Darmstädter Tagblatt 1781


30. April 1781

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den 30. April.
Anno 1781.
Mit Hochfuͤrſtl.
gnaͤdigſten
Darmſtaͤdti=
Anzeigungs=
zu
finden in der
Hd-Mltnches
Hof= und Canzley=

Num. 18.
Heſſiſehem
Privilegio.
ſches Frag=und
V1611GeN,

Hochfuͤrſtlichen
buchdruckerey.

Victnalien= und Marktpreis.

Ein E Ochſenfleiſch =

Rindfleiſch
1 Kalbfleiſch
1 = Hammelfleiſch
1 Schaffleiſch

1 Schweinenfleiſch
1 Schinken u. Doͤrrfl.
1 = Speck =
1 Nierenfett =
1 = Hammelsfett=
1 Schweinenſchmalz

=
Ein Kalbsgekroͤß = 8 a
Ein Kalbsgeluͤng=
Ein Hammelsgeluͤng=
176 Ochſengelung
=
1 = Suͤlzen
1 Bratwuͤrſt
1 = Leber=u. Blutwuͤr,
Eine geſ. oder ger. Ochſenzung
Ein Kalbskopf 8. 10 a
Ein Hammelskopf =
Ein Kalbsſus =
Ein Malter Korn =
Ein Malter Gerſten =
Ein Malter Waizen =
Ein Malter Spelzen=
Ein Malter Hafer

Ein Malter Rockenmehl/
Ein Walt.- Weismehl

kr.
7
6
16
6
12
14
13
10
12
10
12
5
3
12
10
6
28
12
5
1
fl.
2
12
4
2
2
3
7

Pf.

kr.
40
56
50
16
30
40
30

Ein Kumpf Hafermehl =

1 Kpf geſchaͤlter Hirſen
1 Kpf grob geſch. Gerſte 3240.48
1 Kpf kleingeſchaͤlterGerſten 64 80
1 Kumpf Erbſen = = 1632
1 Kumpf Linſen = 28l33
1 Maas Merz= oder Lagerbie=
im
Hauſe = 3
uͤber die Straſe3
1 Maas Jungbier im Haus=
3
und uͤber die Straſe= 3
1 Maas Bierhefe
= = 24
1 Maas Kuh=oder Geiſemilch 14
1 Pfund friſche Butter 13.1415.
1 Pfund Handkaͤs der beſten 16
Die ubrige Handkaͤſe 3a4 Stuͤck 4
Eyer 8 = 9 Stuͤck vor
4
Ein aufgeſetzter Kumpf Kartoffelnl6
Brodtaxe und Gewicht.

kr=
32
48

Vor2kr. Brod ſoll wiege 1 I10
Vor4kr. dito

Vorskr. dito = 3 30
Vor1kr. Kuͤmelbrod oder
Gemiſchtesbrod
10
Vor 2kr. dito
20
Vor 1 kr. Waſſerweck- 9
Vor 1 kr. Milchweck - 6 1
Vor1kr. Milchbrod "
Ein 5=pfuͤndiger Laib, ſogenanntes
Comiß=Brod ſoll gelten 7 Kr.

Pf., L.2.
2 20

Fuͤrſtl. Heſſiſche Polizeydeputation dahier,

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Bekanntmachung von allerhand Sachen,
ſo dem gemeinen Weſen noͤthig und nuͤtglich ſind.

I. Sachen, ſo zu verkaufen.
Darmſtadt. Nachdeme des Beyſaſſen und Gaͤrtner Anton Jaͤgers allhier, zwi=
ſchen
dem Schiesplatz und Johann Chriſtoph Wagners Erben gelegener 150 und eine
halbe Ruthe haltender Garten, dringender Schulden halber, den 10ten naͤchſtkommenden
Monats May auf allhieſigem Rathhaus abermals oͤffentlich aufgeſteckt und dem Meiſt=
bietenden
uberlaſſen werden ſoll; Als wird ſolches zu dem Ende hiermit bekannt gemacht,
damit die Luſtragende ſich alsdann einfinden und mitbieten moͤgen. Darmſtadt den
20. April 1781.
Fuͤrſtl. Heſſiſches Oberamt daſelbſt.
Nachdeme verordnet worden, daß des Mousquetier Rudolph Hildenbrands Haus
und Hofraithe, welche in der Bachgaß, beforcht Valentin Beitz und Henrich Beyl, ge=
legen
iſt, kuͤnftigen 15. May an den Meiſtbietenden in dem Gaſthaus zum Ochſen oͤffent=
lich
verkauft werden ſolle; So wird dieſes dem Publico zu dem Ende hiermit bekannt
gemacht, damit die zu kaufen Luſthabende allda ſich einfinden, und nach Gefallen kaufen
koͤnnen. Signatum Darmſtadt den 26. April 1781.
von Regiments wegen.
J. G. Schulz, Oberauditor.
Auf dem Buſenberg, in einer der beſten Lagen, iſt ein Wingert von 1r9 und einer
halben Ruthe, aus freyer Hand zu verkaufen.
Die Liebhaber koͤnnen in der Buch=
druckerey
im Lottohauſe das Naͤhere vernehmen.
Ein groſes Lagerfaß mit eiſernen Reifen 16 und eine halbe Ohm haltend, iſt zu ver=
kaufen
. Das weitere iſt in der Buchdruckerey im Lottohauſe zu erfragen.
II. Capitalia, ſo zu verlehnen.
Zweytauſend Gulden ſind gegen eine gerichtliche Hypothek einzeln oder zuſam=
men
zum Verlehnen bereit, und iſt deßfalls in der Buchdruckerey im Lottohauſe naͤhere
Nachricht zu haben.
Zu Leeheim bey dem Gerichts= und Centſchoͤff Reinhard, liegen 6= bis 800. Gulden
Vormundsgelder gegen eine gerichtliche ſichere Hypothek zum Verlehnen bereit. Diejenige,
welche ſolche benoͤthiget ſind, haben ſich bey gedachtem Centſchoͤffen zu melden.
III. Sachen, ſo zu vermiethen.
In dem Schetkyſchen Haus in der alten Vorſtadt iſt ein Logis, welches dermalen
noch von der Frau Superintendent Weizin bewohnet wird, zu verlehnen, und kann ſol=
ches
zu Anfang Julii dieſes Jahres nach Gefallen bezogen werden.
Auf dem Markt, nahe an dem Rathhaus iſt auf einem Nebenbau ein Logis, beſtehend
in einer Stube, Kammer, Kuͤche und einem Boden, zu vermiethen. Das Naͤhere davon
iſt in der Buchdruckerey im Lottohauſe zu erfragen.
In dem Heimiſchen Haus hinterm Rathhaus ſind in der untern Etage 2 Stuben=
Kuͤche, Kammern und was ſonſten zu einer Haushaltung erforderlich, zu verlehnen.
Ein groſer gewoͤlbter Keller iſt in der neuen Vorſtadt zu verlehnen. Naͤhere Nach=
richt
iſt in der Buchdruckerey im Lottohauſe zu erfragen.
IV. Zahlenlotterie Anzeige.
Darmſtadt, den 25. April 1781.
Anheute wurde die 94te Ziehung dahieſiger Lotterie mit den gewoͤhnlichen Formall=
taͤten
vorgenommen, und ſind nachſtehende Rummern, als:
74. 50. 16. 56.
40.
aus dem Glücksrade gehoben worden. Die 161 te Ziehung in Caſſel geſchiehet den
2. May. Die 25te Ziehung in Marburg, den 9. May. Die 95te Ziehung in Darmſtadt
den 16. May, und ſo fort von 3 zu 3 Wochen. Von Generaldtrections wegen.

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Angekommene fremde Herrn Paſſagiers.
Vom 21. bis den 28. April 1781.
Herr Lipp, Handelsmann aus Heidelberg, log in der Cron.
Ab= und durchgereiſte Herrn Paſſagiers.
Herr Werner, Ingenieur=Lieutenant von Gieſen, den 22. April. Herr von Stockmeyer,
Baadiſcher Miniſter zu Wten, eod. Herr von Gall, Cammer=Junker von
Hanau, den 23ten. Herr Wenck, Major in Wuͤrtembergiſchen Dienſten, eod.
Herr von Seppenburg, Katſerlicher Capitain, vom Regiment Khevenhuͤller,
den 24ten. Herr von Baumbach, Jaͤgermeiſter zu Romrod, den 25ten
Herr von Merſch, Churmainziſcher Hof=Kirchenrath, den 26ten. Herr
von Helfeld, Lieutenant in Engliſchen Dienſten, vom 98ten Regiment, eod.
Herr von Senkenberg, Regierungs=Rath zu Gieſen, eod. Herr von Sterns=
dorf
, Preußiſcher Courier, den 27ten. Herr Graf Chamiſſot, aus Nanci, eod.
Herr Boſſet, aus Neuſchatel, den 28ten.

Gebohrene, Getaufte, und Verſtorbene in voriger Woche.
Gebohrene und Getaufte.
Den 22. April, dem Burger und Knopfmachermeiſter: G. P. Georgi, ein Soͤhnlein
dem Buchdrucker in der kraͤmeriſchen Druckerey, G. P. Bodinus,
Den 23.
ein Toͤchterlein.
Den 27. dem Burger und Beckermeiſter, Joh. Martin Jacobi, ein Soͤhnlein.
Geſtorbene und Beerdigte.
Den 22. April, der Burger und Beckermeiſter, Johann Georg Killan, 66. Jahre,
1. Monath und 5. Tage alt.
Eod. dem Burger und Fuhrmann, Joh. Bernhard Hahn, ein Soͤhnlein, 6. Tage alt.
Den 23.
Anna Maria, des Tagloͤhner Ricks,hinterlaſſene Wittwe. 84. Jahre alk.
Den 24. der Burger und Kammmachermeiſter, Joh. Georg Aachen, 59. Jahre,
4. Monate und 1. Tag alt.
Den 25. dem Burger und Schuhmachermeiſter, Valentin Geyer, ein Toͤchterlein,
3. Jahre und 23. Tage alt.
Den 28. Frau Anna Eliſabetha, des Füͤrſtl. Cammerdieners bey Ihro Hochfuͤrſtl.
Durchlaucht dem Prinzen Georg Carl, Herrn Johann Peter Kuͤchlers,
Frau Eheliebſte, 42 Jahre und 6. Monate alt.
Eod. iſt aus der Armencaſſe begraben worden: Catharina, des geweſenen Laquayen
Delbs, hinterlaſſene Wittwe, 84. Jahre alt.

Die edelmuͤthige Mutter.
Eine wahre Geſchichte.
(Aus dem Riederſaͤchſiſchen Wochenblatt für Kinder.)
Die Wittwe eines Untereinnehmers war bald nach dem Tode ihres Mannes nach Pa=
2 ris gezogen, um dort ihren einzigen Sohn, den ſie zaͤrtlich liebte, unter ihren Augen
zu einem nützlichen Buͤrger des Staats erziehen zu laſſen. Da die Natur dieſes Kind
mit ſo vielen aͤußern Annehmlichkeiten und uͤberdies mit dem fuͤrtreflichſten Genie und
einem durchdringenden Verſtande begabt hatte, ſo ſah ſie in ihm vor ſich die ſchoͤnſten
Hoffnungen aufoͤluͤhen, und um deſto mehr ließ ſie ſeine Erziehung ſich angelegen ſeyn.
Aber die Füͤrſehung hatte beſchloſſen, alle dieſe ſchoͤne Hoffnungen mit einmal zu zerſtoͤ=
ren
, und ihre Standhaftigkeit auf die empfindlichſten Proben zu ſtellen.
Eines Tages ſitzt ihr Sohn auf einer Gallerie= um friſche Luft zu ſchoͤpfen= und lieſt;
unten im Hofe ſchlägt der Sohn des Parlementspraͤſidenten mit andern Geſpielen den
Ball. Ploͤtzlich faͤhrt durch einen ungluͤcklichen Schlag des Juͤnglings der Ball zur Gal=
lerie
herauf, auf den Sohn der Wittwe, und ihm in das rechte Auge, welches ſogleich durch
die

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die Gewalt der Kugel zerquetſcht wird; mit elnem lauten Geſchrey faͤllt er zur Erde. Alles
rennt herbey, man findet ihn ohnmaͤchtig auf dem Boden ausgeſtreckt liegen, ſein gau=
zes
Geſicht aufgeſchwollen, beſonders das verletzte Auge.
Auch der Sohn des Parlamentspraͤſidenten eilt herzu, und geſteht ſogleich: daß er
der Thaͤter ſey, iſt voll Verzweiflung, und entwiſcht, und flüchtet zu ſeinem Vater, dem
er die ganze Sache erzaͤhlt, und ſeinen Schutz erfleht. Dieſer wird durch den Bericht
aͤußerſt aufgebracht, weil er den hoffnungsvollen Jungling und ſeine rechtſchaffene Mut=
ter
kennt. In dem aͤußerſten Zorn verwunſcht er die Unbedachtſamkeit ſeines Sohns, und
befiehlt ihm; aus ſeinen Augen zu gehen. Troſtlos eilt der Knabe in ſeine Kammer=und
beweint ſein Ungluͤck.-
Die Mutter war indeß gerufen worden. Sie koͤmmt= und man kann ſich den Zu=
ſtand
gedenken, worinn ein Herz, das ſo empfindlich, ſo zaͤrtlich war, wie das ihrige,
bey dieſem Anblick verſetzt wird. Sie ſeufzt, ſieht zum Himmel und weint. Nun
erkundigt ſie ſich nach den Umſtaͤnden, und ſchon iſt ſie etwas mehr beruhiget, als ſie er=
faͤhrt
, daß ihr Sohn ganz ohne ſeine eigene Schuld in dies Elend gerathen ſey.
Sie faßt ſich, da der Wundarzt koͤmmt. Geben Sie mir Hoffnung, redet ſie
ihn an, daß das Leben meines Sobnes erhalten werden koͤnne? - Ja, ſpricht er ohne
ein Wunder wird er am Leben bleiben. Aber ſetn Geſicht mein Herr.- Sein Ge=
ſicht
wird er verlieren, ohne alle Rettung.-
So bald der erſte Verband gemacht war, verlaͤßt die Wittwe ihren Sohn= und wll
den Thaͤter ſehen. Man ſagt ihr; daß er in der aͤußerſten Verzweiflung zu ſeinem Va=
ter
gefluchtet ſey. Sie eilt dahin; die Bedienten wollen ſie abweiſen; ſein Vater, ſpre=
chen
ſie, iſt ihm hart genug begegnet, ihr Anblick wuͤrd' ihn gar toͤbten. Laßt mich
zu ihm, ſpricht ſie. Man entdeckt ihre Ankunft; der erſchrockene Juͤngling will ſich ver=
bergen
; aber die Wittwe folgte dem Bedienten, und trat zugleich ins Zimmer.
Ste werden mir nicht entfliehen, ruft ſie. Ach, Madame, ſchreyt der Knabe und
wirft ſich zu ihren Fuͤßen, beſtrafen Sie mich durch keine Vorwuͤrfe, oder machen Sie
mit mir Alles was ſie wollen; Ste koͤnnen nicht grauſamer gegen mich ſeyn, als ich es
verdiene; mein Vater verſtoͤßt mich= und mein uͤbriges Leben wird mir oͤde und finſter ſeyn.
Troͤſten Sie ſich, ſagt die Wittwe mit einer liebreichen Stimme, und hebt ihn auf;
das Ungluͤck iſt nicht ſo groß, als ſie vielleicht fuͤrchten. Mein Sohn verliert ſein Geſicht,
aber ſein Leben behaͤlt er. Ich weiß, Ste ſind ein Freund meines Sohns; was geſchehen
iſt, haben Sie weder aus Nachlaſſigkeit, noch aus Bosheit gethan; es war der Wille
des Himmels, ſetne Hand züchtiget mich, und ich verehre ſeinen Willen. Ich wuͤrde dop=
pelt
gekraͤnkt ſeyn, wenn dieſer Zufall auch Sie ungluͤcklich machen ſollte. Beruhigen Ste
ſich; ich werde Ihren Vater zu beſaͤnftigen ſuchen, ich muß ohnedem eine Genugthuung
von ihm fordern.
Sie verlles ihn, ganz erfuͤllt von Dankbarkeit und Bewundrung der Großmuth dieſer
Frau. Sie gieng zum Praͤſidenten, der, noch ganz betruͤbt über dieſen Verluſt, auf
Mittel ſann, ihren Schaden zu verguten. Ungluͤckliche Mutter, rief er, da er ſie er=
blickte
, haben Sie Mitleiden mit einem Vater, und quaͤlen Ste mich nicht mit Ihren
Klagen, die das Verbrechen meines Sohn mir noch ſchwaͤrzer machen. Ich will ihre
Empfindlichkeit nicht vermehren, antwortete ſie; aber ich fodere Genugthuung.- Fo=
dern
ſie Alles, Madame, mein ganzes Vermoͤgen gehoͤrt Ihnen. So viel eben nicht.
aber auch nicht viel weniger. - Und was denn ? Daß Sie Ihrem Sohn verzeihen;
er iſt unſchuldig und Ihrer Liebe wuͤrdig, laſſen Sie mich allein unglücklich ſeyn, und
toͤdten Sie mich nicht durch Ihren Zorn.
Der Praͤſident, voll Ehrfurcht gegen eine Mutter, die ſelbſt da, wo der Standhafteſte
die Herrſchaft uͤber ſich verlieren wuͤrde, uͤber die Schwachheiten ihres Geſchlechts erha=
ben
blieb, und ein ſeltnes Beyſpiel der Großmuth und Maͤßtgung gab, bewunderte ſie,
und beſchloß, ihr nachzuahmen. Er verzieh ſeinem Sohne, und verſchafte der Wittwe
und ihrem Kinde einen anſtaͤndigen Unterhalt.
Aber der Himmel wollte die Tugend dieſer Frau nicht ganz unbelohnt laſſen. Ihr
Ungluͤck wurde gemildert; denn wenn gleich ihr Sohn das eine Auge verlor, ſo genas
doch wider alle Hoffnung das andre, und der Praͤſident ruhte nicht eher, bis er ihm
eine eintraͤgliche, ruhmliche, und ſeinen Faͤhlgkeiten angemeſſene Bedienz7g ausgewirkt
hatte; und er und ſein Sohn nach ihm blieben Zeitlebens die Wohlthaͤter des Juͤnglings
und ſeiner Mutter.