Darmstädter Tagblatt 1873


10. Januar 1873

[  ][ ]

Allergnädigſt privilegirtes

*
Oi keyLatzt alah-A. =hdhe=-Aatt.

136. Jahrgang.

Wbonnenentaprei=
2fl. 18 kr. jährl. inck. Bringer
lohn. - Uuswärtz verden von
allen Poſtämtern Beſtellungen
entgegengenommen zu 55 kr. pro
Quartal incl. Poſtaufſchlag und

Beſtellgebühr.

Tſg bl atl.

Iuſerate
verden angenommen:in Darm=
ſtadt
von der Expedition, Rhein-
ſtraße
Nr. 23, in Beſſungen
von Friedrich Blößer, Friedrich=
ſtraße
Nr. 7. ſowie auswärt
von allen ſoliden Annoncen=
Expeditionen.

RT.

Amtſiches Organ
für die Bekanntmachungen des Großherzoglichen Kreisamtes Darmſtadt.
Freitag den 10. Januar

1873.

B e k a n n t m a ch u n g.
Wir bringen hierdurch zur öffentlichen Kenntniß, daß Geſuche um Unterſtützung aus der Staatsunterſtützungskaſſe fortan nicht
mehr bei Großherzoglichem Miniſterium des Innern, ſondern bei den Großherzoglichen Kreisämtern einzureichen ſind.
Darmſtadt, den 6. Januar 1873.
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
Dr. Goldmann.

Feilgebotenes.
6In allen Buchhandlungen iſt zu haben:
Haushaltungs=Kalender.
Ausgabe=Buch
für
alle Tage des Jahres,
mit folgenden Rubriken: Ochſenfleiſch
Anderes Fleiſch - Brod
Weck
Kuchen ꝛc. - Butter Milch Eier
Gemüſe, Grünes ꝛc. Obſt Salz,
Gewürze - Eſſig, Oel Mehl, Reis-
Zucker, Kaffee - Lichter, Brennöl - Garn,
Wolle ꝛc. Beſondere Ausgaben.
Dieſer Haushaltungskalender iſt ſo bequem
eingerichtet, daß bei ſeinem Gebrauch jede
andere Buchführung für die Hausfrau un=
nöthig
wird. gr. 8. geheftet. Preis 18 kr.
Der Ertrag iſt für die Knaben=Arbeits=
Anſtalt in Darmſtadt.
G. Jonghaus'ſche Hofbuchhandlung,
Verlag in Darmſtadt.
(16
Direct importirte
Babana-Cigarren
in reicher Auswahl vorrälhig bei
C. H. Huber & Söhne,
177)
Großh. Hof=Lieferanten.
5
2 Mei Moſes Simon in Arheilgen ſind
G neue Pferde=Kummte zu billi=
gem
Pieis zu verkaufen.

Jiqueure- ; OpirltuosenHandlung
179
von
C. M.Huber esöhme in Darmstadt,
Hof=Lieſeranten Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs von Heſſen u. bei Rhein,
empfiehlt:

Chartreuse, grlu ≈ gelb.
Benedietine,
Elixir de Spa,
Tannhäuser,
Neynand & Fockings
Guraçao, Anisette, Mocca & Cherry
brandy in Krügen und Flaschen,
Aechte ftanzbsische liqueure ≈ Cremes
aus diversen Pabriken, als:
Anisette, Curaçao, Vanille, Rose
Mocca, Bau Cor, Menthe, Noyeaux,
Chocolade, Persicot, Citrone,
Marasauin ſin 6 verschiedenen Grössen),
J. A. Eilka's Kümmel,
I. Underberg's Bonecamp of Maagbitter,
J. Drouven's Wahrer Jacob.

f. C. Vernbards
Anis, Calmus, Kümmel. u. Pfeffer-
münz
-Liqueure
Curagao, Vanille, Anisette, Menthe
Rose,
Wachholder, Kümmel, Enrian H;
Heisterwurz in Krügen,
Galzburgerbitter.
Apenkränterbitter in ½. u. ¼ Flaschen.
Arac,
Rum,
Gin cordial ≈ old tom,
Généver Holland,
Whisky Highland, Irish & Seotch
Cognae v. Geo Sayer in Cognac,
Kirschwasser, Franzbranntwein.

Allash, Alkennes, Cassis de Dijon, Bouquet de Martinique
Maraschino di Zara von ſirolamo Fuxardo in lara.
Alle Sorten
Funsch-Essonze von Selner, Frank, Schröter, Kaufmann ete. ete.

2898)

H ä u f e r
in den beſten Lagen, mit und ohne Geſchäfte, ſowie Herrſchaftshäuſer mit ſchönen
Gartenanlagen, Bauplätze ſind durch den Unterzeichneten zu verkauſen.

10

⁄₈ Alexanderſtr. 8.

[ ][  ][ ]

Rr.
36
180)
Hehie Conpups Helsch-Mehrues
aus FRAT-BEITos Cud-Amerika).
Höchste Auszeichnung bei den Ausstellungen
Paris 1867- Havre 1868 - Amsterdam 1869- Hoscau 1872
Ivon 1872.
wenn jeder Topf untenstehende Unterschritten trägt
und aut der Etiquette der Name J. v. IEBlE in blauer
ur ächt.
Parbe aufgedruckt ist.


Fine geſchickte Weißzeugnäherin, be=
R C=ſonders in Herren=u. Damenhemden,
ſempfiehlt ſich Promenadeſtraße 6, 3r Stock.

.ee

H
MärArdam.

Engros Lager bei dem Correspondenten der Gesellschaft:
Herrn E. Herchz in Darmstadt.
Zu haben in Darmstadt bei den Herren: C. H. Huher &a Söhne, Elisabethen=
strasse
14, Wilh. Manck, Ballonplatz 5, C. P. Poth vorm. J. F. Henigst,
Casinostrasse 12, Jacob Röhrich Wiwe, Sandstrasse 10, E. Seriba, Apotheker,
Kirchstrasse 25; in Bessungen: Wih. Hensel.

45
Vermiethungen.
166) C-- Promenadeſtraße Nr. 28 iſt
der 2. Stock, beſtehend aus 5 Zimmern u.
Zubehör, zu vermiethen und im April zu
beziehen. Näheres parterre daſelbſt.
181) Beſſungen. Hofgartenſtraße 9
iſt ein Logis zu vermiethen. Beyer.

Vermiſchte Nachrichten.

Geſucht
183)
wird für den 1. März von einer ruhigen
Familie eine Wohnung von 4-5 Zim=
mern
in ſchöner Lage der Stadt. Schrift=
liche
Offerten unter Nr. 183 beſorgt die
Expedition d. Bl.
148)
4


5 Oedes t. Amt, jeder Geſchäftsmann,
2
Oh zahlloſe Private ſind hentzutage
dann und wann genöthigt, Anzeigen in den
jedesmaligem Zwecke entſprechenden Zeitungen
zu veröffentlichen. Zu ſolchen Fällen em=
pfiehlt
es ſich die Vermittlung der als ſolid
und discret bekannten Süddeutſchen
Annoncen=Expedition von E. Stöok-
hardt
i(in Darmſtadt Vertreter: Herr
Jos. Waitz. Firma Würtz'ſche Buchhand=
lung
) in Anſpruch zu nehmen, welche bei
Original=Zeitungspreiſen keinerlei Speſen,
weder Porto noch Proviſion, in Anrechnung
bringt.
185) Lehrling=Geſuch.
Auf dem Comptoir eines hieſigen Aſſe=
kuranz
= und Engros=Geſchäfts findet ein
junger Mann mit guter Schulbildung Stelle.
Kleines Salair wird ſchon für den Anfang
vergütet. Näheres bei der Exp. d. Bl.

BLTür den Betrieb eines Fabrikgeſchäfts
2 wird ein Haus mit 10-15 Räum=
lichkeiten
zu miethen geſucht. Schriftl. Offerten
unter Nr. 186 an die Exp. d. Bl.

In der Hauptwerkſtätte der Reichs=Eiſenbahnen von Elſaß=Lothringen zu
(inegeübte Einlegerin (unltirerin) Montigny bei Metz finden tüchtige Maſchinenſchloſſer, Keſſel ſchmiede
31 wird gegen guten Lohn zum ſo=
ſund
Metalldreher dauernde Beſchäftigung bei hohem Verdienſt.
fortigen Eintritt geſucht. Näheres in der Exp.
Nähere Auskunft ertheilt auf Wunſch der Unterzeichnete.
Montiguy bei Metz, den 2. Januar 1873.
(ein Mädchen aus anſtändiger Fa=
Der Kaiſerliche Eiſenbahn=Maſchinenmeiſter.
8 C milie wünſcht als Ladenmädchen
Volkmar.

placirt zu werden. Näheres Nieder= Ram=
ſtädter
Straße 15 parterre.
136)
Verloren.
Am Sonntag Abend wurde durch die
Neckar= u. Caſinoſtraße ein brauner Baſchlik
mit gelber Seide geſtickt verloren. Der
redliche Finder wird gebeten; denſelben
Friedrichſtr. 19 gegen Belohnung abzugeben.
149) Dienſtmagd geſucht.
Bei einer kinderloſen Herrſchaft kann eine
gut empfohlene Magd zum 16. Februar
d. J. eintreten. Nieder=Ramſtädter Straße
Nr. 38 eine Treppe.
153) Es werden 2 gebrauchte Miſt=
beetfenſter
zu kaufen geſucht.
Sandſtraße Nr. 30.
171)
Verloren
ein ſchwarztuchener, mit Goldlitzen beſetzter/
Baſchlik. Abzugeben gegen gute Be=
lohnung
Waldſtraße 55 Parterre.
182) Montag den 6. Abends wurden
2 gehäkelte grüne Streifen in einem Arbeits=
körbchen
verloren. Dem Finder eine Belohnung.

47)

G

Geſangverein Liederkäfel--
Sonntag den 12. Januar 1873 Nachmittags 4 Uhr
e n e xal=Be r ſ a m m l u n g
im hinteren Locale bei Bierbrauer Heß.
Der Vorſtand.

170)
Spamische Couwoms
werden von heute an eingelöſt.
Verdinand Sander,
Louiſenplatz. Eck der Rheinſtraße.

Zur erfolgreichen Verbreitung von Anzeigen
i n Oberheſſ en
namentlich unter der wohlhabenden Bevölerung der Wetterau, kann das in Fried=
berg
wöchentlich dreimal erſcheinende Blatt
OO
CS
10
'berheſſſcher Anzeiger
empfohlen werden, da es das verbreitetſte, am meiſten geleſene Blatt in Oberheſſen,
vornämlich aber in der Wetteraui.
Die große Verbreitung dieſes Blattes ſichert den durch daſſelbe veröffentlichten
Anzeigen einen erwünſchten Erfolg. Die Inſeratgebühren ſind billig, nur 3 kr. für die
kleine Zeile. Bei größeren Aufträgen entſprechender Rabatt.
Friedberg.
187)
Die Expedition des Oberheſſiſchen Anzeigers.

[ ][  ][ ]

M 7.

37

Wandkalender für Wi3
2 kr, aufgezogen 6 kr. (mit Angabe der iſrael. Feiertage) ſiud zu haben in der
9758)
I. C. Wittich'ſchen- Hoſbuchdruckerei.

Annoneen

in sämmtliche Blätter des In-
und Auslandes werden prompt
und zu Originalpreisen beför-
dert
durch die officielle Leitungs-
Agentur von

D. Frenz in Maiuz,
grosse Emmeransstrasse 18.

188) Verlox e n
von der Caſinoſtraße durch die Promenade=
ſtraße
über den Mathildenplatz nach dem
Militär=Caſino eine goldne Uhrkette
ohne Schlüſſel. Dem Wiederbringer eine
Belohnung. Caſinoſtraße 27.

189)
Verloren!
Ein ſchwarz u. roth gehäkelter Kragen
wurde am 8. d. Mts. verloren. Dem red=
lichen
Finder eine angemeſſene Belohnung.
Karl Knaub, obere Schützenſtraße.

In dem Großherzoglichen Holzmagazin
per Raummeter
wird abgegeben:
buchen Scheidholz I. Claſſe 6 fl. 40 kr.
4 fl. 40 kr.
kiefern
Der an den Ueberbringer für einen Raum=
meter
zu zahlende Fuhrlohn beträgt für
Darmſtadt und Beſſungen 18 kr.
Beſtelltage: Dienſtag, Freitag und
Samſtag, Vormittags von 8 bis 11 Uhr.
Großherzogliches Renkamt Darmſtadt.

Hauſer.

Großherzogliches Hoftheater.
Freitag 10. Jan. 11. Vorſt. im 5. Abonn.:
Der Goldbauer. Volksſchauſpiel in 5 Atten von
Charlotte Birch=Pfeiffer.
Sonntag 12. Jan. 12. Vorſt. im 5. Ab.:
Guſtav, oder: Der Maskenball. Große Oper in
5 Akten: Muſik von Auber. Mit großem Ballet=
Divertiſſement. Anfang 6 Uhr. Sonntagspreiſe.
Großh. Muſenm und Bildergalerie im Schloß,
geöffnet Sonntag von 11-1 Uhr, Dienſtag. Mitt=
woch
, Donnerſtag und Freitag von 11-12 Uhr.

Großh. Hofbibliother im Schloß, geöffnet tag=
lich
von 9-12 Uhr Vormittags und laußer Samſtag)
von 2-4 Uhr Nachmittags.
Sparkaſſe. Zahltage Montag. Dienſtag. Donner=
ſtag
, Freitag von 9-12 Uhr Vormittags. Jeden
Dienſtag von 2- 4Uhr Nachmittags werden die Spar=
kaſſebüchelchen
gegen die Interimsſcheine ausgegeben.
Darmſtädter Vollsbauk, eingetragene Ge=
noſſenſchaft
, verbunden mit Spar=Kaſſe.
Geſchäftsſtunden täglich Morgens von 9-12 Uhr,
Nachmittags von 3-6 Uhr. Kaſſeſchluß um 5 Uhr
Nachmittags. Sparkaſſe=Büchelchen werden ſogleich
bei der Elnlage ausgeſertigt.
Spar= und Leihlaſſe in Beſſungen, Carlsſtraße
Nro. 2. Zahltage Dienſtag und Samſtag von
8-12 Uhr Vormittags.
Abgehende Bahn=Züge.

(- Schnell= oder Courier=Züge.)

Nach
Frank=
urt
Nach
Heidel=
berg
. Nach
Mainz Nach
Aſchaf
enburg Nach
Worm= Nach
Erbach 5.30 6.55 15.30 6.2 6.40 3.30 6.45 9. 10 750 7.50 9.15 930 340 9.25 11.- 11.15 11.20 211. 7 11.40 12. 41.50 1.47 12. 5 3.10 155 22
2. 2.50 2.40 3.10 14.45 3.- 545 5.3. 5.35 5.30 710 8.- 710 G. 8. 5 8.- 9. 10 59.50 110.- 9.50 10.-

Ein Lebensbild.
Von 8.

Fortſetzung.)
Dieſer Brief war der jungen Mutter von allen, die ihr
Karl geſchrieben, der liebſte. Sie konnte die ganze Stelle aus=
wendig
und ſagte ſie ſich manchmal mit thränenden Augen leiſe
vor, beſonders Nachts, wenn ſie den kleinen Bruno ſtillte und
beim Schein des Nachtlämpchens einſam und ſchlaflos in dem
großen Lehnſtuhle ſaß. Die Herrſchaft litt nämlich nicht, daß
ſie das Kind zu ſich in's Bett nahm, ſie mußte aufſtehen, um
es zu ſättigen, und durfte nicht eher ſich wieder niederlegen, bis
es eingeſchlafen.
Was es nur ſein wird, das er dem Kleinen mitbringen
will von Berlin? hatte ſie ſich ſchon unzählige Male gefragt,
und dann ſtanden vor ihren Augen allerhand Dinge, zierlich und
niedlich, beſonders aber ſo kleine Schuhchen von ſchönem hoch=
rothem
Leder, mit einem blanken Knöpfchen darauf. Der kleine
Karl, ſo elend er war, ſing doch ſchon an, die Füßchen feſt auf=
zuſetzen
, ſie hatte ihm ſchon drei Paar Roſaſtrümpfchen geſtrickt
und dachte ſehr daran, bei ihrem nächſten Ausgang Schuhe mit
feſten Sohlen für ihn zu kaufen. Ach du lieber Himmel! wie
nur die Zeit verläuft und wie ſo ein Kind größer und größer
wird. Sie ſah die kleinen Füße, die jetzt ſo mager waren, ganz
deutlich vor ihren Augen, jeden Nagel an den armen bleichen
Zehchen, und den röthlichen Schimmer der kleinen Hacke. Malen
hätte ſie es können; und o wie gern wäre ſie durch's Toben des
nächtlichen Sturms, durch's Plätſchern des wüthenden März=
regens
hingelaufen zu dem kleinen Hauſe, nackt und barfuß, wenn
es nicht anders ſein konnte, um nur jetzt, grade in dieſem Augen=
blick
, einen rechten heißen Mutterkuß auf das arme kleine Füß=
chen
zu drücken!
Alle Zeit vergeht indeß, langſam freilich für den Harrenden,
der die Stunden und Minuten zählt, aber ſie vergeht doch, und
ſo waren denn auch die neun Monate von Lenchen's Ammendienſt
vergangen, und der kleine Bruno wurde entwöhnt.
Ihre Herrſchaft, Herr, Frau und Großmutter, machten ihr
zwar den Vorſchlag, als Wärterin bei dem Kinde zu bleiben,
das ſich ſehr an ſie gewöhnt; ſie boten ihr fünfundzwanzig, ja

dreißig Thaler Jahrslohn, ſie hätte davon das Ziehgeld für
ihren Karl gut bezahlen und noch was Hübſches zurücklegen
können. Sie hatte auch den kleinen Bruno von ganzem Herzen
lieb und trennte ſich recht ungern von ihm, zudem wollten im
Sommer die Herrſchaften nach Berlin reiſen und Kind und
Wärterin mitnehmen, wo ſie dann ihren Liebſten in ſeiner ſtatt=
lichen
Gardiſten=Uniform ſehen und am freien Sonntage mit ihm
ſpazieren gehen konnte. Das war eine Lockung - aber das
Mutterherz ſprach lauter noch als die Liebe, wie heiß ſie auch
in der Bruſt des jungen Weibes brannte. - Ihr Kind war
elend, unreinlich gehalten, manchmal ein Anſtoß im Hauſe ihrer
Verwandten, ſie ſah die Möglichkeit vor ſich, es jetzt ſelbſt war=
ten
und pflegen zu können, und das Kind brauchte die Mutter
ach wie nöthigl Der Liebſte aber, wie herzlich er ſich auch
freuen möchte, ſie zu ſehen, der ſtand ja auf eigenen Füßen,
hatte ihre Wartung und Pflege nicht nöthig, wie das arme Kind,
und - zum Herbſt war er frei und kehrte heim.
Ihr Entſchluß blieb alſo feſt; ſie miethete ſich ein Stüb=
chen
- es hörte allerdings einige Phantaſie dazu, einen düſteren
Kellerraum ſo zu nennen - und fing einen kleinen Victualien=
handel
an. Hilf Dir ſelbſt, ſo hilft Dir Gott, iſt ein altes
Sprüchwort. Es bewährte ſich auch bei Lenchen. Das freund=
liche
, ſehr hübſche Mädchen, fand Kunden genug, ihr Geſchäft
vergrößerte ſich von Tag zu Tag und ſie ſah der Zeit, wann
nun ihr Karl heimkommen würde, mit tiefſter Seelenfreude ent=
gegen
.
Denn kommen mußte er nun, bald, bald, ſchon vor vier
Wochen hatte ſie einen Brief erhalten, den er ihr als den letzten
bezeichnete. Es war ein eigener Brief, ſo ſonderbar, ſo anders
als alle früheren. Sie konnte nicht recht daraus klug werden
und las ihn wohl ſchon zum hundertſtenmal. Es ſchien, als
kündigte er ihr ein großes beſonderes Glück an, noch ein größe=
res
als das baldige Wiederſehen, was ganz Apartes, Unverhoff=
tes
. Er lautete:
Mein liebes, einziges Mädchen!
Dies iſt der letzte Brief, den Du vor unſerem Wiederſehen
bekommſt, in acht Tagen werden die Reſerven entlaſſen und dann
komme ich. Nein, dann komme ich noch nicht gleich erſt geh'
ich noch an einen andern Ort und von da bring' ich mit. was

[ ][  ]

38
4
allen Sorgen und Aengſten ein Ende macht. Freu' Dich, mein
einziges Lenchen, mein trauteſtes Mädchen, freu' Dich und laß
unſern Jungen ſich auch freuen. Sein Vater kommt, ſein Vater,
der ihn von ganzem Herzen lieb hat. Laß alle Sorgen fahren
und alle Kümmerniß, mein herzliebſtes Lenchen::wenn ich zu Dir
komme, kommt das Glück gleich mit. - Ich bring Dir was
mit - das, was wir nun zumeiſt brauchen. Ich bring dem
Jungen was mit, küſſ ihn, freu' Dich!
Er kann Vater jagen, ſchreibſt Du mir, ich werd's bald
hören; - wie wird mir doch ums Herz ſein, wenn ich's höre!
Mein herzinnigſtes, trauteſtes Lenchen, du mein Herrgott, wie
bin ich doch ſo glückſelig. daß ich nun bald bei Dir und unſe=
rem
Kinde ſein werde und daß dann alle Noth ein Ende hat.-
Gott ſegne Dich, mein herztrauteſter Schatz, und bald drückt
Dich an ſein Herz Dein treuer Freund und Liebſter
Karl Krauſe.
Wieder und wieder las ſie den Brief. Er erregte ihr ſelt=
ſame
Gedanken und wenn ſie ſich dann neugierig und verlegen
fragte: was mag es nur ſein? was mag er nur haben? ſo be=
ruhigte
ſie ſich ſelbſt mit der Antwort: ich werd's ja hören,
wenn er nun kommt, bald, bald!
Woche verrann indeß nach Woche; an jedem Tage erwartete
ſie ſeine Heimkehr, und ſchon lange waren einige entlaſſene Kriegs=
reſerven
zurückgekommen. Er fehlte noch immer.
Der Winter kam kalt und rauh. Der December hüllte die
Welt in ein weites weißes Sterbekleid. Ihr plauderndes, lachen=
des
Kind ſaß am Boden im dumpfigen Kellerſtübchen und fragte
von Zeit zu Zeit: Heut Vater kommt? nicht, Mutter mein ?
Sie küßte und herzte den lieben Buben, der jetzt wieder recht
geſund ausſah, wie ein Kreiſel lief, das ganze Mäulchen voll
Zähne und grade ſo braune, krauſe, dichte Locken hatte, wie der
Erſehnte, und ſagte: Ja, gearlchen, heut kommt er, wenn Gott
will. Aber der frühe Abend folgte dem ſpäten Morgen und
keine Stunde des trüben Tages brachte ihn, und kein Brief kam,
der ihr Nachricht gab, wo er weile und was mit ihm geſchehen
ſei, daß er ihr noch immer fern bleiben müſſe.
Am Chriſtabend wird er kommen, hatte ſie ſich ſelbſt ge=
ſagt
, am Chriſtabend, wenn ich dem Kleinen beſcheere, dann wird
er eintreten als Knecht Ruprecht und aus ſeinen Taſchen Aepfel
und Nüſſe ſchütteln für unſer Kind, und dann wird er die Hülle
abwerfen und mit ſeiner lieben, lieben, guten Stimme ſagen:
Hier bin ich, Lenchen.
Auch der Chriſtabend kam. Lenchen hatte von der Räthin
und der Frau Baumeiſter mancherlei geſchenkt bekommen, was
ihrem Karlchen den Chriſtbaum verherrlichen ſollte: Goldſchaum,
Aepfel und Nüſſe zu vergolden, buntes Papier und Fähnchen,
einige glänzend vielfarbige Glaskugeln, Confektfrüchte, auch andere
reellere Gaben, mehrere Ellen gute Leinwand zu Hemden für das
Kind, einen noch ſehr brauchbaren Sammetkittel, den Bruno aus=
gewachſen
, den ſie aber vergrößert und gänzlich renovirt hatte,
ein niedliches ſchwarzes rundes Filzhütchen. Schuhe bringt ihm
der Vater ganz gewiß, Schuhe bringt ihm der Vaterl ſagte ſie
beſtändig zu ſich ſelbſt, aber doch ging ſie hin und kaufte nette
blanklederne Stiefelchen, er kann ja zwei Paar haben, meinte
ſie und beſchwichtigte die innere Herzensangſt, die ihr immer zu=
lüſterte
: und wenn er nun nicht käme? Er kommt, wenn er
nicht todt iſt;, ſagte ſie endlich ganz laut, während ſie das Chriſt=
bäumchen
mit Lichtern beſteckte. - Es tönte ſo ſchaurig durch
die kleine Stube, ſo dumpf. Und wenn er todt wäre? bebte es
durch ihr armes Herzl Sie raffte ſich auf, ſie warf ſich am
Bettchen ihres ſchlafenden Engels auf die Knie und ſah ihm in's
ſüße, roſig angehauchte Geſichtchen, ſich Muth und Kraft zu holen
aus den unſchuldigen Zügen.
Fortſ. folgt.)
Mittheilungen aus Stadt und Land.
Darmſtadt, 10. Januar. Goſt=Perſonalnachrichten.) Die
Poſtſecretäre von Eyff in Grünberg, Kirſchner in Butzbach und
Heck in Nidda ſind zu Poſtmeiſtern; ernannt worden. Der Eiſenbahn=
Stationsverwalter Feidt in Genſingen, der Gemeinderath (Hummel
in Weiſenau, der Geometer Muth in Mombach, der Orts=Einnehmer
Ludwig in Gonſenheim und der Orts=Einnehmer Leydecker in Buden=

7.
heim ſind als Poſtagenten; angenommen worden; der Poſtſecretär
Meule iſt von Straßburg i. E. nach Mainz, der Poſtſecretär Johanneſ=
ſon
von Mainz nach Oldenburg und der Poſtſecretär Falkenberg von
Solingen nach Mainz verſetzt worden; der Ober=Poſtſecretär Keßler
in Mainz und der Bureau=Aſſiſtent Merk in Darmſtadt ſind mit Penſion
in den Ruheſtand getreten; der Poſtſecretär Auguſt Hill in Alzey, der
Poſtexpediteur Uebel in Genſingen und der Stadtpoſtbote Heucker in
Mainz ſind aus dem Poſtdienſt geſchieden.
[N
Die directe Steuer unſerer Stadt für 1813 angehend betraͤgt das
Gewerbeſteuer=Capital 244.962 fl. Das Grundſteuer=Capital 306258 fl.
Das Einkommenſteuer=Capital 881,405, fl. Zuſammen 1432626e fl.
Der monatliche Betrag der Steuerpflichtigen beziffert ſich an Gewerbe=
ſteuer
auf 4040 fl. 11 kr. An Grundſteuer auf 5,051 fl. 9 kr. An Ein=
kommenſteuer
14537 fl. 3 kr. Zuſammen 23628 fl. 23 kr.
Derſelbe repartirt auf Privaie und Corporationen mit 23.363fl. 34 kr.
Auf Cameral=Domänen 11 fl. 42½ kr. Auf Forſt=Domänen 78 fl. 22 kr.
Auf ſonſtige Landesherrliche Beſitzungen 174 fl. 15 kr. Auf Beſoldungs=
Obiekte der Pfarreien und Schulen 29½ kr. Zuſammen 23628 fl. 23 kr.
In der Summe der monatlichen directen Steuern ſind für den Staats=
und Provinzial=Straßenbau enthalten 1989 fl. 451 kr.
Der monatliche Anſatz betragt ohne die Beitraͤge zu den Straßenbau=
Koſten von 1 fl. Normalſteuer=Capital 3625 Heller.
Für den Straßenbau ſind monatlich zugeſchlagen von 1 fl. Normal=
Steuer=Capital O333 Heller.
Eingeſandt). Der Zuſtand der Heinrichſtraße iſt ohnerachtet
der mehrfach bei dem Stadtvorſtand und dem Großh. Kreisamt angebrachten
Beſchwerden fortwährend der nämliche geblieben. Der vor einigen Wochen
von der Oberfläche der Straße abgehobene Schlamm hat ſich durch die in
den letzten Jahren unbegreiflicherweiſe öfters erfolgte Anhäufung von leh=
migem
Sand wieder reichlich erſetzt. Seitdem beſteht die Straße wie früher
aus moraſtartigem Schmutz, unzugänglich für Fußgänger, kaum paſſirbar
für Fuhrwerke. Die Bewohner beider Seiten der Straße ſind wie durch
einen unüberſchreitbaren Strom von einander geſchieden. Wiewohl dieſe
Sache eine ſehr ernſte Seite hat, weil Viele der Anſicht ſind, daß es einer
Haupt= und Reſidenzſtadt wenig würdig ſei die Bewohner einer völlig aus=
gebauten
Straße unbekümmert im Schmutz ſtecken zu laſſen, ſo hat dieſelbe
doch auch ihre heitere Seite. Die Unterbrechung des Verkehrs zwiſchen beiden
Straßen=Seiten hat oie Selbſthülfe wach gerufen und es ſind in Folge
davon einige Kunſtbauten theils entſtanden, theils im Eniſtehen begriffen,
durch welche das Ueberſchreiten der Straße auf engem Pfad oder das Ein=
ſahren
von Wagen in den Hofraum ermöglicht werden ſoll. Wie lange
wird es noch dauern, daß ſich zahlreiche Einwohner mit ſolchem Nothbehelf
begnügen und um Herſtellung einer gangbaren Straße bitten müſſen,
deren Nothwendigkeit ſo klar in die Augen ſpringt!
Das Bezirks=Strafgericht Ortenberg wird vom 1. März ab, mit
dem Bezirks=Strafgericht Gießen vereinigl und ſoll das disponibel werdende
Perſonal ander waͤrtig verwendet werden.
Frl. Fanny Trier, dermalen in Karlstuhe wohnhaft, beabſich=
tigt
eine Central=Nachweiſe=Anſtalt für Erzieherinnen, verbunden mit einem
Aſyl für ſtellenloſe Erzieherinnen, ſowie auch ein Seminar für Lehrerinnen
zu errichten. Dieſes Unternehmen iſt in hohem Maaße zeitgemäß und
kann daher nur aufs wärmſte empfohlen werden.
Offenbachl, 6. Jan. Bei der kürzlich ſtattgehabten General= Verſamm=
lung
des allgemeinen Kranken=Unterſtutzungs=Vereins dahier wurde die
Rechnung für das Jahr 1871 vorgelegt. Das Actien=Vermögen hat ſich
in dieſem Jahre um 2422 fl. 6 kr. vermehrt und betrug Ende 1871
78399 fl. 3 kr, von welcher Summe 51000 fl. den unangreifbaren und
27399 fl 3 kr. den Reſerve=Fond bilden. Dennoch war die Einnahme an
Beiträgen und Eintrittsgelcern nicht hinreichend, um daraus die Unter=
ſtültzungen
an Kranken= und Sterbegelder, ſowie die Verwaltungs=Koſten
vollſtändig zu beſtreiten, ſo daß hierzu aus den Capital=Zinſen ca. 1100 fl.
verwendet werden mußten. Dieſes ungünſtige Ergebniß gegen die Ab=
ſchlüſſe
früherer Jahres=Rechnungen hat hauptſächlich in dem geringeren
Ertrag an Eintritts=Geldern und ſomit darin ſeinen Grund, daß der Zutritt
zu dem Vereine nicht mehr in dem Maaße erfolgt, wie dies in den vorderen
Jahren der Fall war, wo Seitens der Bürgermeiſterei darauf geſehen
wurde, daß die Permiſſioniſten beitraten und auperdem auch die wohlhaben=
dere
Claſſe der hieſigen Bürgerſchaft eine größere Theilnahme bethätigte.
Wie ſegensreich der Verein in unſerer Stadt wirkt, erhellt daraus, daß in
dem oben genannten Jahre 24607 fl. Kranken= und 5435 fl. Sterbegelder
bezahlt worden ſind. Die Beiträge von 2512 Mitgliedern beliefen ſich auf
29461 fl., die Eintrittsgelder neuer Mitglieder dagegen auf 1235 fl. 1O. 9.)
Hoftheater=Regiſſeur Fallenbach hat in Offenbach einen Cyclus
von dramatiſchen Vorleſungen eröffnet. Bis jetzt kamen Humlet und Mac=
beth
zum Vortrag und iſt als 3. Vorlejung Rienzi; in Ausſicht genommen,
wozu noch einige weitere Mitglieder unſerer Hofbuhne ihre Mitwirkung zu=
geſichert
haben.
C Mainz. 8. Januar. Wie verlautet hat ſich hier eine Geſellſchaft
gebildet in der Abſicht auf dem Gutenbergsplatz einen Saalbau zu er=
richten
. Der Plan ſoll bereits vorliegen und dem Gemeinderath der Vor=
ſchlag
gemacht worden ſein, das Gelände auf 30 Jahre der Geſellſchaft un=
entgeldlich
zu überlaſſen, nach welcher Zeit die Stadt in den unentgeldlichen
Beſitz des Saalbaus gelangen würde.
Der neue Stadt=Erweiterungsplan iſt auf dem Stadthauſe offen gelegt.
Saͤmmtliche Brauer der hieſigen Actien=Brauerei haben die Arbeit ein=
geſtellt
, weil die verlaugte und wie es ſcheint ungerechtferligte Lohnerhöhung
verweigert wurde.

Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchoruckerei.