Controversia et Confessio, Bd. 5


Gallus, Dass der freie Wille nichts sei, Vorrede (1559) Nr. 8: Gallus, Dass der freie Wille nichts sei, Vorrede (1559)

Gallus, Dass der freie Wille nichts sei, Vorrede (1559) Nr. 8: Gallus, Dass der freie Wille nichts sei, Vorrede (1559)Nr. 8 ULB Darmstadt info:isil/DE-17 Darmstadt Letzte Änderung: 2022-05-17 Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY)

Lutherus in der Antwort auff des Koͤnigs zu Engelland lesterschrifftEin sendbrieue Mar||tin Luthers an den Konig zu En || gelland Heinrichen dis nhamens || den achten / darjnn er vertzicht vnnd gnad || bittet || Des itzgemelten/ durchlawchtigisten || Koͤnigs Heynrichen des achten Koͤnigs || zu Engelland vñ Franckreych || antwurt auff obgenanten || Sendbrieue || [Dresden: Wolfgang Stöckel, 1527] (VD 16 L 4626). von diesem seinem buch:

Der Koͤnig tastet auch an mit schmachworten mein Buͤchlin wider den Freien Willen geschrieben,Martin Luther, 600–787 (De servo arbitrio, 1525). welchs doch Erasmus Roterodamus, desselbigen
Koͤnigs bester freund einer, hat muͤssen lassen vngebissen,unbestritten. Vgl. Art. beissen 6), in: Fnhd.Wb. 3, 1015f. vnnd auch noch sol vngebissen lassen, wie wol er mehr kunstgelehrtes Wissen. Vgl. Art. Kunst II.2.c.α), in: DWb 11, 2668. vnd vernunfft in einem finger hat, dann der Koͤnig zuͤ Engelland mit allen seinen kluͤglingen.Besserwissern.

Vnnd trotzWiderstand. Vgl. Art. Trotz, in: DWb 22, 1107f. 543 zusammen gestellt, geschrieben. Vgl. DWb 16, 669f. nit allein dem Koͤnige vnnd Erasmo, sondern auch jhrem Gott vnd allen Teuffeln, das sie mir dasselbig Buͤchlin recht vnnd redlich verle
gen.widerlegen. Vgl. Art. verlegen 3), in: DWb 25, 758.Vgl. Martin Luther, WA 23, 26,11–27,3 (Auff des Königs zu Engelland Lesterschrift, 1527).

Die Summa vnd das ende dieses Streits vom freien willen.

Die ware Kirch vnd ware Christen sind allein, die Gott in Christo erwelet, berufft vnd die dadurch ware Buß thun, nit die es selb aus eigen krefften jres freien willens sein woͤllen, Rom. 8,Vgl. Röm 8,1–17. 9,Vgl. Röm 9,30–33. 10,Vgl. Röm 10,1–13. 11,Vgl. Röm 11, 1–10. Joan. 1.Vgl. Joh 1,14–18.

Vorrede Nicolai Galli

Christus spricht zu den Saduceern,Angehörige und Parteigänger einer Priesteraristokratie, die sich auf den Priester Zādȏq aus davidisch­salomonischer Zeit (II Sam 8,17; I Reg 2,35) zurückführte. Die Sadduzäer lehnten die Lehre von der leiblichen Auferstehung der Toten sowie eine göttliche Vorherbestimmung des Menschen zum Heil oder zur Verdammnis ab und betonten demgegenüber den freien Willen des Menschen und die Eigenverantwortlichkeit für sein Tun. Vgl. Hans Friedrich Weiß, Art. Sadduzäer, in: TRE 29 (1998), 589–594, bes. 590, 592f. da sie sich mit jhm befragten von der aufferstehung der Todten: Jr jrret vnd wisset die Schrifft nicht noch die krafft Gottes.Vgl. Mt 22,29; Mk 12,24. Also moͤgen wir jtzo wol denen weisen vnd heiligen leuten sagen, so sich sampt dem Hochgelerten Erasmo dieser zeit mit Luthero vnd
mit vns stossen vber der frage des Freien willens, als der Geistlichen aufferstehung vom todt der Seelen, gleich wie jhene ob der leiblichen aufferstehung, das sich dise bey aller jrer kunst vnd heiligkeit gleicher weis jrren, wissen nit allein hierinn die Schrifft vnd die krafft Gottes nit, sonder, gefuͤrt durch menschlich vernunfft vnd Philosophia, widersetzen sie sich beide, der
Schrifft vnd der krafft Gottes, deren sie doch die fuͤrnemen lehrer vnd erfarensten fuͤr andern in vnsern Kirchen sein solten vnd sein wollen.

Derwegen dann, hindan gesetzt allen schein vernuͤnfftiger vrsachen vnd ansehen der menschen, einem jeden, sich auffs aller genawest wil an die schrifft zu halten sein, wil man anders die warheit haben vnd Gottes krafft
erfaren, ein jeder an sein selb beide, Seele vnd Leib, zur aufferstehung ewigs lebens.

Nu ist die frage vom Freien willen, wie Erasmus sie wider Lutherum vnnd wider vnsere Kirchen gestritten, seine nachfolger jtzo in vnsern Kirchen wider vns streiten, wie dieselbige auffs aller gewissest aus den Definitioni
bus zu nemen:

Was der mensch natuͤrlich durch den freien willen zur Seligkeit vermoͤge, nit was er in andern sachen vermoͤge. Auch nit, was er vermoͤge, die Seligkeit zu verdienen, sondern die verdiente Seligkeit in Christo an sich zu bringen oder sich zu Christo warhafftig zu bekehren. Vnd was er darzu
aus jm selb vermoͤge, nit was in jm der heilig Geist vermoͤge.

Hieuon stehet klar die Definitio Erasmi in seiner Diatribe: Der freie wille sey ein krafft menschlichs willens, dadurch der Mensch sich schicken koͤnne vnd wenden zu den dingen, die da dienen zur Seligkeit, oder von denselbigen abwenden.Porro liberum arbitrium hoc loco sentimus vim humanae voluntatis, qua se possit homo applicare ad ea, quae perducunt ad aeternam salutem, aut ab iisdem avertere. Erasmus von Rotterdam, De libero arbitrio (1524), I b 10, in: EAS 4, 36f.

Jn Locis Philippi, nach absterben Lutheri, stehet sie also: Der freie wille im menschen sey ein krafft, sich selb zu schicken oder zu wenden zur gnade.Melanchthon zitiert in der tertia aetas seiner Loci einige von ihm nicht näher spezifizierte Väter mit dem Satz: Liberum arbitrium in homine faultatem esse applicandi se ad gratiam, id est, audit promissionem et assentiri conatur et abiicit peccata contra conscientiam. Vgl. CR 21, 659. Vnd stehet an beiden orten mit argumenten bewertbeweisen. Vgl. Art 1beweren 1), in: Fnhd.Wb. 3, 2271f. vnd erklert.

Wiewol nu beide, bewerung vnd erklerung, vbel mit einander vnd mit der Definition stimmen, zu weilen ein stuͤcklin des freien willens geben vnd
also strackdirekt. wider sich selb sind, doch stimmen sie alle in dem zusamen, das dannoch der mensch zum guten fuͤr Gott vnd zu der bekehrung etwas aus jhm selb vermoͤge, nit Puram passionem als ein subiectum, oder wie sie auch aus dem Jnterim reden, sich wie ein stock habe, der allein den Heiligen Geist in jm wircken lasse,(), doch handlet der barmhertzig Gott nit mit eim mentschen wie mit einem todten plock, sonder zeucht ine mit seinem willen wann er zu seinenn jaren khombt. Augsburger Interim VI (Von der weise durch welche der mentsch die rechtfertigung bekombt). sondern habe sein selb mitwirckung, ein
Synergiam neben dem heiligen Geist vnnd dasselbig in freier wilkoͤr.freiem Gutdünken, freiem Ermessen. Vgl. Art. Willkür II.A.1.a), in: DWb 30, 205f.

Dargegen stehet Lutherus alhie, vnd wir mit jm, sampt andern lehrern, alten vnd newen, aus gewissem,sicherem. vnbeweglichem grund heiliger Schrifft altes vnd newes Testaments, setzen vnd sagen mit worten vnd meinung gleich das widerspiel. Der mensch vermoͤge aus jm selb fuͤr Gott nit mehr dann
boͤses, von der gnad vnd Seligkeit sich wol abwenden vnd widerstreben, aber nit warhafftig darzu selb wenden vnd bekeren. Sey zu dem werck warhafftiger bekerung ein pur lauter stock, das ist, so viel als tod, wie die Schrifft redet, der jhm selb nichts helffen koͤnne, vnd wie es die Wirtembergisch Confession erklert: Vermoͤge so wenig zu dem Geistlichen
vnnd ewigen leben sich aus jm selbs darzu bereiten, keren oder wenden, dasselbig widerumb an sich zu nemen, so wenig vermag, der leiblich tod ist zum leiblichen vnd zeitlichen leben.Sicut autem homo corporaliter mortuus, non potest sese suis uiribus praeparare aut conuertere, ad accipiendam uitam corporalem, ita mortuus spiritualiter non potest sese sua uirtute conuertere, ad accipiendam uitam spiritualem. CONFES= || SIO PIAE DOCTRI= || NAE, QVAE NOMINE ILLV= || strissimi principis ac domini D. CHRI= || STOPHORI Ducis VVirtembergen= || sis & Teccensis, ac Comitis Montisbe= || ligardi, per legatos eius die XXIIII. || mensis Ianuarij, Anno M.D.LII. con= || gregationi Tridentini Conci= || lij proposita est. || [Tübingen: Ulrich Morhart d.Ä. 1552] (VD 16 W 4470), A 5v. Vnd wie die erklerung der Saͤchsischen Kirchen vber das Jnterim weiter sagt: Vnsere ernewerung vnd bekerung stehe allein in Gottes gnediger Election vnd Vocation, gar nit
in vnserm Freien willen.Vgl. [Johannes Aepin], Bekenntnis und Erklärung aufs Interim (1549), B 2r, unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 9, S. 303,3–5. Das Gott aus gnaden in Christo jhm die seinen erwelet hat, gibt wort, Sacrament vnd dadurch seinen heiligen Geist, endert verstand, willen, hertz, gibt newes leben, ehe dann sie etwas selb darzu oder sonst guts fuͤr jm thun koͤnnen.

Bestehet also die frage gentzlich von der vernewerung vnd bekerung in
worten vnd meinung stracks widerwertigentgegengesetzt. Vgl. Art. widerwärtig 3.d), in: DWb 29, 1370. gegen einander, auff ja vnd nein:

Der mensch habeverhalte. Vgl. Art. haben B.I.1.5), in: DWb 10, 53. sich pure passiue zur vernewerung vnd bekerung – Vnd habe sich nit pure passiue.

Wircke mit zu seiner selb vernewerung vnd bekerung – Vnd wircke nit mit darzu.

Habe des einen Freien willen wahl oder wilkoͤr – Vnd hab es keinen Freien willen. Das also kein vergleichung darinn zu finden. Vnd ist ein sache, wie Christen verstehen vnd hernach weiter sol gesagt werden, daran hoch vnd viel gelegen. Jst gleichwol dauon Erasmi meinung durch die seinen in vnsere Kirchen der Augspurgischen Confession gleich vnuermerckt, heimischer,heimlicher.
tuͤckischer weise, mit eingeschleicht, wie andere etliche jrthume mehr, das zu besorgen, do jederman also schweigen wolt, den andern teil frey lassen fortfaren, das die verfuͤrung vberhand nemen, die warheit Goͤttlichs Worts vnd der Augspurgischen Confession bey vielen sich verlieren wuͤrde.

Demnach, do ich neulich, neben andern diser fragen halben, eben auch mein
Disputation Lateinisch an tag gebenVermutlich: QVAESTIO. || DE LIBERO ARBI= || TRIO, QVATENVS ILLA QVIBVSDAM || nunc disceptatur in Ecclesijs Augustanae || Confessionis. || CVM ADSERTIONE. || EX PERPETVA PROPHETICAE ET APO= || stolicae scripturae sententia || [Regensburg: Heinrich Geißler, 1559] (VD 16 G 272). vnd bey mir erwogen, wie gewaltig, wie gruͤndlich, wie volkoͤmlich, wie ernstlich vnd geistreich diese sache lengs hieuor wider das Heupt dieser newen Pelagianer Der aus Britannien stammende, vor allem in Rom wirkende Mönch Pelagius († nach 418) und seine Anhänger betonten, dass der Mensch wesenhaft gut und darum der menschliche Wille imstande sei, Gottes Gebote aufgrund seines natürlichen Vermögens einzuhalten. Daher lehnten sie die Erbsündenlehre des Augustinus ab. Vgl. Gerald Bonner, Art. Pelagius/Pelagianischer Streit, in: TRE 26 (1996), 176–185. in volgendem Buch (darumb seruum arbitrium genant) von Luthero selb ausgefuͤret sey, daran sie nit viel mehr dann jr Meister Erasmus gewinnen, sich auch jtzo vileicht
noch nit gern offentlich in vnsern Kirchen Luthero widersetzen wuͤrden vnnd also mit der thatHier: mit dieser Veröffentlichung. Vgl. Art. That 4.d.ζ), in: DWb 21, 310. anzeigen, das sie hierin von der Augspurgischen Confession, wie von Luthero abgewichen, durch den wir ja, wie meniglichjedermann. bewust vnter freunden vnd feinden, die Augspurgisch Confession oder lere derselben in vnsern kirchen von Gott haben, so hab ich darauff, zu richtigkeit
der sachen, vns selb auch vnd andere vieler muͤhe zu vberheben, dis Buch Lutheri, wie es durch D. Jonam seligen zu Wittemberg gedeudschtDas der freie || wille nichts sey / Antwort || D. Martini Luther an || Erasmum Roterdam. || Verdeutscht durch || Justum Jo= || nam. || [Wittenberg, Hans Lufft, 1526] (VD 16 L 6674). vnd im sechsten jrem Tomo gedruckt,Der Sechste || teil der Buͤcher des Ehrnwirdi||gen Herrn Doctoris Martini Lutheri / darinnen || begriffen etliche auslegung der heiligen Schrifft im newen Testament / || Auch die Buͤcher vom Ehestand / Kauffshendel vnd Wucher / Ver= || manung vnd Trostschrifften / Historien etlicher Merterer zu dieser || zeit Streitbuͤcher / auch die || Buͤcher von weltlicher Oberkeit || [Wittenberg: Hans Lufft, 1553] (VD 16 L 3319), 462r–568v. jnen hiemit woͤllen zum gegenwurffWiderspruch. Vgl. Art. gegenwurf 2), in: DWb 5, 2304. fuͤrstellen, auch dem gemeinen Christlichen Leser befehlen, sich des streits vnnd der warheit gruͤndlich daraus zu berichten vnd bey der warheit zu bleiben.

Das dann etliche in winckelnan geheimen, verruchten Orten. Vgl. Art. Winkel E.3), in: DWb 30, 357f. mummeln,Gerüchte verbreiten. Vgl. Art. mummeln 2), in: DWb 12, 2663. doch nit offentlich dann bey den jren, noch duͤrffen fuͤrgeben, Lutherus sey selb von diesem seinem buch gefallen, wie gleichs von jhm in jrer sachen, der Sacraments freunde, etliche so duͤrffen fuͤrgeben;Es bleibt unklar, worauf Gallus hier genau anspielt. das lassen wir gleuben, die es sonst gern thun vnnd die Seligkeit in jrer wilkoͤr haben woͤllen, welche auch lieber woͤllen mit
den PraeceptoribusAnspielung auf Melanchthon. jrren dann mit andern recht haben. Es wird hie aber beweisens heissen, sollen sie da-mit erfuͤr komen, vnnd wird nit gelten, wie sie selb wol mercken, das sie es sagen, noch deuten was vnd wie sie woͤllen. Sonst wolten wir bald alle Buͤcher Lutheri auffheben,abschaffen, für nichtig und ungültig erklären. Vgl. Art. aufheben 28), in: Fnhd.Wb. 2, 481f. wie der Treumer gern wolte, auch dis Buch deuten, als hab Lutherus mit dem
Erasmo geschertzt, vnd wolten hernach ein feine, newe, philosophische Theologia anrichten.

Ob es aber muͤglich, als nit ist, sie koͤntens beweisen, Lutherus were von diesem Buch gefallen, so haben wir, Gott lob, die Christliche lere nit also gelernt, wie jrer viel, das wir sie auff einiges menschen wort oder ansehen,
vnd so auch nit auff Lutherum gruͤnden oder vmb seinen willen annemen, von anfang der sachen bisher, wie ers auch nie hat woͤllen haben, vnd so dann ferner muͤglich, das Lutherus jtzo von todten auffstuͤnde, diese seine lere vnd andere frey offentlich widerruffte, daneben nit die gewaltigen gruͤnde Goͤttlichs worts, so er darzu warhafftig gezeigt, vns warhafftig
wider aus demselben wort neme, so solte er von vns vnd allen Christen hoͤren das Paulus sagt: So auch wir oder ein Engel von Himel euch anders wuͤrde predigen, dann wir euch gepredigt haben, der sey verflucht.Vgl. Gal 1,8. Doch hat Lutherus sich hierauff zwar selbs verwaret, do er in bekantnis seines glaubens Anno 1529 sich auff vorige seine buͤcher zuruͤck zeucht,
sonderlich, die vier oder fuͤnff Jar zuuor geschrieben, damit zugleich auff dis Buch weiset, des Heupthandels vom freien willen auff eben diese meinung auch gedenckt, do beschleustendet. er, so ich wuͤrde etwas anders sagen, so sol es nichts sein, vnnd wil hiemit offentlich bekent haben, das es vnrecht vnnd vom Teuffel eingegeben sey.Vgl. Martin Luther, WA 26, 509,25–27 (Vom Abendmahl. Bekenntnis 1528). Das sind seine wort.

Aber zum vberflus, do es von noͤten, wollen wir noch ferner vnd in Specie beweisen, aus oͤffentlichen schrifften, vor vnd nach diesem buch, auch vor vnd nach der Augspurgischen Confession, bis auff das letzt von Luthero ausgangen, das er je vnd allweg einerley diser meinung wider den Freien willen geblieben, vnd nit, wie etliche, in diesem vnnd anderm, mit
lehre vnd mit rathschlegen von einem auffs ander offt widerwertiges, wanckelmuͤtig vnd vnbestendig gefallen.

Dergleichen koͤnnen vnd woͤllen wir beweisen, das andere, fuͤrneme vnserer kirchen lerer gleicher meinung allzeit gewesen, dieselbe zu bezeugen, dieses buchs lengs hernach, wie Lutherus selb, zum teil
austrucklich gedacht haben, zum teil neben Luthero mit den heimlichen feinden dieser lere vnd buchs, noch heimlich in der still nit einig gewesen. So werden fuͤrwar auch die vbrigen reinen lerer vnd andere Christen nu in offentlicher handlung nit zugeben, das Erasmi vnd der waren Augspurgischen Confession einerley meinung sey, nemlich dise, das der
mensch sich durch den freien willen allzeit zu Gott bekeren oder selb dazu mitwircken koͤnne, es woͤllen dann viel jre vorige meinung vnd lere widerruffen vnd wissentlich von der waren Augspurgischen Confession abfallen, wie die Theologi zu Loͤuen vns allen gern, von wegen etlicher, hierin wolten zumessenzur Last legen. Vgl. zumessen 5.c) und d), in: DWb 32, 539. Die Schrift der Löwener Theologen konnte nicht identifiziert werden. vnnd mit warheit koͤnten, do die erklerung nit
eruolget. Jst demnach dis nit ein handel vnser etlicher allein, sonder aller Augspurgischen Confessions verwanten in gemein, nit wort, nit affection, sondern die Augspurgische Confession vnnd lere an jhr selb betreffend.

Was weiter die Erasmischen, andern leuten dieses buch zu uerleiden vnd jre falsche lere einzureden, weis was vngeschickts oder lesterlichs vnd mit
blindem namen listiglich fuͤrgeben de Stoica necessitate, die wir lehren sollen, die in summa souiel helt, (das ichs auslege, souiel des menschen thun belanget), der mensch habe in nichte gar keinen Freien willen, sonder alles, was er thue, beide, boͤses vnd gutes, das muͤsse er thun, das Gott schlechtschlicht. Vgl. Art. schlecht 8.a), in: DWb 15, 523. also versehen vnd verordnet habe, selb haben woͤlle, schaffe, wircke
vnd darzu treibe. Solchs ist ein calumnia vnnd offentliche vnwarheit, dann sie ja selb wol wissen, vnd wers lieset vnd verstehet, wirds also finden:

Erstlich, das die Heupt frage ist, wie oben gesagt, was der mensch guts durch den freien willen fuͤr Gott aus jm selb vermoͤge zur bekerung vnd seligkeit, nit was er sonst in anderm vermoͤge.

Zum andern, do Lutherus beweiset vnnd schleust im Buch, der Mensch vermoͤge aus jm selb fuͤr Gott nit mehr dann boͤses, nichts guts, noch zur seligkeit, hab deshalben hierin kein freien willen, Gott schaffe jm dann erst ein newen willen durch den H. Geist, vnd jm Erasmus die Stoicam necessitatemGallus verwendet das Schlagwort der stoica necessitas, welches Melanchthon gegen ihn verwendet hatte, und überträgt es auf den Streit zwischen Erasmus und Luther über den freien Willen. Doch bei Erasmus lässt sich der Begriff so nicht auffinden. Stattdessen verweist Erasmus in seiner Schrift gegen Luther auf Johann Wiclif als den Urheber einer falschen Lehre, die Luther übernommen habe: Fingamus igitur in aliquo sensu verum esse, quod docuit Vuyclevus, Lutherus asseruit, quicquid fit a nobis, non libero arbitrio, sed mera necessitate fieri, quid inutilius, quam hoc paradoxon evulgari mundo? Erasmus von Rotterdam, De libero arbitrio (1524), I a 10, in: EAS 4, 18; At tale instrumentum sumus omnes, si verum est dogma Vuyclevi, omnia et ante gratiam et post gratiam, bona pariter ac mala, quin et media, mera necessitate geri, quam sententiam approbat Lutherus. Erasmus von Rotterdam, De libero arbitrio (1524), II b 8, in: EAS 4, 88. auch fuͤr wirfft,vorwirft. lehnet Lutherus den fuͤr wurff selb abe, mus dabey
viel zu der ablenung vnd volliger erklerung des gantzen handels de necessitate reden vnd de praedestinatione. Deutet in dem selb die harten spruͤche H. Schrifft vnd Augustini (so sich etwas Stoice lassen ansehen) nit Stoice, doch Prophetice vnd Apostolice, das sie den Peripatheticis PhilosophisPolemik gegen Melanchthon, der zu sehr auf die Vernunft und die Philosophie vertraue. Peripatos war der Name der Schule, welche die Schüler des Aristoteles in Griechenland gründeten. Vgl. Bernhard Zimmermann, Art. Peripatos, in: NP 9 (2003), 584f. vnd Pelagianis Theologis noch nit gar gefallen.

Zum dritten, stehet da eben in denselben spruͤchen vnd deutungen, das Gott zwar alles versehengefügt, angeordnet, ausersehen. Vgl. Art. versehen 3), in: DWb 25, 1238f. habe mit boͤsen vnd fromen, welche versehung jm dann nit feilenfehlgehen, misslingen. Vgl. Art. fehlen 2.a), in: DWb 3, 1425f. koͤnne, das er in boͤsen selb also mitwircke, wie er das leben wircket, welchs ja sein geschoͤpff ist, doch das boͤse an jm selb weder geschaffen noch geordnet hab, wircke oder haben woͤlle. Jn fromen die
bekerung doch nur allein wircke, ehe dann sie hernach guts mitwircken koͤnnen, vnd also dieser gestalt vnd meinung, dannoch alles necessario geschicht oder geschehen mus beide, boͤses vnd gutes, das wir menschen vnser natur zum guten fuͤr Gott selb nit endern koͤnnen, was versehen ist, das dasselbig also gewis geschicht. Weil dem also, vnd nu darauff etliche
dermassen fallen,verfallen, abheben. das sie darumb beide, seligkeit vnd anderer jhrer sachen halben, wort, Sacrament, gebet vnd was dann weiter eins jeden beruff mitbringt, gleich aus den augen stellenunberücksichtigt lassen. Vgl. Art. stellen I.C.3), in: DWb 18, 2217. vnd nichts thun woͤllen, darauff sicher leben oder verzweiffeln, als weren sie in Gottes heimlichen Rath gesessen vnnd were kein wort Gottes oder befehl da, so wehret
Lutherus hie abermals, strafft den jrthum hefftig, treibet dargegen mit ernst auff das wort vnd alles was dasselbig weiter mitbringt.

Steht also der liebe Lutherus da vnd wehret zu beiden seiten: Das der befehl, sich ans wort zu halten, also getrieben werde, das daraus kein freier wille in Gottes sachen volge, gnad, h. Geist, versehung nit auffgehebt oder verklei
nert, auch nicht in vnser macht gestelt werden; vnd das hinwider dieselben nit also werden getrieben, das daraus die Stoica necessitas volge, der befehl, sich zum wort vnd in guter disciplin zu halten, auffgehebt, deren ernsten fleis darumb vnterlassen werde, darneben gleichwol erkant werde, souiel das gute fuͤr Gott vnd die bekerung belangt, was des halb mit warem hertzen ge
schicht, das solchs nit vnser verdienst oder freies willens werck sey, sondern der gnad vnd des H. Geists werck sey nach der versehung, gleich wie das wort vnd der H. Geist selb Gottes gnad vnd gabe ist nach der versehung oder seiner Goͤttlichen erwelung, vnd das demnach dann weiter nit der seligkeit allein, sonder auch ander zufaͤlle halben der trost aus der versehung gefast
werde, dauon Christus sagt: Meine Schafe hoͤren meine stimme, vnd niemand wird sie aus meiner hand reissen. Der Vater, der sie mir gegeben hat, ist groͤsser dann alles.Vgl. Joh 10,27–29. Jtem: Es wird kein Haar von ewerm Heupt fallen noch vmbkomen, on den willen ewers Vaters im himel.Vgl. Mt 10,30; Lk 12,7; 21,18.

Zum vierdten, do hie noch vberbleibt, da die fuͤrwitzige vernunfft nach
fraget, warumb dann Gott nit einen versehen habe wie den andern, einem nit gebe vnd helffe wie dem andern, vnd was der suͤndlin mehr sind, verantwortet Lutherus schlecht mit S. Paulo: O altitudo. O der tieffe des reichtums Goͤttlicher weisheit vnd erkentnis. Wie gar vnbegreiflich sind seine gerichte vnnd vnerforschlich seine wege.Vgl. Röm 11,33. Wird damit den geheim
lickeiten Gottes nach zuforschen zugleich auffs hefftigst verboten.

Vnd das dem also sey, wie ich jtzo aus Luthero ertzelt habe, gegen dem fuͤrwurff Stoicae necessitatis, wolte ich hie seine spruͤche zum teil eingefuͤrtangeführt, zitiert. haben, do es zur Vorrede nit zu lang were, so kan sie zwar der LeserKonjiziert aus: Lerer. selb leichtlich mercken. Doch wil ich zu gewisser anzeigung der
Calumnien,Verleumdungen. Vgl. Art. calumnia, in: Georges I, 938f. fuͤr die, so nit alles lesen koͤnnen, nur zween spruͤche setzen:

Jm quatern T. des andern blats erzelt Lutherus aus den worten Erasmi dreierley meinung vom freien willen: Die erst, der mensch vermoͤge nit, woͤllen oder lust haben zum guten. Er koͤnne aber fleis haben vnd nach dem guten streben, das doch nit sein eigne krafft sey (verstehe vom guten fuͤr Gott vnd
zur seligkeit). Die ander ist herter, der jenigen, die da sagen, der freie wille vermoͤge nichts dann nur suͤndigen (dieselbige ist Augustini). Die dritte ist die aller hertest vnd die ist Wicklefs vnnd Luthers, welche halten vnd sagen, das der freie wille sey ein blos wort vnd nichts, vnnd alles, was geschicht, das muͤsse also geschehen aus Goͤttlicher versehung.Vgl. Dass der freie Wille nichts sei (1559), T 2r; vgl. W2 18, 1769.

Darauff antwortet Lutherus: Hie hat mich Erasmus nit gnug verstanden (dann ich rede jm villeicht nit gnug). Aber es weis Gott, das ich nichts anders gemeint habe vnd nichts anders hab woͤllen sagen, noch anders verstanden habe, durch die wort der letzter zweier meinung, dann das in der ersten gesagt ist.Ebd. Hie mercke, was Lutherus fuͤrein Stoicus sey.

Desgleichen mercke, wie er die versehung treibt, da er im quatern a. des 4. blats also schreibt: Wir sagen hie wie vor, das man den heimlichen Gottes willen der Maiestet nit forschen sol, sondern dauon die fuͤrwitzigen vernunfft abweisen, welche allezeit Christum, den glauben, die liebe, das Creutz stehen lest vnnd wil in Himel vber die wolcken faren, ehe jhr federn
wachsen. Man sol sich hie nit kuͤmern, zu forschen die hohen, grossen, heiligen heimligkeiten der Maiestet, welche doch wonet in einem liecht, da niemand zu komen kan, wie Paulus sagt 1. Tim. 6.Vgl. I Tim 6,16. Wir sollen vns halten an Gott, da er vns zu jhm lest, der mensch worden ist, an Jhesum Christum, den gecreutzigten, wie Paulus sagt, inn welchem alle schaͤtze der weißheit
Gottes verborgen sind.Vgl. Kol 2,3. Dann durch den haben wir reichlich, was wir wissen vnnd was wir nit wissen sollen.Vgl. Dass der freie Wille nichts sei (1559), a 4v; vgl. W2 18, 1801f. Vnnd bald hernach: Wiewol der ewige Goͤttliche wille der Maiestet etliche nach fuͤrsatz faren lest, verwirfft vnd verdamt, so duͤrffen wir doch nit fragen, warumb Gott das thut, sondern es ist der Gott mit furcht vnnd zittern anzubeten, der solche hohe grosse
werck kan thun vnd wil thun.Vgl. Dass der freie Wille nichts sei (1559), a 5r; W2 18, 1802.

Hieraus ist nu wol zu uernemen, mit was grund sie Luthero vnd vns jtzo die Stoicam necessitatem vnnd also anders mehr in andern sachen, ander enden fuͤrwerffen, da sie vns vnsere jrthume zeigen, mit warheit beweisen vnd aus Gottes wort verlegen solten, das sie dafuͤr mit eitelbloßen, nicht als. Vgl. Art. eitel 1), in: DWb 2, 387f. Calumnien, auch
offentlichen luͤgen, damit sie vns heimlich in Fuͤrsten vnd in andere felschlich tragenfalsche Gerüchte, Verleumdungen verbreiten. (wie zu seiner zeit sol offenbar werden) vnd mit lesterungen vmbgehen.

Dargegen, do wir jnen in gegenwertiger sachen jhren jrthumb gezeigt, dawider wir streiten, das sie darinn jhre meinung nit leugnen werden oder koͤn
nen, vnnd haben dieselbig an andern orten aus Gottes wort zum teil widerlegt, zum teil die Calumnien vnd luͤgen abgelenet, so stellen wir jhnen denen, grossen Goliathen,Sinnbildliche Verwendung der biblischen Figur für: große Gegner, Widersacher. Vgl. I Sam 17. (was mir zu schwach vnnd jhnen zu gering), nu Lutherum selb dar, in diesem seinem buch, achten dannoch,jedoch. Vgl. Art. dannoch, in: DWb 2, 748f. sie werden jn nit so schlechteinfach. vnd leicht hinwerffen moͤ-gen, werden an jm,
seinem Geist vnd gruͤnden zu kewenkauen. finden, wie er jnen gleichwol, als anfenglich gehoͤrt, darauff ein trotz beut.Vgl. oben X 1v, unsere Ausgabe S. 275,9–11.

Damit sie aber noch jrer weisen, heiligen, seligen meinung, das der mensch sich durch den Freien willen nur wol selb koͤnne zur gnad schicken, wenden oder bekeren ein erinnerung wider von mir empfahen. So werden erstlich
dadurch gefelscht (das ich jtzo nit mehr sage) die fuͤrnemsten artickel vnser Christlichen lere: Von der erbsuͤnde. Von der gnad in Christo. Vom ampt vnd wirckung des H. Geists zu warer Buß vnd bekerung, wie das einem Christen leicht zu uernemen, bleibt der artickel der rechtfertigung vnd der versehungKonjiziert aus: verstehung. auch nit mehr rein. Dann die gantz seligkeit auff das kleine
fuͤncklin des freien willens, das sie fuͤrgeben, also gebawet wird, das sich Gott nach demselben auch aller ding allein richte, nach demselben (ob gleich in Christo) die versehung gethan, wort, H. Geist, glauben vnd seligkeit gebe vnd ein jeder durch den freien willen der seligkeit nu in Christo so gewis sey, das er sie allzeit haben kan, wann er wil, niemand verdampt werde, dann
wer nur selb wil, wie solchs alles notwendig aus jrer lere folget. Felt zu gleich damit hin jre eigne deutung vnd eigentliche meinung des Apostels Pauli Rom. 9,10 vnd 11,Vgl. oben Anm. 8–10. das die ware kirch auff erden allein die sey, welche Gott wil vnd nit die es selb sein woͤllen, welche er darzu erwelet, berufft, selb gibt die Buß aus den stricken des Sathans, 2. Tim. 2.Vgl. II Tim 2,26. Solte die
vernunfft daruͤber toll vnd toͤricht werden, wie sie dann thut.

Zum andern wird den waren Christen dadurch jr trost geschwecht, des sie beduͤrffen vnd dafuͤr sie Gott dancken, inn der grossen jrer schwacheit, gegen des Teuffels list vnd gewalt vnd der Gottlosen welt, das die seligkeit auch inn Christo erworben, nit in jhren, sondern in Gottes henden stehet, des
andern trosts allhie geschwiegen, in allem anderm, da sie bey allem jrem fleis vnd gebet dannoch sprechen vnd sprechen muͤssen: Es gehet wie Gott wil, vnd wird gehen, wie Gott wil, nit wie wir woͤllen, nit wie der Teuffel, nit wie menschen woͤllen.Vgl. die dritte Bitte des Vaterunsers: Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel. Mt 6,10; Lk 11,2; vgl. zudem Christi Gebet in Gethsemane Lk 22,42.

Zum dritten, damit sie vermeinen, die Buß, christliche zucht vnd erbarkeit zu
fordern, das sie dem Freien willen ein krafft geben, sich zu Gott zu bekeren, richten sie gleich das widerspiel aus. Gleich wie sie fallen in ein groben Pelagianismum, da sie woͤllen ein kleinen Stoicismum meiden (das ichs gleich mit jhrem wort nenne). Vnnd also sols der klugen vernunfft gehen, wann sie Gott vnd sein wort meistern wil.

Dann so der Freie wille dzdas. vermag, nach dem er dz wort der gnaden gehoͤrt vnd verstanden hat, dz er sich darzu mag keren wann er wil, wer wil dann mehr vnd, wzwas. darffbedarf, hat es nötig. Vgl. Art. dürfen 1.c), in: DWb 2, 1724. ers noͤtig,dringend. Vgl. Art. nötig 4), in: DWb 13, 941. dz wort Gottes viel hoͤren? Was darff er vil betens, bald Busse thun, heimliche vnd offentliche suͤnde Gottes furcht halben meiden, vil gutes thun, verfolgung drob leiden vnd jm dis
leben lassen sawrmühselig, beschwerlich. Vgl. Art. sauer II.3.b.β), in: DWb 14, 1865. werden? Die bekerung nit sparenunterlassen, aufschieben. Vgl. Art. sparen 6), in: DWb 16, 1930f. bis ans ende, nit vermessen,überheben. Vgl. Art. vermessen 4), in: DWb 25, 865. sich alle stunden zu bekeren, der welt daneben wol gelittenKonjiziert aus: genitten. etc.? Welchs alles aus der lere jres freien willens also volget vnd viel gewaltiger in der that selb gehet, wie jederman klagt, das noch kein mensch gnug aussrechen kan, was dies newe Pelagianerei alles auff jr hat. Vnd da sie
am besten ist, macht sie doch nur lauter Hypocriten,Heuchler. Vgl. Art. hypocrita, in: Georges I, 3105. die auff die krafft jres Freien willens wider Gott auffgeblasen sind. Die andern sind gute Epicurer,Unter Rekurs auf den griechischen Philosophen Epikur (341–270 v. Chr.) wurde diese Bezeichnung für solche Menschen gebildet, die auf persönliches Wohlleben aus sind, statt auf Erkenntnis der Wahrheit, ohne Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Vgl. Michael Erler, Art. Epikuros, in: NP 3 (1997), 1130–1140; Tiziano Dorandi, Art. Epikureische Schule, in: NP 3 (1997), 1126–1130. wo nit offentlich, jedoch heimlich, wie alles an den vorgehern selb nit wenig zu spuͤren, das sie sich mit den Sadduceern, wie im anfang gedacht,Vgl. oben X 2r, unsere Ausgabe S. 275, mit Anm. 14. nit vbel vergleichen.

Dis setze ich hie zur Summarischen erinnerung, kan alles weiter erklert vnd ausgefuͤrt werden. Vnd was sie vber jren Meister Erasmum newes furbringen moͤgen, das hie von Luthero vnd vns zuuor nit solte verantwortet sein, darzu woͤllen wir vns mit Gottes gnaden erboten haben, doch nit mit lesterungen, sondern nur mit guten gruͤnden, zu handeln.

Bitte hier auff beschlieslich alle frome Christen, sie wollen dise sache aus vermerckten vrsachen nit geringe achten vnd welche koͤnnen, woltens hie selb lesen vnd erkennen: Erst, der Heuptsachen gewar nemen, das der freie wille nichts zum guten fuͤr Gott vnd zur seligkeit vermoͤge. Darnach, den andern anhang belangende de neccessitate vnd praedestinatione, das
alles, was geschicht, geschehen muͤsse, vnd der versehung halben, ob jemand etwas verkeren wolte oder warhafftig alhie gelesen wuͤrde, dz sie hart deuchte oder nit gnug verstehen koͤnten, da wolten sie sich anfangs nit bald abschrecken lassen, sondern weiter lesen vnd nachforschen. Daneben gedencken, wie Gott vil hoͤher redt vnd wirckt, dann kein mensch verstehen
kan, die Propheten vnd Aposteln auch etliche offenbarung haben, so keiner hernach, souiel wir wissen vnd die fuͤrnemen lerer zum teil selb bekennen, noch je erreicht habe. Das also disem auserwelten Gottes werckzeuge, Luthero, zu der letzten diser offenbarung seines worts, von Gott moͤge gegeben sein vnd eben auch in diser hohen sachen, das ich vnd ein ander, gleich
mehrer dann ich, noch nit bald ergreiffen werden, vnd moͤgen noch wol des guten Lutheri, oder Gottes Geistes in jm, ein zeitlang Schuͤler bleiben. Koͤnnen sie aber jhre hoͤhere kunst vnd freien willen ein mahl auch mit der that beweisen, wird von noͤten thun. Doch wird Gott sein ehre fuͤr jhnen etwa erretten.

Zu letzt wil ich hiemit die Christen dannoch auch erinnert haben der geschichte der kirchen, wie Gott im alten vnd newen Testament die Propheten, Aposteln vnd andere fuͤrtrefliche Menner beide, in Geistlichem vnd weltlichem Regiment, seiner kirchen zu helffen erwecket hat, vnd dz nach abgang derselben, die gaben bald nit abgenomen, dz weichen darauff angefangen
habe, wie Christus selb auch von diser seiner offenbarung oder Geistlichen zukunfft vor der letzten seiner leiblichen zukunfft geweissagt hat: Sie werde sein gleich, wie ein blitz, so nit lang bleibt. Vnd am andern ort sagt er zu seinen Aposteln: So lang jr bleibt in meiner rede, so werdet jr meine Juͤnger sein, vnd nit weiter.Vgl. Joh 8,31. Jtem Paulus: Aus euch selb werden
auffstehen Menner, die verkerte lere reden, die Juͤnger an sich zu ziehen.Vgl. Act 20,30. Vnd die das ansehen hatten, welcherley sie weiland gewesen, ligt mir nit dran, dann Gott achtet das ansehen der Menschen nit etc.Vgl. Gal 2,6. Wer beharret bis ans ende, der wird selig.Vgl. Mt 10,22; 24,13.

Dieser befehle, weissagungen vnnd geschichte wil ich die Christen dannoch,
wie gesagt, erinnert haben, vnnd das sie demnach nit auff viel guter zeit in der Kirchen mehr warten. Schicken sich drauff zur bestendigkeit vnd zum Creutz (wird zwar der Welt auch nicht geschenckt werden) vnd troͤsten sich daneben eben des Stuͤcks der Lere dieses Buchs. Gott kennet die seinen,Vgl. II Tim 2,19. wird wissen, seine 7000 zu behalten, wie zur zeit Elia, die den greweln nit
werden jre Knie beugen,Vgl. I Reg 19,18; Röm 11,4. ob wir sie gleich nit werden sehen, bis der Herr entlich selbs koͤmpt, darumb wir bitten.