Amsdorf, Dass D. Pfeffinger seine Missetat leugnet (1559) – Einleitung Nr. 6: Amsdorf, Dass D. Pfeffinger seine Missetat leugnet (1559) – Einleitung
1. Historische Einleitung
Im Frühjahr 1558 arbeitete an seinem Öffentlichen Bekenntnis, in dem er alle Lehren, die er als falsch ansah, namentlich verwerfen wollte, um so sein theologisches Vermächtnis zu hinterlassen.Vgl. .
Während diese Schrift verfasste, veröffentlichte im März 1558 seine Disputation De libertate humanae voluntatis quaestiones quinque in einem Sammelband aller seiner in gehaltenen Disputationen erneut.. Das Vorwort des Sammelbandes datiert auf den 1. März 1558, . Dies wurde zum Anlass eines Streitschriftenwechsels zwischen den beiden. Denn reagierte darauf, indem er Ansicht von der Möglichkeit zur Mitwirkung des menschlichen Willens an der Rechtfertigung umgehend verurteilte.Vgl. . verteidigte sich daraufhin mit seiner Antwort,Vgl. . was wiederum zum Anlass nahm, in der hier edierten Schrift abermals zu attackieren.
2. Autor
war zweifellos einer der Theologen, die sich am häufigsten und vehementesten in den innerprotestantischen Streitigkeiten nach dem Augsburger Interim 1548 engagierten. Seit dem Ausbruch der Streitigkeiten wurde zu einem der Hauptgegner ,Vgl. z.B. ; Fuͤnff fuͤrnemliche vnd || gewisse Zeichen aus || heiliger goͤttlicher Schrifft / so kurtz || vor dem Juͤngsten tag gesche= || hen sollen. || Niclas von Amsdorff. || || [Jena: Christian Rödinger d.Ä., 1554] (VD 16 A 2361). da dieser maßgeblich an den Beratungen in Kursachsen zum Umgang mit dem Augsburger Interim und bei der Erstellung der Leipziger Landtagsvorlage (Leipziger Interim) mitgewirkt hatte.Vgl. die Einleitung zu Nr. 1, unsere Ausgabe S. 21–26. Amsdorf ging es dabei um die Verteidigung des theologischen Erbes Martin Luthers, mit dem er einerseits persönlich eng verbunden war und dessen Lehren er andererseits vollständig für sich übernahm.Vgl. zu ihm und seiner Verbindung zu Luther: Kolb, Amsdorf. Stellte für Amsdorf die Widerlegung und Verwerfung falscher Lehren an sich einen Eckpfeiler in seinem theologischen Selbstverständnis als Prediger dar,Vgl. Kolb, Bekenntnisform, bes. 312f. so wurde dies für ihn in den nachinterimisti1schen Kontroversen endgültig zu einem zentralen Anliegen. Wohl deshalb vermutete Philipp Melanchthon im November 1557, dass wahrscheinlich Amsdorf hinter der Forderung der ernestinischen Theologen während des Wormser Religionsgesprächs nach namentlicher Verdammung der Irrlehren stünde.Vgl. Philipp Melanchthon an Albert Hardenberg. 14. November 1557, in: CR 9, Nr. 6398, Sp.365 = MBW 8426. Jedenfalls erarbeitete Amsdorf wenig später, im Frühjahr 1558, sein Öffentliches Bekenntnis womit die öffentlich ausgetragene Kontroverse um den freien Willen maßgeblich in Gang gebracht wurde.
3. Inhalt
Amsdorf sieht sich durch die Angriffe Pfeffingers in dessen AntwortVgl. unsere Ausgabe Nr. 5, S. 153–173. zur Verteidigung gezwungen. Drei Vorwürfe, die er gegen den Leipziger Theologen erhebt, gliedern seine Schrift: 1. Pfeffinger leugne nach wie vor seine Irrtümer während der Zeit des Adiaphoristischen Streits. 2. Die inhaltliche Auseinandersetzung um die adiaphoristische Frage, und 3. die Lehre Pfeffingers vom freien Willen.
Im ersten Abschnitt geht Amsdorf auf Pfeffingers Mitarbeit und Verteidigung der Leipziger Landtagsvorlage (Leipziger Interim) ein. Mit dieser Landtagsvorlage sei der Versuch unternommen worden, so Amsdorf, sich mit den Papisten zu vergleichen, und damit habe man die Lehre Martin Luthers, wie sie in den Schmalkaldischen Artikeln dargelegt ist, aufgegeben. Dies würden Pfeffinger und die Wittenberger Theologen jedoch leugnen. Doch habe man in Kursachsen den Predigern geboten, den Chorrock wieder zu verwenden und abgeschaffte Zeremonien wieder einzuführen. Es seien Prediger vertrieben worden, die diese Maßnahmen abgelehnt hätten. Wie könne Pfeffinger da behaupten, dass man keine Änderungen habe vornehmen wollen und daher keine Beweise für einen Abfall der kursächsischen Theologen von der wahren Lehre 1548/49 vorlägen? Pfeffingers eigene Bücher aus dem Jahr 1550 und andere Veröffentlichungen der kursächsischen Theologen in dieser Zeit – Amsdorf geht speziell auf Veröffentlichungen von Bernhard Ziegler, Johannes Bugenhagen und Georg Major ein – würden den Abfall von der Lehre Luthers klar beweisen.
Den zweiten Abschnitt der Schrift beginnt Amsdorf mit dem Vorwurf, Pfeffinger würde seine eigene Lehre als evangelisch darstellen und seine, Amsdorfs, Lehre als teuflisch verunglimpfen. Amsdorf verkehrt die Anschuldigung daraufhin ins Gegenteil, indem er seine Lehre als rechtmäßig darstellt und die Pfeffingers als reine menschliche Erfindung charakterisiert, für die er ironisch Schriftbelege verlangt. Überdies habe Pfeffinger die einzig standhafte evangelische Kirche in Magdeburg verlästert. Da man nicht zwei Herren dienen könne, so sei man entweder Teil der wahren Kirche oder Teil der Kirche Caeremoniarum vnd traditionum, so wie Pfeffinger, und damit aus Christus Reich vnd Kirchen gefallen.Vgl. unten B 2r, S. 188,33f.
Amsdorf eröffnet den dritten Abschnitt gleich mit seinem Hauptvorwurf: Pfeffinger behaupte, dass man ihm angeblich aus böser Absicht vorwerfe, in seiner Disputation über den freien Willen die These vertreten zu haben, dass der Mensch aus den natürlichen Kräften seines Willens Gottes Gnade annehmen und sich so vorbereiten könne, dass ihm der Heilige Geist gegeben werde.
Amsdorf widerlegt nun zunächst die Anschuldigung Pfeffingers, dass man die kursächsischen Theologen für Meinungen und Positionen schelte, die man ihnen zuvor böswillig unterstelle. Dazu verweist Amsdorf erneut auf den Umgang mit dem Augsburger Interim in Kursachsen, wie er dies im ersten Abschnitt der Schrift bereits getan hatte.
In einem zweiten Schritt geht Amsdorf dann insbesondere auf die zwölfte These von Pfeffingers Disputation ein. Dort habe er die menschliche Zustimmung zum Wirken des Heiligen Geistes gefordert und die These vertreten, dass der Heilige Geist nur von denen angenommen werden könne, die ihn erbitten. Dies habe Pfeffinger in seiner Antwort nicht widerlegt. Vielmehr habe er sich nur mit Oberflächlichkeiten aufgehalten, nämlich der Frage, ob Amsdorf seine, Pfeffingers, These im Öffentlichen BekenntnisVgl. unsere Ausgabe Nr. 2, S. 55–74. wortwörtlich korrekt zitiert habe. Amsdorf hält Pfeffinger die seiner Ansicht nach paulinische Lehre entgegen, dass der menschliche Wille dem Heiligen Geist ohne die Hilfe Christi nicht zustimmen könne. Der Heilige Geist werde aus reiner göttlicher Gnade umsonst gegeben, wenn und wem Gott will. Pfeffinger hingegen vertrete die Ansicht, der Mensch habe die Möglichkeit, unter Einsatz seines Willens den Heiligen Geist annehmen zu können. Da der Mensch kein Stein oder Block sei, müsse er nach Pfeffinger bei seiner Bekehrung mitwirken. Amsdorf weist demgegenüber auf die Rede in Röm 9 hin, in der es heißt, dass der menschliche Wille wie Ton sei, an dem Gott arbeitet. Gott rechtfertige den Gottlosen, dessen Wille ein Gefangener des Satans sei. Pfeffinger behaupte zwar, dass der Heilige Geist den Boden dafür bereiten müsse, um Herz und Sinn zu guten Werken zu bewegen. Doch wie solle dies geschehen, wenn der Heilige Geist erst gegeben werde, nachdem der Mensch zugestimmt habe. Pfeffinger widerspreche der Aussage des Apostels Paulus, dass Gott nach seinem Ratschluss Menschen ohne ihr Zutun erwähle oder verwerfe. Der Mensch könne und solle aber nicht wissen, wen Gott erwähle und wen nicht. Darum sei es wichtig, dass die Menschen in der Kirche das Evangelium hören. Denn wer dem Wort glaube, sei auserwählt. In der Welt habe der Mensch einen freien Willen und könne da handeln, wie er es für gut erachte. Aber in geistlichen Fragen könne er dies nicht ohne Hilfe des Heiligen Geistes.
Zum Schluss bittet Amsdorf Gott um Hilfe für die wahre Kirche in deren Kampf zur Verteidigung der rechten Lehre.