſter war
nicht mein eigen und gehörte dem Todten. Ich mach ihn auf!
Oben auf lagen die Bankſcheine in ein Papier gewickelt, dann
kamen Sachen und Hemden von mir, die der Krauſe da hinein=
gepackt
hatte, und dann die Sachen des Ermordeten, die kleinen
Schuhe für ſein armes Kind und Spielkram für daſſelbe.
Und wenn ich mir die verwirkte Seligkeit hätte erringen
können, ich hätte den Torniſter nicht mehr auf meine Schultern
gebracht. Das Geld ſieckte ich zu mir, ich dachte, es gehört
eigentlich ſeinem Kinde. Meine Wäſche wickelte ich in ein Tuch
und den Torniſter verſteckte ich unter Laub in einem Buſch, und
in der nächſten Nacht ging ich mit einem Spaten hin und ver=
grub
ihn ſo tief wie möglich. Später hätt ich ihn gern gehabt,
s war mir immer zu Muthe, als müßte ich Frieden haben, wenn
ich die Sachen wiederſähe, die dem Ermordeten gehört. Wie oft
ich aber auch ſuchte und nachſah, ich konnte im Walde die Stelle
nicht mehr finden, und dann wurde der Wald gelichtet und die
ganze Gegend veränderte ſich; da dachte ich: meine Augen würden
die Sachen nicht mehr ſehen bis zum Tage des jüngſten Gerichts.
Meine Herren Richter, von allen guten Vorſätzen, die ich
faßte, iſt keiner gelungen. Ich wollte das Kind des Ermordeten
erziehen, ich wollte der armen Wittwe - denn wie Krauſen's
Wittwe kam die Helene mir immer vor - unterſtützen. Sie
wollte nichts von mir wiſſen, ſie brauchte mich nicht; ſelbſt das
Geld, das ich ihr heimlich zuſteckte, brauchte ſie nicht, ſondern
legte es nur weg, wie ſie ſagte, für einen Nothfall. Gott möge
ſich meiner erbarmen! Ich bin ein elender Sünder und das
ge=
Leben iſt mir eine ſchreckliche Laſt, denn Gott will meine Buße
nicht. Meine Gebete geben mir keinen Frieden, meine guten Vor=
ſätze
kommen nicht zur Ausführung. Von dem Gelde, das dem
Ermordeten gehörte, bin ich Bürger und Meiſter geworden. Des
h) Teufels Segen lag darauf, es hat ſich verzehnfacht, ſeit ich es
nd= beſitze, ich bin ein reicher Mann, aber ich habe keine frohe Stunde
gehabt, keine ruhige Nacht, nicht einen einzigen glücklichen Augen=
blick
ſeit meiner Miſſethat. Ich hätte mich längſt den Gerichten
9) angegeben, aber ich fürchtete den Tod ſo ſehr, den Tod und dann
das Gericht, und doch kann die Hölle nicht ſchlimmer ſein, als
das Leben, das ich führe.
Der Mitwiſſer meines Verbrechens hat ſein Sündengeld
bald wieder verſchwendet. Er blieb nur wenige Jahre in Amerika
5.
und ſchrieb mir dann einmal und forderte Geld von mir und
drohte mich anzugeben, wenn ichs nicht ſchickte. Ich that's auch
was wollte ich machen? - ich ſchickte ihm Geld nach Rom
wo er war, wohin er's gewollt hatte. Nach einiger Zeit ſchrieb
er wieder aus einer andern italieniſchen Stadt; auch dahin ſchickte
ich ihm Geld. Bui ihm war das Geld wie Waſſer, das einen
Berg herunter läuft, bei mir wie ſolches, das ſich in einem tiefen
Becken ſammelt. Ich wurde reicher und reicher, obwohl ich
zll, immer gab; er blieb ein Bettler, wie viel er auch empfing. Seit
längerer Zeit weiß ich nichts mehr von ihm, doch ſah ich zu
meinem Schreck die alte Korallenſchnur, die er mitgenommen, um
den Hals der Frau Lene. Ach, ich hätte ſie unter Tauſenden
erkannt. Von da ab wußte ich, daß meine Zeit abge=
laufen
ſei.

255
Mein Teſtament habe ich ſchon ſeit Jahren gemacht und
habe darin den Sohn des Ermordeten zu meinem Erben einge=
ſetzt
, mein Verbrechen geſtanden und die Nachgebliebenen des
Ermordeten um Vergebung angefleht Das, meine Herren Richter,
iſt alles, was ich zu ſagen weiß, und es iſt in allen Stücken die
reine Wahrheit. Ich fürchte zwar den Tod, doch hoffe ich auch
auf ihn. Denn ſeit ich meine Laſt nicht mehr heimlich trage,
iſt mir zu Muth, als ob Gott ſich meiner erbarmt hätte. Er
ſchwieg, große Schweißtropfen ſtanden auf der blaſſen Stirn des
Unglücklichen.
Seine Erzählung, obgleich das Verbrechen des Todtſchlages
und Raubes enthüllend, hatte doch in hohem Grade die Theil=
nahme
aller Anweſenden. ja das Mitleid der Richter erweckt.
Sie trug ſichtlich den Stempel der Wahrheit, denn wie leicht
wäre es ihm geweſen, die That auf den Abweſenden zu wälzen.
Zudem ſprach das ganze Leben des Mannes für ſeine Reue. Das
Urtheil der Richter lautete auf fünfzehnjährige Zuchthausſtrafe.
Stump hörte es ſchweigend an, anſcheinend faſt theilnahmlos.
Man führte ihn in's Gefängniß ab, das er nicht mehr
verließ, denn wenige Stunden nach ſeiner Ankunft in demſelben
fand der eintretende Schließer ihn regungslos auf ſeinem Lager.
Ein herbeigerufener Arzt erklärte den Zuſtand für Starrkramp,
und als er ſich davon erholte, war er ſo krauk, daß er das Bett
nicht mehr verlaſſen konnte
Auf die Bitte des Superintendenten, eines hochehrenwerthen
Geiſtlichen, der täglich wenigſtens eine Stunde in ſeinem Kerker
zubrachte, beſuchte die greiſe Amme den Mörder ihres Karls, ihr
wackerer Sohn begleitete ſie. Stump war zum Skelett abgezehrt
als aber der Baumeiſter ihm mit freundlichen Worten und mildem
Herzen, und Helene unter tauſend Thränen ihre Verzeihung zu=
ſicherten
, da leuchtete ein Strahl von Freude, der erſte wohl ſeit
vielen Jahren, auf im Geſicht des unglücklichen Verbrechers. Es
blieb auch der letzte. Karl erzählte ihm noch auf ſeine dringende
Frage den Tod ſeines Mitſchuldigen und die Art, wie er zu dem
Halsbandt gekommen. Als er am folgenden Abend ihn wieder
beſuchen wollte, war er vor einer Stunde verſchieden, und obgleich
man ihn ſtill, ohne Sang und Klang hinaustrug auf den ſtillen
Friedhof, ſo folgte doch der Sohn der Amme dem Sarge des
armen Verbrechers und betete an ſeinem Grabe von ganzen
Herzen: Vergieb uns unſere Schuld, wie wir vergeben unſern
Schuldigern.
Das Erbe des Bäckers war kleiner als er ſelbſt es wohl
geglaubt hatte. Die Prozeßkoſten hatten es bedeutend geſchmälert,
den ihm zufallenden Reſt zahlte Karl als Erſatz für die ihm ge=
wordene
Unterſtützung an die Creventsſtiftung.
Was nun noch zur Ergänzung dieſer lleinen Geſchichte gehört,
daß nämlich der junge Baumeiſter nach einiger Zeit das liebliche
Klärchen heirathete, und die Amme alſo durch ihren vielgeliebten
Sohn mit der ehrenwerthen Herrſchaft verſchwägert wurde, daß
ſie Enkelchen auf ihrem Schooß wiegte, die ſie eben ſo liebte und
pflegte, als den Sohn, denen ſie dieſelben ſchönen Märchen erzählte,
wie einſt den Milchbrüdern, - das alles malt ſich die Phantaſie
des geneigten Leſers wohl am beſten aus. Die geſammelten
Nothgroſchen hat ſie nicht angreifen dürfen, und da ſie durchaus
zu ihren Kindern ziehen mußte, die ſehr oft ihres Raths und
ihrer Beihülfe bedürfen, ſo bat ſie natürlich ihren Viktualienhandel
aufgegeben. Sie hat ihren Keller, ihre Vorräthe und alles mit
einander gegen eine Entſchädigung an die eine Tochter von Mosjeh
Jaques Coeur abgetreten, die an einen der jüngeren Lohndiener
der Stadt verheirathet iſt und in dem Keller ihrer Frau Muhme
recht gute Geſchäfte macht. Die Frau Räthin Weidner hat jetzt
alſo Urenkel, die die Enkel der Amme ſind, und die beiden Frauen
ſitzen ſehr oft zuſammen, ſtricken und nähen für den jungen Nach=
wuchs
und erzählen ſich von vergangenen Tagen. Auf dem St.
Annen=Kirchhof befindet ſich ein ſchönes Poſtament von ſchleſiſchem
Sandſtein in einem niedlichen Blumengärtchen, und auf dem
Würfel ſteht mit goldenen Buchſtaben: Dem Andenken meines
wackern Vaters, des Zimmergeſellen Karl Krauſe, von ſeinem Sohn.
Das Geld dazu hat Helene gegeben, ihre früheren Noth=
groſchen
. Die Zeichnurg aber und die ganze Anordnung iſt ein
gelungenes Werk vom Sohn der Amme.

[ ][  ]

256

R 37.

Die innere Einrichtung des Saalbaues in Darmſtadt.
Es naht die Zeit, in welcher der Saalbau, deſſen äußere Umriſſe
ſchon ſeit mehreren Wochen vollendet daſtehen, ſich als eine auch im Innern
beendete Schöpfung darſtellen wird. Von vielen Seiten wird dem ſchönen
Unternehmen ein aufrichtiges Intereſſe gewidmet und durch täglich ein=
gehende
neue Actienzeichnungen bethätigt*; ſo dürfte es wohl an der Zeit
ſein, dem größeren Publicum einige Aufklärungen über die Beſchaffenheit
der inneren Einrichtung des Saalbaues zu geben, dieß um ſo mehr, als
namentlich die Größenverhältniſſe unlängſt mehrfach Gegenſtand von Be=
ſprechungen
geweſen und nicht immer richtige Angaben hierüber verbreitet
worden ſind. Nachſtehende Mittheilungen, welche auf Grund genauer
Meſſungen und der Specialpläne verfaßt ſind, können durchaus auf Zu=
verläſſigkeit
Anſpruch machen.
Die Hauptfagade des Saalbaues ſteht bekanntlich der Riedeſelſtraße
zugekehrt und wird architektoniſch am reichſten verziert, doch werden auch
die beiden Seitenfronten, nach dem Garten und der Magazinſtraße ge=
richtet
, in ihrer Vollendung einen ſehr gefälligen Anblick darbieten. Im
Souterrain, an der Magazinſtraße gelegen, wird ein großes Reſtaurations=
local
ein Saal mit Reſtaurationszimmer, Küche und Keller ꝛc.
eingerichtet werden. Hier ſoll eine beſtändige Bier= und Weinwirthſchaft
ſtattfinden, welche einem tüchtigen Wirth in Pacht gegeben werden wird;
das Mobiliar ſtellt die Geſellſchaft ſelbſt. Von der Riedeſelſtraße gelangt
man durch den Haupteingang zunächſt in einen Vorſaal, welchem rechts
und links Veſtibüles zur Seite liegen, man tritt ſodann in den Hauptſaal,
welcher faſt noch einmal ſo lang wie breit, auf beiden Seiten unten mit
Eſtraden, oben mit Gallerien verſehen iſt und auf der Südfront in einem
großen Podium ſeinen Abſchluß findet. Oeſtlich an den Hauptſaal ſtößt
der kleine oder der Gartenſaal, durch deſſen 7 große Bogenfenſter man
eine freundliche Ausſicht in den Garten mit ſeinen engliſchen Anlagen und
ſchönen alten Bäumen genießen und aus welchem man unmittelbar auf
die längs der ganzen Gartenfront anzulegenden Teraſſe gelungen wird.
Auch dieſer kleine Saal hat Gallerien und zwar die eine nach Süden, die
andere nach Norden gelegen auf beiden Seiten ſtößt er an ein Neben=
zimmer
, wovon eins zum Büffet beſtimmt iſt. Auf der gegenüberliegenden
Seite nach der Magazinſtraße befinden ſich im erſten Stock eine Herren=
garderobe
, eine Damengarderobe und ein großer Damen=Salon, reſp. Ge=
ſellſchaftszimmer
, ſowie zwei Cabinette. Dieß ſind in Kürze beſchrieben die
Räumlichkeiten des erſten Stockwerks. Im zweiten Stocke haben wir wieder
einen nach der Riedeſelſtraße gelegenen Vorſaal mit zwei Vorzimmern;
daran ſchließen ſich nach der Magazinſtraße ein Garderobezimmer und
zwei Reſtaurationsſäle, ſowie die Wohnung des Hausmeiſters. An die
ſüdliche Gallerie des Gartenſaales ſtößt dann noch das Sitzungszimmer des
Vorſtandes. Endlich haben wir noch zu bemerken, daß die für das Ball=
orcheſter
beſtimmte Muſik=Gallerie des großen Saales unmittelbar an den
Vorſaal des zweiten Stocks ſtößt, ſowie daß das zur Aufnahme von großen
Concertorcheſtern und Geſangvereinen einzurichtende Podium jener Gallerie
gegenüberliegt, und daß hier auch der Raum zur Aufſtellung einer Orgel
vorgeſehen iſt. *) Soweit wir uns ein Urtheil über dieſe Localbeſtim=
mungen
und Raumeintheilungen erlauben dürfen glauben wir beſtimmt
ausſprechen zu können, daß die innere Einrichtung des Saalbaues das
Prädicat praktiſch; verdienen und gewiß allen billigen Erwartungen ent=
ſprechen
wird.

Erſter Stock. Großer Saal:
Innerer Raum
Rechte Eſtrade
Linke
Erſte Logenreihe
Linke
Podium
Gallerie über dem Podium
Muſik=Gallerie
Summe
Der große Saal der Vereinigten Geſell=
ſchaft
hat (mit ſeinen Gallerien) einen Inhalt
von ca. 5000 Fuß, folglich iſt der Flächen=
raum
des Hauptſaals des SCaalbaues faſt
noch einmal ſo groß als jener.
Der Raum von 99392 ⬜Fuß kann
nun aber bei beſonderen Gelegenheiten noch
vergrößert werden:
a) um den Vorſaal im 1. Stock mit 54
b)
2. 54

Maßverhaͤltniſſe:
Preite.
Länge. Inhalt. heſſ. Fuß. heſſ. Fuß. ⬜Fuß. 92 54 4968 59 12 708 59 12 708 59 12 708 59 12 708 41 292 11972 480 38. 12 462

99392

1
31

1674
1674

Summe
Dieſer Raum dürfte bei größeren Feſten,
Verſammlungen ꝛc. wohl für alle Bedürfniſſe
ausreichen.

132812

1) Wie wir hören haben allein die Zeichnungen der letzten 3 bis 4
Wochen die Höhe von 52,000 fl. überſchritten.
44) In dem Saalbau zu Frankfurt a. M. ſoll im Laufe dieſes Jahres
mit der Auſſtellung einer Orgel vorgegangen werden. Dieſelbe gehört dem
größten dortigen Geſangverein, dem Cäcilien=Verein= und wird von einem
berühmten ſchweriner Orgelbaumeiſter geliefert.

Länge. Breite. Inhalt. heſſ. Fuß. heſſ. Fuß. (Fuß. 2. Kleiner oder Gartenſaal: Innerer Raum 71 40 2840 Güdliche Gallerie 40 18 720 Nördliche 40 18 720 Südliches Vorzimmer 4 8 720 Nördliches
Zumme 40 18 720
5720 3. Speiſe= und Garderobezimmer: Damen=Salon 425 34 1445 Damen=Garderobe 34 28 952 Herren=Garderobe 32 25 235 7579 Zweiter Stock.
4. Geſellſchafts= und Speiſeſäle: Saal auf der Oſtſeite 425 338 1436 Hieran ſtoßendes Zimmer 338 285 963 Garderobezimmer 33 24 792 Saal nach der Riedeſelſtraße 54 31 1674 Weſtliches Nebenzimmer 42 24 1008 Oeſtliches 24 24 576 5. Sitzungszimmer des Vorſtandes
6. Wohnung des Hausmeiſters 40 24 960
1027 Souterrain. 7. Reſtaurationsſaal 56 33 1848 3 Reſtaurationszimmer 33 315 10395 Soviel von der inneren Einrichtung. In Betreff des Gartens haben

wir zu bemerken, daß der Plan zu den neuen Gartenanlagen von einem
unſerer tüchtigſten Handelsgärtner entworfen wurde und ſofort bei Eintritt
der günſtigen Witterung die erforderlichen Arbeiten vorgenommen werden
ſollen.
An die ſüdliche Mauer wird ſich ein Muſik=Pavillon lehnen, zu deſſen
praktiſcher und geſchmackvoller Herſtellung eine gar nicht unbedeutende
Summe von 3000 fl. beſtimmt iſt.
Das Saalbau=Unternehmen kann ſich Glück wünſchen, daß die bisher
zu ſeiner Ausführung gethanenen Schritte im Ganzen und Großen trotz
mancher Hinderniſſe vom beſten Erfolg begleitet waren. Unterſtützt von
dem gnädigen Wohlwollen des Großherzoglichen Hauſes*) und getragen
von der Sympathie aller Einſichtigen wird die Leitung des Werkes auch
erner bemüht ſein, die Intereſſen deſſelben nach allen Richtungen zu ver=
treten
, um baldmöglichſt die Eröffnung eines Inſtituts verwirklicht zu ſehen,
welches als Eentralpunkt für wiſſenſchaftliche, künſtleriſche und geſellige
Zwecke unſerer Reſidenz zur Zierde gereichen ſoll.
L.

*) Von Sr. Königl. Hoheit dem Großherzog, ſowie von den anderen
Mitgliedern des Großherzoglichen Hauſes iſt dem Saalbau=Unternehmen
die Summe von 5000 fl. zum Geſchenk gemacht worden.

Mittheilungen ans Stadt und Land.
Darmſtadt, 21. Februar. Nachfolgende Anſorderungen ſind von
Seiten des Miniſteriums in Ausſicht genommen:
Erhöhung der Dotation der Hofbibliothek 4000 fl.; Herſtellung von
eiſernen Thüren auf derſelben 1800 fl.; für Erhöhung der Gehalte der
Profeſſoren zu Gießen 4000 fl.; für einen neuen Flügelanbau an dem
hieſigen Gymnaſium 54000 fl. Es ſeien ferner noch nicht näher fixirte
Forderungen zu erwarten für ein drittes Schullehrerſeminar, für Erbauung
eines Zellengefängniſſes, für ein Gebäude für die Kunſtſammlungen, ſowie
füͤr ein Polytechnikum. Seitens des Miniſteriums der Juſtiz ſeien 20,000 fl.
füͤr Erhöhung der Schreibgebühren und 10100 fl. für Reparaturen am
Juſtizpalaſt in Mainz in Anſatz gebracht. Desgleichen ſei die Beſchaffung
eines Gebäudes für das Landgericht Darmſtudt in'3 Auge gefaßt. Für
den Wiederaufbau des Hoftheaters würden etwa 450,000 fl. er=
forderlich
ſein.
In Folge eines Artikels in der Wiener Neuen Freien Preſſe',
in welchem Darmſtadt gegen ungerechtfertigte Angriffe ſehr warm vertheidigt
wurde und der auch in unſerem Blatte Aufnahme fand, fühlte ſich eine
Anzahl hieſiger Bürger veranlaßt, dem Verfaſſer, Herrn Miniſterialrath
Ritter von Hamm in Wien, einem gebornen Darmſtädter, ſchriftlich ihren
Dank auszufprechen und iſt nun hierauf von dem Genannten ein Schreiben
eingelaufen, welches von den Intereſſenten auf unſerem Comptoir eingeſehen
werden kann.
Bei der am 15. bis 18. d. Mts. ſtattgehabten Ziehung der 25 fl.
Looſe wurden ſolgende Treffer gezogen: Nr. 29507 15,000 fl., Nr. 20454
4000 fl. Nr. 28.936 2000 fl., Nr. 71,1,0 1000 fl., Nr. 74781 u. 91618
400 fl., Nr. 12.452 u. 38.975 200 fl., Nr. 35,864 u. 77891 100 fl.
Gießen 19. Februar. Geſtern ging eine Gemeinderathsdeputation
von hier ab nach Berlin, um dort wegen der Richtung der Bahnlinie Berlin=
Wetzlar Borſtellungen zu machen reſp. dahin zu wirken daß dieſe Bahn
nicht an Gießen vorbeigeführt werde.
Gießen 19. Februar. Heute Nacht um 11 Uhr wurde auf dem
Seltersweg am Thor des Küchler'ſchen Hauſes, die Leiche des Taglöhners
Karl Heiland von hier, gefunden, mit zwei Stichwunden in der Bruſt.
Heute Vormittag hat die Polizei ſeſtgeſtellt, daß ſein Kamerad, der oft be=
ſtrafte
Heinrich Euler von hier, denſelben erſtochen, nachdem ſie ſich über
Holzmacherlohn disputirt hatten. Der Thäter ſitzt. Er ſoll geſtändig ſein

Redacticn und Verlag. L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.