Beilage
zum
ARTATUULL VEUG- UUb RERGG-IUIN
½. 4.
Dienſtag den 26. Januar
1869.
Das Frag= und Anzeigeblatt, die Beilaͤge hierzu, ſowie das Berordnungsblatt für den Kreis Darmſtadt erſcheinen wöchentlich; Erſteres Samſian. die Beilage
Vienſtags und Lezteres Donnerſtags. Jahres=Ahonnement der drei Blätter zuſammen 2 fl. Auswärts kann man bei allen Poſtämtern abonniren. In Varmſtadt bei
der Exedition, Rheinſtraße Nr. 23 na.
522)
B e k a n n t m a ch u n g.
Mit Bezng auf die im Verordnungsblatt Nr. 2 erlaſſene Bekanutmachung des Eivil=
Vorſitzenden der Großherzoglichen Kreis=Erſatz=Commiſſion Darmſtadt fordern wir alle Diejenigen,
welche im Jahre 1869 militärpflichtig werden, ſowie auch Diejenigen, welche im vorigen Jahre
militärpflichtig waren und bis jetzt weder einem Truppentheile überwieſen worden ſind, noch einen
Ausmuſterungsſchein, oder eine Ausſtandsbewilligung erhalten haben, hiermit auf, ſich längſtens bis
zum 1. Februar d. J. auf unſerem Büreau behufs Eintragung in die Stammrolle anzumelden.4
Nach 88. 176 pos. 1 und 177 der Militär=Erſatz=Inſtruction haben Diejenigen, welche es
unterlaſſen, innerhalb der angeſetzten Friſt ſich anzumelden, ſich einer Geldſtrafe bis zu 10 Thalern,
ſowie des Verluſtes der Berechtihung zu gewärtigen, an der Loosziehung Theil nehmen zu können.
Darmſtadt, am 21. Januar 1869.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Darmſtadt.
Fuchs.
Verſteigerungen.
523) Samſtag den 30. d. Mts. Vormittags
11 Uhr ſoll auf unſerem Büreau -
Wilhelminen=
ſtraße Nro. 15 — die) Abänderung von circa
1700 Torniſtern durch Soumiſſion in Accord
gegeben werden.
Lieferungsbedingungen und Muſter können bei
uns eingeſehen werden.
Darmſtadt, den 24. Januar 1869.
Die Bekleidungs=Commiſſion 3. Infanterie=
Regiments.
von Heſſert, Major.
524) Mittwoch den 27. d. Mts. Nachmittags
3 Uhr werden auf dem Purgold'ſchen Baumſtück
vor dem Jägerthor mehrere Stecken Scheid=,
Prügel=, Stock=u. Reisholz, größtentheils Aepfel=
und Zwetſchenbäume, ſowie auch mehrere
Obſt=
ſtämme gegen baare Zahlung verſteigert.
Darmſtadt, den 25. Januar 1869.
Ph. Caſtritius.
„
Ersitiz-
3
ilgebotenes.
8373) Das Haus Nr. 8 in der kleinen
Bachgaſſe, worin eine Reihe von Jahren eine
Specereihanblung mit beſtem Erſolg betrieben
wurde, iſt mit 600 fl. Anzahlung aus freier
Hand zu verkaufen.
Nr. 47 der unteren Rheinſtraße.
82) Bei Unterzeichnetem ſind zu verkaufen:
1 Hofthor, 1Wagen, 2 ſehr gut erhaltene
Pferde=
geſchirre, 4 Gährtonnen, 1 Maiſchbütte, 1
Kar=
loffelmühle.
Ottv Hahu, Beſſungen.
4.
per Pfund 12 kr. vorzügliche Qualität.
389)
J. F. Heniz
525) Ein gutes Metzger=Geſchäft iſt
zu verkaufen durch Louis Breidert.
526) Täglich friſche Kreppel bei
Bäckermeiſter Klinger, Caſinoſtraße.
Eliſe Kling, Modiſtin,
527)
Ludwigsplatz,
empfiehlt für Bälle eine ſchöne Auswahl Ball=
Kränze, Coiffüren n. Blumen=Bouquets,
zu ſehr billigen Preiſen.
528)
Abfallholz
zum Feneranmachen als auch unter den
Waſch=
keſſel per Centner 44 kr.
A. Schuchmann, Grafenſtraße Nr. I.
Nenbodredrordlodhonkan OrikaroroerarradetiiandtadteantntalaAr,
Wu
3 529) Blumenkohl, Kopfſalat, H
Artiſchoken, Karotten & Telto=
Z wer Rübchen ſind fortwährend zu
5 haben bei
Verger=
Gottmann
K. 22tli-
Hof=Gemüſelieferantin.
Nriri.
G
D40
g
½. Do.
doe
Der Neſvenkalender für 1869
iſt auf unſerem Comptoir zu 10 kr. per Stück zu haben.
4.½ 2
L. C. Wuuch'ſche Hofbuchdruckerei.
385) Friſche Sendung der beliebten Salami, Schinkenwurst,
Lungenwurst & Cervelatwurst, Frankfurter Bratwürste
4.
empfiehlt
e F. HSutsl.
WuAaGlauaagguui.
214) Pariſer Kopfſalat, Endivien, Blumenlohl, Arti=
55 ſchokeu, Maronen &8mp; Orangen empfiehlt in friſcher Sendung
6.
Wilhelminenſtraße Nr. 4.
Marg. Meſsheimer.
Rdauoueimausats,
oaeiLueanaaidiguNeneven
L86=oaisvus NruLrGtukntUhsiAknhhuN
4. A. — in ausgezeichnet guter Facon und beſtem Stoff emzfiehlt billigſt
3
5 Cosev0
G. Aruhelter.
447)
22
4
4⁄₈
49
14.
Pateniee”,
Hh
verkaufen, ſoweit Vorrath reicht, zu 3 fl. 30 kr. per Paar in allen Sorten und Größen.
14)
GeDrider Nerler, Eiſenhandlung.
4
14
M½
Schweizer Schmelzbutter
iſt wieder in friſcher und vorzüglicher Qualität
eingetroffen und erlaſſe ſolche 32 kr. per Pfd.
531) Louis Fimk, neben der Stadtkirche.
Vermiethungen.
20.
229.
24
2202
29)
N44e NiNIIAI NNNdaduAaanrltk.
4
783) Wilhelminenſtraße 16 iſt die ½
8 Bel=Etage, beſtehend in 7 Zimmern,
Vor=
platz und allen Bequemlichkeiten, auf Ver=
H.
4
langen auch die Manſarde dazu, auf 1.
8 April k. J. zu vermiethen. Näheres
Par=
terre daſelbſt.
poe
CaANeaADeDtae)
1
AUANAANAAAAAuuuAuAzrUAN
8378) Beſſungen. Neben dem Großh.
Hof=Orangeriegarten Nr. 145 iſt ein freundliches
Logis und ein möblirtes Zimmer zu vermiethen.
57)
Mühlſtraße 25,
ein Logis, beſtehend in Stube, Cabinet, Küche,
Keller und allen Bequemlichkeiten, zu vermiethen
an eine ſtille Familie und bis Mitte März zu beziehen.
88)
Promenadenſtraße 15
im Hauſe von J. L. Schneeberger iſt an
eine ruhige kleine Familie die bel Etage zu
ver=
miethen, beſtehend in 5 Zimmern und Küche nebſt
Magdſtube, Boden und Kellerraum.
152) Promenadeſtraße 43 Stallung für 2
Pferde nebſt Heuboden und Burſchenſtube. Das
Nähere bei L. Harres, Promenadeſtr. 9.
217)
1 Mühlſtraße 25
ein ſehr ſchönes Zimmer ohne Möbel zu
ver=
miethen und gleich zu beziehen.
244) Ein möblirtes Zimmer iſt zu vermiethen.
Dieburgerſtraße Nr. 10.
344) Louiſenſtraße Nr. 2, der Kanzlei
gegen=
über, iſt ein Stall für zwei Pferde nebſt
Heu=
boden und Bedientenſtube zu vermiethen und
ſo=
fort zu beziehen. Ebendaſelbſt iſt ein geräumiger
Keller, circa 80 Stückfaß haltend, zu vermiethen
und baldigſt zu beziehen.
A. Neu.
391) Zwei geräumige heizbare Zimmer
Zeug=
hausſtraße Nr. 3. Zu erfragen Bleichſtraße Nr. 5
eine Stiege hoch.
532) Beſſunger Carlsſtraße Nr. 83 ein möblirtes
Zimmer zu vermiethen; auf Verlangen kann
Mittagstiſch gegeben werden.
533) In der Soderſtraße iſt ein Manſarden=
Logis und ein Logis parterre mit 3 Zimmern
nebſt allem Zugehör, abgeſchloſſenem Vorplatz zu
vermiethen. Auskunft ertheilt Schloſſermeiſter
Ludwig, Karlsſtraße 8.
Tlvez
Vermiſchte Nachrichten.
7936) Gründlichſten Unterricht in Lateiniſch,
Griechiſch, Franzöſiſch, Engliſch, beſonders auch
Vorbereitung zum Porte=epée=Fähndrich=Examen,
wird von einem Gelehrten, gründlichſter
Unter=
richt in franzöſiſcher Grammatik und
Conver=
ſation für Damen von eiger gebornen Franzöſin
ertheilt.
Mathildenplatz 3.
3
N
Azaz.
Hpileplische hrämple Calsucht,
heilt der Specialarat für Epilepsie Dr.
0. Eillisch in Berlin, jetzt Mittel-
8trasse Nr. 6.- Auswärtige brieſlich.-
Schon über Hundert geheilt.
„
[47
73) Offene Handlungslehrling=Stelle für
einen jungen Mann mit guten
Schulkennt=
uiſſen in einer Engros und Detail=Handlung.
Auskunft: Ludwigsplatz Nr. 10.
Comptoir=-Kalender für 1869
aufgezogen zu 6. kr. und unaufgezogen zu 3 kr. ſind zu haben in der
L. C. Wittich'ſchen Hofbuchdruckerei.
499)
Lokal=Gewerbverein.
Verſammlung der Mitglieder Donnerſtag den 28. Januar Abends 8 Uhr
im oberen Saale der Winter'ſchen Brauerei. — Tagesordnung: Beantwortung der
zwei durch den Fragekaſten eingelaufenen Fragen: „1) Durch welche Mittel und Wege kanu
Darmſtadt am beßten mit Waſſer verſorgt werden? - 2) Wie iſt die Löſung der Waſſerfrage
für Darmſtadt vom Gewerbverein daſelbſt zu unterſtützeu, rosp. zu klären. Der Frageſteller
glaubt, daß von der glücklichen Löſung derſelben die Zukunft Darmſtadts abhäugt; da ſich dann,
durch die günſtige Lage der Stadt, ſowie außergewöhnlich billige Preiſe der Grundſtücke, auch
mehr größere Fabrikanten veranlaßt ſehen würden, hier anzuſiedeln.” Referent: Herr Obriſt Becker.
Das Lokal iſt von 7 Uhr an geöffnet und die neueſten Nummern der techniſchen Zeitſchriften ꝛc.
ſind aufgelegt. Die Herren Mitglieder ſind gebeten, ſo frühzeitig zu erſcheinen, daß die Sitzung
pünktlich um 8 Uhr eröffnet werden kann. — Der Fragekaſten iſt am Eingang des Lokals aufgeſtellt.
420)
Beſſunger älterer Geſangverein.
am 30. Januar Abends 8 Uhr im neuen Saale des Chauſſeehauſes.
Eintrittskarten für Nichtmitglieder ſind zu haben bei Herrn Kaufmann Felſing in Beſſungen,
ſowie bei Herrn Kaufmann J. G. Keller, Wilhelminenſtraße in Darmſtadt.
Beſſungen, den 18. Januar 1859.
Der Vorſtand.
gin gewandter Setzer findet bei uns dau=
= ernde Condition; desgl. ein Drucker.
Ludw. Carl Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.
534) Zu meinem Unterricht im Zuſchneiden
und Aufertigen von Damenkleidern werden
täg=
lich Schülerinnen angenommene
M. Struth, Ludwigsſtr. 12, 2 Treppen.
6461) Ein junger Mann mit nöthigen
Schul=
kenntniſſen wird als Lehrling in mein Papier=
Geſchäft geſucht.
Georg Hof,
Eliſabethenſtraße im Schulhauſe.
358)
Wohnungsgeſuch.
Ein einzelner Herr ohne Haushaltung ſucht auf
Mitte April eine freundliche Wohnung von 3
auch 4 Zimmern und Küche mit Glasabſchluß,
eine oder zwei Treppen hoch. Offerten werden
entgegengenommen Neckarſtraße 14, eine Treppe
kann, gegen gute Bezahlung geſucht.
K. Röſe, Grafenſtraße 2.
507) Ein militärfreier, tüchtiger, mit guten
Zeugniſſen verſehener Kutſcher wird geſucht.
Näheres Hügelſtraße Nr. 59 neu.
(Fs wird eine Haushälterin geſucht,
3 12 die gute Zeugniſſe aufzuweiſen hat,
gründlich kochen und in jeder häuslichen Arbeit,
beſonders auch im Bügeln und Nähen tüchtig
und erfahren iſt. Näheres zu erfahren
Rhein=
ſtraße 9.
309) Zwei Schloſſergeſellen ſucht
M. Kühn, Schloſſermeiſter.
520)
Einguartierung.
wird angenommen Langegaſſe 20.
535)
Lishographen
für Ornament=Arbeit, in Feder= oder Gravir=
Manier geübt, finden bei gutem Gehalt dauernde
Beſchäftigung. Frauco=Offerten mit
ſelbſtgefer=
tigten Probe=Arbeiten werden befördert unter
Chiffre B. D. 27 durch G. L. Daube & Comp.
in Frankfurt a. M.
536) Ein ſtarkes Mädchen ſucht Laufdienſt
oder Waſche und Putzen. Schirngaſſe Nro. 16
im 3. Stock.
637)
Dankſagung.
Allen Freunden und Betannten, welche an der
ſchweren Krankheit meines lieben Mannes Ludwig
Weitzel ſo herzlich Antheil nahmen und ihn zu
ſeiner Ruheſtätte begleiteten, ſage ich meinen
herzlich tiefgefühlteſten Dank.
Die trauernden Hinterbliebenen:
Mutter und Kinder.
3 Anzeigen aller Art werden beſorgt
ö mit: Schnelligkeit — Erſparniß von
5 Porto und Speſen, ſowie eigener Müh=
2.
517
waltung - Gratisbelege — Rabatt 3
bei größeren Aufträgen — Discretion. 2
„
Ea Special-Contracte mit beſonders
günſtigen Bedingungen bei
Uebertra=
gung des geſammten Inſertionsweſens. 3 h
Sſachſe &am; Co. in Leipzig
Zeilungs=Annoncen--xpedition.
6
Filialhandlungen in:
6
Vern - Stuttgart - Caſſel.
4
z5 8eg Aunahme von Inſeraten ſü 3 9
die Allgemeinen Anzeigen der „Gar
tenlaube” Auflage 250,000 Exempl.
GTTAan DA.N.ao
Im Großherzoglichen Holzmagazin
wird gegen Vorauszahlung abgegeben:
Buchen=Scheidholz zu 10 fl. 20 kr. per Stecken
Kiefern=
„ 8 fl. 24 kr. „ „
„
Beſtellzeit: Dienſtags, Freitags und
Hamſtags von 8-11 Uhr Vormittags.
Hroßherzogliches Rentamt Darmſtadt.
Großherzogliches Hoftheater.
Dienſtag, 26. Jan. 14. Vorſt. im 6. Ab.:
Nathan der Weiſe. Dramatiſches Gedicht
in 5 Akten von Leſſing.
Donnerſtag, 28. Jan. 15. Vorſt. im 6. Ab.:
Die Zanuberflöte. Heroiſch=komiſche Oper in
4 Akten, Muſik von Mozart.
Freitag, 29. Jan. 1. Vorſt. im 7. Ab.:
Die Pasquillanten. Luſtſpiel in 3 Akten von
Benedir. Hierauf: Er muß taub ſein.
Schwank in 1 Akt nach dem Franz. von Malten.
N. 4.
Ein Mannöver und ſeine Folgen.
(Fortſetzung.)
„ Morzen früh 8 Uhr ſteht das Füſilierbataillon am Lerchenberge,
Front nach der Sandgrube. Eine Compagnie wird auf den linken Flügel
detachirt zur Beobachtung des ſogenannten Kirchſteiges.”
Alſo lautete der Regimentsbefehl, welcher am Abend des 16.
Sep=
tember im Cantonnement Wieſenthal eintraf und ſehr verſchiedene
Aeuße=
rungen in den Reihen der kriegeriſchen Schaar hervorrief.
„Eine ſehr vortheilhafte Poſition, ein höchſt interreſſantes
Terrain=
bemerkte der Bataillons=Commandant. „Man ſcheint uns eine ſchwierige
Aufgabe zu ſtellen. Ich denke, wir werden ſelbſtſtändig manövriren
können.
Aber einen tüchtigen Marſch haben wir bis dahins, entgegnete
einer der Hauptleute, dem die „vortheilhafte Poſition” doch etwas weit
abgelegen von ſeinem Cantonnement erſchien, zumal da er dieſelbe nicht
wie der Herr Oberſtwachtmeiſter ſtolz zu Roſſe, ſondern beſcheiden auf
ſeinen eigenen Füßen erreichen muß.
„Freilich, wir werden zeitig aufbrechen. Der Lerchenberg iſt zwei
gute Stunden von hier entfernt. Um den Leuten vor Beginn des
Man=
növers einige Ruhe zu gönnen, iſt es durchaus nothwendig, daß wir um
5 Uhr abmarſchiren."
„ Und uns alſo ſchon gegen 4 Uhr aus den Federn finden=, ſetzte
Kapitän S. ſeufzenb hinzu.
Und ſo geſchah's.
Früh 4 Uhr wandelte der Tambour du jour wirbelnd von einem
Ende Wieſenthals zum andern, eine Stunde ſpaͤter ſah man das Bataillon
in vollem Marſche und eine Viertelſtunde vor der feſtgeſetzten Zeit ſtand
es ſchlagfertig an der Sandgrube. Kapitän S. war mit ſeiner Compagnie
befehligt, den linken Flügel zu decken.
„Unſere Aufgabe iſt;, wendet er ſich nach einigen Minuten ernſten
Schweigens zu x. und O., „die Seitenpatrouillen des Feindes
zurück=
zuwerfen und auf den Kirchſteig vorzugehen. Sobald wir den Fluß
er=
reichen, laſſe ich Sie, x, mit einem Zuge an der Brücke zurück, damit
wir im Rücken gedeckt ſind und nicht Gefahr laufen, abgeſchnitten zu
werden. Wenn und wo ſich Sie wieder an die Compagnie heranziehe,
wird von den Umſtänden abhängen.”
Demnach trifft der Kapitän die nöthigen Anordnungen. Es wird
eine kleine Avantgarde gebildet, welcher Tirailleure vorausgehen, und x.
zur Führung derſelben befehligt; das Commando der Hauptmaſſe
über=
nimmt S. perſönlich, Lieutenant O. erhält Befehl über eine kleine
Re=
ſerve. Sobald das Signal zum Beginn des Mannövers ertönt, ſetzt ſich
E. mit ſeiner Vorhut in Bewegung. Anfangs iſt kein Feind zu entbecken,
plötzlich aber beginnt zu ſeiner Rechten ein lebhaftes Geſchütz= und
Klein=
gewehrfeuer, der friſche Herbſtwind treibt ihm die Wolken des
Pulver=
dampfes gerade entgegen.
Ungeduldig ſchreitet er vorwärts und treibt ſeine Füſiliere zu größerer
Eile an, in der frohen Hoffnung, bald auf den Feind zu ſtoßen. Vor
ihm liegt eine kleine Höhe; dieſe gilt es raſch zu erreichen - aberſchon
nach den erſten Schritten gebietet ihm ein Signal von der Compagnie
aus „Halt!” Mit größerm Unwillen gehorcht er dem Befehl als die
Mehrzahl der Tirailleure, welche dieſe Pauſe in den kriegeriſchen
Be=
wegungen zu einem herzhaften Schluck aus der Feldflaſche benutzen. Die
Ungeduld des braven Lieutenants ſteigert ſich mit dem ſtärker werdenden
Kanonendonner zu ſeiner Rechten, den lauten Trompetenſigualen, die ihm
wiederholt Cavalerieattaken verkünden.
„Wenn wir nicht die Höhe vor uns bejetzen”, meint er ärgerlich
zu dem ihm beigegebenen Sergeanten, „laufen wir Gefahr, völlig
umgangen zu werden. Ich begreife nicht, warum wir ſo lange hier
ſtilleſtehen.”
Der Unteroffizier iſt natürlich derſelben Meinung wie der Herr
Lieutenant - und ſchon rufen auch zehn Füſiliere zu gleicher Zeit: „Herr
Lieutenant, dort oben kommt was1” Richtig, die Feinde ſind dem
jungen Helden zuvorgekommen. Auf der Höhe blitzt und flimmert es von
zwei, drei, ſechs, acht Bajonneten! Ein ganzer Trupp kommt zum
Vor=
ſchein! Jetzt ſieht man deutlich die grünen Reiſer, welche die
Gegen=
partei an den Kopfbedeckungen trägt, und nicht lange dauert's, L-allen
einzelne Schüſſe von oben herab.
„Habe ich mir's doch gleich gedacht!” ruft x. mit dem Fuße
ſtampfend. „Geſchieht uns aber ganz recht; immer ſchießt drauf los,
ihr Feindel Zum Glück habt ihr doch nur blauen Dunſt geladen, ich
werde mich wohl hüten, meine Patronen zu verplatzen. Wenn es Ernſt
wäre, hätte ich mit meinen Leuten doch längſt in's Gras gebiſſen!”
Die braven Füſiliere hielten ſchon länger als fünf Minuten, ohne
einen einzigen Schuß zu thun, im feindlichen Feuer aus, als der Befehl
vom Hauptmann kommt, die Höhe zu erſtürmen.
Im Augenblick commandirt L.: „Gewehr zur Attake! und ſetzt ſich
mit lautem Hurrah in Trab.
15
Die wackern Füſiliere folgen ihrem tapfern Führer über Stock und
Stein, über einen kleinen Waſſergraben und befinden ſich bald, trotz des
wohlgenährten feindlichen Feuers, auf dem Kamm der Höhe.
Doch die Vertheidiger derſelben laſſen ſich durch den kühnen Angriff
keineswegs einſchüchtern, ſind zſie doch bis zur Bruſt durch eine Mauer
gedeckt, welche längs des Kamms hinläuft und in der ſich nur eine einzige
Thür befindet. Da ruft x. ein zweites begeiſtertes Hurrah und beginnt
über die Mauer zu klettern. Doch kaum hat er ſeine Hände auf den
Rand gelegt, als er ſie wegen eines höchſt unangenehmen Gefühls von
klopfenden Ladeſtöcken zurückzieht. Mehrere Füſiliere, die dem guten
Beiſpiel ihres Führers folgten, erhalten von den feindlichen Kameraden
ſo nachdrückliche Stöße, daß ſie der Länge nach von der Mauer in das
weiche Gras vollen. So abgeſchlagen, formirt x einen Keilangriff auf
die Thür, mehr als hundert feindliche Schüſſe knallen um die Angreifer,
und wenn jeder von ihnen zehn Leben zu vergeben hätte, ſie wären
ver=
loren, ſobald die Vertheidiger blaue Bohnen verſenden könnten. Plötzlich
verſtummt das Geknatter der Schüſſe und über der Mauer, dicht neben
der Thür, wird das Haupt eines feindlichen Kapitäus ſichtbar.
„Aber liebſter Kamerad=, läßt ſich dieſer zu x. gewendet vernehmen,
„wozu ſolche Hartnäckigkeit? Sie werden ſich doch ſelbſt ſagen müſſen,
daß Ihr ganzes Sturmlaufen höchſt unwahrſcheinlich iſt. Abgeſehen
da=
von, daß Sie vorhin ohne alle Deckung im wirkſamſten Bereiche meines
Feuers hielten, wobei möglicherweiſe zwei Drittheile Ihrer Mannſchaft
außer Gefecht geſetzt worden wären, wagen Sie es auch noch, mit einem
einzigen Zuge gegen eine volle Compagnie zu agiren, die doch gewiß nicht
ſchlecht poſtirt iſt. Allen Reſpect vor Ihrer Tapferkeit, junger Freund,
aber was zu viel iſt, iſt zu viel. Ich erſuche Sie dringend, ſich als
abgeſchlagen zu betrachten.
x. ſieht ein, daß ſein Feind recht hat und entſchließt ſich, obwohl
mit ſchwerem Herzen, den Befehl zum Rückzug zu geben. Er ſammelt
ſeine braven Kämpfer und zieht denſelben Weg hinab, den er vor Kurzem
hinanſtürmte. Der Feind iſt ſo großmüthig, dieſe rückgängige Bewegung
nicht durch Feuer zu ſtören.
„Haben Sie nichts von der Compagnie geſehen Pu fragt x., unten
angelangt, verſtimmt den Sergeanten.
„Richt das Geringſte;, entgegnet der Unterofigier. „Och glaube,
ſie hat einen andern Weg eingeſchlagen.
In dieſem Augenblick ſprengt auf einem Schimmel ein Adjutant Sr.
Excellenz im Galopp daher, x. eilt ihm bis an den Rand eines kleinen
Grabens entgegen.
„Herr Lieutenant von L., ruft es vom jeuſeitigen Ufer herüber,
„ Se. Exzellenz wundert ſich ſehr, daß die Höhe noch nicht genommen
iſt und erwartet, daß es ohne weiteres geſchieht. Das Füſilier=
Bataillon wird durch die feindliche Abtheilung in ſeinen freien
Be=
wegungen gehindert.”
Der Lieutenant will eben einige Entſchuldigungsgründe vorbringen,
Verhaltungsbefehle erbitten, da beginnt von der fraglichen Höhe ein neues
Krachen von Flintenſchlüſſen..
Darüber erſchrickt der Schimmel nicht wenig, macht einen furchtbaren
Satz und jagt dann mit ſeinem Reiter von dannen - ſo daß L.
aber=
mals rathlos allein ſteht.
„Was kann's helfenlu ruft er endlich. „Verſuchen wir's noch
ein=
mal. Angetreten! In Front! Marſchl” und abermals ſetzt man ſich in
Bewegung.
Doch diesmal ertönt kein Hurrah. Auch wird uicht Sturm
ge=
laufen. Lautlos, im ruhigen, gemeſſenen Schritt zieht T. die Höhe
hinauf. Kaum zwanzig Schritt vor den Tod und Verderben ſpeienden
Feuerröhren läßt er ſeine Schaar halten, das Gewehr beim Fuß nehmen
und tritt dann allein vor die Thär, neben welcher wieder das Geſicht des
feindlichen Kapitäns zu erblicken iſt.
„Nun, was bringen Sie zu fragt dieſer mit heiterer Miene. „Wollen
Sie ſich etwa gefangen geben?
„Melde gehorſamſt”, beginnt x. ſalutirend, „daß ich von Sr. Excellenz
befehligt bin, dieſe Höhe auf jeden Fall zu nehmen.
„Allen Reſpect vor Sr. Excellenz”, entgegnet der Kapitän lachend,
„aber ſo lange mich nicht mehr angreift, als dieſe Hand voll Leute, kann
ich doch unmöglich zurückgehen. Ich habe ſtrenge Ordre dieſen Punkt
coſte que colte zu halten. Warum läßt man denn uicht ein paar
Ge=
ſchütze gegen mich auffahren ? Einige Kanonenſchüſſe würden mich ſchon
vertreiben. Ich habe nichts dawider, wenn Sie vor der Mauer ſtehen
bleiben wollen, ſo unwahrſcheinich es in Wirklichkeit auch wäre, aber
hinter dieſelbe laſſe ich Niemand.”
Alles Parlamentiren hinüber und herüber bleibt umſonſt - mit
betrübter Miene kehrt x. zu ſeinen Füſilieren zurück, die trotz der Nähe
des Feindes ſich gemüthlich auf dem weichen Raſen gelagert haben. Noch
ſteht L. wie Wallenſtein vor der Schlacht bei Lützen „gedankenvoll an
einen Baum gelehnt”, als plötzlich aus einem ſeitwärts gelegenen Gehölz
14
16
R.4.
einige Schüſſe knallen und gleich darauf Kapitän S. mit ſeiner ganzen
Compagnie, das Bajonnet gefällt, mit wildem Kriegsgeſchrei hervorbricht.
„Gerettet! ruft x. und will eben ſeinen Zug in Bewegung ſetzen
als hinter ihm ertönt: „Guten Morgen, liebſter Kamerad, es ſteht Ihnen
jetzt frei, unſere Mauer zu erſtürmen!
E. wendet ſich, ſieht die Feinde abziehen und das lachende Geſicht
des hartnäckigen Kapitäns verſchwindet. Im Augenblick iſt er nun mit
ſeinen Leuten jenſeit der verhängnißvollen Wand. Eine freie Ausſicht
über das ganze Schlachtfeld bietet ſich ihm dar. Die feindliche Armee
iſt in vollem Rückzuge; die Infanterie des Haupttreffens retirirt über eine
freie Ebene. Die Bataillone haben Quarrés formirt, dazwiſchen Batterien,
welche durch wohlunterhaltenes Feuer die Angriffe der dieſſeitigen Reiterei
zurückzuweiſen ſuchen. Gewehrſalven wechſeln mit dem Donner der
Ka=
uonen, Trompetenſignalen und Trommelwirbeln. Dort jagt eine reitende
Batterie von mehreren Schwadronen begleitet eine flache Höhe hinauf,
Staub wirbelt empor und hüllt die tollen Reiter ein. Nun das
Com=
mando zum Aufwarſch und zum Abprotzen - zwei, drei feurige Blitze
zucken aus der dichten Wolke und ein vollender Donner verkündet dem
Feinde, daß ſein linker Flügel eigentlich durch tödtliche Eiſengeſchoſſe
ver=
nichtet wird.
E. iſt ganz in dem Anblick des Schlachtgemäldes verſunken, und es
koſtet ihm einige Ueberwindung, ſich davon loszureißen; doch es gilt, die
Compagnie wieder zu erreichen. Ein ſchmaler Fußſteig führt zwiſchen
Gärten und Weinbergen nach dem Thal hinab. Dieſen ſchlagen jetzt die
Füſiliere ein, und bald zeigt ſich ihnen auf einem freien Platze die tapfere
Schaar des Kapitäns S.
Mit lautem Jubel werden die wackern Kameraden begrüßt und x.
erfährt, daß man ihn abſichtlich allein gelaſſen, um den Feind irre zu
führen und durch Liſt aus ſeiner vortheilhaften Stellung zu vertreiben.
„Soln brummt L. verſtehend. „Alſo war ich zum enfant perdu
auserſehen; denn in einer wirklichen Schlacht wäre kein Mann von uns
allen mit heiler Haut davongekommen.
„Wirkliche Schlachtl tröſtet der Kapitän S. „Lieber Freund, es
iſt ja nur ein Mannöver, und ich verſichere Sie, es war herrlich
anzu=
ſehen, wie Sie mit Todesverachtung hinanſtürmten. Nun müſſen wir
uns aber beeilen, den Fluß zu erreichen. Du, O., wirſt jetzt die
Avant=
garde führen und mit derſelben einige hundert Schritte vorausgehen, und
Sie, x., bilden mit Ihrem Zuge die Reſerve. Sie folgen uns nicht über
die Brücke, ſondern halten die Häuſer am dieſſeitigen Ufer beſetzt, bis
weiterer Befehl eintrifft. Der Zweck Ihrer Aufſtellung iſt, ein etwaiges
Vorgehen feindlicher Reiterei von ſeinem rechten Flügel her zu verhindern.
Fünf Minuten ſpäter iſt alles im Marſch. O. verſchwindet mit
ſei=
nem Zuge hinter den erſten Häuſern des nahe liegenden Dorfes, welches
ſich bis an die Brücke erſtreckt. Der Kapitän folgt mit dem Gros.
So=
bald x. ſeine Bewegung beginnt, hört er heftiges Flintenfeuer, ein
Be=
weis, das O. bereits an der Brücke mit dem Feinde hangemein iſt.
Trommelwirbel und Hurrahruf - die feindliche Nachhut iſt geworfen.
Auf den Hohen des jenſeitigen Ufers ſieht man ihre Glieder im vollen
Rückzuge.
Derweilen trifft x. ſeine Dispoſitionen. Zunächſt wird ein Doͤfilé
geſperrt, d. h. ein Strohſeil quer über die Brücke gezogen, was dem
Sachverſtändigen als ein unüberſteigliches Hinderniß erſcheinen wird.
Un=
wiſſende Bauerjungen entblöden ſich freilich nicht, darunter hinweg zu
kriechen. Zwei Schildwachen werden jenſeit der Brücke poftirt und zur
Beobachtung des vorliegenden Terrains angehalten, zu gleicher Zeit
über=
nehmen ſie aber auch das Geſchäft von Portiers da ſie jedem
vorüber=
fahrenden Breterwagen und den von der Feldarbeit heimkehrenden
Land=
leuten freundlichſt den Durchlaß eröffnen.
Ein Unteroffizier und vier Mann bleiben dieſſeit der Brücke unter
Gewehr, während x. mit der übrigen Schar umer dem Thore eines großen
Gebändes verſchwindet, an welchem in weißen Gchriftzügen auf blauem
Grunde zu leſen: „Gaſthof zur heitern Miene= Das Beſetzen dieſes
maſſiven und mit vielen Fenſtern verſehenen Gebändes iſt durchaus
noth=
wendig, eine kräftige Vertheidigung des Döfilés wird nur vom erſten
Stockwerk des Gaſthofes möglich ſein. Darum nimmt x. mit dem
Ser=
geanten eine Recognoscirung dieſer oberen Räumlichkeiten vor, während
die Mannſchaft im Erdgeſchoß nähere Bekanntſchaft mit den trockenen und
feuchten Producten des Hotels anknüpft.
„Wohin führt dieſe Thürzu fragt x. den ihu begleitenden Wirth.
„Hier iſt unſer Schlafzimmers entgegnet der Beſitzer der „Heitern
Miene”, „und nebenan ſind zwei Zimmer, die ſoeben von einer fremden
Herrſchaft mit Beſchlag belegt worden ſind, der ein Unglück am Wagen
paſſirte und die deshalb wahrſcheinlich die Nacht hier bleiben muß. Sie
ſitzen unten im Garten heim Frühſtück."
„Soln entgegnete x. und ſetzt dann im befehlenden Tone hinzu:
Gergeant, Sie werden mir dafür ſorgen, daß dieſe Zimmer von unſern
Leuten nicht betreten werden! Wir werden das Feuer nur aus den weiter
rechts liegenden Fenſtern eröffnen!u
„ Gerechter Himmel! ruft der Wirth entſetzt, „Sie werden doch nicht
in meinen Stuben mit Pulver umgehen laſſen? Sie ſprengen mir ja das
Haus in die Luft! Und dann bedenken Sie doch, Herr Lieutenant, die
Damen nebenanl Vor dem Feuer an der Brücke flüchteten ſie nach dem
Garten. Ich denke, das Beſte wäre, Herr Lieutenant, Sie ließen gar
nicht ſchießenl”
„Glauben Sie, Herr pu fragt E. entrüſtet, zuckt dann in ſchweigender
Verachtung die Schulter und herrſcht dem Sergeanten zu: „Es bleibt
da=
beil An jedes Fenſter ein Mannlu Damit hat er auch ſchon eine der
weiter rechts liegenden Thüren geöffnet und findet hinter derſelben ein
freundliches, ziemlich elegant möblirtes Zimmer mit der Ausſicht nach der
Brücke.
„Hier werde ich Poſto ſaſſenlu ruft er aus, wirſt ſeinen Degen und
Kriegshut auf den Tiſch und ſich ins Sofo. „Herr Wirth, ein
Gabel=
frühſtück und eine Flaſche Wein! Sergeant, Sie ſſind men Gaſtl Die
Leute ſollen die Gewehre anſetzen und ſich etwas ausruhen! Es fehlen
noch fünf Minuten an Mittog. Ich denke, vor einer halben Stunde
wer=
den wir nicht angegriffen."
(Schluß folgt.)
Darmſtädter hiſtoriſche Kleinigkeiten.
Mitgetheilt von V.
70. Das Theaterſpiel (Schluß).
Als Ludwig K. die Regierung angetreten hatte, waren die
Zeit=
verhältniſſe dem Theaterſpielen nicht günſtig. Ludwig X. ſuchte ſeine
Erholung mehr in der Muſik, in der er bekanntlich ein großer Kenner
war. Deſſen ungeachtet kamen zeitweiſe Vorſtellungen auf dem Hoftheater
vor und auch reiſende Schauſpieler=Geſellſchaften hielten ſich zeitweiſe
hier auf. So zwar z. B. im Jahr 1805, als der Marſchall Augereau
ſein Hauptquartier in Darmſtadt hatte, eine franzöſiſche
Schauſpielergeſell=
ſchaft engagirt, welche Luftſpiele, Schauſpiele, kleine Ballete und
Baude=
villes gab. Auf kurze Zeit beſtand auch ein Liebhaber=Theater auf dem
Rathhauſe, bei dem Handwerksgeſellen von beſonderer Befähigung
männ=
liche und weibliche Nollen gaben. Bei dieſem Theater war es, wo
ein=
mal bei einer Aufführung der „Räuber” der Regiſſeur dem Publikum
erklärte, es ſei eine Störung eingetreten, denn die „Amalie” (d. h. der
junge Bäckergeſelle, der ſie ſpielen ſollte) habe die Backnacht. Im
Jahr 1807 entſtand das Krebs'ſche Theater in dem Saale des Gaſthauſes
zum Erbprinzen (Dieffenbach'ſches Haus in der Rheinßraße). Aus ihm
entwickelte ſich im Jahr 1819 das Hoftheater. Als Director Krebs trotz
aller Anſtrengungen ſein Theater mit eigenen Mitteln nicht aufrecht halten
konnte, übernahm Ludewig 1. daſſelbe wie es war und erklärte es am
23. Mai 1810 zum „Großherzoglichen Theater der Reſidenz”, und einige
Wochen ſpäter zum Großherzoglichen Hoftheater. Die Aufführungen
fanden von der Zeit an im Hoftheater ſtatt, welches bisher nur bei
ein=
zelnen Vorſtellungen des Hofes, ſowie bei Anweſenheit der berühmten
Händel und Schütz zu Vorſellungen benutzt worden war. Die glänzende
Zeit des Hoftheaters begann, als im Jahr 1819 das neue Theatergebäude,
das „Hof=Opern Theaier' gebaut war, und Ludewigs hoher Kunſtſinn
und ſein gründliches Kunſiverſtändniß die Darmſtädter Oper zu einer
weltberühmten gemacht hatte. Wie bekannt, nahm er an dem Einſiudiren
der Opern einen unmittelbaren activen Antheil und die berühmte Feinheit
der Ausführung fand in dieſer Theilnahme ihre ſärkſie Stütze. Ortlepp
ſchildert eine Opernprobe unter Ludewig I., der er beiwohnen durfte,
in folgenden Worten: „Uud ſo hörte ich denn unter der Ober=Direction
des alten kunſtbegeiſterten Großherzsgs und der Unterleitung zweier
Capellmeiſter, von denen der eine die Inſtrumental= und der andere die
Vokalmuſik dirigirte, den „Waſſerträger! von Cherubini. Das Orcheſter
war wohl gegen 50 Mann ſtark. Sechs Violonsl Zwei Contraviolons.
Ein Flug des Spiels, eine Präciſion, eine Delikateſſe im Ausdruck, ein
Feuer, geung, eine Virtuoſität ohne gleichen! Und da den fürſtlichen,
vor Alter gebückten Greis zu ſehen, der jedem Kapellmeiſter an
muſi=
kaliſchem Gehör gleichkam, wie er mit jugendlichem Feuer in der edlen
Kunſt lebend und webend bemüht war, auch die kleinſte
Unvolkommen=
heit durch wiederholtes Ueben zu beſeitigen - o es hatte ein ſeltenes
Intereſſe! „Die Bäſſe ſärker! Die erſte Geige die Triola ſchärfer
angegeben! Nicht retardirt! Allmähliges Anſchwellen bei dem erescendol
Die erſte Note muß ſtets die ſchwächſte und die letzte die ſtärkſte ſein!
Haben Sie hier zwei b?y So tönte die Stimme des erhabenen
Kunſi=
freundes beſtändig ermunternd, belehrend, tadelnd, lobend und zu erneutem
Streben beſeuerndlu-
Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbichdruckerei.