Beilage
Darmſtädter Frag= und Anzeige=Blatt.
N. 37.
Dienſtag den 15. September
1868.
Das Frag= und Anzeige=Blatt, die Beilage hierzu, ſowie das Verordnungs=Blatt für den Kreis Darmſtadt erſcheinen wöchentlich; Erſteres Camſtags, die Beilage
Dienſtags und Lezteres Donnerſtags. Jahres=Abonnement der drei Blätter zuſammen 2 fl. Auswärts kann man bei allen Poſtämtern abonniren. In Darmſtadt
bei ver Expedition, Rheinſtraße, Nr. 23 neu
Verſteigerungen.
Submiſſion auf Steinkohlen.
Die Steinkohlen=Lieferung für die
gemein=
heitlichen Anſtalten hieſiger Stadt für den Winter
1868-69 im Betrag von circa 5000 Centner
ſtückreichem Ruhrer Fettſchrot ſoll auf dem Wege
der Submiſſion unter den auf unſerem Büreau
offen liegenden Bedingungen vergeben werden.
Bemerkt wird hierbei, daß die Anlieferung in
ganzen Wagenladungen zu geſchehen hat. Zu
ſubmittiren iſt auf den Preis per Centner,
jranco Bahnhof Darmſtadt, ohne Octroi. Die
Submiſſionen ſind längſtens
Mittwoch den 28. d. Mts.
Vormittags 11 Uhr
verſchloſſen in den vor unſerem Büreau
aufge=
hängten Kaſten mit der Aufſchriſt: „Kohlen=
Lieferung betr.” einzulegen, oder mit dieſer
Be=
merkung auf der Adreſſe verſehen, an uns
ein=
zuſenden.
Darmſtadt, den 12. September 1868.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Darmſtadt.
Fuchs.
5778)
p
5779)
Bekanntmachung.
Donnerſtag den 17. September l. J.
Vormittags 11 Uhr ſoll an Ort u. Stelle
das Abheben eines Theils der Weinbergſtraße,
von der Waldſtraße bis an das Winter'ſche
Be=
ſitzthum, öffentlich an den Wenigſtnehmenden
verſteigert werden.
Darmſtadt, am 11. September 1868.
Das Stadtbauamt Darmſtadt.
Hechler.
5816)
Bekanntmachung
Nächſten Mittwoch den 16. dieſes
Monats Vormittags 9 Uhr werden im
Gaſthaus zum Prinz Alexander ſehr gut
er=
haltene Möbel, als: 2 Sopha, Tiſche, Stühle,
Bettwerk mit Bettſtellen, ein ſchöner
Schreib=
ſecretär und allerlei ſonſtiger Hausrath, ferner
ſämmtliches Werkzeug zu Holzſchnitzerei Arbeiten
nebſt 2 Drehbänken und dergleichen öffentlich
gegen gleich baare Zahlung an die
Meißbieten=
den verſteigert.
Darmſtadt, den 10. September 1868.
Großherzogliches Ortsgericht Darmſtatt.
Der Vorſteher:
Verntheiſel.
Verſteigerung von Waldſtücken
in der Gemarkung Arheilgen.
Auf Antrag des Heinrich Horſt in Darmſtadt,
als Vormund der Pauline Laumann daſelbſt,
ſollen Dienſtag den 22. September
Nach=
mittags 5 Uhr die der Pauline Laumann gehöri
gen, in hieſiger Gemarkung gelegenen
Wald=
ſtücke, als:
Flur XVI. Nr. 9½. Klfr. 356 Nadelholz,
17 Gewann am Keilchesgarten,
XXV. Nr. 37. Klftr. 253 Nadelholz,
12 Gewann in der
Leonhards=
tanne
unter den bei der Verſteigerung bekannt gemacht
werdenden Bedingungen zum letzten Male
ver=
teigt werden.
Arheilgen, am 10. September 1863.
Großherzogliches Ortsgericht Arheilgen.
5780)
Benz, Vorſteher.
Feilgebotenes.
Mls ein ausgezeichnetes diätetiſches Mittel,
3 21 die Verdauung zu ſtärken, empfiehlt
ſich der bekannte Liqueur
D
Jahrer Jacob
(auch auf der Pariſer Ausſtellung 1867preisgekrönt)
von
Jacob Drouven & Co. Coblenz.
Ohne draſtiſch zu wirken, belebt derſelbe die
Thätigkeit der Unterleibs=Organe auf eine ſo
kräftige Weiſe, daß bald jede Unthätigkeit der
Verdauung gehoben, die hartnäckigſten
Verſtopfun=
gen beſeitigt und alle die läſtigen Shmpiome,
welche in der Regel mit einer geſchwächten
Ver=
dauung verbunden ſind, wie Blähſucht, Aufſtoßen,
Magenſäure, Magenſchmerzen ꝛc. in kurzer Zeit
geheilt werden.
In ganzen, halben und viertel Flaſchen.
In Darmſtadt bei C. H. Huber
H Söhne, vormals C. Caulé, ſowie bei den
übrigen bekannten Herren Debitanten.
5555) Wachs= und Ledertücher,
Rou=
leaux, Vorhang=Gallerien, Roſetten, empfiehlt
billig
W. Schmidt, Ludwigeplatz 9.
5 Aegen Abreije iſt ein zweiſtöckiges Haus
. 2O) mit oder ohne Möbel ohne Vermittlung
S
zu verkaufen. Nr. 60 Promenadeſtraße.
5650) Gebrochene Zwetſchen von der
Roſen=
höhe werden Malter=, Simmer= und Kumpfweiſe
abgegeben auf Beſtellung in's Haus geliefert,
bei Chriſtiau Kröh, Waiſenpumpe 18.
Anis, Gewürznelken, Citronat
in friſcher Waare empfiehlt
5682) Emanuel Fuld am Markt.
5683) Eussbodenlacke
in den gefälligſten Farben, gekochtes Leinöl zu
Fußböden=Anſtrichen, alle Sorten feinſt geriebener
Oelfarben billigſt bei
J. G. Keller.
5693) Zwei ſchöne Häuſer in der Neuſtadt
mit Gaͤrten ſind unter guten Bedingungen zu
verkaufen. Näheres bei
Julius Gerſt, Alexanderſtraße.
5694) Die bekannten
Pariſer Waſchfarben
zum Selbſtfärben von Kleiderſtoffen.
Tolletteseiſe in Auswahl bei
G. L. Kriegk, Rheinſtraße.
5695) Zwetſchen werden Kumpf= und
Simmerweiſe abgegeben. Beſſ. Carlſtraße 406.
Wf.
SEer Hörzembior
von J. B. Moritz in Mainz
per Flaſche 12 kr.
in ganz ausgezeichnet feiner Qualität bei
5781)
HEshalon SeS2IT, Wilhelminenſtraße.
Hapetann neueſte Deſſins zu außerordenlich billigen Preiſen enpfiehlt
W. Schmidt, Ludwigspl.
5535)
in den ſchönſten Sorten von Iyacinthen,
Tul-
pen, Narcissen, Tazetten, Jonquillen, Crocus,
Anemonen und Ranunkeln empfiehlt zu
billig=
ſten Preiſen
Gust. Laubitz,
Nieder=Ramſtädter Straße 51.
5534)
5688)
Gehnuvämnne
in größter Auswahl bei
J. 9. Reller.
5690) Sehr ſchöne reife Zwetſchen friſch vom
Baume. Auf der Achens Mühle.
R. 37.
140
5704) Mein wohlaſſortirtes Lager in
Thee's, Chocohaden, Cacoigne
offen und in 1r. Schachteln,
Vanille & Gewürzen
empfehle zur bevorſtehenden Saiſon auf's
An=
gelegentlichſte.
J. G. Holler.
Neue holländ. Häringe
(Kronbrand) per Stück 5 kr.
Emanuel Fuld,
am Markt.
5706)
5711)
G. I. Hriogh, Rheinſir.
empfiehlt:
Geſchuittene Naffinade (Würfelzucker),
Citronen in friſcher Feucht,
Prima Limburger Käs pr. Pfd. 18 kr.,
Schweizer u. Gond= Käſe in feinſt. Waare,
Holl. Vollhäringe, desgl. marinirt.
5782) Neun Stück Aloe in Töpfen zu
Ver=
zierungen brauchbar ſtehen im Garten des Hauſes
Nr. 42 der Dieburger Straße zu verkaufen.
5783) Geſſungen) Kirchſtraße Nr. 143
ein Einlegſchwein zu verkaufen.
5784)
Amerikaniſcher
StänhiG-Alamz.
neueſter Erfindung die Taſel 12 kr.
em=
pfiehlt E. J. Bornhauſer.
Vermiethungen.
4793) Soderſtraße Nro. 33 iſt die
Man=
ſarde, beſtehend aus 1 Zimmer, 2 Cabinetten,
Küche u. allem ſonſtigen Zugehör, zu vermiethen.
Nähere Auskunft, ſowie die Einſicht vom Logis
ertheilt Schloſſermeiſter Ludwig, Carlsſtraße 8.
5051) Nro. 19 Schuſtergaſſe iſt ein kleines
Logis zu vermiethen und gleich beziehbar.
Adam Hein.
5262) Ludwigsſtraße 14 iſt im erſten Stock
ein ſchönes Zimmer mit Möbel ſofort zu vermiethen.
5560) Friedrichsſtraße Nr. 24 im zweiten
Hauſe, mittlerer Stock, ſind 2 möblirte Zimmer,
bis 1. October beziehbar, zu vermiethen.
5566) Gardiſtenſtraße Nr. 16 ein Logis, bis
1. December zu beziehen.
5635) Hügelſtraße Nro. 51 ein ſchönes gut
möblirtes Parterre=Zimmer. Auf Verlangen auch
zwei Zimmer mit Kabinet.
5654) Hinter dem neuen botaniſchen Garten
Nr. 43 iſt der mittlere Stock nebſt Manſarden=
Logis zu vermiethen. Es kann auf Verlangen
Stallung für ein Pferd abgegeben werden.
Gärtner Buchert.
5655) Ein kleines möblirtes Zimmer und
Cabinet, monatlich 5 fl. 30 Neckarſtraße Nr. 15.
5656) Ein möblirtes Zimmer zu vermiethen
Bleichſtraße Nr. 9.
5728) Der 3. Stock meines Hauſes,
be=
ſtehend aus 4 Piecen, Küche ꝛc., iſt zu vermiethen
und ſogleich zu beziehen.
Heinrich Roack, Ludwigsplatz Nr. 1.
5785) Bleichſtraße Nr. 17 (Bleichgarten) im
Seitenbau ein großes Zimmer mit oder ohne
Möbel zu vermiethen und bis 1. Oct. zu beziehen.
Vermiſchte Nachrichten.
116) Ein junger Mann mit den nöthigen
Vorkenntniſſen kann in einem Waarengeſchäfte
als Lehrling eintreten. Rheinſtraße 8 neu.
Sechstes Mittelrheiniſches Muſikfeſt.
In unſerer jüngſten Bekanutmachung haben wir uns erlaubt, die Gaſtfreundſchaft unſerer
verehrlichen Mitbürger für die Aufnahme von etwa 200 auswärtigen Damen, welche
bei dem bevorſtehenden Feſt mitwirken werden, in Aſpruch zu nehmen.
Auch für einige mitwirkende Herren (Sänger und Inſtrumentaliſten) würde gaſtliche Aufnahme
während der Feſtage ſehr erwünſcht ſein.
Die Liſten zur Einzeichnung der Wohnungs=Anerbietungen ſind jetzt in Umlauf geſetzt und
empfehlen wir ſolche hierdurch wiederholt zu freundlicher Beachtung.
Bei der kurzen Zeit, welche uns für die Erledigung unſerer Aufgabe noch zugemeſſen iſt, wäre
es übrigens möglich, daß dieſe Liſten nicht oder nicht rechtzeitig, in die Hände Aller gelangen.
Wir haben deshalb gleichzeitig in den Buchhandlungen der Herren Jonghaus, Schödler und
Schorkopf, ſowie bei Herrn Schirmfahrikant Harres ſolche Liſten aufgelegt und würden
wir es als eine weſentliche Förderung der von uns zu treffenden Dispoſitionen beſonders darkbar
erkennen, wenn unſere werthen Mitbürger, welche ſich bei der gaſtlichen Aufnahme von Fremden
zu betheiligen gedenken, dies - ohne die umlaufende Liſte abzuwarten - recht bald in jene
aufgelenten Liſten eintragen wollten.
Diejenigen, welche ihnen befreundete Mitwirkende bei dem Feſt zu Gaſt erwarten, bitten wir,
dies gleichfalls durch Eintrag in die Liſten zu unſerer Kenntniß gelangen zu laſſen.
Darmſtadt, am 14. September 1868.
5786)
Die Empfangs= und Quartier=Commiſſion.
(7
C)umpen, Knochen, altes Eiſen, Meſſing, Kupfer, Zinn, Akten u. Zeitungs=
„
C papier, Roßhaare, alte Betttücher u. Hemden, Gold= u. Silberborden,
c D Autiquitäten in Porzellan, Glas, Holz u. ſ. w. werden zum höchſten
Prei=
ſortwährend angekauft bei
Heaus SmOn, Holzſtraße Nr. 15,
Auf Beſtellung bin ich bereit,
früher Hilarius Pattberg, zuuächſt der Brauerei zur Krone.
ſofort in's Haus zu kommen.
S,
Hi.
H
Sl.
AeAaiadiaaaat
Von heute an finden wieder Aufnahmen von jeder beliebigen Größe
in meinem Thotographischen Ateher ſtatt.
5555)
28lh. LhUas ittwe.
4
Gaaoid
5300) Ein Mädchen, das Nähen und
Bü=
geln kann und gute Zeugniſſe aufzuweiſen hat,
ſucht eine Stelle bei einer Herrſchaft. Näheres
bei Frau Glaſermeiſter Schulz, Alexanderſtr.
5493) Ein 3rädr. Krankenwagen (engl.
Fabrikat) anderweit zu vermiethen. Holzhofſtr. 19.
4563) Einige ſtarke Jungen können in meiner
Steindruckerei anhaltende Beſchäftigung finden.
Eduard Wagner, lith. geoar. Anſtalt.
2 (Frafenſtraße 25 zwei Treppen hoch wünſcht
man einen Theilhaber an dem
Unter=
richte in der franzöſiſchen Sprache.
5641)
Geſuch1
wird für eine kleine Familie ein Haus mit
Garten, oder eine Wohnung von mindeſtens
6 Zimmern und Zubehör. womöglich mit Garten,
ſogleich oder mönlichſt bald disponibel. Offerten
beliebe man unter Nr. 5641 an die Expedition
d. Bl. zu richten.
5664)
Geſucht
wird für November eine Wohnung von vier
herrſchaftlichen und zwei Domeſtiken=Zimmern
in möglichſter Nähe der Heinrichſtraße.
Bezügliche Offerten 49 Rheinſtr. anzumelden.
5748) Ein Kindermädchen wird geſucht, welches
zu Hauſe ſchlafen kann Mathildenplatz 2.
5752) Man ſucht nach Frankfurt eine perfecte
Köchin, welche ſich auch einiger Hausarbeit
unterzieht.
Gute Zeuaniſſe werden verlangt. Näheres
Caſinoſtraße Nr. 8. parterre
2
7 (ine ſtille Familie von zwei Perſonen
C ſucht eine ſchöne Wohnung von 6-7
Zimmern, wo möglich nicht allzuweit von der
katholiſchen Kirche, und mit Garten.
C84as
5746) Agenten=Geſuch.
Zum Abſatz eines leicht und überall
verkäuf=
lichen Artikels, wozu weder Raum noch
kauf=
männiſche Kenntniſſe nöthig ſind, werden Agenten
gegen eine angemeſſene Proviſion geſucht.
Reflectanten belieben ihre Adreſſe uuter den
Buch=
ſtaben E. W. Nr. 20 an die Exp. d. Bl.
franco gelangen zu laſſen.
n ein Engros=Geſchäft wird ein junger
GL-J gewandter Commis geſucht; ſolche, die
3 H ſich ſchon mit dem Verkaufe befaßten,
G* haben den Vorzug. Franco Offerten
unter Chiffre L. K. poste restante Worms.
5738) Geſucht wird auf Michaeli ein
Dienſt=
mädchen, das etwas kochen kann und in allen
Hausarbeiten ſchon erfahren iſt. Mathildenplatz
Nr. 2 dritter Stock.
in feines Taſchentuch, I. S. 6
J
4 He geſtickt, wurde Donnerſtag Abend in
84G, der Nähe der Hirſchköpfe verloren.
Der Finder iſt gebeten, gegen Belohnung
Eliſabethenſtraße Nr. 34 abzugeben.
5790) Meinen geehrten Abnehmern zur
gefälligen Anzeige, daß mein Geſchäft
kom=
menden Donnerſtag u. Freitag den
17. u. 18. Oſs. Feiertage halber geſchloſſen
iſt.
H. Bodenheimer.
5791) Dasjenige Mädchen, welches am
Sonn=
tag Mittag 2 Schlüſſelchen in der Grafenſtraße
gefunden, wird gebeten, dieſelben gegen Belohnung
Nr. 29 im 3 Stock abzugeben.
5754)
A3
141
500 fl. Belohnung
dem, der über den jetzigen Aufenthalt oder das Schickſal des Herrn Adam
Wiener, bisher in Auerbach a. d. B. lebend, dem hieſigen Keeisamte zuerſt
be=
ſtimmten und vollſtändig überzeugenden Aufſchluß geben wird. Herr Adam Wiener
im Alter von 54 Jahren von mittlerer ſchmächtiger Statur, ward zuletzt, am 14.
vorigen Monats, Nachmitags, in Dornheim und Leeheim geſehen.
Darmſtadt den 11. Septbr. 1858.
Im Namen der Familie Wiener.
L. Wiener.
5613) Coupons von Amerik. Obligationen werden angekauft.
Ferdinand Wolfskehl.
Gottesdienſt bei der israelitiſchen Gemeinde.
Am Nenjahrsfeſte:
Mitt woch den 16. September, am Vorabend des Feſes, Gottedienſt: Anſang Abende 6½ Uhr. Predigt
mm Schluſſe des Weltjahrs 5628 um 6½ Uhr.
Donnerſtag den 17. und Freitag den 18. September an den Tagen des Feſtes, Gottesdienſt: Anſang
Morgens 6½ Uhr. - Donnerſtag Predigt um 8½ Uhr.
BItunuxerrity.
r.IDr.
—
7 MariDitandalhen
nrziriinaitnherrriih.
Georg Hof in Darmstadt
5792) General=Agent der
A Aunoncen-Erpedition von G. I. Dauhe &am; Co.
in Frankfurt, Stuttgart, Hamburg u. Brüſſel,
empfiehlt ſich unter liberalen Bedingungen
zur Beſorgung von Anzeigen in alle
Zeitungen aller Länder.
Zeitungsverzeichniß gratis u. franco.
Großherzogliches Hoftheater.
Dienſtag, 15. Sept. 1. Vorſt. im 2. Abonn.:
Mathilde. Schauſpiel in 4 Akten von Rod.
Benedir. „Mathilde: Fräul. Frohn, „Arnau=
Hr. Senger.
Wili6ald Pirſheimer.
Ein Nürnberger Lebensbild.
Kehre der freundliche Leſer heute mit uns ein in's ſchöne trauliche
Nürnberg, zur Zeit des fünfzehnten Jahrhunderts, und zwar in das große
ſchöne Haus, das die Winklerſtraße und den Markt zugleich berührt, „in
St.=Sebald's Pfarre:, dem „Schönen Brunnen” gegenüber, ſein
berühm=
tes Kunſiwerk mit dem Wahrzeichen Nürnbergs, von dem das
Sprüch=
lein lautet:
Der ſchöne Brunu iſt ſchön und feſt,
Nur ein Ring, der ſich nicht rühren läßt.
Das Haus gehörte dem kaiſerlichen Rathe Dr. Johann Pirkheimer
das Hiuterhaus war an den armen Goldſchmied Dürer vermiethet,
Albrech's Vater, dort wohnte die Kunſt in Armuth und Dürftigkeit
im prächtigen Vorderhaus aber, über deſſen ſtattlichem Portal das
hoch=
geehrte Wappen mit der Birke prangte, wurden die Muſen und Grazien
in Reichthum und Wohlleben verehrt, wurde allen Wiſſenſchaften mit
fei=
nem Sinn gehuldigt und mit all den reichen Mitteln, die einem Patrizier
aus den ſiolzen rathsfähigen Geſchlechtern zu Gebote ſtanden, jene höhere
Bildung gepflegt, durch die damals vor allen deutſchen Städten das
edle Nürnberg ſich auszeichnete, wie die Zeitgenoſſen ſelbſt bekannten, die
Geſchichtſchreiber nach ühmten und noch heute unzählige Kunſidenkmale
be=
zeugen.
Johann Pirkheimer hatte ſich 1464 mit Barbara Löffelholz vermählt.
Die Löffelholz gehörten ebenfalls zu den reichſten und angeſehenſten
nürn=
berger Geſchlechtern und von ihnen geſtiftete Kunſtwerke erinnern noch
heute an ſie. Und ſo hatte auch Barbara neben der Würde der deutſchen
Hausfrau, die Geldtaſche und Schlüſſelbund an der Kette ihres Gürtels
trägt, daß es bei jedem Schritt geſchäftig raſſelt, auch jene höhere Bildung
erhalten, die ihr ſelbſt zwar nicht den Beinamen einer Gelehrten erwerken
lounte, aber ſie doch befähigte, die ebenbürtige Gattin eines Gelehrten
und Mutter gelehrter Töchter zu ſein.
Charitas war das erſte Kind dieſer Ehe und ward 1466 zu
Nürn=
berg geboren, während ihr Bruder Wilibald 1479 zu Eichſtädt in Franken
das Licht der Welt erblickte. Der Biſchof von Eichſtädt war immer ein
Freund und Gönner Johann Pirtheimer's, und es ſcheint, dieſer war mit
ſeiner Frau damals für einige Zeit dahin übergeſiedelt, entweder im Dienſt
des Kaiſers Friedrich III. oder des Raths von Nürnberg, der mit dem
Biſchof zu verbandeln hatte, oder weil die Peſt in Nürnberg wüthete.
Seine ſpätere Kindheit verlebte dann Wilibald in Nürnberg in eben jenem
Hauſe, in dem er mit dem Sohne des Goldſchmieds Albrecht Düre:
aufwuchs. Er blieb der einzige Bruder von fünf Schweſtern: Charitas,
Juliane, Clara, Sabine, Euphemia.
Zunächſt leitete Johann Virkheimer nicht nur die Erziehung, ſondern
auch den Unterricht ſeiner Kinder ſelbſt, und da ſein gaſtfreies
Hau=
immer der Sammelplatz aller Gelehrten und Künſtler war, ja auch Kaiſer
Friedrich die Burggraſen und viele andere Fürſten, Biſchöfe und Herren
nicht verſchmähten, bei ihm vorzuſprechen, ſo bildete ſich früh in allen
ſeinen Kindern jener verfeinerte Sinn aus, der mit ſeinen Fühlfäden
zu=
gleich in die Tiefe und in die Höhe geht, einem Baume gleich, der, im
heimiſchen Boden feſt wurzelnd, mit ſeinen Aeſten doch immer dem
Licht=
höher entgegenſrebt und auch rings um ſich noch ein ſchirmendes Dach
gewähren mag.
Eine harmoniſche Bildung, die kein Element ausſchloß. war beſonders
Wilibald's7Theil. Den erſten Unterricht empfing er im Aelternhaus und
in der lateiniſchen Schule Nürnbergs; dann nahm er Ritterdienſte beim
Viſchof von Eichſtädt, einem der Häupter des damals entſtandenen
Schwäbiſchen Bundes. So war es nicht blos ein leeres Spiel der
Waffen, dem ſich Wilibald ergab, nicht nur die Sucht, in ritterlichen
Künſten zu glänzen. wohl gar jenem Raufboldthum ſich zu ergeben, in
das damals ſo oft das Ritterthum ausartete, vielmehr machte hier
Be=
geiſterung für eine ſittliche Jdee ſich geltend: der Schwäbiſche Bund war
zur Erhaltung des Friedens und Herbeiſührung geordneter Zuſtände im
deutſchen Reich gegründet worden; er durfte ſich rühmen, daß er viele
Kriege verhütet oder gleich im Ausbruch erſtickt habe, und daß nicht nur
Schwaben, ſondern ganz Deutſchland, ja alle darin Reiſende und die
Kaufleute anderer Nationen die guten Wirkungen dieſer Verbindung
er=
fahren hätten. So mußte ſich eben alles im Ausgang des Mittelalters
vereinigen, einen Charakter wie Pirkheimer hervorzubringen, der eigentlich
ſeiner Zeit voraus war, vorzüglich in allem, was den vollkommenen
„Gentleman” ausmacht. Dte Sitten in Nürnberg waren weniger roh
als in andern deutſchen Städten, unter dem Adel und ſelbſt an den Höfen,
wie vor allen Pirkheimer's Zeitgenoſſe, Lehrer und Freund, Konrad
Celtes, in ſeiner Schilderung Nürnberg's bezeugt; der Nürnberger
Kunſt=
ſinn bethätigte ſich nicht nur an der Errichtung monumentaler Werke,
in den Wohnungen aller Patricier fand er ſih ein und mit ihm all die
zierlichen und geſchmackvoll gearbeiteten Gegenſtände, die wir noch heute
bewundern. Der Biſchof von Eichſtädt aber war nicht nur ein Haupt
des Schwäbiſchen Bundes, ſondern gehörte auch mit zu jenen Rittern
und Fürſten, die unter ſich ein Bündniß geſtitet hatten „wider das
über=
dies war mindeſtens damals kein
weni=
mäßige Trinken und Fluchen —
ger kühnes und verdienſtliches Unternehmen als jenes wider das
Raub=
ritterthum, denn eins ward ſo ſehr getrieben wie das andere.
Welche Vorzüge aber auch der biſchöfliche Hof haben mochte, an dem
Wilibald ſich die Ritterſporen verdiente, doch zog es ihn wieder zu den
Wiſſenſchaften zurück. und wie damals noch alle höhere wiſſenſchaftliche Bildung
von Italiens Hochſchulen ausging, ſo finden wir auch Pirkheimer dort
ſieben Jahre mit unermüdlichem Eifer ſtudirend. So in Padua, Piſa
und Pavia. Vorzüglich war es die Rechtsgelahrtheit, der er ſich widmete,
außerdem beſchäftigte er ſich aber auch mit Philoſophie, Medicin,
Theo=
logie, Mathematik und Aſtronomie, trieb daneben auch alte Sprachen und
Muſik. Ja für die letztere beſaß er beſondere Talente; wir leſen, wie ſich
die Italiener, mitten in ihrem Vaterlande des Geſanges und der
Ton=
kunſt, über den deutſchen Jüngling verwunderten, der ſo wenig von einem
Barbaren an ſich hatte, „und zunächſt daß er ſo zierlich und lieblich auf
dem Inſtrument und Lautenſchlagen konnte. Daß ſie ſein fließendes
La=
tein und ſeine rhetoriſchen Gaben lobten, fällt weniger in's Gewicht, wenn
man bedenkt, daß damals ein kaiſerlicher Geſandter am päbſtlichen Hofe
eine lateiniſche Rede gehalten hatte, ohne daß die Anweſenden verſtanden,
in welcher Sprache er ſich ausgedrückt, noch ſonſt etwas davon - ſo
übel war es damals häufig gerade mit den vornehmſten Vertretern der
barbariſchen Nation beſtellt.
Wieder nach Nürnberg zurückgekehrt, ward Pirkheimer in den Rath
gewählt und verheirathete ſich 1497 mit Crescentia Nieter. Die Nieter
gebörten gleichfalls zu den angeſehenſten rathsfäbigen Geſchlechtern
Nürn=
berg's, doch war Crescentia die letzte ihres Geſchlechtes. Das ſogenannte
Nieter'ſche Haus, aus dem ſie ſtammte, kaufte nahmals Martin Ketzel
derſelbe, der Adam Kraft's berühmtes Kunſtwerk: „Die ſieben Fälle
Chriſti” anfertigen ließ, die wir noch heute in Nürnberg finden, wo das
Ketzel=Nieter'ſche Haus, als Pilatushaus geltend, unverändert ſteht. Auch
142
„ Bilbung und feinem Kunſiſinn war Crescentia Pirkheimer's ebenbürtige
Gattin und er lebte mit ihr in der glücklichſten Ehe und ward damals um
ſo mehr als das Muſter eines „treuen Ehemanns” gerühmt, als er,
während er ledig war, gern mit Frauen ſcherzte, und die Sitten der
da=
maligen Zeit, ſelbſt in Nürnberg, nicht der Art waren, daß man es
ſon=
derlich anſtößig gefunden hätte, wenn die Männer mit verrufenen Frauen
verkehrten.
Im Jahre 1499 ſandte Nürnberg dem Kaiſer Maximilian l. die von
dem Schwäbiſchen Bund und den deutſchen Ständen begehrte Hülfe wider
die Schweiz: 490 Mann zu Fuß und 60 Reiter dazu in rothem Wappen
rock - denu es ward damals eben gebräuchlich, die Truppen auf einerlei
Art zu kleiden. An die Spitze dieſes Häufleins ſtellte man Wilibalt
Pirkheimer, der ſpäter die Geſchichte dieſes Kriegs ſelbft geſchrieben hat
Die Schweizer hatten ſich durch ihre Siege über Karl den Kühnen
von Burgund in ganz Europa als ein tapferes Volk bekannt gemacht. Je
näher man ſie kennen lernte, je mehr Achtung empfand man auch vor
ihrer Klugheit und ihrer Vaterlandsbegeiſterung. Schon bewarben ſich
nicht nur ihre Nachbarn, ſondern auch die entfernteſten Mächte um ihre
Freundſchaſt. Auf ihrem Verſammlungstage zu Zürich, 1496, erſchienen
Geſandte von allen Mächten die bei den Wirren Italiens intereſſirt
waren: Geſandte des Pabſtes, des Kaiſers, von Spanien und Venedig.
von Mailand und Frankreich. Alle Ueberredungskünſte, Schmeicheleien
und Verſprechungen wurden angewandt, die Schweiz für die einen oder
die andern zur Parteinahme zu gewinnen. Sie neiate zu Frankreich,
wel=
ches in der That auch gab, wo die andern Mächte nur verſprachen.
Statt dieſem Beiſpiel zu folgen, wohl dem einzigen, ein ſtolzes,
freiheit=
liebendes und klug erwägendes Volk zu gewinnen, drohten die kaiſerl chen
Geſandten - gerade die ohnmächtigſten von allenl Die Schweizer aber
ließen ſich weder zum Beitritt zum Schwäbiſchen Bund noch zum Abfall
von Frankreich bewegen und ſollten nun von öſterreichiſchen Truppen dazu
gezwungen werden. Aber ſie ſiegten zu Dorneck und Fraſtenz, ſelbſt nur
wenige Todte verlierend, indeß Tauſende von den Kaiſerlichen umkamen.
Darüber verließ Kaiſer Maximilian ſelbſt die Niederlande, um die
naufrühreriſchen: Schweizer zu bezwingen. In Feldkirchen wollte er di=
Truppen verſammeln. Dort ſtieß Pirkheimer zu ihm. Nachdem
Maxi=
milian die ſämmtlichen Truppen gemuſtert hatte, beſchloß er ſelbſt von
Tirol aus in das Thal von Engaddin einzubrechen. Als die Armee einige
Tage marſchirt war, fing ſie an, großen Mangel an Lebensmitteln zu leiden.
Pirkheimer ward daher mit 200 Mann abgeſandt, über den Arlberg nach
Bormio, das dem Herzog von Mailand gehörte, zu gehen, um hier
Lebensmittel zu holen. Auf dem Wege dahin kam Pirkheimer durch ein
großes abgebranntes Dorf. Da ſah er zwei alte Frauen, die an
vier=
hundert Knaben und Mädchen wie eine Heerde vor ſich hertrieben. Alle
waren ſo bleich und kraftles, daß Pirkheimer die Frauen ſchaudernd
fragte: wo ſie mit den Unglücklichen hinwollten. Kaum fühig zu antworten.
bedeuteten ſie ihn nur, daß er es gleich ſelbſt ſehen würde. Als ſie auf
eine Wieſe kamen, fielen ſie alle nieder, riſſen Kräuter und Wurzeln aus
und verſchlangen ſie begierig. Pirkheimer ſtand erſt ſprachlos vor
Ent=
ſetzen und Mitleid, dann mußte er in Thränen ausbrechen. Die Alten
erzählten ihm, wie die Väter dieſer Unglücklichen im Kriege geblieben,
ihre Mütter vor Kummer und Elend umgekommen, ihre Wohnungen ver
brannt und ſie von aller Welt verlaſſen wären. Die Zahl dieſer
un=
glücklichen Kinder ſei viel größer geweſen, aber Hunger und Elend hätte
ſie ſchon gemindert.
Pirkheimer ſelbſt hatte einen beſchwerlichen Marſch über das
Ge=
birge. Es war mitten im Sommer und der Schnee begann zu ſchmelzen;
bald blieb er mit ſeinen Leuten darin ſtecken, bald kamen ſie in Gefahr,
darin begraben zu werden. Endlich langten ſie ermatet zu Bormio an,
fanden aber nur Flüchtlinge und keine Lebensmittel. Mühſam brachte
Pirkheimer 50 Saumroſſe mit Proviant zuſammen, mit denen er den
fol=
genden Tag zurückkam. Die Engaddiner hatten ſich auf einem Berge
verſchanzt, auf dem ſie unangreifbar ſchienen, aber Pirkheimer gelangte
mit einem Trupp auf verborgenem Wege hinan und ſchlug die Engaddiner
in die Flucht. Trotz des Sieges lief die Armee auseinander. Bei
Koſt=
nitz ſammeite ſich wieder ein neues, wohlgerüſtetes Heer von 20,000 Mann.
Pirkheimer war mit dem Kaiſer in Ueberlingen. Da erhielt Maximilian
durch ein Landmädchen ein Schreiben der Schweizer, in dem ſie erklärten,
daß ſie bereit wären, die Waffen niederzulegen, wenn er zufrieden wäre,
daß die Sache durch gütlichen Vergleich geendet würde. Wenn er ihre
Bitte nicht anhöre, bezeugten ſie ver Gott, an dem weiteren Blutvergießen
unſchuldig zu ſein, ſie müßten nur die Fretheit vertheidigen die ſie von
ihren Vorfahren ererbt. Der Kaiſer gab keine Antwort. Er ſandte den
Grafen von Fürſtenberg mit einem Heer von 16,000 Mann gen Baſel
er ſelbſt ging nach Lindau. Dorthin mußte ihm Pirkheimer die
Nach=
richt bringen, daß von jenem großen Heere der größte Theil bei Lieſtal
von den Schweizern erſchlagen liege, ihr Führer darunter. Niemand als
87.
Pirkheimer ließ der Kaiſer vor ſich, als er dieſe Kunde empfangen. Am
Tage darauf begab er ſich zu Schiff nach Koſtnitz und entließ Pirkheimer
nach Nürnberg, aus dem Geſchäfte des Kriegs zu dem des Friedens.
Seine Gattin, die ihm ſchon eine Tochter, Felicitas, geboren, ſchenkte
ihm noch vier Töchter: Katharina. Crescen ia, Barbara und Charitas.
Ihr ſechstes Kind war ein Sohn, aber er koſtete ihr das Leben und ſtarb
mit ihr, den 10. Juni 1504.
Pirkheimer war wieder in den Rath gewählt und auch vom Kaiſer
Maximilian, der ihm beſondere Gunſt bezeigte, obwohl es immer hieß,
daß der Kaiſer „uicht gut nürnbergiſchu ſei, zum kaiſerlichen Rath ernannt
und mehrmals von ihm in Anſpruch genommen worden. Außerdem lag
er den Wiſſenſchaften ob, überſetzte vieles aus dem Griechiſchen und
La=
teiniſchen und unterhielt einen lebhaften Briefwechſel mit vielen Gelehrten
und ſtrebenden Geiſtern ſeiner Zeit; ein Ulrich von Hutten, ein Philipp
Melanchthon ſind unter ihnen. Von ſeiner innigen Freundſchaft zu
Albrecht Dürer, wie er während des Künſtlers italieniſcher Reiſe ſeine
Angehörigen unterſtützte und überall dem Freunde mit Rath und That
bei=
ſtand, ſprachen wir ſchon. Noch jetzt erfreut es zu leſen, wie dieſe beiden
Männer aneinander hingen, wie ſie ſich aneinander für ihre Werke
be=
geiſterten, wie der gelehrtere Pirtheimer Dürer's Schriften vor dem Drucke
durchſah, wie ſie dann wieder miteinander ſcherzten, und wenn ſie getrennt
waren, ſich gegenſeitig allerlei Liebeszeichen ſandten. So brachte
Pirk=
beimer einſt Dürer vom Ausland „eine feine Sammtkappe- mit und dieſer
jenem wieder aus den Niederlanden als etwas Neues ein Poſthörnchen,
das mit der Bezeichnung „ein reiſendes Hörnlein: in Pirkheimer's
Nach=
laß ſich findet — damals hatten eben die Fürſten von Thurn und Taxis
die erſte Poſt eingerichtet, die von Brüſſel nach Wien fuhr - und die
denkenden Köpfe begrüßten damals dieſe Eiurichtung mit derſelben
ahnungs=
vollen Freude wie die des 19. Jahrhunderts die Eiſenbahnen.
Ein intereſſantes Schriftſtück, datirt: „St=Sebaldsabend 1517u iſt
uns aus Pirkheimer's eigener Feder bewahrt, das charakteriſtiſch iſt für
ihn ſelbſt wie für die damaligen Zuſtände, es iſt dieß eine , Entſchuldigung
vor dem Rath von Nürnberg;, aus der hervorgeht, wie auch er das
Sichckſal aller einflußreichen und hervorragenden Männer hatte, Feinde
und Neider zu finden.
„Mir iſt verwieſen, wie ich (bei den Rathsſitzungen) viel in die Frage
rede und andere irre mache. Ich rede meinem Gewiſſen nach und ſchwieg
ich, könnt' ich's gegen Gott nicht verantworten, war mir auch gegen den
Menſchen verweißlich. Dann iſt mir auch fürgehalten worden, wie ich des
Raths nicht auswarte und viel außer und auf dem Rathhaus ſpazieren
gehe. Nur zweimal bin ich ausgeblieben - aber wenn ich gleich bin
ge=
kommen, iſts ganz nichts nutz; denn öffentlich iſt's und liegt am Tage,
daß ich zu nichts mehr gebraucht werde, mir auch nichts mehr befohlen
auszurichten; daß ich dann wohl leiden mag, hab' lieber Ruhe, denn Mühe
und Arbeit; ich ſage das aber darum, ſo ich gleich im Rath komme und
ſoll ſitzen wie ein Stock bin ich etwas noch nutz und begehret man
meiner, warum wird mir nichts mehr wie vor befohlen? So mir aber
nichts befohlen wird und ich nicht tauglich bin, wie kann dann geſagt
wer=
den, daß man an mir irre gehe oder daß ich des Raths warten ſoll?
Wie mahl ich daneben weiß, daß etliche meiner Mißgönner ſich bei Euer
Wohledlen haben hören laſſen, wie ich verredt haben ſoll, Euer
Wohl=
edlen nicht mehr zu dienen, das aber ganz ohne Grund iſt Ich achte
wohl, es möchten etliche leiden, daß ich gar nicht da ſäße. Wie auch
andere des Rath warten, iſt allen kund und wiſſentlich, wiewohl ich mich
nicht mit andern Leuten beſchönigen will.”
Und weiter ſtellt er dem Rathe vor:
„Hab' ich Euch nicht lange Jahre treulich und ehrlich gedient,
unge=
ſpart meines Leibes und Gutes? Erſtlich im Schweizerkrieg, da ich nicht
allein meinen Leib, ſondern auch das Gut dargeſtreckt hab und über 150
fl. mehr ausgegeben, denn mir von Euer Wohledlen geworden? Ich hab
Euch noch in allen folgenden Sachen, dazu Ihr mich gebraucht habt,
ge=
treulich meines Vermögens gedient, in Schotten, markgräflich und
pfälzi=
cher Handlung und wozu ich ſonſt von Euer Wohledlen für nutz
ange=
ſehen worden bin, nicht nachläſſig, wie ich jetzt beſchuldigt werde, ſondern
dermaßen, daß Ihr Nutzen und ich Ehre davon gehabt. Aber ich bitte
Euch: weß Dankes und Lohnes habe ich bis auf dieſe Stunde von ſolchen
Dienſten allen empfangen? Das iſt der Lohn, daß man mich an meinen
Ehren ſchmähet! Iſt ſolches recht und billig? Steht es Euer Wohledlen
wohl an oder gebiert es ein gut Exempel? Ich weiß fürwahr, daß ich
auch hierin von denen, ſo mir feind ſind, nicht geſtraft kann werden,
wie=
wohl ich weiß, daß dieſe meine Rede bei etlichen wenig Anſehen hat, daß
ich dann Gott befehlen muß! Weiß aber, wäre ich bei Heiden oder Türken
und hätte dermaßen gedient, wäre mir's anders gelohnet! Ich habe auch
keinen Zweifel, daß viele meiner Herren zugegen ſitzen, die wiſſen, daß ich
nicht unrecht ſage, und iſt keiner, der, wäre ich ſein Hausknecht geweſen,
(Schluß folgt.)
mir nicht beſſer gelohnt bätte.”
Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hoſducherucerti.
[ ← ][ ][ → ]A38.
E. 2119) Norddeutscher Hloyd.
Regelmäßige Poſtdampfſchiffahrt zwiſchen.
E. Eremen und Heuv-Lorh
gomthampton aulaufend
Von Bremen:
Von Newyork:
Von Bremen:
D. Bremen,
15. October. D. Amerika 17. October 12. November
D. Deutſchland 26. Septbr.
22.
D. Weſer
„
24.
D. Rhein
3. October 29.
D. Hermann 31.
D. Hanſa
10.
5. November. D. Union
Von Newyork:
19.
„
„
26.
7. Nobember 3. December.
ferner von Bremen jeden Sonnabend, von Southampton jeden Dienſtag,
von Newyork jeden Donnerſtag.
Paſſage=Preiſe bis auf Weiteres: Erſte Cajüte 165 Thlr., Zweite Cajüte 100 Thlr,
Zwiſchendeck 55 Thaler Courant incl. Beköſtigung. Kinder unter zehn Jahren auf allen
Plaͤtzen die Haͤlfte, Saͤuglinge 3 Thlr.
Fracht Pfd. 2. mit 15 p6t. Vrimage ver 40 Ebf. Bremer Maaße. Ordinäre Güter znach Uebereinkunft.
RRERENun RALTIHORE
Sonthampton anlaufend.
Von Bremen:
Von Baltimore:
Von Bremen:
Von Baltimore:
D. Berlin
1. November. D. Berlin
1. October.
1. December 1. Jan. 1869.
D. Baltimore 1. November. 1. December. D. Baltimore 1. Jan. 1869. 1. Febr. 1869.
ferner von Bremen und Baltimore jeden Erſten, von Gouthampton jeden
Vierten des Monats.
Paſſage=Preiſe bis auf Weiteres: Cajüte 120 Thaler, Zwiſchendeck 55 Thlr. Crt., Kinder
unter 10 Jahren auf allen Plätzen die Hälfte, Säuglinge 3 Thaler.
Fracht bis auf Weiteres: Pfd. 2. mit 15 pCt. Primage per 40 Ebfß. Bremer Maaße.
EREEEN und NEVV-ORLEAU8
ausgehend und rückkehrend Southampton und Havana anlaufend.
D. Newyork am 14. October.
D. Bremen am 11. November.
Paſſage=Preiſe nach Havana und New=Orleans: Erſte Kajüte 200 Thaler, zweite Cajüte
150 Thaler, Zwiſchendeck 55 Thaler Courant.
Fracht Pf. 2. 10 mit 15 pCt. Primage per 40 Cubikfuß Bremer Maaße.
Nähere Auskunft ertheilen ſämmtliche Paſſagier=Expedienten in Bremen und deren inländiſche
Agenten, ſowie
Die Direction des Norddeutſchen Lloyd:
Crüsemann, Direktor. H. Weters, Procurant.
53) Wir ſind ermächtigt, für die obigen Poſidampfer Paſſagiere feſt anzunehmen und
halten uns zu Contract=Abſchlüſſen beſtens empfohlen.
Leopold Schünemann. Carl Gerschlauer, Haupt=Agent.
1122) Für obige Poſt=Dampfſchiffe des Norddeutſchen Llohd bin ich ermächtigt, Ueberfahrts=
Verträge feſt abzuſchließen.
Kirchſtraße
Eliſabethen=
Paul Störger Sohn, Nr. 25.
H. Störger, ſtraße A1.
2284) Ich bin ermächtigt, für die Poſidampfſchiffe des „Norddeutſchen Lloydu
Paſſagiere feſt anzunehmen und halte mich zu Contract=Abſchlüſſen beſtens empfohlen.
Emanuel Fuld. am Markt.
5613) Coupons von Amerik. Obligationen werden angekauft.
Ferdinand Wolfskehl.
5738) Geſucht wird auf Michaeli ein Dienſt=
3 Ein erfahrener Heizer mädchen, das ewas kochen kann und in allen
wird für eine 30 pferdige Dampfmaſchine gegen Hausarbeiten ſchon erfahren iſt. Mathildenplatz
guten Lohn geſucht. Näheres bei der Expedition. Nr. 2 dritter Stock.
147
Crombach's Muſeum
in der großen, mit Gas erleuchteten
Bude auf dem Ernſt=Ludwigsplatz.
Einem hochgeehrten Publicum die ergebene Anzeige,
daß ich mein wiſſenſchaftliches, ethnologiſches,
pa=
thologiſches und anatomiſches Muſeum, das
reich=
haltigſte aller bis jetzt geſehenen, zur Anſicht
auf=
geſtellt habe. Dieſe bis jetzt anerkannt größte
Sammlung, beſtehend aus Natur= und
Kunſt=
präparaten, welche den Beifall aller großen
Städte Europa's erntete, wird auch hier dem
kunſtliebenden Publicum einen überraſchenden
wiſſenſchaftlichen Genuß gewähren. Die
Aus=
ſtellung enthält u. A. die zerlegbare anatomiſche
Venus von Medici, von dem berühmten Meiſter
Serantoni aus Florenz verfertigt, und iſt ſie
ſeiner Zeit die einzige, welche gänzlich zerlegt
und wiſſenſchaftlich erklärt wird
Zu zahlreichem Beſuche ladet freundlichſt ein
5915)
Crombach.
4563) Einige ſtarke Jungen können in meiner
Steindruckerei anhaltende Beſchäͤftigung finden.
Eduard Wagner, lith.=geogr. Anſtalt.
(Vrafenſtraße 25 zwei Treppen hoch wünſcht
⁹⁄₈
⬜ man einen Theilhaber an dem
Unter=
richte in der franzöſiſchen Sprache.
5748) Ein Kindermädchen wird geſucht, welches
zu Hauſe ſchlafen kann. Mathildenplatz 2.
5960)
Mannheim.
2- 3 Feilenhauer
auf Dauer gegen gute Bezahlung geſucht in
Mann=
heim bei
S. Müller, K 2, 2
5959) Frauenzimmer, die Stramin=Arbeiten
übernehmen, können fortwährend bekommen.
Hölgesſtraße Nr. 13.
5961) Ein Mädchen kann noch einige Damen
zum Friſiren annehmen. Schulzengaſſe 22.
Großherzogliches Hoftheater.
Dienſtag, 22. Sept. 5. Vorſt. im 2. Abonn.:
Ein Arzt. Luſtſpiel in 1 Akt n. d. Franz. von
Wages. Hierauf zum Erſtenmal: Die Toilette
meiner Frau. Lufiſpiel in 1 Akt n. d. Franz.
von Förſter. Zum Schluß zum Erſtenmal: Zehn
Mädchen und kein Mann.
Geſangsbur=
leske in 1Akt von Suppé. „Sidonia' Fräulein
Braun, als Gaſt.
Donnerſtag. 24. Sept. 6. Vorſt. im 2. Ab.:
Norma. Oper in 3 Akten, Muſik von Bellini.
Wiſibald Pirkheimer.
Ein Rürnberger Lebensbild.
Schluß).
Den Nürnberger Rathsherren war die advocatoriſche Praris nicht
geſtattet, doch ſcheint man dieſes Verbot keineswegs ſtreng aufrecht
er=
halten zu haben; darum überſchritt es einmal auch Pirkheimer und man
machte ihm erſt dann einen Vorwurf daraus, als man eben ſeine Stellung
zu untergraben anfing. Darum antwortete er auf dieſe Beſchuldigung:
„Das leugne ich nicht! Habe ich das doch mit Müh' und Arbeit,
auch ſchweren Aelternkoſten gelernt, wiewohl ich nit viel kann; und
die=
weil Ihr, meine Herren, habt das brauchen wollen, habt Ihr das auch
nicht unerſprießlich gefunden; da es Euch aber nicht mehr zu brauchen
gefällig, hab' ich das nicht wollen bei mir verderben laſſen, ſondern
mit=
getheilt, denen ſolches noth geweſen; hab' es auch mehr um Gottes willer
und Freundſchaft, denn um Geld gethan, manchen armen, elenden
Men=
ſchen, Wittib und Waiſen in gerechter Sache geholfen, keine andere an=
genommen und niemals wider den Rath einen Buchſtaben advocirt;
hab=
gedacht, Euch, meine Herren, wäre das zu Gefallen geweſen, da Ihr
Mangel an Advocaten habt und ich kein Urtheil ſelbſt zu ſprechen pflege.
Zudem treiben das andere Leute auch, die hier ſitzen - aber mit mir
wollt Ihr nur anfangen!
Nach dem allen erklärt er ſeinen Austritt aus dem Rath.
Derſelb=
endet jedoch eine Deputation an Pirkheimer ab, erklärt ihm, daß er nur
im letztern dem Geſetz zuwider handele, in allem andern habe man ſich
geirrt. Darauf hin entſchließt er ſich, noch bis zur neuen Rathswahl zu
hleiben; dann erklärt er aber ſeinen Austritt und zieht ſich für einige
Zeit von den ſtädtiſchen Geſchäften zurück und widmet ſich ganz den
Wiſſenſchaften. Damals fand er in Würzburg die Schriften des heiligen
Fulgentius auf, überſetzte ſie und widmete ſie ſeiner Schweſter Charitas.
Sein Freund Anton Koberger, der die erſte und größte Druckerei in
Nürnberg boſaß, der Pathe Albrecht Dürer's, war gleichſam Pirk
heimer's rechte Hand; ſie wirkten gemeinſam für die Wiſſenſchaft und
Aufklärung.
Bei Pirtheimer's umfaſſender Bildung und Geiſtesllarheit war es
38
148
N 38.
natürlich, daß Luther's Auftreten ſeine ganze Theilnahme erregte, daß er,
ſelbſt durchdrungen von den Uebelſtaͤnden und Mißbräuchen, die ſich in
die Kirche eingeſchlichen, den Reformator mit Freuden ſo kühn und
un=
umwunden vor allem Volk ausſprechen hörte, was er ſelbſt zum Theil im
Stillen gedacht, aber doch nur im Kreiſe der gelehrten Freunde hatte
laut werden laſſen. Ueberhaupt fanden Luther's Grundſätze gleich im
Anfang ihrer Verbreitung im aufgeklärten, gebildeten Nürnberg zahlreiche
Anhänger, welche nur auf einen günſtigen Augenblick harrten, um ſich
öffentlich als ſolche zu bekennen und das Werk der Kirchenverbeſſerung
womöglich in der freien Reichsſtadt durchzuſetzen. Die erſten, welche die
evangeliſche Lehre zu verkündigen wagten, waren die Prediger Andreas
Oſiander in St=Lorenz und Dominicus Schlaupner bei St.=Sebaldus.
Selbſt während des Reichstags, der in den Jahren von 1523 und 24
zu Nürnberg gehalten ward, trugen dieſe Männer keine Scheu, im
Ange=
ſicht der Stände und der päbſtlichen Geſandten das Anſehen Rom's zu
bekämpfen. Allmählich ward der größere Theil des Raths und der
Bür=
gerſchaft den neuen Ideen gewonnen. Man ließ es nicht nur bei leeren
Worten bewenden, man ſchritt zur That, ſchaffte einige Mißbräuche bei
den Ceremonien ab, dann die Frühmeſſen und den lateiniſchen
Kirchen=
geſang und wandte ſeine Auſmerkſamkeit auf die Klöſter - die neue Lehre
ſollte auch dahin dringen und ihre Aufhebung vorbereiten.
Dies war die Zeit, in der Pirkheimer mit ſeinen eigenen Gefühlen
in's Unklare und ſo in viele Conflicte mit ſich ſelbſt, ſeinen Freunden
und Mitbürgern und ſeiner Familie gerieth. Seine Schweſtern und
Töchter waren im Kloſter und hielten mit der äußerſten Standhaftigkeit
an ihrem Glauben. Da Pirkheimer ſeine Gattin verloren und
unverhei=
rathet blieb, ſo hatte er auch ſeine Töchter im Clarakloſter, wo ſeine
Schweſter Charitas Aebtiſſin war, erziehen laſſen und es ihnen frei
ge=
ſtellt, ob ſie darin verbleiben wollten oder nicht.
Doch ehe wir uns zu dieſen Stürmen wenden, wollen wir erſt noch
ein friedliches Bild im Leben dieſes hochbegabten Mannes betrachten, wie
er es ſelbſt entworfen und wie es uns mehr als alles Andere ihn ſelbſt
und ſein ganzes Weſen vergegenwärtigt. Als im Sommer 1521 die Peſt
in Nürnberg wüthete, nahm er ſeinen Aufenthalt in Neunhof, einem drei
Meilen von Nürnberg entfernten Landſitz, den man früher den „
Burg=
ſtall” hieß, weil die Burggrafen von Nürnberg im dortigen Schloſſe ihren
Marſtall hatten. Burggraf Friedrich hatte es jedoch an einen Nürnberger
Bürger verkauft und ſo war es zu Pirkheimers Zeit im Beſitz ſeines
Schwagers Martin Geuder von Heraldsberg zu Heraldsberg und
Neun=
hof, eines Mannes, der auch, gleich Pirkheimer, „gerecht in vielen Sätteln!
war. Man rühmte ihn nach ſeinen ritterlichen Gaben, weil er einſt im
Turnier mit Markgraf Friedrich von Brandenburg - im Jahre 1486 und dabei große Ehren einlegte. Fünfzig Jahre lang verwaltete
er alle Aemter im Rath, ward Looſungsherr und Reichsſchultheiß.
In dieſem Schloſſe des reichen und kunſiſinnigen Schwagers, in einer
fruchtbaren wälder= und blumenreichen Gegend, „des Reiches
Bienen=
garten”, in einer Felſengrotte dabei, die man noch heute ſieht, vergaß er
das ermüdende Treiben der Welt und führte ein Leben ganz nach ſeinem
Sinn. Er ſchildert es in einem langen Schreiben an den Domherrn zu
Augsburg und Eichſtädt, Bernhard Adelmann von Adelmannsfelden, dem
er mehrere ſeiner Schriften widmete. Wir entnehmen demſelben nur die
charakteriſtiſchen Stellen.
„3ch komme ſelten aus dem Schloſſe, ausgenommen in die Kirche,
und auch dann nur zu Pferde, weil ich, wie Ihr ſchon wißt ſchlecht zu
Fuß bin.
Nicht lange vorher hatte er eine Apologial an das Podagra,
„das königliche Fräulein von Chpern= geſchrieben - ſo ſcherzte er
ſelbſt über ſeine Leiden; und was andern den Humor verdirbt, weckte
den ſeinen.
„Ich kann mich hiers, ſchreibt er weiter, yan vielen Schauſpielen
ſattſam ergötzen; des Morgens ſehe ich nach meinem Gebet zu Gott nicht
ohne innige Freude die blökenden Schafe in zwei Heerden auf die Weide
eilen. Vor ihnen her laufen Rinder von ungemeiner Größe, gegen die
Augriffe der Wölfe mit Stachelhalsbändern verſehen; auf gleiche Weiſe
beſchließen ſie den Zug und verlaſſen nie ihre treue Wache. In ihre
Spuren treten die hörnertragenden Heerden und die Züge borſtiger
Schweine, die mit ihrem Treiber immer im Kampfe ſind, indem ſie
haufenweiſe hiether und dorthin auseinanderlaufen. Wenn dies geſchehen
iſt, ſo beſchäftige ich mich einen großen Theil des Tags mit Leſen,
vor=
züglich in den Schriften des Plato, und zwar fleißiger als je vorher, da
ich nämlich der Laſt der Geſchäfte los und davon befreit bin.
Nachmit=
tags erquicke ich mein Auge durch einen Blick in das Freie, leſe
Ge=
ſchichten oder treibe etwas Erheiterndes; bisweilen beſchäftige ich mich
auch mit Muſik oder antworte denen, die mit mir in Briefwechſel ſtehen,
deren Zahl groß iſt. Bisweilen kommen auch Freunde, mich zu beſuchen;
dieſe kann ich dann bei einem ſo großen Ueberfluß au Fiſchen und Fleiſch
auf das herrlichſte bewirthen; bisweilen beſucht mich ſelbſt mein Schwager;
aber dies iſt ſelten, denn er kann, weil er Stadthauptmann iſt, nicht lange
von der Stadt entfernt ſein. Meine Schweſter kommt häufiger. Meine beiden
Töchter aber ſind mit meiner Zulaſſung ihren Männern nachgefolgt, die eine
nach Augsburg, die andere nach Meißen. Wenn keine Freunde bei mir ſind,
ſo laſſe ich Leute aus dem Dorfe zu einem Mahle einladen, vorzüglich
an Feſttagen, und dann ſpreche ich mit ihnen vom Feldbau und der
Na=
tur; ja zuweilen gebe ich der ganzen Menge der Landleute mit ihren
Weibern und Söhnen und unverhetratheten Töchtern eine Mahlzeit.
Hierauf nehme ich wieder Bücher zur Hand, bisweilen geiſtliche, und
vorzugsweiſe diejenigen, welche von den Wundern und Herrlichkeiten der
Natur handeln, ſo daß ich oft bis tief in die Nacht hinein wache. Wenn
aber der Himmel heiter iſt, ſo betrachte ich mit den aſtronomiſchen
Werk=
zeugen den Lauf der Irrſterne; denn die drei obern leuchten, wenn es
Nacht geworden, in unſern Geſichtskreis. Endlich gehe ich immer ohne
Abendeſſen zu Bett.
„Hier habt Ihr die Schilderung von meiner Einſamkeit ſowie auch
Rechenſchaft von meinem Leben und meinen Studien, weitläufiger, als es
der Mühe lohnt. Aber was ſollte ich anderes thun, da ich nun Muße
habe und eine Zeit lang von den unabläſſigen Geſchäften und Sorgen
befreit bin? Ja, wenn ich Euch erſt ſchreiben wollte, wie mich dieſe
Freiheit ergötzt, wie mich dies einſame Leben anlacht, und wie beglückt
mir die Landleute erſcheinen! Wenn ſie nur ihr Glück zu ſchätzen wüßten,
ſo würde ich ein langes Lied anſtimmen müſſen! Uebrigens, damit Ihr
ſeht, daß ich nicht mit Leſen und in Geſprächen allein, ſondern auch mit
Schreiben und eruſtlich beſchäftigt bin, ſo ſchicke ich Euch einige Geſpräche
des Plato, von mir in dieſer Einſamkeit überſetzt!
Aber es mußte denn doch wieder geſchieden ſein! Aus dieſem
Still=
leben wieder zurück in's aufgeregte Nürnberg, in ein Treiben, das bald
ihn anzuwidern begann. Ja, wenn mit der Reformation alles ſo glatt
und ſauber abgegangen wäre, wie es auf dem Papier ſtand! Aber es
geſchieht uun einmal kein Bruch mit dem Alten, ohne daß Staub
auf=
fliegt und vieles mit in Trümmer geht, das Gewohnheit und Erinnerung
uns als ehrwürdig erſcheinen ließ, das wir nun bedauern und ſchmerzlich
vermiſſen - dann kommen die Zweifel, ob ſelbſt das ſchadhafte Alte
nicht beſſer war, als das unſaubere Neue. Pirkheimer ging es ſo.
Ein=
mal ſchrieb er ſelbſt an ſeinen Freund Dürer, daß man nicht wiſſe, ob
die neuen Geiſtlichen, die der Mönchen und Pfaffen mit Recht ihr
ſitten=
loſes Leben vorgeworfen hätten, es nun nicht ärger trieben denn dieſe,
nur mit dem Unterſchied, daß jene doch meiſt im Geheimen geſündigt
hätten, dieſe aber trügen ihre Verwilderung offen zur Schau — ſie
ſuch=
ten etwas darin, öffentlich Aergerniß zu geben; ſie geberdeten ſich wie
Heidenprieſter und trieben mit dem Heiligen Spott. Solche Dinge
mochten vorkommen. Und wie hätte ein Pirkheimer den Bilderſtürmern
ohne Entſetzen zuſchauen können? Tief verletzt wendete er ſich von einer
Sache ab, die ſolche Ausſchreitungen in ihrem Gefolge hatte. Er ward
darum kein Widerſacher der Reformation, aber er unterſtützte ſie nicht
mehr; er ließ die Dinge gehen wie ſie gingen und ward ſelbſt eben darum
bald von beiden Parteien angefeindet, weil er dem Unrecht und der
Ent=
artung auf jeder Seite zu ſteuern ſuchte. Die meiſten Kämpfe hatte er
aber da zu beſtehen, als der Rath von Nürnberg zu den Maßregeln wider
die Klöſter ſchritt und zunächſt auch das Clarakloſter der bisherigen
Lei=
tung des Barfüßerordens entzog und der von Laienpfaffen übergab.
Charitas Pirkheimer, die darin Aebtiſſin war, widerſetzte ſich aufs äußerſte
und rief den Beiſtand ihres Bruders an. Dieſer ſuchte Melanchthon als
Vermittler zwiſchen Kloſter und Rath zu gewinnen. Ohne Scheu geſtand
er ihm „den Irrthum ein, den er bisher mit vielen Andern getheilt: daß
er es der Wohlfahrt nicht nur ſeiner Schweſter, ſondern auch ſeiner
Töchter am zuträglichſten gehalten, wenn ſie den Schleier nähmen.
Nun=
melhr jedoch litten dieſe an ihrem Gewiſſen Gewalt und ſtatt ſie zu
über=
zeugen und durch ſanfte Ueberredung, wie die Natur des weiblichen
Ge=
ſchlechts es fordere, zur Sinnesänderung zu bewegen, wolle man ſie zwingen.
Für Pirkheimer wurden dieſe Dinge eine Quelle vielfachen Kummers.
Er hatte nicht nur als Bruder und Vater für die zu St.=Clara
befind=
lichen Seinen unaufhörlich zu kämpfen, ſondern auch eben darum als
Beſchützer der Klöſter Anklagen und Unbilden jeder Art von ſeinen
ohne=
hin ſchon zahlreichen Feinden zu ertragen. Da ſtarb ihm auch ſeine
Tochter Crescentia im Kloſter bald nach ihrer Einkleidung. Man ſagte,
daß ſie an ſchlechter Pflege oder gemüthskrank geſtorben, weil man ſie
im Kloſter zurückgehalten — Pirkheimer ward wohl durch ſeine andere
Tochter Clara eines andern überzeugt, aber die neue Wunde ſchmerzte
ihn doch. Schmerzlicher ergriff ihn vielleicht noch der Tod ſeines
Freun=
des Albrecht Dürer; zumeiſt jammerte es ihn, daß der Freund niemals
glucklich geweſen, dem er bis zu ſeinen letzten Stunden ein treuer
Bei=
ſtand war, und er warf darum einen förmlichen Haß auf Dürer's Gattin.
Er ſchrieb ihm noch die Grabſchrift und ſtarb nicht lange darauf, am
22. December 1530. Auf ſeinen Grabſtein ſetzten ihm die Nachkommen
den Spruch; „Virtus interire nescitt. (Tugend kann nicht untergehen).
Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.