Darmstädter Tagblatt 1870


04. Januar 1870

[  ][ ]

ordnuseravrouch
f.Scl- Cuk.

Beilage

Wishl.Tlkek

Darmſtädter Frag= und Anzeige=Blatt.

He. L.

Dienſtag den 4. Januar

1870

Eveznnut

Das Frag= und Auzelge=Blatt, die Beilage hierju, ſowie das Verorduunge=Blart fur den Freis Harmſtadt erſcheinen wöchenlich: Erſteres Camſiaſas, die Beilatze
Dienſtags und Letzteres Donnerſtags. Jahres=Abonnement der drei Blätter zuſammen 2 fl. Auswärts kann man bei allen Poſtämtern abonniren In Tarmſtckt
Hi der Ervedition.-Akeinſtraze. Nr. 23 neu-

Verſteigerungen.

Eordeaux

1865r Hargauz
per Flaſche fl. 1. 12 kr.:
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fl. - 42 kr.
1865r Chateau Marganz
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1864r
I. 1. 30 kr.
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Franzöſiſche Champagnor von Hoét u. Chan-
don
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ſowie mein jehr reiches Lager in ausläudiſchen
Welnen & Spirituosen, für deren
Aechtheit garantire und worüber Preis=Courante
abgebe, halte beſtens empfohlen.
Friedrich Eichberg,
Rheinſtraße.
Großherzoglicher Hof=Lieferant.

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laden
, Glasaufſatz, beide für jedes Geſchäft paſ=
ſend
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Gehor- dorf, Sachſen. Nachdem ich

hoffuungslos das 1. Fläſchchen brauchie, ſpürte ich
erſt beim 2. Beſſerung und bin jetzt nach 5 =
chentlichem
Gebrauch ſo weit, daß ich die leiſeſte
Unterredung ohne auf den Mund zu ſehen, ohne
Mühe verfolgen kann. Ich bin ganz glücklich
darüber, bitte aber noch um ½ Flaſche ꝛc."
Julie Fernow in Bad Ems. 280 Dank=
ſchreiben
von Geheilten bei jeder Flaſche!
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Depot bei Th. Brugier in Karlsruhe
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im 1 Centner billiger, empfiehlt
L. Gelfius, Schulzengaſſe 22.

65) Schloßgartenſtraße Nr. 9 ſind 2 Ein=
legſchweine
zu verkaufen.

66) Ein Garten im Hohlenweg iſt zu ver=
aufen
. Näheres bei Friedrich Beutel, Obergaſſe 23.

Das Adreßbuch für Darmſtadt u. Beſſungen f. d. Jahr 1870
iſt in der E. Wck Kep'ſchen Hofbuchdruckerei, Louiſenſtraße 18, erſchienen und daſelbſt zu dem

Preis von 1 fl 6 kr. zu beziehen.
[10
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13 Pfeffernüsse;
L Vorzüglichen Honig Lebkuchen;
Aecht ungarisches Königsmehl & Viener Kaiserauszug;
4
4 Weichkocnende Hülsenfrüchte;
e3 Alle Sorten Suppenfrüchte: Nudeln, Maccaroni, Tapioca ete.

Lwetschen & Brunellen;
Hilch, süssen, sauren- & Schlag Rahm;
Frische Gemüse;

Südfrüchte: billige Citronen, Orangen & Maronen,
empfichlt
Par
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Joh. Bornet,

große Ochſengaſſe.
12)
142
23
296
254
249
40 4005 g0gol d
196
1444h4e,
AARthuundi Nruunhrandunzrrauznnuuzz

4

8611

93¾
9trthſchefts=Empfehlung.

2 Mit Gegenvärtigem mache ich meinen Freunden und Bekannten, ſowie einem geehrten 44
T Publikum die ergebene Anzeige, daß ich den Felſenkeller des Herrn Vierbrauereibeſitzers:
R Breidenbach übernommen und zu einer Winter=Wirthſchaft hergerichtet habe, 88
T welche ich den erſten Weihnachtsſeiertag eröffnen werde. Durch gute Geträule und gut F
2 zubereitete Speiſen, ſowie aufmerkſame Bedienung werde ich ſuchen, meine verehrten Gäſte 23
in jeder Beziehung zufrieden zu ſiellen, und ſehe Leinem recht zahlreichen Zuſpruch entgegen.
3
Hochachtungsvoll
Darmſtadt, den 21. Dezember 186.
24
Amton HLoss,
4

früherer Wirth auf der Achen's Mühlen.
D
4= 86
9Aꝛgneiaeg
12141
12918 Ade 24,
44
2
boo.
4)
RRRnrNraLanaant utnn An x u r aatuuin
8693) Caſinoſtraße 25 iſt per 1. April n. J.
67) Sehr gutes Dauerkraut empſiehlt
eine Wohnung von 4 Zimmern u. ſ. w. mit
billigſt L. Gelfius, Schulzengaſſe 22.

T
43
TT
44
4

Vermiethungen.

7430) Carlsſtraße 34 parterre 1 auch 2 möblirte
Zimmer für einen Herrn ſogleich zu beziehen.
7601) Magdalenenſtraße 9 im zweiten Stock
ein ſchöves Zimmer ohne Möbel zu vermiethen.
5170) Goorgſtraße Nr. 11 im Hinterbau ein
müblirt Kabinet zu vermiethen; auch kann Koſt
dahu gegeben werden.
7988) Stallung für 2 Pferde zu vermiethen.
Carlsſtraße Nr. 22.
8350) Zwei Logis zu vermiethen.
Mühlſtraße Nr. 7.

Gärtchen zu vermiethen.
Näheres im 3. Stock Nachmittags.

8559) Ein freundſiches To9ls mit ſchoner
Ausſicht, enthaltend 4 Zimmer, Küche, ab=
geſchloſſenem
Vorplatz und allem Zubehör,
an eine ruhige Familie baldigſt zu beziehen
Ernſt=Ludwigſtraße Nr. 7.
J. Enders.

5606) Waldſtraße Nr. 2 7ſt der untere Stock.
beſtehend aus 1 Laden, 3 Zimmern und 2 Ca=
binetten
, Küche, abgeſchloſſenem Vorplatz und
ſonſtigen Bequemlichieiten, bis zum 1. April
anderweit zu vermiethen.
F. Büdinger, Schloſſermeiſter.

[ ][  ][ ]

MI.

NAUNIAAAAAAAAUAAAAntNN
68) Heinrichſtraße Nr. 34 unterer Stock F
4 5 Piecen, Küche und allem Zugehör, Anfang F
H April zu beziehen Näheres ebendaſelbſt.
PALUTAARARATRRITALTTAAT¾

Vermiſchte Nachrichten.
8697) Im Monat Januar 1870 iſt
außer Mittwochs auch noch Donnerſtags Vor=
mittags
die Sparkaſſe dahier offen.
Langen, den 24. Dezember 1869.
Der Vorſtand der Sparkaſſe daſelbſt.
44) Eine Lehrlingsſtelle iſt in einem größeren
Geſchäfte zu beſetzen. Näheres bei Herrn
J. Mainzer, Ludwigsplatz Nr. 1.
51) Forderungen an die Geſellſchaft Bür=
gervereinn
bittet man bis zum 10. Januar
im Vereinslokale ſchriftlich anzumelden.
Darmſtadt, 29. Dezember 1869.
Der Vorſtand.
52) Zur Bedienung eines Herrn für Mor=
gens
und Abends ein zuverläſſiger Mann geſucht.
Wilhelminenſtraße 16.
69) Eine einzelne Dame ſucht zum 1. April
1870 eine Wohnung in der Neuſtadt von fünf
Zimmern und Zubehör, wenn möglich parterre.
Anmeldungen erbittet man bald in Waldſtraße
Nr. 21 parterre abzugeben.
70) Es wird eine Lauffrau geſucht.
Eliſabethenſtraße 39 eine Treppe hoch.

71)
Verloren!
Auf dem Neujahrsballe der Vereinigten Geſell=
ſchaft
wurde in der Damen=Garderöbe ein Battiſt=
Taſchentuch, gez. J. W., verloren. Man bittet
um gef. Abgabe Bleichſtraße 26 parterre.
Städtiſche Gas=Controle.
Contractliche Lichtſtärke: 20 Kerzen auf
5 Cubikfuß Gasverbrauch per Stunde.
Der Kohlenſäuregehalt des Leuchtgaſes darf
1 Procent nicht überſteigen.
Am 28. Dezember 19 Kerzen Lichtſtärlke,
185
29.


180
30.
2. Jan.1870 1,54 Procent Kohlenſäure.
Varmſtadt, am 3. Januar 1870.
Der ſtädtiſche Gas=Controleur:
Dr. Wilhelm Hallwachs.
72)

Im Großherzoglichen Holzmagazin
wird gegen Vorauszahlung abgegeben:
Buchen=Scheidhslz zu 10 fl. 20 kr. per Stecken
Kiefern=
6 fl. 24 kr.
Beſtellzeit: Dienſtags, Freitags und
Camſtags von 8-11 Uhr Vormittags.
Großherzogliches Rentamt Darmſtadt.
Gold-Cours.
fl. 9. 48.
Viſtolen
Holländ. 10 fl. =Stücke . 9. 54-56.
Rand=Ducaten.
5. 36-38.
20 Franes=Stücke. . 9. 27½- 28½
Engl. Souverains.
Il. 53-57.
Preuß. Friedrichsdor 9. 58-59

Großherzogliches Hoftheatee.
Dienſtag, 4. Jan. 11. Vorſt. im 5. Ab.:
Dir wie mir. Schwank in 1 Akt. Dazu:
Die Memoiren des Teufels. Luſtſpiel in
3 Akten. In beiden Stücken Hr. Sontag,
vom K. Theater in Hannover, als Gaſt.

37) Mehrfach dazu aufgefordert, beabſichtigt die Unterzeichnete ihren jährlichen Geſchichtskurs
wieder aufzunehmen und dieſes Jahr die deutſche Geſchichte und Literatur des 19. Jahr=
hunderts
zu beſprechen, für den Fall, daß ſich, da die Jahreszeit ſchon etwas vorgerückt, eine
genügende Anzahl von Theilnehmerinnen findet. Man bittet daher die Anmeldungen ſpäteſtens bis
zum 1. Januar machen zu wollen.
Loniſe Büchner, Nr. 39 Grafenſtraße.
Ntat1AN UAAAAAAtAn AAAArAnAAAAAAn AAAAnAAAiirAArAAAAAnk
Prämien-Anleihe der Stadt Barl Malien:
8 von 9 Millionen, rückzahlbar mit 27 Millionen 350,000 Lire (28 kr.).
45
Nächſte Ziehung am 10. Januar 1870.
Jede Obligation im Nominalbetrag von Lire 100. - muß mit Lire 150. - oder
F ca. Rthlr. 40. - im Lauſe der Ziehungen rückverlooſt werden.
Außerdem nimmt jede Obligation an 180 Prämien=Ziehungen Antheil, wobei die P
F Prämien von
8
4 500000, 300,000. 150,000, 20mal 100000, 70000 60,000 50000 Lire u. ſ.f
F gewonnen werden müſſen. Durch die bis jetzt bei keinem anderen Loos=Anlehen beſtehende Plan=
F Einrichtung, daß jede Obligation, ſelbſt wenn ſe ſchon mit Lire 150. - rückgezahlt
K worden iſt, dennoch an allen weiteren Prämienziehungen Theil nimmt und
E mithin eine unbeſchränkte Anzahl Gewinne erlangen kann, bietet dieſes An=
K lehen einen bisher noch nicht dageweſenen Vortheil.
B
Original=Obligationen zu fl. 39. oder Rthlr. 22. 10 Sgr. (Pläne gratis) empfehlen
Moriz Stiebel Söhne
Bank= und Wechſel Geſchäft in Frankfurt a. M.
Wee-An= und Verkauf aller Anlehens=Looſe, Statseffecten, Actien, Coupons ꝛc.
beſorgen wir zum Börſencourſe.
(62

73)

AE AAULAAAAAtAAUAAAAgrgs
chützen=Geſellſchaft.

Den Geſellſchafts=Mitgliedern zur Kenntnißnahme, daß der ſeitherige Geſellſchaftsdiener das
Schießhaus verlaſſen und daß daher, wer uach der Scheibe ſchießen will, bis aufweitere Be=
nachrichtigung
, ſelbſt für einen Zeiger zu ſorgen hat.

Geſellſchaft Bürgerverein
[74
S a m ſt a g d e n 15. J a n u a r
WAIL,

141

im Gaſthauſe zur Traube
Aufang Abends 8 Uhr.
Einzuführende Fremde müſſen bis zum 14. d. Mts. im Vereinslokale
ſchriftlich angemeldet ſein.
Der Vorſtand.

PAiliAiAiAiAini A AAihrAAiAAAiAAA Ach
75) Wegen der Neujahrs=Gratulationsbeſuche haben ſich durch Gaben an die Kleinkinderſchule
weiter entſchuldigt: Hr. Kaufmann L. Hein. Hr. Oberſteuerrath Göring. Hr. Stabsarzt Dr. Göring.
Hr. Vice=Oberſtjägermeiſter Frhr. v. Bibra. Hr. Aſſiſtenzarzt Dr. 2 Schmidt.
aupapapaaarsyzen
RAauntahuiieereeeoe,
76) Die geehrten Herren Inſerenten werden wiederholt darauf aufmerkſam gemacht, daß 8
84 Anzeigen, welche in nachſtehenden Zeitungen erſcheinen ſollen, nur dann pünktlich zur Aufnahme
gelangen, wenn ſie der
23
8nnonon npolition Vol. I. Jallhsd6e inlrankfurta Il;
O oder deren Filialen in Stuttgart, München, Nürnberg,
AAugsburg=Würnburg, Hamburg,BrüsselaRern
C zur Beſorgung übertragen werden, indem dieſer Firma die alleinige Entgegennahme
2 von Anzeigen contraetlich übertragen wurde.

H Neueste Nachrichten in Augsburg,
2 Allgemeiner Anzeiger

Postzeitung


Heue Angsb. Leitung

Landbote in München,
Hlustr. Kreuzerblatt in Hünchen,
Heneste Hachrichten in Bamberg,
Heueste Hachrichten in Fürth.

Nürnberger Tagblatt in Hürnberg.

[ ][  ][ ]

A1

gartenbauverein Darmſtadt.

Die am 1. December ſtattgehabte ungemein zahlreich beſuchte Monatsverſammlung
wurde zum größten Theile durch die in unſerm früheren Berichte angekündigte Vor=
zeigung
des Rebſchnitts durch den Secretär des Vereins Herr Hofgaͤrtner R. Roack
ausgefüllt. Nach länzerem einleitenden Vottrage uber die Cultur des Weinſtockes im
Allgemeinen, über Zwæk und Methode des Beichneidens, Behandlung der einzelnen
Traubenſorten u. ſ. w., brachte zunächſt der Redner an einem Rebſtocke den Schnitt, ohne
Berückſichtigung einer beſonderen Culturart oder einer beſtimm en Form, zur Ausführung
und erläuterte dabei jede einzelne Manipulation. Sodann zeigte und erklärte derſelbe
an einer Taſel zwei der bewährteſten Erziehungsarten und Formen nämlich diejenige
von Kolbe und Kecht und die von Thomery bei Fontainebleau ſo benannte Methodek).
Der Austauſch von Erfahrungen, zu welchem dieſer hoͤchſt intereſſante Vortrag Ver=
anlaſſung
gab, führte zu dem übereinſtimmenden Urtheil, daß die letztere Erziehungsart
auch in unſerer Gegend praktiſch ausführbar iſt, den reichſten Ertrag und vortreffliche
Trauben liefert, daß ſie indeſſen den Weinſtock fruͤhzeitig entkräftet, deßhalb Erneuerung
ſchon nach 12 Jahren nöthig macht, und daß ſie reichliche Düngung (mit Kaliſuperphosphat,
Gips ꝛc.) erfordert.
Ein weiterer ebenſalls recht intereſſanter Vortrag ſchilderte die gelegentlich einer
Reiſe in Italien beim Beſuch von öffentlichen und Privatgarten gemachten
Wahrnehmungen, die allerdings nicht geeignet waren, den Stand des Gartenbaus in
Italien in günſtigem Lichte erſcheinen zu laſſen. Ein dritter Vortrag hatte die Maul=
wurfsgrille
und die Mittel zu deren Vertilgung zum Gegenſtand.

Endlich theilte ein Mitglied ſeine Erfahrung uber die Cultur der amerikaniſchen
Süßkartofſel mit, deren Anbau im Großen auch hier zu Lande ſich als ſehr lohnend
empfehlen wuͤrde, wenn ſich nicht die Ueberwinterung der Knollen bis jetzt als außer=
ordentlich
ſchwierig gezeigt hätte.
E
Schließlich ſei noch, als eines Curioſums, erwühnt, daß bei der internationalen
Ausſtellung zu Hamburg dem Gartenbauverein ein Preis, beſtehend in 12 Flaſchen
Burgunder Traubenſaft, bei Guben in Brandenburg gewachſen, zuerkannt worden
war. Da der Verein als ſolcher ſich bei jener Ausſtellung nicht betheiligt hatte, ſo
E
mußte er die ihm zu Theil gewordene Ehre dankend ablehnen.
Von Herrn Kaufmann Hebberling waren Blumenſtäbe ausgeſtellt, die ſich
durch gleichmäßige Arbeit und Wohlſeilheit empfehlen und wurde ferner von einem
Mitgliede eine amerikaniſche Hacke aus Stahlblech vorgezeigt.
Die nächſte Verſammlung wird am 5. Januar, Nachmittags 3 Uhr, im Gartenſaale
des Darmſtädter Hoſes abgehalten werden, wobei man darauf aufmerkſam macht, daß
jedem Mitgliede ſtatutenmäßig das Recht zuſteht, Gäſte einzuführen. Auf der Tages=
ordnung
ſteht u. A. ein Vortrag über die neueſten Birnſorten und Be=
-h.
rathung über die in 1870 abzuhaltenden Ausſtellungen.

4) Eine ausführlichere Erklärung dieſer Methoden iſt hier nicht am Orte und ohne
Zeichnung kaum möglich. Wir verweiſen deßhalb auf Kecht, verbeſſerte Wein=
culimmethode
-Rubens, Winzerbuch Lucas, Obſtbaumzucht nach Hardy,
Jäger, illuſtrirtes Gartenbuch u. A.

Auf und unter der Düne.

Wenn leichtes Gewölk den Himmel bedeckt, und dann plötzlich, jetzt durch
weißlich ſchimmernde Dunſtſtreifen, jetzt durch dunkle Wolkenballen, die Sonne
flammt und ſich in dem Kryſtall eines ruhigen Meeres ſpiegelt, über das
hundertfarbige Schatten gleiten; dann erfreut und erquickt ſich das Auge
des Menſchen au einem ſo eigenthümlich ſchönen und großartigen Schau=
ſpiel
. Dieſen Genuß, welchen der Bewohner eines Binnenlandes entbehrt,
wogegen ihm freilich andere zu Gebote ſtehen, hat der Anwohner der Meeres=
küſte
, mehr noch der Inſulaner zahlloſe Male im Jahre. Er gewöhnt ſich
häufig dergeſtalt daran, daß er nichts dabei denkt, wenig dabei empfindet.
Sein Auge aber weidet er doch immer gern an dieſem Schauſpiele. Wäre
es anders, würde er dann wohl Stunden lang auf dem kahlen Kamme des
Seedeiches ſitzen, dem monotonen Wogenſchlage der Brandungswelle lauſchen,
dem Spiele des Schaumes zuſehen, den das Meer über Steingeröll und
Tanggeäder kräuſelt? Oder hinaufklettern auf die ſchattenloſe Düne, deren
weißer, brennender Sand das Auge blendet? Dies Surren der Wogen,
dies Blitzen des Schammes, dies nie ruhende Spiel mit Sonnenfunken und
farbigen Schatten lockt auch den Sohn der Küſten und Inſeln hinaus auf
die endloſe Waſſerwüſte. Es iſt der nie verſtummende Geſang der Sirenen
vor dem er vergebens ſein Ohr verſtopft, jener Geſang, der die Schiffahrt
erfunden hat und den Seefahrer neue Welten entdecken ließ.
Im letzten Jahrzehnt des achtzehnten Jahrhunderts pflegte der kaum
ſiebenzehnjährige Sohn enes Schiſfers, der eiuige Jahre früher einen ehrlichen
Seemannstod auf dem Meere gefunden hatte, faſt Tag für Tag die hohe
Dünenſpitze zu erſteigen, die ſich dicht hinter dem kleinen ſauberen Häuschen
erhob, das der angehende Jüngling mit ſeiner noch rüſtigen Mutter jetzt
ganz allein bewohnte. Uwe Peter Bleiken war der Sohn von Jens Lars
Bleiken, einem unternehmenden, vielgereiſten Capitain aus dem Dünenorte
Nantum auf der Iuſeln Shlt. Daß der Sohn ebenfalls Seemann werden
wollte, konnte ihm Niemand verdenken. Das Fahren zur See auf Ham=
burger
, Bremer und Holländiſchen Schiffen brachte Geld und Ehren. Die
Mehrzahl aller kräftigen Shlter widmeten ſich mit Leidenſchaft der Schiff=
fahrt
, und wenn auch viele unter ihnen auf ihren oft weiten und Jahre
lang dauernden Reiſen verunglückten, die Meiſten kehrten nach zahlloſen
Abenteuern zurück auf die Heimathinſel und verlebten, wenn ſie des Herum=
ſchwärmens
auf allen Meeren und der harten Strapazen endlich müde ge=
worden
, den Reſt ihres Lebens in behaglichem Wohlſtande

Uwe Peter Bleiken kannte bereits die See, deren Annehmlichkeiten und
Schrecken. Zwei Reiſen ſchon hatte er mit dem Vater gemacht, die erſte
als Schiffsjunge im dreizehnten Jahre nach Grönland, Novaja=Semlja und
Spitzbergen, um Robben zu ſchlagen und Wallfiſche zu fangen. Er ver=
ſtand
mit der Harpune umzugehen, obwohl er damals noch zu ſchwach war,
um ſie handhaben zu können. Jetzt würde ihm dies beſſer geglückt ſein.
Auf ſeiner zweiten Reiſe beſuchte der junge Uwe das mittelländiſche Meer,
ging am Strande von Alexandrien ſpazieren und verſpeiſte in Tunis
Datteln, die er ſelbſt gebrochen hatte. Wer hätte es dem ſchlanken Jungen,
der da im pfeifenden Sandhafer lag und mit ſeinen hellgrauen ſcharfen
Augen die Kaninchen verfolgte, die ungeſtört in den blaßgrünen Binſen ihr=
Weſen trieben, wohl angeſehen, daß er ein ſo weit gereiſter Mann ſei, der
etwas erzählen könne?
Am längſten hing das Auge Bleikens an dem Meere, das im wechſeln=
den
Sonnenlicht ſeine feſſelndſten Zauber entfaltete. Die Brandung legte
ihr ſilbernes Schaumgeſchmeide um die weißglänzenden Dünen; Möven und
Taucher wiegten ſich bald in der weichen warmen Juniluft, bald ließen ſie
ſich auf dem breiten Rücken einer rollenden Woge ſchaukeln.
Der Ruf: Träumſt Du wieder, Uwe?u machte den Jüngling
aufſehen.
Wenige Schritte von ihm entfernt ſtand ein Mann im kräftigſten Alter,
hoch gewachſen, mit ausdrucksvollem Geſicht, deſſen bräunliche Farbe auf
ein Leben in freier Luft deutete.
Wie lange willſt Du denn hier liegenzu fuhr der Mann fort, der
Mutter, die freilich am meiſten Schuld iſt an Deinem Bleiben, zur Laſt
fallen, inſofern Du unverdientes Brod bei ihr verzehrſt, und dadurch ein
Faullenzer werden? Kannſt Du's aushalten, das Meer anzugucken und doch
nach keinem Riemen zu greifen ?u
Uwe Peter Bleiken war ſchon längſt aufgeſtanden und ſah dem Sprechen=
den
trotzig in's Geſicht.
Gott weiß es, Booyſen, verſetzte der junge Menſch, es kommt mir
ſchwer genug an, meine Zeit mit Nichtsthun zu tödten! Früher, vor
einigen Monaten, war es noch eher auszuhalten, denn ich hatte doch etwas
zu thun. Ich konnte den Zann pflegen um unſern netten Garten; ich übte
mich in Gärtnerarbeiten, grub, ſäete, pflanzte, oculirte Bäume, verſchnitt
die dürftigen Weinreben, die zwar keine Trauben liefern, im Sommer aber
doch ihre grünen Blätterranken ſo zutraulich an unſer Haus ſchmiegen. Im
vergangenen Jahre war es noch beſſer. Da trug unſer Ackerland noch
Gerſte und Roggen, und als die Heuerndte kam, haben wir noch leidlich
gut eingeheimſt, obwohl am äußerſten Weſtrande unſerer Wieſen ſchon viel
Sandſtaub lag. Das Alles iſt jetzt anders geworden. Die letzten drei
Monate ſind uns und unſeren Nachbarn ſehr verderblich geweſen.
Boohſen blickte oſtwärts, wo unterhalb der ſchützenden Dünenkette eine
Reihe kleiner Häuſer lag, deren Gärten den Dünen zugekehrt waren.-
Das- ſiehe trübſelig aus, ſprach er einſt. Noch ein paar ſolche
Stürme, wie der im vergangenen März, und da, wo jetzt noch Feuerlilien
und Ritterſporn blühen und das Geisblatt die kleine Laube überdeckt, in
welcher Deine Mutter ſo gern ſitzt, ſtrudelt die Sandwelle im Winde, und
baut nach und nach eine neue Düne."
Ich fürchte es - ſagte der junge Bleiken, und gerade das iſt es,
was mich abhält, meinen längſt entworfenen Plan auszuführen."
Welchen?' fragte Boohſen.
Wär's nicht die Furcht, es könne meiner einſam lebenden Mutter ein
Unglück zuſtoßen, ſobald die Herbſtſtürme ſich einſtellen, ſo hätte ich ſie
wahrhaftig ſchon längſt heimlich verlaſſen, um Dienſte auf einem Schiffe
zu nehmen. Begreifen kann ich's wohl, daß die Mutter den Sohn feſtzu=
halten
ſucht, ſeit ſie den Gatten auf dem Meere verloren hat. Ich aber
fürchte mich nicht. Mich drängts vielmehr, wieder hinauszuſteuern auf die
See, wo des Vaters Geiſt mir näher iſt, als hier auf dem Lande, wenn
ich nur wüßte
Ich weiß, was Du ſagen willſt, Uwe, ſiel Booyſen dem Jüngling
ins Wort. Du möchteſt Deine Mutter ſicheren Händen übergeben. Könnte
dies geſchehen, nicht wahr, dann folgteſt Du dem Beiſpiele Deiner Vor=
jahren
, die alle Seefahrer waren und von denen auch mancher, wie Dein
Vater, ſtatt im Dünenſande in den grünen Alpenlauben des Meeres
chlummert 2
Keine Stunde mehr bliebe ich am Lande folgte die Mutter meinem
Rathe oder Vorſchlag, und vertauſchte dieje Wohnung mit einer anderen."
Will ſie nichts davon hören?u fragte Booyſen.
Sie hat mir ſogar verboten, jemals wieder ein Wort davon zu
ſprechen, verſetzte Bleiken. Wo ſie ſeit ihrer Verheirathung gelebt hat,
da will ſie auch ſterben. Es iſt das einzige, was mir von ihm, den die
wilde See mir geraubt, übrig geblieben, ſagte ſie. In dieſem Hauſe
lebte, ſchaffte er, fühlte er ſich glücklich, wenn er ſich von einer langen
Reiſe zu einer noch längeren ein paar Monate ausruhte. Da hab ich mit
ihm Thee getrunken am Fenſter, das auf die Dünenkette von Hörnum hin=
ausſieht
; da hat mir Lars ſeine Erlebniſſe erzählt und ſich immer ſo glück=

[ ][  ]

4

R1

lich gefühlt, wenn ich aufmerkſam zuhörte. Rein, mein Sohn, dieſe Stätte
kann ich nicht verlaſſen. Es wäre mein Tod. Hier allein weht für mich;
Lebensluft; es iſt dieſelbe Luft, die ich gemeinſam mit meinem unvergeßlichen
Lars aus= und einathmete.
Was Dir nicht gelungen iſt, vielleicht bringt es ein Anderer leichter
zu Stande,, ſagte Booyſen. Ich werde nächſtens mit Deiner Mutter
ſprechen. Sie kennt mich als einen Mann, der nur das Rechte will und
der es ehrlich mit Euch Beiden meint. Dein Vater war ja mein Freund,
einige Jahre ſogar mein Genoſſe auf ein und demſelben Schiffe. Ich
denke, mir wird die Mutter Gehör ſchenken und meinen Gründen folgen.
Ich will es wünſchen, meinte Uwe, ſein Blick war aber trübe und
ſeine Stimme klang nicht hoffnungsvoll.

Eigentlich," fuhr Booyſen fort, quer über die Dünen deren Abhange
nach Oſten zuſchreitend, eigentlich iſt jeder Wiederſtand offenbare Thorheit.
Wie viele Jahre werden vergehen und ganz Rantum hat aufgehört zu
exiſtiren. Dort, ſiehſt Du die neuen Häuſer unfern der Binnenſee? Ihre
Bewohner lebten noch vor drei Johren weiter im Süden, wo jetzt ein breiter
Sandwall die Ausſicht ſperrt. Sie ſahen mit prophetiſchem Blick das Un=
glück
nahen und zogen es vor, ihm aus dem Wege zu gehen. Darum
brachen ſie ihre Wohnungen ab und bauten ſie im Oſten wieder auf. Neu=
Nantum, hör ich, wollen ſie den Ort nennen.
Es werden ihnen noch zwei Andere alsbald nachfolgen,= ſagte Uwe."
Ich hab es von ihnen ſelbſt gehört, und gerade deßhalb ſprach ich mit
der Mutter. Noch Andere, denen die Lage im Oſten des flachen Strandes
nicht gefällt, wollen, glaub' ich, nach Weſterland überſiedeln. So wird das
alte Rantum ſchnell verwaiſen, gerade dadurch aber auch für die Wenigen,
welche ihre Wohnſitze hier nicht aufgeben wollen, deſto gefährlicher werden.
Das fürcht ich nicht, erwiederte Boohſen. Schon geraume Zeit
hat man Verathungen gepflogen, was wohl zu thun ſein möge, um das
zerſtörende Vorſchreiten der Dünen zu verhindern. Weiter nördlich hat
mau ihnen bisher feſte Grenzen zu ſtecken vermocht, im Süden ſcheint ſich
der Sandhafer nicht ganz zu bewähren. Es dürfte dies aber nicht an der
Pflanze liegen, ſondern in der größeren Gewalt der Stürme, welche hier
die Dünen lockerer bauen und nie ganz zur Ruhe kommen laſſen, zu ſuchen
ſein. Auch dräugt die Fluth nach, wäſcht und ſpült an dem Dünengrunde,
zerſchlägt im wilden Brandungsſturme deren Wände und fegt ſie entweder
ganz fort oder jagt ſie unaufhaltſam weiter landeinwärts. Gerade weil
man durch längere Beobachtung und durch die neueſten Unterſuchungen dieſe
Teberzengung gewonnen hat, wird vermuthlich ein Befehl erlaſſen werden,
welcher den gegenwärtigen Bewohnern des alten Rantum andere Wohn=
plätze
anweiſt.
Dieſe Bemerkungen ſchienen den jungen Bleiken zu beruhigen. Er
wandte ſeine Gedanken einem Gegenſtande zu, der ihn ſtets beſchäftigte und
richtete die Frage an Vooyſen:
Waun gehſt du wieder auf Reiſen zu
Es iſt noch ungewiß ;u verſetzte der Seemann, der ſchon längſt als
Capitain bald auf der füdlichen, bald auf der nördlichen Erdhälfte ſich um=
geſehen
hatte. Es kommt darauf an, ob ich ein Bremer oder eim Ham=
burger
Schiff übernehme. Noch hab ich= mich nicht eutſchieden, denn es
eilt nicht."
Nimmſt Du mich mit z
Wie ſollt ich nicht, nur muß die Mutter es erlauben. Ohne ihre
Einwilligung thu ich es nicht. Das könnte uns Beiden Unglück bringen.
Gut," ſagte Uwe Bleiken, ich halte Dich beim Wort. Nede bald
mit meiner Mutter, ſetze ihr Deine Gründe auseinander, werde aber nicht
dringend;denn ſie hat die Eigenheit, dringende Leute ganz ruhig ausreden zu laſſen,
ohne ihnen jemals eine Antwort zugeben. So hartnäckiges Schweigen aber iſt
noch ſchlimmer als eine laut ausgeſprochene Weigerung. Uebrigens hoffe
ich, ſie willigt ein und läßt mich ziehen; denn daß ich hier verkomme, am
Ende gar vor lauter Sehnſucht nach dem Mecre krank und elend werde,
mag ihr doch in den letzten Wochen, wo ich jede Stunde, deren ich habhaft
werden kann, in und auf den Dünen zubringe, einleuchtend geworden ſein.
Freilich läßt ſie kein Mittel unverſucht, mich zu erheitern, mir Zerſtreungen
vorzuſchlagen; ich höre aber nicht darauf, und ſie ahnt, daß ich mich un=
glücklich
fühle.
Es joll anders werden, meine Hand darauf," ſagte Booyſen. Ver=
laß
Dich auf den Freund Deines verewigten Vaters. Ich nehme Dich zur
nächſten Reiſe, mag ich ſie von Glückſtadt aus oder von Bremerhafen an=
treten
, als Halbmatroſe mit an Vord."
Vooyſen verabſchiedete ſich von dem Sohne ſeines verſtorbenen Freun=
des
, um den Strandvoigt von Rantum zu beſuchen, mit dem er über den
bedenklichen Zuſtand der Hörnumer Dünen ſprechen und einiges Nähere
über Bleiken's Mutter erfahren wollte. Uwe aber vertiefte ſich wieder in
das Labhrinth der Sandhügel, die jetzt deshalb ſeine Welt waren, weil ſie
dem Meere zunächſt lagen und er von ihren Gipfeln aus meilenweit die
Nordſce überblicken, ſehnſuchtsvoll den Wimpeln und Segelfittigen folgen
Redaction und Verlag: L. C.

konnte, die meiſtentheils in beträchtlicher Entfernung von der Inſeln am=
Horizoute bald nord= bald jüdwärts vorüberzogen.
2.
Was hätte eine Düne nicht Alles zu erzählen, wenn ſie ſprechen könnte!
Jedes der Milliarden Sandkörner iſt eine Welt für ſich, hat jeine eigene
wunderbare Geſchichte. Abends, wenn der Mond über der Tüne aufgeht
und röthlich gelbe Lichtfunken an die nickenden Gläſer und Binſen heftet,
daß ſie wie Leuchten der Gnomen blitzen, die über die Sandwelle am
Strande wandern dann flüſtern tauſend zarte Stimmen und erzählen der
ſchweigenden Nacht Abenteuer auf Abenteuer. Auch im traulichen Zimmer
kann mann dies Wispern der Sandkörner vernehmen, wenn die Stimme der
Menſchen ſchweigt und nur der Holzwurm im Getäfel pickt. Es ſind aber
keine Märchen, es ſind lauter Erlebniſſe die in dieſem Geſäuſel, das die
Luft an den Dünen erfüllt, für ein aufmerkſames Ohr erklingen. Nord=
und Südpol umarmen ſich auf ſolcher Dünenſpitze. Da liegt ein Sand=
korn
, das mehr denn hundertmal am Nordcap vom Geiſterſchein der Mitter=
nachtsſonne
angeglüht ward dann auf den Händen des Nordſtums über
Norwegens Fiöllen, vorüber an den Gleiſchern des Sulitelma, über die
Waſſerſtürze der ſchäumenden Elven eine Reiſe antrat nach dem 3ökuln
Jslands, von dort ſüdwärts trieb, an den Küſten Nordjütlands zum erſten
Male von den Lippen junger Nixen ein deutſches Lied ſingen hörte, und
endlich auf den weiten Dünenfeldern Hörnum's eine bleibende Heimath fand.
Daueben macht es ſich ein Sandkorn aus Afrika bequem, das dereinſt die
Hieroglyphen an einem Pharaonenſarge ſtndirte, mit der Memnonjäule beim
erſten Frührothſchein ein Gebet zur Sonne hielt, dann auf der Pyramide
des Cheops eine Sieſta verträumte, und endlich, vom Samum erfaßt, an
ſterbenden Karavanen, bleichenden Gebeinen verſchmachtender Mekkapilger
vorüber, auf dem Gefieder eines Storches ſich über das Mittelmeer und
Frankreichs Fluren nach der ſtillen Frieſeninſel tragen ließ. Solche Welt=
reiſende
haben Großes, Seltſames, Herrliches und Schreckliches erlebt, und
wer ſie zum Sprechen brächte, würde mehr Neues erfahren als Alles, was
bis jetzt in den zahlreichen Büchern der reichhaltigſten Bibliothekin zu
leſen iſt.
Die nicht eben hochbejahrte, aber doch von den Sorgen des Lekeus ge=
beugte
Frau, welche jetzt den kleinen Tiſch mit weißem Leinentuch überbreitet,
ein Salzfaß aufſtellt, das aus einer ſeltenen Muſchel (unſtvoll gearbeit iſt
und in einem Kunſtkabinet vielleicht bewundert werden würde, dann ein
frugales Abendbrod für nur zwei Perſonen in Vereitſchaft hält: dieſe Frau
hört wohl zuweilen auf das Flüſtern des ſeltſamen Nauſchens um die kleinen
Fenſter. Die Sonne iſt eben hinter den Tünen in's Meer verjunken. Die
bis dahin purpurn glüher den Sandkegel liegen jett grau, einige ſogar
ſchwarzgrau da. Die Sce wirft lange, weiße Schaumwellen an den flachen
Strand im Oſten; zwiſchen den Watten, über die jetzt die Fluth ſich er=
gießt
, werden ein paar kleine Küſtenfahrer flott, die mit dem ablaufenden
ſ.
Waſſer auf den Grund geriethen. Einige Schlitaufek, die ſich beim Suchen=
nach
Auſtern oder eßbaren Muſcheln und anderen werthvollen Dingen, die
oft der Grund des Meeres birgt, verſpätet haben, eilen wie Geiſter ſchat=
tenhafte
, rieſengroß dem Strande zu, den ſie auch glücklich erreichen. Nur
Er, der längſt Erwartete, kommt noch immer nicht, und doch hat das Auge
der Seemannswittwe ſchon ſeit ein paar Stunden jehnſüchtig nach ihm aus
allen vier Fenſtern des niedrigen Zimmers ausgelugt.
Endlich, als im Nebel Strand, Dünenkegel, Meer und die zackigen
Formen der Häuſer auf den Halligen verſchwinden, vernimmt ſie Schritte,
und gleich darauf begrüßt ſie der gute Abend: des Sohnes.
Guten Abend, Uwe, verſetzte die Mutter. Tu warſt wieder in
den Dünen ?
Ja, Mutter, in den Dünen, auf den Dünen, wie Tu willſt."
Er wäre beſſer, Du unterließeſt dieſe Spaziergänge. Es iſt nicht
immer geheuer in dieſen unheimlichen Sandwüſteneien, denn maucher arme
Schiffbrüchige, den das Meer lebendig an den Strand warf, ſchlägt unter
der Düne, oder ſeine gebleichten Gebeine ſind ſpäter ein Spiel der Meeres=
wellen
geworden. Es ruft mehr als Einer um Nache wegen ſchändlicher
Ermordung durch die Hand frecher Strandräuber.
Geiſter fürchte ich nicht, Mutter,/ erwiederte Uwe. Ich habe Nie=
mand
betrogen, Niemand erſchlagen, das Meer und die Dünen aber kann
ich nicht meiden. Dahin ruft mich der Geiſt meines Vaters."
Der Geiſt Deines Vaters lu wiederholte die Mutter traurig. Er
wird Dich ſo lange rufen, ſcheint's, bis dieſer Geiſterruf die Stinme der
lebenden Mutter übertönt. Fehlt Dir etwas bei mir? Haben wir nicht
zu leben!
Müſſiggang iſt kein Leben; ſprach Uwe mißmuthig. 3ch will
wirken, ſchaffen, der Welt dienen und nützen. Du haſt Recht, Mutter des
todten Vaters Stimme wird mich in die Sce locken."
Die Mutter, eine jener hohen und ernſten Frauengeſialten, wie man
ſie häufig auf den nordfrieſiſchen Inſeln trifft, drückte den Sohn an ſich
und ſagte:
Vortſ. folgt.
Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.