Controversia et Confessio, Bd. 5


Flacius (Hg.), Confessio et sententia Witebergensium (1561) – Einleitung

Einleitung

1. Historische Einleitung

Mit dem Druck Confessio et sententia Witebergensium präsentierte der gelehrten Öffentlichkeit die Stellungnahme der Wittenberger Fakultät zur Frage nach der Freiheit des menschlichen Willens, die sie im Januar 1561 vorgelegt hatte. In der offenbar noch in der ersten Jahreshälfte erschienenen Erstauflage versah er sie mit eigenen kommentierenden Scholien, einem kurzen Auszug aus einem anonymen Brief zu der 1560 unter der Leitung des in abgehaltenen Disputation De necessitate et merito bonorum operumVgl. zu dieser Disputation die erste kommentierende Anmerkung des in . und einem Textabschnitt Corruptelae praecipui capitis doctrinae Pauli de iustificatione. In der anschließend erfolgten Zweitauflage, die neu gesetzt wurde, ergänzte die bereits vorhandenen Texte um eine Stellungnahme des Theologen , die Brevis responsio ad confessionem theologorum Witebergensium. Inhaltlich setzte mit der Publikation seine konfrontative Haltung zu den Philippisten in der Frage des freien Willens fort. Angegriffen wurden neben , , und , denen er Abfall von der Lehre des Apostels Paulus und unterstellte.
Beide Auflagen erschienen ohne Angabe von Drucker und Druckort. Das hing damit zusammen, dass an der Zensur vorbei ohne Druckerlaubnis handelte. Sein Vorgehen ließ jedenfalls die Bücherzensur zu einem brisanten Streitpunkt zwischen und den Jenaer Theologieprofessoren werden. Der Herzog reagierte am 21. Juni 1561 auf die Publikation mit einer an die Jenaer Buchdrucker und Buchhändler gerichteten Einschärfung der Zensurpflicht. Schriften von ernestinischen Untertanen durften nicht ohne Genehmigung des Landesherrn gedruckt oder verkauft werden. Da sich die Jenaer Theologen der Anordnung des Herzogs nicht beugen wollten, verfassten sie am 24. Juni eine Schrift, in der sie mit Berufung auf die Zwei­Regimenten­Lehre bestritten, dass der Landesherr die letzte Entscheidungsinstanz für theologische Schriften sei. Damit warfen sie zugleich Überschreitung seines Kompetenzbereichs vor.Vgl. hierzu . Infolge des Widerstands, den und seine Gesinnungsgenossen gegen den aus dieser Konfliktsituation resultierenden Beschluss ihres Landesherrn, ein Konsistorium einzurichten, leisteten, wurden sie im Dezember 1561 des Landes verwiesen. Für und seine Familie bedeutete das den Anfang einer langen rastlosen Wanderschaft durch zahlreiche Städte, die bis an sein Lebensende andauern sollte.Vgl. .
1 2. Die Autoren

2.1 Wittenberger Theologen

Der federführende Autor der Stellungnahme der Wittenberger Theologischen Fakultät ist unbekannt. Der Text selber berichtet lediglich davon, dass es sich um ein kollektives Bekenntnis der Wittenberger Theologen handelt, das im Januar 1561 bei dem Kurfürsten eingereicht worden sei. Zu diesem Zeitpunkt waren an der Theologischen Fakultät in , und die Inhaber der Professuren. Das Dekanat wurde in der Zeit von 1558 bis 1574 von verwaltet.Vgl. ; , 243, 248.
2.2 Matthias Flacius Illyricus

Zu vgl. die .
2.3 Zacharias Praetorius

Vgl. zum Folgenden: (Zugriff am 27.10.2017) wurde am 14. April 1535 als in geboren. Er immatrikulierte sich am 26. April 1553 in und latinisierte auf Anregung seinen Geburtsnamen in . Nach Abschluss des Studiums nahm zunächst eine Pfarrstelle in an, um anschließend nach zu wechseln. Dann kehrte er wieder nach zurück, wo er am 22. Dezember 1575 starb. erlangte große Bekanntheit durch seine lateinischen Gedichte, die auch von geschätzt wurden. Außerdem übersetzte er geistliche Lieder ins Lateinische.
3. Inhalt

Die im Druck präsentierte Stellungnahme der Wittenberger Fakultät zur Problematik der Freiheit des menschlichen Willens beginnt mit der Eingrenzung der Hauptfrage, die darin bestehe, zu bestimmen, auf welche Weise die Bekehrung des Sünders vor Gott geschehe. Dem hält die Frage, inwiefern der natürliche freie Wille an der Bekehrung mitwirke, als Bestimmung des Streitgegenstandes entgegen. Nach Wittenberger Ansicht besteht die Hauptthese des darin, dass der sich passiv verhaltende Mensch von Gott passiv bekehrt werde; er sei wie ein Klotz, der sich außerdem dem göttlichen Handeln gegenüber feindlich verhalte. Dieser These widerspricht , indem er darauf hinweist, dass er niemals behauptet habe, dass der Mensch nichts bei seiner Bekehrung tue. Vielmehr höre der Mensch auf das Evangelium und sei geistig beteiligt. Doch trage er nichts zu seiner Bekehrung bei. Die Position des lasse sich nach der Wittenberger Lesart in dem Syllogismus zusammenfassen, dass die menschlische Natur von Gott abgefallen sei, der fleischliche Sinn als Feindschaft gegen Gott verstanden werde und daher der Mensch durch Gottes gnädiges Handeln bekehrt werden müsse. Dem hält die Betonung der Alleinwirksamkeit Gottes bei der Bekehrung des Menschen entgegen, die jedwede Mitwirkung (synergia) des Letzteren ausschließe.
Nach Wittenberger Sicht behauptet , dass die Position, der Mensch wirke bei seiner Bekehrung mit, den menschlichen Stolz, seine falsche Sicherheit oder seine Verzweiflung befördere, dabei sei doch gerade die flacianische Position in dieser Richtung zu verstehen, könne doch keiner zum Glauben kommen, wenn er nicht widerstrebend dazu gezwungen werde. Dem hält entgegen, er habe nie behauptet, dass der widerstrebende Mensch bekehrt werde, sondern lediglich, dass der Letzgenannte mit seinem fleischlichen freien Willen dem Werk Gottes widerstrebe. Gemäß dem geschenkten guten Wollen oder gemäß dem Funken des Glaubens stimme der Mensch seiner Bekehrung zu. Der Wittenberger Leugnung, die Kraft, Würdigkeit und Verdienste des freien Willens zu vertreten, widerspricht entschieden, sei doch genau dies der Streitgegenstand.
Auch der Wittenberger Grundthese, dass die Verheißung der gnädigen Sündenvergebung auf alle Menschen bezogen sei wie das universale Mandat, dass alle Menschen der Verheißung glauben sollen und dass darum Gott auf keine andere Weise wirksam sei als durch das im Glauben angenommene Evangelium, hält entgegen, dass man von einem Mandat nicht auf ein Können schließen dürfe. Die Wittenberger Behauptung, dass der Mensch dieser Verheißung, Mandat und göttlichen Ordnung gehorchen können müsse, wollend und ohne Zwang, lehnt somit ab. Es bestehe ein Widerspruch zwischen der Behauptung der Wittenberger Theologen, der Mensch müsse der Verheißung Gottes entsprechen können, und der Behauptung, dass nicht der Mensch, sondern Gott die Bekehrung bewirke. Der ganze Glaube sei als ein Geschenk Gottes aufzufassen. Der Glaube sei ein zustimmendes Verstehen des Wortes. Also sei auch das Denken, Zustimmen, Wollen oder Können ein reines Geschenk Gottes und nicht auf die menschliche Mitwirkung zurückzuführen. Niemals habe er, , davon gesprochen, dass der Mensch zur Bekehrung mit Gewalt durch Gott gezwungen werde. Die Bekehrung geschehe unter der Beteiligung des menschlichen Willens, der von Gott gezogen werde und das Geschenk der Aneignung und des guten Wollens passiv entgegennehme.
stimmt ebenfalls der flacianischen Benennung des Menschen als Klotz im Prozess der Bekehrung zu, in der er ein adäquates Sprachmittel erblickt, um die Passivität des Menschen bei der Bekehrung zum Ausdruck zu bringen. Der Mensch verhalte sich allerdings bei der Bekehrung wie ein Mensch. Doch sei in ihm nichts als Feindschaft gegen Gott zu finden und er könne die geistlichen Dinge nicht verstehen. Wer von Gott abgefallen sei, könne sich nicht aus eigenen Kräften wieder der Gnade zuwenden, weil er ein Feind Gottes sei. Die ganze Natur des Menschen sei von Gott abgefallen und könne sich nicht von sich aus wieder zu Gott kehren, weil die Bekehrung eine Neuschöpfung der Natur des Menschen bedeute. Die Ausgabe erlaubt einen direkten Einblick in den Austausch von Argumenten.
4. Ausgaben

Der Text kann in zwei Druckausgaben nachgewiesen werden:
A:CONFESSIO || ET SENTENTIA VVITEBER­ || gensium de Libero arbitrio, cuidam Electori, anno M.D.LXI. exhibita. || Vnâ cum utilibus Scholijs || M. Fl. Illyrici. [s.a., s.l.] [7] Bl. 8 ° (VD 16 ZV 3796)

Vorhanden:
Jena, Thüringer Universitäts­ und Landesbibliothek: 8 Theol.III,10/6 (3)

Regensburg, Staatliche Bibliothek: 999/Theol.syst.1109 (18)

B:CONFES= || SIO ET SENTENTIA VVI= || TEBERGENSIVM DE LIBERO || arbitrio, cuidam Electori, || Anno M. D. LXI. || exhibita. || VNA CVM VTILIBVS || Scholijs M. Fl. Illyrici, || & Zacha: Prae= || torij. M. D. LXI. [s.l.][15] Bl. 8° (VD 16 C 4824)

Vorhanden:

Emden, Johannes a Lasco Bibliothek: Theol. 8° 0513 H [benutztes Exemplar]

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 1003.5 Theol. (5)

Abgesehen von dem unterschiedlichen Satz und den Differenzen in dem Titel, unterscheidet sich die Ausgabe B von der Ausgabe A dadurch, dass ihr die Scholien von beigefügt sind. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Ausgabe A etwas früher anzusetzen ist als die vervollständigte Ausgabe B. Der restliche Textbestand ist in beiden Ausgaben identisch. Dieser Edition liegt aufgrund ihrer Vollständigkeit die Ausgabe B zugrunde.