Darmstädter Tagblatt 1870


03. Mai 1870

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Beillage

zum

Darmſtädter Frag= und Anzeige

N 18.

Dienſtag den 3. Mai

1870.

Das Frag= und Anzeigeblatt, die Beilage hierzu, ſowie das Verordnungsblatt für den Kreis Darmſtadt erſcheinen wöchentlich; Erſteres Samſtag, die Belage
Dienſtags und Legteres Donnerſtags. Jahres=Abonnament der drei Blätter zuſammen 2 fl. Auswärts kann man bei allen Poſlämtern abonniren. Zi Darmſtadt bei
der Expedition. Rheinſtraße Nr. 23 neu.-

vs Verſteigerungen.
Vergebung von Bauarbeiten.
Freitag den 6. Mai Vormittags 11 Uhr ſollen
die zur Herſtellung des äußeren Verputzes ꝛc. des
militär=fiscaliſchen Wohnungshauſes Nr. 17 der
Magdalenenſtraße nöthigen Arbeiten, nämlich:
Weißbinderarbeit, veranſchlagt zu 383 fl. 36 kr.
Schloſſerarbeit,
34 fl. 42 kr.
auf dem Büreau des Proviant=Amts durch Sou=
miſſion
vergeben werden.
Plan, Voranſchlag und Bedingungen liegen da=
ſelbſt
zur Anſicht offen.
Darmſtadt, den 28. April 1870

Großherzogliches Proviant=Amt.
200
Becker.
Grönrich
2832)
p
Main=Neckar=Eiſenbahn.
Montag den 9. Mai l. J. Vormittags 10 Uhr
ſollen die im hieſigen Bahnhofe herrenlos zurück=
gebliebenen
Gegenſtände, als: Hüte, Mützen,
Stöcke, Regen= und Sonnenſchirme ꝛc. ꝛc., gegen
gleich baare Zahlung an den Meiſtbietenden öffent=
lich
verſteigert werden.

Darmſtadt, den 28. April 1870.
Die Bahn=Verwaltung:
2944)
Geſſner.

Feilgebotenes.
1840) Ein noch neues Handwägecheln
iſt zu verkaufen. Gardiſtenſtraße Nr. 16
kſeiredhrdhar aeirenir Ndit rrennun nrnhatn nntirt nuina nrt NNtant
Hauzaauaruuiuuuuuuauuuauuy
3 2336) Unterzeichneter beabſichtigt 20- 30
4 Morgen Ackerland in beſter Lage, nebſt einer
großen Parthie Kornſtroh aus der Hand
3 zu verkaufen
L. Daum
4
Hchesovor Ar heorvorrnn r ondrtrrrrirorrerrerer hneri
Muauruuuny
WTA
2347) Mehrere Bauplätze in der Wein=
bergſtraße
per Klftr. 3-4 fl. Zu erfragen bei
Heinr. Jakoby, Schloſſermeiſter. Beſſungen.
2787) Das ſeither von dem Ruſſiſchen Ge=
ſandten
bewohnte, in der Beſſunger Wilhelminen=
ſtraße
gelegene Haus iſt im Ganzen zu vermiethen
oder zu verkaufen.
Daſſelbe hat im unteren Stock 8 Zimmer, im
oberen 6. worunter ein Saal, in der Manſarde
2 Zimmer mit geraden Wänden. Ferner gehört
dazu Chaiſenremiſe, Stallung für 2 Pferde, Gar=
ten
, Regen=Ciſterne, eigener Brunnen ꝛc.
Zu erfragen Beſſunger Wilhelminenſtraße 9,
Eingang in der Annäſtraße.
SFrühl-ſomüse &am; Salatpſlanzen
Fei
C. Völker. untere Hügelstr.
degen Abreiſe ſind gut gehaltene
A Möbeluzu verkaufen
Eliſabethenſtraße 37.
2861) Carlsſtraße Nr. 14 bei Schneider=
meiſter
Waldt ein gut gehaltener Confirman=
den
=Anzug zu verkaufen.

2671) Für Comſrmandem empfehle ich vor=
zuglich
ſchonen Aun ür geleder ud Alnien dr,
Pglagenlcher geſtickt und glatt in Leinen, Lattiſt
u. Linon, Shirting=u. Flanell=Auterröcke, Volants
u. Stickereien, ſowie Knaben- u. Müdchenhemden
von den billigſten bis zu den beſten Sorten in
größter Auswahl.

Ese URehberg, Hof=Lieferantin.

2945)
Von den beliebten
Sommer=Pantoffeln habe vieer 500 Paar
auf Lager und empfehle ſolche, bei anerkannt preiswürdiger Qualität, zu 40, 48 kr. und 1 fl. 18 kr.
per Paar.
J. G. Jacoh,
7. große Ochſengaßſe 7. gegenüber der Brauerei zum rothen Löwen.

2946)

Fenſterrahmen=Fabrik.

Zur jetzigen Bau=Saiſon empfehle ich mich zur Uebernahme der Lieferung von Fenſtern jeder Art.
unter Garaͤntie guter und dauerhafter Arbeit. Preiscourante werden auf Berlangen zugeſandt, ſowie
Probefenſter jederzeit angefertigt. Zugleich empfehle mich in Lieferung von Cryſtallgläſern für
Montres ꝛc., ſowie von Fußboden und Bedachungsgläſern zu äußerſt billigen Preiſen.
Jos. Becher, Ffenſlerrahmen=Fabrißk,

Zuchthausgaſſe in Mainz.

2862) Eine gebrauchte, aber noch ſehr gute
kleine Schröder'ſche Nähmaſchine iſt zu
verkaufen. Verlängerte Waldſtraße Nr. 51.
2947) Ein Confirmanden=Anzug iſt billig zu
verkaufen. Kleine Arheilgerſtraße Nr. 6.
2948) Reis= a Waizen=Stärke, in
Stängel= und Bröckel=Form, weiß und gebläut,
deren Güte jeden Zuſatz (Wachs ꝛc.) entbehrlich
macht, ſowie Bläue empfiehlt
G. Amiend, vorm. G. Kraus.

e=
5
Pür Nähmaschinen
empfehle den ſo beliebten ächt engliſchen Brooks=
Nollenzwirn in ſehr guter Waare.
Fr. Hallenberger, Poſamentier,
Rheinſtraße, gegenüber dem Darmſtädter Hof.
2950) Flaſchen=Bier von W. Schulz per Flaſche
7 kr. bei J. Kiſſel, untere Schützenſtraße.
2951) Kräftige Salatpflanzen, Erbſenreiſer,
12 Haſen bei D. Miſchlich, Kiesſtraße 99.

2952)
O=
7
Cgrrbier.
Aetien=Brauerei Ludwigshafen a. Rh.
in Zapf genommen, ſowie ein vorzügliches Bier bei
meinen ſämmtlichen Niederlagen in Flaſchen.
Darmſtadt, 3. Mai 1870. V. Degen,
Arheilgerſtraße 2.
2953) Fuhrmannsgaſſe Nr. 5 ſind 24- 30 Ctr
Dickwurz zu verkaufen.

Vermiethungen.
1278) Ernſt=Ludwigſtraße Nr. 9 iſt
der 4. Stock zu vermiethen.
1767) An 2 Schüler wird ein Zimmer ab=
gegeben
; auch können ſie Koſt erhalten. Ballonplatz 10.
1841) Ein fein möblirtes Zimmer für 1 oder
2 Herren, in der Nähe des Gymnaſiums, mit
Benutzung von Clavier und Bibliothet, iſt ſogleich
zu vermiethen. Näheres bei der Expedition.

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.18

66
2283) Dieburgerſtraße Nr. 14 iſt ein möblirtes
Zimmer zu vermiethen.
19
im Sei=
4
H.
5 AhbwigPraße Nr. 14 tenbau
ein noch neues, freundliches Logis, Sommerſeite,
beſtehend aus 4 Zimmern, Küche und Zugehör,
gleich beziehbar.
2696) Frankfurterſtraße 36 die bel Etage,
6 Piecen nebſt Zugehor. Zu erfragen Bleichſtr. 39
Vorderhaus.
2791) Louiſeuplatz h ſind in der bel
Etage 5 Zimmer mit Küche zu vermiethen und
Ende Mai zu beziehen.
2793) Grafenſtr. 1 nächſt der Promenade
ein gut möblirtes Zimmer mit Cabinet, auf Ver=
langen
mit 2 Betten, zu vermiethen u. gleich
zu beziehen.
2874) Stadt=Allee Nr. 2 nen zwei Zimmer
mit Stallung für vier Pferde zu vermiethen.
2881) Gardiſtenſtraße Nr. 7 ein Logis gleich
zu beziehen.
2954) Obere Eliſabethenſtraße Nr. 22 iſt ein
Laden mit Logis und jonſtigem Zugehör zu ver=
miethen
und bald zu beziehen.
2955) Hügelſtraße 61 eine hübſche Man=
ſarden
=Wohnung, beſtehend aus 4 Zimmern, Küche
und allen Bequemlichkeiten, ſofort zu beziehen.
2956) Obere Eliſabethenſtraße Nr. 22 iſt ein
Manſardenlogis aneine rnhige Familie zu vermiethen.
2957) Obere Eliſabethenſtraße Nr. 22 zwei
unmöblirte Zimmer im Seitenbau zu vermiethen
und alsbald zu beziehen.

Vermiſchte Nachrichten.
Changement de domicile.
Le soussigné demeuro actuellement Grafen-
Strasse Nr. 33 au premier.
2958) L.eelere, maitre de français.
Zum Unterricht in franzöſiſcher Sprache
ſuchen 2 junge Damen eine Dritte. Näheres
2612)
Grafenſtraße 25. 2 Stiegen.
2909) Unterricht in der lateiniſchen und
griechiſchen, franzöſiſchen, engliſchen und italie=
niſchen
Sprache, Literatur und Correſpondenz:
Dr. Herber, Steinſtraße 3.
2740) Ein Junge kann in die Lehre treten bei
Schloſſermeiſter Ludwig. Carlsſtraße Nr. 8.

8 Fin braver Junge kann gegen Bezahlung
5 E8 ſofort in die Lehre treten.
Gg. Körner, Schreinermſtr., Beſſungen.
2765) Einige Weißbindergeſellen finden bei
hohem Lohn dauernde Beſchäftigung.
G. Klotz, Weißbindermeiſter.

Hauptverſaumlung der Turngemeinde Darmſtadt.
Samſtag den 7. Mai 1870, präcis halb 2 Uhr Abends.
Tagesordnung: a) Wahl der Abgeordneten zum Tuntage in Wiesbaden am 15. d. Mts.
b) Wahl eines erſten Kneipwarts
c) Antrag des Vorſtandes auf Dielen der Turnhalle.
2950)
Der Vorſtand.
Prque Dulrumaöe
Schmidts Affentheater.
Den hochgehrten Herrſchaften und Bewohnern von Darmſtadt die ergebenſte Anzeige, daß ich
mit meinem aus 66 verſchiedenen vierfüßigen Künſtlern, Affen, Hunden, den kleinen japaneſiſchen
Miniatur=Pferden und den beiden Wunder=Ziegen während der Meſſe Vorſtellungen geben werde.
Das Theater iſt in einer dazu erbanten Bude, welche brillant mit Gas erleuchtet und vor allem
Unwetter geſchützt iſt.
Das Nähere durch die Zettel.
Ergebenſt
Georg Schmidt.

2736) Jeden Bandwurm
entfernt binnen 2 bis 4 Stunden vollſtändig,
ſchmerz= und gefahrlos; ebenſo ſicher beſeitigt auch
Bleichſucht und Flechten und zwar brieflich
Voigt, Arzt zu Croppenſtedt (Preußen).
3 ſyin Laden nebſt 2-3 Zimmern,
E, aber nur in einer guten Lage, wird zu
miethen geſucht. Näheres in der Exp. d. Bl.
2798) Ein Mädchen, welches zu Hauſe ſchlafen
kaun, wird in Dienſt geſucht. Daſſelbe kann das
Kleidermachen dabei erlernen. Zu erfragen bei
Frau Wetteroth.
2421) Einige brave junge Mädchen
können dauernde Beſchäftigung erhalten in der
Spielkarten=Fabrik von
Frommann & Bünle.
2818) Für ein braves fleißiges Mädchen iſt
eine gute Stelle in einem hieſigen Geſchäft offen.
Marienplatz Nr. 5.
2824) Brave Lehrlinge ſucht
Carlsſtraße 23. J. Schäfer, Schloſſermeiſter.
2825) Ein reinliches Mädchen kann Schlaf=
ſtelle
erhalten. Dieburgerſtraße Nr. 14.
2923) Eine brave Lauffrau wird geſucht.
Mühlſtraße Nr. 16.
Sandformer & Gießer,
welche namentlich in größeren Maſchinen=
theilen
Tüchtiges zu leiſten vermögen, finden
dauernde und gut bezahlte Stellen bei
A. R. Heebaß &amp Comp. iu Offenbach a. M.
Reiſekoſten werden veraütet.
(2960
2961) Einen guten Arbeiter ſucht
Heinrich Jacobi, Schreinermeiſter,
Beſſunger Heerdweg Nr. 39.

Tüchtige Bronzeure
ſuchen A. R Seebaäs &am Comp. in Offenbach a. M.
Reiſekoſten werden nergütet.
(2962
2963) Einige Mädchen, welche im Nähen et=
was
geübt, finden dauernde Beſchäftigung im Näh=
maſchinen
=Geſchäfte von
Pauli & Geier, Carlsſtraße.
P. S. Kenntniß des Maſchinennähen iſt nicht
erforderlich, jedoch erwünſcht.
2964) Eine kinderloſe Frau übernimmt Lauf=
dienſt
.
Frau Wiegler,

in der Arheilgerſtraße Nr. 25.
2965) Ein Mädchen, das im Kleidermachen
und Bügeln geübt iſt, wünſcht noch einige Tage
beſetzt zu haben. Näheres obere Nieder= Ramſtädter=
ftraße
Nr. 7. Ebendaſelbſt iſt auch ein Confir=
manden
=Anzug billig zu verkaufen.
2966) Brave Kuaben & Mäd=
chen
finden lohnende Beſchäftigung in der
Patenr=Hukfabrik
auf dem Chauſſeehaus.

Großherzogliches Hoftheater.
Dienſtag, den 3. Mai. 4. Vorſt. im 9. Ab.:
König René's Tochter. Schauſpiel in 2
Atten von H. Hertz. Hierauf: Das Tagebuch.
Luſtſpiel in 3 Akten von Bauerufeld.
Donnerſtag, 5. Mai. H. Vorſt. im 9. Ab.:
Norma. Oper in 3 Atten; Muſik von Bellini.
Norma: Frln. Wilde vom Stadttheater in
Aachen, als Gaſt.
Freitag, 6. Mai. 6. Vorſt. im 9. Ab.:
Aſchenbrödel. Schauſpiel in 4 Akten von
N. Benedir.

2967) Am vergangenen Mittwoch wurde von der Magazinſtraße bis in die Neckarſtraße eine braune wollene Shawl verloren. Der redliche
Finder wird gebeten, dieſelbe Neckarſtraße Nr. 10 eine Stiege hoch gegen gute Belohnung abzugeben.

gartenbauverein Darmſtadt.
Für die Monatsverſammlung am 6. April d. J. war ein Vortrag von Herrn Gernet
aus Jugenheim, Hofgärtiner Gr. Großh. Hoheit des Prinzen Alexander, über die Roſen=
cultur
angekündigt. Da indeſſen dieſer Gegenſtand viel zu umfangreich iſt, um in
einer Sitzung beſprochen werden zu können, ſo hatte ſich Herr Gernet als beſonders
zeitgemäßes Thema das Beſchneiden der Roſenſtöcke ausgewählt, und gab der=
ſelbe
eine eingehende Anleitung zur Ausführung dieſer wichtigen und ſchwierigen Operation,
mit Rückſicht auf den Charakter der einzelnen Roſenarten, die zu gebende Form u. ſ. w.
Namentlich wies Herr G. darauf hin, wie durch das Beſeifigen der überflüſſigen und
ungünſtig ſtehenden Augen, was nicht genug empfohlen werden könne, das Beſchneiden
ſehr vereinfacht, dadurch viel Zeit erſpart werde und die Roſenſtoͤcke ſelbſt im Wachsthum
weniger geſtört würden. Wir dürfen uns auf dieſe kurze Andeutung wohl um ſo mehr
beſchränken, als der ganze intereſſante Vortrag über Roſencultur, dem Vernehmen nach,
demnächſt durch den Druck veröffentlicht werden wird. Der übrige Theil der Sitzung.
in welcher der eingetretenen günſtigeren Witterung wegen die Gärtüer von Fach nür in
geringer Zahl verkreten waren, wurde vorzugsweiſe mit Beſprechung von Vereinsange=
legenheiten
ausgefüllt. Es wurde u. A. von einem Mitgliede der Antrag geſtellt und
von der Verſammlung genehmigt, daß die Ergebniſſe der aus dem Saamen, welcher
alljährlich von dem Verein an Mitglieder vertheilt wird, gezogenen Gemüſe, Früchte und
Blumen dem Verein mitgetheilt, wenn möglich Proben vorgezeigt und dabei die Verhält=
niſſe
Goden, Behandlungsweiſe ꝛc.) angegeben werden mochten, unter welchen ſie gezogen
wurden. - Ferner machte ein Nitglied, anknüpfend an bereits mehrfach ſtattgehabte

Erorterungen, die Mittheilung, daß nach von ihm angeſtellten Verſuchen Blumen und
Bouquets, in Waſſer geſtellt, ſich länger friſch erhalten, wenn dem Waſſer etwas Alaun
zugeſetzt wird. Hierauf wurde von anderer Seite Kochſalz als gleich wirkſam empfohlen,
und naͤhm der Vorſitzende Veranlaſſung, die Mitglieder zu weiteren Verſuchen über dieſe
wichtige Frage, die nicht allein von allgemeinem Intereſſe iſt, ſondern auch bei der
bevorſtehenden Roſenausſtellung in größerem Maße practiſch werden wird, einzuladen.
Auch in dieſer Sitzung wurden wieder eine größere Zahl von Mitgliedern (2) neu
aufgenommen.
In der nächſten Verſammlung am 4. Mai d. J., Nachmittags 3 Uhr, wird Herr
Weinrich, Bbergärtner der berühmten v. Verna'ſchen Gärten in Rüſſelsheim, die
Gute haben, einen Vortrag über Zuſammenſtellung. Anlage und Pflege
von Gruppen auf Raſenplätzen zu halten, auf welchen intereſſanten und zeitge=
mäßen
Vortrag wir die Mitglieder des Gartenbauvereins beſonders aufmerkſam machen.
Nichtmitgljeder kömen Lingeführt werden, und ſind in den Monatsverſammlungen
Gäſte, welche ſich für den Verein intereſſiren, ſtets willkommen.
- h.

Der Siebeneck.



ortſetzung.)
6.

Tage vergingen in einer recht unerquicklichen Stimmung. Morazi
ſprach mit Niemand von dem, was ihn offenbar drückte. Antonina konnte

[ ][  ][ ]

67

M18.

ſich ebenfalls uicht eutſchließen, des Vorgefallenen zu gedenken, das ſie ſo
ganz urplötzlich überraſcht hatte und gerade deshalb ſo nachhaltig wirkte.
Auch die Amme, von der eigentlich das ganze Unglück herrührte, fühlte
keine Veranlaſſung, das jedenfalls nicht beliebte Thema abermals zur Sprache
zu bringen. Sie begnügte ſich mit Hermurmelung unverſtändlicher Zauber=
formeln
, kochte Kräuter und machte mit dieſen ungeſehen ihre, wie ſie meinte,
das Unglück bannenden Sprengungen.
Vorerſt unterließ Morazi einige Zeit das Moraſpiel. Bald jedoch
ward ihm die Zeit lang und obwohl Antonina ſich alle mögliche Mühe gab,
den geliebten Gatten auf andere Weiſe zu zerſtreuen, um ihm dadurch das
Spiel zu erſetzen, kehrte er doch wieder zu demſelben zurück. Vielleicht weil
er ſeine aufbrauſende Heftigkeit im eigenen Hauſe fürchtete oder Antonina's
Abrathungen nicht hören mochte, zog es Morazzi vor, von jetzt an nur außer
dem Hauſe dem Spiele ſich hinzugeben.
Der jungen Frau konnte dies natürlich nicht lange verborgen bleiben.
Hätte es die Ahnung ihr nicht geſagt, ſo würde die Stimmung, in welcher
Morazzi regelmäßig zurückehrte, der ſcharfſichtigen Gattin es verrathen
haben. Er ward immer ärgerlicher, heftiger, düſterer. In gleichem Maße
ſteigerte ſich die Reizbarkeit Antonina's, die ſich ſeit einigen Monaten in
Verhältniſſen befand, die größte Schonung und liebevolle Nachſicht dem
Manne zur Pflicht machten. Sie erſchrak, wenn ſie Morazzi's Tritte ver=
nahm
, ſie zitterte, wenn ſein finſter brütendes Auge auf ihr mildes Ant=
litz
fiel. Jeder dieſer Blicke ſagte ihr, daß der Geliebte noch immer ſpiele
und im Spiele von dem alten Unglück verfolgt werde, ohne daß er die
Macht beſaß, ſich von dieſer Leidenſchaft frei zu machen.
So ward auch für Antonina die Zahl Sieben eine wahrhaft verhäng=
nißvolle
, die ſie verfolgte, wie ein böſer Geiſt, an die ſie nicht ohne Schrecken
denken konnte, von der ſie in ihren Träumen allnächtlich gequält ward, die
im Laufe des Tages zahlloſe Male blitzartig funkelnd vor ihren Augen in
bunten Farben zitterte und tanzte.
Eine Stbrung des häuslichen Glückes bewirkte die uuſelige Leidenſchaft,
von der Morazzi behaftet war und dem ſich jetzt die Furcht vor einem un=
abwendbaren
Verhängniß beigeſellte, das über ihm ſchwebe, zwar nicht, wohl
aber ſetzte ſich in den Seelen beider Gatten die Ueberzeugung feſt, daß die
Zahl Sieben für ſie auf irgend eine Weiſe verhängnißvoll werden müſſe.
Mit dieſem quälenden Gedanken ſich tragend, gebar Antonina einen
Sohn. Das Kind war munter und kraͤftig, und (die glücklichen Eltern
würden zu neuem Lebensmuthe erſtarkt ſein beim Anblick des lieblichen Ge=
ſchöpfes
, hätten ſie nicht wenige Tage nach der Geburt deſſelben in der Ge=
gend
der Herzgrube ein paar röthlich ſchimmernde Streifen entdeckt, die im=
mer
beſtimmter hervortraten und die Geſtalt einer verſchobenen römiſchen
Sieben annahmen.
Antonina war über dieſe Entdeckung ſehr unglücklich. Sie erinnerte
ſich jetzt, daß ſie gewöhnlich die Hand gegen ihre Bruſt gedrückt hatte, wenn
die fatale Sieben ihrem Gatten Verluſt im Spiele brachte, und ſie zieh ſich
jetzt ſündhafter Leichtfertigkeit wegen dieſer unbedachtſamen Handbewegung.
Morazzi, dem begreiflicherweiſe dies Maal des Neugeborenen ebenfalls un=
angenehm
war, nahm es doch leichter hin, ſchon deshalb, weil es ja Nie=
mand
ſichtbar ward. Auch meinte er, es ſei ſo beſſer, und die Natur habe
weiſe gehandelt. Denn da ſie das Kind äußerlich gezeichnet für ein Ver=
gehen
ſemer Eltern, werde aller Wahrſcheinlichkeit nach die Gemüthsſtim=
mung
der Mutter nicht auf ſein Seelenleben einen beſtimmten Einfluß ge=
übt
haben.
Antonina gewann nun zwar äußerlich ſo viel Gewalt über ſich, um
den Schmerz, der ſie nie wieder verließ, vor ihrem Gatten zu verbergen.
Nur wenn ſie ſich allein und von Niemand beoabachtet wußte, überließ ſie
ſich mit Leidenſchaft ihrem Kummer, herzte den kleinen Antonio und bat ihn
zahloſe Male ihrer vorgeblichen Sündhaftigkeit wegen um Verzeihung. Die
alte Amme ſchwieg zu Allem. Es mochte die treue Perſon, die mit ihren
unüberlegten Worten nichts Schlimmes hatte anſtiften wollen, ſchmerzen, daß
ihre gut gemeinten Aeußerungen ſo betrübende Folgen gehabt hatten. Um
dieſe nach ihrer Anſicht möglichſt zu entkräften, griff ſie abermals zu ihren
alten Hilfsmitteln. Sie murmelte Entzauberungsſprüche, ſuchte heilkräftige
Kräuter im Mondſchein, kochte und räucherte, und war feſt überzeugt, damit
wenigſtens von dem kleinen Bambino ferneres Unglück abzuwenden.
Das bekannte Wort: Ein Unglück lommt ſelten allein, bewährte ſich
aber leider auch an dem Vignabeſitzer. Morazi war und blieb verſtimmt
Er gab zwar, ſeitdem die Erfahrung ihn gelehrt, daß kein Heil dabei ſei,
das Spiel ganz auf und beſaß Kraft genug, dieſem Entſchluß treu zu blei=
ben
, allein mit dieſer Verzichtleiſtung auf ein an ſich ganz unſchuldiges Ver=
guügen
ward er mürriſch, unluſtig zur Arbeit, menſchenſcheu und abſtoßend
gegen Andere. Eine ſolche unvortheilhafte Veränderung ſeines Characters
konnte Morazzi nirgends zur Empfehlung dienen. Die Welt iſt nun einmal
ſo geartet, daß ſie nie und unter keinen Umſtänden Rückſicht nimmt auf die
Stimmungen eines Einzelnen, ſondern von Jedem jene dem Ganzen erſprieß=
lich
werdende Geſchmeidigkeit verlangt, die nur durch conſequente Selbſtbe=
herrſchung
des Individuums erlangt werden kann. Der heitere lebensfrohe

Morazi war allerwärts ein gern geſehener Gaſt geweſen, von dem trüben.
einſylbig gewordenen Manne hielten ſich ſelbſt jeine vertrauteren Freunde
fern. Auch geſchäftliche Verbindungen ſuchte Keiner mit ihm, eher bemühte
ſich Jeder, frühere Anknüpfungen unmerklich zu löſen.
So konnte es denn nicht ausbleiben, daß der Vignabeſitzer immer mehr
auch in ſeinen geſchäftlichen Verhältniſſen zurückam. Sein Eigenthum, ehe=
dem
eines der ſchönſten und einträglichſten in Frascati, verwilderte, Morazzi
gerieth in Schulden, kam immer liefer herab und war ſchon nach wenigen
Jahren genöthigt, die Vigna ſeinen Gläubigern zu überlaſſen.
Ehe dies geſchah, ſtarb Antonina. Der Gram hatte ſie aufgerieben.
Als die Hülle der Entſeelten durch den Säulengang getragen ward, wo
die junge ſchöne Frau im Anfang ihrer Ehe ſo gern weilte, um die erquickende
Ausſicht auf die Campagna und das ferne dämmernde Rom zu genießen,
überreichte Morazzi in ſprachloſem Schmerze die Schlüſſel der Vigna dem
Sachwalter ſeiner Gläubiger.
Den kleinen Antonio an der Hand geleitete er dann die Leiche ſeiner
Gattin zur Gruft. Darauf verließ er zu Fuße Frascati, nahm ſeinen Sohn
auf den Arm und wanderte uach Rocca di Papa, wo ein Verwandter von
ihm lebte. Dieſer hatte dem Unglücklichen Aufnahme in ſein Haus ver=
ſprochen
und ſich auch bereit erklärt, für Antonio, ſeinen Pathen, ſo weit
er könne, zu ſorgen.
Hier nun lebte Morazi in ſehr kümmerlichen Verhältniſſen einige
Jahre. Er ließ ſich wenig unter Menſchen ſehen, blieb oft Tage lang ab=
weſend
, ohne daß ſein Verwandter erfuhr, wo er ſich aufhielt, und kehrte
er endlich zurück, ſo war er bald auffallend luſtig, bald verſtört und nieder=
geſchlagen
. Immer aber brachte er Antonio ein Geſchenk mit und küßte ihn
mit einer Leidenſchaftlichkeit, vor welcher der Knabe nicht ſelten in Weinen
ausbrach.
Endlich blieb aber Morazi ganz aus. Man erkundigte ſich überall
nach dem Verſchwundenen und entdeckte nach einigen Wochen ſeine Leiche
unfern des See's von Albano. Sie war von ſieben Dolchſtichen durchbohrt,
und man hat nie in Erfahrung gebracht, ob die That ein Act der Nache
geweſen iſt oder ob andere nicht zu ermittelnde Beweggründe derſelben zu
Grunde gelegen haben.
Der faſt Berarmte ward ohne Gepränge an der Seite Antonina's bei=
geſetzt
. Der Sohn wurde einer Kloſterſchule übergeben, und da er Anlagen
zeigte, gaben ſich die Väter Präceptoren Mühe, den Knaben für die Kirche
zu gewinnen. Das war jedoch nicht ſo leicht. Antonio zeigte eine ſeltene
Feſtigkeit des Willens und wußte ſich, trotz ſeiner Mittelloſigkeit doch bei
ſeinen Lehrern in Reſpect zu ſetzen. Er war noch bei Lebzeiten ſeines Va=
ters
groß genug geworden, um die Quelle des Uuglücks näher kennen zu
lernen, das ja mit Flammenzügen auf ſeiner Bruſt geſchrieben ſtand. Sein
eigener Vater ließ es nicht an Andeutungen fehlen, die der Knabe ſich wohl
zu Herzen nahm, und ſo bildete ſich in der jugendlichen Seele Antonio's
eine eigenthümliche fataliſtiſche Weltanſchauung aus, die je nach dem Um=
ſtänden
für ihn zum Segen wie zum Unſegen ausſchlagen konute.
Es ſetzte ſich nämich in dem lebhaften und begabten Knaben die Mei=
nung
feſt, es müſſe das, was ſeine Eltern in's Unglück geſtürzt habe, ihm
zum Glück gereichen. Er war von Gott ſelbſt gezeichnet worden. Warum
ſollte dieſe Verührung des Weltenſchöpfers und Welterhalters, die unter
Millionen ihm allein zu Theil geworden war, nicht ein ganz beſonderes
Zeichen göttlicher Gnade ſein? Hat die Bangigkeit der Mutter und die
Leidenſchaftlichkeit des Vaters- ſo ſchloß Antonino Beide verzagt und
willenlos gemacht, ſo muß es der Entſchloſſenheit und muthigem Thun doch
gelingen, gerade das Gegentheil zu erreichen. Darum beſchloß der früh zu
ſcharfem und ſelbſtſtändigem Denken gereifte Kloſterſchüler, ſeine Zukunft
gleichſam auf die Sieben zu bauen.
Es gelang ihm, mit ſieben Jahren ſich der Oberaufſicht ſeiner bishe=
rigen
Leiter zu entziehen. Er petitionirte bei ſieben einflußreichen Männern,
um ein Unterkommen zu finden, das für ihn paſſen möchte, und der ſiebente
Antrag, den er in Folge der Verwendung ſeiner Fürſprecher erhielt, war
Antonio's Dafürhalten nach der annehmbarſte
Dieſes Glücksſpiel, das er mit der Zahl Sieben trieb, gab ihm Muth.
Er beſchloß, daſſelbe fortzuſetzen. Die gezogene Nummer brachte ihn als
Schreiber zu einem viel beſchäftigten Advokaten, bei dem er indeß nur ſieben
Monate blieb. Er vertauſchte ſeine ſeitherige Stelle mit ſder eines Secre=
tärs
bei einem Prälaten. Auch bei dieſer Wahl fragte er die ihm lieb
gewordene Zahl wieder um Rath und ſtellte ihr die Entſcheidung anheim.
In ſeiner neuen Wirkſamkeit gefiel es Antonio Morazzi ſo gut, daß
er jeden Gedanken an eine abermalige Beränderung aufgab. Der Prälat
gehörte zu jenen klugen Männern, die es meiſterhaft verſtehen, die Gedanken
Anderer zu errathen oder dieſe, ohne daß ſie es bemerken, zu freiwilligen
Geſtändniſſen zu bringen. Schon im erſten Monat war er im vollen Beſitz
des Geheimniſſes ſeines Secretärs, und der Entſchluß, für die Kirche Nutzen
daraus zu ziehen, ſtand bei ihm feſt. Es eilte nicht und der Prälat nahm
ſich alſo Zeit, um ſeinen Plan auszuführen.
Antonio, glücklich in ſeiner ſorgenloſen Lage, von ſeinem Gebieter mit

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A18

68
Achtung, ja mit Liebe und Zuvorkommenheit behandelt, gerieth, ohne daß
er es merkte, in die fein gelegten Schlingen des klugen Geiſtlichen. Er
wußte kaum, wie ihm geſchah, als er ſich doch eines Tages ſagen mußte,
ſein Sinn ſei ein anderer geworden, die Kirche, die er geflohen, ziehe ihn
jetzt an, er folge nicht, wie früher, ſeinem Willen, ſondern er handle nach
den Einflüſterungen Anderer!
Eine Bangigkeit beſchlich bei dieſer Entdeckung den zwanzigjährigen
Züngling. Lange hatte er nicht mehr an ſein Schickſalszeichen gedacht. Er
wollte ſich bei dieſem wieder Rath und Kraft holen, aber die Furcht verließ
ihn nicht mehr. Es ſchien, die verhängnißvolle Zahl hatte ihre Macht ver=
loren
; anſtatt daß Antonio ſich an ihr emporrichten und auf ſie ſtützen
konnte, bangte ihm vor ihr. Tag und Nacht umgaukelte ſie ihn, und im
Traume ſah er wiederholt das Vild ſeiner leidenden Mutter, wie ſie ihre
ſchönen, thränengefüllten Augen auf ihn richtete und mit geiſterhaftem Lis=
peln
ihn bat, ſiebenmal ſieben Seelenmeſſen für ſich und den Vater in
ſieben der Madonna geweihten Kirchen leſen zu laſſen.
Dieſe Traumbilder machten aus Antonio einen unentſchloſſenen Men=
ſchen
. Er ward ſtill, träumeriſch, zur Schwärmerei hinneigend, und als er
ſeinen einundzwanzigſten Geburtstag feierte, trat er ſelbſt zu dem Prälaten
und erklärte ſeine Bereitwilligkeit, ein Sohn der Kirche werden zu wollen.
Antonio Morazz's Bitte fand natürlich Gewährung. Er trat in ein
geiſtliches Seminar, empfing ſpäter die Prieſterweihe und vergaß als Prieſter
nie, alljährlich ſieben Meſſen für ſeine verſtorbenen Eltern zu leſen. So
gelang es ihm zwar, den unerklärlichen Einfluß zu entkräſten, welchen die
böſe Zahl nach und nach auf ihn ausübte, niemals aber war es ihm mög=
lich
, den Bann ganz und für immer zu löſen, womit ein einziges bezaubern=
des
Wort ſeine Seele ſchon vor der Geburt umſtrickt hatte.
Bald nach meiner Ankunft in Nom - ſchloß Ottotar ſeine Erzählung
lernte ich den Prieſter Antonio Morazzi, der ſich frate Settimo nannte,
kennen. Er war mein Führer durch die vielen Kirchen der ewigen Stadt.
Aus ſeinem eigenen Munde vernahm ich die ſeltjame Geſchichte ſeines Le=
bens
, und ich will nicht leugnen, daß ſie auf mich einen unauslöſchlichen
Eindruck machte, den ich bis zu dieſer Stunde noch nicht ganz zu bewäl=
tigen
im Stande war. Es iſt ein wunderbares Ding um das Geheimniß
der Zahlen, und vor Allem um die Zahl Sieben. Oteht ſie doch vor
allen anderen Zahlen gleichſam als das geheiligte Schiboleth der Schöpfung
über jenen unermeßlichen Welträumen, die wir ahnungsvoll Himmel nennen.
Die am tiefſten in die Geheimniſſe der Gottheit eingeweihten Männer neh=
men
ſieben Himmel an. Iſt es da einem denkenden und forſchenden Men=
ſchen
zu verargen, wenn er ſchon als Bürger dieſer Erde darnach trachtet,
dereinſt auch würdig erfunden zu werden, in die Herrlichkeit des ſiebenten
Himmels aufzuſteigen ? Ich geſtehe, daß ich mir eine größere Lebensaufgabe
nicht zu denken weiß, zumal als Architett, der ja als Baumeiſter den Zweck
hat, auch in der Kunſt neben dem prakkiſch Profanen auch das Sublime,
das Heilige, das Himmliſche mit anſtreben zu helfen. Darum verwendete
ich die letzten Monate meines Aufenthaltes in Italien dazu, erkennen zu
lernen, in welcher Weiſe ſich wohl ein der Gottheit würdiger Tempel am
herrlichſten darſtellen laſſe. Nach langem Forſchen, Vergleichen und Stu=
diren
entdeckte ich dies Geheimniß der Architektur. Es lag-
In der famoſen Sieben! fiel hinter ihm eine ſcherzende Stimme
ein. Bravo, wackerer Freund, bravo, daß Du ſo freimüthig ein Bekennt=
niß
Deiner nervöſen Ueberſpannung ablegſt! Nun wird es keine Schwie=
rigkeiten
mehr machen, Dich in vollkommener Geſundheit den Deinigen
wieder zuzuführen, die nur auf dies Geſtüändniß warten, um Dich jubelnd zu ergänzen.
mit offenen Armen zu empfangen.

Es war Hardeck, welcher dieje Worte in ſehr heiterer Stimmung
ſprach, indem er hinter dem Zelte hervortrat, das ihn kurze Zeit verborgen
hatte und ihn die letzten Worte Ottokar's vernehmen ließ.
Allein die Miene, welcher er begegnete, und die entſchieden mehr Furcht
als Freude ausdrückte, ließ ihn jetzt auch zu ſpät erkennen, daß er wohl zu
früh gejubelt haben möge. Am dentlichſten verricth dies die Haltung und
der Blick Ottokars. Dieſer nämlich ſprang entſetzt von ſeinem Sitze empor,
kehrte ſich heftig gegen den Freund, brach dann in convulſiviſches Lachen
aus und ſank halb bewußtlos in die Arme des ſchnell herbeiſpringenden
Raimund.
7.
Während der aufgeregte Architett von Raimund in's Haus geleitet
ward, wandte ſich Hardeck zu den zurückgebliebenen Frauen.
Da habe ich möglicherweiſe, in der Abſicht, es recht gut zu machen,
ein unberechenbares Unglück angerichtet,: ſprach er entmuthigt. Wie konnte
ich auch ſo voreilig ſein!
ſich amn gefaßteſten zeigte. och dente mir, es iſt jetzt endlich die Zeit Lincal und Winlelmaß gebrauchen, zeichnete Riſſe und machte Entwürſe zu
für Sie gekommen, den Schleier zu lüften, welcher die Vergangenheit Ihres
Freundes nur noch dürftia verhüllt. Herr Otokar hat ſich heute durch

ſeine Erzählung ſelbſt verrathen. Anfangs - ich muß es offen geſtehen-
kam
es mir nicht in den Sinn, Argwohn zu ſchöpfen. Er ſprach ſo ruhig,
klar, verſtändig, ſein Vortrag war ſo ohne alle Affectation, daß wir nicht
anders glaubten, als er wolle uns eben eine wirkliche Begebenheit erzähler,
die ihn perſönlich gar nichts anginge. Später und namentlich in der letzten
Hälfte ſeiner Mittheilung ſchöpfte ich allerdings Verdacht. Seine Stimme
ward=leidenſchaftlicher und es ſchien mir wenigſtens, als identificire er ſich,
ohne es doch zu wollen, mit Antonio Morazi. Mein Bruder theilte meine
Auſicht, ich jah's an den Blicken, die er mir ab und an verſteckt zuwarf.
Es iſt deshalb ein höchſt fataler Zufall, daß Sie nur die letzten Worte
Ihres Freundes hörten und, darauf fußend, ſo raſch ihm in die Rede fielen
Einige Unbedachtſamkeit wird man Ihuen demnach doch wohl zur Laſt legen
müſſen.
Immer ſchelten Sie mich, mein Fräulein, ich habe es hundertmal
verdient ſagte Hardeck, ſich verſtimmt in einen Gartenſtuhl werfend. 3ch
habe einen unverautwortlichen Streich gemacht. Aber, beim Himmel, bei
Allem, was mir theuer iſt, ich meinte es gut, und ich glaubte wirklich,
Ottokar habe ſich veranlaßt geſehen, ſich Ihnen aus freiem Antriebe zu
entdecken.
Ihr Freund wird ſich alsbald wieder beruhigen, fiel Bertha ein.
Ueberlaſſen wir ihn eine Zeitlang ſich ſelbſt, ohne ihn durch Fragen zu
beläſtigen. Dieſe wollen wir jetzt lieber an ſie richten, und die wahrheits=
gemüäße
Beantwortung derſelben ſoll ohre Strafe ſein.
Dem ſtimme ich vollkommen bei,; rief Raimund ſchon von Weitem.
Sie ſollen mein Haus und meinen Garten nicht eher verlaſſen, bis Sie
eine ausführliche Beichte abgelegt haben.
Wie geht es Herrn Ottokar ?ä fragte Erneſtine theilnahmsvoll ihren
Bruder.
Er iſt ruhig, aber ſehr ernſt. Die Einſamkeit wird ihm jedenfalls
am eheſten Heilung bringen."
Wer mochte ahnen, daß der arme Mann ſo ſelenkrank ſei," ſeufzte
Erneſine.
Ich hoffe, ſo gar tief hat ſich bei Ottokar das Uebel noch nicht ein=
geniſtet
, erwiederte Raimund. Ich halte ſeine Krankheit, wenn man es
ſo neunen kann, mehr für Ueberſpannung oder nervöſe Ueberreizung. Geeig=
neter
Umgang und aufmerkſame Pflege werden ſie zu beſeitigen vermögen.
Doch darüber ſpäter. Vorerſt wollen wir unſeres Hardecks Bekenntniß
hören, damit wir die Verhältniſſe klar durchſchauen Sie ſprachen von Otto=
kar's
Familie," fuhr er, ſeine Rede direct an den Landſchaftsmaler richtend,
fort.
Wo lebt dieſe Familie? In welchem Verhältniſſe ſteht der
Halbkrante mit derſelben? Dieſe Fragen bitte ich zu beantworten. Denn
wenn wir erſt wiſſen, um was es ſich eigentlich handelt, läßt ſich weiter
über die Mittel und Wege berathen, die zum Heile des Ueberreizten einge=
ſchlagen
werden mögen."
Man ſollte doch nie dem bloßen Ungefähr eine wichtige Entſcheidung
anvertrauen,; nahm nach dieſer Aufforderung Hardeck das Wort. Der
Zufall bleibt in alle Ewigkeit ein höchſt unzuverläſſiger Geſelle, der eben
ſo leicht Gutes wie Böſes auſtiften kann. Hören Sie denn, was mir von
Ottokar's Vergangenheit bekannt iſt, denn vollkommen offen iſt er auch gegen
mich nicht geweſen. Weil ich aber ſeine Verhältniſſe genau kenne, vermag
ich leichter als Andere die in Dunkel gehüllten Parthien ſeines ziemlich be=
wegten
Lebens zu erhellen und die von ihm ſelbſt mit Abſicht weggelaſſenen
Mittelglieder einer Kette wunderlicher Einbildungen und Halbbegebenheiten
Im füdlichen Tyrol iſt die Familie der Freiherren von Siebeneck in
zwei Linien angeſeſſen. Von jeher gingen aus dem Schooße dieſer ſehr
alten Familie Verehrer und Pfleger der Kunſt hervor. Es war, als pflanze
ſich die Bedeutung des Namens auf die Fähigkeiten ihrer Mitglieder fort.
So viel ich erfahren konnte, zählt ſie mehrere ganz ausgezeichnete Maler
und namentlich Baumeiſter unter ihren Ahnen, die faſt ihr ganzes Leben
nur der Kunſt widmeten, jedoch aus Familienrückſichten ſich als Künſtler
einen anderen und zwar einfach bürgerlichen Namen beilegten. Dieſer Fa=
milie
, und noch dazu dem Hauptzweige derſelben, welche das alte Feudal=
ſchloß
Siebeneck im Beſitz hat, gehört auch Ottokar an. Als Kind ſchon
unverkenubare Anlagen für die Baukunſt entwickelnd, beſchloß der Vater, den
Jeigungen des Sohnes kein Hinderniß in den Weg zu legen. War doch
auch der Großvater des Knaben, ein würdevoller Greis, der das Stamm=
ſchloß
ſelten verließ, mit Leidenſchaft Architekt geweſen. Von ihm rührte
der theilweiſe Umbau Siebenecks her, wodurch der alte Ahnenſitz die Geſtalt
eines vollendeten Siebenecks erſt wirklich erhielt.
Hier verlebte Ottokar ſeine Jugend. Unter des alten Großvaters An=
Laſſen Sie uns nicht gleich verzweifeln, erwiederte Erneſtine, die leitung begann er ſeine architetoniſchen Studien. Bei ihm lernie er Zirkel,
Gebäuden, die niemals zur Ausführung kommen ſollten.

Fortſetzung folgt.)
G.

Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.