nzeige=Blatt.
Dienſtag den 27. Juli
1869
Das Frag= und Anzeige=Blatt, die Beilage hierzu, ſowie das Verordnungs=Blatt für den Kreis Darmſtadt erſcheinen wöchentlich; Erſteres Camſtags, die Beilane
Dienſtags und Letzteres Donnerſtags. Jahres=Abonnement der drei Blätter zuſammen 2 fl. Auswärts kann man bei allen Poſtämtern abonniren In Darmſtadt
bei ver Expedition, Rheinſtraße, Nr. 23 neu
Verſteigerungen.
Bekanntmachung.
Die auf Donnerſtag den 29. Juli d. J. in
der Neckarſtraße Nro. 24 annoncirte Mobiliar=
Verſteigerung unterbleibt.
Darmſtadt, den 26. Juli 1869.
Großherzogliches Ortsgericht Darmſtadt.
Der Vorſteher:
Berntheiſel.
4867)
Lieferung von Bivouaks=Bedürfniſſen.
Dienſtag den 30. d. Mts. Vormittags 11 Uhr
wird auf dem Büreau der Diviſions=Intendantur
dahier die Lieferung des Bedarfs an Fleiſch,
Victualien, Brennholz und Lagerſtroh für die
während der diesjährigen Herbſtübungen der
Großherzoglichen (25.) Diviſion vom 23. Auguſt
bis 3. September in Lich, Hungen, Düdelsheim,
Altenſtadt, Nieder=Wöllſtadt, Groß=Karben und
Kloppenheim zu errichtenden Manöver=Magazine,
durch Submiſſion vergeben werden.
Die Lieferungs=Bedingungen lönnen täglich
auf dem genannten Büreau eingeſehen werden.
Darmſtadt, den 23. Juli 1869.
Großherzogliche Intendantur der (25.) Diviſion.
Schimpff.
4868)
Feilgebotenes.
täglich in verſchiede=
Gefrorenes nen Sorten, ebenſo
„2
Selters. & Goda-Wasser bei
Carl Eichberg, Hof=Conditor,
Ludwigs= und Soderſtraße.
4469) Coͤlner Zucker, milchweiß (obne Bläue.)
mit Stempel verſehen; ſowie gebrannten
gelben Java=Caffee, zartſchmeckend, per Pfd.
48 kr. empfiehlt
G. Amend, vorm. G. Krau s.
4631) Eine zweite Schur Klee vorm
Neckar=
thor iſt zu verkaufen bei Handels=Gärtner Bölker.
bei.
„2
Weis-Mtärke
G. L. Hriet.
4869) Louiſenſtraße Nro. 24 iſt ein halber
Morgen Hafer zu verkaufen.
4870) Aechten Oſthofer Weineſſig per
Maas 12 u. 16 kr., letzterer ganz vorzüglich zum
Einmachen, nebſt allen Sorten Ffriſche Gewürze
empfiehlt
Ph. Hebermehl,
Schulſtraße.
Fahrtenpläne des Zommerdienſtes 1869
(mit den neueſten Veränderungen)
der Main=Neckar=Bahn, — Main=Rhein=Bahn, — Ried=Bahn, — Main=Weſerbahn, -
Maximiliansbahn, — Oſſenbacher=Bahn, — Frankfurt=Homburger=Bahn, - Hanauer=
Aſchaffenburger Bahn, — Taunus=Bahn, - Bad. Bahn, — Naſſauiſche Staatsbahn,
Württemberg. Staatsbahn, — Heſſiſchen u. Pfälziſcher Ludwigsbahn, — Rhein=Nahe=Bahn,
der Paris=Straßburger=Bahn, — Linksmainiſchen Bahn, — Gießen=Deutzer=Bahn,
in Briefformat, zu 6 kr. das Stück ſind in der G. Jonghaus'ſchen
Hofbuch=
handlung, ſowie auf unſerem Comptoir zu haben.
Ludw. Carl Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.
4615) Haidegrütz und Haidemehl,
neuen Reis per Pfund 8, 19, 12, 14 und
16 kr. empfiehlt
G. Amend, vorm. G. Kraus.
4871) Feinſtes Schwingmehl vorzüglicher
Qualität der gewogene Kumpf 1 fl.
Das Feinſte in Paquet=Stärke pr. 1 Pag. 16 kr.
„ ½ „ 8kr.
ſowie beſtes Kugelblau empfiehlt
Ph. Hebermohl, Schulſtraße.
4872) Endivien=Salatu. alle Sorten kräftige
Gemüſe=Pflanzen. D. Miſchlich, Kiesſtr. 99.
4573) Neue Grünekeru empfiehlt in
feinſter Waare billaſt
H. Bodenheimer.
4874) Selbſtgezogene Weißerübſamen,
Spinatſamen, Kehl=, Rothrüben= und Endivien=
Pflanzen bei Heinrich Schubkegel.
Vermiethungen.
4203) Nr. 3. dem Ofiziers=Caſino
gegen=
über 2 geräumige Zimmer, eine Stiege hoch,
alsbald zu beziehen.
3513) Zwei möblirte Zimmer zu vermiethen.
Martinſtraße Nr. 422.
4251) Beſſungen. Kirchſtraße 145 iſt eine
ſehr ſchöne elegante Wohnung mit 3 Zimmern,
Küche, Keller, Speicher, Mitgebrauch der
Waſch=
küche und des Bleichplatzes nebſt etwas Garten=
Antheil zu vermiethen und ſofort oder bis Ende
Auguſt zu beziehen. Preis 85 fl.
4491) Promenadenſtraße Nr. 43 eine
Wohnung, 7 Zimmer u. ſ. w., den 1. Octbr. zu
beziehen. Näheres Rheinſtraße 14 obere Etage.
NRAAuANdANNNUAAAAAUN
8 4583)
Zu vermiethen
ein großes möblirtes Zimmer,
Alexander=
ſtraße Nr. 5 Vorderhaus, im 1. Stock, F
8 beziehbar den 1. Auguſt l. J. mit oder
H ohne Koſt.
R4AAANNAnAAAAinnnnuuuun
4640) Dem Gymnaſium gegenüber, bei
Buchbindermeiſter Pfersdorf, der
eine Laden nebſt Logis für fl. 150. jährl.
4647) Schulſtraße 11 eine Werkſtätte mit
Logis im Seitenbau Anfang Oetbr. zu beziehen.
4652) Neckarſtraße Nr. 15 iſt in der bel Etage
ein ſchön möblirtes, freundliches Zimmer zu
ver=
miethen. Zu erfragen Parterre.
4747) Eine ſehr freundliche Wohnung,
3 Zimmer, Magdkammer ꝛc. ꝛc.
und ein Manſarde=Logis, 1 Zimmer 2
Ca=
binete ꝛc. ſind an eine oder zwei ruhige
Familien zu vermiethen. Beziehbar am 1. Oct.
oder auch früher. Teichhausſtraße 12.
4808) Karlsſtraße Nr. 14 im Seitenbau eine
geräumige Werkſtätte mit Logis zu
ver=
miethen und alsbald zu beziehen.
4814) Alexanderſtraße Nr. 15 im Vorderhaus
ein großes möblirtes Zimmer.
4875) Dieburger Straße Nro. 10 iſt ein
möblirtes Zimmer zu vermiethen.
4876) Beſſunger Carlsſtraße Nro. 51 ein
möblirtes Zimmer zu vermiethen.
30
112
8
Vermiſchte Nachrichten.
Volocipedes-unterricht wird ertheilt.
Anmeldungen und nähere Auskunft bei
D. Faix.
3131) (ie Knabenerziehungs=Anſtalt
2 des Dr. Muspey in
Heidel=
berg, von vielen Ausländern beſucht, nimmt
deutſche Zöglinge zu ſehr mäßigem Preiſe auf.
Eintritt zu jeder Zeit. Vorbereitung für den
Proſpecte auf
einjährigen Mllitärdienſt.
Verlangen.
M
4260) Unterzeichnete ertheilt Clavier=
Unterricht in und außer dem Hauſe.
Näheres bei Hofgerichtsaovokat Schmidt,
Alexanderſtraße Nr. 5, Vorderhaus, eine
Stiege hoch.
Minne Schmidt.
HeerateiOlfedd.
MAuuun
Mtz
PraeNrinnneie
vgIauzl
O.
S
Vehrere brave Mädchen finden dau=
Sak ende Beſchäftigung bei gutem Lohn
in der L. C. Wittich'ſchen Hofbuchdruckerei.
4759) Badebillete im Abonnement, 12 Stück
zu 1 fl. 12 kr., für Rheinbäder im neuen
Badhaus des Hrn. Sebaſtian Nagel,
ober=
halb der Metzler'ſchen Bade=Anſtalt zu
Gerns=
heim, ſtets vorräthig im Büreau des
Dienſt=
mann=Inſtitutes Expreß, Eliſabethenſtr. 46.
Darmſtadt, im Juli 1869.
Georg Herrmann.
6461) Ein junger Mann mit nöthigen
Schul=
kenntniſſen wird als Lehrling in mein Papier=
Georg Hof,
Geſchäft geſucht.
Eliſabethenſtraße im Schulhauſe
3630) Geübte Arbeiter für feine Mechanik
finden dauernde Beſchäftigung.
Gandenberger'ſche Maſchinenfabrik,
Georg Göbel.
4414) Geübte Strickerinnen finden
dau=
ernde Beſchäftigung bei
Ad. Horn, Kirchſtraße Nr. 14.
1011) Ein Lehrling wird geſucht in der Leder=
und Eiſenhandlung von J. P. Wambold.
9ec
VARETLAATAAUTTATAAALATAA4
8 4693) Ein Kindermädchen wird zum ſofor=¾
Wtigen Eintritt geſucht Ludwigsſtraße Nr. 10. F
HaauauuuuuAAAArAArrArAAai
4676)
Offene Stelle.
Ein braver, flinker, junger Menſch, der die
Photographie erlernen will und ſogleich guten
Verdienſt erhält, findet nähere Auskunft bei
G. G. Lange, in der Rheinſtraße.
5
einrichſtraße 25 parterre wird ſogleich
ein Küchen= und Hausmädchen
geſucht, die bügeln und nähen
verſteht.
. ſin ſtarkes Rollwägelchen wird zu
45. kaufen geſucht. Adreſſen nebſt Angabe
„
S
des Preiſes bittet man in der Redaction d. Bl.
abzugeben.
4768)
Verloren!
Am Sonntag deu 18. d. Abends vom Carlshof
bis zum Schloßplatz ein ſchwarzes
Seiden=
hütchen, eine Chlinderuhr mit Kette. Der
Finder wird gebeten, dieſelben Bleichſtraße 9
parterre gegen gute Belohnung abzugeben.
M. 30.
Im Garten und Gartenſaale des Barmſtädter Hoſes
4878)
Donnerstag den 29. Juli
14
H
G6.
1
ausgeführt von dem
BRN
ganzen Auſik=Horps des 3. Infanterie=Regimenks
unter Leitung des Herrn Muſikmeiſters Grimm.
Anfang 7½ Uhr.
Entree 12 kr. Perſon.
4819)
Als ſolide Kaxiizl-Anlage
empfiehlt der Frankfurter Hypotheken=Credit=Verein die von ihm auf Grund erworbener,
gegen Verluſt an Capital und Zinſen verſicherter Hhpotheken — euttirten
5p0k.
Hypotheken-Antheilöheine,
mit halbjährigen Zins Coupons verſehen.
Da dieſelben jederzeit zum Umtauſch gegen eine Hypothek des Vereins berechtigen, ſo bieten
ſie dem Capitaliſten neben pupillariſcher Sicherheit die Bequemlichkeit hypothekariſcher Anlage dar,
ohne mit den Weiterungen des Eintrags in die Hhpotheken=Bücher verbunden zu ſein. Dieſelben
werden jährlich verlooſt und mit einem Aufgelde zurückbezahlt. Sie ſind in jedem Betrage und
in Stücken von 79 fl. (40 Thlr.), 175 fl. (100 Thlr.) und 700 fl. (400 Thlr.) durch unſer
Büreau, gr. Eſchenheimergaſſe 39, fowie in Darmſtadt bei Herrn Carl Gaulé und bei
Herrn G. K. Bernhardt, Ludwigſtraße, zu beziehen.
Frankfurt a. M., im Juli 1869.
Die WDirection.
in geübter Einleger oder
Ein=
legerig wird geſucht in der
. C. Wittich'ſchen Hofbuchdruckerei.
Jurch die Ausdehnung meines Geſchäftes
2 bin ich in der Lage, geübte Stramin=
Blattflickerinnen andauernd zu beſchäftigen.
W. Hpoyor, Schloßgartenſtraße Nr. I.
4755) Mehrere gewandte Burſchen
von 16 - 18 Jahren gegen guten Lohn
geſucht. Frommann 8; Bünte.
8
(amen, die im Häkeln geübt ſind, finden
A dauernde Beſchäftigung. Näheres Georg=
ſtraße Nr. 13.
4856)
Verloren
wurde am 21. Nachmittags vom Bahnhof bis
in die Kirchſtraße eine goldene Broſche mit
ſchwarzem ovalem Stein. Dieſelbe iſt zum
Auf=
machen und enthält eine Photographie. Der
red=
liche Finder wird erſucht, dieſelbe gegen
Be=
lohnung Kirchſtr. 10 im mittleren Laden abzugeben.
O
H.
9in ſchönes Logis von 6-8
Co Zimmern, bel Etage, wird zu
4G miethen geſucht, gleich oder in
½— 2 Monaten zu beziehen, ein Haus mit
Garten wird vorgezogen. Offerten unter
Nr. 4857 bei der Exped. d. Bl. abzugeben.
4880) Ein tüchtiger Steinhauer ſogleich
A. Foclix, Bildhauer,
geſucht.
Nieder=Namſtaͤdterſtraße Nr. 66.
Vortheilhafte Offerte für Kapitaliſten.
4881) Zum Betrieb vorzüglicher Dachſchiefer=
Brüche, deren Platten=Gewinnung durch Tagebau
in großartiger Weiſe ausgeführt werden ſoll, ſuchen
die jetzigen Eigenthümer noch mehrere Theilhaber
als Commanditäre mit je 10,000 Thlr. pr. Ct.
Ein=
lage. Die äußerſt leichte und daburch billige
Gewinnung und der rege Abſatz nach allen
Richtungen ſichern bedeutenden Reingewinn.
Schriftliche Offerten unter F. 960 an das Annoncen=
Büreau Rudolf Hosge in München werden
ſo=
fort ausführlich beantwortet.
4882)
Amntrag.
Zur Hebung oder Verwerthung größerer
induſtrieller Unternehmungen, Güter=Complexe ꝛc.
iſt ein durchaus erfahrener Kaufmann mit eigenem
Kapital und bedeutenden Connexionen bereit,
Be=
theiliguug zu übernehmen. Schriftliche Offerte
unter L. 961 an das Annoncen=Büreau von
Rudolf Hosse in München.
4883) Ein junges Mädchen, welches
Kleider=
machen, friſiren u. bügeln kannz, ſowie in allen
weiblichen Arbeiten erfahren iſt, ſucht hier oder
auswärts eine entſprechende Stelle. Näheres
Schloßgraben Nr. 7 zwei Treppen.
4884) Ein Kuecht bei Pferden geſucht.
Zimmerſtraße 2.
4885) Am Sonntag wurde bei der Waldparthie
am Fuße des Herrgottsbergs eine ſilberne Cylinder-
Uhr mit Secundenzeiger und einer vergoldeten
Kette verloren. Der Finder wird gebeten, dieſelbe
gegen Belohnung bei Gr. Polizei=Büreau oder
bei der Exped. d. Bl. abzugeben. Gleichzeitig
wird vor deren Ankauf gewarnt.
4886)
Mieth=Geſuch.
Eine kleine Familie, welche Anfangs October
l. J. ſich dahier niederzulaſſen beabſichtigt, ſucht
ein Haus nebſt Garten zu miethen. Offerten
bei Hofgerichts=Advokat Siegfrieden einzugeben.
Beförderung von Inſeraten
in alle pro 1870 erſcheinenden
K
a IeaHer
ſowie Annahme von Annoncen
für alle in= u. ausländiſchen Zeitungen
zu Original=Cariſ.Heilen=Preiſen.
Zeitungs=Annoncen=Expedition
RIDOITHOSSN
St. Gallen.)
Münchon.
Borlin. ( xurich.
Inſertions=Tarif (Zeitungs=Verzeichniß) gratis
und franco.
Aus der Praxis.
Von einem ſchleſiſchen Juſtizbeamten.
113
M. 30.
I.
Eines Tags durchlief die keine Stadt ein Gerücht, das allen
Einwohnern Furcht und Entſetzen einflößte.
Kaum eine halbe Meile von der Stadt war in einem kleinen
Ge=
hölz ein Doppelmord begangen.
Zwei dort fahrende polniſche Biehhändler waren erſchoſſen und all
ihres Geldes beraubt worden.
Ein Ereigniß, groß genug. der Welt auf Wochen Unterhaltungsſtoff
zu bieten. Aber auch die Gerichte waren nicht müßig. Einem jungen
Aſſeſſor wurde ſchleunigſt die Aufnahme des Thatbeſtandes und Führung
der Unterſuchung übertragen. In beſſere Hände konnte die Ermittelung
des Mörders nicht gelegt werden, darüber war die Stadt einig. Herr
von Pförtner war allgemein als ein raſtloſer, ſcharfblickender Juſtizbeamter
bekannt und wenn irgendeiner, ſo war er es, der hier den düſtern Schleier
einer entſetzlichen That zu lüften vermochte.
Aſſeſor von Pförtner war ein hoher, ſtattlicher Mann. Seine dunkeln
Inquirentenaugen funkelten ſo ſcharf und ſtechend, daß ſie ſchon manchen
Verbrecher verwirrt und zum Geſtändniß gebracht hatten.
Kaum war die Directorialverfügung eingetroffen, als ſich Herr von
Pförtner mit einem Protocollführer in den Wagen warf und an den Ort
des Verbrechens eilte. Der Bote, der die Anzeige gebracht, wurde als
Führer mit aufgenommen. Seine Aufregung mit ſcheinbarer Ruhe
be=
herrſchend, fuhr der Richter an ſeinen Beſtimmungsort.
Bald war der Wald erreicht, die Sonne neigte ſich dem Untergange
zu und funkelte nur noch in einzelnen verlornen Strahlen durch die
dun=
keln Bäume. Fünf Minuten ſpäter waren die Männer der Themis am
Orte der That, wo man nichts zu verändern gewagt hatte. Der Wagen
ſtand noch mitten auf der durch den Wald gehenden Straße und nur die
beiden kleinen polniſchen Pferde waren ausgeſpannt und weideten, an einen
Baum gehaftet, das magere Waldgras ab-
Der Aſſiſiſor ſtieg mit ſeiner Begleitung aus. Die zahlreich
herbei=
geſtrömten Bauern machten ehrfurchtsvoll Platz und murmelten: „Das
Gericht! Auch eine höhere Perſönlichkeit befand ſich ſchon unter ihnen,
ber aus der Stadt herbeigeeilte Doctor Schmidt. Ein kleiner, rühriger
Mann voll trockenen Humors, in der ganzen Stadt ſowohl ſeines
vor=
trefflichen Herzens als ſeiner ausgebreiteten Kenntniſſe wegen allgemein
beliebt. Als Arzt wußte er durch ſeine gute Laune den auf manchen
Krankenbetten ſitzenden Hhpochonder oft beſſer zu heilen als durch
Medi=
camente.
„Sind ſie ſchon dasü rief der Doctor, ſeinen Freund, den Aſſeſſor,
bewillkommnend. „Nicht wahr, das lohnt ſich denn doch einmal der
Mühe ?
„ Guten Abend, Doctorl” entgegnete der Aſſeſſor ruhig, wenn auch
haſtig, blickte rundum und fuhr fort: „Aber ich ſehe ja nur einen
Er=
mordeten auf dem Wagen? Wo iſt der andere?”
„Da liegt er im Dickicht! entgegnete der Arzt und zeigte auf eine
Gruppe, die, wie er ſah, einen ihm bekannten Chirurgengehülfen umſtand,
der auf dem Graſe kniete und mit einem auf der Erde Liegenden
be=
ſchäftigt ſchien.
„Der lebt wohl noch?u ſprach der Aſſeſſor freudig - freilich, nur
der Ermittelung des Moͤrders wegen-
„Die Lunge iſt durchſchoſſen!' ſagte der Arzt. „Wir wollen ſehen?"
Damit wandte er ſich zu der kleineren Gruppe zurück.
Die Menge drängte ſich dort zu dem Wagen, der, ganz mit Blut
überſtrömt, einen ſchrecklichen Anblick gewährte.
„Merkoürdig gut geſchoſſen! Mitten ins Herz' ſprach der Aſſeſſor
für ſich, ſtieg auf den Wagentritt, ſchlug das Hemd des Ermordeten
zu=
rück und beſah ſich die Wunde. Der Unglückliche lag noch in derſelben
Stellung, wie ihn die Kugel getroffen. Der linke Arm ruhte auf ſeinem
Beine, der rechte nachläſſig auf der hintern Wagenflechte. Er mußte ſich
eben etwas rechts, vielleicht gemüthlich plaudernd, zu ſeinem Reiſegefährten
gewandt haben, als ihm das Mordgeſchoß die Bruſt zerriſſen. Die Kugel
hatte ihn ſo raſch und plötzlich weggerafft, daß nicht ein Schmerzenshauch
über ſeinem Antlitz lag; vieluehr gewahrte man, daß er in der letzten
Secunde ſeines Lebens noch gelacht haben mußte. Der Mund war halb
geöffnet und zeigte noch die blendendweißen Zähne. Es war ein
erſchüt=
ternder Anblick, dies vom Tode überraſchte Lachen, das von Geſundheit
und Leben zeugte, wie die breite, gewölbte Bruſt, aus deren linker Seite
noch einige dunkle, dicke Blutstropfen hervorquollen
Der Aſſeſſor blickte düſter auf den in ſeiner ganzen Kraft und Fülle
gemordeten Mann und der Wunſch entbrannte heftiger in ihm, den
Mör=
der um jeden Preis zu entdecken. Er fing an, ſo weit die hereinbrechende
Dämmerung es geſtattete, ſich in dem Schauplatz der That zu orientiren
und rief allen zu, ihm jeden verdächtigen Gegenſtand, den ſie etwa auf
dem Boden fänden, ſofort mitzutheileu.
Der Doctor hatte ſich ſchon wieder zu Herrn von Pförtner geſellt,
and ſagte:
„Dem Gange der Kugel nach muß der Mörder hinter jenem Baume
geſtanden haben!
Er zeigte dabei auf eine Kiefer, die nur zwanzig Schritt vom
Wa=
gen entfernt ſtand und mit ihren bis zur Erde neigenden Aeſten ein
vor=
treffliches Verſteck abgegeben hatte.
Der Aſſeſſor nickte, machte ſich Notizen, um danach das Protokoll
fertigen zu können, und erkundigte ſich nach dem Scholzen, um dieſem
noch die nöthigen Anweiſungen in Betreff der Hinwegſchaffung des
Wa=
gens und ſeines ſtillen Inhabers zu geben. „Hierlu rief eine militäriſch
geſchulte Stimme. Ein junger Mann trat mit ſoldatiſchem Anſtand aus
der Menge hervor und ſtellte ſich in ſteifer, gerader Haltung wie auf der
Wachtparade vor den Aſſeſſor. „Das iſt die neueſte Schulelu flüſterte
der Doctor. Der junge Criminalrichter theilte dem Scholzen einige
An=
ordnungen mit, die jener mit kurzem „Zu Befehl! in Empfang nahm
und auszuführen verſprach.
Jetzt trat der Aſſeſſor zu dem zweiten Opfer, das bleich und
regungs=
los am Boden lag auf dem Mantel des Doctors, den dieſer
augenblick=
lich hergegeben. Die Bäume rauſchten im Abendwinde, hier und da
kniſter=
ten die Zweige vom Sprunge eines ſein Lager ſuchenden Eichhörnchens
und ein Schwarm Krähen rauſchte geiſterhaft durch den dunkeln Wald,
als witterten ſie Beute. Die untergehende Sonne ſchickte ihren letzten
Scheidegruß durch den Wald, ihre verglimmenden Strahlen zitterten
un=
heimlich auf dem bleichen, regungsloſen Antlitz des Gemordeten.
„Er iſt todt!- ſagte leiſe und tief erſchüttert der Aſſeſſor..
„Noch iſt Athem in ihm-"
„Sie bringen ihn vielleicht ins Leben zurückiu
„Das ſagen Sie, der Sie ſonſt nichts von unſerer Kunſt halten ?u
„So haben Sie Gelegenheit, mich für Ihre geheimnißvolle Kunſt
zur Achtung zu zwingen.”
„Ihre Kunſt aber werd ich ehren, wenn Sie den Moͤrder auch ohne
den Armen da herausbringen - Viel geb' ich auf meine Hoffnung nicht!u
Während dieſes Wechſelgeſprächs blickte der Aſſeſſor immer rundum,
fixirte die Leute, blickte auf den Erdboden, ſcharrte jedes Steinchen fort,
jeden blitzenden Gegenſtand verließ die Mordſtätte ganz, ging auf der
Landſtraße zurück und blickte in den Walb hinaus, ſo weit als ihm
mög=
lich
Da blieb ſein ſcharfes Auge auf einem Menſchen haften, der jenſeit
der Straße unter einem Baum gekauert ſaß und, den Kopf in die Hände
geſtützt, ſeine Umgebung nicht zu beachten ſchten-
Der Aſſeſſor ſchritt näher
Die buntgeſtreifte Zeugjacke des fernab Sitzenden, deſſen hohe
Waſ=
ſerſtiefeln über die grauen Beinkleider hinweggezogen waren, beknndete den
Fremden. Gewiß mußle er zu dem Ermordeten in irgendeiner
Bezie=
hung ſtehen.
Dieſe Vermuthung des Aſſeſſors theilte auch Doctor Schmidt.,
Der letztere blieb einen Augenblick ſiehen und ſagte, auf den
Frem=
den weiſend: „Wer iſt der Menſchzu
„Es iſt der Treiber des Ermordetenl” hieß es. - „Er hat ſich
dort hingekauert und weint um den Verluſt ſeines guten Herrn!
ſag=
ten andere
Der Aſſeſſor ging über die Straße und blieb nach wenigen
Schrit=
ten ſchon vor dem Burſchen ſtehen, der wie in Schmerz verſunken die
Annäherung der Fremden nicht zu beachten ſchien. Man hörte nur noch
ſein leiſes Schluchzen und ſah, wie einzelne Thränentropfen durch ſeine
Finger guollen
„Wie heißt du, mein Sohn zu redete ihn der Aſſeſſor raſch, aber
freundlich an.
Der Burſche blickte erſchrocken auf, ließ die Hände vom Geſicht
glei=
ten und bei dem Anblick der vornehmen Männer erhob er ſich mit
pol=
niſcher Unterwürſigkeit und Höflichkeit.
Es war ein junger hübſcher Mann von kaum 17 Jahren, mit einem
offenen, treuherzigen Geſicht. In den zwar vom Weinen halb
verſchleier=
ten, gerötheten Augen lag dennoch eine unverkennbare Gutmüthigkeit; nur
die langen ſchwarzen Haare gaben dem faſt deutſchen, blaſſen Geſicht einen
etwas wilden, ſarmatiſchen Ausdruck. Denn daß der junge Menſch von
polniſcher Abkunft war, bekundete ſogleich die eigenthümliche, weiche
Aus=
ſprache ſeines Deutſch, das er beſſer zu verſtehen als zu ſprechen ſchien.
„Stanislaus Jablonsſkhl” war die Antwort
„Warum weinſt du noch immer ?u fragte der Aſſeſſor -
„O beide, meine Herren geſchoſſen - todt”
Stanislaus wiſchte ſich mit der Hand die wieder hervorſtürzenden
Thränen hinweg-
„ Und wie kamſt du hierher!
„Pannie vorausgefahren; wie ich in Wald komm, hör ich Schuß.
114
R30.
eins, zwei, lauf, was ich kann — Pannie todt, Kerl ſpringt fort vom
Wagen-
Seine unvollkommene Erzählung ergänzte er durch eine ſo
vortreff=
liche Mimik, daß die ganze Scene den Zuhörern gegenſtändlich wurde.
Das Aufhorchen nach dem Schuß, den fürchterlichen Schreck beim Anblick
der Todten, das raſche Entfliehen des Mörders, alles das wußte er mit
dramatiſcher Lebhaftigkeit wiederzugeben:
„ Und kannſt du den Raubmörder beſchreiben? Wie ſſah er aus ?
Der junge Burſche zögerte einen Moment, dann ſagte er haſtig:
„Rein, gnädiger Herr! Wie ein Blitz fort und ich zu weit - „
„ Nun, du mußt doch die Farbe ſeines Rocks geſehen haben und ob
der Kerl klein oder groß, dünn oder dick warzu forſchte der Aſſeſſor
wei=
ter und den jungen Burſchen ſchärfer fixirend
Der Burſche ſchwieg wieder einen Augenblick, als müſſe er ſich erſt
beſinnen; dann entgegnete er: „Klein?1 Ich glaube nicht! Groß und
dünn und grünen Rock
„Näher kannſt du ihn nicht beſchreiben ?u
„Nein, gnädiger Herrlu war die eifrige Antwort.
Eben wollte ſich der Aſſeſſor zurückziehen und ſich auch hier, auf
die=
ſer ſchon vom Schauplatz des Mordes entlegenereu Stelle orientiren, als
ihm ein Gegenſtand ins Auge fiel, der nicht weit von der Stelle lag,
wo Stanislaus Jablonsſky geſeſſen hatte.
„Was iſt denn das Zu rief er überraſcht und blickte ins Gebüſch.
„Da haben wir ja das Mordwerkzeug! Nun iſt's gut!”
Damit ſprang er einige Schritte vorwärts und griff haſtig nach einem
auf dem Boden liegenden Gewehr. „Eine Doppelflinte u fuhr er
trium=
phirend fort und ſchwenkte ſie in die Luft . . „Was war dieſer Schurke
übereilt und unvorſichtigl Läßt ſein Gewehr zurückl Nun haben wir
den Kerl!
„Triumphiren Sie nicht zu frühl' entgegnete trocken der Angeredete.
„Ich wußte ſchon von der Doppelflinte! Sie gehört den Ermordeten
ſelbſt. Sie iſt ihnen von dem ehrlichen Burſchen da nachgetragen worden..
„Von dem ? Nachgetragen? Hml Du haſt die Flinte gehabt, wandte
ſich der Aſſeſſor zu dem Burſchen und ſchon ruhten auf ihm ſeine Augen
durchbohrend
Pannie haben ſie vergeſſen, im Wirthshaus! Mußt ich ſie
nach=
tragen 1u entgegnete dieſer unbefangen und wieder mit ſeiner früheren,
kindlichen Harmloſigkeit.
Aber im Aſſeſſor war ein Gedanke des Verdachts rege geworden,
der ſich von dieſer Maske nicht mehr irre führen ließ. Er heftete ſeine
ſprechenden Augen auf den Doctor, als wollte er deſſen Zuſtimmung
er=
halten, daß er auf richtiger Fährte wäre.
Dieſer verſtand zwar ſeinen Blick, ſagte aber entſchieden abwehrend:
Nein, nein! Das iſt hier noch ein Kind”
Der Aſſeſſor lächelte und fuhr mit ſeinen hellen Glacehandſchuhen
an dem Schloß der Doppelflinte herum, um friſche Spuren des Pulvers
zu entdecken. Sein Handſchuh blieb hell und unbefleckt. Die Flinte war
nicht mehr neu und ſchon ziemlich verroſtet. Ein Schuß hätte Spuren
znrücklaſſen müſſen. Sein Handſchuh zeigte auch da nicht die mindeſte
Schwärze, als er die Finger prüfend in beide Läufe geſteckt.
„Sehen Sie wohl! bemerkte der Doctor leiſe und für ſich lachend
über den jähen Eifer des Aſſeſſors-
„Trotzdem dürfen wir den jungen Menſchen nicht aus den Augen
laſſen!u entgegnete Herr von Pförtner, während der Burſche ruhigen
Auges auf das Treiben des fremden Gerichtsbeamten blickte und dabei
nicht die mindeſte Unruhe verrieth:
„Komm einmal mit! ſagte er zu dem Burſchen-
„Wohin?”
„Zu dem Baume, von dem aus der Mörder geſchoſſen hat!
„Ich weiß nicht, gnädiger Herr
„Schon gut, wir werden dirs zeigen-"
Der ganze Trupp ſetzte ſich in Bewegung. Der Doctor hatte recht;
nur von dieſem Baume aus konnte der Schuß gefallen ſein. Man ſah
noch, wie hinter demſelben das weiche Moos von ſtarken Fußtritten
nieder=
getreten worden, nur hatten ſich leider ſcharfe Spuren eines Stiefels nicht
abgedrückt. Der Mörder hatte ſich's ſogar bequem gemacht und einen
Aſt ausgebogen, um auflegen zu können und freieres Schießen zu haben.
Der Aſt lag am Boden und war mit einem einzigen glatten Schnitt vom
Baume getrennt worden. „Das Meſſer muß ſcharf geweſen ſeinin
be=
merkte der Aſſeſſor. „Ein Waidmeſſer, ſo glatt und kunſtgerecht iſt der
Schnitt” ergänzte der Doctor.
Des Aſſeſſors Augen forſchten auf dem ganzen Platze irgend noch
andere Spuren zu finden, die zur Entdeckung des Mörders führen
könn=
ten. Vergebens — — Der Doctor wurde ungeduldig und bemerkte:
„Ich muß zu meinem Todten hinüber! Die Bahre iſt in Ordnung, wie ich ſehe.
Eben wollte er ſich entfernen, da trat ſein Fuß auf etwas, das
unter ihm knackte.
„Was war das?u rief der Aſſeſſor und bückte ſich augenblicklich.
Er hob eine runde Doſe auf mit halb zertretenem Deckel, auf de m
das Bild eines alten Schnupfers angebracht war mit der Unterſchrift:
„Proſit!
„Diesmal, Doctor, wird mir die Aufgabe leicht! Proſit! Proſit”
Damit hielt er die Doſe in die Höhe. Der junge Burſche ſtand
in einiger Entfernung hinter ihm -
Plötzlich entdeckt der Pole den Gegenſtand, den der Aſſeſſor in der
Hand hält, erbleicht, ein Zittern geht durch ſeinen ganzen Körper, ſo daß
er ſich kaum aufrecht zu erhalten vermag
In dem Augenblick wendet ſich der Aſſeſſor und ſieht in das bleiche,
angſterfüllte Geſicht des Burſchen. Bei dieſem Anblick erwacht ſein
Ver=
dacht und mit ſcharfem, inquiſitoriſchem Tone fragt er: „Kennſt du die Doſe zu
„Nein - gnädiger - Herrl” entgegnete der junge Menſch mit
bebenden Lippen -
„Iſt es nicht deine Doſe?”
Ein ſtechender Blick begleitete dieſe raſche Frage
„Nein, gnädiger Herr! wiederholte der Burſche und legte diesmal,
wie zu größerer Betheuerung, die Hand auf die Bruſt und zeigte auf
ſeine Naſe - künſtlich lächelnd-
„Ich ſchnupfe nicht
Dem Aſſeſſor kam dies Benehmen immer ſonderbarer vor. „3ch
ſehe ſchon” ſagte er, „wir werden dich um manches fragen müſſen! Du
magſt daher nur immer mit in meinen Wagen ſteigen!
Damit machte er eine gebieteriſche Handbewegung
Der junge Burſche beſaß trotz ſeiner gedrückten Stimmung eine
ſcharfe Beobachtungsgabe. Er ahnte, welch ſchwerer Verdacht gegen ihn
ſelbſt in dem Herzen des Aſſeſſors aufgeſtiegen, und ein kalter Schauer
durchrieſelte ſeine Bruſt-
„O Gott, gnädiger Herr, Sie glauben wohl gar - zu ſagte er
ge=
ängſtigt und rang die Hände.
„Nichts glaube ichl” entgegnete der Aſſeſſor kurz. „Steige nur ein!"
Wie gebrochen beſtieg der Arme den Wagen.
Der Aſſeſſor wollte ihm folgen, doch der Doctor hielt ihn zurück
mit der leiſen Anrede. „Ein Wort noch! Quälen Sie den armen
Jun=
gen nicht!
Der Aſſeſſor zuckte ſtatt aller Antwort mit den Achſeln, ſtieg in den
Wagen und fuhr von dannen
„Armer Jungelu rief der Doctor für ſich den Abfahrenden nach.
„Sie werden an dir ſo lange heruminquiriren, bis ſie dich wirklich zum
Mörder gemacht haben!
Kopfſchüttelnd ging er zu den Opfern zurück. Der Todte wurde ge
fahren, der Sterbende getragen.
(Fortſetzung folgt.)
Darmſtädter hiſtoriſche RKleinigkeiten.
Mitgetheilt von I.
81. Die Malerei in Darmſtadt.
(Fortſetzung.)
Ludwigs 1X. Regierung (1768-1790) fällt in die Zeit der
Vor=
bereitung zur Neugeſtaltung aller Verhältniſſe, und wenn die große
Land=
gräfin Caroline, die Gönnerin und Verehrerin der großen Geiſter, die
jene Zeit gebar, entſcheidend hätte handeln können, ſo würde Darmſtadt
wie Weimar eine Zufluchtſtätte für Kunſt und Wiſſenſchaft geworden ſein.
Wenn ſich auch in den Kreiſen, deren ſtrahlenden Mittelpunkt ſie bildete,
das Intereſſe für beide vielfach kund gab, ſo geſchah doch für die Kunſt
der Malerei ſo gut wie nichts. Ludwig IX. ſelbſt reſidirte nicht hier,
ſondern in Pirmaſens und ſeine ganze Lebensanſchauung und Reigung
war der Entfaltung dieſer Kunſt weder dort noch hier günſtig. Selbſt
die Jagdmaler ſeines Vaters konnten, da er von der Jagd nichts wiſſen
wollte, keine Thätigkeit entfalten. Die Landgräfin aber, welche hier
reſi=
dirte, vermochte bei der durch die Verhältniſſe gebotenen Sparſamkeit
des Hofes der Malerei keine wirkſame Stütze zu verleihen. Selbſt in
der bei den früheren Regenten geübten Porträtmalerei geſchah in dieſer
Zeit nur wenig. Der bekannte Miniſter von Moſer beklagt in
hand=
ſchriftlich hinterlaſſenen Memoiren dieſe Verhältniſſe gar ſehr, zumal da
ſich hier, wie er rühmt, Künſtler fanden, die einer großen Stadt zur Ehre
gereicht hätten. Um ſie einigermaßen zu beſchäftigen, gab er ihnen
Auf=
träge für Ausſchmückung ſeines Hauſes in der jetzigen Alexanderſtraße,
ſowie ſeiner Villa im jetzigen Beſſunger Hofgarten. Die ſparſamen
Zeitgenoſſen nannten eben dieſe Handlungsweiſe eine übermüthige und
üppige. — Der von ſeiner großen Mutter in Liebe für alles Gute und
Schöne herangebildete Erbprinz vermochte in Folge der Verhältniſſe, wie
ſie waren, ebenfalls in keiner Weiſe eine wirkſame Thätigkeit zu entfalten;
wohl aber lebte in den Bewohnern der Stadt die Hoffnung auf eine
kommende günſtigere Zeit; eine Hoffnung, die ſich auch auf's Schönſte erfüllte.
Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.