Darmstädter Tagblatt 1869


13. Juli 1869

[  ][ ]

Beilage

zum

Darmſtädter Frag= und Anzeige=Blatt.

N 28.

Dienſtag den 13. Jul i

1860.

Das Frag= und Anzeigeblatt, die Beilage hierzu, ſowie das Verordnungsblatt für den Kreis Darmſtadt erſcheinen wöchentlich; Erſteres Samſtags, die Beilage
Vienſtags und Letzteres Donnerſtags. Jahres=Abonnement der drei Blätter zuſammen 2 fl. Auswärts kann man bei allen Poſtämitern abonniren. In Darmſtadt bei
der Eryedition. Rheinfiraze Nr. 2 neu-

Verſteigerungen.
Lieferung von Beſatzledern zu Reit=
Hoſen.
Donnerſtag den 15. d. Mts., Vormittags um
10 Uhr, ſoll die Lieferung von 225 Garnituren
Beſatzleder zu Reithoſen für die Großherzogliche
Feldartillerie durch Soumiſſion vergeben werden.
Die Bedingungen liegen auf unſerem Büreau
in der Artilleriecaſerne zur Einſicht offen, wo=
ſelbſt
auch die Soumiſſionen verſiegelt abzu=
geben
ſind.
Beſſungen, den 9. Juli 1869.
Die Belleidungscommiſin der Großherzoglichen
Feldartillerie.
Bickel, Major.
4453)
4456) Pferde=Verſteigerung.
Mittwoch den 14. d. Mts. Vormittags
11 Uhr werden in dem Palaishof Sr. Groß=
herzoglichen
Hoheit des Prinzen Alexander in
Darmſtadl 2 Paar Wagenpferde von engliſcher
und mecklenburgiſcher Raçe, gegen Baarzahlung
verſteigert. Bis zu obigem Tage können täglich
dieſe Pferde beſichtigt und nach Wunſch ein= und
zweiſpännig probirt werden.
Rotsmann, Major,
Eliſabethenſtraße 60.
Vergebung von Bauarbeiten.
Samſtag den 17. d. Mts Vormit=
hags
um 10 Uhr ſollen die durch bauliche
Veränderungen im Kriegsſchulgebäude
fl. kr.
entſtehenden Arbeiten, nämlich:
Maurerarbeit, veranſchlagt zu . 267 5
119 9
Steinhauerarbeit,
Zimmerarbeit,
136 56

Schloſſerarbeit,
195 24

43 8
Weißbinderarbeit,

233 20
Gußeiſen=Lieferung,
auf dem Büreau der Garniſon=Verwaltung durch
Soumiſſion vergeben werden.
Voranſchlag und Bedingnißheſt liegen daſelbſt
zur Einſicht oͤffen.
Darmſtadt, den 10 Juli 1869.
Großherzogliche Garniſon=Verwaltung.
Fauſt.
4553) Korwan.

Heugras=Verſteigerung.
Donnerſtag den 15. Juli, Nachmittags 5 Uhr,
wird das Heugras von ca. 10 Morgen von
meinen Scheftheimer Wieſen, wie in früheren
Jahren, loosweiſe bei Wirth Günther in Roß=
dorf
öffentlich verſteigert werden. Wer vorher
Einſicht vom Gras nehmen will, wende ſich an
Forſtwart Burck; auch wird Donnerſtag Mittag
ſich Jemand auf den Wieſen aufhalten, um die
Looſe zu zeigen. Darmſtadt, 8 Juli 1869.
P. J. Har,
4457)
Dieburger=Straͤße Nr. 22.

4554) Verſteigerungs=Anzeige.
Freitag den 16. Juli l. J. Vormittags 9 Uhr
werden die zum Nachlaß des Conrad Geher 8.
gehörigen Mobilien, beſtehend in Kleidung,
Weißzeug, Möbel, einem Wirthsſchrank und ver=
ſchiedenen
Wirthstiſchen, Fäſſer, einem ganz neuen
Mehlkaſten mit Schubladen (für einen Kaufmann
geeignet), einer Kelter mit Mahlſtein, Küchen=
und Kellergeräthen und ſonſtigem Hausrath,
öffentlich meiſtbietend gegen Bäarzahlung ver=
ſteigert
.

Beſſungen, den 12. Juli 1869.
Der Vorſteher
Großherzoglichen Ortsgerichts Beſſungen.
Demmel.

Feilgebotenes.
täglich in verſchiede=
Gefrorenes nen Sorten, ebenſo
Selters- & Soda-Wasser bei
Carl Eichberg, Hof=Conditor,
Ludwigs= und Soderſtraße.
3888) Wegen Abreiſe von hier iſt ein Haus,
Promenadeſtraße Nr. 60, zu verkaufen.
4247) Sellerie=, Salat= und ſonſtige
Gemüſepflanzen ſind zu haben bei
Handelsgärtner Arheilger,
Promenadeſtraße 29.

Ceuster-Rouleoux
in den neueſten Landſchaften und Blumen=Deſſins zu den billigſten Preiſen. Holz=Rouleaur
für Sommer=Jalouſie geeignet, mit und ohne Oelfarben=Anſtrich, in allen Größen empfehlen
C. Hochstätter a Sööne.
92463)

Eine große Parthie Zeugſtiefel mit Reſtel von fl. 2. 42. bis fl. 3. mit Zügen fl. 3. bis
fl. 3. 30., Pantoffel in allen Sorten von fl. 1. 30. bis fl. 2.
C. Sehösaler.,

4313) Bleichſtraße Nr. 21 in der Manſarde
iſt 1 großer Küchenſchrank mit Glasaufſatz,
6 Stühle mit Bretterſitz, 2 ſogenannte Fau=
lenzer
, 1 kleines Kommodchen, 1 Tiſch,
theilweiſe ganz neu, zu verkaufen.
4409) Abgelagerten Frucht=8 Nord=
häuſer
Kornbranntwein zum Anſetzen
mpfiehlt Iudw. Heyl Cohn, Holzſtraße 17
4469) Cölner Zucker, milchweiß (ohne Bläue),
mit Stempel verſehen; ſowie gebrannten
gelben Java Caffee, zartſchmeckend, per Pfd.
48 kr. empfiehlt
G. Amend, vorm. G. Kraus.
4471)
To be disposed of.
Two new double sined English Bedsteads
with Mattrasses Polsters ≈ Pillos.
Apply at the Eæpedition.
Feinſte Hensser Glanz- Appretur Stärke,
Waizen-Stärke 12 kr. pr. Pfd.
Wasohblau in Kugeln,
Beſte Lapenier-Stärke
empfiehlt in beſter Qualität
Harr Manck,
4473)
obere Eliſabethenſtraße Nr. 6.
4555) Endivien= und Winterkohlpflanzen bei
P. Zimmermann, in der Kiesſtraße.

Vermiethungen.
3513) Zwei möblirte Zimmer zu vermiethen.
Martinſtraße Nr. 422.
NNNNNNrnnnrA. RAr.rnAaaraAnk
9
3834) Ein elegant möblirtes Zimmer in
H.
ſchönſter Lage der Stadt iſt ſofort zu ver=
H
miethen. Näheres zu erfragen in dem
Logis=Nachweiſungs=Büreau von
B. L. Trier, Ludwigſtraße.
44AAAAAANAAAAAAAaauaunar
4203) Nr. 3. dem Offiziers=Caſino gegen=
über
2 geräumige Zimmer, eine Stiege hoch,
alsbald zu beziehen.
4212) Beſſunger Karlsſtraße Nr. 83 iſt ein
freundlich möblirtes Zimmer zu vermiethen.
4251) Beſſungen. Kirchſtraße 145 iſt eine
ſehr ſchöne elegante Wohnung mit 3 Zimmern,
Küche, Keller, Speicher, Mitgebrauch der Waſch=
küche
und des Bleichplatzes nebſt etwas Garten=
Antheil zu vermiethen und ſofort oder bis Ende
Auguſt zu beziehen. Preis 85 fl.
4436) Gackgaſſe Nr. 3 ein Logis zu
vermiethen.
4491) Promenadenſtraße Nr. 43 eine
Wohnung, 7 Zimmer u. ſ. w., den 1. Octbr. zu
beziehen. Näheres Rheinſtraße 14 obere Etage

L leines Logis nebſt Garten zu vermiethen.
Zchl Douche=Apparat zu verkaufen Heerdwegs7I.

28

[ ][  ][ ]

R28.

104
Vermiſchte Nachrichten.
4397) Correspondance française, anglaise,
Herber, Steinstr. 3.
italienne.
3131) Hdie Kuabenerziehungs=Anſtalt

2 des Dr. Gaspey in Heidel=
berg
, von vielen Ausländern beſucht, nimmt
deutſche Zöglinge zu ſehr mäßigem Preiſe auf.
Eintritt zu jeder Zeit. Vorbereitung für den
einjährigen Militärdienſt. Proſpecte auf
Verlangen.

4260) Unterzeichnete ertheilt Clavier=
Unterricht in und außer dem Hauſe.
Näheres bei Hofgerichtsaovokat Schmidt,
Alexanderſtraße Nr. 5=VVorderhaus, eine
Stiege hoch.
Minna Gehmidt.

1011) Ein Lehrling wird geſucht in der Leder=
und Eiſenhandlung von J. P. Wambold.
6461) Ein junger Mann mit nöthigen Schul=
kenntniſſen
wird als Lehrling in mein Papier=
Georg Hof
Geſchäft geſucht.
Eliſabethenſtraße im Schulhauſe
3630) Geübte Arbeiter für feine Mechanik
finden dauernde Beſchäftigung.
Gandenberger'ſche Maſchinenfabrik,
Georg Göbel.
4161) Geübte Strickerinnen ſinden dau=
ernde
Beſchäftigung gegen guten Lohn bei
Ludwig D a m m jun.,
Louiſenſtraße 24 bei Kutſcher Gerhard.
8 (Ein Haus nebſt Garten zum Allein=
3 C bewohnen wird von einer Famili=
baldigſt
zu miethen geſucht. Daſſelbe muß
8-9 Zimmer nebſt Zugehör enthalten. Gefällige
ſchriftliche Offerten nimmt die Exp. d. Bl. entgegen.
4377) Mehre kräftige Jungen, für die
Steindruckerei zu erlernen, geſucht.
Frommann & Bünte.
4414) Geübte Strickerinnen finden dau=
ernde
Beſchäftigung bei
Ad. Horn, Kirchſtraße Nr. 14.
4416) Geſucht. Eine Köchin, die gut
kochen kann und gute Empfehlungen beibringt.
Hdtel Traube. Zimmer 17.
.
Ein Werkmeiſter
für eine Dampf=Hut=Fabrik, der mit dem
Maſchinenweſen und hauptſächlich mit der
Filzhut=Färberei ſpeciell vertraut iſt, findet bei
gutem Salair ſofort eine feſte Stellung.
Offerten mit Angabe der bisherigen Wirkſam=
keit
sub. A. 5536 befördert die Annoncen=
Expedition von Rudolk Hosse in Berlin.
4401) 68000 fl. erſter Hypothek zu 50
werden durch den Unterzeichneten zu leihen geſucht.
M. Neuſtadt.

.
IEin auf der Nähmaſchine geübtes Mädchen
S E8 findet dauernde Beſchäftigung.
J. G. Jacob, Herren= u. Damenſchuhmacher.
4524) Ein im Umgang mit Pferden ver=
trauter
junger Mann als Kutſcher geſucht.
Auskunft in der Wilhelmſtraße Nr. 72.
4534) Ein Mädchen kann unentgeldlich das
Weißzeugnähen erlernen. Kiesſtraße Nr. 14.
4536) Ein Mädchen das im Kleidermachen
und Weißzeugnähen geübt iſt, wünſcht noch einige
Tage in der Woche beſetzt zu haben.
Näheres Nr. 4. Schulzengaſſe.

4557)
Sonntag den 18. Juli 1869 Nachmittags 5 Uhr:
Ausserordenttiches Concert.
der uſtk- und dz Aozark-Verenns
im Grossherzoglichen Orangeriehause zu Bessungen
unter gütiger Mitwirkung mehrerer Mitglieder des Grossherzoglichen Hoftheaters und der
Hofmusik, der Herren Deetz, Greger, Böllert und Reitz.
G.
PEOOR AAuL:
L. Das Roich der Töne, gedichtet von Frau Louise v. Plönnies, melodramatisch bear-
beitet
von C. A. Mangold, mit Einreihung von Chören und Liedern von Palestrinz,
Händel, Gluck, E. M. v. Weber, Mendelssohn-Bartholdy und Haydn.
II. Frauen-Chöre von J. Brahms:
heimwehr Solo für Carinette von Oberthür.
Männer=Chöre von F. Büchler und R. Schumann.
Geſangſoli.
Gemiſchte Chöre von J. Maier und R. Franz.
Preise der Päthe: Sperrsit 1 fl. 45 kr. - Saalbillet I. Classe 1 fl. - Saal
billet H. Glasse 30 kr. - Gartenbillet 18 kr.
Die Eintrittskarten sind bis zum Abend des 17. Juli zu haben in den Buchhandlungen
der Herren Bergsträsser, G. Jonghaus, A. Schödler und F. L. Schorkopk in
Darmstadt, gowie bei Herrn Kaufmann Felsing in Bessungen, am Concerttage nur
an der Casse, welche Nachmittags 4 Uhr eröfknet wird.
Dor Reinertrag des Concorts ist zur Einlösung der Vorschuss- Aotion des V. Hittelrheinischen
Husikfestes bestimmt.
Bazz.
200e,
eeooa:
D.
GAAnhaanrannnannnunnnzranznnnuun
T4521)
Geſangverein Liedertafel.
N
Gommer-Casimo
4
D.
Samſtag den 17. Juli im Ritſert'ſcheu Saale.
4
Anfang Abends 8 Uhr.
Der Vorſtand.
499
44
RRunznruannnnnannunrununnurrzune

4537) Zwei tüchtige Schuhmacher=Gehülfen
(Herrn= und Damenarbeit). Dauernde Beſchäf=
tigung
, gute Bezahlung wird zugeſichert.
Logis außerm Haus. Fr. Warnecke.
4542) Ein in beſter Lage der Alt=
ſtadt
, beſtehendes Colonialwaaren=
Geſchäft iſt ſammt Laden=Einrichtung
ſofort zu vermiethen.
Näheres bei der Expedition.
4543) Am 8. Juli wurde vom Wil=
helminenplatz
durch die Ludwigsſtraße bis in die
obere Rheinſtraße ein Päckchen weiße Spitzen
verloren. Der redliche Finder wird gebeten,
dieſelben gegen eine Belohnung Sandſtraße
Nr. 30 abzugeben.

2 Einquartierung nommen per

4
S.
D.
Mann 10 kr.

wird ange
Hinkelsgaſſe Nr. 3 bei
Wilhelm Jacoby.

m (Kin gewandter Herrſchafts=Kutſcher,
E8 der im Fahren und Reiten geübt iſt,
ſucht eine Stelle. Näheres Neckarſtraße Nr. 10
im erſten Stock.

H.

4. Sür ein hieſiges offenes Comptoir wird
2) ein geſetzter Mann, womöglich verhei=
rathet
, der mit Rechnen und Schreiben vertraut,
geſucht. Schriftliche Offerten mit Nro. 4559
befördert die Expedition d. Bl.
4560)
Verloren!
En goldnes Medaillon, zwei Photographien
enthaltend. Gegen gute Belohnung abzugeben
Frankfurterſtraße Nr. 11.

Beförderung von Inſeraten
in alle pro 1870 erſcheinenden
6
4
e nd e r
ſowie Annahme von Aunoncen
für alle in= u. ausländiſchen Zeitungen
zu Original=Carif. Heilen=Preiſen.
Zeitungs=Annoncen=Expedition
RIDOLTUOOSN
(St. Gallen.)
Berlin. 1 Zurich.) München.
Inſertions=Tarif (Zeitungs=Verzeichniß) gratis
und franco.
4561) Ein junger Mann, 28 Jahre alt, der
bei der Heſſiſchen Reiterei gedient hat, auch 5 Jahre
bei Pferdehändlern ſtand und ſonſt noch bei em=
pfehlenden
Stellen diente, iſt bereit, eine tüchtige
Stelle ſowohl im Reiten als im Fahren anzu=
nehmen
. Näheres im Hauſe des Hrn. Wein=
händler
L. Walz, Karlsſtraße Nr. 42.
4562) Ein kleiner grauhaariger Hund, mit
rothem Halsband, auf den Namen,Bello hörend,
hat ſich verlaufen. Wer über denſelben Aus=
kunft
ertheilt, erhält Georgſtraße Nro. 11 eine
gute Belohnung.
Im Großherzoglichen Holzmagazin
wird gegen Vorauszahlung abgegeben:
Buchen=Scheidholz zu 10 fl. 20 kr. per Stecken
6 fl. 24 kr.
Kiefern=

Beſtellzeit: Dienſtags, Freitags und
Gamſtags von 8-11 Uhr Vormittags.
Großherzogliches Rentamt Darmſtadt.

[ ][  ][ ]

Stille Wege.
Erählung von A. 1

77 Die Commerzienräthin Goldenheim ſaß ſinnend am Fenſter und ſchaute
in den davor angebrachten kleinen Spiegel die Straße hinab, wo ſie ihren
Sohn in eifrigem Geſpräche mit zwei ſeiner Freunde begriffen ſah.
Er war heute wieder nicht bei Tiſche erſchienen, ohne ſie vorher da=
von
in Kenntniß geſetzt zu haben.
Solcher Rückſichtsloſigkeit hatte ſich Alfred in früheren Zeiten nie
ſchuldig gemacht und es verſtimmte ſie, ihn jetzt häufig auf ſolchen Un=
arten
zu ertappen, wie er überhaupt mehr und mehr ihrem häuslichen
Leben fremd zu werden ſchien.
Sie dachte darüber nach, was ſich hier aͤndern, wie ſich hier vorbeugen
laſſe, und mancher leiſe Seufzer entſtieg ihrer Bruſt. Ihre Lebensalter
waren ſo verſchieden, wie ſollte ſie es anfangen, ihm einen Umgang zu
bieten, der ſeinen Anſpruchen an geſellige Freuden genügte?
Das Endreſultat ihrer Ueberlegung blieb demnach: er mußte heirathen.
Freilich zählte der junge Mann erſt vierundzwanzig Jahre; aber,
jung gefreit hat niemand gereut, und er konnte ſich dann nicht mehr an
das ſo verführeriſche Reiſe= und Hotelleben gewöhnen, wo Champagner
und der Spieltiſch nur zu häufig zu Hülfe gerufen werden, um die Zeit
zu verkürzen und den Abend bis in die Nacht hinein auszuſpinnen.
Die Commerzienräthin Goldenheim war ſeit einem Jahre Wittwe
und trug noch das ſchwarze Kleid der Trauer, das ſie ſich gelobt erſt
dann abzulegen, wenn ein Feſt der Freude, wie die Hochzeit ihres Sohnes,
es ihr zur Pflicht machte. Ihr Gatte hatte ihr nach mancherlei frühern
Verluſten doch ein bedeutendes Vermögen hinterlaſſen, ihre Verhältniſſe
hatten durch ſeinen Tod äußerlich keine Veränderungen erlitten, ſie be=
wohnte
daſſelbe Haus, das Geſchäft ging unter dem Namen des Sohnes
ſeinen Gang fort, der Verluſt ihres Gatten griff daher weniger tief in
ihr Leben ein, wie es bei den meiſten Frauen der Fall iſt. Heute zum
erſten male entbehrte ſie in dem Verlorenen den Theilnehmer einer Sorge,
den Berather, wo ſonſt niemand rathen konnte, den Tröſter, wo ihr Mutter=
herz
ſchwer ſchlug, und eine Thräne wehmüthiger Erinnerung netzte ihr
Auge.
Sie hatte jedoch ſchon einen Entſchluß gefaßt. Sie ſetzte ſich an
ihren Schreibtiſch und richtete an Bankier Mehring in D., den
langjährigen Geſchäftsfreund ihres Gatten, die Bitte, ſeine Tochter Wil=
helmine
auf einige Zeit zum Beſuche zu ihr zu ſenden, um das einſame
Haus der Witwe zu erheitern und ſie zu veranlaſſen, Zerſtreuungen zu
ſuchen, welche ſie in ihrer Trauer geflohen. Von einer ſonſtigen Abſicht
ſagte ſie nichts. Es war in frühern Zeiten oft von einer Verbindung
ihrer Kinder im Scherze die Rede geweſen; auch hegte ſie die Ueberzeugung,
daß er zwiſchen den Zeilen dieſe neuerwachten Wünſche ihres Herzens
leſen würde. Poſitive Anerbietungen konnte und wollte ſie ihm nicht
machen; denn ſie hatte das Mädchen in mehreren Jahren nicht geſehen
und nur gehört, daß ſie aus der ſeitdem von ihr beſuchten Penſion gut
ausgebildet zurückgekehrt ſei. Dies allein war indeſſen immer noch nicht
maßgebend und verbürgte keineswegs das Wohlgefallen ihres Sohnes an
ihrer äußern Erſcheinung, es war daher am beſten, ſie ganz unbefangen
einander entgegenzuführen und den Eindruck abzuwarten.
Zufrieden mit dieſer Entſcheidung, ſiegelte ſie den Brief und trat
mit erheiterter Miene ihrem ſoeben bei ihr eintretenden Sohne eutgegen.
Die Commerzienräthin war eine welterfahrene Frau, ſie wußte, daß
Vorwürfe die Jugend mehr entfernen als anziehen, und daß Vertrauen
allein Vertrauen erweckt. Sie verſchloß daher ſorgfältig in der eigenen
Bruſt die Sorgen, denen ſie eben noch Raum gegeben, und redete den
Sohn heiter, als wäre nichts vorgefallen, an.
Alfred entſchuldigte ſogleich ſein Ausbleiben, bat ſeine Mutter bei
ſolchen Vorkommniſſen nur nie auf ihn zu warten und erzählte allerlei,
was man an der Börſe gewitzelt und geklatſcht hatte.
Die Mutter lächelte. Was ſie hörte, war das nicht, was ſie zu
hören wünſchte. Sie bemerkte wohl, daß alles, was Alfred ſprach, ſeine
geheimen Gedanken verbarg, die auf anderes gerichtet erſchienen.
Inzwiſchen kamen Briefe, die Alfred in ihrer Gegenwart erröthend
öffnete und las
Einer darunter war eine Einladung, an einem Comits zur Verpflanzung
echter Champagnerreben in die vaterländiſchen Weinberge, die nicht weit
von der Elbe lagen, theilzunehmen. Man wollte dadurch der heimiſchen
Champagnerfabrikation vor der der andern deutſchen Provinzen den Vorrang
abgewinnen.
Er lachte laut auf.
Die Mutter las das Circular und ſagte:
Du kennſt das deinem Vater auf dem Sterbebett gegebene Ver=
ſprechen
, nie einem Comits beitreten zu wollen! Läßt du dich in eins er=
wählen
, ſo fordern zehn andere deine Gegenwart, und endlich bleibt dir
leine Zeit mehr für dein Geſchäft und für deine Familie.. . Du weißt,

105
28.
wodurch die Geſchäfte des Baters anfänglich ſo in Unordnung gingen,
durch ſeine Manie für Comités!
Der Bediente unterbrach die Rede der Mutter, ehe ſie geendet
hatte. Alfred wurde geheimnißvoll abgerufen und entfernte ſich, als
wäre die Mutter gar nicht anweſend.
Sie ſtutzte, ergriff ihr Taſchentuch, ſah durchs Fenſter und erblickte,
wie ihr Sohn, ſtatt ins Comptoir zu gehen, mit einem Fiaker eilends
davonflog
Nach wenigen Tagen lief eine günſtige Antwort aus D. ein
und verſprach die Ueherſiedelung des jungen Mädchens. Die Commerzien=
räthin
war außerordentlich erfreut über dieſe Nachricht und ſah mit ge=
ſteigerter
Erwartung der Ankunft entgegen. Der Bankier Mehring vollte
ſeine Tochter ſelbſt begleiten. Das war ihr um ſo angenehmer, weil ihr
Sohn nun vermuthen mußte, daß er, und nicht ſie, den Beſuch der Tochter
vorgeſchlagen.

Einſiweilen ſchwieg ſie jedoch zu ihrem Sohne noch ganz über deren
längeres Verweilen bei ihr und erwähnte nur, daß Vater und Tochter
ihren Beſuch angekündigt.
Alfred äußerte die lebhafteſte Freude über das Wiederſehen ſeiner
Jugendgeſpielin, und ſchlug ſeiner Mutter vor, ihre Gäſte auf dem Bahn=
hofe
abzuholen. Sie freute ſich dieſer Bereitwilligkeit, ſich artig zu be=
zeigen
, und ging auf ſein Anerkieten ein. Man fuhr in den Bahnhof.
Der Zug hielt eben an.
Während die Commerzienräthin dem Bankier Mehring herzlich die
Hand bot, ſtanden die jungen Leute ſich verlegen gegenüber und konnten
das erſte Wort zur Anrede nicht finden.
Der den Mäbchen angeborene Takt lhalf ihr endlich glücklich über
dieſe Klippe.
Sie ſind recht groß geworden, Herr Goldenheim, ſagte ſie, ihn
mit den Augen meſſend, Sie werden jetzt in keinen Birnbaum mehr für
mich klettern können.
Aber über die Gräben ſpringe ich dennoch mit Ihnenin verſetzte
er lachend. Damit war der Anfang zu einer Unterhaltung gemacht, welche
in demſelben ſcherzhaſten Tone von beiden Seiten fortgeführt wurde.
Auf den Bankier Mehring machte der junge Mann den vortheil=
hafteſten
Eindruck. Seine heitere Laune, ſein gutmüthiges Weſen, ſein
blühendes Ausſehen ließen ihm, was das Aeußere und den Charakter
betraf, nichts zu wünſchen übrig und gern ſetzte er ſeine Tochter der
Gefahr aus, eine Neigung für Alfred zu faſſen.
Die Commerzienräthin ihrerſeits war nicht weniger eingenommen für
das liebenswürdige, höchſt anmuthige junge Mädchen, das unter ihrer Obhut
zurückblieb und ſie durch ihre Heiterkeit zerſtreute. Was die jungen Leute
von einander dachten, das verriethen fie nicht und niemand fragte ſie darum;
jedenfalls aber konnte man annehmen, daß aus ihren Mienen kein Miß=
fallen
ſprach.
Alfred fand ſich jetzt etwas regelmäßiger bei den Mahlzeiten ein und
brachte ſeine Abende manchmal in den Zimmern ſeiner Mutter zu. Aber
im Verlauf einer Woche zeigten ſich doch wieder Spuren des früheren
Zerſtreutſeins an dem jungen Manne. Man mußte oft dieſelbe Frage
wiederholen, bevor er ſie beantwortete, er ſaß gedankenvoll da, ſtützte ſein
Haupt, wie wenn ſchwere Sorgen ihn drückten, und Seufzer entſtiegen
ſeiner Bruſt. Theilnehmend fragte das junge Mädchen ihn eines Abends,
was ihn ſo tief bekümmere und wo er denn ewig mit ſeinen Gedanken
weilte?
Wo ſollte ich weilen?' ſprach er faſt verletzt, aber tief erröthend,
und begann von den geſchäftlichen Conjuncturen.
Darüber verlor ſich das Geſpräch in Allgemeinheiten, an denen
Wilhelmine mit Geiſt theilnahm.
Eben äußerte ſie eine treffende Bemerkung, als er die Uhr zog und
ausrief: Himmel! Sieben Uhr! Ich muß fort!
Damit war er verſchwunden.
Die Commerzienräthin ſah ihm kopfſchüttelud nach und bemerkte Wilhel=
minens
Schmerz.
Männer ſind wunderliche Geſchöpfe, ſagte ſie. Thue ein anderes
mal, als bemerkteſt du gar nicht ſeine Zerſtreuung; am beſten, man achtet
nicht darauf. Er war ſonſt nicht ſo, und wird auch nicht immer ſo bleiben.
Es iſt eine Laune des Augenblicks, die ihn zu beherrſchen ſcheint.
Am folgenden Morgen ſandte die Mutter in aller Frühe zu dem
erſten Buchhalter, fragte nach dem Stand der Geſchäfte und empfing von
dieſem die beruhigendſten Nachrichten. Alles ging ſeinen gewohnten Gang.
Die Summen, welche der junge Herr aus der Kaſſe bezogen hatte, waren
mäzig. Keine Spielſchulden. Keine Ausgaben, derzn Zweck verborgen
bleiben mußte.
Unbegreiflich tu dachte ſie und eutließ den Mann, der ſie über alles
bernhigt hatte.
Warum war ihr Sohn nicht heiter und ſorgenlos wie früher? Es

[ ][  ]

N. 28.

106

mußte da etwas dahinter ſtecken, das ſie nicht zu enträthſeln vermochte.
Sollte ihr Plan mit Wilhelmine ſcheitern?
Der Sonntagsmorgen war gekommen. Hell ſchien die Sonne vom
wolkenloſen Himmel und begrüßte das erſte ſproſſende Grün eines warmen
Maitags. Durch das geöffnete Fenſter eines elegant eingerichteten Garten=
zimmers
drang eine balſamiſche Luft, deren Friſche ſich mit den das
Zimmer ſchmückenden blühenden Hhacinthen vermiſchte. Aus der Ferne
tönte das Läuten der Kirchenglocken herüber.
Alfred ſaß an ſeinem Schreibtiſch und beantwortete eifrig eine Anzahl
geöffneter Briefe, welche er dieſen Morgen ſchon empfangen hatte. Ein
Diener ordnete unfern von der geöffneten Gartenthür ein elegantes Frühſtück,
während er zugleich das Feuer im Kamin ſchürte, die noch kühle, feuchte
Morgenluft dadurch zu mildern.
Darf ich die Damen rufenzu fragte er jetzt.
Des jungen Mannes Stirn umwöllte ſich. Er betrachtete die noch
unbeantworteten Briefe, ſah dann auf das bereits aufgetragene Frühſtück,
warf endlich mit einem raſchen Entſchluſſe die Feder weg und rief: Das
verſteht ſich! und ſchlüpfte in das Nebeuzimmer, um ſeinen Schlafrock
eilig gegen ein paſſendes Kleid zu vertauſchen.
Als er zurückehrte, trat ſeine Mutter mit ihrer jungen Begleiterin
bereits durch die entgegengeſetzte Thür ein.
Wir ſind ſehr dankbar für deine Einladung, mein Sohnſu ſagte die
Commerzienräthin heiter.
Wie wunderhübſch iſt es hieriu rief Wilhelmine entzückt. Sie
wohnen wirllich hier reizend, umgeben von Frühlingsgrün und Blumen=
duft
! Gewiß hört man bei Ihnen die Nachtigallen ſchlagen!
Sie trat in den Garten hinaus. Er folgte ihr und ſeine Mienen
drückten lebhaft die Freude über ihre Freude aus.
Wie luſtig wir hier oft geſpielt haben!u ſagte ſie, um ſich ſchauend
Jene Räume, die Ihr Vater damals innehatte, durfte ich freilich nie
betreten; aber hier war ich dafür ganz zu Hauſe. Jeder Baum und jeder
Strauch iſt mir bekannt. Ach! die Freuden der Kindheit kehren nicht
wieder!
Dafür blühen uns andere, erwiderte Alfred, ſſeine Gefährtin mit
leuchtenden Augen betrachtend. Jedes Alter hat ſein Glück."
Die Commerzienräthin horchte auf. Letzt wird es doch kommen!
dachte ſie, und betrachtete mit ſtolzer Freude das ſchöne Paar.
Da aber ſprang Alfred plötzlich mit drei Schritten zurück in das
Zimmer.
Himmel! Es ſchlägt ſchon neun Uhr ſu rief er aufgeregt. Wie
mir die Zeit beim Schreiben entflogen iſt! Ich muß um eilf Uhr auf
der Eiſenbahn ſein. Wir wollen alſo ohne Säumen frühſtücken.
Zugleich bot er den Damen Plätze an.
Was Eiſenbahn? Wie kommt denn das ſo plözlichiu erwiderte die
Commerzienräthin faſt mit Entrüſten. Ich hatte gehofft, daß du Minna
und mich heute auf einem Ausfluge in die Umgegend begleiten würdeſt.
Nichts würde mir angenehmer geweſen ſein, ſagte Alfred, mit
einem zärtlichen Blick auf Wilhelmine, gaber ich muß nothgedrungen nach
Köln eilen.
7Nach Köln?=
Leider gehe ich in Geſchäften und nicht allein,ſ erwiderte der junge
Mann erröthend; ſonſt würde ich Mutter und Freundin zur Begleitung
einladen
Die Commerzienräthin ſchwieg und ſah in ihre Taſſe. Sie glaubte
nicht an einen geſchäftlichen Zweck ſeiner Reiſe.
Alfred brach jetzt eilig auf. Die Damen verweilten, nachdem er Ab=
ſchied
genommen, noch etwas länger in ſeinem Zimmer, Wilhelmine be=
trachtete
ſeine Bücher, ſeine Gemälde, endlich einen ganzen Haufen Ab=
bildungen
von Thieren aller Art ſowie eine Menge naturgeſchichtlicher
Werke, deren er in letzterer Zeit viele gekauft hatte. Sie bewunderte
dieſen Bildungstrieb.
Die Mutter hatte ſich voll Trauer entfernt.
Nach einer Weile kam Alfred zurück.. . Zwar befand er ſich in
Reiſekleidern, ſagte aber: Ich glaube, ich kann meine Reiſe bis morgen
verſchieben.v..
D das iſt ſchön 1u entfuhr es Wilhelminen unwillkürlich.
Freut Sie das zu ſagte er voll Zärtlichkeit und Ueberraſchung.
Er ſetzte ſich in ihre Nähe und ergriff das Ende der langen blauen
Schleife, welche des Mädchens Gürtel befeſtigte; ſeine Finger wanden das
Band um und um, während ſeine abweſenden Gedanken ſich auf dies glück=
liche
Beiſammenſein zu concentriren ſuchten. Sie ſah ihn ſchüchtern an,
blickte dann wieder vor ſich nieder und ihre Bruſt hob ſich höher und
höher. Endlich nahm er eine Roſe aus ſeinem Knopfloch und reichte ſie
ihr. Sie ſteckte ſie an ihre Bruſt. Man wurde immer vertraulicher.
Er ſchmeichelte.
Ja, Sie waren ein ſehr artiger Knabe,V erwiderte ſie, Sie hatten
Redaction und Verlag: L. C. W

Aufmerkſamkeiten fuͤr mich armes kleines Ding, das weder in die Bäume
llettern noch über Gräben ſpringen konnte.
Damals! wiederholte er. Freilich bin ich jetzt kein Knabe mehr;
doch hoffe ich mich darum nicht verſchlechtert zu haben.
Ein Mann gehört dem Leben an, hat Intereſſen, hat ſeine Geſchäfte,
hat Freunde, die ihn in Anſpruch nehmen

Sie ſpotten meiner I verſetzte der junge Mann.
Sie können im Ernſt nicht ſagen wollen
Laſſen Sie uns wieder Kinder ſein, Minna, wie einſtl Rennen
Sie mich Alfred, wie damals; Ihren Alfred, wie Sie mich zu rufen
pflegten.
Das ſind vergangene Zeiten!u ſägte ſie erglühend.
Rufen wir ſie lieber zurück; machen wir wahr, was wir uns damals
verſprachen, rief der junge Mann warm und griff nach ihrer linken Hand,
die mit ihrer Uhrkette ſpielte, während die andere das braune Lockenköpfchen
ſtützte, das ſo ſchwerer Gedanken voll war.
Eben wollte er die Hand an ſeine Lippen führen, da unterbrach ein
eiliger Schritt das junge Paar. Die Thür wurde raſch geöffnet und
während Wilhelmine ſich ſammelte und ein wenig ferner rückte, überreichte
ein Bote eine telegraphiſche Depeſche an ihn.
Durch das Klingeln am Thor herbeigelockt, trat auch die Commerzien=
räthin
wieber ein und fand ihren Sohn in großer Aufregung; aber leider
nicht der Urſache halber, welche ihr die erwünſchte geweſen wäre.
Er hieß den Diener ihm einen Wagen beſorgen, die erhaltene Nach=
richt
gehe nicht ihn allein an. Leider müſſe er nun doch heute ſchon
reiſen - um Mitternacht
Damit ſtürmte er fort..
(Schluß folgt.)

Darmſtädter hiſtoriſche Rleinigkeiten.
Mitgetheilt von M.
81. Die Malerei in Darmſtadt.

(Fortſetzung.)
Ein anderer namhafter Künſtler unter Ernſt Ludwig war Chriſtian
Ludwig Freiherr v. Löwenſtern. Er war 170; am 10. Auguſt in
Darmſtadt geboren, wo ſein Vater Geh. Regierungs= und Conſiſtori lrath
war. Er ſtudirte in Gießen und Straßburg Jurisprudenz, widmete ſich
aber auch den ſchönen Wiſſenſchaften und Künſten; Muſik, poetiſche Compo=
ſitionen
in deutſcher und lateiniſcher Sprache, Zeichnen und Malen bil=
deten
jeine Lieblingsbeſchäftigungen. Nach beendigten Studien ging er auf
Reiſen und wurde dann nach ſeiner Zurückunft nach Darmſtadt im Jahr
1727 als Hofjunker angeſtellt. Eine andere Stellung bekleidete er nie.
Nach dem Tode ſeines Vaters faßte er den Entſchluß, von ſeiner Stelle
zurückzutreten und nur den Künſten und Wiſſenſchaften zu leben, insbe=
ſondere
da ſeine Geſundheit eine ſchwache war. Dieſe ſchwache Geſund=
heit
brachte ihn endlich ſo weit, daß er die letzten 10 Jahre ſeines Lebens
nur in ſeinem Zimmer zubrachte. In dieſer langen Zeit beſchäftigte er
ſich faſt nur mit Malen. Eine große Anzahl von Bildern, Schlacht= und
Pferdebilder, ging aus dieſer ſtillen Werkſtalt hervor; andere Bilder malte
er nur wenig, wie z. B. das Portrait der Prinzeſſin Magdalene Sibhlle
von Heſſen, geb. Herzogin zu Württemberg, welches auch in Schwarz=
kunſt
erſchien. Kunſtverſtäͤndige rühmen ſeinen Bildern treffende und
kühne Zeichnung nach. Er arbeitete mit unglaublicher Geſchwindigkeit, ſo
daß die Frau Jägermeiſter v. Reiſchach in Darmſtadt allein über 200
Original=Gemälde von ihm beſitzen konnte. Die Großherzogliche Gemälde=
Gallerie beſitzt von ihm ein Schlachtenbild. Er ſtarb im Jahr 1755.
Gortſetzung ſolgt)

Der Zoologiſche Garten in Frankfurt a. M. hat in der
letzten Zeit wieder mehrfachen Zuwachs unter ſeinem Thierbeſtande er=
halten
und zwar diesmal durch Geburten. So kam im Frühjahr ein
Affe zur Welt, den die zärtliche Mutter auf das Sorgfältigſte pflegte
und deſſen erſte Verſuche, ſich ſelbſtaͤndig zu bewegen, ſie nun ängſilich
überwacht. Auch das prächtige thibetaniſche Rind, die Yak
mit dem ſeidenartigen Haar und dem Pferdeſchweif haben ſich wieder um
ein geſundes Kälbchen vermehrt, welches faſt wie ein Pudelhund mit
lockigem Haare dicht beſetzt iſt und munter einherſpringt. Auch die aus=
ländiſchen
Hirſcharten, ſo beſonders der Axishirſch aus Bengalen,
ſowie der Schweinshirſch haben Nachwuchs geliefert. Da die
ſämmtlichen Thiere ſo untergebracht ſind, daß ſie jederzeit von allen Be=
ſuchern
des Gartens geſehen werden können, iſt reichliche Gelegenheit zu
Beobachtungen über ihr Familienleben geboten. Hofbuchdruckerei.