Darmstädter Tagblatt 1780


06. März 1780

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den 6. Maͤrz.
Num. 10.
Anno 1780.

Mit Hochfuͤrſtl.
gnaͤdigſten
Darmſtaͤdti=
Anzeigungs=
zu
finden in der
Hof=u. Regierungs=

Heſſiſchem
Privilegio.
ſches Frag=und
10119e1
Hochfuͤrſtlichen
buchdruckerey.

Ein 1 Ochſenfleiſch
= Rindfleiſch
Kalbfleiſch
Hammelfleiſch =
9
Schaffleiſch
Schweinenfleiſch =
Schinken u. Doͤrrfl.
Speck=
Nierenfett
Hammelsfett=
Schweinenſchmalz
Ein Kalbsgekroͤß = 8 a
Ein Kalbsgeluͤng
Ein Hammelsgeluͤng=
1E Ochſengelung =
= Suͤlzen
= Bratwuͤrſt
= Leber =u. Blutwuͤrſt
Eine geſ. oder ger. Ochſenzung
Ein Kalbskopf 8. 10 a
Ein Hammelskopf
Ein Kalbsfus =

Ein Malter Korn
Ein Malter Gerſten =
Ein Malter Waizen =
Ein Malter Spelzen=
Ein Malter Hafer
Ein Malter Rockenmehl=
Ein Malter Weismehl

Victualien= und Marktpreis
kr. Pf.

6
5
5
6
4
5
12
14
12
9
12
10
12
5
3
2
10
6
28
12
1
fl.
2
2
3
1
1
2

Fuͤrſtl. Heſſiſche Po

kr.
45
10
45
24
30
44

Ein Kumpf Hafermehl =
1 Kumpf geſchaͤlter Hirſen

1 Kumpf grob geſchaͤlter Gerſte
1 Kumpf kleingeſchaͤlterGerſten
1 Kumpf Erbſen
1 Kumpf Linſen
1 Maas Merz= oder Lagerbier
im Hauſe=
uͤber
die Straſe=
1 Maas Jungbier im Haus=
und uͤber die Straſe=
1 Maas Bierhefe
1 Maas Kuh=oder Geiſemilch
1 Pfund friſche Butter
1 Pfund Handkaͤs der beſten
Die ubrige Handkaͤſe 5a6 Stuͤck
Eyer 6 Stuck vor
Ein aufgeſetzter Kumpf Kartoffeln
Brodtaxe und Gewicht:

ke.
24
32
32
64
16
16

24
11
6
4

Vor2kr. Brod ſoll wiege 1
Vor4kr. dito
Vorskr. dito
Vor1kr. Kuͤmelbrod oder
Gemiſchtesbrod

Vor 2kr. dito =
Vor 1kr. Waſſerweck,
Vor1kr. Milchweck
Vor 1kr. Milchbrod
igeydepuration dahier,

Pf.
3
4

L.
19
6
25
13
26
12
9

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Bekanntmachung von allerhand Sachen,
ſo dem gemeinen Weſen noͤthig und nuͤtglich ſind.

1. Edictalladungen.

Darmſtadt. Nachdeme in Concurs=Sachen ſaͤmtlicher Creditorum entgegen den
tzleſigen Schutzjuden Baͤrmann Gundersheim ein anderweiter peremtoriſcher Liquidations=
2ermin auf Mittwochen den 15. Maͤrz dieſes Jahres anberaumet worden; Als werden
nicht nur alle diejenige Baͤrmann Gundersheimiſche Creditores, ſo in dem auf den 23.
October 1776. anberaumt geweſenen Termino erſchienen ſind, ſondern auch diejenige,
welche damalen nicht erſchienen, hiermit oͤffentlich eitiret und erfordert, in beſagtem
Termino den 15. Maͤrz a c. vor Fürſtl. Oberamt allhier zu erſcheinen, mittelſt Vorzeigung
derer in Handen habender Origtnal=Verſchrelbungen ihre Forderungen voͤllig zu liquldi=
ren
, widrigenfalls aber ſich zu gewaͤrtigen, daß ſie voͤllig und ohnfehlbar damit praͤclus
dirt werden ſollen. Darmſtadt den 21. Febr. 1780. Fuͤrſil. Zeſſiſches Oberamt daſ.
II. Sachen, ſo zu verkaufen.
Ein noch wohl conditionirter Drehbank ſamt Werkzeug, ſowohl fur Drechsler, als
auch fur muſicaliſche Inſtrumentenmacher; ſodann ein groſer Mehlkaſten, iſt zu verkaufen:
und koͤnnen desfalls die Liebhaber das Naͤhere in der Buchdruckerey im Lottohauſe erfahren.
Von denen claſſiſchen Schriftſtellern, Zweybruͤcker Ausgabe, iſt der 2te und 3te Theil
des Plautus, nebſt einem Dedicattons=Kupferſtich der jetzt regierenden Rußiſchen Kai=
ſerin
, fur 1fl. 6 kr., wie auch die ſchon laͤngſt herausgekommenen Theile vom Tacttus
und Terenz in allhieſiger Buchdruckerey im Lottohauſe zu haben.
Nierſtein. Saͤmmtlichen Fruchtliebhabern wird hierdurch kund gemacht, daß
zufolge eingelangter gnaͤdigſter Cameralentſchließung, die bey hieſiger Receptnr vorfindli=
che
Fruͤchte, als 100 Malter Korn, 89 Malter Gerſte, nebſt 100 Malter Spelz, Don=
nerſtags
auf den 9ten künftigen Monaths zu Oppenheim in der goldnen Kann, Vor=
mittags
gegen 11 Uhr oͤffentlich an die Meiſtbietende nach dem auf dortigem Fruchtmarkt
ausgeſtellten Probmalter, ſalva ratificatione ausgebotten werden. Nierſtein den 28. Febr.
Kurpfalz Gefaͤllverweſerey.
utſeh.
1780.
III. Capitalia, ſo zu verlehnen.
Es legen 300 und 200 fl. gegen ſichere gerichtliche Hypothek zum Verlehnen bereit,
und iſt ſich deßfalls in der Buchdruckerey im Lottohauſe zu melden.
IV. Sachen, ſo zu vermiethen.
Es iſt ein bequemes Logis im unterſten Stock auf die Straße gehend, in der neuen
Vorſtadt ohnweit dem Pfoͤrtgen zu verlehnen. Naͤhere Nachricht iſt in der Buchdru=
ckerey
im Lottohauſe zu erfragen.
V. Zahlenlotterie Anzeigen.
Darmſtadt, den 29. Febr. 1780.
Anheute wurde die 7aſte Ziehung dahieſiger Lotterie mit den gewoͤhnlichen Formall=
taͤten
vorgenommen, und ſind nachſtehende Nummern, als:
1.
62.
61. 86.
8.
aus dem Glücksrade gehoben worden. Die 75ſte Ziehung geſchiehet Dienſtags den
21. Maͤrz, und ſo fort von drey zu drey Wochen.
Von Generaldtrections wegen.
VI. Vermiſchte Nachrichten.
Darmſtadt. Ein hier noch unbekannter Brunnenmeiſter recommandirt ſich bey
eineßp geehrten Publicum, welcher in bleyernen und hoͤlzernen Pompen, in Kunſt und
Spring=

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Springwerkern in Gaͤrten, und in Anlegung neuer Waſſerleitungen, auch in verbeſ=
ſerten
neuen Feuerſprizen, (welche um einen billigen Preiß von einem Ort koͤnnen an=
geſchaft
werden: ) wohl erfahren iſt. Den Herrn Liebhabern wird es die That beſtaͤt=
tigen
und genugſame Satisfaction geben. Er wohnt bey dem Cancelliſt Herrn Muͤller.
Angekommene fremde Herrn Paſſagiers.
Vom 26. F.br. bis den 4. Maͤrz 1780.
Herr Roͤßler, Regierungsrath von Wießbaden, log. im Trauben.
Herr Muͤller, Hofgaͤrtner, und
Herr Hofjaͤger, beede von Aſchaffenburg, logiren in dem Engel.
Herr Knte, Zahnkuͤnſtler aus Sachſen, und
Herr Leo, Buchhandler aus Leipzig, log. im froͤhlichen Mann.
Herr Zureich, Handelsmann aus Strasburg, log. in der Cron.
Auſſer den Gaſthaͤuſern logiren:
Herr Schatzmann, Canzley=Directeur von Friedberg, log bey dem Herrn Obriſt= Lan=
tenant
von Bonicau.
Ab= und durchgereiſte Herrn Paſſagiers.
Herr Rauch, Lleutenant in Kayſerl. Dienſten vom Regim. Khevenhüller, den 27. Febt.
Herr von Schwarzenau, Regierungsrath von Wießbaden, eod.
Herr Scheuer, Ingenieurlieutenant in Hohenlohiſchen Dienſten, eod.
Herr Herwig, Hütten=Inſpector von Biedenkopf, eod.
Herr von Salßhagen, Lieutenant in Preußiſchen Dienſten vom Regiment Heſſen=Caſſel.
den 3. Maͤrz.
Gebohrne, Getaufte, und Verſtorbene in voriger Woche.
Gebohrne und Getaufte.
Den 27. Febr., dem Burger und Schneidermeiſter, Johann Ludwig Rauch, ein Toͤch=
terlein
.
Eod. dem Burger und Schuhmachermeiſter, Johann Jacob Schaffner, ein Soͤhnlein.
Geſtorbene und Beerdigte.
Den 28. Febr., Frau Johanna Salonie, weyl. Herrn Georg Philpp Wittichs, gewe=
ſenen
Amtmanns zu Reichelsheim im Graͤflich=Erbachiſchen, hinter=
bliebene
Frau Wittwe, 58. Jahre, 5. Monathe und 25. Tage alt.
Den 2. Maͤrz, der Fuͤrſtl. Hofrath, Herr Georg Wilh. Kleinſchmidt, 85. Jahre alt.
Den 4. der Heubinder bey Ihro Hochfuͤrſtl. Durchlaucht dem Prinzen Georg
Wilhelm, Carl Anton Haller, 64. Jahre alt.
Eod. der Burger und Leinenwebermeiſter, Lorenz Mahr, 59. Jahre alt.
Ferner: dem Burger und Seilermeiſter, Gottleb Hein, ein Toͤchterlein, 1. Jahr, 2.
Monathe und 13. Tage alt.
Geſtorben und beerdigt bey der evang. reform. Gemeinde.
Den 2. Maͤrz, dem Fuͤrſtl. Hofſchloſſer, Hn. Johann Jacob Erny, ein Soͤhnlein,
3. Jahre, 2. Monathe und 10. Tage alt.

Woltemade.
Bey dem Vorgebirge der guten Hofnung lag ein Schiff vor Anker, wel=
ches
nach Batavia ſegeln wollte. Es wartete auf guten Wind; aber ploͤtzlich entſtand
der heftigſte Sturm. Der wuͤthete zween Tage und zwo Naͤchte in einem fort; zer=
brach
die Maſten, zerriß die Segel und die Ankerſeile; hob das Schiff bald hoch in die
Luft, und ſchmiß es bald wieder in den tiefſten Abgrund hinunter. Endlich blieb es auf.
einer Sandbank ſitzen, und nun wurde ein Stuͤck deſſelben nach dem andern von den
Wellen

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Wellen losgeriſſen. Das ſahen die Einwohner eines Dorfs, welches nahe an der Kuͤſte
lag. Gern wollten ſie den Ungluͤcklichen, welche auf dem Schiffe waren, helfen; aber
ſte hatten kein Fahrzeug. Unter ihnen war Woltemade, eln alter Bauer von
ſtebenzig Jahren. Dieſer laͤuft, ohne ein Wort zu ſagen, nach ſeiner Hütte, ſchmeißt
ſich auf ſein Pferd, eilt nach der Kuͤſte zuruͤck und ruft um ſich her: Menſchen,
laßtuns Menſchen retten: und ſo ſtuͤrzt er ſich mit dem Pferde ins ſchaͤu=
mende
Meer, ſchwimmt mitten durch die hohen Wogen auf 300 Schritte weit bis an
das Schiff und ruft den Elenden Troſt und Huͤlfe zu. Zwey von euch, ſagt er,
ſpringen herab, und faſſen den Schweif meines Pferdes an! Gott wird uns hinuͤber=
belfen
; dann komme ich wieder und hole noch Mehrere. Etligſt hangen zwey ſich
an des Pferdes Schweif, und der Greis ſchwimmt mit ihnen durch. Kaum hat er ſie
glücklich ans Ufer gebracht, ſo ſturzt er ſich von neuem in das brauſende Weltmeer.
ruft abermals zween Gefaͤhrten zu ſeiner gefaͤhrlichen Reiſe vom Schiffe herab; kommt
abermals gluͤcklich ans Ufer, und fährt auf dieſelbe Weiſe fort, bis er 14 Menſchen
gerettet hat.
Die Geretteten beten ihn beynahe an, und ſeine Anverwandte, ſeine Freunde be=
ſchwoͤren
ihn mit Thraͤnen, ſich der Gefahr doch nun nicht abermals auszuſetzen. Aber
da war kein Halten. Woltemade hoͤrt und ſieht auf nichts, als auf diejenigen,
die noch in Gefahr waren; reißt ſich abermals los, ſchwimmt wiederum zum Schiffe hin,
und bittet dort wiederum, wie zuvor. Ungluͤcklicher Weiſe wirft, ſeinem Verbote zu=
wider
, ſich noch ein dritter herab; ergreift im Fallen den Zuͤgel des ſchon entkraͤfteten
Pferdes, zieht mit demſelben das arme Thier in den Abgrund hinunter und erſaͤuft ſich
ſelbſt; ſeine beyden Gefaͤhrten und o Jammer! auch den treflichen Woltemade!

Carl und Friederike.
(Aus dem Gebiete der Unſchuld.)
von B......

Tarl, ein Jung von ungefehr vierzehn Jahren, munter und froh, voll Feuer, und
voll Begierde nach Kenntniß und Tugend, und ſeine Schweſter Friederike, zwey Jah,
jünger, aber ein Maͤdchen vom liebenswuͤrdigſten Anſtand, von der feinſten Bildung,
und ein Herz, das, wenn es nicht durch faulen Unterricht verſtimt, und richtig gefüh=
ret
wird, ſeiner Religion Ehre macht, und fürs Alter dem Vater und der Mutter in=
nigſte
Seelenwonne verſpricht. Beyde gehen Hand in Hand an einem ſchoͤnſten Fruͤh=
Ungsabend am Ufer des Fluſſes, um noch einmal, wie geſtern, den herrlichen Son=
nenuntergang
zu beherzigen. Wie ſchoͤn, Fritzchen, laͤchelt Carl ſeine Schweſter an,
die ihn bat, weil ſie muͤde ſey, ſich da auf dem Huͤgel niederzuſetzen. Das Maͤdchen
fuͤhlte mehr, als es ſagen konnte, und ſchwleg daher ganz ſtille. Carl, dem ſeine feu=
rige
Natur alles herauszuſagen gebot, was er fuͤhlte und dachte, ließ ſich auf ſeiner
Schweſter Schulter fallen, redete unaufhoͤrlich wie das alles ſo ſchoͤn ſey dort
oben hler auf der Seite - dort wie das alles ſo bewunderungswuͤrdigſchoͤn
ſey' Fritzchen fühlte ihren Gott in ſeinen Werken, und dieß ſchloß ihr ganz die Sprache
zu. Ueber eine Weile fieng Carl von ſeiner Chreſtomathie und von ſeinem Kornel
an, und ſchalt auf die Stubenſitzerey, wie man da nur halb denken, nur halb uͤber=
ſetzen
koͤnne; und nahm ſich feſt vor, hier auf dem Huͤgel immer ſeine Sache zu lernen,
und da ſahe er denn ſchon laͤchelnd dem Lob des Herrn Magiſtersentgegen.- Sein
gutes Schweſterchen frierte es ein bischen ſehr, weils zart, und weils auch noch Abends
würklich ein wenig kalt war. Komm, Carlchen, ſagte ſie, und wenn naͤher die Sonn=
kommt
, ſo laß uns oft ſo daher mitetnander gehen. Noch nie habe ich den lieben Gott
ſo Uebenswurdig geſehen, als aufm Freyen. Hier ſollte man Morgens und Abends zu
hm beten, da es uns gleichſam von allen Seiten ber zuruft: wie lieb iſt Gott!
Sle gaben ſich wieder die Hand, und die zwey liebe Geſchwiſter
Vebe ihn!
glengen wieder der Stadt zu. Carls erſter Sprung war in die Kuͤche, Friederlke
ſchmierte ihm ein Stuͤck, weils noch nicht gedeckt war. So hatte ihm noch nie das
Butterbrod geſchmeckt!