Darmstädter Tagblatt 1780


26. Juni 1780

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Anno 1780.
den 26. Jun.

Num. 26.

Mit Hochfuͤrſtl.
gnädigſten
Darmſtaͤdti=
Anzeigungs
zu finden in der
Hof=u. Regierungs=

Victualien= und Marktpreis.

Heſſiſchem
Privilegio.
ſches Frag=und
blaͤttgen,
Hochfuͤrſtlichen
buchdruckerey.

Ein E Ochſenfleiſch =
Rindfleiſch
Kalbfleiſch =

= Hammelfleiſch =
Schaffleiſch
Schweinenfleiſch=
Schinken u. Doͤrrfl.
1 Speck
Nierenfett.
1 = Hammelsfett=
Schweinenſchmalz
Ein Kalbsgekroͤß = 8 a
Ein Kalbsgeluͤng=
Ein Hammelsgeluͤng=
1E Ochſengeluͤng =
= Suͤlzen =

= Bratwuͤrſt
= Leber=u. Blutwuͤrſt
Eine geſ. oder ger. Ochſenzung
Ein Kalbskopf 8. 10 a
Ein Hammelskopf
=
Ein Kalbsfus
Ein Malter Korn =
Ein Malter Gerſten =
Ein Malter Waizen =
Ein Malter Spelzen=
Ein Malter Hafer,
Ein Malter Rockenmehl=
Ein Malter Weismehl

kr.
6
5
5
6
4
5
10
12
10
9
10
10
12
5
3
2
10
6
28
12
5
fl.
2
1
3
1
2
7

Pf.

kr.
18
48
10
30
30
32

Ein Kumpf Hafermehl =
1 Kumpf geſchaͤlter Hirſen =
1 Kumpf grob geſchaͤlter Gerſte
Kumpf kleingeſchaͤlterGerſten
Kumpf Erbſen =
1 Kumpf Linſen
Maas Merz=oder Lagerbier
im Hauſe;

uͤber die Straſe=
1 Maas Jungbier im Haus=
und uͤber die Straſe=
1 Maas Bierhefe
1 Maas Kuh=oder Geiſemilch
1 Pfund friſche Butter= "
1 Pfund Handkaͤs der beſten
Die ubrige Handkaͤſe 5a6 Stuͤck
Eyer 9 Stuck vor
Ein aufgeſetzter KumpfKartoffeln
Brodtaxe und Gewicht.
Pf.) L.
Vor 2kr. Brod ſoll wiegs 1 23
Vor 4kr. dito =
3 15
Vorskr. dito
5 16
Vor1kr. Kuͤmelbrod oder
Gemiſchtesbrod =
13
Vor 2 kr. dito =
26
Vor 1 kr. Waſſerweck
12
Vor1kr. Milchweck
9
Vor1 kr. Milchbrod
18

kr=
20
32
32
64
16
16
3
3
3
3
24
4
11
6
4

2.
2

Fuͤrſtl. Heſſiſche Polizeydeputation dahier,

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Bekanntmachung von allerhand Sachen,
ſo dem gemeinen Weſen noͤthig und nuͤglich ſind.
Cadldoe
I. Herrſchaftl. Policeypublicandum.
Darmſtadt. Nachdeme ſeit einiger Zeit zu verſchiedenenmalen ſowohl an den=
naͤchſt
dem groſen Woog herlaufenden Brunnenroͤhren, als auch an denen nemlichen
Roͤhren ohnweit der obiggedachtem groſen Woog erbauten neuen Muͤhle, durch welche
das Waſſer aus den drey Brunnen in die Stadt geleitet wird, von Leuten verſchiedener
Gattung dahier ſehr ſtrafbarer Unfug und Muthwillen geſchehen, indem Loͤcher in die
Brunnenroͤhren eingehauen, gebohret, und ſogar die Spunden an denſelben geoͤfnet,
mithin dadurch der Lauf des Waſſers gehemmet= und verringert worden: dergleichen
Anfug und Muthwillen aber kunftighin keinesweges geſtattet werden ſoll: Als wird
ſolches mit dem Anhang hierdurch öffentlich bekannt gemacht, daß der oder diejenige,
welche ſich hinfuͤhro unterſtehen wuͤrden, dergleichen Unfug und Muthwillen an den
bemeldten Brunnenroͤhren auszuuͤben= und darauf ertappet= oder deſſen überfuͤhret
werden koͤnnten, wie denn deßhalb auf die Uebertretter fleiſig invigiliret werden wird,
alsdann mit einer vierteljaͤhrigen Zuchthausſtrafe ohnfehlbar belegt werden ſollen.
Sign. Darmſtadt, den 6. Jun. 1780.
Fuͤrſtl. Heſſiſche Policeydeputation daſelbſt.
II. Litterariſche Nachrichten.

Praͤnumeranten gefalligſt abzuholen: Terentius 2ter Theil. es werden auf dieſen Oenl.
welcher 5 Boͤgen uͤbers Alphabet hat, 5 kr. nebſt 4 kr. Porto nachgezahlt. Das Gloſſarium
Plautinum, und der 4te Theil des Tacitus, werden eheſtens auch die Preſſe verlaſſen.
Will, Factor.
III. Sachen, ſo verloren.
Den 13ten Junl iſt ein gelbrothes Tochter=Kalb, 10. Wochen alt, mit einem weis=
Plaſſen Kopf, die Leibhaare etwas gerubelicht oder graußlicht, auf dem Gehaborner
Hochfuͤrſtlichen Cammerguth verwildet und durchgegangen. Es werden demnach die
Herren Schultheißen und alle gute Freunde erſucht, ſo ſich dieſes Kalb finden wuͤrde,
daß ſie mir Benedict Eſch, Hofmann auf dem Hochfuͤrſtlichen Cammerguth, ſolches
gegen eine gute Belohnung zu wiſſen thun, und bekannt machen moͤchten.
Es ſind 2. Schluͤſſel, ein groſer und ein kleiner= an einem Bindfaden hangend, ver=
loren
gegangen, wer ſolche gefunden, und in die Buchdruckerey im Lottohauſe liefert,
ſoll den Werth derſelben dafuͤr bekommen.
Angekommene fremde Herrn Paſſagiers.
Vom 17. bis den 24. Jun. 1780.
Herr Girandollni, Feuerwerker aus Neapolis, log. in dem Trauben.
Herr Doͤpp, Amtsverweſer von Biedenkopf.
Herr Haſt, aus Gleßen, log. in dem Ochſen.
Herr Wolf, Renthereyverwalter von Umſtadt, log. in dem Engel
Herr Eiſſelle, Kaufmann aus Duͤrwangen, log. in dem Schwanen.
Herr Fayd, Galantertehaͤndler aus Duͤnkelſpiel, log. in dem froͤlichen Mann.
Auſſer den Gaſthaͤuſern logiren:
Herr Pfaff, Lieutenant in Kaſerl. Dienſten, vom Regiment Ertzherzog Maximillan.
log. bey deſſen Frau Mutter.
Herr Stamm, Lieutenant in Hollaͤndiſchen Dienſten, vom Regiment Bending, log. bey
dem Herrn Cammerrath Stamm.

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Ab= und durchgereiſte Herrn Paſſagiers.
Herr von Obermann, Capitain in katſerlichen Dienſten, den 17. Jun.
Herr von Miloſchefski, Lieuten. in Preuſſiſchen Dienſten, vom Reg. Budenbruck, den 19.
Herr Graf Morrong, aus Italien, den 20ten.
Herr von Wiersbitzky, Lieutenant in Preußtſchen Dienſten, vom Reg. Finkenſtein, den 22.
Herr von Kruſe, Obriſtlieutenant in Heſſencaſſeliſchen Dienſten, vom Schlottiſchen Dra=
goner
Regiment, den 23ten.
Herr Schneider, Capttain in Engliſchen Dienſten, den 24ten.
Herr Otto, Pfarrer von Groſen=Buſeck, eod.
Gebohrne, Getaufte, und Verſtorbene in voriger Woche.
Gebohren und Getauft.
Den 21. Jun., dem Burger und Schuhmachermeiſter, Joh. Dan. Wambold, ein Soͤhnl.
Geſtorbene und Beerdigte.
Den 19. Jun., die Hoſpitalitin Niederhoͤferin, 85. Jahre alt.
ſt aus der Armencaſſe des Burgers und Schneiders, Joh. Henrich Gün=
Den 21.
ders Ehefrau, Catharina Margaretha, begraben worden, 36. Jahre alt.
Den 22. Johann Peter, des Burgers und Metzgermeiſters, Zacharias Haſſolds,
ehelicher Sohn, 29. Jahre, 5. Monate und 11. Tage alt.
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Der wohlthaͤtige Edelmann.
(Aus dem Viederſächſiſchen Wochenblatt fuͤr Kinder.)
In der Geſchichte von Genf lieſet man, es habe in dem dreyzehnten Jahrhunderte ein
gewiſſer Herr aus Wien, nachdem er ein Genfer Frauenzimmer geheyrathet, ſeinen
Wohnplatz zu Genf aufgeſchlagen. Dieſer Herr beſaß ſowohl vtel Guͤter als Tugenden;
unter allen Tugenden aber legte ſich vornaͤmlich ſeine grosmüthige Wohlthaͤtigkeit an den
Tag. Er wartete nicht, bis ſich derjenige, deſſen Elend ihm bekannt war, in der aͤuſ=
ſerſten
Noth befand, ſondern er kam ſeinen Beduͤrfniſſen zuvor, ja er half ihm oftmals
auf eine verdeckte und unbekannte Weiſe, und erſparte ihm den Verdruß, ſeiner Wohl=
that
wegen vor ihm ſchamroth zu werden.
Nathan, ſo hieß dieſer edelmuͤthige Herr, ließ es nicht dabey bewenden, daß er ſeine
betraͤchtlichen Einkuͤnfte unter ſeine huͤlfsbeduͤrftigen Mitbruͤder austheilte. ſondern nach
dem Tode ſeines einigen Sohnes und ſeiner Gemahlin, deren Verluſt er mit edler
Standhaftigkeit ertrug, erweiterte er ſeinen Entwurf, jedermann wohlzuthun. Er bauete
an den Straßen nach Frankreich und Italten Haͤuſer, die eben ſo ſchoͤn als praͤchtig
waren, in welchen alle Reiſende aufgenommen wurden. Er bedtente ſie ſelbſt, ſorgte
fuͤr alle ihre Bequemlichkeiten, und brachte ſein Leben mit dergleichen Handlungen der
edelmuthigſten Gaſtfreyheit zu.
Gott, der die Tugend nicht unbelohnt laͤßt, ſegnete den Eifer des grosmuͤthigen
Nathan. Nachdem er die chriſtliche Liebe und Mildthaͤtigkeit laͤnger als funſzig Jahre
ausgeuͤbet hatte, ſo befand er ſich mehr als jemals im Stande, es zu thun. Es war
zu Genf niemand zu finden, der den Nathan nicht bewunderte, als welcher von jeder=
mann
fuͤr gluͤcklich gehalten wurde. Er war es auch in der That; denn die wahre Tu=
gend
macht allein glücklich und beliebt. Der Ruhm des Nathan breitete ſich nach und
nach allenthalben aus, und drang auch bis in entlegene Länder. Er erſcholl bis nach
Neapel, allwo ein gewiſſer Herr, mit Namen der Marquis von MEk, in ſeinem Pal=
laſte
ganz eingezogen lebte. Als dieſer von den erhabenen Tugenden des Nathan hatte
reden hoͤren, ſo wurde er von einer grosmuͤthigen Nachahmung gereizt, und erwaͤhlete
ſich ihn zum Muſter. Er ſchickte vertraute Leute nach Genf, die ihm alles berichten
mußten, was Nathan den Elenden, Ungluͤckſeligen und Iremden zum Beſten that.
Der Marquis von Méx unterließ nicht ein Gleiches zu thun, und ahmete alles dasie=
nige

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nige auf das genaueſte nach, was er von dem Nathan hatte erzählen horen. Allein
ſo viel Muͤhe er auch ſich immer gab, ſo hoͤrete er doch allezeit, daß ihn der edelmuͤthige
Genfer unendlich weit uͤbertraf.
Man darf nur einen einzigen Schritt thun, um aus der Tugend in das Laſter zu
verfallen. Und wenn ein Herz nicht wahrhaftig demuͤthig iſt, ſo kann es unmöglich
rechtſchaffen tugendhaft ſeyn. So war es hier.
Die Nacheiferung des Marquis verwandelte ſich gar bald in eine heimliche Eifer=
ſucht
. Er dachte weiter an nichts, als wie er ſich mehr Ruhm und Ehre erwerben
moͤchte, als derjenige, den er für ſeinen Nebenbuhler hielt. Er that daher alles, was
er nur konnte, dieſen Zweck zu erreichen, allein es war vergebens. Man berichtete ihm
beſtaͤndtg etwas Neues und Auſſerordentliches von dem Nathan, und er ſah ein, wie
ſchwer es ihm fiele, es ihm gleich zu thun. Er wurde nun von einem bittern Verdruſſe
und Unwillen eingenommen. Und weil er einige Zeit hernach, zu ſeinem groͤßten Ver=
druſſe
, um einen anſehnlichen Theil ſeines Vermoͤgens kam; ſo ſahe er ſich vollends auſ=
ſer
Stand geſetzt, nicht nur den Nathan zu übertreffen, ſondern es ihm auch ſogar
uͤberhaupt an Grosmuth gleich zu thun. Er uberließ ſich ſeinem Verdruſſe ganz und
gar. Sein Zorn verwandelte ſich in eine Wuth; und der von Mzx welcher beynahe
ſett zwanzig Jahren einen tugendhaften Lebenswandel gefuͤhret hatte/ verſiel aus Neid
auf die ſchrecklichſte Unternehmung, die ſich nur ein Menſch, der in dem Laſter erzogen
und verhaͤrtet worden iſt, kann in den Sinn kommen laſſen.
Nathan war ſeiner überwiegenden Tugenden wegen ſein Feind geworden. Er
entſchloß ſich, ſich deſſelben zu entledigen. Weil er ſich aber nicht unterſtund, ſein Vor=
haben
jemanden zu vertrauen, ſo reiſete er mit einigen Bedienten von Neapel in der
Abſicht ab, demjenigen, der ihm allein Unruhe erwecken konnte, das Leben zu rauben.
Nach einer vierzehntaͤgigen Reiſe kam der Marquis drey Mellen von Genf an. Er be=
fand
ſich, ohne es zu wiſſen, auf den Guͤthern des Nathan, und dieſer wegen ſelnes
Aters, ſeiner Tugend und Klugheit ehrwuͤrdige Greis, gieng dazumal nicht weit von
einem ſeiner Haͤuſer, indem er ganz ſchlecht gekleidet war, und nur einen einzigen Be=
dienten
bey ſich hatte, ſpazteren. Sobald er Leute zu Pferde gewahr wurde, gieng er
ihnen entgegen. Der Marquis naͤherte ſich ihm, und fragte ihn, ob ſie ſich noch weit
von dem Hauſe des Nathan befaͤnden. Ihr ſeyd ganz nahe dabey, antwortete ihm die=
ſer
rechtſchaffene Mann, und dieſe ganze Gegend gehoͤrt ihm zu. Ihr kennet ihn alſo,
verſetzte der Marquis von Mäk¾ Ja, ſagte Nathan, ſchon ſehr lange. Der von
Mkk ſtieg vom Pferde, und ſagte wetter Weil ihr ihn alſo kennet, ſo ſagt mir
doch einmal, ob er wirklich ſo tugendhaft iſt, als man öffentlich von ihm ruͤhmet,
und ob ſeine Mildthaͤtigkeit alle die Lobſpruͤche verdienet, die man ihm beylege:2 Die
Menſchen urtheilen nur nach dem Aeuſſerlichen, antwortete Nathan, Gott aber weis
allein, ob wir tugendhaft ſind. Was mich anbetrift, der ich nun ſeyd ſiebenzig Jah=
ren mit dem Nathan umgehe, ſo verſichere ich euch, daß ich an ihm Fehler wahrge=
nommen habe, die andern nicht bekannt ſind; und ich weis aus meiner eigenen Er=
fahrung, daß er der Lobeserhebungen, die man ihm beylegt, nicht wuͤrdig iſt.
Als der Marquis dieſes hoͤrete, gab er denen, die bey ihm waren, ein Zeichen,
ſich in etwas zu entfernen; und indem er fortfuhr, den Nathan, den er für einen Be=
dienten
hielt, zu befragen, ſo ſchloß er aus ſeinen Antworten, das Glück ſchicke ihm
dieſen Mann zu, die Ausfuͤhrung ſeines boͤſen Vorhabens zu befoͤrdern. Er bath ihn
alſo, die Sache ſo einznrichten, daß er von dem Nathan nicht geſehen wuͤrde, und auf
den Abend zu ihm auf das Dorf zu kommen, in welchem er bleiben wollte, wobey er
hm zngleich verſprach, daß es ihn nicht gereuen ſolle. Nathan ſagte zu ihm, er haͤtte
nichts zu befuͤrchten, er koͤnnte ſich in eines der naͤchſten Haͤuſer begeben; und ob ſie
gleich dem Nathan angehoͤreten, ſo wollte er es doch ſo einrichten, daß er allein die
Ehre haͤtte, ihn zu bedienen, indem ihm ſein Herr die Sorgfalt uberlieſſe, diejenigen,
ſo dahin kaͤmen, zu empfangen. Der Marquts ließ es ſich gefallen; und nachdem er
die, ſo bey thm waren, herbeygerufen hatte, ergriff Nathan den Zaum ihrer Pferde,
und befahl dem Bedienten, den er bey ſich hatte, ſie in das Haus zu fuͤhren, wobey er
thm zugleich heimlich ſagte: vor allen Dingen zu verbieten, daß man nicht merken
(Der Beſchluß folgt kuͤnftig.)
ueſſe, wer er waͤre.
Htk. c4k.