Controversia et Confessio, Bd. 5


Amsdorf, Öffentliches Bekenntnis (1558)

A 2r Offenntliche Bekentnis der reinen Lehre des Euangelij Vnd Confutatio der jtzigen Schwermer.In B folgt: Durch.

.

Djeweil ich sehe vnnd mercke, das die zeit vnd stunde komen vnd fahr vnd sorg verhanden ist, das wir nach der weissagung ,Vgl. z.B.: Das gibt auch die erfarunge, das an keynem ort der wellt das Euangelion lauter und reyn ist blieben uber eyns mans gedencken, sondern so lange die blieben sind, die es auffbracht haben, ists gestanden und hat zugenomen, wenn die selbigen dahyn waren, so war das liecht auch dahyn, folgeten so balde darauff rottengeyster und falsche lerer. Also ists itzt auch. Das Euangelion haben wyr feyn und reyn, Und ist die zeyt der gnaden odder selickeyt und angeneme tage. Aber bald hernach wird es aus seyn, soll die wellt lenger stehen. ; . seliger gedechtnis,
das Euangelium vnter dem schein vnd namen des Euangelij verlieren vnd nichts dauon denn die Hlfen behalten sollen, so ist es von nten, das wir vns mit Gottes wort ruͤsten vnd gefasset machen, dem Sathan vnd seinen schuppenAnhänger, Gefolgsleute. Vgl. , 2014. ritterlich zu widerstehen.Vgl. II Kor 10,4f; Eph 6,11–17; I Tim 1,18; II Tim 4,7. Denn menschliche Weisheit hat durch die kuͤnste der Sprachen vnd der Wolredenheit so vberhandt genomen, das
sie in der Kirchen Christi nicht eine Magd vnd Dienerin, wie jr eigent vnd gebuͤrt, sondern eine Knigin vnd Keiserin, nicht allein vber die Kirchen, sondern auch vber Gottes wort regieren, dasselbige aus der Philosophia nach jrem gutduͤncken meistern, deuten, glosieren vnd auslegen wil, wie denn die sch­A 2vnen gleissendeheuchelnde, sich verstellende. Vgl. , 8304. Kirchen der Adiaphoristen thut vnd gethan hat.
Das sie die kleinen, geringe vnd verachte Kirchen (so bey der reinen lere des Euangelij ist bestendig blieben) lestert, schendet vnd mit list vnd behendigkeit jrer kunst des wolredens verdampt vnd dieselbige vnter zudrucken sich vnterstehet, wie sie denn schon angefangen hat vnd das an den fromen vnd Gottfuͤrchtigen Predicanten, so sie von jrem dienst entsatzt vnd veriagt
hat,Zu Amtsenthebungen im Zuge des Versuchs, die Bestimmungen der Leipziger Landtagsvorlage im durchzusetzen vgl. . nur redlich beweist. Dazu gibt sie vns schuld, das wir fried vnd einigkeit hindern, vnfried vnd zerruttung der Kirchen anrichten, so wir doch nichts newes anfangen noch angefangen haben, dadurch denn vneinigkeit vnd zwitracht entstehet vnd herkomet, sondern wir sitzen still vnd sind bey der reinen lere des Euanglij von anfang bisher, on alle Schwermerey,Von gerne gebrauchter Begriff, um abweichende, in seinen Augen von der wahren Lehre abirrende Positionen unter den Evangelischen zu brandmarken. Vgl. . Muta
tion vnd Enderung, blieben, wie wir sie von Gott, durch das tewer vnd1 ausserwelt Werckzeug Christi,Zu den heroisierenden zeitgenössischen Be­ und Zuschreibungen vgl. . empfangen haben. Dieweil wir nu nichts mutirt noch geendert vnd neben dem Euangelio kein Gebot noch Gesetz menschlicher Traditionen in vnsern Kirchen an­ oder vffgericht haben, so koͤnnen wir je nicht vnfried anrichten vnd friede hindern,
vnd werden derhalben des vnbillich beschuldigt. Darumb thun sie vns gros gewalt vnd vnrecht, das sie sagen, wir haben dissipationes vnd disiunctiones angericht.Es war nicht zuletzt , der den in versammelten Theologen vorwarf, die Kirche mit ihrem Widerstand gegen die Lehre von den Adiaphora zu spalten. Vgl. . A 3r Aber die hochgelerte RotteEin von gebrauchter polemischer Begriff, um Gegner als Radikale und Aufrührer zu brandmarken. Vgl. . zu Gemeint sind wohl die Theologen, die in unterschiedlichen Personalkonstellationen an den verschiedenen Verhandlungen in der zweiten Hälfte des Jahres 1548 teilnahmen, deren Ergebnis die Leipziger Landtagsvorlage darstellte: , , , , , , , , und . Vgl. ; ; vgl. auch die . hat durch jre mutationes spielt damit wohl auf die Leipziger Landtagsvorlage an. Vgl. dazu ; . enderung vnd newerung, vneinigkeit vnd zwitracht angericht, die Kirchen dissipirt vnd disiungirt, perturbirt vnd verwuͤrret. Vnd weil wir
darein nicht willgen koͤnden noch wolten, so faren sie zu vnd geben vns schuld, das wir die Kirchen Christi dissipirt, perturbirt vnd verwuͤrret haben, nennen vns zenckische vnd stoͤrrige koͤpffe, die den vnfrieden lieben vnd frieden hassen.Vgl. z.B. ; . Jst das nicht atrox iniuria, eine bosheit vber alle bosheit, das sie jre grewliche vnd erschreckliche boͤse that der Perturbation vnd
dissipation, verwuͤrrung der Kirchen Christi, von sich auff vns werffen vnd vns schuld geben, was sie gethan haben? Sind das werck vnd thaten des heiligen Geists? Sind es werck des Christlichen glaubens? Thut also die Christliche Liebe? So weis ich nicht, was neid vnd hass, ja der Teufel selbs thut oder ergers thun koͤnd. Nu Gott wirds finden vnd richten. Ah, Gott von
Himel, wir bitten dich von grund vnsers hertzen, erhalte vnd errette deine Warheit vnd die recht leren, stewre vnd were dem Teufel vnd seinen Schuppen, las sie deine Warheit nicht vnterdrucken, sondern gib gnad vnd Geist, denen, die es vnwissent thun, das sie sich erkennen, Busse thun vnd selig werden, allen die es begern. Amen.

A 3v Denn es wird nicht besser, sondern jmmer erger. Es lesset sich alles also an, als wolt das Euangelium bey vns zu grund gehen, vnd das wir an stat des Euangelij eitelnicht als. Vgl. , 387f. krefftige jrthumen vber komenvberkomen: B. werden, drumb, das wir zur weisheit Menschlicher vernunfft vnd nicht zur Warheit lust vnd lieb haben. Denn B.. vnd die Adiaphoristen haben jtzt im Colloquio zu Wormbs
vnnd , dieweil sie in Sprachen vnd Kuͤnsten so hochgelert gewesen sind, nicht verdamnen wollen vnd die vnsern, so ins Colloquium nicht willigen wolten, sie wuͤrden denn verdampt, haben sie verspottet vnd gehoͤnet, vom Colloquio ausgeschlossen, das sie dauon ziehen musten.Schon im Vorfeld des Wormser Religionsgesprächs 1557 waren die Differenzen zwischen den evangelischen Teilnehmern auf einem Fürstentag zu offenkundig geworden, da von und seine Theologen auf der namentlichen Verdammung von Irrlehren beharrten, um die Lehren der Confessio Augustana rein zu halten. Die anderen Fürsten und Theologen lehnten jedoch namentliche Verdammungen ab und bestanden ihrerseits auf einem Ende der gegenseitigen Verunglimpfungen sowie der Behandlung streitiger Fragen auf einer künftigen Synode. Während des Religionsgeprächs kam es dann zum offenen Bruch unter den Evangelischen, nachdem der Jesuit auf die Erbsündenlehre zu sprechen kam und eine klare Verurteilung der falschen Lehre verlangte. Die ernestinischen Theologen verließen schließlich das Religionsgespräch noch bevor es zu einem offiziellen Abschluss gekommen war. Zu dem Frankfurter Fürstentag und seinen Teilnehmern vgl. ; ; zur Haltung Johann Friedrich d.M. vgl. ; zum Eklat während des Wormser Religionsgesprächs vgl. , 654–681, bes. 661f; . Was wil hieraus folgen anders denn zwitracht vnd
vneinigkeit? Wer hat hie fried gehindert vnd vnfried angericht? Wer ist hie vrsach der zerruttung vnd verwirrung der Kirchen? Sinds nicht die, so die beide Ketzer nicht verdamnen wollen, vnd ? Sinds nicht die, so sich von vns absondern? Etliche sagen, sie verdamnen den Cinglianismum, aber B. Vorred vber D. Buch zu Goͤppingen.
zeuget viel anders. fordert darin, die gegenseitgen Schmähungen einzustellen und das Urteil in dieser Kontroverse Christus anheimzustellen. Er verweist auf den großen Schaden, der durch solchen Streit dem Evangelium entstehe, bei gleichzeitigem Erstarken der Gegner, d.h. der Altgläubigen. Vgl. . Denn darin wollen sie , Gottseligen, vnd concordiren, si dijs placet, quod plane impossibile est. Wer hat je gehoͤrt, das man contradictoria concordiren A 4r koͤnne? Solch kindisch vnd vnmuͤglich ding duͤrffen sie fuͤrgeben, die der Christenheit Meister sein wollen, gleich ob wir alle Bloͤche oder KloͤtzeEin Hendiadiyoin mit der Bedeutung: ungehobelte, dumme Menschen. Vgl. , 631; , 1147f. weren. Nu koͤnnen
wir die Cinglische vnd Osiandrische Ketzerey vnd jrthumb mit guten Gewissen nicht annemen, noch in jre absonderung vnd newerung willigen, damit sie sich von Konjiziert aus: ; B: . abgesondert haben. Wenn sie aber bey Gottes wort vnd geblieben weren vnd nichts newes angefangen hetten, oder denen, die newes angefangen haben, nicht anhiengen, so were vnter vns
keine vneinigkeit noch zwitracht entstanden, vnd alles vngluͤcks, so vorhanden ist, vberhaben.beendet. Vgl. , 308. Vnd wiewol die Theologen, so im Colloquio zu nach der vnsern abschied geblieben sind, oͤffentlich ausgeschrieben haben, das sie bey der Augsburgischen Confession bleiben wollen,Zur Problematik der Berufung auf die Confessio Augustana unter den Evangelischen während des Wormser Religionsgesprächs vgl. Anm. 15. so thun sie doch mit der that dawider. Denn dieweil sie die Zwing
lianer vnd Osiandristen nicht verdammen, so koͤnnen sie bey der Augsburgischen Confession nicht bleiben, sondern sein schon dauon abgewichen vnd abgefallen, haben also den fried gehindert vnd vnfried angericht. Denn wo sie mit vns die obgedachte Jrthumen verdampten, so weren wir auff vnser seiten in dem fall wider die Papisten gar einig gewesen. Dieweil aber
die Augsburgische Confession bekennet vnd saget, das Christus blut, leiden vnd ster­A 4vben vnser Gerechtigkeit ist,Vgl. , 98f; vgl. auch Anm. 41. vnd das das Brod im Abendmal der Leib Christi sey, nimmt damit Bezug auf die CA invariata aus dem Jahr 1530. Vgl. , 104,8–10. so kan sie des vnd schwermerey neben sich nicht leiden. Derhalben reimet sichs nicht zusamen, bey der Augspurgischen Confession bleiben vnd vnd
entschuͤldigen oder verteidigen. Vnd in Summa, dieweil wir nichts newes anfahen noch angefangen haben, sondern bey der Augsburgischen Confession stets geblieben sind, so werden wir ja, wie auch vorbereits. gesagt, des vnfriedens vnbillich bezichtiget. Haben derhalben diese vnsere bekentnis vnd folgende kurtze Confutation lassen ausgehen, das solche vnsere vnschuld an
tag kome vnd jederman offenbar wuͤrde, das wir keine Dissipationes, disiunctiones vnd perturbationes, das ist, vnfried vnd verwirrung der Kirchen angericht haben. Vnd wer vns dessen schuld gibt, der thut vns fuͤr Gott vnd der Welt gewalt vnd vnrecht. Jene aber, so die Religion vnd Ceremonien mutirt, alterirt vnd geendert,Zeichensetzung folgt B. A setzt die Virgel nach haben. haben solche Dissipationes, disiunctiones, per
turbationes Ecclesiarum, das ist, zuruͤttung vnd verwirrung der Kirchen angericht. Denn jr viel auff diesen tag in solcher zuruttung vnd verwirrung, wissen nicht, woran sie sind oder was sie thun sollen. Etliche sind widerumb ins Bapstum gerathen, das sie neben dem Euangelio B 1r auch WasserZu denken ist hier vor allem an die Taufwasserweihe an den Vorabenden vor Ostern und vor Pfingsten. Vgl. , 1134–1141, bes. 1139. vnd SaltzSalz wurde durch einen Exorzismus gereinigt und dann während des Taufritus dem Täufling in den Mund gelegt. Gelegentlich wurde Salz auch dem Weihwasser beigemischt, und es gab ein spezielles Formular im Benedictionale für die Segnung von Salz für Haustiere. Vgl. ; ; , 811; . weihen vnd mit Wasser, Fahnen, CreutzenKonjiziert aus: Creutzeu; B: Creutzen. vnd Kertzen am
Sontage vnd sonst vmb die Kirchen gehenEine Anspielung auf Prozessionen zu unterschiedlichen Anlässen: z.B. Ostern, Pfingsten, Fronleichnam.Beide Ausgaben setzen hier eine Virgel wie nach Heiden, so dass nicht völlig eindeutig ist, auf welchen Satzteil sich wie die Heiden bezieht. wie die Heiden, opffern vnd halten Messe, das sie schwerlich widerumb zu recht komen werden. Wes ist aber die schuldt? Wer hat vrsach zu solchem Grewel gegeben? Die still sitzen vnd nichts newes angefangen haben, oder die, so Ceremonien geendert vnd mutirt haben? Derhalben wir fuͤr Gott vnd der Welt solcher Greweln
undKonjiziert aus: and; B: und. ergernis, zuruttung vnd verwirrung vnschuldig sind.

Bekennen derhalben oͤffentlich, das, wie wir von anfang bishero bey der Augsburgischen Confession, jrer Apologia vnd den SchmalkaldischenKonjiziert aus: Schmakaldischen; B: Schmalkaldischen. Articuln geblieben sind, so wollen wir auch hinfort, mit Gottes gnad vnd huͤlffe, dabey bis in todt bestendig bleiben vnd durch keine persuasibilia humane
sapientie verba vns dauon reissen lassen, auff das wir ja zu keinem vnfried oder vneinigkeit vrsach geben. Verwerffen vnd verdamnen dagegen alle Jrthume, SchwermereienKonjiziert aus: Schermereien; B: Schwermereien. vnd Ketzereien, so derselben Confession, jrer Apologia vnd Schmalkaldischen Articuln zu entgegen vnd wider sind, wollen noch sollen derer keine in vnsern Kirchen dulden noch leiden. Denn solche
alle sind auch zu gleich widerwertig dem Euangelio vnsers lieben Herrn Jhesu Christi.

B 1v Demnach verdamnen wir zu erst vnd die Widerteuffer, welche die muͤndliche Predigt des Euangelij nicht allein verachten vnd vernichten, sondern auch verdamnen, lestern vnd schenden,
vnd dagegen jre eigene Predigt rhuͤmen vnd auffwerffenaufbauschen, übergebührlich loben. Vgl. , 795; vgl. hier im Zusammenhang zusätzlich die aufwieglerischen und aufrührerischen Konnotationen dieses Wortes, . vnd sagen, das Euangelium sey ein todter buchstab, aber jre treumen,Träume, hier polmisch im Sinne von Wahn, Irrtum, Selbstbetrug. Vgl. , 1453. wort vnd Predigt sey Geist vnd leben.Die Unterscheidung zwischen dem wahren, innerlichen, geistgewirkten und dem äußerlichen, buchstabenbezogenen Glauben wurde von verschiedenen spiritualistischen und täuferischen Theologen der Reformationszeit pronociert vertreten, z.B. , , oder auch dem schlesischen Täuferführer . Vgl. , 712–719; ; , 470–473; . Derhalben wollen sie, das man jren worten vnd nicht dem Euangelio gleuben vnd folgen sol. Sind mir das nicht kuͤnedummdreiste, vermessene. Vgl. , 2576f. Schwermer, freche vnd vnuerschempte Rotten, das sie fuͤrgeben duͤrffen, man solle jnen
mehr gleuben denn Christo? Wer macht vns aber gewiss, das jr wort vnd schwermerey Geist vnd leben ist vnd Christus wort ein todter buchstab, so doch Petrus zu Christo saget, du hast wort des ewigen Lebens.Joh 6,68. Jst das nicht Gott schenden vnd lestern? Das man Gottes Son vnter ein Menschen werffen sol vnd den Menschen vber Gott heben, das man sagen sol, leren
vnd Predigen, Christus wort ist ein todter buchstab, aber wort sey Geist vnd leben. Ach, das dir Gott wehre Sathan, du wuͤtender Teuffel, solt du deinen Rachen so weit auffsperrenVgl. Ps 22,14. wider Gott deinen Herren vnd Schoͤpffer. Das dirs Gott wehre, sag ich noch ein mal, vnd stewre deiner Gottslesterung. B 2r Solche Gottslesterung muͤssen wir von den
StenckfeldistenPolemische Bezeichnung für die Anhänger . teglich hoͤren vnd leiden, das sie rhuͤmen, jr wort vnd predigt, welche sie aus eigen freuelFrevel. und gutduͤncken, on Gottes wort, gebot vnd befelh fuͤhren, sey Geist vnd leben vnd das wort Jhesu Christi, vnsers lieben Herrn vnd Heilandts, sey ein todter buchstab. Moͤcht eim doch das hertz bersten vnd von einander springen, das einer solche Gottslesterung
hoͤren mus, das der Schwermer predigt sol aus Gott vnd von Gott sein vnd die predigt des Euangelij, welche Gott der Vater vnd sein lieber Son Jhesus Christus eingesatzt, geboten vnd befohlen hat, das sie in alle Welt ausgehen vnd schallen sol,Vgl. Mt 28,19f; Mk 16,15f. sey vom Teufel. Pfuy dich an, du Schandteufel, hebe dich ein mal. Ach Gott, himlischer vater, wie kanstu doch solche grewliche
lesterung deines Namens dulden vnd leiden, das sie jr eigen selbs thun vnd wesen fuͤr geist vnd leben rhuͤmen, loben vnd preisen vnd dein befohlen Ampt vnd dienst des heiligen Euangelij einen todten buchstaben schenden vnd lestern. Wers doch kein wunder, das sich die erde auffthet vnd sie in eim augenblick verschlunge. Du hast je geboten vnd befohlen, das die Predigt
des Euangelij in aller Welt leuchten vnd scheinen sol, auff das dadurch dein Geist vnd gnad in aller Menschen hertzen ausgegossen werde. Denn so spricht Christus, vnser lieber Herr, zu seinen Juͤngern, aus B 2v meinem befehl gehet hin vnd predigt das Euangelion allen Creaturen.Vgl. Mk 16,15. Solch gebot vnd befelh deines lieben Sons, vnsers Herrn Jhesu Christi, schenden, lestern
vnd verdamnen sie vnd sagen, es sey nur ein buchstab, stim, schall,Gerede. Vgl. , 2090f. lautäußerlicher Ton. vnd der todt. O Herre Gott, Vater aller Barmhertzigkeit, gib vns deinen heiligen Geist, das wir vns fuͤr solchen erschrecklichen Gotteslesterung behuͤten vnd bewaren koͤnnen. Dieweil nu von seiner Gotteslesterung nicht ablest, sondern darauff beharret, so kan er ja kein
Christ sein, noch durch Gottes Geist getrieben werden. Denn Gottes Geist ist nicht wider den Befehl des Vaters vnd Sons, vnsers Herrn,Konjiziert aus: Hern; B: Herrn. Jhesu Christi. Darumb, so mus jn der Sathan, des leidigenwiderwärtigen. Vgl. , 675f. Antichrists Geist reiten, fuͤren vnd treiben, wie geschrieben stehet: Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich.Mt 12,30; Lk 11,23.

Zum andern, verdamnen wir Schwermerey, welche eben so eine grobe, vnuerschempte Ketzerey ist als die vorige, stracks wider den heiligen Paulum, der an vielen orten deutlich vnd klerlich saget, mit ausgedruckten worten, das wir durch Christus Blut, leiden vnd sterben sind gerecht vnd selig worden.Vgl. Röm 3,25; 5,9; Eph 1,7; Kol 1,14.20. Daraus folget, das wir nicht durch die Wesentliche Gerech
tigkeit Gottes, wie schwermet,Vgl. , 249,26f; 251,2–6: in nova regeneratione attrahimus essentialem iusticiam Christi, quae est Deus ipse Si enim Deus iustus est, tum necesse est divinam eius essentiam esse iusticiam eius; quod si autem et eos, qui in Christum credunt, iustos efficit, tum necesse est, ut eis divinam suam et essentialem iusticiam communicet, alioqui nunquam in aeternum iusti fierent; et tamen ipse solus iustus manet, cum nos nullam propriam, sed solius Dei iusticiam habeamus. lehrte demnach, dass allein die göttliche Natur Christi den Menschen rechtfertigen könne und dass dem Menschen in der Rechtfertigung eben diese göttliche Natur Christi als iustitia essentialis eingegossen werde. Vgl. dazu auch , 507–515, bes. 511f; , 512–519, bes. 514f. gerecht werden. B 3r Denn die Osiandristen koͤnnen das mit keinem spruch der Schrifft beweisen, das weis ich fuͤrwar vnd gewiss. Denn die Spruͤche Jeremie,Jer 23,5: Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich dem David ein gerechtes Gewächs erwecken will, und soll ein König sein, der wohl regieren wird und Recht und Gerechtigkeit auf Erden anrichten; Jer 33,15: In denselben Tagen und zu derselben Zeit will ich dem David ein gerechtes Gewächs aufgehen lassen, und er soll Recht und Gerechtigkeit anrichten auf Erden. damit sich behilfft,Vgl. , 229,15–231,14. reden nicht von der Wesentlichen Gerechtigkeit Gottes, sondern von der Gerechtigkeit Christi, das diese vnser Gerechtigkeit sey. Denn
Jeremias redet vom gewechs oder vom Samen Dauids, das der Son Dauid, Christus vnser lieber Herr, der gecreutzigte, vnser GerechtigkeitKonjiziert aus: Gerechtikeit; B: Gerechtigkeit. sey, nicht seine Goͤttliche, Wesentliche Gerechtigkeit, sondern seine Menschliche vnd wirckliche Gerechtigkeit, welche nichts anders ist denn sein Gehorsam, das er dem Vater ist gehorsam gewesen bis in todt des Creutzes, vnd das er
geliebt hat die Gerechtigkeit vnd gehasset die Ungerechtigkeit. Durch diese seine Gerechtigkeit hat er Gottes zorn gestilt vnd vns mit jm versuͤnet, darumb, das er Jehoua, das ist, warer Gott ist. Denn wo er nicht warer Gott were, so guͤlte sein Leiden vnd Sterben nicht so viel, were auch nicht so tewer vnd werd, das es Gottes zorn stillen vnd versuͤnen kuͤnde. Denn alle
Heiligen vnd Engel in einen hauffen geschmeltzt koͤnden mit allen jren wercken vnd leiden nicht fuͤr eine Suͤnde gnug thun oder Gottes zorn stillen. Denn dazu gehoͤrt persona diuina et infinita, diese ist des Propheten meinung vnd keine ander, das weis ich fuͤrwar. Diese seine Gerechtigkeit ist vns geschanckt vnd B 3v gegeben, das wir dadurch nicht allein erloͤset,
sondern auch gerecht vnd selig werden sollen, 1. Cor. 1: Christus Jhesus ist vns gemacht von Gott zur Gerechtigkeit, zur Heiligung, zur Weisheit vnd erloͤsung.Vgl. I Kor 1,30. Da stehet mit ausgedruckten worten, das Christus sey vnser Gerechtigkeit vnd nicht allein vnser Erloͤsung, wie schwermet. Vnd das er verstehe die Menschliche vnd nicht die Goͤttliche Gerechtigkeit
Christi, zeiget er an zun Roͤmern am 5., da er spricht: So werden wir je viel mehr durch jn fuͤrm zorn behaltenerretten. Vgl. , 706f. werden, nach dem wir durch sein Blut sind gerecht worden.Vgl. Röm 5,9. Vnd bald darnach: Denn gleich wie durch eins Menschen vngehorsam viel Suͤnder worden sind, also auch durch eins gehorsam werden viel gerechte.Röm 5,19. Vnd abermal Rom. 3: Vnd werden
gerecht durch die erloͤsung, so durch Jhesum Christum geschehen ist.
Vgl. Röm 3,24. Wie koͤnde der heilige Paulus wider Ketzerey deutlicher vnd klerlicher reden denn das er spricht, durch Christus Blut, durch Christus gehorsam, durch Christus erloͤsung werden wir gerecht vnd selig? Dis hat , wie er in seinem Bekentnis schreibet,Gemeint ist Schrift aus dem Jahr 1551. Vgl. . Auf welche Aussage in dieser Schrift sich hier konkret bezieht, bleibt unklar. sein lebtage nie in der
Schrifft gelesen, ist das nicht ein loser,nichtsnutziger, böser. Vgl. , 1184. leichtfertiger Mann. Diese obangezeigte klare, helle Spruͤche koͤnnen wir warlich vmb willen nicht verlassen, wie hochgelart er auch gewesen ist.

B 4r Zum dritten verdamnen wir die Sacrament schwermer, vnd seinen anhang.Nachdem , im Jahr 1524 öffentlich die These vertrat, Christus habe bei den Worten Das ist mein Leib nicht auf das Brot, sondern auf seinen eigenen Körper gedeutet, entbrannte eine Kontroverse über das Abendmahlsverständnis, in der die Trennung zwischen und und auch zwischen mit vollzogen wurde. lehrte nämlich, dass die Einsetzungsworte im Sinne von Das bedeutet mein Leib zu verstehen seien. Das von 1529 einberufene Religionsgespräch in beendete zwar die Streitschriftenfehde zwischen den Akteuren, doch konnte man sich nicht auf eine gemeinsame Lehrformel einigen. Vgl. . Vnd ob sie wol vernuͤnfftiger sind denn die vorigen
Schwermer, denn sie folgen doch menschlicher Vernunfft vnd weisheit, aber jene streben wider alle vernunfft vnd weisheit. hebt sich vber Christum, veracht Christus Blut vnd sterben, als sey es zu gering vnd wenig zu vnser Gerechtigkeit, welches beides auch bey menschlicher vernunfft zu grob vnd grewlich ist. Wiewol nu die Zwinglianer Menschlicher
vernunfft folgen, so haben sie doch keinen Spruch in der gantzen heiligen Schrifft, der druͤnge oder zwuͤnge, das die wort des Abendmals vnsers Herren Jhesu Christi (das ist mein Leib, der fuͤr euch gegeben wird)Lk 22,19; vgl. auch Mt 26,26; Mk 14,22. anders denn sie lauten sollen verstanden werden. Derhalben kan vnd sol man hie der vernunfft nicht folgen, sondern man sol vnd mus bey Gottes wort
bleiben, welches vber alle vernunfft ist vnd vmb jrent willen wider Gottes wort nichts leren noch predigen. Vnd drumb, weil wir einen klaren, hellen vnd gewissen Text fuͤr vns haben, die wort vnsers Herrn Jhesu Christi, welche deutlich, klar vnd helle sagen (das ist mein Leib, der fuͤr euch gegeben ist), nemlich, das Brot, das ich neme, breche vnd euch gebe, das jr
nemet vnd esset, das ist mein Leib, nicht ein figur­B 4vlicher Leib, sondern der Leib, der fuͤr euch gegeben vnd an das Creutz gehefftet ist. Diesen hellen Text werden vns jre figuren, Tropi Die Vertauschung der eigentlichen Bedeutung eines Wortes oder Ausdrucks mit einer anderen. Vgl. . vnd deutung nicht nemen. und rhetorische Deutungen der Einsetzungsworte im Sinne einer uneigentlichen Rede werden damit von abgelehnt. Denn Christus Jhesus vnser liebster Herr redet hie einfeltigeinfach, schlicht. Vgl. , 173f. mit seinen Juͤngern, das sies verstehen, gleuben, auch thun vnd halten sollen,
welches sie nicht thun kuͤnden, wenn er mit jnen dunckel, verborgen, in parabolis oder figuris geredt hette, koͤndten sie doch jn nicht verstehen, wenn er klar, hell vnd on figurn mit jnen redete. Dieweil denn Gottes Son selbs solche wort zu vns allen redet, on zweifel, das wir sie gleuben vnd verstehen sollen, so forderts die hoͤchste not vnsers Gewissen vnd der
Seelen seligkeit, das wir denselben worten auch gleuben muͤssen wie sie lauten, vnd gar nicht zweifeln, das das Brot sey der ware vnd natuͤrliche Leib Christi, der am Creutz gehangen ist. Diesen natuͤrlichen vnd einfeltigen verstandt der wort Christi kan kein Spruch der heiligen Schrifft vmbstossen, sondern die gantze Schrifft lesst diese wort stehen vnd bleiben
wie sie lauten. Jr bestes Argument, das sie haben, ist ein Heidnisch vnd Philosophisch Argument, durch die vernunfft vnd jre weisheit aus der Philosophia gesponnen. Ein natuͤrlicher Leib kan zugleich nicht an zweien oͤrten sein. Dieweil denn Christus Leib im Himel ist, so kan er nicht auch im Abendmal sein.Zu Position vgl. . C 1r Vmb dieser Philosophia willen deuten sie den
klaren, hellen Text des Euangelij figuratiue vnd verstehen jn anders denn die wort lauten, vnd wollen das Gottes wort, gebot vnd befelh sich nach der Natur vnd Philosophia vnd die Natur vnd vernunfft nicht nach Gottes wort richten sol. Jn summa: Gott vnd sein wort sol der Creatur weichen, vnd die Creatur sol nicht Gott weichen. So doch nicht allein die Philosophia vnd
vernunfft, sondern alle Creaturn im Himel vnd auff Erden Gott vnd seinem wort weichen sollen vnd muͤssen. Derhalben sich in keinem weg leiden wil, das die wort im Abendmal der Vernunfft vnd Philosophia weichen sollen, sondern es heisst: Gott gebet die ehre vnd gleubet, das er gewis thut, was er saget, denn er ist die warheit vnd kan nicht liegen. Derhalben sol vnd mus
die Vernunfft vnd Philosophia Gott vnd seim Wort als die Creatur jren Schoͤpffer, vnd Gott nicht der Creatur weichen, vnangesehen, das es vber vnd wider die Philosophia ist vnd die Vernunfft nicht begreiffen noch verstehen kan. Solt Gott darumb liegen vnd in seinen worten gestrafft werden, so muͤsten wir kein Artickel vnsers Christlichen Glaubens oder
Religion gleuben, denn sie sind alle vber vnd wider die vernunfft. Druͤmb sol man Gott vnd sein Wort allzeit gleuben C 1v vnd darinnen nicht kluͤgeln,neunmalklug grübeln. Vgl. , 1282. noch weisheit suchen, wie die Griechen zu S. Paulus zeiten.Vgl. I Kor 1,21–23. Wenn Gott etwas gebeut vnd befihlet, auch im alten Testament, so redet ers einfeltig sine figura, drumb sol mans auch einfeltig sine figura verstehen vnd
darinnen vmb der Philosophia oder Menschen klugheit willen nicht grubeln noch vrsachen suchen, wies zu deuten oder zu uerstehen ist, sondern, was Gott redet vnd saget, sol man glauben, wens gleich die vernunfft nicht begreiffen noch verstehen kan. Sonst muͤste man auch diese wort des Euangelij (Christus gieng hinein durch verschlossen Thuͤr zu seinen
Juͤngern)Vgl. Joh 20,19. anders deuten denn sie lauten. Denn es ist der natur vnd bey der vernunfft eben so vnmuͤglich, das ein Leib durch eine verschlossne Thuͤr gehet, als das ein Leib zu gleich an zweien orten ist. Wie man nu diesen Spruch mus bleiben lassen vnd verstehen, wie die wort lauten, vnd jn vmb der Philosophia oder vernunfft willen nicht anders deuten sol, vnangesehen,
das er vber vnd wider die Natur, Philosophia vnd die vernunfft ist, also sol vnd mus man auch den vorigen Spruch vngedeutet lassen vnd einfeltig verstehen, wie die wort lauten vnd in keinem wege figurate deuten. Denn man sol Gottes allmechtigkeit kein ziel noch maß setzen. WasAb hier weicht B konstant in den Seiten­, zum Teil auch bei den Zeilenumbrüchen von A ab. bey den Menschen vnmuͤglich ist, das ist bey Gott muͤglich.Lk 18,27. C 2r Derhalben
diese wort, Das ist mein Leib, dringen vnd zwingen vnsere Gewissen gewaltiglich, das wir sie verstehen muͤssen wie sie lauten. Denn der sie redet, ist allmechtig vnd wahrhafftig, der nicht liegen kan.Vgl. Tit 1,2; Hebr 6,18. Dieweil er denn sagt, das ist mein Leib, so ist auch das Brot der Leib, vnd der Leib der fuͤr vns gegeben ist. Darumb gezimpt vnd gebuͤrt vns nicht, die Wort der
Goͤttlichen Maiestet zu drehen vnd zu deuten vnsers gefallens, sondern es heist auch: uide et tace, si uis uiuere in pace.Sprichwörtlich. Das ist, wiltu ein gut Gewissen haben, so hoͤre vnd gleube, was Gott redet vnd saget vnd frag nicht weiter wie oder warumb? Denn das ist nach weisheit fragen, vnd wil grundt vnd vrsach der werck Goͤttliches willens wissen, welches vns
verboten ist.

Zum vierden verdamnen wir die Adiaphoristen, darumb, das sie neben dem Euangelio, Menschen Traditiones in jren Kirchen zu halten, geboten haben.Zum Adiaphoristischen Streit vgl. . Denn das Euangelium kan keine Menschen gebot, in Kirchen zu halten, neben sich leiden. Wie Gott keinen andern Gott neben sich leidet, also wil
Christus neben seinen Ceremonien oder Gottsdienste keine andere selbertichte Ceremonien oder Gottesdienste leiden, quia scriptum est: frustra me colunt mandatis hominum.Vgl. Mt 15,9 (Vg). Darumb sol man in den Kirchen Christi nichts leren noch halten, denn was Christus C 2v vnser liebster Herr zu leren vnd halten geboten vnd befohlen hat. Vnd ob sie jre Ceremonien, wie sie
sagen, nicht fuͤr Gottesdienst, sondern fuͤr eine Disciplin eingesatzt vnd geordnet haben,Vgl. z.B. . so sinds doch, wie man spricht: Wort vnd feddern.Sprichwörtlich, im Sinne von: Schall und Rauch. Vgl. : Wort und Federn führt der Wind weg. Denn sie wissen wol, das aus solchen Geboten vnd ordnungen, die man in Kirchen helt, Gottesdienste vnd laquei animarum mit der zeit werden. So helts auch itzund der gemeine Man fuͤr Gottsdienste. Vnd wofuͤr solt ers sonst halten,
dieweil solche Gebot, in Kirchen zu halten, gestifft vnd geordnet werden. Jn Kirchen pflegt man nichts als noͤtig zu halten noch zu stifften denn Gottsdienste. Darumb sol in den Kirchen Christi kein Gebot gelten noch gehalten werden denn die gebot Christi. Den allein sollen wir hoͤren, wie Gott der himlische Vater vns gebeut, sagend: Das ist mein lieber Son, den hoͤret.Mk 9,7; Lk 9,35; vgl. auch Mt 17,5.
Vnd aus diesem befehl, so gebeut auch Christus seinen Juͤngern: Gehet hin vnd predigt das Euangelium aller Creaturn vnd leret sie halten, was JCH, Jch euch befohlen habeVgl. Mt 28,19f; Mk 16,15., nicht was die Adiaphoristen befehlen werden. Vnd solchs haben die Propheten zuuor verkuͤndigt vnd geweissaget, stimmen auch gleich ein mit Gott dem Vater vnd seinen Son Jhesu Christo, nemlich,
das man in der Christenheit nichts lehren, C 3r predigen noch halten sol, denn das Wort vnd das Gesetz, so aus Zion vnd komen. Denn so schreiben sie: Ex Zion exibit uerbum Domini et Lex eius ex .Vgl. Jes 2,3 (Vg). Aus Zion vnd mus und sol es komen, was man in der Christenheit leren, predigen, gebieten oder halten sol. Nu ists offenbar, das der Adiapho
risten Messe vnd andere jre Ceremonien, so sie in Kirchen zu halten geboten haben, nicht aus Zion oder komen sind. Darumb kan vnd sol man sie in der Christenheit neben dem Euangelio nicht leren, predigen, noch halten, viel weniger zu halten gebieten. Denn die Diener der Kirchen haben keine macht noch gewalt, aus jrem gutduͤncken oder guter meinung etwas
zu gebieten, das man in Kirchen halten solle oder muͤsse. Darumb auch Paulus seinen Heiden nichts geboten noch auffgelegt hat, denn was Christus der Herr selbs befolhen hat. Denn so schreibet er zun Corinthern: Solchs aber sage ich euch aus vergunst vnd nicht aus verbot.I Kor 7,6. Vnd bald darnach: Den Ehelichen gebiete nicht ich, sondern der Herr.I Kor 7,10. Vnd abermal: Solchs
sage ich euch zum besten, nicht das ich euch einen strick an hals werffe.
I Kor 7,35. Hat Paulus seinen Christen nichts gebieten wollen, denn was Christus vnser liebster Herr befohlen hat, so solten jm die Adiaphoristen billichzu Recht. Vgl. , 412–419. gefolgt haben vnd jren Kirchen einen solchen strick C 3v nicht an hals geworffen haben, auch so gestreng vnd hart, das sie die fromen Predicanten, so solchen
strick der Adiaphoristerey nicht leiden oder tragen wolten, von jrem dienst entsatzt vnd verjagt haben.Vgl. Anm. 5. Hieraus folget, das sie kein fug noch recht, kein gewalt noch macht, solche Adiaphora zu gebieten gehabt, haben, denn die Aposteln selbs haben des kein gewalt noch macht gehabt. Darumb die Pfarherr vnd Predigern nichts gebieten sollen, denn was Christus befohlen hat.
Denn solches gebietens sol sich der Antichrist vnterstehen, der hats im vorbehalten, das er die Christenheit mit Kleidern vnd Speise beschweren, beladen vnd vnterdrucken sol, dauon die Aposteln vnd Propheten geweissaget haben.Vgl. Röm 14,20; Kol 2,16. Vnd wo die Diener der Kirchen sich des vnterstehen, vnd neben dem Euangelio Menschen Tradition zu halten gebieten, so tragen sie auff
beiden achsseln,Sprichwörtlich: es mit beiden Parteien halten. Vgl. , 1100. wollen Gott vnd dem Mammon dienen,Vgl. Mt 6,24; Lk 16,13. claudicant in utranque partem,Vgl. I Reg 18,21 (Vg). wollen zweien Herren dienen,Vgl. Anm. 78. Gott vnd Baal,Vgl. Anm. 79. wie die Juͤden, aber es wird jnen auch bekomen wie den Juͤden. Denn aus solchem dienst folget gewis, wie auch Christus selbs daraus schleusst, das sie einen Herren hassen oder verachten vnd den andern lieben oder im anhangen
werden.Vgl. Mt 6,24; Lk 16,13. Denn beides leidet sich gar nicht beisamen. Wer nu neben Christo vnd C 4r seinem Wort, menschen Tradition zu halten, gebeut, der hasset Christum vnd liebet den Antichrist vnd seinen Mammon, oder hanget an diesem vnd verachtet Christum. Ja, er hat Christum vnd das Euangelium schon verleugnet, vnangesehen, das sie das Euangelium teglich leren vnd
predigen, quia scriptum est: qui non est mecum, ille est contra me.Mt 12,30 (Vg); Lk 11,23 (Vg). Er ist mein feind vnd hasset mich, liebet meinen Widerchrist vnd hanget an jm, dient jm auch, nicht mir, quia scriptum est: frustra me colunt mandatis hominum.Vgl. Mt 15,9 (Vg). Derhalben hilfft sie auch nicht, so wenig als die Caluinianer oder Zwinglianer, das sie das Euangelium predigen vnd hoͤren, quia
scriptum est: Regnum Dei non est in sermone, sed in uirtute.Vgl. I Kor 4,20 (Vg). Denn es ist nicht gnug, das man das Euangelium hoͤret vnd predigt, sondern man mus auch neben dem Euangelio den Christen kein strick an hals werffen, das ist, nichts gebieten noch aufflegen,damit belasten. Vgl. , 533f. das sie in Kirchen halten sollen. Denn wie man neben Gott keinen andern Gott vnd neben Christo kein Antichrist haben
kan noch sol,Vgl. Ex 20,3; Deut 5,7; I Kor 8,5f. also kan vnd sol man auch neben den Ceremonien Christi keine andere Ceremonien der Menschen in den Kirchen gebieten noch halten. Denn wenn wir Christus, vnsers liebsten Herren vnd Heilands, gebot vnd befelh haben vnd halten in vnsern Kirchen, so haben wir vbrige Disciplin vnd ordnung mehr denn gnug, sie wolten denn sage, C 4v (wie
sie denn mit der that vnd jren newen Ordnungen thun), das Christus vnd seine Aposteln keine disciplin, zucht noch ordnung gehalten haben. Es entschuͤldiget sie auch nicht, das sie sagen, wir scheiden die vnnoͤtige stuͤck vnd artickel von den noͤtigen, bey diesen bleiben wir bestendig, aber vmb jener willen streiten wir nicht, darumb haben wir sie dem Widerteil
nachgeben, denn es ist nicht not, das man vmb der vnnoͤtigen ding willen sich in fahr leibs vnd lebens gebe.Vgl. z.B. . Denn es ist nur ein Spiegel fechten, ein gesperrSchein, Gepränge. Vgl. , 1556. vnd Teufels gespenst fuͤr den augen, damit sie die einfeltigen,schlichte, einfache Gemüter. Vgl. , 173f. ja auch wol klugen, Weisen vnd Hochgelerten bezaubern vnd betriegen, sich zu entschuͤldigen vnd jre schendliche boͤse that zu beschoͤnen. Es ist ja war,
das jre Adiaphora vnd vnnoͤtige stuͤck sind in diesem fall nicht mehr vnnoͤtig, sondern noͤtig worden, als der Glaub selbs fuͤr dem Keiser zu bekennen. Denn sie hangen an den noͤtigen vnd ziehen die noͤtigen mit sich. Ja, durch die vnnoͤtigen werden die noͤtigen vom Keiser vnd seinen Papisten gemeinet vnd gesucht, wie das die hendel des Keisers ausweisen.
Als nemlich durch die Oelung wird nicht gesucht der Apostel oͤlung, sondern des Bapsts oͤlung, die letzte schmire, welche ein lauter grewel vnd Abgoͤtterey ist. Also auch durch den ChorrockDas Chorhemd bzw. der Chorrock entwickelte sich aus der Albe, einer knöchellangen weißen Tunika. Im adiaphoristischen Streit wurde der Chorrock zum Symbol für die von den kursächsischen Theologen vorgeschlagenen Veränderungen in den Zeremonien, die aus Sicht und der anderen, nach geflohenen Theologen die Reformation verrieten und durch den Anschein, mit dem Evangelium kompatibel zu sein, im wahrsten Sinne des Wortes bemäntelt werden sollten. Vgl. die Abbildung auf dem Einblattdruck (mit aufgeklebtem, beweglichem Chorrock) ; siehe ; ; , vgl. dort auch ; ähnliche Abbildung bei ). wird nicht gesucht noch gemeint der Chorrock, sondern das Bapsts Tyranney vnd gehorsam.Zu diesen Zugeständnissen in liturgischen Zeremonien und der Kritik daran vgl. ; vgl. auch . D 1r Alle nu, die diese oder andere vnnoͤtige stuͤck annemen vnd halten,
die nemen an mit der that alle Bepstische grewel vnd betriegen den Keiser, das er meint, sie haben das JnterimDas kaiserliche Religionsgesetz, das Augsburger Interim, aus dem Jahr 1548. Vgl. ; vgl. auch . angenomen. Denn alle, welche die Adiaphoristische Messe haben angenomen, die haben eben souiel gethan, als hetten sie die Bepstische Messe angenomen. Denn der Keiser vnd die seinen meinen nicht anders, denn die Antichristiche Messe. Darumb sind sie fuͤrm
Keiser widerumb Papisten worden vnd haben Christum vnd sein wort verleugnet. Denn sie simuliren vnd dissimuliren alles,Vorwurf gegen das Verhalten der Wittenberger Theologen, insbesondere , im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Augsburger Interim und der Erstellung der Leipziger Landtagsvorlage 1548. Vgl. dazu . stellen sich gleich, als weren sie dem Keiser gehorsam, vnd nemen dem Keiser zu gefallen die Papistische Messe vnd Religion wider an vnd thuns doch nicht, vnd wollen gleichwol Lutherisch bleiben. Heisst das nicht Gott vnd sein wort
verleugnen? Heisst das nicht den Keiser betriegen? Heisst das nicht simulare papisticam Religionem et Lutheranam dißimulare? Das heist, mein ich, auff beiden seiten hincken vnd auff beiden achsseln tragen, Gott vnd Baal zu gleich dienen, Gott vnd den Menschen gefallen wollen.Vgl. Anm. 78f. Man solt hie als eine MawrenMauer. fest gestanden sein vnd Kei. Mai.Kaiserliche Majestät: Gemeint ist . auffs vnterthenigste
gebeten haben, das seine Mai. vns bey der reinen Lere des Euangelij wolte bleiben lassen vnd vns Gottes wort, wider vnser Gewissen zu uerleugnen, vnd an desselben D 2v stat, Menschen tradition anzunemen, nicht zwingen wolt. Also solte man die gantze Religion , oder viel mehr Christi, frey bekandt haben, vnd wenn gleich himel vnd Erde hetten sollen in
einander fallen. Dieweil aber die Adiaphoristen nicht gestanden sind vnd haben das Leiptzigsch JnterimPolemische Bezeichnung für die Landtagsvorlage zum Landtag von Leipzig 1548. Vgl. ; . geschmidet vnd angenomen, die andern haben die alte Messe wider auffgericht, etliche haben eine newe angericht, doch der alten gantz vnd gar gleich nach dem gesicht,Aussehen. Vgl. , 4096; zur Auseinandersetzung mit dem Augsburger Interim in unterschiedlichen Territorien des Reichs vgl. ; . so koͤnnen vnd sollen wir mit diesen allen nicht eins werden, so lang sie solche jre Suͤnde
nicht erkennen noch bekennen. Wenn sie aber, vnd sonderlich die Adiaphoristen bekenten, das sie zu viel gethan haben vnd zu weit gangen sind, das den Predicanten, so derhalben jres diensts entsatzt vnd veriagt sind,Vgl. Anm. 5. vnrecht geschehen ist. So wolten wir sie als Christliche Bruͤder, ja als vnser lieben Herren vnd Veter annemen, ehren vnd halten. Denn wo nicht
erkentnis der Suͤnde ist, da kan keine Vergebung sein, weder bey Gott noch bey den Menschen. Warlich, denen, die keine Suͤnde haben vnd wollen recht vnd wol gethan haben,Vgl. Lk 18,11–14. kan man keine Suͤnde vergeben, sondern sie muͤssen in jren vnbekanten suͤnden bleiben vnd sterben, wie jtzund thun, so die Lutherischen bereth,A setzt hier keine Virgel. Die Zeichensetzung folgt B. vberzogen, belagert vnd verjagt haben. Denn es ist
nu mehr offenbar, das D 1v Kei. Mai. die Lutherischen der Religion halben bekriegt hat.Gemeint ist der Schmalkaldische Krieg 1546/47. Man leugne es, wie lang mans jmer wolle.Die kaiserliche Seite stritt ab, wegen des Religionsdissens Krieg geführt zu haben. Vielmehr stellte der Kaiser und , die Hauptleute des Schmalkaldischen Bundes, als unbotmäßige Fürsten dar und verhängte über beide die Reichsacht, die es militärisch zu exekutieren gelte. Vgl. ; , 229. Gott helffe jnen, das sie sich erkennen vnd bekennen. Amen.

Zum funfften verdamnen wir die Proposition: Gute werck sind von noͤten zur Seligkeit.Diese These vertrat . Vgl. dazu . Denn die wort, wie sie da stehen vnd lauten, koͤnnen nicht
anders verstanden werden, denn das die Werck die Seligkeit verdienen. Darumb koͤnnen vnd sollen wir sie in vnsern Kirchen nicht dulden noch leiden. Denn wir leren, predigen vnd gleuben, das man allein durch den Glauben, on werck, aus gnaden die ewige Seligkeit erlange. Vnd ob wol das Gesetz Gute werck von uns fordert, so fordert es doch die werck nicht
darumb, das sie zur Seligkeit von noͤten sind. Denn das Gesetz ist vns nicht gegeben vmb der seligkeit willen, sondern darumb, das wir vnser vnuermuͤgen vnd Suͤnde erkennen sollen, das wir des Gesetzes werck nicht thun koͤnnen, auff das wir vns demuͤtigen vnd bey Christo gnade suchen. Darumb auch die Seligkeit vns aus gnaden verheissen ist, lang zuuor, ehe
denn das Gesetz gegeben ist, welches vmb erkentnis der Suͤnden willen, nicht vmb vnser seligkeit willen, sondern darumb, das wir vns, wer wir sind vnd was wir vermuͤgen, erkennen sollen, nemlich, das wir die werck des Gesetzes nicht thun koͤnnen. Derhalben sie auch zur Se­D 2vligkeit nicht von noͤten sind, welche vns on Gesetz vnd seine werck aus gnade verheissen
vnd zugesagt. Derhalben koͤnnen wir die Menijsten wurde ebenfalls unterstellt, diese These zu vertreten. Vgl. ; . vnd Maioristen in vnsern Kirchen nicht dulden noch leiden. Vnd ob sie wol sagen, das sie derselben Proposition nicht brauchen wollen, so wollen sie doch dieselbige nicht verdamnen, vnangesehen, das sie Lutherus verdampt hat, berief sich auf , um damit nicht allein die Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit, sondern gar deren Schädlichkeit zur Seligkeit nachzuweisen. Vgl. ; vgl. auch ; ; , 462. sondern sie rhuͤmen sich, das sie dieselbige Proposition wol verteidingen koͤnnen,
damit sie oͤffentlich anzeigen, das sie die liebe Warheit nicht suchen noch mit ernst meinen. Denn ist sie war, warumb wollen sie jr nicht gebrauchen? Jst sie aber falsch, warumb wollen sie die nicht verdamnen? Wenn sie einen rechten Geist vnd glauben hetten, wuͤrden sie viel anders reden vnd schreiben, vnd wuͤrden die Proposition (dieweil sie dieselbige verteidigen
koͤnnen vnd fuͤr war halten) nicht allein gebrauchen, sondern auch leib vnd leben daruͤber lassen, sonderlich weil so viel an jr gelegen ist vnd den Artickel der Justification stuͤrtzet. Wir wissen aber wol, das die werck eim Christen menschen, der durch den Glauben one werck ist selig worden, hie zu diesem leben von noͤten sind vnd dem waren Glauben als fruͤchte folgen
muͤssen, welche seine zeichen vnd zeugen sind, die Gott hie vnd dort, eim jedern nach seiner muͤhe vnd arbeit, vmbs Glaubens willen, reichlich belohnen wil, wie das die D 3r Spruͤche in der Schrifft, so von wercken vnd jrem lohn reden, klerlich bezeugen.Vgl. z.B. Mt 16,27; Joh 5,28f; Röm 2,6f; I Kor 3,14; II Kor 5,10. Vnd wo sie das anders beweisen, so sollen sie abermal gewonnen vnd wir verloren haben. Weiter sagen wir,
das die Werck den Glauben nicht erhalten, wie sie geifern, sondern der Glaub erhelt die werck, aber Gottes Geist vnd gnade erhelt den Glauben. Desgleichen wird die Seligkeit durch den vnglauben fuͤr allen boͤsen wercken, ehe wir suͤndigen, verloren. Der halben weder Glaub noch Seligkeit durch Werck erhalten oder verloren werden, wie sie felschlich
sagen, jren jrthum zu beschoͤnen, sondern durch Gottes Geist vnd Gnade werden beide, Glaub vnd Seligkeit, erhalten. Darumb bitten wir mit den Aposteln: Herr, mehre vns den Glauben.Vgl. Lk 17,5. Wir streiten vnd disputiren auch nicht, wie man die Proposition (Gute werck sind noͤtig zur Seligkeit) deuten, glosiren oder auslegen koͤnne. Denn wir wissen wol, wie sie nu
dieselbige verstehen, glosieren vnd auslegen, nemlich, das sie das Meritum operum ausschliessen.Vgl. ; ; vgl. auch die . Sondern dauon disputiren wir, ob die Proposition solche glosse vnd deutung dulden vnd leiden koͤnne. Dazu sagen wir, dieweil gedachte Proposition von art vnd natur der wort bey allen Menschen in allen sprachen Meritum sonat et includit, so kan sie solche jre auslegung,
quae Meritum excludit, nicht zulassen, dulden noch leiden, quia ex diametro cum ea pugnat, D 3v das die Proposition vnd jre auslegung Contradictoriae wider einander sind vnd sich mit einander nicht vergleichen koͤnnen. Derhalben schliessen wir gewaltiglich vnd vnwidersprechlich, das gedachte Proposition: Gute werck sind noͤtig zur Seligkeit, dieweil sie aus
art vnd natur der wort in allen Sprachen vom verdienst der Werck verstanden wird, das sie falsch, vnchristlich vnd ketzerisch ist. Denn sie streitet wider den Glauben vnd die Gnade Gottes. Jst der wegen in der Christenheit nicht zu dulden noch zu leiden. Sie kan ja nicht anders denn von der werck verdienst verstanden werden, wie sie denn Juͤden, Heiden, Tuͤrcken vnd
Papisten verstehen, vnd alle zeit verstanden haben, das gute werck die seligkeit verdienen. Derwegen jre auslegung vnd erklerung, darinnen sie das Meritum ausschliessen, uiolenta, eine gezwungene auslegung ist, wider der Proposition art vnd natur, damit jr nicht kan gedienet noch geholffen werden, das man sie koͤnde oder moͤchte zulassen, das sie in vnsern Kirchen geleret
oder geprediget wuͤrde, denn sie schleusst das Meritum so tieff in sich, das es durch kein deuten, glosiren oder auslegen von jr kan abgesondert werden. Derhalben ist solche auslegung dem Bapst zu dienst vnd gut, der Muͤncherey zum besten, vnd der Christenheit zu verderb vnd vntergang erticht vnd er­D 4rdacht. Dem Bapst vnd Muͤncherey wird damit
gedienet vnd geholffen, das sie in jrem Jrthum gesterckt werden, aber der Christenheit entholffen,geschadet. Vgl. , 557. das sie gekrenckt vnd geschwecht, perturbirt, zertrennet vnd verwirret wird. Denn Christus vnd seine Gnade wird dadurch verdunckelt, der Glaub vntergedruckt vnd der Mensch mit seinen Wercken vnd Verdienst erhoben, geehret vnd gepreiset, auff das er etwas habe, daran
er sich fuͤr Gott rhuͤmen koͤnne, sonderlich fuͤr denen, die keine werck haben. Dazu vnd sonst nirgend zu dient die Proposition: Gute werck sind noͤtig zur Seligkeit, das ein armer Mensch in todes noͤten, der keine werck hat, verzweifeln mus. Denn man kan jn nicht mit keinem dinge im himel noch auff Erden troͤsten, auch mit Christo nicht, denn er hat nicht das zur
Seligkeit von noͤten ist, one das vnmuͤglich ist, selig zu werden, vnd one das niemandts je selig worden ist. Widerumb aber, der Gute werck hat, der troͤstet sich vnd feret sicher vnd in grosser vermessenheit dahin, denn er meint, er hat das zur Seligkeit von noͤten ist. Das ist die edle frucht dieser Proposition.

Uber die funffGemeint sind die fünf Lehren, die zuvor verworfen hat. sind noch etliche furhanden, als mit seiner Rotten, die leren vnd streiten, das der Mensch aus natuͤrlichen Krefften seins freien willens sich zur Gnade schicken vnd be­D 4vreiten koͤnne, das jm der H. Geist gegeben werde, wie denn die SophistenDer altgriechischen Philosophenschule der Sophisten wurde nachgesagt, auf argumentativem Wege Tatsachen beliebig zu verdrehen. Vgl. , 339–349, bes. 343f; . Thomas, Scotus etc.Zur Frage der Mitwirkung des Menschen bei seiner Rechtfertigung bei und vgl. ; , 218–231, bes. 227f. auch gelert haben. lehnt sich damit nicht nur inhaltlich, sondern bis in die Formulierung hinein eng an an. Vgl. : Darumb wirtt tzu wenig und tzu gering von yhr [der Gnade] geprediget, ßo man yhr nitt mehr gibt, denn das sie die werck schmucke und helffe vollnbringen, wie die Sophisten , und das volck yrren und vorfuren. Denn in seiner Disputation vom freien Willen, so er fuͤr
zweien jaren gehalten hat, schleusst er solchs gantz frech vnd vermessen, vngefehrlich mit diesen worten: Homo suis naturalibus uiribus uerbo aßentiri, promißionem apprehendere, et Spiritui sancto non repugnare potest. Ideo non esse repugnandum Spiritui sancto, sed ipsi mouenti mentes et corda nostra est aßentiendum. Nam hoc pacto a petentibus accipitur Spiritus sanc
tus, id est, non aspernantibus, non repugnantibus.
Ideo non repugnandum Spiritui Sancto est, mouenti mentes et corda nostra, sed assentiendum ipsi. Nam hoc pacto accipitur Spiritus Sanctus a petentibus, id est, non aspernantibus, non repugnantibus, sed cum gemitu petentibus auxilium. . Haec ille, si recte memini.

Jch bekenne, das der heilige Geist denen, die im rechten Glauben druͤmb bitten, gegeben wird. Wo er. aber verstehet, wie seine wort lauten, das der mensch aus natuͤrlichen krefften seins freien willens, on gnad oder den
heiligen Geist, dem wort gleuben, die verheissung ergreiffen (denn so verstehen wir seine wort aßentiri uerbo et promißionem apprehendere) vnd Gott anrufen vnd bitten kan, so ist er nicht allein von vns abgefallen, sondern auch von , Paulo vnd Christo, welche jn alle verdamnen. Denn es stehet geschrieben: Sine me nihil potestis facere.Joh 15,5 (Vg). Welcher Spruch nicht
de effectu extra nos (wie sie jn durch jre Menschliche vernunfft vnd weisheit torquirenverdrehen. Vgl. , 3153–3155. oder deuten) verstanden wird, sondern de actionibus uoluntatis intra nos, de dilectione et odio, de uelle et nolle, et de fructibus bone arboris, wie E 1r das der text Johannis am 15. klerlich vnd mit gewalt zwinget. Denn so spricht Christus: Wer in mir bleibt vnd ich in jm, der bringt viel
fruͤchte, denn on mich kuͤnd jr nichts thun.
Joh 15,5. Da stehets mit ausgedruckten worten: Jr kuͤnd keine fruͤchte bringen on mich, das ist, wir koͤnnen aus vnsern krefften, sine Christo, nichts guts thun: Non potestis uerbo aßentiri, non promißionem apprehendere, non obedire Spiritui sancto, non inuocare Deum sine me. Das ist die meinung dieses Spruchs, das weis
ich fuͤrwar, darumb kan sich dieser Spruch auff die hendel extra nos gar nicht ziehen noch torquiren lassen. Dem Teuffel solt man solche kunst des deutens vnd glosirens fuͤrhalten,Der Teufel als Vater der Lüge vgl. Joh 8,44. nicht frome Christen damit betriegen. Man gehet mit vns vmb nicht anders, als weren wir eitel kloͤtze vnd bloͤche.Vgl. Anm. 18. Also gebraucht er auch in derselben DisputationVgl. . den Spruch
Pauli: Sumus synergi Dei,Dei enim sumus adiutores. Dei agricultura estis. Dei aedificati estis. I Kor 3,9 (Vg). welcher de plantatione et rigationeKonjiziert aus: regatione; B: rigatione. ministrorum zu uerstehen ist, daselbst sind wir Cooperatione Dei. Den Spruch, sage ich, zeucht der hochgelerte Man ad liberum arbitrium, aber dauon zu seiner zeit. Jtzt wil ich allein das erhalten,beweisen. Vgl. , 835. das kein Mensch on Gottes gnade, on den heiligen Geist, aus seinen natuͤrlichen krefften, verbo
Dei aßentiri poßit, aut promißionem apprehendere, inuocare Deum etc. Denn Gott mus den ersten stein legen, das sich niemand fuͤr den andern rhuͤmen kan vnd er allein die Ehre habe vnd behalte.

E 1v Ah Gott, himlischer Vater, stewre, wehre allen falschen Leren, vertilge vnd rotte aus alles was falsch vnd vnrecht ist. Hilff deiner kleinen
Herde vnd erhalte allein deine Warheit,Vgl. Lk 12,32. auch bey vns in vnsern Kirchen, das wir dich hie vnd dort ewiglich loben vnd preisen, durch Jhesum Christum vnsern liebsten Herren, Amen, Amen.

FINIS.