Controversia et Confessio, Bd. 5


Amsdorf, Wider die Synergia Victorini (1564) – Einleitung

1. Historische Einleitung

Mit der Declaratio Victorini dachte endlich das Dokument zu besitzen, das als Konsenspapier in den Streitigkeiten zwischen den ernestinischen Theologen dienen konnte. Der Herzog ordnete daraufhin an, dass im Rahmen einer Kirchenvisitation alle Theologen seines die Declaratio unterschreiben sollten.Vgl. die .

Dieses Vorgehen rief jedoch entschiedenen Widerstand hervor. Dies betraf sowohl den Kreis seiner politischen BeraterEs kam zum Bruch zwischen und sowie . Vgl. . als auch die Pfarrerschaft seines Landes.Vgl. zum Folgenden . So kritisierte der Superintendent von , , den Herzog, ohne jedoch unter den Pfarrern seiner Superintendentur einen geschlossenen Widerstand zu organisieren. Anders verhielt es sich bei den Superintendenten von , , und von , , und auch in der Superintendentur erhob die Pfarrerschaft Protest.

Um das herzogliche Vorhaben nicht scheitern zu lassen und unentschlossene Pfarrer zur Unterschrift zu bewegen, verfasste der mit der Visitation mitbetraute eine Superdeclaratio. Darin suchte er die Positionen abzumildern und die Übereinstimmung der Declaratio Victorini mit der lutherischen Lehrtradition hervorzuheben. Dennoch verweigerten zahlreiche Theologen, allen voran und , ihre Unterschriften oder baten um Bedenkzeit bzw. widerriefen gar ihre Unterschriften nachträglich. begegnete dem Widerstand mit der Entlassung von fast 30 Superintendenten und Pfarrern.

Kursierten bereits vor und während der Visitation diverse überaus kritische handschriftliche Gutachten zur Declaratio Victorini, so spitzte sich die Situation danach weiter zu. Denn die Auseinandersetzung gelangte jetzt in die Öffentlichkeit. Zunächst waren es auswärtige Theologen, die mittels Streitschriften gegen die Declaratio Victorini und die herzogliche Religions­ und Kirchenpolitik polemisierten.Vgl. die Veröffentlichungen von und der Mansfelder Prediger in . Obwohl einen öffentlichen Disput durch eine verschärfte Zensurpolitik zu unterbinden suchte, beteiligten sich schließlich auch ernestinische Theologen an der Kontroverse. Ein auslösendes Moment dafür kam offensichtlich der Publikation von Psalmenkommentar zu, da er dort seine Position, dass der menschliche Willen im Rechtfertigungsgeschehen mitwirken könne, nicht nur verteidigte, sondern nach Ansicht mancher, sogar hinter seine1 Declaratio zurückzufallen schien. In der Folge veröffentlichten 28 entlassene ernestinische Theologen im Jahr 1564 unter Federführung von einen Wahrhaftigen Bericht.. Überdies gelangten die Stellungnahmen der Württemberger Theologen zu Psalmenkommentar in die ÖffentlichkeitVgl. . Zur möglichen Einordnung dieser Schrift in den ernestinischen Kontext vgl. . und auch bezog mit der hier edierten Schrift Position.

2. Der Autor

Vgl. zu ihm . lehnte die Declaratio Victorini nach Kenntnisnahme umgehend ab. Denn man könne nicht dem herrn vnd baal zugleich dienen, Das ist, vnd den Adiaphoristen zugleich folgen, wie er gegenüber in einem Brief aus dem Jahr 1562 betonte.Vgl. , S. 261–263, bes. 261. Die Verteidiger eines freien menschlichen Willens im Rechtfertigungsgeschehen verwürfen die Lehre Jesajas, Paulus’ und . Sie würden damit die reine Lehre zugunsten menschlicher Weisheit und Vernunft aufgeben. folge seinem Lehrer , den er nicht faren lesset, ehr [eher] lesset eer [] Christum vnd sein wort faren.Vgl . Auf einem solchen Wege dürfe man den Adiaphoristen niemals folgen, sondern man müsse sich stattdessen zur wahren Lehre bekennen und ihnen widerstehen.

Nachdem zunächst mit solchen handschriftlichen Appellen auf den Herzog einzuwirken versuchte, was jedoch keinen nennenswerten Erfolg zeitigte, sah er sich nach der Veröffentlichung von Psalmenkommentar 1563 dazu gedrängt, seine Position ebenfalls öffentlich darzulegen zu verteidigen.

3. Inhalt

Mit dieser Schrift wendete sich gegen die seiner Ansicht nach synergistische Lehre von der Bekehrung des Menschen. hatte im Anschluss an seinen Lehrer neben dem Wort Gottes und dem Heiligen Geist den zustimmenden menschlichen Willen als dritte Bedingung der Bekehrung vertreten. erhob dagegen den Vorwurf, mache die Seligkeit des Menschen zu dessen eigenem Werk und die Mitwirkung des menschlichen Willens zur Bedingung. Auf diese Weise behaupte er aber nichts weniger, als dass nicht Gottes Gnade allein zum Heil führe, sondern auch der menschliche Wille an der Erlangung des Heils teilhabe. Nicht nur Gott, sondern auch dem Menschen käme damit der Ruhm zu, an der Bekehrung mitgewirkt zu haben. Dies sei eine schriftwidrige Theologie, denn so hätte der Mensch die Möglichkeit, sich aus eigenen Kräften auf die Gnade Gottes vorzubereiten. Gott würde dann nicht mehr die Gottlosen, sondern die Frommen mit ihren guten Werken rechtfertigen.

Sodann wehrt sich gegen die aus seiner Sicht böswillige Unterstellung, dass die Verteidiger eines unfreien menschlichen Willens den Menschen als Block oder Stein bezeichnen würden. Man wolle dem Menschen in seiner Bekehrung nicht den Verstand und den Willen nehmen. Vielmehr bleibe der Mensch auch in seiner Bekehrung als Geschöpf mit eigener Vernunft und Willen erhalten. Doch forme Gott in der Bekehrung nach seinem ewigen Ratschluss allein aus Gnaden den menschlichen Willen wie ein Töpfer den Ton. Denn der menschliche Wille sei durch die Erbsünde derart korrumpiert und unter dem Willen des Teufels gefangen, dass er nichts an seiner Bekehrung mitwirken könne.

betont nachdrücklich, dass die Bekehrung des Menschen vollständig von der Gnadenwahl Gottes abhänge. Der Mensch könne sich nach der freien Gnadenwahl Gottes nur passiv formen und regieren lassen. Der Akt der Wiedergeburt sei demnach aus menschlicher Sicht einer des Duldens und nicht des eigenen Handelns.

Die Ansicht vom freien Willen hingegen sei von den altgläubigen Philosophen entwickelt und von gegen Lehre vom unfreien Willen wieder in die evangelische Kirche eingeführt worden. Hiergegen sei festzuhalten, dass es keine Handlungsmöglichkeit eines freien menschlichen Willens gebe, weder vor Gott noch in weltlichen Dingen, sondern dass jeder Wille ganz und gar unter der Herrschaft Gottes stehe.

4. Ausgabe

  • Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:
    A: Niclas Von Ams= || dorff / Wider die Synergia || Victorini. || Nemlich || Das der Mensch in seiner Bekerung / || kein Synergiam noch modum agendi, habe noch || haben kan / das || sey Gottes gnedige wir= || ckung allein. || || [Eisleben: Urban Gaubisch, 1564] [12] Bl. 4° (VD 16 A 2409)

    Vorhanden in:
    Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dm 2236 (benutztes Exemplar)
    Dresden, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: 3.A.10004,angeb. 11; Theol.ev.pol.463.m,misc.3
    Erfurt, Universitätsbibliothek, Depositum Erfurt (ehemals Stadt- und Regionalbibliothek): 13 - Ef. 8 00051b (15)
    Leipzig, Universitätsbibliothek: Thom.701/3b
    Regensburg, Staatliche Bibliothek: 999/4Theol.syst.528(4
    Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut.ben.Aut.Amsdorff,N.20
    Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 418.7 Theol.(10); 459.1 Theol.(6); Alv U 164(3); H 147.4 Helmst.(11); K 62.4 Helmst.(4)

    Die vorliegende Schrift zeichnet sich dadurch aus, dass Amsdorf im Text Anmerkungsziffern setzt, die als Endnoten fungieren. Denn nach dem Textteil folgt ein Anmerkungsteil, in dem Erklärungen und weiterführende Kommentare zu den jeweiligen Anmerkungsziffern geboten werden. Die Anmerkungsnummern sind der Übersichtlichkeit halben sowohl im Text selbst als auch im Anmerkungsteil fett und kursiv gedruckt wiedergegeben worden.