Wohl im März 1558 veröffentlichte in einem Sammelband die von ihm gehaltenen Disputationen an der Universität Wittenberg.Das Vorwort datiert auf den 1. März 1558. Vgl. . Unverändert publizierte er darin abermals seine 1555 abgehaltene Disputation De libertate humanae voluntatis quaestiones quinque.Vgl. . Diese Publikation erschien in dem Moment, als die Theologen im nach den gescheiterten Einigungsgesprächen zwischen und Vgl. dazu ; . einerseits und dem Eklat auf dem Wormser ReligionsgesprächVgl. ; Scheible, Melanchthon, 226–235; Bundschuh, Wormser Religionsgespräch, bes. 453–461; Slenczka, Das Wormser Schisma von 1557, bes. 406–473. andererseits gerade damit beschäftigt waren, einen Text zu erstellen, in dem sie die aus ihrer Sicht vorhandenen Irrlehren sowie deren Vertreter benannten und verurteilten, um auf diese Weise die Reinheit der reformatorischen Lehre zu gewährleisten und das Erbe Martin Luthers zu sichern. Dieser Text kann als Vorstufe des späteren Konfutationsbuchs angesehen werden.Vgl. unsere Ausgabe Nr. 9.
Nikolaus von Amsdorf gehörte im ernestinischen Sachsen neben Flacius zu den dezidiereten Vertretern der Ansicht, dass eine namentliche Verdammung der Irrlehren als unverzichtbarer Bestandteil einer neuen Bekenntnisgrundlage unbedingt erforderlich sei.Vgl. Kolb, Bekenntnisform, 314; Gehrt, Konfessionspolitik, 122. Auch wenn Amsdorf selbst nicht direkt an den ersten, dem späteren Konfutationsbuch zugrunde liegenden Arbeiten beteiligt war, so arbeitete er im Frühjahr 1558 wohl schon seit längerer Zeit an seinem Öffentlichen Bekenntnis,Vgl. unsere Ausgabe Nr. 2, S. 55–74. das er selbst als sein Testament verstand und in dem er alle seiner Meinung nach verdammungswürdigen Lehren und deren Vertreter zusammenstellte und verurteilte.Vgl. Kolb, Bekenntnisform, 317. Ein Manuskript einer Vorform der hier edierten Schrift ist abgedruckt bei Lerche, Amsdorf, 106–127.
Noch während Amsdorf an dieser Schrift arbeitete, erschien offensichtlich Pfeffingers Sammelband. Die darin erneut publizierte Disputation über den freien Willen veranlasste Amsdorf, Pfeffingers Ansicht über die Fähigkeit des menschlichen Willens an der Rechtfertigung mitzuwirken, in seine Liste der Irrlehren aufzunehmen und unter Hinweis auf Pfeffinger zu verurteilen. Dieser Angriff Amsdorfs provozierte Pfeffinger wiederum zu der hier edierten Antwort.1
2. Autor
Johann Pfeffinger Zu ihm vgl. die Einleitung zu Nr. 1 in unserer Ausgabe, S. 22f. wurde in den Jahren 1548/49 zu den Beratungen über den Umgang mit dem Augsburger Interim hinzugezogen. Er war darum einer der Hauptbeteiligten an den Verhandlungen im Herbst 1548, die zur Erstellung der Leipziger Landtagsvorlage führten. Dies ließ ihn zu demjenigen aufseiten der Wittenberger Theologen werden, der die Lehre von den Adiaphora am vehementesten öffentlich verteidigte.Vgl. z.B. seinen Gründlichen und wahrhaftigen Bericht aus dem Jahr 1550, in: unsere Edition Bd. 2, Nr. 6, S. 655–730. Damit wurde er selbstverständlich zu einer der wichtigsten Figuren unter den kursächsischen Theologen in den nachinterimistischen Kontroversen und zu einem Hauptgegner Amsdorfs.Vgl. z.B. Nikolaus von Amsdorf, Kurzer Unterricht auf D. Maiorens Antwort (1552), A2r–A 3r, A 4r, in: unsere Edition Bd. 3, Nr. 2, S. 56, 58f; Fuͤnff fuͤrnemliche vnd || gewisse Zeichen aus || heiliger goͤttlicher Schrifft / so kurtz || vor dem Juͤngsten tag gesche= || hen sollen. || Niclas von Amsdorff. || || [Jena: Christian Rödinger d.Ä., 1554] (VD 16 A 2361).
In seiner bereits 1555 veröffentlichten Disputation De libertate humanae voluntatis quaestiones quinque rekapitulierte Pfeffinger im Wesentlichen die Willenslehre, wie sie Philipp Melanchthon seit der secunda aetas der Loci aus dem Jahr 1535 vertrat. Pfeffinger sprach demnach von drei zusammenwirkenden Ursachen (tres causae concurrentes) bei der Bekehrung des Menschen: dem Heiligen Geist, dem Wort Gottes und dem Willen des Menschen.Vgl. dazu die Einleitung zu Nr. 1, S. 21. Die Ansicht einer Einbindung des menschlichen Willens in das Rechtfertigungsgeschehen war zudem im Augsburger Interim und daran anschließend auch in der Leipziger Landtagsvorlage (Leipziger Interim) vertreten worden.Vgl. Augsburger Interim VI (Von der weise durch welche der mentsch die rechtfertigung bekombt), 48; Pegauer Rechtfertigungsformel, die Eingang in die Leipziger Landtagsvorlage fand, vgl. PKMS 4, Nr. 74, S. 116.
Ab dem Jahr 1555 war Pfeffinger Professor primarius an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig. Dadurch erhielten seine Meinungsäußerungen ab diesem Zeitpunkt ein noch größeres Gewicht. Und unter diesen Bedingungen war es für ihn umso erforderlicher, sich selbst gegen Angriffe zu verteidigen und die eigene Rechtgläubigkeit zu beweisen, da ansonsten der Ruf der Theologischen Fakultät Leipzig mit auf dem Spiel stand.
3. Inhalt
Zu Beginn seiner Ausführungen erklärt Pfeffinger, dass Amsdorf, Flacius und Gallus wiederholt den kurächsischen Theologen und Universitäten vorgeworfen hätten, Irrlehren zu vertreten und Spaltungen in der Kirche anzurichten. Da sie dabei die Lehre der Kursachsen verdrehen würden, könne er nicht schweigen, sondern sei zu einer Verteidigung gezwungen.
Amsdorf habe in seinem Öffentlichen Bekenntnis viele Theologen und Lehrmeinungen als irrig verworfen, insbesondere habe Amsdorf angeblich aus seiner Disputation über den freien Willen das Zitat beigebracht, dass der Mensch sich mittels seines freien Willens auf den Empfang der göttlichen Gnade und des Heiligen Geistes vorbereiten könne. Dem entgegen betont Pfeffinger, die altkirchlichen Symbole, die Confessio Augustana, ihre Apologie und die Schmalkaldischen Artikeln stets als Grundlage für seine Lehre verwendet zu haben und verwirft alle Lehrmeinungen, die diesen Texten nicht entsprechen. Ganz in diesem Sinne verteidigt er die Ordnung der Kirche im Kurfürstentum Sachsen sowie die Lehre, die an der Universität Leipzig vermittelt werde. Er wirft Amsdorf vor, mit unlauteren Mitteln zu argumentieren, indem er falsche Behauptungen über die Lehre in Kursachsen mit anderen offensichtlichen Irrtümern in seiner Beweisführung vermische und damit unkundigen Lesern vortäusche, solche Irrlehren würden in Kursachsen verbreitet. Zudem würden Amsdorf und seine Mitstreiter jede Verteidigung gegen ihre Vorwürfe als Produkte einer eingebildeten menschlichen Vernunft verunglimpfen, ihre eigenen Ansichten aber als dem Wort Gottes gemäß ausgeben. Sie seien darum mit nichts anderem zufrieden, als dass jeder sich ihren Ansichten anschlösse, indem sie zuvor ihre angebliche Irrlehre vor ihnen bekennen und sich durch sie absolvieren lassen. Pfeffinger attackiert dann Amsdorf, da dieser den Wert von Religionsgesprächen und Kolloquien öffentlich in Zweifel gezogen habe. Sollte sich diese Ansicht im Umgang mit Lehrunterschieden in der Kirche durchsetzen, so könnten sich einige wenige zusammentun und behaupten, sie allein würden die wahre Lehre vertreten und so versuchen, alle anderen Theologen zu dominieren. Dies stünde jedoch in Widerspruch zum Verhalten der Apostel.
Pfeffinger wendet sich anschließend dem Vorwurf Amsdorfs zu, den freien Willen des Menschen im Rechtfertigungsgeschehen überzubetonen. Amsdorf habe zum Beweis für diese Meinung aus dem Gedächtnis, wie er selbst in seinem Öffentlichen Bekenntnis eingestehe, das angebliche Zitat angeführt. Pfeffinger betont im Anschluss daran mehrfach, dass dieses Zitat nicht in seiner Disputation zu finden sei, wie jeder Leser sich überzeugen könne. Daher wirft er Amsdorf Ungenauigkeit vor und vermutet, dass diese dazu diene, die kursächsische Kirche und die dortigen Theologen weiter zu verunglimpfen. Amsdorf und seine Mitstreiter würden wohl gerade deshalb Religionsgespräche ablehnen, da sie dort leichter widerlegt werden könnten.
Im Anschluss daran gibt Pfeffinger die fünf Hauptfragen seiner Disputation über den freien Willen wider und erläutert jeweils kurz seine Ansicht dazu: 1. Der Mensch könne auch nach dem Sündenfall immer noch gut von böse unterscheiden. Darum sei er fähig zu versuchen, sich schlechter Taten zu enthalten und tugendhafte Werke zu tun. 2. Es sei dem Menschen aber unmöglich, das göttliche Gesetz zu erfüllen. 3. Darum könne der Mensch aus sich heraus keine geistlichen Werke vollbringen. Erst der Heilige Geist versetze den Menschen dazu in Stand. 4. Allerdings handele der Heilige Geist mit dem Menschen nicht wie ein Schnitzer mit einem Stück Holz, oder wie ein Steinmetz mit einem Stein. Die Werkstoffe vermöchten nichts zu fühlen, doch der Mensch spüre in seinem Herzen die Veränderung, die der Heilige Geist an ihm bewirke. Der Mensch dürfe sich dieser Veränderung willentlich nicht widersetzen, sondern er müsse dem Heiligen Geist gehorchen. Es sei die Aufgabe jedes Gläubigen, gegen das eigene Fleisch, gegen die Sünde zu kämpfen. 5. Es sei wohl möglich, dass sich der Mensch in äußerlichen Dingen etwas vornehmen könne, doch zur Ausführung bedürfe er stets der Unterstützung des Heiligen Geistes.
Im Anschluss daran greift PfeffingerFlacius an, den er als Rädelsführer all derjenigen ansieht, die gegen die kursächsischen Theologen agitieren.
Abschließend widerlegt PfeffingerAmsdorfs Vorwurf, er habe zwei Bibelstellen (Joh 15,5 und I Kor 3,9) fälschlich in einer synergistischen Weise ausgelegt und betont stattdessen nochmals, dass seine Lehre ganz in der Tradition der drei altkirchlichen Symbole, der Confessio Augustana, ihrer Apologie und der Schmalkaldischen Artikel stünde.