Darmstädter Tagblatt 1781


01. Januar 1781

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Anno 1781.
den 1. Januar.

Num. 1.

Mit Hochfuͤrſtl.
gnadigſten
Darmſtaͤdti=
nzeigungs

zu finden in der
Hof= und Canzley=

Heſſiſchem
Privilegio.
ſches Frag=und
vlattgen,
Hochfuͤrſtlichen
buchdruckerey.

Victualien= und Marktpreis.

1kr. P
Ein 1 Ochſenfleiſch = 6
1 Rindfleiſch
= Kalbfleiſch
= Hammelfleiſch
Schaffleiſch =
1 = Schweinenfleiſch
Schinken u. Doͤrrfl., 11
1
1 = Speck ½2
1 = Nierenfett = 12
1 = Hammelsfett= 10
1 Schweinenſchmalz 12
Ein Kalbsgekroͤß = 8 a 10,
12
Ein -Kalbsgeluͤng
Ein Hammelsgeluͤng=
1E Ochſengelung =
1 Suͤlzen =
Bratwuͤrſt = 1.
1 Leber=u. Blutwuͤrſtſs
Eine geſ. oder ger. Ochſenzung; 28
Ein Kalbskopf 8. 10 a 12
Ein Hammelskopf =
Ein Kalbsſus=
kr
.
Ein Malter Korn
Ein Malter Gerſten =
58
Ein Malter Waizen =
30
12
Ein Malter Spelzen=
Ein Malter Hafer =
16
Ein Malter Rockenmehl=
2
Ein Malter Weismehl =

kr.
Ein Kumpf Hafermehl =
1 EKpf geſchaͤlter Hirſen
48
1 Kpf grob geſch. Gerſte 3240148
1 Kpf kleingeſchaͤlterGerſten 6a80
1 Kumpf Erbſen = 2432
1 Kumpf Linſen = 2832
1 Maas Merz=oder Lagerbier
im Hauſe =
= uͤber die Straſe
1 Maas Jungbier im Haus=
und uͤber die Straſe=
1 Maas Bierhefe
1. Maas L.=oder Geiſemilch
1 Pfund friſche Butter'16 a
1 Pfund Handkaͤs der beſten
Die ubrige Handkaͤſe 3a4 Stuͤck
Eyer 4 Stuͤck vor=
ſEin
aufgeſetzter KumpfKartoffel:
Brodtaxe und Gewicht.
Pf.) L.2.
VVor2kr. Brod ſollwiegs 1 I102
Vor 4kr. dito 2 21 1
361Vorskr. dito
31
Vor1kr. Kuͤmelbrod oder
Gemiſchtesbrod =
10
Vor 2kr. dito =
21
Vor 1 kr. Waſſerweck =
Vor 1 kr. Milchweck
Vor 1kr. Milchbrod

Fuͤrſtl, Heſſiſche. Polizey deputation dahier,

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Bekanntmachung von allerhand Sachen,
ſo dem gemeinen Weſen noͤthig und nuͤglich ſind.

I. Edictalladung.
Darmſtadt. Nachdeme der ehemals in dahieſig=Hochfuͤrſtlichen Dienſten geſtan=
dene
Regierungsrath Ludwig von Meyer ſo viele Schulden contrahiret und gegen
denſelben eingeklagt worden, daß deſſen zurückgelaſſenes und anerſtorbenes mütterliche
Vermoͤgen zu deren Bezahlung bey weitem nicht anreichend iſt, mithin daruͤber den
Coneurs zu formiren, die rechtliche Nothdurft erfordert; Als werden alle diejenige,
welche an erſagt ehemaligen Regierungsrath Ludwig von Meyern, hieſiges Vermoͤgen
einige rechtliche Anſprache zu machen gedenken, hiermit edictaliter citiret und vorgeladen.
Um 2 dato binnen Sechs Wochen, wo 2. vor den erſten, 2. vor den zweyten, und
2 vor den dritten Termin anberaumet worden. vor dem zu dieſem Ende beſtellten Com=
miſſario
Fürſtl. Rath Bender, entweder in Selbſtperſon oder per mandatarios ſatis in-
Rruos & legitimatos zu erſcheinen, ihre Forderungen behoͤrig zu lquidiren, und das
weiter noͤthige zu verhandlen, im Auſſenbleibungsfall aber ſich zu gewaͤrtigen, daß ſie
mit ihren Forderungen weiter nicht gehoͤret, ſondern damit ausgeſchloſſen ſeyn ſollen.
Sign. Darmſtadt, den 13. Dec. 1780.
Fuͤrſtl. Heſſiſche Regierungs=Canzley daſelbſt.
C. C. Heſſe.
II. Sachen, ſo zu verkaufen.
Darmſtadt. Es wird hierdurch bekannt gemocht, daß auf Dienſtag den 16ten
Januar naͤchſtkünftigen Jahrs, Morgends 9 Uhr, und folgenden Tag zu Zwingenberg
in der verſtorbenen Frau Geheimen Raͤthin von Meyern Behauſung allerhand Mobilien,
als Gold und Silber, leinen Getuͤch, Bettwerk, Zinn, Kupfer, Meſſing, Eiſen, Por=
cellan
, Spiegel, Portraits, Holzwerk und allerhand Hausrath, gegen gleichbaldig
baare Bezahlung an den Meiſtbietenden öffentlich verſteigt werden ſollen. Die reſpective
Herren kiebhabere koͤnnen ſich dahero gefaͤlligſt einfinden. Sign. Darmſtadt, den 27ten
Von Commiſſions wegen:
December 1780.
Bender, Fuͤrſtl. Heſſiſcher Rath.
Bey dem Rathsverwandten und Buchbinder Sparſchneider dahier ſind ſehr wohl=
gerathene
= auf Atlas gedruckte und illuminirte Renjahr=Wuͤnſche, wie auch Berliner,
Gothaer und andere Muſenalmanachs in denen billigſten Preiſen zu haben.
Es ſtehet eine Geige nebſt Bogen und Futteral zu verkaufen, das Naͤhere iſt in der
Buchdruckerey im Lottohaus zu erfragen.
III. Capitalia, ſo zu verlehnen.
60 Gulden Vormundsgelder ſind gegen gerichtliche Obligation ganz oder vertheile zu
verlehnen, und iſt naͤhere Nachricht in der Buchdruckerey im Lottohauſe zu erfragen.
IV. Zahlenlotterie Anzeige.
Caſſel, den 28. December 1780.
Anheute wurde die 155te Zehung dahieſiger Lotterie mit den gewoͤhnlichen Formall=
Laten vorgenommen, und ſind nachſtehende Nummern, als:
72. 37. 43. 21. 51.
aus dem Glücksrade gehoben worden.
Die 19te Rehung in Marburg, geſchiehet den 3. Januar.
Die 89te Ziehung in Darmſtadt, den 10. Januar.
Die 156te Ziehung in Caſſel, den 17. Januar,
und ſo fort von drey zu drey Wochen.
Von Generaldireetlons wegen.

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Nachdem von der General=Admlniſtration des Churpfälziſchen Lotto zu mehrerer
Bequemlichkeit fuͤr die Herrn Einleger die Verfuͤgung getroffen worden, daß zur 273ten
und folgenden Mannheimer Lotto=Ziehungen annoch bis auf einen jedesmaltgen Ziehungs=
Tag Vormittags 11 Uhr in hieſigem General=Comtoir im Lottohaus beliebige Einſatze.
jedoch jedes Billet nicht unter 12 kr. gemacht und eingegeben werden koͤnnen; So wird
ſolches hierdurch zu jedermanns Wiſſenſchaft bekannt gemacht. Darmſtadt, den 29ten
December 1780.

Angekommene fremde Herrn Paſſagiers.
Vom 23. bis den 30. December 1780.
Herr Diehler, von Offenbach, log. im Ochſen.
Herr Pyſſel, Kaufmann aus Duͤrwangen, log. in dem Schwan.
Herr Mauslein, Kaufmann aus Wuͤrzburg,
Herr Leo, Buchhaͤndler aus Leipzig,
Herr Opper, Kaufmann aus Straßburg, logiren im froͤlichen Mann.
Herr Stroh, Kaufmann aus Hamburg,
Herr Erhard, Kaufmann aus Dinkelſpiel,
Herr Brade, und Herr Ganderon, Kaufleute aus Itallen, logiren in dem Loͤwen.
Auſſer den Gaſthaͤuſern logiren:
Ihro Hochfuͤrſtl. Durchlaucht der Prinz Friedrich von Heſſen=Caſſel, logiren an Hof.
Ab= und durchgereiſte Herrn Paſſagiers.
Herr von Gottenberg, von Dieburg, den 26. Dec.
Herr Baron Kleiſt, Lieutenant vom Oragoner Regiment von Chur=Pfalz, den 27.
Herr von Malditz, Capitain von Uſingen, den 29ten.

Gebohren, Getauft, Copulirte, und Verſtorbene in
voriger Woche.
Gebohren und Getauft.
Den 29. Dec., dem Burger und Schuhmachermeiſter, Joh. Carl Pager, ein Soͤhnlein.
Copulirte.
Den 26. Dec., Johann Friedrich Kuhlmann, Lauffer bey Ihro Hochfuͤrſtl. Durchlauche
dem Prinzen Georg Wilhelm, und Sophia, Meiſter Chriſtoph Schlothauers,
Burgers und Metzgers allhier, eheliche Tochter.
Geſtorbene und Beerdigte.
Den 25. Dec., Philppina, des adlichen Bedienten, Conrad Doterers, Ehefrau,
5 Jahre, 11 Monate und 1 Tag alt.
Den 26. Dec., Anna Catharina, des verſtorbenen Schulmeiſter Beckers zu Goͤtzenhayn.
hinterbliebene Wittwe, 85 Jahre, 10 Monate und 19 Tage alt.
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4
Fortſetzung. Sidney und Silli.
Eine Geſehiehte.
(Aus dem Riederſachſiſchen Wochenblatt füͤr Kinder.)

Ich wu Inen nicht alle die Demüthtgungen beſchreiben, dle ich mlr gefallen leß.
alle vie unangenehmen Mittel, die ich anwandte meinem Vater zu helfen. Ich hatte
ehemals vielen, die ich fuͤr meine Freunde hielt, allerhand Dienſte erwieſen; kaum hatt=
ich
nur das Anſehen eines Ungluͤcklichen, als ſie wie ein Nebel vor meinen Augen ver=
ſchwanden
. Noch eine Huͤlfe blieb mir uͤbrig: mein Schwager liebte meine Schweſter,
die

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die mein Vater immer ſo zaͤrtlich geliebt, und der er olel Gutes gethan balte. Sie,
hofft; ich, ſollte ihren Mann bewegen, meinem Vater beyzuſtehn. Ich eilte zu thr.
Ste nahm mich mit einem Kaltſinn auf, den meine Liebe mich nicht ſogleich bemerken
ließ. Ich entdeckte ihr mein Anliegen. Bey jedem Worte zeigte ſich in ihrem Geſichte
weniger Zuneigung und Vertraulichkeit; ihre Unempfindlichkeit verrieth ſie. Ihr Mann
lieſſe bauen, war thre Antwort; er habe ſelbſt Kinder. Mein Vater, ſetzte ſie hinzu,
hat ſich in ſeinem Betragen verſehen; er hat andre Freunde und Verwandten, die rei=
cher
ſind als wir, denen kann er ſeine Umſtaͤnde entdecken; und du, durch welch einen
ſonderbaren Zufall haſt du keine Bedtenung? du wirſt ntemals lernen dein Gluͤck zu
machen. - Ich werde niemals lernen unmenſchlich zu ſeyn, fiel ich ihr ein. Ich
gehe, grauſame, hartherzige Schweſter; dein Vater, der dich zaͤrtlich übt, ſtirbt im
Elende. Ungluͤckliche! ach moͤgten deine Kinder dich nie für dies Verbrechen beſtra=
fen
! Ich kam zu meinem Vater. Ich wollt; ihm den neuen Schmerz verheelen,
allein er lag zu ſchwer auf meinem Herzen. Ohn' es zu wiſſen, ſagt ichs. Er empfand
die ganze Laſt dieſes Ungluͤcks, und ertrug es mit Muth und Geduld. Er entſchuldigte
ſo gar meine Schweſter: du mußt ihr vergeben, ſagt' er, ſie muß ihrem Manne ge=
horchen
, und ihre Kinder - O, mein Vater, rief ich, das, das ſollte ſie eben am
ſtaͤrkſten erinnern, was ſie Ihnen ſchuldig iſt!
Ach! mein Herr, ich habe Ihnen noch nicht alles geſagt. Mein ungluͤcklicher
Vater ward gefangen geſetzt. Ich ſiel dem Glaͤubiger zu Fuͤſſen; er ſtieß mich wild
und unerbittlich zuruͤck. Alle Hülfe ward mir verſagt. Nun hatt' ich alles verkauft.
Stellen Ste ſich das ſchrecklichſte Bild vor: mein Vater im Gefaͤngniſſe, wo er Hungers
ſterben ſollte, ſein Sohn im Elende von der ganzen Welt verlaſſen, von Ungeheuren
Umringt. Mein Herr - ich bin von Stande ich kann nicht kriechend ſeyn,
lch denke zu gros dazu die Natur rief mir zu, ich opferte mich auf, (hier unter=
brach
eme Menge Seufzer und Thraͤnen des Unbekannten Stimme) ich entſchloß mich,
für meinen Vater zu betteln. Ich gieng des Abends, und bat die Ungeheuer, die
ich gern zerfleiſcht haͤtte, um Almoſen.
Bey dieſen Worten umarmte Sidney, dem Thraͤnen die Wangen herabliefen, den
Gefangenen: Ach liebenswuͤrdigſtes Geſchoͤpf, ſagt' er, welch eine edle Seele haben
Sie! wie ſehr verdienen Ste Freunde zu haben!
Ich war noch nicht gebeugt genug, fuhr der Fremde fort, man fuͤhrte mich als einen
nichtswurdigen Muͤſſiggaͤnger gefangen; ich rief umſonſt; für meinen Vater bitt' ich
nur um Almoſen; er iſt gefangen. Um der Menſchenliebe willen. Man ſperrtemich
ein. Ich kam endlich vor meinen Richter. Ich ſagte ihm alles; ich flehte ihn um ſeine
Huͤlfe an. Der geruͤhrte Richter ließ mich los, und verſprach mir Beyſtand. Aber er
ſtarb, und ich war ohne Hoffnung ungluͤckſelig. Das Alter war endlich der einzige Schutz
meines Vaters, und er ward losgelaſſen. Ich erhielt auf einem Kauffartheyſchiffe eine
mittelmaͤſige Bedienung. Mein erſtes war, daß ich meinen Vater mit aufs Schiff nahm,
um mit ihm nach Aſten zu fliehen. Vielleicht, ſagt'ich, finden wir dort noch Geſchoͤpfe.
die menſchliches Gefuͤhl haben. Vielleicht koͤnnen wir da Europa und unſer Ungluͤck
vergeſſen. Sie werden da leben, mein Vater; ach, ich habe keinen Freund, als Sie!
Dies iſt nur ein Theil meines Unglucks. Meinen ſchwerſten Gram habs ich Ihney
noch nicht erzahlt; er glich beynahe dem Kummer, den ich meines Vaters wegen aus=
ſtand
. Ich lebte. Ein junges Frauenzimmer hatte mich geruhrt, ſie war eine einzige
Tochter und war reich. Dies haͤtte mich zwingen ſollen, meine Neigung zu unterdruͤcken;
allein ich gab nicht dem Wohlſtande, ſondern blos der Liebe Gehoͤr. Julte, ſo hieß
die Liebenswuͤrdige, eilte meinen Wuͤnſchen entgegen; wir ſagten uns, daß wir uns
liebten. Dies war das einzige Geheimniß, das ich vor meinem Vater verbarg. Junge
Leute verſtehen ſich ſchlecht auf die Verſtellung. Ein Verwandter Juliens enſdeckte
unſre Liebe. Er ließ mich zu ſich rufen. Mein Herr, ſagt'er, ich will ſogleich auf=
richtig
mit Ihnen reden, ich hoffe, es wird Ste nicht beleidigen. Ich halte ſie fuͤr einen
verdienſtvollen Mann. Ihre Perſon erweckt Hochachtung, und ſch habe bemerkt, daß
meine Nichte Ihren Werth empfunden hat. Sie ſcheinen mir ein feines Gefuͤhl von
Ehre und von Pflicht zu haben: Sie haben kein Vermoͤgen, und meine Nichte iſt reich.
Genug, antwortete ich feurig, Ste zeigen mir meine Pflicht und mein Ungluͤck. Sie
ſollen ſehen, wer ich bin.
(Die Fortſetzung folgt kuͤnſtig.)