Nachdem im Jahr 1555 seine Disputation De libertate humanae voluntatis quaestiones quinque veröffentlicht hatte, regte sich gegen die darin vertretene Ansicht, dass der menschliche Wille neben dem Heiligen Geist und dem Wort Gottes eine von drei Ursachen bei der Bekehrung des Menschen darstelle,Vgl. dazu die . unter den Theologen im umgehend Widerstand. Deutlich wurde dies am 12. Januar 1556 auf dem Weimarer Konvent, an dem neben noch , , und teilnahmen.Vgl. ; . hatte den Konvent einberufen, um für die in das gereiste kurpfälzischwürttembergische Gesandtschaft, die der Befriedung der theologischen Kontroversen im Vorfeld des anstehenden Reichstages dienen sollte, eine Antwort zu erstellen.
Trotz einer scharfen Verurteilung der Lehre im Rahmen des Weimarer Konvents kam es vorerst nicht zu einer öffentlich ausgetragenen Kontroverse. Der Grund dafür ist wohl in den weiteren politischen Versuchen zur Beilegung der innerprotestantischen Streitigkeiten 1556/57 zu suchen,Vgl. dazu ; . so dass bereits vorhandene Stellungnahmen zunächst zurückgehalten wurden.Vgl. und . Allerdings scheiterten alle politisch initiierten Annäherungsversuche zwischen den Konfliktparteien nicht zuletzt daran, dass die Wittenberger Theologen sich weigerten, die Lehre von den Adiaphora zu verurteilen.Vgl. dazu ; .
Diese Differenzen zwischen den protestantischen Theologen traten im Verlauf des Wormser Religionsgesprächs 1557 auch auf Reichsebene eklatant zu Tage, als die Altgläubigen die Forderung nach namentlicher Verwerfung von falscher Lehre erhoben, um so die evangelische Seite zu entzweien. Die ernestinischen Gesandten in unternahmen daraufhin den Versuch, die anderen anwesenden reformatorisch Gesinnten von der Notwendigkeit namentlicher Verdammungen zu überzeugen, was ihnen allerdings nicht gelang. So überreichten sie allein in ihrem Namen eine Protestatio und verließen danach den Verhandlungsort.Vgl. ; Scheible, Melanchthon, 226–235; Bundschuh, Wormser Religionsgespräch, bes. 453–461; Slenczka, Wormser Schisma, bes. 406–473. Damit war das Religionsgespräch gescheitert.
Nach dem Wormser Religionsgespräch bemühte sich die evangelische Seite, Wege zu finden, um die Einheit wieder herzustellen und die Reinheit der Lehre zu gewährleisten. Während jedoch die eine Seite mit dem alber1tinischen Kurfürsten Moritz und Philipp Melanchthon an der Spitze weitere innerprotestantische Gespräche vorschlug und die Abgrenzung von falschen Lehren ohne namentliche Verwerfungen vornehmen wollte,Vgl. den Frankfurter Rezess aus dem Jahr 1558, in: CR 9, Nr. 6483, Sp. 489–507; Dingel, Melanchthons Einigungsbemühungen. beharrte die ernestinische Seite genau auf diesem Verfahren. Die ernestinischen Theologen begannen daher im Frühjahr 1558 mit der Erstellung eines Texts zur Wiederlegung sämtlicher Lehrpositionen, die aus ihrer Sicht Irrlehren darstellten, unter gleichzeitiger Benennung ihrer Gegner: einer Vorstufe des Weimarer Konfutationsbuchs.Vgl. unsere Ausgabe Nr. 9.
Nikolaus von Amsdorf war zwar an diesen Arbeiten nicht direkt mitbeteiligt, doch schrieb er schon länger an der hier edierten Schrift, die eine eigene Zusammenstellung von Lehren darstellte, die er als irrig ansah und öffentlich verurteilen wollte, um auf diese Weise sein theologisches Testament vorzulegen.Vgl. dazu Kolb, Bekenntnisform, bes. 317, Anm. 36. Ein Manuskript einer Vorform der hier edierten Schrift ist abgedruckt bei Lerche, Amsdorf, 106–127. Da ein Vorwort eines früheren Manuskripts, einer Vorform der hier edierten Schrift, auf den 14. März 1558 datiert,Vgl. Kolb, Bekenntnisform, 317. ist davon auszugehen, dass die Veröffentlichung des Öffentlichen BekenntnissesAmsdorfs in der vorliegenden Fassung frühestens im April/Mai 1558 erfolgte, da Amsdorf noch erhebliche Veränderungen am Text vornahm, wie sich anhand eines Abgleichs des Manuskripts mit der hier edierten Schrift ausweisen lässt. Während dieser Arbeiten Amsdorfs erschien wohl noch im März 1558 Pfeffingers Sammlung von Disputationen, in der sich auch diejenige über den freien Willen aus dem Jahr 1555 findet.In hoc Libello || CONTINENTVR VTILES DISPV= || tationes de praecipuis capitibus || doctrinae Christianae, quae || propositae fuerunt in || academia Li / || psica, à || IOANNE PFEFFINGERO, DO= || ctore Theologiae, et eiusdem Ec= || clesiae pastore. || [Frankfurt/Main: Peter Braubach, 1558] (VD 16 P 2356), bes. 51r–61v = G 3r–H 5v.
Das Vorwort des Sammelbandes datiert auf den 1. März 1558, ebd., 6v = A 6v. Dies nahm Amsdorf zum Anlass, auch Pfeffingers Lehre hier in seinem Öffentlichen Bekenntnis zu verurteilen.
2. Der Autor
Nikolaus von AmsdorfZum folgenden vgl. Joachim Rogge, Art. Amsdorff, in: TRE 2 (1978), 487–497; Reichert, Amsdorff, 56–70, 142–162. wurde am 3. Dezember 1483 in Torgau geboren und besuchte seit etwa 1497 die Thomasschule in Leipzig. Seit dem Jahr 1500 war er an der Leipziger Universität immatrikuliert. Er wechselte im Jahr 1502 an die neugegründete Universität Wittenberg, wo er seine akademische Ausbildung auch beendete und bis 1524 lehrte. In dieser Zeit übernahm er verschiedentlich wichtige administrative Aufgaben, so in den Jahren 1510 und 1511 als Dekan der philosophischen Fakultät, 1513 und 1522 als Rektor der Universität.
Amsdorf stand in den Streitigkeiten innerhalb der Reformation von Beginn an auf der Seite Martin Luthers. Er unterstützte ihn bei der Leipziger Disputation 1519 und auf dem Reichstag zu Worms 1521. Im Jahre 1524 wurde Amsdorf als Superintendent und Pfarrer an die Kirche St. Ulrich in Magdeburg berufen. In den folgenden achtzehn Jahren arbeitete er wesentlich daran mit, die Reformation in der Stadt einzuführen. In dieser Zeit wurde er auch in andere Städte gerufen, um dort die Einführung der Reformation zu fördern, z.B. in Goslar, Einbeck, Leipzig und Meißen.
Am 20. Januar 1542 wurde Amsdorf in Naumburg als erster evangelischer Bischof ordiniert, musste aber nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes 1547 sein Bistum verlassen und bezeichnete sich fortan als Exul. Nach einem kurzen Aufenthalt in Weimar, wandte er sich im Jahr 1548 erneut nach Magdeburg. Dort verschrieb er sich dem Kampf gegen das Augsburger Interim und gegen den Leipziger Landtagsentwurf (Leipziger Interim).
Im Frühjahr 1552 wurde Amsdorf Superintendent in Eisenach. Immer wieder griff er publizistisch in die unterschiedlichen theologischen Kontroversen seiner Zeit ein und attackierte insbesondere die Wittenberger Theologen, die er für Fehlentwicklungen in der Kirche verantwortlich machte. Er setzte sich daher für die Gründung der Universität Jena als Gegengewicht zur Universität Wittenberg ein und unterstützte das Projekt der Jenaer Lutherausgabe gegen die Wittenberger Ausgabe.
Auch wenn Amsdorf 1557 nicht persönlich am Wormser Religionsgespräch teilnahm, so vermutete Melanchthon gleichwohl, dass dieser hinter der dort von den ernestinischen Theologen erhobenen Forderung nach öffentlicher und namentlicher Verdammung von vermeintlichen Irrlehren und deren Vertreter stünde und somit als der eigentlich Kopf hinter der ernestinischen Verwerfungspolitik anzusehen sei.Vgl. Philipp Melanchthon an Albert Hardenberg. 14. November 1557, in: CR 9, Nr. 6398, Sp.365; Kolb, Bekenntnisform, 314. Doch unter den Theologen des ernestinischen Sachsen herrschten Friktionen, so dass Amsdorf nicht an den beginnenden Arbeiten zum Weimarer Konfutationsbuch beteiligt wurde, da Erhard Schnepf, Andreas Hügel und Victorinus Strigel dies durch ihre Intervention bei Herzog Johann Friedrich d. M. verhinderten. Sie erinnerten den Herzog nämlich daran, wie Amsdorf sie seinerzeit auf der Eisenacher Synde vom August 1556 als Ketzer verunglimpft habe und welch gefährliche Position er auch für den Weimarer Hof mit seiner These, gute Werke seien zur Seligkeit schädlich, vertrete.Vgl. Kolb, Bekenntnisform, 316.
In seinen letzten Lebensjahren war Amsdorf offenbar körperlich sehr stark eingeschränkt.Vgl. Gehrt, Erzbischof, bes. 224 mit Anm. 32. Er starb am 14. Mai 1565 und wurde im Chor der Georgenkirche in Eisenach bestattet.
3. Inhalt
Amsdorf beklagt in der hier edierten Schrift zunächst, dass in der Gegenwart die Gefahr groß sei, dass Luther mit seiner Prophezeiung, man werde das Evangelium zugunsten einer angeblich evangeliumsgemäßen Lehre verlieren, recht behalten könnte. Zu groß sei die Bedeutung der Philosophie und Beredsamkeit in theologischen Fragen geworden, die in diesem Zusammenhang doch eigentlich nur eine dienende Funktion besäßen. Die Adiaphoristen jedoch hätten auf der Basis angeblicher menschlicher Weisheit die Lehre verändert und gäben nun ihren Gegnern, zu denen sich Amsdorf selbst zählt, die Schuld dafür, dass es zu Spaltungen und Streit innerhalb der Kirche gekommen sei. Amsdorf lehnt diese Darstellung strikt ab und gibt den Verfassern der Leipziger Landtagsvorlage (Leipziger Interim) aus dem Jahr 1548 die Schuld für die aufgetretenen Kontroversen.
In der Folge des Leipziger Interims, so Amsdorf weiter, sei es zu zahlreichen Irrtümern und Missbräuchen in der Kirche gekommen. So hätten die Adiaphoristen im Wormser Religionsgespräch von 1557 in die, in Amsdorfs Augen, notwendigen Verdammungen der zwinglischen und osiandrischen Lehren unter Nennung der Namen ihrer Vertreter nicht einwilligen wollen. Die Ursache dafür erkennt Amsdorf in der übergroßen Liebe zur menschlichen Weisheit und Vernunft sowie der Geringschätzung der evangelischen Wahrheit. Zwar gäben die Adiaphoristen vor, dass sie Zwinglis Lehre verwerfen wollten, aber die Vorrede von Johannes Brenz für ein Buch Jakob Andreaes zum Abendmahlsstreit beweise jedoch, dass vielmehr der Versuch unternommen werde, eine Konkordie zwischen Luther und Zwingli herzustellen, was schlicht unmöglich sei. Daran bestätige sich, dass solche Theologen nicht länger auf dem Boden der Confessio Augustana stünden, wiewohl sie dies behaupteten. Demgegenüber seien er, Amsdorf, und seine Mitstreiter niemals von den Lehren der Confessio Augustana abgewichen. Amsdorf betont darum nochmals, dass die Gegner durch ihre Veränderungen in der Lehre Schuld an den Streitigkeiten trügen und nicht ihre er und seine Gesinnungsgenossen.
Amsdorf sieht sich aus diesem Grund dazu genötigt, ein Bekenntnis in Form einer Confutatio, d.h. der eigenen Lehre und eine Widerlegung und Verdammung von Irrlehren vorzunehmen. Nachdem er sich selbst nochmals zur Confessio Augustana und darüber hinaus zu den Schmalkaldischen Artikeln bekannt hat, verwirft er als erstes die spiritualistische Theologie Schwenckfelds und der Täufer, als zweites Osianders Rechtfertigungslehre, als drittes die Sakramentenlehre Zwinglis und seiner Anhänger, als viertes den Adiaphorismus, als fünftes die These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit, wobei er hier die Gruppe der Anhämger des Georg Major und des Justus Menius (Majoristen und Menisten) namentlich benennt, und abschließend die synergistische Auffassung, der Mensch könne im Rechtfertigungsgeschehen mitwirken, die Pfeffinger vertrete.