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: Kleine Geschichte der antiken Komödie

Kleine Geschichte der antiken Komödie

Inhalt

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Worum es gehen wird *

Wie kam es wohl, dass die vielen Büsten des griechischen Komödiendichters Menander einen „leisen Zug von Verachtung“, zudem neben demAusdruck „aufmerksamsten Beobachtens“ immer wieder einen „leisenTon des Leidens“ zeigen?Woraufhin hat man das leidzerfurchte Antlitzjener oft, so zum Beispiel von Rubens, als „Seneca“ bezeichneten Büsteals die des Komödienverfassers Aristophanes verstehen können? Wohl ausdiesem Grunde: Auf der Bühne geschieht im Vordergrunde Heiteres,manchmal Hitziges, oder auch nur Irren und Verwirren, doch in denNebentönen klingen nicht selten auch Bitterkeit und ernstes Mahnen mit.Zeigt die Komödie also nicht nur eine erheiternde Fiktion, kennt sie auchdie dunkleren Regungen im wirklichen Menschen, und sind die Porträtsihrer Dichter aus diesem Grunde zuzeiten nicht gar so lustig? Trauern sievertanen Chancen nach? Denn „Wie bezaubernd ist der Mensch, wenn erMensch denn ist“, so lautet eine Zeile Menanders (Frg. 484 Körte). Seienwir also darauf gefasst, dass sich neben und unter dem Bühnengeschehenauch Einblicke in das Innere des wirklichen Menschen auftun und dasssolches Aufzeigen des Menschlichen zur Zielsetzung der Komödie gehörte.

Solcherlei Gedanken werden dies Buch beeinflussen, geplant aber ist esvorwiegend als „Begleitbuch“ zur Lektüre des Plautus und Terenz, die freivom Fachwissenschaftlichen dem interessierten Laien und dem Liebhaberdes Lateins einen ersten Eindruck verschaffen will. Daher wird diesesBuch so weit wie möglich auf eng wissenschaftliche Erörterungen verzichten, um eines ersten und übersichthaften Kennenlernens willen. Da nunaber die römische Komödie des Plautus und Terenz, auf den Stoff gesehen,Übertragung und Umformung griechischer Stücke ist, muss dieses Buchauch die griechische Komödie umfassen. Es wird dabei nicht der Anmaßung verfallen, sich neben die großen Übersichtswerke zu stellen, willauch nicht längst Gesagtes noch einmal ausbreiten; es wird nur Wichtigstesdaraus erwähnen, dabei aber das herausheben, was über der rein wissenschaftlichen Diskussion in den Hintergrund getreten ist, nämlich, wie ebenangedeutet, die Frage, was die Komödie der Alten wohl über den Menschen zu sagen hatte.

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Aristophanes

„Die reiche Vielfalt attischen Lebens in Athens stolzester Zeit, die Höhenund Tiefen seiner ins Weite strebenden Politik, der Reichtum seiner Märkte, die Absonderlichkeiten seiner harmlosen und seiner schlimmen Käuze,aber auch das Andringen neuer Ideen und die Revolutionierung der Kunst– das alles ist in diesem Zauberspiegel eingefangen, den die Hand einesgroßen Dichters so bewegt, dass wir über tausend flirrenden Lichterndoch nie die Wirklichkeit des Lebens und den Ernst seines eigensten Anliegens aus dem Blicke verlieren“, so schrieb vor ungefähr fünfzig JahrenAlbin Lesky (Nachdruck 1993, 471). Aber die griechische Komödie warnicht von Anbeginn attische und athenische Komödie; überall im griechisch sprechenden Raum, Süditalien einbegriffen, hatte es lange vor Aristophanes eine Fülle von ähnlichen Lustbarkeiten gegeben. Das Leben, dasder Bauer dort führte, war karg wie der Boden es war. Doch es war keindumpfes Mühen. Das arbeitsame und entbehrungsbereite Volk hofftejedes Jahr erneut auf gute Aussaat und auf gute Ernte, und so betete esviel und gern, nicht selten auch in schönen Versen. Das Volk suchte auchErholung im Lachen, im Trunk und im Tanz, es spottete gern, damals wieheute, und suchte die Natur, anders als heute, durch Tanz, Musik und Wortdazu an- und aufzuregen, reiche Frucht und kräftigen Nachwuchs zuschenken, und dies nicht selten, damaligen Brauch befolgend, durch deutlichstes Aussprechen von Dingen des Zeugens, auf dass Erde und Tier eshören und dann zu fruchtbarem Keimen kommen. So flossen Beschwörung, Gottesdienst und entspannende Sanges- und Spottlust zusammenbei Fest und dörflichem Umzug. Man lachte zum Beispiel gern über absonderlich vorn und hinten ausgestopfte Gesellen, die da umhertollten,man spottete um des befreienden Lachens willen auch über kauzige Dorfgenossen, über Knauser und Schwätzer, und sorgte so auch für Zusammenhalt und Ordnung, lustig und zuweilen auch zornig den Grenzüberschreitungen wehrend. So war auch das attische Fest aus Lust und Gebetgemischt, aus Frohsinn und Götterverehrung zugleich.

Will man sich ein Bild vom Ablauf eines solchen Festes machen, so mussman zunächst nach der Gottheit fragen, welcher das Fest galt. Wir wollenuns hier auf die Feste beschränken, an denen es wild und doch auch ehrfürchtig zuging, wo Gottesdienst sich mit der Lust am Lachen verband,und das sind die Feste zu Ehren des Dionysos, des Gottes „des Weins undder rauschhaften Ekstase“, wie Walter Burkert (1977, 251) ihn nannte. Erwar der Gott aber auch der Zeugungslust, des Todesschmerzes, des Aufwachsens und auch des Vergehens, wie die Vasen und die Mythen berich-

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Maskierte trugen da riesige Phallen, traten zuweilen als Tiere auf, sangen und spotteten, zu Fuß oder auf Festwagen wie bei unserem Fasching,ließen Derbstes hören und auch Loblieder auf den Gott, um die Zuschauer und Beteiligten zu ergötzen, die Gottheit gnädig zu stimmen und dieNatur zu Frucht und Geburt aufzuregen. Kurze Alltagspossen wird mangehört und gesehen, Chorgesänge vernommen haben.

Mancher Brauch stammte noch aus der Jungsteinzeit, mancher hat bisheute in vergleichbarer Form überlebt (man denke nur an den Karneval).Vielfältig war, was da geschah, allmählich aber gestaltete sich dieses soformbegabte Volk aus dem Vielfältigen Wiederholbares und Festwerdendes. Das Chorlied, wohl in Attika entstanden, gehörte bald zum festenBestand, kleine Szenchen zu Beginn und nach dem Hauptlied des Chorswerden aus dem reichen Schatz der Imitation von Alltäglichem in erheiternder, darum grotesker Form entsprungen sein, vorgetragen von Schauspielern mit drollig dickem, weil ausgepolstertem Bauch und Hinterteil,dazu mit riesigem Penis. In Unteritalien entstand schon vor der zunächstnoch recht ordnungslosen attischen Komödie und auch vor dem Drama,wie es Kratinosum die Mitte des 5. Jahrhunderts schuf, eine gepflegtereForm der Aufführung. Rede-Wettkämpfe wurden da von zwei Streitendenauf der Bühne ausgetragen, zum Beispiel zwischen „Herrn und FrauVolksrede“, dazu wurden berühmte Mythen parodiert, und kein Geringerer als Platon schätzte solche, sicherlich recht kurze Aufführungen desDichters Epicharm aus der Wende des 6. zum 5. Jahrhundert v. Chr. hoch2a.Einen Herakles, der ungeheuer essen konnte, sah man da, und einen wohlnicht ganz heroischen Odysseus, aber auch Parasiten und „dumme Auguste“; und sie alle sprachen Verse. Mit feinem Instinkt gestaltete die attische Formkunst aus solch Vielfältigstem eine literarische Gattung, die bisins 18. Jahrhundert im Grundsätzlichen wenig verändert am Leben bleibensollte.

In Athen fand die erste staatlich beaufsichtigte Komödienaufführung imJahre 486 v. Chr. statt, also nur wenige Jahre vor dem Zug und der Niederlage des Perserkönigs Xerxes gegen Griechenland; den ersten inschriftlichbezeugten Sieg beim Wettkampf der Komödiendichter vor einer Aufführung errang ein Magnes, und wir hören von einer ganz frühen Komödie –ob das Wort von „kómos“, dem Festzug, oder von „kóme“, dem Dorf, abgeleitet wurde, ist unklar –, dass sie sich verächtlich über die Komödie derbenachbarten Megarer aufhielt.Man achtete also in Athen auf Qualität,und der Brauch, dass eine Jury die eingereichten Texte beurteilte, garantierte gutes Niveau.Wann Komödienverfasser sich von der Bühne aus indie Politik einzumischen begannen, wissen wir nicht. Aber als Athen nachjenen großen Siegen anfing, sich nicht ohne Gewalt ein Imperium zuschaffen, die umliegenden Inseln in ein Flottenbündnis zu zwingen und

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Abtrünnige hart zu strafen, so zum Beispiel Thasos, Naxos und Lesbos, alsferner Perikles Wirtschaftskriege anzettelte (gegen Korinth, dann gegenMegara) und die Stadt in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft verwandelte, daerhob ein Komödiendichter, nämlich Kratinos, seine Stimme gegen ihn,und es ließ sich noch ein anderer Lustspielschreiber, Platon (er hat nurden Namen mit dem viel späteren Philosophen gemein), mit Kritik gegendie Inselpolitik vernehmen. Das bildete Tradition, und so hört und liestman viel politische Kritik in den Komödien selbst oder den Berichtenüber sie, Kritik insbesondere an des Perikles schwächerem, dafür gewalttätigerem Nachfolger Kleon. Aber sie beherrschte keineswegs allein dasBühnengeschehen, es wurde gesungen, getanzt, gestritten und die großeTragödie parodiert, und als Dikaiopolis in des Aristophanes „Bauern vonAcharnaí“ sagen will, dass er sich verkleiden wolle, zitiert er den „Telephos“ des großen Euripides und deklamiert: „Es tut mir not, heut arm zuscheinen, zu sein zwar, der ich bin, doch so nicht auszusehen.“ Wer dentragischen Text nicht kannte, hörte zumindest das Gestelzte und amüsiertesich. Sein Leben

Wann nun Aristophanes geboren wurde, ist nicht mehr genau zu erschließen, wahrscheinlich um 440 v. Chr., wie Schmid (1959, 177) vermutet. Gesichert aber ist, dass es ihn schon in ganz jungen Jahren zum Komödienschreiben hinzog und dass er dabei zwei Stücke unter fremdem Namen aufdie Bühne brachte,und man hat keinen Grund anzunehmen, dass er nichtschon in diesen Spielen so schrieb, wie sich inzwischen der Brauch entwickelt hatte, das heißt mit der Lust an Wort und Geste, an persönlichemAngriff auf Missliebige, an schönem Chorgesang und heiteren Szenchen,zum Beispiel in Form einer Auseinandersetzung von einem gut Erzogenenund einem schlecht Aufgewachsenen, in den „Schmausgesellen“ von 427v. Chr. Sein Drama „Die Babylonier“ vom Jahre 426 jedenfalls brachteihm eine Klage Kleons6aein. Aber auch hier ging es nicht um den einenPolitiker, sondern um die Gefahren, welche den stimmberechtigten Bürgerseitens der gewissenlosen Schmeichler, Schönredner und Gewaltpolitikerumlauerten. So hatte Kleon dafür plädiert, die vom athenischen Seebundabgefallene Stadt Mytilene auf Lesbos „aus Wut“ (Thukydides 3, 36, 2) dadurch hart zu bestrafen, dass man alle Männer tötete und alle Frauen undKinder versklavte. Es ging, kurz gesprochen, um die Bundesgemeinschaft,die Stadt und die Gesellschaft in der Kriegszeit. Zwischen den beidenHauptmächten auf so engem Raum, wie Zentralgriechenland es nun einmal war, musste es wohl zu einer Entscheidung kommen, und sie begannim Jahre 431 mit der Auseinandersetzung um die reiche Handelsstadt Ko-

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setzte sich fort im Handelskrieg des Perikles gegen die NachbarstadtMegara, die zu Sparta gestoßen war, und fand ihren ersten Höhepunkt imZug der Spartaner nach Attika, um dort die Ernte zu vernichten. ImHintergrund lauerte der Perserkönig auf eine Gelegenheit, die vordemfehlgeschlagenen Eroberungszüge wieder wettzumachen. „Die Bauern von Acharnaí“

Im Jahr 425 aufgeführt, spiegelt das Stückdie Empfindungen besondersder Bewohner des eingemeindeten Städtchens Acharnaí im NordenAthens. Es hatte im Sommer 432 die wüste Vernichtungswut des spartanischen Landheeres zu spüren bekommen, das sich dort festgesetzt undÄcker und Wingerte zerstört hatte. Da tritt zu Beginn des Spiels der Weinbauer Dikaiopolis auf und klagt in der Pnyx, dem Ort der Versammlungaller athenischen freibürtigen Männer, zunächst über schlechte Tragödien,dann aber darüber, dass in der Stadt so wenig Interesse an der Politikherrsche. Endlich füllt sich der Platz und die Debatte beginnt. Der Bauerist entschlossen, immer dann dazwischen zu rufen, wenn man sich nichtmit dem Frieden befasst (38 f.). Die Verhandlung fördert allerhand Betrügereien von Gesandten an den Perserkönig zutage, Dikaiopolis protestiert(56 ff.), und da es wieder nichts ist mit dem Frieden zwischen Sparta undAthen, entsendet er selber (130 ff.) einen Botschafter nach Sparta, umeinen Privatfrieden abzuschließen. Er bekommt gar einen dreißigjährigen,und das erweckt den Neid der dort ansässigen, kriegslüsternen (225 ff.)Kohlenbrenner. Der alte Weinbauer aber feiert ein ländliches DionysosFest inmitten der Familie (241 ff.), muss sich dann aber, von den Köhlernmit dem Tode bedroht, jämmerlich rechtfertigen, borgt sich dafür, um jarecht armselig auszusehen, von Euripides die Fetzen, mit denen dessen bejammernswerter König Telephos auf die Bühne gekommen war (404f f. )7a,und klagt nun die athenische Bündnerpolitik an, die für alles Elend verantwortlich sei. Er tut das natürlich als Komödienfigur mit Komödienbegründungen (v. 499 f. sagt er das selbst);so habe der gegenseitige Raubvon ein paar schicken Hürchen die Handelsblockade Megaras ausgelöst(524 ff.).

Einige der aufgebrachten Köhler beginnen zu schwanken, andere aberrufen empört den waffenklirrenden Athenergeneral Lamachos zu Hilfe(572 ff.), doch den verhöhnt Dikaiopolis ob seiner Kriegsdrohung gegenalle Peloponnesier (620) und verkündet im Gegensatz zu ihm allen Peloponnesiern, Megarern und Böotern Frieden (623). Mit lobenden Wortenüber den Mut des Verfassers dieser Komödie, offen die Wahrheit zu sagen,zieht dann der Chor aus alten Bauern über die Bühne und klagt dabei,

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umsonst bei Marathon gesiegt zu haben, wenn die Stadt ihnen nun nichtsbiete als Streit und Prozesse. Der Chor zieht ab, auf die Bühne kommt einverarmter Megarer, der in einem Sack zwei Ferkel verkaufen möchte, undes sind dies seine Töchterlein, denen er das Grunzen beigebracht (729–817)! Ein Denunziant wird abgefertigt, und dann kommt ein Thebaner(eigentlich also ein „Feind“), um Handel zu treiben, und Dikaiopolis lässtes mit Einverständnis des hier mithandelnden Chors zu, trotz allem Gekeife eines Denunzianten über den Blockadebruch. Den aber gibt Dikaiopolis dem Thebaner wohlverpackt mit heim, denn diese Spezies gibt es inTheben nicht (904–958). All denen, die mit gutem Grunde ihn um etwasFrieden bitten, spendet er ihn in Form von Wein, nur der kriegswütige Lamachos wird übel verspottet, als er, der sich doch so kriegslüstern gab, nunebenfalls etwas von der verbotenen Ware haben will (959 ff.). Er mussohne das abziehen, und als er dann, lendenlahm gekämpft, heim gehinktkommt (1190), wird er verlacht. Dikaiopolis aber zieht ins Haus, zwei süßeMädchen führt er an der Hand und lässt sie genüsslich seinen gewaltigenPhallos hochhalten. Mit „Jucheh“ zieht man von dannen.

Was geschieht da auf der Bühne? Ist Dikaiopolis ein Mensch, ein Athener, wie man ihn täglich sah, oder ist er ein „Starker Hans“ aus Utopia,dem Dinge möglich sind, die andere nicht können? Nun, er beginnt alseiner der vielen arg gebeutelten Bauern von Acharnaí, enttäuscht von derverlogenen Politik der athenischen Machthaber. Aber dann verwandelt ersich in einen Überstarken, der von sich aus Frieden schließen kann. Auchder Chor verwandelt sich aus neidischen, wütenden Köhlern zu klagendenMarathon-Veteranen, aus zunächst blind Regierungstreuen zu Männern,die dem Tun des Dikaiopolis zustimmen und am Ende gar mitfeiern möchten (1044 ff.). Der Winzer wird überwirklich kraftvoll, wenn er für seineigenes Glück sorgt und jubelnd sogar den General verlacht. Doch solcherJubel erhebt sich überall vom Boden bitterer Not, überspielt die harteWirklichkeit, die hier fabulierend für kurze Zeit außer Kraft gesetzt wird.Nur der Chor klagt, und er klagt bitter. Der Zuschauer geht am Ende erheitert aus dem Theaterraum, es könnte so sein, wie er es eben gesehen,schön wär’s ja, aber draußen ist alles anders. Wie weit ein solch utopischesSpiel mit all seiner Kritik der Politiker auf diese einwirkte, können wirnicht abschätzen. Kleon jedenfalls fühlte sich persönlich verleumdet undging vor Gericht (Schmid [1959] 184), wurde aber abgewiesen. Des Dichters Klage über die „allzu rasch beschließenden und dann wieder allzurasch umbeschließenden Athener“ (v. 630 ff.) in der Ratsversammlungallerdings ist ebenso mutig wie bitter. Bitter auch die Klage zu Beginn darüber, dass die Männer es nicht eilig haben, in die Versammlung zu gehen,draußen herumstehen und lässig umhergehen, sich dann hereinkommendnur um die besten Sitze balgen, statt über den Frieden zu reden (17 ff.):

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„Von Seife hat’s mir noch niemals an den Augen so weh getan wie jetzt,wo ich mit ansehen muss, wie leer die Pnyx hier ist, wo doch eine Hauptversammlung für den Morgen anberaumt ist, aber die einen auf demMarkt herumschwatzen, auf und ab spazierend dem roten Seile aus demWege gehen (mit dem man zur Versammlung treibt). Nicht mal die Vorsitzer sind da, und wenn sie dann eintreffen, dann kommen die Leute,schubsen einander wer weiß wie um die vorderen Sitze, aber um den Frieden geht es ihnen nicht in erster Linie. Oh Stadt, oh Stadt! Ich aberkomme (von weit her) und setz’ mich immer wieder als der Allererste inden Rat, und bin ich dann mal wieder ganz allein, dann ächz’ ich, gähne,recke mich, furze, langweil’ mich, mal’ was in den Sand, fahr’ mir durchsHaar, überlege was. Dabei schau’ ich in die Ferne, hinaus aufs Land, sehn’mich nach dem Frieden und finde die Stadt ganz scheußlich, gier’ nachmeinem Dorf …“, so könnte man die Verse etwas freier übertragen.

Am Anfang also etwas immer gleich bleibend Menschliches, dann dieUtopie. So gut wie alles bleibt dabei im Äußerlichen, noch führt der Dichter nicht unter die Oberfläche, bis auf diese wenigen Verse ganz am Anfang (30 ff.), in denen Dikaiopolis, gelangweilt und einsam im Versammlungsort sitzend, sich nach seinem Lande draußen sehnt: Hier kommt unverstelltes Empfinden zum Vorschein. „Die Wolken“

Sind der Paphlagonier und der Wurstler in den „Rittern“ aus Alltagsderlingen hinauf potenzierte Popanze, so erwacht in den „Wolken“ voruns auf der Bühne mit lautem „Au weh“ ein ganz gewöhnlicher, aus demLeben gegriffener Athener, ähnlich dem Winzer aus Acharnaí. Er befindetsich in einer besonderen Lage, in der sich aber wohl viele Väter damals befanden: Er wälzt sich morgens noch vor dem Hahnenschrei schlaflos vorSorgen, die Diener schnarchen noch, obschon es Zeit wäre, das Licht zubringen. Aber den Lampen fehlt das Öl – das war früher alles anders (43)!Damals und heute, es wird noch mehr solcher Kontraste in dem Dramageben: Stadt und Land (man erinnere sich an die Sehnsucht des Bauernnach dem Lande in Acharner 32), Drinnen und Draußen, Arbeit und Faulenzen, Alt und Jung und vor allem: Zufriedensein mit wenigem wirdgegen ewig mehr begehrendes Wohlleben gestellt sein. Der Krieg istschuld, er hat alles verändert. Unser Mann wird von Schulden geplagt,denn der Sohn gibt Unsummen für seinen Pferdesport aus. Wie war esdoch früher ruhig, klagt der Alte, als er noch auf dem Lande lebte, nochohne sein vornehmes Luxusweibchen aus der Stadt (47). Nein, die Dingemüssen anders werden, der Sohn muss bei den klugen Köpfen nebenan

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lernen, wie man Schuldansprüchen entgeht. Das sind tiefe Denker, die beiSokrates subtile Sachen erforschen (94 ff.): Die werden helfen können.

Sokrates – ein Wort dazu, dass der große Mann in den „Wolken“schlecht wegkommt. Der Sokrates des Aristophanes betreibt Naturkunde, was er bei Platon nicht tut. Wohl aber lässt Platon ihn im „Phaidon“(96 a 7 ff.) erzählen, dass er in seinen jungen Jahren unter dem Einflussdes Anaxagoras solches tat. Man wird den Philosophen der „Wolken“missverstehen, wenn man in ihm ein gehässiges Zerrbild sieht. Vieles vondem, was der Sokrates der „Wolken“ sagt und tut, ähnelt dem, was derreale Sokrates tat und sagte;Aristophanes hat ihn wiedererkennbar gemacht. Aber zugleich muss er für die gesamte Sophistik seiner Zeit herhalten, von der man nicht ohne Berechtigung sagen kann, dass sie (ob siees nun wollte oder nicht) die traditionellen Wert- und Göttervorstellungen und dazu die herkömmliche Erziehung in Frage stellte. Die Behandlung, oder auch: Misshandlung des Sokrates zeigt, mit welcher Skepsisund mit welchem Abscheu manch ein Nachdenklicher den neuen Strömungen begegnete.

Der Sohn soll also bei dem so gearteten Sokrates das Rechtsverdrehenlernen, doch der Sprössling verdrückt sich, und so geht Strepsiades selberhin, um seine missliche Lage zu „drehen“ (das bedeutet sein Name, vgl.434 und 1455). Zunächst führt ein Schüler den Alten in die Mysterien derNaturerforschung ein, doch auf jede der wundersamen Erkenntnisse reagiert der Alte dem Schüler und bald darauf dem Meister selbst gegenüberin ganz inadäquater Weise. Wenn da zum Beispiel ein paar Figuren tief gebeugt in die Erde hinabschauen und, wie der Schüler erklärt, „das unterder Erde“ erforschen, nimmt der praktisch denkende ehemalige Bauer sogleich an, die suchten nach Trüffeln (184 ff.), und so geht es weiter.Obenwar von Antithesen die Rede. Eine der stärksten ist die zwischen einemauf die Ursachen gerichteten Fragen (so zerwitzelt es in den „Wolken“auch erscheinen mag) und dem ganz anderen, praktischen Sichnen in den Realitäten. Im Folgenden erinnert Strepsiades immer wiederdie Belehrenden an sein eigentliches Anliegen, die Tricks der Zahlungsverweigerung (167, 434 ff. usw.), doch davon ist wenig die Rede, vielmehrerschüttert ihn die Leugnung des Sokrates, dass es Götter und einen Zeusgebe (226, 246, 380 usw.). Dies Credobekennt Sokrates nun auch vordem Chor der Wolken, der mit einem herrlichen Lied hereinwallt (275 ff.).Sokrates betet zur Luft, zum Äther und zu den Wolken als Gottheiten.Später (380) wird er dann über ihnen den „Dinos“, den Wirbel, ansetzen,was als Parodie der damaligen naturphilosophischen Suche nach dem Ursprung von Bewegung gelesen werden mag. Einstweilen erklärt er, dass esdie Wolken seien, die Klug- und Schlauheit verleihen (317 f.), und dieseletztere erscheint dem Schuldengeplagten denn auch besonders begeh-

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(320 ff.). Die Wolken versprechen, dass er bei Sokrates einschlauer Rechtskenner werden würde (466 ff.).

Nun beginnt die Lehrzeit, doch erneut reagiert der Alte auf alle Lehrversuche falsch, so zum Beispiel auf den echt sokratischen Versuch, demGegenüber zur Selbsteinsicht zu verhelfen.Sokrates geht mit dem neuenLehrling ins Haus und gibt sich alle Mühe, während der Wolkenchor seinParabasenliedsingt, in dem der Dichter stolz bekennt, er peile nichtseichte Effekte an, sondern seine Komödie „komme ihr selbst und denWorten vertrauend daher“. Er sagt: „So bin ich als Dichter, aber prunkenwill ich nicht“, wohl aber lobt er sich, denn immer Neues bringe er undMutiges (544 ff.). Und doch habe man ihn bei der Beurteilung der „Ritter“schlecht bewertet, die „Wolken“ aber seien nun sein „schlaustes Stück“(522).

In der Zwischenzeit hat Sokrates den alten Mann versucht zu belehren,umsonst: Beim Atem, beim Chaos, beim Äther, so schwört er, nie habe ereinen Dümmeren mit einem kürzeren Gedächtnis erlebt! Alle Unterrichtung über Metrik, Grammatik und derlei mehr fruchte nichts; und Strepsiades ärgert sich, dass er nichts übers Rechtsverdrehen erfahren habe(738 f.). Kein Wunder, Sokrates ist solchen platten Alltagsdingen viel zuweit entrückt (740 zum Beispiel), und der Alte kommt, wenn er an eineLösung seiner Not denkt, nur auf Groteskes (780 ff.: Gefragt, wie er sichdas Entkommen aus der Schuldverpflichtung vorstelle, antwortet er, erwerde sich halt umbringen). Da hat der Wolkenchor ein Einsehen undheißt den Vater, seinen Sohn statt seiner lernen zu lassen, und rät dabeidem Sokrates, sich einen solchen Fang nicht entgehen zu lassen (804 ff.).Man fragt sich mit einiger Spannung, wie das wohl ausgehen werde.Diehehren Wolken geraten hier ins Profitliche hinab! Der Sohn kommt, undnun kippt der Vater das Halbwissen, das er sich angeeignet, über demSohne aus, verdreht dabei in belustigender Weise aber alles, und so gehtdenn am Ende der Sohn in die Denkerschule, um „die stärkere und dieschwächere Rede“ zu erlernen (882 f., man erinnert sich an 113), also das,woran der Vater scheiterte.

So angekündigt, treten – während Sokrates drinnen den Sohn Pheidippides (ausgerechnet „Der an Pferden spart“ ist sein Name) belehrt – zweisolcher „Reden“ auf, im Grunde Vertreter zweier unterschiedlicher Erziehungsweisen. Es entspinnt sich ein an Epicharm gemahnender Wettstreit(„Agón“),wobei die „rechte Rede“ die konservative, die „schlechteRede“ die moderne Denkweise repräsentiert, dies nun aber nicht in abstrakter und dogmatischer, das heißt ganz unlustiger Weise, sondernimmer ins lächerliche Extrem fallend. Die „rechte Rede“ fordert (961 ff.),man müsse die altehrwürdigen Texte auswendig lernen und sich sittsambenehmen, und dies bis zu dem Exzesse, dass ein Knabe, der auf Sand ge-

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den Abdruck seines Hinterbrötchens verwischen müsse, um die homophilen Männer nicht zu reizen (975)! Man müsse die Alten ehren, sichabhärten und die Mädchen meiden: So werde man „ganz marathonischkraftvoll und kriegstüchtig, anders als die verweichlichend falsche Erziehung, die der Lust nachgeht, das Schöne hässlich und das Hässliche schönnennt bis hin zum lustvollen Liebesabenteuer“ (997). Die „schlechte Rede“widerspricht stracks, lobt die Fähigkeit, allem geltenden Recht zu widersprechen (1040), und liefert gleich ein Beispiel, indem sie die „rechteRede“ nach Strich und Faden zerpflückt, und kommt dann, indem sie sichPheidippides zuwendet, zu dem Aufruf: „Nutze Deine Kraft, spring’, lach’und halt’ nichts, was Spaß macht, für hässlich“ (1078, vgl. Thukydides 3,83). Die „rechte Rede“ macht sich geschlagen davon, die „schlechte“ undder Sohn verschwinden mit vollem Einverständnis des Vaters im Denkerhaus.

Der Chor warnt: „Geh’ nur, ich fürchte aber, du wirst es noch bitter bereuen!“ (1114). Während der Chor noch die Richter um den Sieg für dasDrama bittet, erscheint Strepsiades in 1131 mit einem Sack Mehl auf demRücken zum Lohn für Sokrates und singt, nachdem Sokrates ihm versichert hat, dass der Sohn „gelernt“ habe (1150), ein Jubellied: Nun sei derSchrecken bald vorüber. Man kennt solche Jubellieder kurz vor demUntergang aus der Tragödie.Wie ein tragischer Held hat auch Strepsiades sein Schicksal selbst entschieden: Falsches Selbstbewusstsein hat ersich angeeignet und damit gewappnet, schickt er nun hohnlachend einenGläubiger nach dem anderen mit leeren Händen fort, um dann zufriedenmit dem Sohn, dem er’s gezeigt hat, wie man’s macht, ins Haus zu gehen.Der Chor weiß, was geschehen wird.Und in der Tat kommt der Vater mitdem Sohne zeternd aus dem Haus gerannt, der schlaue Sprössling hat denUmsturz aller Werte gelernt und den Vater samt der Mutter tüchtig durchgewalkt. Jetzt wird der Alte zu der Einsicht gebracht, er habe selberSchuld, ähnlich dem tragischen „Nun erst sehe ich ein!“Er kehrt zuralten Art und Religion zurück, aber auch dies in ganz verkehrter Weise:Statt alle Schuld bei sich zu sehen, zündet er dem Sokrates seine Denkerbude an.

Die „Wolken“ sind im Unterschied zu den „Acharnern“ und „Rittern“ein facettenreiches und dazu ein zweischichtiges Stück. Zweischichtig, weilan der Oberfläche eine geradezu miese Handlung abläuft, die, von Strepsiades vorangetrieben, auf seine von ihm selbst verschuldete Katastrophezusteuert und mit einem ebenso miesen Racheakt endet. Denn Sokrateshat ja an der Niederlage des Alten wenig Schuldund wird dennoch hartgeschädigt, obschon seine anklingende Kunst, Menschen zur Selbsterkenntnis zu führen, hier dringend notwendig gewesen wäre. Die zweiteEbene liegt „unter“ dieser Oberfläche, liegt im Inneren des Vaters. Er hat

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Geld- und Erziehungssorgen, dann verfällt er, als er sich an die falschenLehrmeister wendet, in intellektuelle Notlagen und vermag nicht, sich zueiner Gründe und Ursachen suchenden Geisteseinstellung aufzuschwingen (woraus ergötzliche Inadäquatheiten entspringen), und wird am Endein bitterste Enttäuschung gestürzt, ja vom Sohn verprügelt, obschon derChor gewarnt hatte. Und er weiß am Ende auch, dass all das seine ganzeigene Schuld ist. Unter der erheiternden Oberfläche liegt also eine gewissauch heiter gefärbte, eigentlich aber bittere Schicht inneren Geschehensund leidvoller Seelenzustände. Diese Schicht hat eine geradezu tragödiengleiche Struktur. Facettenreich ist das Drama zu nennen, weil daseben Beschriebene von allerlei Beiwerk umflochten ist, so zum Beispielvom Agon der beiden Reden und darunter liegend von einer ständig spürbaren Antithetik: Stadt und Land, Vordem und Jetzt, Alt und Jung, Philosophie (oder was von ihr beim Zerspielen übrig bleibt) und eng praktisches Denken.

Strepsiades ist kein Popanz mehr wie in den „Rittern“, auch kein anfänglich „normales“, sich dann aber zum Starken Hans aufschwingendesWesen, er ist ein einfacher athenischer Bürger, der unter dem Kriege undunter der modernen Unbotmäßigkeit von Sohn (und Dienerschaft) undeinem Leben leidet, das nicht eigentlich seines ist, dann, rettungslos überfordert, sich eine phantastische Abhilfe ausdenkt, am Ende aber bar allerIllusionen hart auf den Boden der Realität zurückstürzt. Schmerzhaft wirder nach böser Irrfahrt wieder zu dem, was er eigentlich ist: ein attischerBauer (1457). Nahe der Tragödie, ist dieses Drama ein „sehr komplexesdichterisches Gebilde“, wie Lesky (1993, 489) schrieb, komplex nicht zuletzt dadurch, dass es sehr viel mehr vom Menschen als Menschen zeigt alsdie Stücke bisher. „Der Friede“

Das Jahr 424 war ein Unglücksjahr für Athen gewesen. Der großartigeSpartaner Brasidas hatte sich auf dem Landwege nach Thrakien bis in dieChalkidike durchgeschlagen und brachte dort etliche Gemeinden zum Abfall von Athen, nahm Amphipolis am Strymon-Fluss und setzte sich in denBesitz der Goldminen am Pangaion-Gebirge. Ferner waren die Athener ineiner großen Schlacht am Apollo-Heiligtum in der Nähe von Tanagra (beiDelion: Thukydides 4, 76, 4) von den Böotern geschlagen worden. Im folgenden Jahr sandte Athen seinen Kleon nach Thrakien, und vor Amphipolis fielen 422 er sowie Brasidas.Nun begannen Friedensverhandlungen,und kurz vor Abschluss eines fünfzigjährigen Friedens erschien das Stückdes Aristophanes auf der Bühne.

Das Spiel verläuft geradlinig in drei Etappen: Ein athenischer Wein-

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Trygaios mit Namen („Hefler“), von seinem Weingut durch diespartanischen Verheerungen vertrieben, weiß nicht mehr, wie er die Familie ernähren soll (119 ff.). Er beschließt, es wie der Bellerophon des Euripides zu machen, der auf einem Flügelross gen Himmel fuhr, und so fliegt erauf einem Reittier, einem gewaltigen Mistkäfer, zu Zeus, um ihn um Frieden anzugehen, um Frieden für alle Griechen (93, 105). Nun die zweiteEtappe: Droben angekommen, findet er Zeus und die Götter bis auf Hermes verreist. Der war zurückgeblieben, um auf die Habe der Gottheitenaufzupassen (ausgerechnet er, der Gott der Diebe). Hermes erlaubt esnach langem Bitten, sehr gegen den Willen des Herrn Polemos („Krieg“),der so gern ganz Hellas in einem Mörser zerstampft hätte (236–288), demChor aus Vertretern sämtlicher Griechengemeinden, die Göttin Eirene(„Frieden“), die Zeus in ein Loch gestopft hatte, herauszuzerren (511).Es sind dabei die Bauern, denen es nach langer Mühe der anderen endlichgelingt. Die Göttin (eine große Puppe) erscheint, und Hermes erklärt, wiees zu dem Kriege überhaupt kam: Als Phidias, der Freund des Perikles,Gold beim Ausrichten des Parthenon-Tempels auf der Akropolis unterschlagen und so seinen Freund kompromittiert hatte, zettelte der zur Ablenkung einen großen Krieg an (605 ff.), und die kriegswütigen Völkerschaften verjagten den Frieden (624, 637). So verkamen die Bauern (625).Nun aber ist der Friede endlich wieder erschienen, und im dritten Teil desDramas übergibt der Gott die Eirene samt Opora (706), der Fülle, undTheoria, der Rateingeberin (713), dem Trygaios, der verjüngt (wie derDemos der „Ritter“: 861 ff.) die Theoria dem athenischen Rat überlässt(846, 873), Opora aber als Braut mit sich nach Hause nimmt, um daheimsein ganz eigenes Friedensfest zu feiern (wie der Dikaiopolis der „Acharner“). Doch zuvor wird geopfert und zur Eirene gebetet, und zwar in Worten (987 ff.), die für das Athen dieses Jahres hoher Ernst waren und dieman frei etwa so wiedergeben könnte: „Zeige dich ganz, so edel du bist,uns, deinen Verehrern, die wir uns nach dir sehnen nun schon dreizehnJahre! Hindere die Schlachten und die Tumulte, auf dass wir dich ‚Kriegsauflöserin‘ nennen. Beende unser Misstrauen gegeneinander, das fein undunbemerkt sich einschleichende, das wir untereinander ausschwatzen, undlasse in uns Griechen einfließen den Saft der Freundschaft, wie es am Anfange war, und benetze unseren Sinn mit mildem Verzeihen!“

Dann aber regiert wieder der Spaß, und Trygaios weist in einer Reihevon Szenen mit kontrastierten Personen einen Orakel plärrenden Seher(dem es doch nur ums Essen geht: 1050) mit dessen eigenen Sprüchen ab(1112), lässt einen Sichelschmied mitspeisen (1197), einen Waffenhändlerund andere Hersteller von Kriegsgerät dagegen nicht (1210 ff.). Den Knaben seiner Hochzeitsgäste, die, fehlunterrichtet in der Schule, nur Kriegslieder kennen und sie hier vortragen wollen, verweist er den scheußlichen

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Gesang (1270 ff.). So ist am Ende der Weg frei, nun alle und auch den Chorder Bauern zum großen Schmause einzuladen, und es ist auch an der Zeit,etwas sehr Menschliches zu tun, nämlich die Opora zu genießen.

Sicherlich ist Trygaios eine Kraftnatur und wird zum überwirklichenStarken Hans wie Dikaiopolis in den „Acharnern“ und in seiner Art auchder Wurstmacher der „Ritter“; gewiss ist auch das ganze Stück ein Traumspiel, ausgelöst allerdings durch eine sehr real bedrückende Lage, undzweifellos bleibt alles Geschehen an der Oberfläche. Aber hier und dakommt verborgen auch eine Sehnsucht zum Ausdruck, die wohl diemeisten athenischen Bürger und Bauern spürten, und kommen Sorgen zurSprache, die alle bedrückten: die Sorge, wie es nun nach dreizehn JahrenKrieg weitergehen werde. Doch nicht nur um diese Sorge geht es; man istauch unglücklich ob der kriegshetzerischen Schulerziehung, eine Sorge,die seither nur zu berechtigt geblieben ist; hinzu kommt die bittere Erinnerung daran, wie rücksichtslos Athen mit seinen geduldigen Kämpfernumzuspringen pflegte (1172 ff.): Man ließ ihnen vor dem Ausmarsch nichteinmal Zeit, das Nötigste mitzunehmen; dazu die Selbstzerfleischung derBürgerschaft durch grenzenloses Misstrauen jedes gegen jeden (993), welches das Klima der Stadt vergiftete und welches die freie Meinungsäußerung, die doch ein heilsames Regulativ ist, völlig unterband. Was die Sehnsucht angeht, so sehnt der in der Stadt eingepferchte Bauer sich nach demheimatlichen Land, ja nach dem geliebten Vegetabilischen überhaupt, demAckern, dem Wachsen, dem Gedeihen (1140 ff. und 1318 ff.). Und nichtvergessen sei die kleine, aber aussagekräftige Selbstdemaskierung desWahrsagers: In Notzeiten wuchert das Unwesen der Zukunftsdeuterei, dieDeuter aber haben nicht das Wohl der Stadt im Auge, sondern Sattwerdenund Profit (1093 ff.). Freilich waren bisher die Prominenten, allen voranKleon, von solchen komödiantischen Reduzierungen und Demaskierungen umspielt; aber dass nun auch die kleinen Alltagsbürger hiervon ergriffen werden, ist neu in dem uns vorliegenden Werk des Aristophanes. Esverwundert allerdings nicht mehr nach dem, was in den „Wolken“ an innerem Geschehen zu spüren war. „Die Vögel“

Als dieses sehr langeund doch fest in sich geschlossene Stück des Jahres414 v. Chr. beginnt, sieht man zwei müde Männer ratlos über die Bühneirren. Es sind dies Peisetairos (so stellt man heute die Namensschreibungher), das heißt „Der beratende Freund“, mit einer Krähe auf der Hand,und Euelpides („Der gute Hoffnung hegt“) mit einer Dohle. Ein Tierhändler hatte sie ihnen angedreht, als sie nach einem Vogel fragten, wel-

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den Weg zum Wiedehopf wüsste, zum Wiedehopf, der einst KönigTereus gewesen, jetzt nach seiner Verwandlung Herr unter den Vögeln sei.Die beiden Männer sind Athener, die auswandern wollen und sich vonden weit umher schauenden Vögeln Auskunft darüber erhoffen, wo eseine Stadt gibt, in der man in Ruhe und gut leben könnte (128 ff.). Mit einigem Glück finden sie die Behausung des Wiedehopfes, der gibt auch Hinweise, aber alle vorgeschlagenen Städte haben irgendwelche Nachteile. Daweiß Peisetairos, obschon eigentlich ein Feind der Vögel (die von denMenschen ja gern verspeist werden), endlich für sich und die Tiere Rat:Man müsste selber eine Stadt, und zwar fern der Menschen in den Wolkengründenund sich zu Herren der Lüfte machen, indem man den die Götter nährenden Opferduft von der Erde nicht mehr durchlässt und ihnenauch verwehrt, weiter frei auf die Erde hinab zu ihren Liebschaften zureisen (193, 557 ff.).

Gesagt, getan: „Auch von ihren Feinden lernen Kluge mancherlei“(375), so willigt der Wiedehopf ein. Man will daraufhin alle Vögel zusammenrufen lassen, und so weckt der Wiedehopf die Nachtigall in einemüberaus zarten Liede, und dann auch alle anderen in einem nicht minderschönen Ruflied.Es ist vielleicht einen schwachen Versuch wert, dasLied so wörtlich wie möglich zu übersetzen, mit dem der Wiedehopf dieNachtigall weckt (209/222):

„Auf, du Gefährtin mir, ende den Schlaf, lass’ frei die Weisen heiligerLieder, die du klagst durch göttlichen Mund um meinen und deinen vielbeweinten Sohn Itys! Helle klingend in schnellem Gesang aus flatternderKehle strömt klar der Klang durch die Laubestressen der Eiche zum Sitzdes Zeus, wo ihn der goldhaarige Phoibos vernimmt, deinem Trauerliedeauf elfenbeinziselierter Phorminx antwortet und dann ordnet den Reigender Götter. Aus unsterblichen Mündern strömt mit dir zusammen klingend der Seligen göttliche Klage.“ Man entdecke einmal eine Nachtigallim dichten Eichenlaub, betrachte ihre flatternde Kehle und staune überdie Kunst des Dichters, das Flattern der Kehle durch sein „elelízomené“(213) wiederzugeben; aber besonders schön ist, wie die Klage der in eineNachtigall verwandelten Königstochter Prokne im Olymp von Apoll saitenschlagend und von den Göttern dazu singend und tanzend beantwortetwird.

So gerufen, kommen alle, vom Flamingo bis zum Specht.Nach anfänglicher Skepsis folgen die Tiere dem Rat des Menschen, dieses „verschlagenen Geschöpfes“ (451 f.), das den Vögeln beweist, eigentlich seien sie undkein anderer die Herren der Götter und Menschen (467 ff.). Die Göttereinschränken und die Menschen sich verpflichten durch Vertilgung vonHeuschrecken und Ameisen und durch Aufzeigen verborgener Goldadernund Schätze, sie auch vom teuren Götterdienst entlasten, das ist der Plan.

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Die Stimmen der Vögel vereinigen sich nun zu einem Chorlied (676 ff.).Die Nachtigall eröffnet (jetzt nennt auch der Chor sie „Sangesgefährtin“:678, vgl. 209), dann fallen die anderen ein, und es entsteht ein Gesang vonschöner Kraft, gerichtet an die Menschen, die da „von einem im Dunkellebenden Wesen, gleich der Art der (rasch gilbenden) Blätter, wenigeskönnend, geformt aus Lehm, ein schattenhaft schwaches Geschlecht“ sind(685 f.; hier mischt sich Homerisches [Ilias 6, 146] mit Pindarischem [Pyth.8, 95]); untermischt wird das Lied allerdings, wie es der Komödie ansteht,mit einigen Seitenhieben: Sie singen zunächst eine Kosmogonie aus derVogelsicht, die mit der Werbung endet, sie, die Vögel, als Götter zu verehren (723 ff.). Dann erklingt ein herrlicher Musenanruf (737/752), auf dendann ein ins Grotesk-Komische abfallendes Versprechen folgt (755/768:Unter Vögeln dürfe man zum Beispiel sehr wohl seinen Vater verprügeln,757). Dann aber schwingt sich der Gesang erneut zur Höhe, zu einemklangvollen Lied über den Singflug der Schwäne (769/784), und wiederlässt das Singen und Sagen sich hinabfallen ins deftig Zotige, um dieLacher zu reizen. Es lohnt sich, diese Dichtung aufmerksam und mit offenem Sinn für das schöne Wort zu lesen.

Nun aber zurück zur „Realität“ der Vogelstadt. Sie erhält einen Namen(819), nämlich „Wolkenkuckucksheim“, man trifft Vorbereitungen für denMauerbau, opfert fürs Gelingen, und während dann droben gemauertwird, tritt – das Vorhaben der Vögel wird inzwischen ruchbar gewordensein – ein Poet auf, der Lobeshymnen anbietet, ferner ein Wahrsager, derWahrsprüche offeriert; ein Landvermesser, der genaue Pläne zu liefernsich erbietet, und auch noch ein Gesetzeshändler – alle werden sie grobdavongejagt und geprügelt (Peisetairos will halt keine Stadt wie die, der erentfloh). Nein, der Vogelchor verkündet jetzt seine eigenen Gesetze, Gesetze gegen Vogelfang und Vogelmord (1077/1083; sie werden bis heutegrob missachtet). Doch es bleibt nicht beim Verbieten, jubelnd singen dieVögel Verse voller Seligkeit sommerlichen Vogellebens und glücklichenÜberwinterns. Dann ist die Stadt fertig, doch auf einmal wird die Lufthoheit grob verletzt: Iris, die Götterbotin, hat sie gebrochen, sie will zu denMenschen und sie mahnen, weiter Opferdüfte emporzusenden (1231 f.).Hier beginnt eine zweite Serie von Abfertigungen (siehe Anm. 24). Iriswird mit Schimpf und Schande davongejagt. Nach ihr erscheint ein Botevon drunten, von den Menschen: alle Welt ahme den Vogelstaat nach, mangebe sich bereits Vogelnamen, ja man wolle aussehen wie Vögel! Peisetairos befiehlt nun, so viele Federn herbeizuschaffen für die Menschen wiemöglich, und er treibt die Vögel mit der Peitsche an (1335 f.) – so weit wäreman also wieder!

Und noch jemand kommt von unten: Ein junger Mann singt begeistertvom Adlerflug, aber warum kommt er zu den Vögeln? Nur, weil er weiß,

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dass es in der Vogelwelt so eingerichtet ist, dass die (zur Reife gekommenen) Söhne ihren Altvögeln gegenüber unabhängig werden und sichdurchsetzen, sie hacken und prügeln (1347 f.). Das gefällt ihm, aber Peisetairos fertigt ihn mit der Bemerkung ab, er solle sich lieber bewaffnen undin Thrakien für Athen kämpfen.Der ebenso dürre wie dümmliche Dithyramben-Poet Kinesias, den Lesky (1993, 468) vorstellt, wird gleichermaßen schroff abgefertigt, dann aber erscheint ein wunderlicher Mann,der sich unter einem Sonnenschirm verbirgt: Es ist Prometheus, der nichtvon Zeus erblickt werden möchte (1494 ff.), und der meldet, dass die Götter hungern. Und in der Tat, es kommt auch schon dieserhalb eine Abgesandtschaft der Olympier: Poseidon, Vielfraß Herakles und ein Barbarengott „Triballos“, der in lustiger Weise nichts so recht versteht (1572, 1628,1678). Man schließt einen Vertrag: Peisetairos erhält die Jungfer Basileiavon den Göttern und damit die Königsherrschaft über den Vogelstaat. DieVögel aber erhalten die Lufthoheit und Herakles bleibt zum Essen! Athenische Rede- und Rategewandtheit hat der Vogelwelt also den Sieg gebracht, und mit einem herrlichen Hochzeitslied (1731 ff.) klingt das Spielaus.

Die Menschen des Aristophanes – hier sind es zunächst zwei gebeutelteAthener, mit denen man mitzufühlen bereit ist, zwei sehr reale Vertreterder einfachen Bürger. Wieder ist es ein Traum,um den es geht, ein mächtiger, beglückender und dieses Mal auch ein gesangerfüllter Traum. Undwieder ist es ein „Starker Hans“, der am Ende ein beseligendes Weibchenerhält. Erneut zeigt ein athenischer Dichter, wozu die menschliche Phantasie fähig ist, zu welcher Lust und zu welcher Wortschönheit. Aber es mischen sich auch dunkle Töne in das schöne Bild: Wieso traktiert Peisetairos Vögel mit der Peitsche und wieso brät er (1583) Vögel? Gut, er nenntsie Aufrührer und sagt, sie seien deswegen hingerichtet worden, aber hattees nicht eben noch geheißen, Vogeltötung dürfe es nicht mehr geben(523 ff.)? Und dann verzehrt der Mann, ein „tyrannos“ (1708), die gebratenen Vögel auch noch selber (1688; anders N. Dunbar, Aristophanes Birds,Oxford 1995, 720, dem ich nicht folge). Man muss nun nicht nach haargenauen Analogien zu Vorgängen in Athen fahnden wollen, wovor Newiger(1975, 277) zu Recht warnt; aber es scheint doch so zu sein, dass der erfolgreiche Peisetairos das Maß zu verlieren beginnt. Zumindest angedeutet istdie leider allzu menschliche Hybris, die ja auch eines der gewichtigstenThemen des Thukydides war.Und nicht nur dies anklingende schwergewichtige Thema lässt die „Vögel“ sich über die Ebene eines bloß lustigenSpiels erheben; auch die Sentenz 375 f. („Kluge Menschen lernen auch vonihren Feinden gern“), der herrliche Gesang des Wiedehopfes (209 ff.) unddes Chors, der sich schier zu pindarischen Höhen beim Bejammern desMenschenlosen aufschwingt, geben dieser schönen Komödie hohen Rang.

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Der Name der Protagonistin, die „Heerauflöserin“ heißt, nennt bereitsden Gegenstand des Spiels von 412/411: die Beendigung des Krieges. Ersoll auf zwei Wegen zu einem Ende geführt werden: Die Frauen erhebensich von ihren Webstühlen und Kocharbeiten, übernehmen das Regiment,indem sie sich zum einen den Kriegsschatz der Männer aneignen und siezum anderen durch Ehestreik gefügig machen, und beenden so das Leid.Dieses sehr streng gebaute Drama nimmt trotz seines Kriegsthemas nichtBezug auf ein konkretes Ereignis, obschon dazu wahrlich genug Gelegenheit gewesen wäre: Das gesamte Expeditionsheer der Athener wurde 413in Siziliengefangen genommen und verkam nun in den Steinbrüchenvon Syrakus (die gewaltige, erschütternde Höhle, das „Ohr des Dionysios“, kann man heute noch aufsuchen), Attika wurde erneut verwüstetund auch die Silberminen von Laureion gerieten in Feindeshand.

Lysistrate hat alle Frauen, die von Athen und die von Sparta, zum Burgberg (also ins Dionysos-Theater) gerufen. Sie schlägt, um die Männer willig zu machen, einen Ehestreik zuhause vor und draußen die Besetzungder Burg mit dem Kriegsschatz. Man stimmt zu, die Spartanerinnen gehenheim, die Athenerinnen ziehen auf die Akropolis, um das Beschlossene insWerk zu setzen (111/253). So geschieht es, und nun kommt ein Chor älterer Männer heran, um die Frauen zu vertreiben (ausräuchern will mansie), ein Chor von reiferen Frauen verteidigt die eingenommene Burg, begießt die Männer und ihre Feuerbrände (349/469) und verjagt gar denPolizeihauptmann samt seinen Schergen (462; 608). In der folgenden Verhandlung zwischen den Frauen und dem Polizeihauptmann weist derAmtsinhaber darauf hin, dass die Männer doch nur den Staat retten wollen (497); Lysistrate antwortet, dass allein die Frauen dies vermöchten,und klagt mit ergreifenden Worten über das Geschick der Frauen im Kriege: Zwar durchschauten sie die Unsinnigkeit der Kriegsbeschlüsse, dürftenals Frauen aber nicht mucksen. Nur immer arbeiten, immer nur ertragen,das sei ihr Los gewesen (507 ff.). Der Amtmann wird böse und will voneiner Frau derlei nicht hören, will vor einer Haube nicht weichen. Da ergrimmt nun auch Lysistrate, stülpt dem Mann die Haube über den Kopf,die anderen Frauen greifen zu und staffieren den Mann hohnlachend alsFrau aus (532 ff.). Danach beschließen sie, den Männern den Beischlaf zuverweigern (551 f.), um sie gefügig zu machen, selber dann das Regimentzu übernehmen und so den Staat „auszuklopfen“ und „umzukrempeln“,wie Lysistrate mit einem Bild aus dem Bereich der weiblich-häuslichenWollarbeit sagt (574 ff.). Und erneut klingt Bitteres an: In der Zeit, in dereine Frau sich ihres jungen Lebens freuen sollte, sie, die doch (im Süden)rasch verblüht, da muss sie, wenn der Mann im Kriege, im Bett alleine lie-

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und in ihrer Kammer still dahinaltern. Und kommen die Männerdann, selber gealtert, wieder heim, nehmen sie die Jungen, und die, welcheausgehalten haben, müssten dann traurig zurückschauen auf ihren einstvergangenen „kurzen Frühling“ (596), und doch sind es die Frauen, dieden Männern die Knaben gebären zum Hoplitenkampf (590)!

Auch die nachfolgende Auseinandersetzung in der Parabase zwischenMänner- und Frauenchor (614 ff.), bestehend aus gegenseitigen Beschimpfungen, gewinnen die Frauen, aber dann naht Unheil: Die Frauen, eingeschlossen in der Burg, spüren allmählich Liebesverlangen, doch Lysistratebleibt hart, so auch ihre Gefährtin Myrrhine, die vorgibt, ihren gequältenMann erhören zu wollen, ihn aber in erheiterndster Weise hinhält undkurz vor der Erfüllung davonrennt (979).

Der Polizeihauptmann und sein spartanischer Kollege treffen sich, insichtbarer Not mit gestrecktem Phallos daherschleichend (1073), und sindnun endlich fürs Verhandeln, wollen unter dem Druck in ihren Leiberndas Volk dazu bringen, Verhandlungsführer zu entsenden (1009 ff.). Erneuttreten die Chöre auf, die Männer höchst unanständig, die Frauen, scheinbar mitleidig, verdecken die Scham der Männer unter allerlei Spott. Derathenische Ratmann und sein spartanischer Kollege kommen herbei undbeteuern nun endlich ihren Friedenswillen. Da erscheint Lysistrate miteinem süßen Weibchen, der „Versöhnung“ (1114), und die zieht Athenerund Spartaner an ihren Schweifen zu sich heran und bewirkt den Schwurdes Friedensschlusses: „Der Feind (die Perser) steht vor der Tür, und ihrvernichtet euch gegenseitig!“ (1133 f.). Das Ende ist ein tolles Fest.

Nur im Allgemeinen ist dies Stück ein Friedensstück, es nimmt aufkeine besonderen historischen Ereignisse Bezug; es plädiert aber für denFrieden in einer umso stärkeren, erschütternden Weise, wenn die Frauüber den stummen Gehorsam klagt, den der Mann ihr auferlegt, und überihren rasch vergehenden Lenz, wo sie es doch ist, die dem Staat die Kämpfer für die Phalanx gebiert. Es ist ein fest in sich geschlossenes Gebilde, esintegriert den Chor (diesmal aus zwei Teilgruppen, aus Männern undFrauen), und man soll nicht zu genau fragen, wie glatt die beiden Strategien der Lysistrate – Eroberung der Burg draußen und zuhause der Ehestreik – miteinander verfugt seien.Ein utopisches Traumglück steht amEnde, voller Verspieltheit, aber auch voll Trauer. Es wird gerade an diesemDrama deutlich, wie Aristophanes seine erheiternden Bühnengeschehnisse auf einem dunklen Grunde aufruhen lässt, wie er dem Lachen dieTrauer beigibt.

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Bei dieser Komödie des Jahres 405 oder 404mildert nur weniges denEindruck eines scharf zweigespaltenen Stückes. Immerhin bleibt dieHauptfigur, der zumeist etwas läppische, doch autoritär befehlende, dickliche Theatergott Dionysos auch im zweiten Teil sich gleich. Zweigeteilt istdas Spiel insofern, als im ersten Teil der Gott, mittels Löwenfell und Keuleals Herakles drapiert, samt seinem Diener sich auf die Reise in die Unterwelt macht, um einen „rechten“ Tragöden (71) aus dem Hades wieder ansLicht zu bringen, nachdem die Bühne keine Kraftgestalten mehr kennt(407/06 stirbt Euripides, rund 50 Jahre nach Aeschylus). Die Reise wirddes Längeren in mehreren lustigen Episoden beschrieben. Dann aber, beiPluton im Hades angelangt, beginnt der zweite, ganz anders geartete Teil:die Auswahl des besten Tragöden. Aber bleiben wir einstweilen bei derReise.

Die Route wird von Herakles erfragt (109 ff.), der ja schon einmal drunten war (136). Dann beginnt die Fahrt. Sehr erheiternd ist nun, wie derGott, als es richtig gefährlich wird angesichts all der Hadesungeheuer, denDiener bittet, die Kleider zu wechseln und sich für Dionysos auszugeben,sie dann aber zurücktauscht, wenn es angenehm wird. Doch zunächst mussder Gott den Charon-Kahn über den Unterweltsee rudern, wobei die Frösche ihn mit ihrem berühmten „Brekekekex-Koax“ begleiten (209 ff.),muss an der fürchterlichen Empusa vorüber, dann mit den Mysten wallen,die ihren Dionysos besingen, ohne zu wissen, wer da mitwallt. Endlich istman an Plutos Tür (440). Auf das Klopfen hin erscheint dessen Türsteherund beginnt lauthals zu keifen, als er des vermeintlichen Herakles ansichtig wird, der ja seinerzeit den Höllenhund Kerberos gestohlen hatte(467 f.). Nun wechselt der verängstigte Gott mit dem Diener rasch dieKleidung. Aber da kommt eine hübsche Magd voll der besten Erinnerungen an den kräftigen Herakles (503) und lockt den vermeintlichen Liebhaber von damals, und sofort muss der ältliche Diener die Heraklesder wieder herausrücken, muss sie allerdings gleich wieder tauschen, alsdie Wirtinnen des Unterwelt-Hotels erscheinen und schimpfend unbezahlte Rechnungen präsentieren (549 ff.). Als nun der Türsteher mit Schergenkommt, um sich am „Herakles“ zu rächen, und Dionysos in Dienerkleidern leugnet, der Hundedieb zu sein, und der Diener in Herakles-Kleidernabstreitet, je die Unterwelt aufgesucht zu haben, da muss der Türsteherdurch eine Prügelprobe herausfinden, welcher der beiden ein Gott ist: Werschreit, ist es nicht. Eine grob-lustige Folterszene bringt keine Entscheidung, der Herr der Unterwelt soll selber entscheiden (670). Ein Zwischenlied des Chores tritt aus dem Spiel heraus und mahnt die Zuschauer zurBesonnenheit in schwieriger politischer Lage und zum Verzeihen, wenn

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Männer unter ihnen vordem einmal mit den Oligarchen sympathisiert hatten (687 ff.; siehe Anm. 33): Man brauche in der Notlage jeden! Das Liedgefiel, wie gleich gezeigt werden wird, den Zuhörern außerordentlich.

Nach diesem Appell des Chores beginnt die von Anfang an geplanteHeimholung des „rechten Dichters“ (71), und zwar so, dass Dionysos den„rechten“ erst einmal auswählen und sich zwischen Euripides und Aeschylus, man könnte sagen: zwischen den Extremenentscheiden muss. In demnun folgenden heiteren Wettstreit, bei dem die Wörter der Dichter danngar gewogen und gemessen werden sollen (797 ff.), geht es um die Kunst,sich von der Alltagssprache zu der höheren der tragischen Bühne aufzuschwingen (841, 937 ff., 1058), ferner um die Außerkraftsetzung der altenGötter durch Euripides (891 ff.), danach um Spieltechnisches, und da umdie seltsamen schweigenden Spielanfänge des Aeschylus (911 ff.) und umdes Euripides raffinierte Wortkunst (956), die er stolz als Belehrung desPublikums in Sachen Rhetorik versteht (954, 971 ff.), wohingegen Aeschylus sich damit brüstet, die Jugend nicht zu solchem Wortverdrehen, sondern zum Kämpfen fähig und bereit gemacht zu haben (1013), und bei alldem spielt Dionysos trotz aller Autorität, mit der er den Wettstreit ordnet,weiterhin die Rolle auch des Spaßmachers (Radermacher [1954] 331), obschon die Thematik zu immer Gewichtigerem hinführt, so besonders zuder Frage, ob der Tragöde Unmoralisches auf die Bühne bringen dürfe,wie Euripides es tue (1053 ff.). Der Dichter solle doch vielmehr die Jugendzu Gutem führen (1054),nicht aber zu Wortklauberei und respektloserWiderrede wie bei Euripides (1072). Nach solcher Gesinnungsprüfunggeht es zurück zum Technischen, und es werden beider Dichter Prologeuntersucht, wobei es zunehmend possenhaft zugeht, indem Aeschylus dieGleichförmigkeit euripideischer Prologanfänge dadurch lächerlich macht,dass er zeigt, wie man in so vielen Anfangsversen des Konkurrenten nachdem ersten schweren Einschnitt ein „kam er um den Salbentopf“ anfügenkönne, zum Beispiel lade „In Argos landend“ (1208) dazu ein, so ein „kamer um den Salbentopf“ anzukleben.Dann aber werden die Chöre desAeschylus in ganz ähnlicher Weise überprüft. Sie scheinen nun wiederumdem Euripides so schablonenhaft, dass man nach jedem Satz ein „flattotratt, flattotratt“, das die Musik- bzw. Zitherbegleitung nachäfft, anbringenkönne (1285 ff.), so wie wir heute ohne Schwierigkeiten Schlager dadurchlächerlich machen können, wenn wir nach jedem Satz ein „Wummtawumm“ einflicken, das den Discofox-Rhythmus imitiert.

Aeschylus revanchiert sich, indem er Lieder des Euripides verspottet(1305 ff.), doch nach allem Prüfen und Streiten ist nichts entschieden, undDionysos ist ratlos, also muss ein anderes Entscheidungsmittel als sein Geschmack herbei, nämlich eine Waage (1365). Jeder soll nun schwere Wortedort hineinsprechen, bis der Schiedsrichter „Kuckuck“ ruft (1380: Was für

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ein Einfall!), dann wird gewogen. Auch dies verschlägt nichts, und so mussdenn der Herr der Unterwelt selber urteilen. Der befragt dazu beide nachihren politischen Gesinnungen (1422 ff.) und äußert auch selber Ratschläge zu Gunsten des gequälten Athen.Am Ende nimmt Dionysos den mit,der seinem Herzen näher steht, nämlich Aeschylus (1471), und entlässt ihnzum Segen der Stadt nach oben (1500 ff.). Einen eindeutigen Sieg konnteAeschylus ja nicht erringen, so muss denn das „Herz“ des Gottes sprechen(1468). Ihm gefallen die Kraft und Gesinnung des Aeschylus, er bewundertaber und ist (eher intellektuell) fasziniert von der Raffinesse des Euripides; aber für Athen ist Aeschylus, so scheint ihm, wichtiger.Aber mandarf nicht verkennen, dass Aeschylus dabei keineswegs heroisiert wird,Möllendorff (2002, 164) betont dies zu Recht: Der alte Dichter greift janicht selten zu unlauteren Mitteln (1404 f.) und sucht sein Heil in zunehmendem Maße bei Clownerien: Aber man bedenke, dass die Komödie janicht der Ort für ernste Belehrung ist, sie lässt gern die Dinge offen, undso wird man sich auch hier vergeblich fragen, wie Aristophanes nun selbergeurteilt habe.

Viele der hier scherzhaft vorgetragenen Dichtungsfragen haben in derdamaligen theoretischen Diskussion ihren Ursprung, das macht vor allemder Kommentar von L. Radermacher (1954) sehr deutlich. Aber nicht diesist der tragende Grund des Dramas. Das Drama ist ein Lustspiel aus vielScherz und Spaß, auf dem Grunde auch schwieriger Probleme der Literaturtheorie; aber etwas anderes gibt trotz aller Clownerie dem Stück seineBasis: die Not Athens. Gewiss, wir lesen eine Komödie aus Albernheitenund interessanten Literaturproblemen zugleich und mögen dabei staunen,wie in den Jahren größter politischer Gefährdung ein so heiteres Stückentstehen konnte; aber es ist ja nicht zu übersehen, dass der Chor ganzernst spricht, wenn er zur Eintracht rät, und dass am Ende mit großem Bedacht von Alkibiades gesprochen wird (1422 ff.), der ja große Siege errungen hatte, die Bengtson (1959, 248 f.) in Erinnerung bringt. Dann aber, desOberbefehls entsetzt, hatte er sich auf seine Besitzungen zurückgezogen:Gab es Gedanken, ihn zurückzuholen, wie Radermacher (1954, 339) vermutet? So kommt doch etwas von der Sorge des Atheners Aristophaneszum Vorschein, im Liede des Pluto sogar Schimpf und Häme gegen dieüblen Machthaber (1504 ff.). Jedenfalls schien den Athenern der hoheErnst im Aufruf des Chores zur Versöhnung so sehr aus dem Herzen gesprochen, dass sie die „Frösche“ späterhin noch einmal aufführen ließen,worüber Schmid (1959, 358) informiert.

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Im Sommer 405 verlor Athen seine letzte Flotte und mit ihr Tausende vonKämpfern, die gefangen genommen und hingerichtet wurden (Xenophon,Hist. Graec. 2, 1, 32); der Seebund fiel auseinander; der spartanische Flottenführer Lysander sperrte die Dardanellen, das heißt Athens Kornzufuhraus der Schwarzmeerküste, und das spartanische Landheer verheerte dasattische Land: Athen war am Ende, es musste gar den Spartanern Kriegsdienste leisten.Ist dies der Grund dafür, dass nun auf einmal auch dieKomödie des Aristophanes sich verdüsterte? In dem Spiel der „Frauen imParlament“, den „Ekklesiazusai“ vom Jahre 392 oder 391, übernehmen dieFrauen das Regiment, indem sie in die Volks- oder besser: Männerversammlung gehen und als Männer verkleidet dafür stimmen, dass ein Ratder Frauen die unter Krieg und Misswirtschaft leidende Stadt regiere.Aller Privatbesitz soll abgeschafft, alles soll abgeliefert und neu verteiltwerden, Gemeinschaftsspeisung wird eingeführt, und kein Mann darf zueiner hübschen Jungen, bevor er nicht eine Alte befriedigt hat. DiesesDrama hat gegenüber den früheren einige Besonderheiten aufzuweisen.

Wenn der Chor in den früheren Stücken seine Parabase beendet hatte,pflegten in einer Reihe kleiner Szenen stadtbekannte Figuren an den Helden des Stücks heranzutreten, zum Beispiel Feldherren, Waffenmacher,Priester, Denunzianten, usw. Sie wurden je nach ihrem äußeren Tun undBeruf davongejagt oder angenommen. Immer waren es die Hauptpersonen, die urteilten, und immer waren es Standes- oder Berufseigenschaften,nach denen geurteilt wurde. Es handelte sich hier um eine fest gewordeneSpielform.In den „Ekklesiazusai“ ist das anders. Nach der Chordarbietung tritt ein Mann auf (727 ff.), der bereit ist, seine Habe abzuliefern. Neuist, dass sich nun nicht eine Richterszene abspielt, sondern der einzige Gesprächspartner des Mannes ist ein zweiter Athener. Beide Männer tragenkeine deutlich im Text erkennbaren Namen, scheinen also anonym und typisch. Der eine folgt also dem Aufruf der Frauen und inszeniert eine„mock Panathenaic procession of his household goods“,der andere istskeptisch, wie er in einem Selbstgespräch durchblicken lässt (746 ff.), willerst einmal abwarten, wie sich die Dinge entwickeln (769, 772). Aber nichtnur dieser Charakterzug zeichnet den Mann aus, er zieht auch das Nehmen dem Geben vor; Nehmen, das sei gute Väterart (778), das täten jaauch die Götter, deren Standbilder die Unterarme und Hände vorstreckten in Erwartung einer Gabe.Das Neue an dieser Szene ist, dass hier Gesinnungstypen einander gegenübergestellt werden, wobei die Gesinnung des Skeptikers erst allmählich zutage gebracht wird; mehr noch: Als plötzlich eine Meldung vom Frauenrat kommt, das Gemeinschaftsessen sei bereitet, da entpuppt sich der Zurückhaltende als gar nicht mehr zögerlich,

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sondern rennt zum Markt und zur kostenlosen Speisung (853). Man hat andiese Szene die Frage gestellt, ob sie vielleicht zeigen sollte, wie wenigwirksam das Regiment von Frauen sei,hat auch vermutet, Aristophaneswollte den Staat gegen solche Parasiten in Schutz nehmen.Dabei warlängst das Richtige von W. Süss ausgesprochen worden,und es ist auchschon geklärt, was diese Szene spieltechnisch an Neuem bringt: eine fortschreitende „Selbstdemaskierung“.

Hernach folgt statt der Parabase die Darstellung, was aus dem zweitenHauptteil des Beschlusses im Frauenrat wurde: Ein junges Mädchen wartet auf ihren Liebsten (877 ff.), mit ihr aber wartet auch eine Alte auf einenMann, und als nun der Erwartete erscheint, gibt es ein wüstes Gerangelum seine Gunst, bis zwei noch Ältere auftauchen, das junge Mädchen verscheuchen und den Jüngling ins Haus zerren (1049 ff.). Dann ruft eine angetrunkene Heroldin zum gemeinsamen Mahl, Tänzerinnen erscheinen,und im Jubel marschiert der Chor samt Heroldin und Tänzerinnen von derBühne.

Die „Ekklesiazusai“ sind unter dem Aspekt von Kommunismus, vonMann und Frau, Arm und Reich und vielem anderen besprochen worden;festzuhalten scheint aber, dass die ganze späte Komödie von einem Schatten überzogen ist, alles ist gedämpft, alle Vorhaben verlaufen im Sande,unliebsame Typen tauchen auf, nichts hat Erfolg, und wenn jemand erfolgreich ist wie die alten Weiber, dann bleibt ein fader Nachgeschmack,undden Schluss hat man immer schon getadelt.Die Buntheit der vielen verschiedenen Versmaße in den früheren Stücken ist aufgegeben, der iambische Trimeter herrscht (Schmid [1959] 372), und mit ihm eine gewisse Eintönigkeit. Die Hauptakteure, die Führerin der Frauen und der Chor, werden im Verlauf des Stückes in einer bis dahin unerhörten Weise an denRand gedrängt und verschwinden ganz wie die anfangs führende Frauoder spielen eine Nebenrolle wie der Chor.Die Zeit der fröhlichenKraftgestalten ist vorüber. Doch das Hauptthema dieses Buches verlangtnach einem anderen Ausblick auf das Drama: Auch früher gab es bereitsSelbstdemaskierungen, so zum Beispiel in den „Vögeln“ die des Wahrsagers, der am Ende sich doch nur als gefräßig entlarvt. Aber dass eine solche Selbstdemaskierung derart breit ausgespielt wird und dazu als Gegenüberstellung von Gesinnungstypen, anscheinend gar ohne Namen, dashatte es zuvor nicht gegeben in dem erhaltenen Werk des Aristophanes,das heißt, es bezeugt sein wachsendes Interesse an den Motiven von Bühnengestalten und an den charakterlichen Widerwärtigkeiten von Normalmenschen, und von hier führt dann der Weg zur Neuen Komödie, auch zuMenander.

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In dieser Komödie aus dem Jahre 388 wird zu Beginn ein armer Mann gezeigt, der beim delphischen Orakel nach einer Möglichkeit angefragthatte, seiner Armut zu entkommen. Es gehe, so eröffnet er dem Gotte, garnicht so sehr um ihn selber, sondern um den Sohn: Soll der rechtschaffenleben oder unehrlich, um voranzukommen? Er bekommt die dem euripideischen „Ion“ ähnelnde Antwort, er solle dem ersten folgen, dem er beimVerlassen des Heiligtums begegnen würde. Es war dies ein alter, schäbigerBlinder. So folgt er denn mit seinem Diener Karion dem Alten und ärgertsich, dass der nur schweigt und nicht sagt, wer er sei.Der arme Mann,Chremylos mit Namen, nennt sich selber rechtschaffen und gottesfürchtig(28), obschon seine Frage an den Gott die Zuschauer kaum davon überzeugen konnte. Man ist von der Rechtschaffenheit des Chremylos auch imweiteren nicht überzeugt, stimmt er doch dem Sklaven bei, als der vorschlägt, um den Blinden loszuwerden, ihn vor eine Schlucht zu stellen,damit er hineinfalle (69 f.). Nun spricht der Mann: Er sei der Reichtum(78), den Zeus aus Beneidungder Menschen geblendet habe. Würde erwieder sehend werden, würde er nur noch zu den Guten gehen (95 ff.), undso geht er denn auch ins Haus des „rechtschaffenen“ Chremylos, der unumwunden zugibt, das Geld mehr zu lieben als Weib und Sohn, den „icham meisten liebe nach dir“ (251).

Chremylos ist nun reich geworden, das Gerücht davon hat sich verbreitet, und so kommt ein Freund herbei. Dem Neureichen ist sein Glückschon zu Kopfe gestiegen, denn er begrüßt den Freund nicht mehrwie sonst, sondern hoch gestelzt.Der Freund, ein Normalmensch, wieFlashar (1975, 416) verdeutlicht, kann sich gar nicht vorstellen, dass seinFreund auf ehrliche Weise reich geworden sein könnte, kennt er ihn dochvon ganz anderen Seiten (360, 365), Chremylos ihn aber auch (380 f.): Soentlarvt man einander gegenseitig, man kennt sich, und die Ironie desDichters ist unüberhörbar, unüberhörbar auch der Anschluss an dieSelbstentlarvungen in den „Ekklesiazusai“. Ironie umspielt nun auch dieSzene, in der die Personifizierung der Armut („Penia“) auftritt:Sie seinotwendig, sonst würde ja niemand mehr, reich geworden, an Arbeit denken und, da nur die Armen rechtschaffen, würde die Stadt ihre Rechtschaffenheit verlieren (569).

Nach dem Agontritt als Hauptperson der Dienerdes Chremylos,Karion, auf, und an ihn heran tritt ein Mann, der zum neuen Gotte will,zum Plutos, um ihm zu danken. Hinter ihm drein kommt ein Diener, derihm einen zerschlissenen Mantel und löchrige Schuhe nachträgt. SeinHerr, ehemals ein Reicher, der durch Wohltätigkeit verarmt war, also ein– so scheint es – Ehrenmann durch und durch, will dem Gotte seine frühe-

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Kleider und Schuhe weihen (844), die Karion zu Recht ironisch alsuraltbezeichnet: „Das sind ja süße Gaben“ (849). Nach ihm erscheint einDenunziant, und seine Szene ist dadurch bestimmt, dass er seine widerliche Art nur allmählich offenbart, und dies verbindet den „Plutos“ erneutdeutlich mit den früheren „Ekklesiazusai“. Nicht viel anders steht es mitder folgenden Szene, in der eine Alte auftritt, toll geschminkt; sie klagt,dass ihr junger Liebhaber, den sie bisher für seine Dienste entlohnte, nunreich geworden, nichts mehr von ihr wissen wolle. Und wie geldversessen,nicht aber ehrlich hilfsbereit der Mann ist, zeigt er selber, als er betrunkenauftritt und die arme Alte übel verspottet. So macht er seine „schmutzigeGesinnung“ (Flashar 427) selber erkennbar. Aber letztlich sind alle hier,bis auf Plutos und Penia, unredliche Charaktere, die ihre Unredlichkeitselber schrittweise demaskieren. Das, was in den früheren Komödien nurein Unterton war, das Offenlegen von inneren Motiven und verborgenenGesinnungen, wird im „Plutos“ zum tragenden Gedanken. Das Stück istnicht mehr politisch im Sinne einer Bezogenheit auf bestimmte Ereignisse.Darum tragen mehrere Personen auch keine Eigennamen mehr, sondernBezeichnungen wie „Ein Gerechter“.Es beginnt die Zeit der „Typen“,wie Silk (2000, 231) es ausdrückt. Die Komödie ist auf dem Wege zu Menander.

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Menander

Aristophanes ersinnt Hoffnungsbilder, Bilder eines erträumten Friedensund gar Jubeldaseins, ersonnen inmitten des allmählichen Untergangs derHeimatstadt aufgrund verfehlter Politik und verfehlter menschlicher Reaktionen; nur zum Ende seines Schaffens wird aus Athenischlichem ein Menschliches überhaupt. Menander,dessen Sinnen undTrachten längst den engen Umkreis seiner Heimatstadt Athen verlassenhatte und damit der Kritik engstirniger Politik und Politiker entwachsenwar, ihn reizten nur noch die Gemütsbewegungen des Menschen überhaupt; er ersinnt äußerliche Irrungen und Verwirrungen, um das Innereder Handelnden und Reagierenden offen zu legen, ihre Fehler und auchihre kleine, private Größe, zum Beispiel die Größe fester Treue, mutigerSelbstüberwindung oder anderer Kennzeichen eines guten Charakters.

Charakter – bevor wir zu den Texten übergehen, um das eben Gesagte zubelegen, ein Wort zum Begriff des „Charakters“. Das griechische Wort „charaktér“ meint das Bild auf dem Prägestock des Münzmeisters, das Münzbild, das sich, auch wenn es tausendmal verwendet wird, nicht ändert. Diesem Begriff entsprechend scheint auch Menander seine „Charaktere“ angelegt zu haben: Er scheint davon auszugehen, dass ein Mensch ein festes,unveränderliches Grundmuster des Verhaltens besitzt, das in seinen Grundzügen keinem Umsturz unterliegt, wohl aber je nachdem, wie äußere Lagenauf den Menschen einstürmen, doch auch Varianten zulässt und zeitweiligeÄnderungen der Nuancen. Die Grundmuster des Verhaltens also bleiben,unter dem Druck der Verhältnisse aber kann es zu kurzzeitigen Abweichungen kommen; ja man kann, wenn man klug ist, günstige Varianten selberherbeiführen, und das nennen die Menschen dann Reifen. Dies, so scheintMenanders Komödie zu lehren, sollte jeder Nachdenkliche wissen, um vorbereitet zu sein. Sein Leben

Wenig Gesichertes ist über Menanders Leben überliefert. Eine anonymeantike Abhandlung „Über die Komödie“berichtet, seine Eltern seienangesehene und wohlhabende Bürger im athenischen Stadtteil Kephisiagewesen (den gibt es als „Kifisia“ heute noch). Diese Nachricht, falls siezutrifft, würde bedeuten, dass Menander nicht für Geld zu schreibenbrauchte, anders: dass er schreiben konnte, wie ihm zumute war und unabhängig vom Geschmack des großen Publikums. Der Sohn scheint 342/41v. Chr. geboren, gestorben 292/91 – verstummte also kaum über 50 Jahre

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alt. Ob der Jüngling wirklich seinen Epheben-Dienst, das heißt seine militärische Ausbildung mit anschließendem Grenzwachdienst zusammen mitEpikur ableistete, ist möglich,ist vielleicht auch nur eine schlaue Vermutung aufgrund von Anklängen in Menanders Stücken an epikureischeLehren (vgl. Epitr. 1084 ff.). Ähnlich steht es mit der Nachricht, er sei mitdem Philosophen Theophrast befreundet gewesen,dem Nachfolger desAristoteles in der Leitung der Schule und Verfasser der „Charaktéres“,übersetzt „Grundformen des Verhaltens“: Das waren dreißig Skizzenmenschlicher Schwächen, von denen man einige auch in Menanders Komödien wiederzufinden glaubte und daraufhin ein Freundschaftsverhältnis konstruierte. Vielleicht, aber dass die beiden bedeutenden Männerwirklich befreundet waren, kann gar nicht ausgeschlossen werden. Auchmit dem Aristoteles-Schüler Demetrios von Phaleron, diesem sowohl alsFeldherr wie als Politiker und Literat hervorragenden Mann, soll Menander freundschaftlichen Verkehr gepflegt haben, was Arnott für gesichert,Blume für gut möglich hielt. Noch näher an Menanders Kunst führt dieNotiz, er habe das Komödienschreiben von Alexis, einem Lustspielverfasser der älteren Generation, gelernt.

Menanders erstes Stück, die „Orgé“ („Der Zorn“) scheint 317/16 aufgeführt worden zu sein, aber auch die Zahl 321 ist überliefert.Es folgtennach antiken Angaben noch 107 Stücke, uns sind 97 Titel bekannt, wennsich hier auch Doppeltitel wie „Der Verhasste oder Thrasonides“ verbergen mögen. Äußerlichen Ruhm, das heißt Preise, brachten ihm nur wenigedavon ein, sehr im Gegensatz zu seinem gewaltigen Nachruhm, den zumBeispiel Blume (1998, 17 ff.) skizziert.

Es steht zu vermuten, dass es einmal eine Gesamtausgabe der menandrischen Stücke gegeben hat; sicher ist, dass sie im Schulunterricht verwendet wurden, denn sie waren leicht zu lesen. Doch abträglich wird gewesen sein, dass „verknöcherte Wortklauber“ wie der Grammatiker Phrynichos an Menanders Griechisch zu mäkeln hatten. Ob dieser Tadel dazubeitrug, dass keine Ausgabe auf uns gekommen ist, können wir nicht mehrabschätzen; jedenfalls sind uns nur Reste auf Papyrus und Pergamentüberliefert, teils bei Ausgrabungen zutage gekommen, teils beim Abrollenvon Mumienhüllen entdeckt. Erleichtert wurde die Rekonstruktion vonHandlungsabläufen durch den Fund von Szenenbildern auf Mosaiken,zum Beispiel im „Haus des Menander“ in Mytilene auf Lesbos,Bildern,die Augenblicke aus Komödien zeigen und sie auch mittels Beischriftenbestimmen. In entsagungsvoller und mühsamer Klein- und Feinarbeithaben Gelehrte seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts Fetzchen um Fetzchen zusammengefügt, bis dann endlich auf einem Papyrus des 3. Jahrhunderts n. Chr. ein so gut wie vollständiges Stück auftauchte, der „Dyskolos“(„Der Unangenehme“).

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Bevor wir uns dieser Komödie zuwenden, eine kurze Bemerkung nochzur Aufführungspraxis. Gespielt wurde auf einer Bühne, die gewöhnlichzwei Häuser aufwies, davor stand wohl ein Altar mit Kultbild, Bühnenmaschinen gab es bei Menander nicht. Die sprechenden Schauspieler (esgab deren maximal drei, stumme Akteure gab es zuweilen mehrere) trugen Masken, die typisiert waren; doch an diese Typisierung hielt Menandersich nicht immer: Ein Schauspieler mochte mit der Maske eines Soldatenauftreten, aber dass er deswegen ein grober Klotz sein musste, war nichtgesagt. Das Maskentragen stimmt sehr wohl zu Menanders Art, der zwarsehr fein zu differenzieren wusste, doch nie Individuen zeichnete, zu denenMasken nicht passen würden.Durch die Vorgabe nicht sehr zahlreicherMaskentypenscheinen die Komödiendichter nicht eingeengt gewesen zusein. Hinzu kommt etwas, was man aus moderner Sicht ebenfalls für eineEinschränkung halten könnte: das Stereotype der Handlungen. Vergewaltigung von freien Mädchen in Festnächten ist eine der üblichen Verwicklungsursachen, Raubzüge mit anschließendem Kinderverkauf eineandere. Aber ganz unerhörte „plots“ hat man nicht erfunden, man bliebim gewohnten Umkreis – warum? Man könnte zu dem Schluss kommen,dass die äußere Handlung überhaupt nicht das war, worein ein Dichter derNeuen Komödie seinen Ehrgeiz setzte. Das war vielmehr, so will es jedenfalls im Falle Menanders scheinen, das eher innere Geschehen, die voreiligen Meinungen, das Gekränktsein, die hinterlistige Geldgier und immerwieder die Demaskierung unlauterer Motive. So vorbereitet gehen wirnun zum Text. „Dyskolos“ („Der Unangenehme“)

Im Jahre 316 errang Menander mit diesem Stück an den Lenäenden ersten Preis. In ihm geht es darum, dass ein junger Städter, Sostratos,„gestern“ Athen verlassen und die wilden Landschaften im Norden aufgesucht hatte, um zu jagen. Im Dorf Phyle angekommen, hatte er die schöneTochter eines dort ansässigen, ebenso armen wie menschenfeindlichenBauern Knemon erblickt und sich sofort in sie verliebt (v. 50 ff.). Nun ist eram nächsten Tage, also „heute“, gleich frühmorgens wieder dorthin gegangen, diesmal in Begleitung eines Freundes. Leider hatte er zuvor denFehler begangen, taktlos nur einen Unfreien, einen Diener zu Knemon zuschicken, um Kontakt aufzunehmen (75). Der jagt den Unliebsamen grobdavon, und so kommt der Diener zu Beginn des Stückes in Panik auf dieBühne gerannt und verbreitet Schrecken vor dem Toben des alten Bauern.Auch der Freund, eben noch hatte er sich sehr gewandt gegeben, gerät inAngst: Angesichts des blitzartigen Entschlusses seines Freundes, das Mädchen sofort zu heiraten, und angesichts eines solchen Schwiegervaters,

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zieht er es vor zu verschwinden (129 ff.): eine der feinen, kleinen Demaskierungen Menanders; immerhin war derlei bei Aristophanes vorgebildet.Laut über die Belästigung vor sich hin schimpfend kommt nun Knemondaher – er war gut zwei Kilometer hinter dem Sklaven hergerannt! – undgeht, als er dann auch noch von Sostratos, der standfest am Ort gebliebenwar, angesprochen wird, unwirsch brummend in sein Haus.

Kurz darauf kommt aus eben diesem Hause die Tochter. Sie ist verzweifelt, denn eine Dienerin hat den Wassereimer in den Brunnen fallen lassen(190 f.). Sie will daher aus dem benachbarten Nymphen-Heiligtum das nötige Wasser holen, denn sonst werde der Vater die unachtsame Dieneringewiss „zu Tode prügeln“ (195) – so sorgt sich die Tochter, eine Freie, umdie Dienerin, eine Sklavin. Dies macht sie sympathisch und auch ihr Zögern, denn sie will, falls im Heiligtum eine Zeremonie stattfindet, nicht mitihrem Wasserholen stören (198). Diese Verzögerung eröffnet Sostratos,der sie hingerissenbetrachtet, eine Gelegenheit, ihr höflich zur Hand zugehen. Sie gibt ihm ängstlich das Gefäß, hat nur eines im Sinne, nämlichdas Wasser, wohingegen er sie entzückt beobachtet: „Welch feiner Anstand in diesem Landmädchen!“ (201 f.). Er ist ihr unrettbar verfallen, wieer selber feststellt (202 f.). Sostratos holt das Wasser, sie ruft ihn zu ihrerTür und geht; er ruft ihr ein „Alles Gute!“ und „Sorg’ für den Vater!“nach, dann ist er allein mit seinen Gedanken. Die Umstände erweisen sichals nicht eben günstig für seinen Heiratsplan.

In dem jungen Manne mischt sich Verliebtheit, blitzschneller Entschlussund Bangigkeit zugleich, dazu die Bereitschaft, von sich selber abzusehen,wenn er, ohne von sich etwas zu sagen, ihr „Alles Gute“ wünscht und siesich um den Vater kümmern heißt, statt zu versuchen, von sich selber zureden.

Rasch bereit, ohne viel zu überlegen, ist Sostratos auch in der nächstenSzene: Als der Stiefbruder des Mädchens, Gorgias, der neben Knemonwohnt, den Verliebten, den er zunächst für einen üblen Schürzenjäger hält(289 ff.), fortzuschaffen sucht, dann aber, durch ein Gespräch eines Besseren belehrt (315 ff.), ihm abrät, sich dem Vater zu nähern (338 ff.; 348 ff.), dameint der Sklave des Stiefbruders, der Alte würde nur mit jemandem sprechen, der selber ackere (367 f.). Und sofort ist Sostratos bereit, eine Hackezur Hand zu nehmen und sich aufs Feld zu begeben, auch wenn das Gerät„zwei Zentner wiegt“ (390 f.), wie dem Städter vorkommt. So bleibt ersich, das heißt dem Grundmuster seines Verhaltens und dem schnellenEntschluss, auch hier treu.

Ganz anders als dieser differenzierte Charakter ist die simple Art desKüchensklaven, der mit Sostratos’ Mutter und dem Mietkoch beim PanHeiligtum nahe Knemons Haus zu einem Opferschmause angekommen istund nun feststellen muss, dass ein Kochtopf vergessen wurde. Er, ein

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Großmaul, klopft ungestüm an Knemons Tür, schreit, will einen Topf borgen (vgl. Plaut. Rud. 133 ff.), allerhand Beleidigungen ausstoßend, man solleunverzüglich öffnen (459 ff.), redet frech mit dem Hausherrn, zieht dannaber, von Knemon angefahren, rasch ab (476 ff.). Simpel auch der Koch selber, der es mit feiner Redekunst besser machen will (487 ff.), aber, vom wilden Alten weidlich durchgebläut, ebenfalls abziehen muss (515). Das sinddie von Aristophanes her wohlbekannten kleinen Entlarvungen und Abfuhren; das ist ein Zwischenspiel etwas gröberer Art, als Gegenstück zudem feinen Spiel zwischen Sostratos und dem Mädchen, geschrieben fürden etwas derberen Geschmack, wie Blume (1998, 89) treffend urteilt.

Sostratos erscheint nun bald wieder, kreuzlahm (525 f.) von der Arbeitund doch wie magisch hingezogen zur Tür der Geliebten, nachdem Knemon sich nicht hat blicken lassen, und er, vom Stiefbruder des Mädchensaufgefordert, das Schuften nur zu gern und schnell abbrach. In seinemmonologischen Bericht spricht er dies „schnell“ nicht ohne Selbstironieaus (540) – Selbstironie: ein gegenüber Aristophanes neuer Ton in der Komödie. Rasch ist auch erneut sein Entschluss, den verständnisvollen Stiefbruder samt seinem Diener freundschaftlich zum Opferschmause seinerFamilie einzuladen, dies allerdings nicht ohne Hintergedanken an möglichen späteren Nutzen (562). Auch dem eigenen Diener, der bisher leerausgegangen war, lässt er „menschenfreundlich“ (573) etwas zukommen.

Da aber wird er vom Wehgeheul der alten Sklavin Knemons unterbrochen: Sie hat bei dem Versuch, den Wassereimer aus dem Brunnenschachtmittels einer Hacke herauszuholen, diese nun ebenfalls in den Brunnenfallen lassen, und Knemon wütet, will selber hinabsteigen und sich dabeinicht helfen lassen. Und doch klagt er nun auf einmal darüber, dass er allein und nur auf sich gestellt sei, so in 597, was auf die spätere Verhaltensänderung vorbereitet. Er versucht’s und – fällt hinein. Die Alte ruft umHilfe, der vorhin so hart angelassene Koch hört’s und rät, obendrein nocheinen Felsen auf den Widerwärtigen zu werfen (631), er lacht den Greisdort unten aus. Was für den herzlosen Kerl ein Rachefest ist, das wird fürSostratos, während der herbeigerufene, früher von Knemon lieblos behandelte Stiefbruder den Alten mit einiger Beihilfe des Verliebten rettet(669 ff.), zu einem Liebesfest („süße Augenblicke“): Er trug wenig zur Rettung bei, ließ sogar das Halteseil ein paar Male los (681 ff.), denn er betrachtete wie trunken die verzweifelte Tochter, tröstete sie, war „goldig“(675) zu ihr wie eine Amme: Verliebte können sich halt nur schwer auf Reales konzentrieren. Hier kam also nicht seine Fähigkeit zu raschem Zupacken zum Tragen, sondern sein Hang zum Tagträumen wie damals inv. 191 f. („O Vater Zeus, Apollo Paian, Ihr lieben Dioskuren!“).

Knemon hat, als er vom Stiefbruder selbstlos gerettet wurde, seinenFehler der Selbstisolierung in einem tragisch klingenden „Jetzt erkenne

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ich“ begriffen,er hatte nicht den bösen Zufall, der irgendwann jedenheimsucht, in Rechnung gestellt (715 ff.) und auch die menschenfreundliche Hilfe des Nachbarn nicht; nun hat sie ihn gerührt. Schwer geschunden und das Ende nicht mehr ferne spürend, vermacht er die Hälfte seinesBesitzes dem Gorgias, der Tochter die andere als Mitgift. Dann findet ereinige Worte der Rechtfertigung für sein zurückgezogenes Leben; guteWorte sind es (743 ff.), beherzigt, würden sie viel Verkehrtes verhindern,aber diese Art zu denken, will er niemandem mehr aufzwingen (747).Kaum ist die Frage der Mitgift geregelt, da präsentiert ihm der Erbe auchschon den Schwiegersohn: Sostratos habe mit Hand angelegt bei seinerRettung, und als der Alte den Jüngling gebräunt (754) sieht und vomErben hört, dass auch der junge Mann farme, gibt er (so wird es in einerTextlücke gestanden haben) sein Jawort, und der Stiefbruder spricht dieVerlobungsformel unter allerhand anerkennenden Redensarten. Sostratoswehrt das Lob gar nicht ab, verspricht vielmehr, nicht ohne einiges Selbstlob, noch Besseres (771) und bittet nun, überglücklich, seinen neuenFreund, seine Schwester zur Frau zu nehmen; endlich stimmt auch seinVater, nun auch zum Opferschmaus eingetroffen, trotz anfänglicher finanzieller Bedenken (der Bräutigam ist arm), gerne zu. Sostratos, der ebennoch (771) jegliches Selbstlob verurteilt hatte, „hebt das eigene Verdienstam guten Ausgang dieses Tages über Gebühr hervor. Das ist ein feinesBeispiel für Menanders subtile Ironie“ (Blume [1998] 95). Diese Ironie,die kleine Selbstüberhebung und Selbstüberschätzung (bei der Landarbeit) verhindert, dass Sostratos allzu golden erscheint. Mit einer furiosenRüpelszene (Koch und Sklave des Sostratos zerren den lahmen Knemonaus seinem Haus und zwingen ihn, am Fest- und Verlobungsmahl teilzunehmen) endet dieses Stück. Rückschau auf den „Dyskolos“

Nebensächliches wie zum Beispiel genaue Motivation von Auftritten undAbgängen einiger Personen oder die Frage, ob denn die Bräute überhauptgefragt wurden, das lässt Menander fort. Wesentlich war ihm vielmehr, seinen Figuren bestimmte Eigenarten zu verleihen, gröbere fürs gröbere Lachen, feinere für die Genießer feiner Ironie und feiner Lebensart undEmpfindungsweise. Dazu gehört auch das Spiel um die Belehrung – keineswegs Umkehrung! – des schwierigen Alten, der sein Grundmuster janur modifiziert: Er bleibt bei seiner Überzeugung, nur drängt er sie nichtmehr als Panazee auf; dazu gehört auch das Hervortretenlassen verschiedener Facetten im Charakter des Sostratos, und auch die Zeichnung desStiefbruders, der gern etwas weise und gewunden spricht, wenn er offiziell

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werden muss: Derlei können ja auch wir täglich in Dorf und Kleinstadterleben.

Wenn oben gesagt wurde, dass die menandrischen Handlungsführungenein nicht geringes Maß an Stereotypem aufwiesen, dann trifft dies auf den„Dyskolos“ nicht voll zu, denn Brunnenstürze wird es vermutlich nicht sooft als Mittel gegeben haben, ein Liebeshindernis zu überwinden. Aberwenn weiter gesagt wurde, dass die Handlung nicht das Wesentliche war,dann finden wir dies am „Dyskolos“ bestätigt, denn die Handlung ist äußerst einfach: Ein junger Mann verliebt sich, kommt der Geliebten wegendes wütenden Charakters des Vaters nicht näher, doch ein Zufallsereignisebnet den Weg. Was im „Dyskolos“ die Hauptsache ist, und darin wirdoben richtig geurteilt sein, das sind die Verhaltensweisen, denen denn auchviel Raum gewidmet wurde. Die interessanteste Person des Stückes ist gewiss Sostratos, nicht uninteressant scheint aber auch (neben Knemon) diedes Stiefbruders der Geliebten zu sein, dessen treuherzige Handlungsweise und dessen etwas gestelzte Ausdrucksweise dem unbekannten Städter gegenüber auf viel sorgsames Beobachten seitens des Dichters schließen lassen. Und wenn irgendetwas als „Lehre“ Menanders herausgehobenwerden könnte, dann wäre es dies, dass ein Miteinander besser ist alsabsondernder Ingrimm. „Epitrepontes“ („Das Schiedsgericht“)

Im Jahre 1876 fand Konstantin Tischendorf in einem Kloster auf dem Sinainicht nur den berühmten Bibeltext, sondern auch zwei Pergamentblättermit jeweils rund 20 Versen aus den „Epitrepontes“ und dem „Phasma“;1907 publizierte Gustave Lefebvre ein Papyrusbuch, das er in Ägypten ergraben hatte und worin sich auch ein großes Stück aus dem „Schiedsgericht“ befand.So können wir heute die Hälfte des ursprünglichen Textes vollständig, ein weiteres Sechstel in beschädigter Form lesen. Immerhinbieten auch diese Reste genügend Feinheiten, um den Enthusiasmus vonGelehrten und Liebhabern zu verstehen.

Die Vorgeschichte des Stückes ist nicht ganz so angenehm: Der jungeCharisios hatte vor etwa zehn Monaten ein nächtliches Frauenfest belauscht, und als sich zufällig ein hübsches junges Mädchen etwas weitervon der Gruppe entfernt hatte, griff er zu und tat ihr Gewalt an – einejener sich wiederholenden Grundstrukturen von Stücken dieser NeuenKomödie.Das Mädchen wehrte sich und zog dabei dem Mann einenRing vom Finger. Der junge Mann heiratete wenige Monate darauf Pamphile, Tochter des Smikrines, und ging gleich danach auf eine längere Geschäftsreise. Pamphile gebar nicht lange nach seiner Abreise heimlich ein

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Kind, sie hatte also schwanger geheiratet. Wir ahnen: Sie war es, der Charisios Gewalt angetan hatte, und ihr Kind ist auch seines, nur wissen esbeide nicht. Pamphile setzt das Kind, ein Ehehindernis, aus, gibt ihm aberTuch und Schmuck aus edlem Material mit und auch den Ring, den sieeinst dem Wilden entrissen hatte: Das Kindchen sollte, wenn gefunden, alsfrei erkannt und aufgezogen werden. Ganz so geheim war nun die Geburtnicht geblieben, und als Charisios heimkehrt, hat sein Diener Onesimos(„Der Nützliche“) nichts Eiligeres zu tun, als dem jungen Herrn davonMitteilung zu machen. Charisios, wie vom Donner gerührt und doch seineFrau im tiefsten Herzen liebend, ist verzweifelt und zieht sich in das Hausseines Freundes Chairestratos zurück, bestellt bestes Essen, guten Wein,mietet eine Harfenspielerin, die er aber nicht berührt (439 f.), und nun beginnt ein langes und teures Trinkgelage, in dem der unglückliche jungeEhemannseinen Kummer ersäufen will. Onesimos ist äußerst besorgt obder eigenen Schwatzhaftigkeit, die so viel Verwirrung schuf; der Schwiegervater Smikrines ärgert sich weniger wegen der Sittenlosigkeit als vielmehr wegen der Geldvergeudung (128 ff.). Als er auf die Bühne kommt,will er sich nach der Tochter erkundigen (wie sie das Ganze aufnimmt)und dann einen Aktionsplan entwerfen (162). So weit der erste Akt.

Den zweiten Akt könnte ein Zwiegespräch zwischen Smikrines undOnesimos eingeleitet haben, der den brummigen Alten unter allerhandVorspiegelungen von der Bühne schafft. Dann aber kommen wir auf festen Boden: Zwei ärmlich gekleidete Männer erscheinen, der eine mit seiner Frau, die ein Kind (302) und einen Beutel mit Sachen trägt. Es sinddies Daos, der Schafhirt, und Syros, der Köhler, mit seiner Frau (269).Daos hatte den ausgesetzten Säugling im Wald (dort ist es schattig, wasdem Kleinen eine bessere Überlebenschance bot) gefunden (244) undmitgenommen, hatte dann aber Bedenken bekommen, denn er war alleinund fürchtete die Unbequemlichkeiten, und als dann der Köhler den Hirten traf, von dem Funde hörte und um das Kind bat, da seine Frau ebeneines verloren hätte (268), gab Daos es her. Doch bald wollte der Köhlerauch Kleid und Schmuck haben, das aber wollte der Finder nicht herausrücken, und so kommen sie streitend auf die Bühne und beschließen,einen Vorübergehenden um einen Schiedsspruch zu bitten (219 f.); ein solches Anliegen war in Athen ja rechtsüblich (Arnott [1979] 407, Anm. 1).Smikrines kommt ihnen da gerade recht, und nach einigem Brummen lässtder sich auch herbei, den Fall anzuhören. Dem etwas ungewandten Hirtenwird bang angesichts der Redefertigkeit seines Kontrahenten, mit der dieser den Unwillen des Alten zerstreut (236 f.), und erzählt seinen Fall dennauch etwas holprig, spielt den Wert der Sachen natürlich herunter (276)und erhebt dennoch als ihr Finder Anspruch auf sie; er redet sich warmund am Ende beschimpft er den Köhler gar (285 ff.; Blume [1998] 109).

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Dann Syrus, der Gewandtere: Geschickt wirft er sich zum Anwalt desKleinen auf, die Schmuckstücke müssten ihm erhalten bleiben, damit erals frei Erkannter später auch eine standesgemäße Erziehung genösse,Löwen töten und Olympiasiege erringen könne.Das leuchtet Smikrinesein, und so spricht er den gesamten Fund glatt dem Köhler zu (353 f.).Schimpfend zieht der Hirt ab, und Daos prüft nun umständlich den neuenBesitz; dabei wird er von Onesimos beobachtet. Als man den Ring bespricht, wird der hellhörig und erkennt das Schmuckstück als das seinesHerrn (393). Flugs setzt er sich in den Besitz des Rings, um ihn dem Herrn„morgen“ zu zeigen (414; „heute“ ist man drinnen wohl zu trunken). Sobeginnt der Ring seine Wanderung „von Hand zu Hand“ (Blume [1998]110). Onesimos hat dann aber offenbar Mühe, den rechten Zeitpunkt zufinden; er hat auch Bedenken vor einer Aussöhnung seines Herrn mitPamphile, denn dann würde er mit seinem voreiligen Ausschwatzen alsStörenfried dastehen (424 f.). Während er sich so in düsteren Zukunftsaussichten ergeht (es ist inzwischen der nächste Tag gekommen), erscheint dieHetäre Habrotonon80a– eine der gelungensten Gestalten Menanders –und äußert sehr standesunüblich ihr Mitleid mit dem jungen Mann dadrinnen, dazu bedauert sie sich auch selber, die da unberührt von ihm nunschon den dritten Tag ohne Liebe lebt (438 ff.): Das soll den feinen Taktdes jungen Mannes zeigen, der zwar unbeherrscht sein kann, aber irgendwie auch seiner Frau die Treue halten möchte. Habrotonon wird nun Zeugin davon, wie der Köhler den Ring zurückfordert und wie Onesimos ihnnoch nicht hergeben will, wie er davon spricht, dass sein Herr ihn beieinem nächtlichen Tauropolienfest verloren habe.Nun hatte Habrotonon eben die Köhlersfrau beim Säugen eines Kindes gesehen, und als siehört, der mitgefundene Ring gehöre Charisios, erbietet sie sich, die Zusammenhänge geschwind erahnend, ihm das Schmuckstück zu zeigen, wasOnesimos ja bisher nicht geschafft hatte. Werde er alles zugeben, könne siesich dann auf die Suche nach der Mutter machen, an deren Vergewaltigung sie sich noch erinnert (476 ff.). Sie spielt dabei dem zögerlichen Diener vor, wie sie mit Charisios reden werde (517 ff.).Sie werde vorgeben,das, was mit dem Mädchen geschehen, sei ihr, der Habrotonon widerfahren: „Du warst so frech und draufgängerisch“, werde sie sagen (527 f.). Bewunderung und leiser Vorwurf, das müsse doch sein Ohr öffnen für diepeinliche Enthüllung. Onesimos ist hingerissen, träufelt aber, vielleichtauch aus Neid, Essig in den Wein: „Du tust das ja nur, um freigesprochenzu werden“ (539). Reines Lob ist dieser subalternen Figur nicht möglich.Habrotonon gibt jedoch sofort zu, dass sie sich für das Kleine einsetzenwerde, auch um die Freiheit zu erlangen (548), doch es gehe ihr zugleichum die Zukunft des „hübschen, armen“ (466) Kindes und der feinen, netten Frau (484), die sie bemitleidet. Dem Onesimos aber bangt vor denVerwicklungen. Und die kommen gleich.

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Interessant und erhellend ist die Studie der beiden Charaktere: DerMann ist schnell bei der Hand mit Vermutungen, ist ängstlich und unentschlossen, wohingegen die Hetäre rasch begreift, klug die Möglichkeitenabwägt und energisch vorgeht. Onesimos behauptet (515 f.) vorschnell,„jetzt begreife ich alles“, begreift aber gar nichts; auch sonst ist er reichlichlangsam (492 f., 511), misstrauisch Habrotonon und sich selber gegenüber(551 f.).

Dann ist – der Text lässt nicht erkennen, wie – auf einmal Smikrineswieder da und wird Zeuge davon, wie der Mietkoch Reißaus nimmt vordem Chaos, das Habrotonons Enthüllung drinnen im Hause des Chairestratos angerichtet hat, wo sich ja Charisios aufhält und wo er eben erfuhr,dass er Vater eines Kindes von einer Hetäre ist (646), die nun „Herrin imHause“ sein werde (629):Smikrines reagiert sofort: Die Tochter mussheim (657 f.)! Erneut irrt da ein Mensch von der Wahrheit ab, indem ernicht fragt. Er geht hinein in Charisios’ Haus, um mit der Tochter zu redenund sie nach Haus zu holen. Er kommt mit ihr auf die Bühne, und endlich erblickt der Zuschauer die Hauptpersonen, zunächst die Pamphile.Ihr rechnet der materialistische Vater die Kosten des Lebenswandels vor(749 ff.), den Charisios führt. Anstatt sich um das geschundene Seelchender Tochter zu kümmern, rechnet er ihr vor, wie wenig Chancen eine Ehefrau ohne Kind gegen die Konkubine mit Kind habe (Arnott [1979] 480).Dabei ist Habrotonon ja ganz anders als die anderen Hetären, kümmertsich liebevoll um das schreiende Kindchen (853). Smikrines schimpft, dochPamphile hält nach wie vor zu ihrem Mann, denn sie weiß und begreift,dass er an der Vorstellung leidet, sie habe ein uneheliches Kind (Blumea. O. 118). Es scheint – der Text ist hier lückenhaft – so, dass Charisios wenigstens Teile dieses Gesprächs zwischen Vater und Tochter gehört hatte,denn wir erleben sehr bald einen Ausbruch von wilden Selbstanklagen(dazu gleich). Inzwischen bleibt Pamphile allein auf der Bühne und klagt,Habrotonon hört sie, geht auf sie zu, man kommt sich näher: Aus der kühlen Anrede „Frau“ wird bald ein „Liebste“ und „Süßeste“,denn was Habrotonon der Verzweifelten zu sagen hat, ist der Beginn der Lösung allerNöte: Das Kind sei zwar das des Charisios, aber nicht von ihr, Habrotonon, geboren. Als plötzlich Onesimos aus dem Hause stürzt, führt Habrotonon die Überglückliche rasch ins sichere Haus.

Onesimos berichtet völlig verstört von dem Ausbruch wilder Reue beiseinem Herrn – verstört, denn er fürchtet als Plappermaul Schlimmes(903). Dann erscheint Charisios selber (endlich sehen wir nun auch diezweite Hauptperson): Herzlos habe er die Frau verdammt und hatte dochselber Schweres verbrochen: „Darin zeigte ich, dass ich ein Mensch“ (912),denn er habe groß daher geredet (922), habe sich für fehlerfrei gehalten,alle Schuld bei Pamphile gesucht, und habe in seiner Stumpfheit nichts be-

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von der Liebe einer verständnisvollen Frau (918: „agnómon“). Istder junge Ehemann nun „gewandelt“, wie Blume (1998, 121) ihn nannte?Auch ihm widerfährt ein „Jetzt erst begreife ich“ wie dem Knemon im„Dyskolos“ (711 ff.), aber noch begreift er in Wirklichkeit wenig. Dochwild, wie er damals mit Pamphile beim Tauropolienfest verfuhr, verfährt erjetzt mit sich selber, und noch immer geht er nicht zu seiner Frau, um mitihr zu sprechen, ihr zu danken. Er weiß ja noch nicht, dass der Säugling garnicht Habrotonons Kind ist, sondern sein eigenes. (Das erfährt er erst953 ff.) Eigentlich hätte er jeden Grund zur Bescheidung (926 ff.); abernein: Er probteinen groben Auftritt mit dem Schwiegervater (929 ff.),obschon er doch eben erst eine Lektion in Sachen Voreiligkeit erhaltenhat. Eine solche erhält er nun gleich wieder in einem fast nicht mehr lesbaren Textabschnitt, der ein Gespräch zwischen ihm und Habrotonon enthielt (948 ff.: „Ich hätte müssen“, „Du hättest“, usw. deuten auf eine ArtAbrechnung mit früherem Verhalten). Er hört nun endlich, dass nicht Habrotonon die Mutter des Kindes sei. So ist nun alle Not vorbei. Die erstenSzenen des Schlussaktes sind teils verloren, teils kaum mehr entzifferbar.Vielleicht stellte sich am Ende heraus, dass Chairestratos das MädchenHabrotonon lieb gewonnen hat, klar ist aber und interessant dazu die Partie 1060 ff.: Charisios stellt sich vor, dass Chairestratos sich Habrotonongegenüber nicht würde zurückhalten können: Das musste ausgerechnetCharisios von sich geben!

Dann endet das Stück anscheinend mit etwas gröberen Tönen: Onesimos, nun wieder ganz obenauf, fertigt den herbeistürmenden Smikrines,der erzürnt seine Tochter abholen kommt, mit überlegener Ironie und epikurischen Floskeln höhnisch ab (1084). Smikrines gerät ja immer an diesenichtsnutzige Figur, meint immer, alles zu durchschauen und stets die richtigen Entschlüsse klug zu fassen, und hinkt doch immer den wirklichenEntwicklungen hinterdrein (1064 ff.; 1114 f.; 1124). Rückschau auf die „Epitrepontes“

Menander ist ein Dichter von Charakteren und Charakterkontrasten. Inseinem Spiel vom „Schiedsgericht“ zeigen sich davon mehrere, und siesind auch das eigentlich Interessante an diesem Spiel, weniger das äußereGeschehen; interessant sind auch scheinbar ganz einfache Figuren wieetwa die alte Dienerin, die zuletzt mit dem racheschnaubenden Smikrinesauf die Bühne kommt, mehr gezerrt, als freiwillig: Sie sagt nichts, aber derKontext (1064 ff.) zeigt, dass sie viel weiß und viel versteht (sehr im Unterschied zu ihrem Herrn). Da wären der etwas einfältige Hirt und der gewitzte Köhler, ein interessantes Kontrastpaar. Ganz einfach und ganz auf-

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im Privaten ihres Kreises ganz groß ist Pamphile, die bereit ist, ihrenMann trotz dessen unmöglichem Benehmen zu begreifen und zu ihm zustehen. An Facetten reicher ist Habrotonon: Gerührt kann sie sein, so vomMissgeschick des Charisios und vom Klagen des Säuglings; umsichtig plantsie und behält stets auch die Übersicht. Diese beiden Frauen sind denMännern weit überlegen, den Männern, die da wüten und vorschnell(Blume [1998] 118) Schlüsse ziehen.

Habrotonon ist zwar klug und hilfsbereit, aber sie ist als Unfreie – naturgemäß – nicht vollkommen selbstlos bei ihrem Handeln; im Grundewünscht sie sich, dass dies ihr Tun ihr die Freiheit bringen möge. Und dasgibt sie, danach gefragt, auch sofort zu: Unverstelltheit ist ihr Wesen, unddarum glaubt man den Interpreten, dass sie später die Frau des treuenFreundes Chairestratos wurde, gern. Im Unterschied zu ihr steckt Onesimos voller Unklugheit, vorschnellem Plappern und auch unbegründetemVermuten, dann wieder voller Bangigkeit, wenn es schwierig wird; wird esdann wieder hell, ist er sogleich obenauf und verspottet den Smikrines. Erist auch nicht frei von Missgunst, denn warum sonst versucht er, Habrotonon bloßzustellen mit seiner Vermutung, sie nehme sich des Kleinen nuran, um dadurch frei zu werden? Indem er sie kleiner zu machen sucht,überdeckt er die eigene Unterlegenheit. Charisios ist nicht minder vorschnell; aber was ihn (und natürlich auch Smikrines) auszeichnet, das istdie Unfähigkeit, sich dem anderen, hier: seiner Frau, zuzuwenden und zufragen, bevor er wütet. Charisios hat einen „guten Kern“, der es ihm verbietet, Habrotonon zu berühren, obschon er sie gemietet hatte. Aber als ersieht, wie tapfer und treu Pamphile ihrem Vater Widerstand leistet, da ergeht er sich in Selbstanklagen, badet sich im Selbstmitleid, anstatt zu ihr zugehen und schlicht und einfach „Ich danke Dir!“ zu sagen. Nein, kaumklärt sich seine Lage, da verfällt er wieder in die alte Art und meditiertdarüber, wie er den Schwiegervater hart anfassen werde: Selbstgenussauch hier. Und als die ganze Wahrheit heraus ist, was macht er? Er machtseinen treuen Freund Chairestratos schlecht. Ein noch unreifer, schwankender, noch sehr junger Mann. Sein Grund-Verhaltensmuster ist Vorschnellsein und Selbstmitleid, Wüten statt ruhiger Erkundigung. Und daseben mag diese Komödie lehren: Stimmt etwas nicht, soll man nicht gleichVermutungen anstellen, denn es kann ja auch ganz anders von der Tychegeordnet sein, als man denkt. Aber die wichtigste Lehre betrifft das Miteinander: Vertrauen und Hinwendung, und vor allem kluges Bedenken.Nur, wer kann das schon? Am ehesten die Frauen der „Epitrepontes“, undda besonders Habrotonon, die hier alles andere als eine Miethure ist. Smikrines bleibt sich in jeder Szene treu, Habrotonon und (soweit wir sehen)Pamphile auch. Nur Charisios ändert sein Verhalten von Szene zu Szene.Er ändert nicht sein Grundmuster, aber aus dem Stürmischen dieses „Cha-

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kommen je nach Lage verschiedene Ausprägungen dieses Grundcharakters zum Vorschein. „Aspis“ („Der Schild“)

Wir werden nur einen raschen Blick auf dieses Stück werfen, von demkaum mehr als die Hälfte erhalten ist. Es wurde mehrfach die Vermutunggeäußert, es sei Menander um nichts als um die Charaktere gegangen, unddie Handlung sei stereotyp und werde von ihm stiefmütterlich behandelt.Gewiss, es gibt da Handlungstypen, die sich – mit einigen Variationenzwar, aber im Grunde doch – wiederholen, als da wären Vergewaltigungund Kindesaussetzung, Kindesraub und Wiedererkennung nach Jahren. Im„Schild“ aber hat Menander eine interessante und kaum sehr alltäglicheHandlung erdacht und vielleicht aus diesem Grunde ein paar Charakteregebildet, die simpel bleiben: Chaireas, der Sohn des reichen und zart besaiteten Chairestratos zum Beispiel, bleibt blass, und der Bruder des wohlhabenden Chairestratos, Smikrines, bleibt immer gleich widerwärtig: hartherzig, ewig misstrauisch (391 ff.; 433 ff.), immer beleidigt, nie mitteilsam und unentwegt hinter dem Gelde her. Im Gegensatz zu ihm steht derphrygische Sklave, ehrlich und treu seinem Herrn, dem jungen Kleostratos, ergeben, dessen Pädagoge (Hauslehrer) er gewesen; diesen bereitsetwas älteren Sklaven nannte Arnott (1979, 5) „fast schon zu fehlerlos“,wie er überhaupt das Stück wegen der „fehlenden Breite der Charaktere“tadelte.Wenn also die Charaktere wenig „Breite“ aufweisen, dann wirdhier doch einmal eher die Handlung Interesse wecken.

Der wenig begüterte Vater des Kleostratos ist gestorben, und um seinerSchwester eine Mitgift zu verschaffen, geht Kleostratos als Söldner nachKleinasien. Die Schwester gibt er in die Obhut des alten Chairestratos, dersie mit seiner eigenen Tochter zusammen aufzieht. Chairestratos hat aucheinen Stiefsohn, Chaireas, den Sohn seiner ersten Frau, in seinem Hause,und der verliebt sich in die Schwester des Kleostratos. Sie wird seineBraut. In der letzten Schlacht nun in Kleinasien, vor Beginn der Bühnenhandlung in Athen, hatte die Einheit des Kleostratos gesiegt, die Beute istbeträchtlich, er schickt seinen Diener Daos mit seinem Anteil der Beuteund weiteren Untergebenen nach dem benachbarten Rhodos.Der machtsich ohne Hast auf den Weg, kommt nicht weit, und in der Nacht vernimmter Kampfgetümmel in der Ferne: Das Lager der sorglos feiernden Siegerwird vom tags zuvor geschlagenen Feind überfallen. Die Überraschten ziehen sich auf eben den Hügel zurück, auf dem Daos lagerte und auf dessenKuppe er, als der Kampflärm hörbar wurde, eine rasch erstellte Befestigung bezogen hatte. Die Sieger des Vortages, völlig überrascht, ergriffen

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an Waffen, was ihnen gerade in die Hände fiel. So kam es, dass einer denSchild des Kleostratos trug, als er fiel. Kleostratos selber wurde nach tapferer Gegenwehr gefangen genommen. Nach drei Tagen zieht sich derFeind zurück, Daos besucht das Kampffeld, um den Herrn zu suchen, findet den zerhackten Schild, eine bereits entstellte Leiche darunter undnimmt nun an, sein lieber Herr sei gefallen. Er schlägt sich mit der Beuteund ihren Trägern und Bewachern bis nach Athen durch. Nun kommt ervor das Haus seines Herrn, das heißt auf die Bühne, und trifft auf den ärmeren, älteren Bruder des wohlhabenden Chairestratos, des Onkels seinesvermeintlich gefallenen jungen Herrn.

Dieser ältere Bruder, Smikrines, ist der Älteste in der Familie, und danun die Schwester des Kleostratos keinen direkten männlichen Verwandten mehr als Vormund besitzt, kommt der grämliche Alte nach athenischem Recht als Vormund und möglicherweise auch als der in Frage, dersie heiraten muss, damit sie unter Schutz lebt, wie das Gesetz es vorschrieb.

Daos trifft also mit den Beute schleppenden Untergebenen auf denärmlichen, übellaunigen Alten. Nach kurzem Gespräch ist ihm die Lageklar und er nennt den Alten spöttisch den „Erben“ (85) der Beute seinesNeffen und den „Besitzer“ (89). Nach dem Gespräch, das die Akzentesetzt, erscheint die Göttin Tyche, der „Zufall“, und macht von vornhereinklar, dass Kleostratos nur gefangen worden sei und demnächst zurückkommen und alles, so habe sie es eingerichtet, wieder ins Lot bringenwerde. Als dann Smikrines wieder auftritt, rühmt er sich zwar, die Beutenicht gezählt zu haben, denn er wolle nicht wieder als gierig beschimpftwerden (153), aber er verkündet, er wolle die für „heute“ anberaumteHochzeit zwischen dem Stiefsohn des Chairestratos und der Schwester desKleostratos (die ja nun eine reiche Erbin ist) abblasen lassen, zumal niemand ihn um seine Zustimmung gebeten habe (178). Da aber die Beutedes Bruders jetzt der Schwester, das heißt der Braut des Chaireas, zufallenund ihm dadurch entgehen würde, will er nun selber, der Greis, die Erbin,das junge Ding, als ihr nächster männlicher Verwandter ehelichen (185),wie er dem Daos eröffnet. Daos verspricht eine genaue Aufstellung vonKleostratos’ nachgelassenem Vermögen und seufzt: Was für einem Kerlwerde er nunmehr, nach dem wunderbaren Kleostratos, dienen müssen(213 ff.)!

Wie anders dieser treue Phryger ist als andere Sklaven aus dem Osten,macht ein Zusammentreffen zwischen ihm und dem für die Hochzeit gemieteten, nun wegen der Absage enttäuschten Koch deutlich (238 ff.): DerMietkoch verdient ein Zubrot mittels mancherlei Diebereien und stauntüber Daos’ Ehrlichkeit. Der Vergleich der Rassen (242 ff.) ist voller Witz:Nur die Thraker nämlich, so der Koch aus Thrakien, seien rechte Kerle,

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echte Draufgänger, was man daran sehen könne, dass sie den höchstenAnteil unter den Strafgefangenen stellen (245).

Nun aber macht Smikrines sich ans Werk und setzt zunächst seinen jüngeren Bruder Chairestratos von seinem Willen in Kenntnis, die jungeErbin zu heiraten (253 ff.). Auch er wolle verheiratet sein und Kinderhaben, so spricht er von sich als einem zu kurz Gekommenen. Nichtswerde ihn abhalten, denn wenn Chaireas, des Chairestratos Sohn, und dessen in Aussicht genommene Frau einmal Kinder haben sollten, so würde jadiesen das Erbe zufallen. Da ist’s heraus: Es geht ihm nur um den Besitz(Blume [1998] 152).

Chairestratos erleidet vor Verzweiflung einen Schwächeanfall (282),doch der treue Daos lässt nicht zu, dass er aufgibt; vielmehr liefert ihmdieser Anfall einen Intrigen-Plan: Wie, wenn man vortäuschte, Chairestratos wäre gestorben? Dann würde Smikrines sogleich die Tochter des Chairestratos als die Erbtochter heiraten wollen und würde die Schwester desKleostratos mit ihrem viel geringeren Erbe vergessen und daher ohneSchwierigkeiten ihre Heirat mit Chaireas zulassen. Gesagt, getan: Als Smikrines auftaucht, verärgert über das Ausbleiben der vollständigen Listevon Kleostratos’ Vermögen und voll böser Vermutungen, dass man ihmetwas verheimliche, und umso entschlossener, jetzt zuzugreifen und selbernachzuzählen (394 ff.), da stürzt Daos aus dem Hause, tragische Klageverse ausstoßend (und ihre Herkunft zugleich aufs possierlichste kommentierend: 407 ff.). Ein Arzt kommt gelaufen (Daos hatte einen Freundinstruiert und entsprechend ausstaffiert: 377 ff.), stellt die Todesursachedes Chairestratos fest und diagnostiziert, so scheint es, nebenbei Krankheit und baldigen Tod auch des Smikrines,der auf den Trick bezüglichdes Chairestratos hereinfällt (464 ff.). Sofort befürchtet er, dass die Dienerschaft nun das Haus des Toten plündern (und viel von seinem, des Smikrines, Erbe stehlen) werde.

Dann aber erscheint urplötzlich Kleostratos (491 ff.), aus der Gefangenschaft freigekommen. Überglücklich begrüßt ihn der treue Diener,undalle Not hat ein Ende: Chaireas bekommt seine Geliebte, das Erbe bleibtungeschmälert und Chairestratos darf wieder unter die Lebenden zurückkehren. Der gierige Smikrines bleibt auf dem sitzen, was er bisher hatte.

Die Handlung scheint insofern ungewöhnlich, als sie mit einem Tod beginnt, auch wenn er nur vom Diener angenommen wird, und durch einenTod, auch wenn dieser nur simuliert wird, vorangetrieben wird. Aber dieser zweite „Tod“ bewirkt eigentlich nichts, oder sagen wir: nichts Äußerliches. Wohl aber treten nun die Art und Absicht des Smikrines unverhohlen hervor, und zudem verhindert die Verstellung sein weiteres Zupacken,das heißt die unnatürliche Heirat. Ferner weist die Handlung einige Überraschungen auf, vor allem das unerwartete Wiedererscheinen des tot-

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Kleostratos; sie erlaubt auch einige heitere Einlagen, so die Zitatenfontäne des nicht nur ehrlichen, anständigen, sondern auch gebildeten Daos mit kommentierenden Zusätzen, sie ermöglicht auch das lustigeAuftreten eines fingierten und erheiternden Dialekt sprechenden Arztes– der „dottore“ sollte noch lange die Komödie beleben. Hinzu kommtmanches Rührende, so die Freude des Heimkehrenden und des altenPädagogen.

Auf diese Weise gewinnt die äußere Handlung hier mehr Gewicht undInteresse als anderswo bei Menander.Man wird daraus nicht gleich denSchluss auf eine frühe Abfassungszeit ziehen (wozu Blume [1998] 161 vorsichtig rät), denn es mag ja sein, dass Menander mehrere Grundformender Komödie zu verschiedenen Zeiten angewendet hat, um zu variieren.Zudem bleibt es das Kennzeichen auch dieses Stückes, dass die Personenzu Kontrasten geordnet sind: farblos Chaireas; ein wenig facettenreicherChairestratos, der zur Depression neigt (388 f., 422), woraus sich dannleicht der Zusammenbruch und die daraus folgende Intrige ergibt. Smikrines ist durchweg negativ, doch diese unfeine Art hat ihre Variationen: Einmal kommt seine Geldversessenheit zum Vorschein, dann sein Beleidigtsein und dann auch wieder das Minderwertigkeitsgefühl. Auch er eine facettenreiche Gestalt, doch im Negativen. Im Positiven ist es Daos, der einefarbenreiche Rolle zugewiesen erhielt: treu, empfindsam und doch93a energisch (man denkt an seine Befestigung der Bergkuppe), gebildet undverschmitzt, dazu ein Mann, der rasch die richtigen Einfälle hat und diepassenden Entscheidungen zu treffen weiß. Der krasse Kontrast zu ihm(Gaiser [1973] 128) ist der Koch mit seiner Rassentheorie: Er macht nurumso deutlicher, wie Menander hier einen Sklaven aufgrund seiner Persönlichkeit zum führenden Charakter machte, im deutlichen Gegensatzzum „freien“ Smikrines. „Perikeiromene“ („Die Geschorene“)

Es war gewiss nicht selbstverständlich, einen Sklaven so großartig zuzeichnen, wie Menander es im „Schild“ getan hat; nicht minder auffälligwar es wohl, wenn er in der „Geschorenen“ einen Offizier als wild und zugleich zart besaitet schildert. Von diesem Stück sind auch wieder nur Resteerhalten, nur etwa 40 Prozent.Die Komödie spielt diesmal in Korinth.Als sie beginnt, wird man das Mädchen Glykera, eine Freie im Haushaltdes jungen Offiziers Polemon, der sie von Herzen liebt und als seine„Frau“ betrachtet, gesehen haben, wie sie aus dem Hause stürzt, den Kopfgeschoren; vielleicht kam Polemon hinterdrein, doch das Abscheren desHaupthaares hat sicherlich nicht auf der Bühne stattgefunden. Was dort

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geschah und gesagt wurde, ist verloren; nur so viel ist erhalten, dass gleichdarauf die Gottheit des Unwissens die leere Bühne betrat. Der Beginnihres Prologs ist verloren, man kann vermuten, dass sie berichtete, wie deralte Pataikos in diesem Stadtviertel einst zwei Kinder hatte, einen Knabenund ein Mädchen, seine Frau aber bei deren Geburt verlor. Die Kindersetzte er aus (786), an einer schattigen Quelle (797). Das Mädchen Glykera führte dann der Zufall zu einer guten Frau, die, als sie dem Todenahe, das Mädchen über seine früheste Kindheit aufklärte (131 ff.). DerKnabe kam zu einer Frau, die „hier“, also auf der Bühne, ihr Haus hatte.Sie hieß Myrrhine. Das Mädchen wuchs heran, ein Offizier, der „wilde“(128) Polemon, verliebte sich in sie, und Myrrhine gab sie ihm, betrachtetesie sich doch als ihren Vormund mit Verfügungsfreiheit. Als sie alt undschwächlich wurde, wollte sie das Geheimnis um Glykeras Geburt nichtbei sich behalten, erzählte dem Mädchen vielmehr alles und gab ihm dieKleidungsstücke, in denen sie seinerzeit das Kind von Pataikos erhaltenhatte. Sie sagte Glykera auch, dass der junge Mann, der mit ihr, aber„nebenan“, aufgewachsen war, ihr Bruder sei. Sie wollte nicht, dass dersich ebenfalls in sie verliebte, wollte einen Inzest vermeiden (137 ff.).

So lebt Glykera mit ihrem Polemon nun in dem einen Bühnenhaus, ihrBruder mit seiner „Mutter“ Myrrhine in dem anderen. Glykera hat sich jedoch nicht zu erkennen gegeben, denn ihr Bruder lebt in einem reichenHaushalt, hat glänzende Perspektiven, auch wenn er einen lockeren Lebenswandel führt, und die bescheidene, ärmlich und in nicht ganz bürgerlichen Verhältnissen lebende Schwester wollte ihn nicht kompromittieren.Kurz bevor der Offizier seinen Wutausbruch hatte, war nun aber Folgendes geschehen: Glykera traf ihren Bruder auf der Straße, der lief auf sie zuund griff zu Zärtlichkeiten, die sie nicht abwehrte, wusste sie doch, wer erwar (155 f.). Der Sklave des Kriegers aber, Sosias, der hatte das beobachtetund seinem Herrn alles brühwarm erzählt. Dass der nun in Rage geriet,kann man verstehen, und so kam es zum Haarabschneiden als entehrendem Zeichen für einen Ehebruch.

Nach der Tat verließ Polemon sein Haus und zog – wie Charisios im„Schiedsgericht“ – zu einem Freund, Glykera aber blieb in Polemons Hauswohnen. Polemons Diener Sosias erscheint und schüttelt sein Haupt:„Eben noch gewaltig und so kriegerisch, ließ die Frauen nicht ihr Haupthaar tragen – jetzt liegt er da und heult!“ (172 ff.). So haben wir denn einenjungen Mann, der zwar ein draufgängerischer Krieger ist, leicht in rasendeWut gerät, aber dann auch in heulende Verzweiflung fallen kann, wenn er,so könnte man vielleicht sagen, sein Spielzeug verloren hat. Polemon hatnun Sosias beauftragt, in sein Haus zu gehen, um etwas zu holen; in Wahrheit, um zu sehen, was Glykera macht. Er tritt zur Seite, als Glykeras Dienerin erscheint. Er hört, wie diese über das Schicksal ihrer unglücklichen

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Herrin klagt (185 ff.), und – eine ganz subalterne Seele – meint daraufhin,seinem Herrn werde es eine Genugtuung sein, wenn die, welche ihn so gekränkt hat, nun ihrerseits weint. In Wirklichkeit bereut der Gewalttätigebitter, und Glykera ist todunglücklich: Beide lieben einander, aber daskann der Sklave nicht begreifen.

Im zweiten Akt erscheint nun Glykeras Bruder Moschion, der ja nichtweiß, dass die schicke junge Frau von nebenan seine Schwester ist. Aberjetzt nicht mehr „von nebenan“, denn die verängstigte Glykera ist insHaus der Nachbarin, das heißt von Moschions Ziehmutter geflohen. Er erscheint mit Daos, seinem Diener, der großtuerisch sich selber diesenUmzug zuschreibt, einen Umzug, der seinem Herrn, so glauben beide, einegute Gelegenheit zu einem Liebesabenteuer bietet. Moschion, im Vollgefühl bester Chancen, spielt mit dem Diener ein Spielchen: „Was ist deinLebenswunsch?“ Nun, der ist, Käsehändler auf dem Markt zu sein(275 ff.). Dann schickt Moschion ihn nach drinnen in das Haus seiner Mutter, um alles auszukundschaften. Er meint, es sei sein anziehendes Aussehen gewesen, das Glykera dazu brachte, nicht fortzulaufen, als er sieküsste. Er stellt sich vor, wie sie verschämt tun werde, sobald er auftauche,aber da kommt Daos zurück, ganz kleinlaut diesmal: Man war gar nicht erbaut von der Aussicht, Moschion zu sehen, und warf Daos hinaus (319 ff.).Moschion konfrontiert den Schwätzer nun mit dessen eigenem Geschwätz, er und kein anderer sei es gewesen, der Glykeras Übersiedlungarrangiert habe; er droht ihm, und Daos verfällt auf die Möglichkeit, Glykera sei wohl nicht abgeneigt, aber wolle kein so überrasches Vorgehen,keine solche Eile (337), und fügt hinzu, Glykera habe solche Andeutungenihm, Daos, gegenüber gemacht (was erneut gelogen war: 344 f.). Gutes hoffend, geht Moschion ab. Es kommt statt seiner Sosias, Polemons Diener,mit dessen Schwert und Militärmantel (soll er das in Polemons Hausschaffen?), aber das ist erneut nur ein Vorwand: In Wirklichkeit will derleidenschaftliche Verliebte wissen, wo sein Nebenbuhler ist und wie es umGlykera steht (355 ff.).

Voller Mitleid geht der Diener in Polemons Haus hinein, beobachtetvon Daos. Dort erfährt er von Glykeras Flucht, die er als Umzug zu ihremneuen Geliebten versteht (369 f.). Sosias, Polemons Diener, und Daos,Myrrhines Bedienter, geraten nun aneinander, Daos beschimpft den hergelaufenen Bramarbas und geht laut fluchend in sein, in Myrrhines Hausab. Aus Polemons Haus kommt eine Dienerin geschlichen und klärt vorsichtig Sosias darüber auf, dass Glykera nicht Moschions wegen fortgegangen ist, sondern aus Angst vor weiteren Ausbrüchen Polemons (400). Nunbricht der Text ab, und wir können nur vermuten,dass die Dienerin Hilfeholen ging, vielleicht Pataikos (weder weiß er, dass er Glykeras Vater ist,noch ist ihr das klar), und dass der Offiziersbursche Sosias zu Polemon

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ging, um ihm vorzuschlagen, mit einer „Armee“ aus Sklaven vor Myrrhines Haus zu ziehen und Glykera herauszuholen.

So geschieht es, eine „Armee“ aus ein paar Sklaven marschiert heranunter den Klängen der Militärkapelle, bestehend aus einer Flötenspielerin(Arnott [1996] 421). Sosias will losschlagen, aber Pataikos (inzwischen warer zu Hilfe gekommen) versucht, den wilden, zudem noch kräftig angetrunkenen Offizier von derlei Unfug abzubringen. Der begreift, was er angerichtet, und bricht am Ende weinend vor Jammer zusammen, stotternd(505 ff.) bittet er Pataikos, sein Fürsprech bei Glykera zu sein – oh, wenner ihm doch nur ihre wunderbaren Kleider zeigen könnte, dann wüsste er,wie groß und schön sie sei! Ein vielleicht etwas seltsamer Trick des Dramenverfassers, Pataikos Dinge sehen zu lassen, die später zur Lösung derProbleme führen werden (vielleicht nahm er auch Glykeras Schmuckkästchen mit, möglicherweise als Druckmittel?). Aber Pataikos sollte vorallem verstehen, welch wunderbarer Frau Polemon nachweinte. Danach istder Text so bruchstückhaft, dass man nur ahnen kann, was geschah: Moschion kommt heim und versteckt sich in seinem eigenen Haus, um einenpassenden Augenblick für sein Auftreten abzuwarten. Pataikos ist zu Glykera gegangen und hört nun die ganze Wahrheit über ihren Umzug ausAngst, nicht aus neuer Liebe (708 ff.). Sie lehnt eine Rückkehr ab und bittet Pataikos, ihr das Kästchen zu bringen, von dem ihre ganze Zukunft abhänge, das Kästchen mit den Dingen, die ihr bei ihrer Aussetzung beigegeben worden seien. Aber das ist, so jammert die Dienerin, verschwunden(758 f.; Arnott 443 unten). Pataikos erinnert sich, derlei bei Polemon gesehen zu haben und dass einige der Stücke denen ähnelten, mit denenzusammen er seinerzeit seine Tochter hatte aussetzen lassen, und nunkommt die ganze Wahrheit ans Tageslicht. Arm war Pataikos durch denUntergang seines Handelsschiffes geworden, Kinder konnte er, so meinteer damals, nicht großziehen, und so gab er sie denn her, Tochter und Sohn– und nun hat er sie beide wieder. Noch einmal wird, so darf man vermuten (der Text fehlt), Moschion seine ganze Selbstgefälligkeit unter Beweisgestellt haben,dann kam Polemon (hier ist der Text erhalten) und vermutete nun, dass alles aus sei: Glykera, Tochter eines (inzwischen wieder)reichen Herrn und im Hause eines nicht minder wohlhabenden jungenMannes! Aber da erscheint Glykeras Dienerin und bringt die frohe Botschaft: Glykera zieht gerade ein neues, schönes Kleid, das ihr Vater Pataikos ihr geschenkt, zu Hause an (990 ff.), um vor ihm, den sie liebt, zu erscheinen! Pataikos spricht die Verlobungsformel, und alles ist gut geworden – es hätte alles schlimm ausgehen können. Wodurch aber kam es soweit? Dadurch, dass man nicht offen und zurückhaltend miteinandersprach.

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Wir haben inzwischen so viel von Menander gehört, dass wir eine Zusammenfassung wagen können. Und zwar wollen wir ein noch nicht behandeltes Stück dazu verwenden, um anhand dessen, was von ihm nochverständlich ist, von Menanders Arbeitsweise zumindest einiges hervorzuheben.

Zu Beginn und dann auch um die Mitte des 20. Jahrhunderts fanden sichin Ägyptens Boden und als Ummantelung von Mumien Papyrusstücke,welche Reste eines Menander-Stückes aufwiesen, das mittels antiker Zitate als „Sikyonioi“ beziehungsweise „Sikyonios“ identifiziert werden konnte, als „Die Leute aus Sikyon“ oder „Der Mann aus Sikyon“ (Arnott[2000] 196), also aus der Isthmos-Stadt nordöstlich von Korinth. Die Papyrusfetzen erlauben nicht, die Handlung befriedigend zu rekonstruieren,doch so viel ist noch erkennbar: Einem Mann in Attika, vielleicht einemAthener namens Kichesias wird (bei einem Fest?) in einem der beidenKüstenorte namens Halai die vierjährige Tochter Philumene samt ihremDiener Dromon und ihrer Amme von Piratenentführt und nach Mylasain Karien (südwestliche Türkei) auf den Sklavenmarkt gebracht. Schonhier können wir eine Anmerkung anfügen, die gleich wichtig werden wird:In den Versen 12 ff. berichtet die allwissende Prolog-Gottheit von diesemEreignis und erzählt, wie ein Sklave, der mit den beiden auf seinen Kaufwartete, ihnen, als ein höherer Offizier sie erstand, aufmunternd zurief:„Nur Mut, der Mann ist aus Sikyon, ist anständig und auch reich.“ Waswäre hier wichtig? Die Tatsache, dass Menander durch diese winzigeSzene den oft eintönigen Prologbericht lockerte und interessant machte.Der Offizier – wer er war, ob ihr späterer Ehemann Stratophanes oderdessen Stiefvater, wissen wir nicht – zog Philumene sorgsam in seinemHause auf. Dieser Stratophanes war (Arnott [2000] 204–209) nun nicht derSohn dessen, der dieses Haus einst besessen; er war dem Manne frühervon dem Athener Smikrines in die Hand gegeben worden, als dieser, soscheint es, in Schulden gekommen war. Dieser Athener Smikrines hatteZwillinge gehabt, eben diesen Stratophanes, den er fortgab, und Moschion,den er behielt.

Das Geschick fügte es nun so, dass sie alle in Athen zusammen kamen,Moschion im Hause seines Vaters Smikrines und Stratophanes und Philumene im Hause daneben. Moschion verliebte sich nun in das Mädchenvon nebenan, als es reif geworden; aber auch dem Stratophanes gefiel sieüberaus gut (und vielleicht war da gar „ein dritter Liebender“: v. 98). Aberweder wusste Moschion, dass Stratophanes sein Bruder war, noch wussteman etwas über Philumenes Herkunft. Im Hause des Stratophanes lebteaber auch Theron, sein Tischgenosse und wohl auch Unterführer im Krie-

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der war ein frei geborener Athener und liebte die Malthake, die, ebenfalls Freie, auch im Hause des Stratophanes lebte und anscheinend demHetärenberufe nachging. Doch sie mochte den ewig hungrigen Theron(zunächst?) nicht sehr.

Nach dem arg zertrümmerten Prolog wird in v. 52 ff. deutlich, dass Stratophanes und Theron Pläne schmieden, um sich Philumenes zu bemächtigen – anscheinend war sie aus dem Hause, in dem sie ihre Kindheit verbrachte, geflohen (vor Stratophanes’ Zudringlichkeit?). Soll man, so berätman, an Entführung denken (57 f.)? Lieber einen Mann bestechen, derschwören könnte, sie sei eine freie Bürgerin, dann könnte Stratophanes sierechtmäßig heiraten.Philumene scheint in ein Heiligtum zu Eleusis (eineTagesreise östlich von Athen an der Küste) zur Priesterin geflohen, wo siesich sicher fühlt (189 f.). Stratophanes scheint wütend darüber, dass Philumene aufgrund von Therons ungeschicktem Vorgehen Wind von seinenAbsichten bekommen hatte. Dann aber platzt am Ende des dritten Aktesder Diener des Stratophanes, Pyrrhias, mit der Nachricht und den entsprechenden Beweisstücken herein, sein Herr sei gar nicht Sohn des Mannes,den er bisher für seinen Vater gehalten habe und in dessen Haus er alsSohn groß geworden sei (125 ff.). Diese Nachricht scheint vor allem zu bewirken, dass Stratophanes eine Schuld seines (Stief-)Vaters nun nichtmehr abtragen muss, also weiter wohlhabend sein wird und in der Lage,eine Frau zu ernähren (135; Arnott [2000] 237 unten).

Es erscheint nun zu Beginn des vierten Aktes der eigentliche Vater desjungen Stratophanes, der ja auch der Vater des Moschion ist. Er weißnicht, dass Stratophanes sein Sohn ist. Er tritt auf in ein Gespräch miteinem „Demokraten“ über die verschiedene Mentalität von Armen undReichen vertieft, was mit der Haupthandlung wenig zu tun hat und somitüberrascht. Aber auch in dieses Gespräch platzt ein Bote: Eindrucksvolltragischen Ton anschlagend und dabei Euripides anklingen lassend, erzählt der Mann breit und nicht ohne Selbstgefälligkeit von einer Volksversammlung in Eleusis, während der man Philumene als freie Athenerinanerkannte, was anscheinend sowohl Moschion als auch Stratophanes miterlebten, jeder auf seine Weise sein Interesse an dem Mädchen bekundend(199 ff.; 215 ff.). Ja, Stratophanes sprach seinen festen Willen aus, das Mädchen gar zu heiraten, sobald ihr Vater gefunden sei (254 ff.). Nach dieserSzene erscheinen Stratophanes noch einmal und Theron auf der Suchenach Philumenes Vater, das heißt nach Smikrines (wie man herausgefunden hat, dass er am selben Orte wohnt, ist nicht mehr zu erkennen). Moschion hat inzwischen des Stratophanes Eifer, Philumenes habhaft zu werden, erkannt, er erscheint in 272 ff. gewillt, ihr als Helfer in der Not beizustehen und Stratophanes als Entführer zu verhaften. Dann aber kommt eszur Wiedererkennung der Dinge, die dem kleinen Stratophanes seinerzeit

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bei der Überantwortung an die Stiefeltern mitgegeben wurden, das heißtSmikrines entpuppt sich als der Vater des Stratophanes. Ein Höhepunktdes Dramas muss es gewesen sein, als Theron dann im fünften Akt auf derSuche nach einem gewissenlosen Kerl, der vielleicht bereit wäre, sichgegen Geld als Philumenes Vater auszugeben, ausgerechnet auf Kichesiasstößt, ihren wirklichen Vater.Als der Alte erfährt, dass seine Tochterlebt und ehrbar geblieben ist, erleidet er vor Freude einen Ohnmachtsanfall (363), wie der alte Chairestratos in der „Aspis“. Wir können nocherkennen, dass Stratophanes aufgrund der neuen Entwicklung Malthakeaus dem Hause schaffen lässt (wenn er heiratet, kann seine Frau nicht miteiner Hetäreunter einem Dach leben). Es ergibt sich dann, dass TheronMalthake nun endlich in die Arme schließen darf und dass Moschion sichin sein Schicksal willig fügt und bereit ist, bei Stratophanes’, also seinesBruders Hochzeit mitzuwirken (404 ff.).

Diese sehr kurzen Bemerkungen zu den „Leuten von Sikyon“ galtenweniger einer Wiedergewinnung des Handlungsablaufs als vielmehr dazu,anhand der „Sikyonioi“ etwas von der Technik dieses Autors zu verdeutlichen. Gewiss war es richtig zu sagen, dass die Handlungsskelette von Menanders Komödien (soweit wir sie übersehen) ihm weniger wichtig warenals die Darstellung seiner Menschen. Der Handlungsablauf war ja auchdurch den Prolog zumeist von vornherein klar. Aber ebenso wichtig ist eszu beobachten, wie er durch unentwegtes Variieren und Einführen überraschender Details diese Handlungsskelette interessant macht.

Betrachten wir einige solcher interessant machenden Details: Natürlichmusste Smikrines im Sikyonios gesagt bekommen, was aus seinem SohnStratophanes geworden war; aber Menander lässt den Vater in 150 ff.gleichsam handlungsfremd auftreten, nämlich mit einem Partner Moralbegriffe diskutieren, was überrascht, weil dieses Thema mit dem Stück nichtszu tun hat. Weiter: Natürlich musste der Vater informiert werden, aber dasmusste nicht durch einen wortreichen, von sich selbst recht eingenommenen Berichterstatter geschehen, der an den Wächter aus der „Antigone“des Sophokles erinnert.In dieser Weise gestaltet der Dichter das, was zuerwarten war, dennoch überraschend aus. So vorbereitet, können wir, jeweils mit den „Sikyonioi“ beginnend, einige Hauptpunkte aus MenandersTechnik anführen.

1. Überraschende Detailsa) äußerliche: Sik. 364: Kichesias wird ohnmächtig, was die Handlung nichtverlangt (in „Aspis“ wird, etwas anders als hier, aus einem solchen Schwächeanfall ein Handlungsmoment). Wir vergleichen: Asp. 464 (der Arzt sagtdem Chaireas, handlungsunabhängig, den Tod voraus); Perik. 384 (einZeuge wird angerufen, wenn auch vergeblich); Sam. 101 ff. (Lob Athens,

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Schmähung des Wetters am Schwarzmeer); Dysk. 130 ff. (Chaireas kneift,nachdem er große Worte geredet).Dies leitet zu Punkt 1 b hin.b) Psychologische Kleineffekte: Asp. 172 (Smikrines fühlt sich stets benachteiligt, darum dann auch in 257 das herablassende „Junge“, mit demer, der Ältere, seinen jüngeren Bruder anreden zu können glaubt); Dysk.771 und 863 ff. (Sostratos spricht sich gegen Eigenlob aus, prahlt dann aberdoch gleich darauf kräftig); die kleine Szene Epitr. 859 ff., in der die Anrede wechselt, ist besonders hübsch; ferner das dreimalige Irren der Hauptpersonen in Sam. 269 ff., 338 und 550 ff. (Blume [1998] 134 f., 138). Arnott(1975, 21 f.) macht auf die oben behandelte doppelte Niederlage von Kochund Gehilfe in Dysk. 464 ff. aufmerksam.

2. Beschwerung des Aktendes

In den „Sikyonioi“ endet der dritte Akt bei 149. Zuvor hatte das Metrumgewechselt (aus iambischen Trimetern wurden trochäische Tetrameter)und war Stratophanes’ Diener in 126 ff. aufgetreten, und zwar mit einersensationellen Neuigkeit: Er sei gar nicht der Sohn der Eltern, bei denener groß wurde, und das bewiesen auch die Dinge, die ihm einst mitgegebenwurden. Dass am Aktende ein besonders wichtiges oder interessantes Detail auftaucht, das findet man auch sonst: In Asp. 216 treten am Aktendeneue Personen auf, Koch und Tafelordner, ähnlich beschwert in Dysk.393 ff. der neu auftretende Koch das Aktende, desgleichen im Misumenos(nach 670 tritt Kleinias mit einem Koch auf, mit 676 endet der Akt); inSam. 590 ff. wird am Aktende in einer Rätselrede mit Mythologischem gespielt, was auffällt, da dergleichen sonst sehr selten geschieht; in Epitr.385 ff. gelingt die Identifizierung des alles entscheidenden Ringes am Aktende, und am Aktende begreift die Hauptperson Charisios endlich, wasgeschehen ist (952 ff.).

3. Verselbständigung von Handlungsmomenten

In den „Sikyonioi“ verselbständigt sich der Botenbericht 176 ff. in unvorhersehbarer Weise und verlangsamt das Geschehen, ähnlich geht es mitder Schiedsgerichtsszene Epitr. 230 ff. und der Musterung der Lebensideale eines Sklaven in Perik. 275 ff. Anders gesprochen: MenandrischeHandlungen kennen Ballung und Lösung, Eile und Verweilen: Das Tempoist nicht immer gleich, und das trägt zur Abwechslung bei und dadurchzum Interessantwerden.

4. Stil-Spielea) Tragödienimitationen: In den „Sikyonioi“ berichtet ein Erzähler voneiner Volksversammlung (176 ff.), und dabei lässt er den Botenbericht ausdem „Orest“ des Euripides anklingen.Auch in der „Perikeiromene“

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774 ff. findet sich derlei, wie Gomme-Sandbach (1973, 519 f.) und Arnott(1996, 445) vermerken.b) Hoch-Stil: In der „Samia“ 207 ff. vergleicht Demeas seine Lage mitder von Sturmbedrohten bei einer Seefahrt,und im „Dyskolos“ 153 ff.meint Knemon, der sagenhafte Perseus habe es besser gehabt als er, denner konnte sich auf seinen Flügelschuhen über alle Menschen, die einem dain den Weg laufen, leicht erheben: Eine Art komparativischen MonologAnfanges macht die Rede interessant. Zum Hoch-Stil als rhetorischemMittel, und zwar zum Mittel der Übertreibung, greift der gewitzte Sklaveim „Schiedsgericht“, als er dem Säugling eine glänzende Zukunft in Aussicht stellt: Löwenjagd (324), Olympiasieg und Königtum (325 und 333).5. Handlungsverläufe

Man sollte auch nicht die Passagen wie Sik. 193 ff., wo ein Berichterstatterdie Reden derjenigen einflicht, von denen er erzählt, als singulär ansehen:Derlei Bravour-Stücke für hervorragende Schauspieler gibt es öfters(Epitr. 261 ff.; Sam. 252 ff. zum Beispiel); auch dies gehört zu den MittelnMenanders, seine im Großen vorhersehbaren Handlungsverläufe im Kleinen interessant und überraschend zu gestalten.

6. Ernstes und Heiteres

Zuletzt sei noch auf etwas hingewiesen, was zur dramatischen TechnikMenanders zu gehören scheint, auf den Wechsel von Heiterem und Ernsterem. Man kann nämlich beobachten,dass Menander auf ernste undergreifende Szenen gern eine heitere folgen lässt: In die rührende Wiederfindung zwischen Pataikos und seiner lange verloren geglaubten Tochterplatzt der immer etwas lächerliche Moschion und sorgt (so scheint) es füreinen angenehmen Wechsel der Stimmung. In dem Buch „LateinischeDichtersprache“ finden sich dazu Belege aus anderen Dichtungsarten. Die „Samia“ und Menanders Lehre Wenn die bisherigen Ausführungen zutreffend sind, dann ergibt sich daraus, dass Menander um interessante Abwechslung bemüht war, und zwarin den Charakteren überhaupt, bei denen er gern das Gewohnte mied undKlischees außer Kraft setzte;dazu aber auch in deren kleinen undscheinbar nebensächlichen Handlungen und Reaktionen. Abwechslungsuchte er auch im Stil: In alltäglichen Szenen spricht man alltäglich, ergibtsich aber die Gelegenheit zum Beispiel für einen Diener, sich wichtig zumachen, greift er wohl auch zum Hochstil und sogar zu tragischer Diktion,die er aus dem Theater kennt. Scherz und Ernst sollten sich abwechseln,

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Rührendes und Erheiterndes, und all dies kann uns ja nicht überraschen,die wir aus dem guten Film derlei ja gewöhnt sind.

Aber richten wir doch den Blick auf Gewichtigeres. Die MenanderStücke, die wir kennen gelernt haben, zeigen oft ein identisches Muster:Irgendetwas Äußerliches geschieht und wird sofort – und falsch – erklärtund verstanden. Ein Kind scheint zu früh geboren: Aha, eine vorehelicheLiebschaft, und sogleich wird wütend reagiert. Die Geliebte lässt sich voneinem jungen Mann küssen: Aha, sie hat ein neues Verhältnis, und ohnenachzudenken und nachzufragen, wird getobt. So geht es fort und fort.Was hätte den Konflikt vermeiden können? Bevor wir antworten, einBlick auf den „Schild“: Dort gab es keinen Konflikt durch Fehlverstehen;also läge hier ein ganz anderes Baumuster vor? Überlegen wir: Im„Schiedsgericht“ hätte Charisios, bevor er wild wurde, fragen können; inder „Perikeiromene“ hätte der Offizier, bevor er seinem Mädchen dieHaare abschor, sich erkundigen müssen. Und im „Schild“? Da ist dasGegenteil der Fall, der geldgierige Alte gehört zu denen, mit denen nichtzu reden ist, die Gier siegt über die Scham. Der Diener durchschaut dassehr genau, versteht und plant dementsprechend.

Offenbar geht es Menander um das Verstehen des anderen und um dasSprechen miteinander. Er zeigt, wie verhängnisvoll es ist zu reagieren,bevor man nicht Bescheid weiß. Dies aber verlangt: im Augenblick desSchocks inne zu halten, sich zu zügeln und zu fragen, vielleicht aus demWissen darüber, wie sehr alles Menschliche vom Zufall abhängt. „Epoché“nannten sowohl Epikureer wie Stoiker dies, „Zurückhalten“ – und zwarder unvermittelten Reaktion. Erfahrung mag die Epoché lehren, auchwenn es nur die Erfahrung anderer auf der Bühne ist, wo man miterlebtund mitlernt.

Gewiss gibt es Unbelehrbare wie den Smikrines aus der „Aspis“. Ersteht für das, was ein Stoiker (Seneca, Epist. 85, 10) eine „eingefresseneKrankheit“ nannte. Sind diese Ausblicke auf die hellenistische Philosophieunerlaubte Abschweifungen? Nun, Zenon, der Stoiker, und Epikur warenZeitgenossen Menanders, wenn nicht gar mehr. Und zudem die „Samierin“: Die Bühne zeigte zwei Häuser in Athen. Das eine gehörte dem reichen Demeas. Bei ihm leben seine Konkubine Chrysis und der Adoptivsohn Moschion samt dem Diener Parmenon. Das andere bewohnt derärmere Nikeratos mit seiner Tochter Plangon. Beide Alten befinden sich,als das Spiel beginnt, auf einer längeren, gemeinsamen Geschäftsreise.

Das Stück beginnt mit dem Auftritt des Adoptivsohns, der dankbar berichtet, wie gut und großzügig er aufgezogen, wie er liebevoll „zu einemMenschen“ gemacht wurde (17), das heißt zu einem Erwachsenen, deretwas gilt. Doch er habe sich etwas zu Schulden kommen lassen (3), erhabe Plangon während eines nächtlichen Festes verführt, ein Kind sei da

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und er habe der Mutter Plangons geschworen, das Mädchen zu heiraten(52 ff.). Da kommt auch schon der Diener Parmenon mit der Nachricht,die Väter seien heimgekommen (61). Moschion kann und muss nun demVater beichten – da verlässt ihn der Mut. Als Chrysis, des Vaters Konkubine, erscheint, die eben gerade ein Kind verloren hat, da schlägt Moschionvor, sie solle doch einmal das Kind übernehmen (Plangons Vater solltenicht gleich ein unerwartetes Kind in seinem Hause vorfinden): Er wolledem Vater dann schon alles sagen, obschon der gewiss wild werde (80).Chrysis geht, das Kind zu stillen, Moschion geht, um seine Rede einzustudieren (95; s. Anm. 82).

Die Väter, heilfroh, von der unwirtlichen Schwarzmeerküste erlöst undzurück im lieben Attika zu sein,bekräftigen, was sie unterwegs besprochen haben, nämlich die Kinder miteinander zu verheiraten (114 ff.), wasvon Demeas durchaus großzügig gedacht ist, denn die Mitgift wird kleinsein. Alles scheint in guter Ordnung. Dann trifft Demeas in seinem Hauseauf die stillende Chrysis. Gewiss, das musste sein eigenes Kind sein; aberwütend malt Demeas sich aus, wie die Kebse nun die Herrin im Hausespielen werde (vgl. Epitr. 629). Er ist zornig und wirft die gütige Frau aus dem Haus. Noch drei Male wird er und wird Nikeratos so reagieren,ohne die heilsame Zwischenstufe der „Epoché“; die kleine Frage „Was isthier los?“ hätte alles Wüten verhindert. Und eben dies wollte Menanderzeigen.

Wollte er das wirklich? Gibt es einen Beweis? In v. 566 f. sagt Demeas:„Es ist gewiss das bei weitem Beste, unumwunden zu sagen, was geschah.“Das ist allgemein gesagt, wie ein Motto über dem ganzen Stück.Spät,sehr spät erst spricht Moschion unumwunden, auch er hätte gleich zu Beginn nicht zu Lügen seine Zuflucht nehmen dürfen: „Jetzt erst durchschaue ich das Ganze“ (522). So sind eben die Menschen, zeigt Menander.Und dass dies seine Botschaft war, macht ein Menander-Fragment (ausdem „Hypobolimaios“, fr. 421 Körte) deutlich: „Stets das Beste ist, dieWahrheit zu sagen.“ Der Weg von Aristophanes zu Menander

Das Hauptergebnis meiner Überlegungen zu Aristophanes und Menander „ist wohl dies, dass die beobachteten Veränderungen im Altersstildes Aristophanes Zeugnis ablegen für eine Wandlung seines Menschenbildes und – wenn man so will – für die Veränderung des Menschenbildes seiner Epoche überhaupt“. Indem er nämlich am Ende seines Schaffens nichtmehr Athener-Figuren zeichnete, die über alles Menschenmaß hinauseinem utopischen Glückszustand zustreben, sondern zunehmend Allge-

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mit alltäglichen Schwächen, beschritt er den Weg vomathenischen Bürger zum menandrischen „Menschen von nebenan“, demMenschen überhaupt. Menander stellt nicht mehr Athener dar, die amEnde in einen Paradieszustand gelangen, der aber immer noch ein Paradies der bürgerlichen Gerechtigkeit ist, die äußerlich bleibt; er stellt Charaktere dar, die innere Größe und Schwäche zeigen, vor allem Fehlverhalten im Miteinander von Mensch zu Mensch, von Familie zu Familie, ganzgleich welcher griechischen oder heutigen Stadt. Kurzum: Menander unddie, welche es ihm vormachten und gleich taten, malten (wenn man einwenig übertreiben darf) das Leben ab.

Dem entspricht das Verstummen der Chöre zwischen Aristophanes undder Neuen Komödie; dem entspricht auch das Nachahmen der auf denStraßen Athens vom gehobenen Bürgertum gesprochenen Sprache (mankönnte sagen, dass nur die Sklaven zuweilen tragischen Hochton anschlagen). „O Menander und o Leben – wer von Euch hat wen nachgeahmt?“,so rief Syrian, der Lehrer des Proklos, aus.Das war gewiss nicht immererfreulich, und gewiss sah Menander überall, wie das menschliche Miteinander besser gestaltet werden könnte, aber er wusste auch, was eindurch Erfahrung gereifter Mensch ist, und er wusste, wie bitter solchesReifen werden kann. Daher wohl der Zug feiner Trauer in seinem edlenAntlitz. Daher auch sein Versuch, den Menschen im Theater das Menschliche zu zeigen: Lernen durch Miterleben im Theater.

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Der Anfang lateinischer Bühnen-Literatur

Am Anfang der lateinischen Literatur überhaupt stehen zwei Persönlichkeiten von grundverschiedener Art und Wirksamkeit, aber von gleich mutiger Originalität: Appius Claudius Caecus (bezeugt zwischen 312 und279/78 v. Chr.), der Römer, und Livius Andronicus, der in Rom wirkendeGrieche. Beide überführten griechische Texte ins Römische, Appius popularphilosophische Sprüche,Livius Homer und griechische Dramen (amEnde seines Lebens dichtete er dann 207 v. Chr. frei ganz Römisches, einSühnelied). Im Jahre 240 v. Chr. beschloss der Senat in Rom, an die Stellevon bisher doch wohl recht rohen Aufführungen, von Pantomimen mitFlötenbegleitung, nunmehr griechische Dramen in Übersetzung aufführenzu lassen.Solche Aufführungen überhaupt anzusetzen, war römischenPriestern im Jahre 364 v. Chr. als notwendig erschienen, als nämlich einePestilenz trotz mancher Gottesbeschwichtigung nicht weichen wollte (Livius 7, 2, 3). Die lateinische dramatische Literatur wuchs also nicht ausVolkstümlichem unter den Händen formbegabter Künstler hervor, sondern sie wurde befohlen. Wenigstens zu einem Teil, denn wie viel Etruskisches und Volkstümliches hereinspielte, können wir nicht mehr abschätzen. Woraufhin konnte Livius einen so ehrenden Senatsauftrag erhalten,ein griechisches Drama zu übertragen und aufzuführen? Doch wohl, weiler bereits bekannt war, und bekannt wurde er wahrscheinlich durch dieÜbertragung der Odyssee ins Lateinische als „Odusia“.Die römischenHerren, welche an derlei interessiert waren, zogen die Odyssee der Iliaswohl deswegen vor, weil in dem Heimkehrer-Epos die römische Grundpietas

Seit der Leistung des Livius im Jahre 240 ist die Form der Übertragunggriechischer Dramennicht mehr grundsätzlich verändert worden, deriambische Senar und die iambischen und trochäischen Langverse, dazuLieder in anfangs wohl wenigen „lyrischen“ Maßen blieben die metrischen Grundformen. Cn. Naevius scheint sie bereichert (Albrecht [1992]102), aber nicht wesentlich verändert zu haben. So standen denn die Dramen des Ennius und Plautus bereits in einer recht fest gewordenen Tradition.

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Plautus

Bevor wir eine Plautus-Ausgabe öffnen und zu lesen beginnen, sollten wirvor uns ein Schildchen hinstellen: „Bedenke, wie viel nicht gesichert ist.“Denn so gut wie alles an und um Plautus ist umstritten, weil wenig durchdirekte Zeugnisse abgestützt wird. Dass zum Beispiel Horaz das FestliedCarmencomposuit Qu. Horatius FlaccusSolche Glücksfälle gibt es bei Plautusnicht. Unsicherheit umspielt seinen Namen, seine Lebensdaten, den Bestand seiner Stücke, die Textüberlieferung, die Sprache, die Metrik undseine Art, griechische Originale zu behandeln. Dies gilt es zu bedenken. Sein Name

Titus MacciusPlautus Maccius, Maccus Plautus plautus dacht, was „platt“ und „plattfüßig“ bedeutet oder auch „schlappohrig“,und dies letzte deswegen, weil der Verfasser des „Casina“-Prologs in v. 34cum latranti nominefragranti nicht einmal der Name steht fest,und so konnte Sander M. Goldberg fragen: „Plautus? Who (or what) and when was T. Maccius Plautus?“ Sein Leben

An und für sich ist das Leben eines Dichters oder Künstlers für die Beurteilung seines Werkes nebensächlich, aber immerhin: Was wissen wir anGesichertem über das Leben des Plautus? Gesichert ist nur, dass sein„Miles Gloriosus“ in den Jahren 206/04, der „Stichus“ im Jahr 200 v. Chr.aufgeführt wurde und der „Pseudolus“ im Jahr 191. Das lehren die (nurzum Teil erhaltenen) „Didaskalien“, das heißt die Angaben vor manchenStücken über die Umstände der Aufführung – Angaben, die spätere Editoren der Antike aus gelehrten Schriften über die frühe römische Literatur,vielleicht letztlich denen des M. Terentius Varro, vor die Komödientextesetzten. Aber auch hier zweifelte immerhin ein H. B. Mattingly (Athenaeum NS 35, 1957, 78 ff.). Und gegenüber der Lebensbeschreibung des Varro,

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wie Gellius sie in 3, 3, 14 wiedergibt, hat insbesondere Fr. Leo (1912, 70 ff.)Skepsis geäußert. Was aus seinen Untersuchungen und Überlegungen resultierte, hat J. Blänsdorf (1978, 136) zusammengefasst: Aus Sarsina inUmbrien stammend, verdiente Plautus gutes Geld als Schauspieler der„Atellana“, der Volksposse, verlor es anscheinend bei Handelsunternehmen, musste sich als Müllersknecht verdingen und schrieb in der Mühlebereits einige Stücke. Durch seine Komödien kam er dann wieder auf festen Boden. Das letzte Aufführungsdatum war 184 v. Chr. All dies, so betont Blänsdorf, ist ungesichert – und es wäre, so fügen wir hinzu, auchnicht eben sehr erhellend.

Aber so viel können wir mit einiger Sicherheit sagen:

1. Plautus widmete sich, anders als Ennius, Naevius und Livius Andronicus, nur einer einzigen Gattung, der „Palliata“, das heißt dem Übertragen griechischer Komödien in solche lateinische Dramen, die in griechipallium

2. Er konnte gut Griechisch, obschon ihm zuweilen Übersetzungsfehlerunterliefen (Maurach [1988] zu Poen. 282), kannte die griechische Welt,obgleich er zuweilen sich im Mythologischen versah (Fraenkel [1922]31), und ähnliche Kenntnisse konnte er bei einem Teil seines Publikumsvoraussetzen (Blänsdorf [1978] 106 ff.).

3. Plautus hatte sein Handwerk so gut gelernt, dass auch schon das erstefür uns kenntliche Stück, der „Miles“, eine vollendete Vers- und Palliatentechnik zeigt.

4. Ebenso klar ist, dass Plautus und seine Kollegen, anders als zum Beispiel Menander, für Geld schrieb – und verdienen wollte er dadurch,dass er dem Publikum gefiel. Es sollte lachen über das, was da auf derBühne mit den griechischen Personen geschah. Die Griechen – das Graeculipergraecari meinten, man benehme sich so albern wie sie.Darüber lacht die plautinische Komödie lauthals und oft reichlich grob. Jedenfalls zeigte dieBühne des Plautus Dinge, die den römischen Zuschauern zumeist rechtfern lagen. Daher die tausend Vergröberungen, das ständige Lächerlichmachen und Witzereißen über eine Welt, eine „Phantasiewelt“,dienicht die der Zuschauer war.

Auf der Bühne Menanders passierte dem Römer zu wenig; daher freuteer sich an Gesangseinlagen, die es in der Nea Athens nicht gab; er hatteseine Lust an Possen, die Menander verabscheute, die der Italiker aber ausallerhand grobschlächtigen Lustbarkeiten wie zum Beispiel Volksposseder Atellane kannte und die er mit Spaß erlebte,und er hatte sein Vergnügen an vielfältiger Aktion, weshalb spätestens seit Naevius die Komödiendichter ihre Vorlagen durch handlungsträchtige Einlagen anreicher-

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Dazu ließ Plautus in verstärktem Maße den verschlagenen Sklavendie Handlung beherrschen und schob neben dem Späße machenden Parasiten den widerlichen Kuppler zuweilen in grelles Licht.Kurzum: WasPlautus schrieb, war – so wollen wir vorerst sagen – denaturiertes Griechentum, das dem lauten Gelächter, einem „broad amusement“, wieArnott (1975, 40) es nannte, preisgegeben war. Naturgemäß musste er damanches Feine seiner Vorlage vereinfachen und manche Empfindung zurKarikatur werden lassen. Wie viel vermochte er da von Menander zu begreifen und zu retten? Plautus war dennoch, das werden wir noch erleben,sehr wohl empfänglich für feinere Töne in seinen Vorlagen, aber – das wardie Folge des Schreibens für Geld – er musste Kompromisse eingehen. Die Stücke

Plautus soll nach Gellius 3, 3, 11 nicht weniger als 130 Komödien verfassthaben. Uns sind 55 Titel bekannt, 21 davon hielt jener Gelehrte ciceronischer Zeit, Marcus Terentius Varro, aufgrund seines Stil- und Sprachgefühls (Gellius 3, 3, 3) für authentisch. Urkundlich absicherbar ist dieseAuswahl nicht. Dies alles will sagen: Auch was die Zahl und die Autorschaft anlangt, herrscht Unsicherheit. Denn es fällt nicht leicht, ein unddenselben Autor für derart disparate Stücke wie den „Trinummus“, den„Stichus“ und den „Persa“ anzunehmen. Jetzt aber müssen wir auf einenoch viel unruhigere See hinaussegeln. Die Überlieferung

Die laienhafte Frage lautet: Sind die 21 Plautus-Komödien, die wir nochlesen können, so in den Handschriften überliefert, wie Plautus sie geschrieben hat? Da wäre zunächst in einfachster Form zu klären, welchesdiese Handschriften denn sind. Wenn man die ältesten auswählt, so ergibtsich dieses Bild: Die älteste erhaltene Handschrift ist ein Kodex in der ambrosianischen Bibliothek zu Mailand (genannt A), dessen Blätter einst denPlautus-Text trugen, dann aber abgewaschen wurden, um einen christlichen Text aufzunehmen. Noch schimmern die alten Unzial-Letterndurch, ein italienischer Gelehrter übergoss sie vor rund 200 Jahren miteiner Flüssigkeit, welche die alte Tinte hervorleuchten ließ, dann aber Löcher ins Pergament fraß. Das zeitigte Schadstellen, denen dann WilhelmStudemund das noch Lesbare entlockte, dafür aber sein Augenlicht gab.Dieser Kodex stammt wohl aus dem 3./4. Jahrhundert n. Chr. und zeigteinen Textzustand, der vielerorts älter, das heißt weniger verderbt ist als

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der Text, den die Zusammenschau der drei nächstjüngeren ergibt, derHandschriften B (ein Palatinus Vaticanus aus dem 10. Jh.), C (ein PalatinusHeidelbergensis aus dem 11. Jh.) und D (ein Vaticanus aus dem gleichenJh.). Man fügt diese drei Handschriften unter dem Zeichen P zusammen.Der Unterschied zwischen A und P ist, schlicht gesprochen, der, dass inP alles gegen Ende der Antike, als diese Ausgabe entstand, noch Erreichbare gesammelt ist, so zum Beispiel Schauspielerbezeichnungen, Varianten, Doppelfassungen, wohingegen A eine Auswahl aus dem Überliefertendarstellt und im Falle von Varianten und Doppelfassungen zumeist alleindas dem Editor besser Erscheinende schrieb.

Stellen wir uns die Ausgangslage vor Augen: Plautus hat ein Stück geschrieben. Das verkauft er an einen der „Direktoren“ einer Schauspielertruppe; der bietet das Stück den Aedilen an, den Beamten also, welche fürdie Ausrichtung der Feste und deren Bühnenaufführungen zuständigwaren. Diese Beamten treffen ihre Auswahl, und das gewählte Stück erscheint auf der Bühne. Wenn es gut gefallen hat, wird man sich seiner erinnern, es vielleicht erneut aufführen. Jedenfalls dann, als die Komödienproduktion zu versiegen begann, war man begierig, Plautus erneut auf dieBühne zu bringen. Da es so etwas wie den Schutz geistigen Eigentums damals nicht gab, waren die Aufführenden frei, den alten Text zu ändern, Motive zu verstärken, Altbackenes auszumerzen, Komisches hinzuzufügen. In dieser Zeit der Wiederaufführungen geschahen die stärksten Textänderungen. Ihnen ward dann Einhalt geboten, als ein Kenner im 1. Jh. v. Chr.eine erste Gesamtausgabe veranstaltete. Dann verblasste das Interesse anden alten Dichtern, Horaz bezeugt und beförderte das (vgl. Epist. 2, 1).Wohl aber interessierte die hadrianische Zeit sich für die Alten, und in dieser Periode erschien wohl auch die für lange Zeit maßgebende Edition(Leo [1912] 19 f.), gelenkt und geleitet wohl durch die Nachwirkung des bedeutenden Gelehrten Valerius Probus im 1. Jh. n. Chr.Inzwischen hattendie einzelnen Stücke je nach Gebrauch ihre jeweils eigenen Schicksale,weshalb manche von ihnen recht gut, manche schier heillos verderbt überliefert sind (man lese einmal den „Truculentus“, den besonders P. J. Enk inbewundernswerter Arbeit wieder lesbar machte). Diese Ausgabe wird nachgriechischem Vorbild kritische Zeichen verwendet haben, also Zeichen amRande der Seite, die auf Fehler und Ähnliches hindeuteten. Diese Zeichensind bald verloren gegangen, wurden auch zuweilen falsch aufgelöst, und sowird eine Menge von Versumstellungen zu erklären sein. Inzwischen drangen aus den gelehrten Kommentaren und Lexika Glossen ein, Erklärungenalter und schwer verständlicher Wörter; manche solcher Randglossenhaben dann auch Echtes verdrängt.

Ein Beispiel: Der „Persa“ erfreut sich, teilweise zu Recht, keiner Hochschätzung, enthält aber erstaunlicherweise einen recht menschlichen Bor-

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und manches Mal hinreißende Komik.Der Inhalt ist kurzdieser: Ein Sklave Toxilus hat sich in eine Hetäre namens Lemniselenisverliebt, hat aber kein Geld, um sie freizukaufen. Der Mitsklave Sagaristiounterschlägt nun den Erlös eines Viehverkaufs. Um den Schaden wiedergutzumachen, wird der Parasit Saturio erpresst, seine Tochter in einemScheinverkauf dem Kuppler anzubieten. Sagaristio, verkleidet als Perser,bietet an, der Kuppler kauft, fällt herein. Der Parasit will dann seine Tochter wieder zurückhaben, der Bordellwirt muss sich der Rechtslage beugen,zahlt zurück, und Toxilus lädt zu einem Triumphgelage. Eine alberne, restlos irreale Handlung, sie dient nur als Spalier für eine Fülle von Effekten.Zu Beginn des zweiten Aktes tritt die in Toxilus verliebte Lemniselenis inBegleitung ihrer Dienerin auf, die ihr verspricht, ihre Liebesunruhe zu stilego istuc pelagus tibi ut sit faciam ego istuc placidum tibi ut sit faciamText verdrängt hat“.Wenn man dies alles bedenkt, sieht man, wie berechtigt es war, von „unruhiger See“ und gleichsam einem Meer von Unsicherheiten zu sprechen.

Die Unsicherheit wird dadurch vermehrt, dass wir nie sicher sein können über das Ausmaß an Zufügungen (Interpolationen) während derWiederaufführungszeit. Da liest man zum Beispiel im „Stichus“ Seltsames.Die beiden Schwestern Panegyris und Pamphila sind seit Jahren ohneNachricht von ihren auf einer Handelsreise abwesenden Männern. IhrVater will seine beiden Töchter daraufhin erneut und besser verheiraten,die aber wehren sich. Dann aber kommen die Männer, reich geworden,heim, und das Ganze endet mit einem furiosen Gelage. Die Handlung istnichtig, gewiss; aber gleich der Anfang bietet ein metrisch buntes Schwestern-Duett (1–47), dem zehn recht prosaische iambische Senare folgen,und zwar allein in P. Sie stammen ersichtlich aus nachplautinischer Zeit(Petersmann [1973] 91, 98 f.), sind also interpoliert, um das schwierige Liedzu ersetzen.

Doch auf diesem Felde der Interpolationsforschung herrscht Streit.Otto Zwierlein hat sich nach Vorarbeiten, die gut hundert Jahre zuvor begannen, aufgemacht, den Plautus von solchen Bearbeitungsspuren zu reinigen, in vier gewichtigen Bänden legte er einen schlanken Text vor. Dochseine Argumente halten nur zu oft der Prüfung nicht stand (vgl. H. D. Jocelyn [1993] und [1996]). Keine Frage, dass er oft Interpolationen entdecktund wiederentdeckt hat, zum Beispiel die Schlüsse des „Poenulus“ beweisen die Bearbeitung in nachplautinischer Zeit (Zwierlein [1990] 56 ff.),aber zu oft wankt die Beweisführung. Noch ist hier viel zu tun, vieles inruhigeres Fahrwasser zu lenken. Der Leser aber sollte sich stets an dasSchildchen erinnern und überall fragen: „Ist das wirklich Plautus, was ichlese?“ Die gelehrte Literatur wird ihm, vorsichtig geprüft, trotz aller Pro-

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einige Klarheit schenken. Jetzt wenden wir uns den Hauptstücken plautinischer Technik zu, um den Leser für seine Lektüre vorzubereiten, nämlich der Sprache, der Metrik, dem Stil des Übertragens,den Liedern und der Kontamination. Die Sprache

Können wir auf dem Gebiet der Sprache sicherer gehen als auf dem derTextkritik? Beginnen wir beim Einzelwort. Bei der Untersuchung scheinbar oder wirklich interpolierter Stellen liest man oft und zu oft das Argument: „Das gibt es bei Plautus nicht, also ist dies sonst unplautinisch, willsagen: nachplautinisch.“ Aber man lese zum Beispiel M. J. Kümmel (Studien zu Plautus’ „Cistellaria“ 347 ff.): Man wird einige Wörter finden, die Deiuvare zweifelhaft echt, aber nur hier belegt ist. Das Latein des Plautus ist vollvon Wörtern und Formen, die zu seiner Zeit noch gängig waren, danach examussim edentulusmavelim duint,schon für Plautus altertümliche Wortformen, die meist am Versende auftauchen, weil sie da metrisch bequem sind. Plautus spielte gern und erfandWörter, die es damals überhaupt nicht gab (vgl. Truc. 422): Die Hetäre verusque ero assiduoimmo hercle vero accubuo mavelim accubuo

Dann kann man übergehen zu den Ausdrucksweisen, die in der Zeitnach dem Altlatein verschwinden oder normalisiert werden. Die ZeitenConsecutio Temporumist wie später, wäre ein gutes Beispiel.Plautus konnte auch das Supinum[facile] factume habes perditui [1907] 76 f.). Das alte Latein war sehr lebendig, viel entstand und vielesIta verborum vetus interit aetasAber auch hier stellt sich immer wieder die Frage, was an sprachlichenSeltsamkeiten (verglichen mit der Klassik) Plautus überhaupt zuzutraueniniuriarum inducere hen“, „anklagen“ (Poe. 1337) dem Umbrer zutrauen? Leo im Apparat zurStelle verneinte, HS 76 bejahten, Zwierlein (1990, 71) blieb unentschieden– überall Glatteis, das viel Vorsicht erfordert.

Zur Sprache gehören aber noch zwei Dinge mehr: die Periodisierungund das, was man die Modulation nennen könnte. Was die Periodisierung

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angeht, so reiht er lieber Nebensätze, anstatt sie zu verschachteln, und erreiht sie oft so, dass die Subjekte wechseln (HS 734 f., besonders Blänsdof[1967] 11, vgl. Pers. 361 ff.). Terenz wird hier Eleganteres versuchen (HS735). Was die Modulation betrifft, also zum Beispiel die Variation zwischen Zart und Grob, so reicht die Palette der alten Palliata vom Vergleicheiner Schmachtenden mit einer welkenden Blume (Ps. 38) bis zu so Grobem wie Pseud. I 1–3 oder Most. I 1. Der Plautus-Leser muss also vorbereitet sein auf das Widerspiel von Unbeholfenheit im Bau längererSätze zum Beispiel und meisterhafter Witzigkeit, gepaart mit sprudelnderPhantasie; doch das rührt bereits an Stilfragen. Über Plautus’ SpracheAuskunft zu finden, ist schwierig genug,aber noch schwieriger ist es,seinen Stil zu beschreiben.

Die Ausdrucksweise des Plautus, sein „Stil“, ist überaus flexibel; sprichter in den jambischen Senaren etwa so, wie ein gebildeter Mann in Romdamals in nicht allzu lockerer Gesellschaft zu sprechen pflegte, soschmückt er seine Langverse durch allerhand nachdrückliche und klangvolle Alliterationen, Wiederholungen, erschöpfende Doppelungen und pathetische Wendungen und überlädt seine Cantica zuweilen mit nicht endenwollenden poetischen Ergüssen.Dabei wusste er recht genau zu differenzieren, und zwar so ausgeprägt, dass W. Stockert sogar Personenverteilungen in den Handschriften aufgrund der spezifischen Ausdrucksartenvon Freien und Sklaven korrigierte.Denn in der Tat lässt Plautus seineFreien sich viel zurückhaltender ausdrücken als seine gern bramarbasierenden Sklaven. Bei aller spielerischen Freiheit befolgt Plautus also sehrwohl unterscheidende, selbst auferlegte Regeln,wenn auch nie strikt.Zum Stil des Plautus gehört nun aber auch das Widerspiel von streng geregeltem Sprechvers und freier Verfügung über die Maße der Cantica. Mankönnte meinen, einen Wechsel von strenger Gebundenheit in der Sprechvers-Metrik und der frei strömenden Lösung im Lied zu verspüren.

Aber zum Stil des Plautus gehört noch anderes: Gewiss reißt Aristophanes Witze, doch bleiben sie so gut wie immer im Rahmen der Szenenhandlung, zum Beispiel die Scherze über das Missverstehen des Strepsiades inden Lehrgesprächen der „Wolken“. Auch seine tagespolitischen Anspielungen bleiben wenigstens zur Hälfte in der Szene, denn eine Anspielungin den „Vögeln“ (s. oben Anm. 28), ein nichtsnutziger Sohn solle lieberkämpfen als ein Vogel werden, bleibt dem Sinne nach („Werde nichtVogel, sondern tue etwas Nützliches!“) im Rahmen der Szene. DiesenRahmen sprengt Plautus nun aber nur zu gern. Schier unendliche Begrüßungsduette oder alberne Wortwiederholungen (Rud. 1212 ff. zumBeispiel) zerbrechen die Szenenhandlung. Der Stil wird dadurch buntscheckig, mitten in Ernstem fällt ein blöder Witz (vgl. wieder Rud. 341;s. Zagagi, Studien zu Plautus’ „Cistellaria“ 182), die Sprache prickelt auf

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Kosten der Einheitlichkeit. Eduard Fraenkel hat diesen Erscheinungen einglänzendes Buch gewidmet (1922). Die Metrik

Was die Verstechnik anlangt, so scheinen wir endlich festeren Stand zu finden: Manches ist auf diesem Gebiet so geregelt, dass man von Gesetzensprach. R. Bentley zum Beispiel hatte schon vor 300 Jahren (zu Hor. Sat. 2,5, 79) festgestellt, dass im jambischen Senar in der vorletzten Hebung keinjambisches Wort enden dürfe, das heißt dass doppeljambischer Versschlussmalúm lucrúm bilden. Doch Drexler (1967, 32) nennt eine ganze Reihe von Ausnahmen.Die sind noch überschaubar, aber die Regeln der Jambenkürzung sind eskaum noch,snahm (1912, 248 ff.), gesichert? Die meisten Plautiniker verneinen, Drexler(1967, 47 und 61) hält einige Fälle für glaubhaft.

In das Gebiet zwischen Sprache, Vers und Sinn gehört die so oft behandelte Frage nach den Hiaten, das heißt nach den Einschnitten in den Versm einem Wortende und einem Vokal am Anfang des nächsten Wortes (dasm bonum amicum bonamicum cum/ero Poe. 396). Im Deutschen sagen wir, wenn wir schnell sprechen „Da lach’ich doch nur“; aber wenn wir „lache“ gegen ein „weine“ setzen wie in „Dalache ich und weine ich zugleich“, dann lassen wir die Gegensätze ohneVerschleifung von „lache“ und „ich“ kontrastbedingt unverschliffen gegeneinander stehen. Man unterscheidet solchen prosodischen, den „Aussprache-Hiat“, vom metrischen Hiat, dem Einschnitt in den Baufugen desVersinneren, und vom logischen Hiat in Sinneinschnitten. Ich habe 1971versucht, in einem System die metrischen und logischen Hiate zusammenzufassen. Viele haben dies System akzeptiert, Woytek hat seinen „Persa“Kommentar danach eingerichtet. Deufert (2004, 347 ff.) hat mir jüngst einige Belegstellen zu Recht widerlegt, arbeitet selber aber gern mit meinenKategorien. Eine neuerliche breite Untersuchung würde wohl die Entscheidung bringen. Bemerkenswert scheint immerhin, dass sich auch Hiatein Texten von Plautus’ Zeitgenossen (Deufert, 364 ff.) mit der Hilfe diesesSystems erklären und damit dann auch sichern lassen. Ein rasches Beispiel: In Bacch. 495 bittet der besorgte Vater des Pistoclerus den Freundserva tibi sodalem / et mihi filiumdir deinen Freund (vor den Mädchen) und mir den Sohn“. Vor dem affektisch betonten „und mir den Sohn“ schneidet der Dichter durch den Hiat

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betonend ein. Aber viel wichtiger als Einzelnes ist dies: Derlei Hiate gabes im Griechischen Menanders nicht. Sind sie für Plautus gesichert?

Friedrich Leo (1912, 2 ff.) hatte die meisten Hiate auf Fehler und Verderbnisse der Textüberlieferung zurückgeführt. Aber schon Cicero bezeugt, dass die alten Dichter gern den Hiat verwendeten (Or. 152), dochsuchten Editoren bereits im 15. Jahrhundert, sie durch Textänderung dannwieder loszuwerden, ihre Änderungen sind jedoch in den allermeisten Fällen keine Verbesserung. Da weiterhin der Hiat unter immer wieder in dergleichen Weise auftretenden Bedingungen vorkommt und somit zumeistbeabsichtigt scheint, kann ich Leos Theorie nicht folgen. Fragen wir abereinen Augenblick danach, was die Hiate denn überhaupt bedeuten?

Um hier etwas mehr Klarheit zu gewinnen, nehmen wir eine andere Erscheinung gleich dazu. Nach der drittletzten Hebung des Senars und trochäischen Septenars und nach dessen zweiter Hebung darf eine Silbe, auchwenn sie kurz ist, dennoch den Akzent tragen, das heißt, es darf wie amFingeré falláciám demnach an diesen Versstellen legitim. Dies hatte Hermann Jacobsohn(1907, 5 ff.) erkannt, und es gilt heute als „unanfechtbar“ (Drexler [1967]49). Was bedeuten nun diese beiden Erscheinungen? Sie bedeuten, dassder altlateinische Vers sinnvolle Unterbrechungen des Wortflusses zuließ,eine Technik, die ganz ungriechisch ist. Plautus und seine Kollegen habenalso die griechische Glätte nicht nachgeahmt, sondern blieben beim altlateinischen oder altitalischen Brauch, schrieben sie ja doch auch die Versenicht nach Maßgabe der griechischen Dipodie, sondern nach Füßen.Diealten Dichter blieben also bei dem Ihren, auch auf Kosten der Glattheit. Die Art plautinischen Übertragens Wir sprachen von Glätte in der Versgestaltung; wir können die Frage nachder Glätte auch in Bezug auf die Kompositionsweise des Plautus stellen.Wie frei verfügt er über seine Vorlagen?

Ohne Skrupel flickt er spaßige Anspielungen ein, die ganz aus dem Römischem kommen und für die römischen Zuschauer gedacht sind, so zumBeispiel Anspielungen auf die Leute von Praeneste (heute Palestrina),über die der Stadtrömer gern lachte (Trin. 609, Truc. 691). Aber die Freiheiten, die er sich erlaubte, gingen noch viel weiter.

Im Folgenden werden wir, wie im Falle des Aristophanes und Menander, etwas ausführlicher bei einem Beispiel verweilen, bei dem Stück„Bacchides“. Es wird etwas von den oben nur kurz angesprochenenEigenarten des Plautus im Sprachlichen, Metrischen und auch im Dramaturgischen zeigen können, wird dabei sowohl seine Mängel als auch seine

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Tugenden wenigstens umrisshaft erkennbar werden lassen, wird aber aucheiniges Licht auf die Überlieferung werfen.

Im Jahre 1968 konnte E. W. Handley einen Papyrus veröffentlichen, derzum ersten Male Verse aus einer Menander-Komödie enthielt, die Plautusbearbeitet hat. Es handelte sich um ca. 100 Verse aus dem „Dis Exapatón“(„Der Doppel-Betrüger“), aus dem Plautus seine „Bacchides“ („DieSchwestern Bacchis“) gemacht hatte.In diesem Stück geht es um Folgendes: Der Athener Mnesilochus,der Sohn des Nicobulus, war vomVater auf eine Geschäftsreise nach Ephesus geschickt worden, um eineSchuld einzutreiben. Dabei hatte er sich unterwegs, auf Samos, in die Hetäre Bacchis verliebt, die jedoch leider mit einem Offizier einen einjährigen Liebesvertrag abgeschlossen hatte und mit ihm, recht ungern, nachAthen ziehen musste. Mnesilochus hatte darauf seinen Freund zuhause,Pistoclerus, den Sohn des Philoxenus, brieflich gebeten, sie bei ihrer Ankunft in Athen ausfindig zu machen. Pistoclerus war das auch gelungen:Sie ist eingetroffen und wird, so ergab sich, zu ihrer Schwester ziehen, die– ebenfalls Bacchis geheißen und ganz ähnlich aussehend – in dem Hauseneben dem des Philoxenos und Pistoclerus gleichermaßen dem Hetärenberuf nachging. Zu Beginn des erhaltenen plautinischen Textes (der Anfang des Stückes ist verloren)sehen wir den noch sehr jungen, bisherunter der Fuchtel seines sittenstrengen Erziehers aufgewachsenen Pistoclerus vor seinem Hause im Gespräch mit der Nachbarin Bacchis undihrer eben eingetroffenen Schwester. Der Junge ist zunächst sehr absprechend, hat Angst, kann seine Erziehung nicht vergessen; die Schwesternaber hoffen, in dem jungen Mann Hilfe zu finden: Er soll den Liebhaberder neu angekommenen Schwester spielen, um den Offizier auf Distanz zuhalten. Zunächst lehnt der Junge züchtig ab (53, 73, 85), dann aber, alsBacchis aufgibt (89 f.: „Nun gut, nichts dran [im Sinne von „vielleicht ist anmeinem Plan nichts dran, vielleicht ist er nicht durchführbar“]; soll derSoldat sie halt abführen!“), da bezieht er das „nichts dran“ auf sich, seinStolz ist gekränkt,aber noch kann er seine Art nicht verleugnen. Auf dieerneute Frage (vgl. 54), wovor er denn Angst habe (92), ermannt er sichendlich: „Nichts, Kleinigkeiten!“ Er wirft mit diesem Wort seine gesamteErziehung über den Haufen, und auch damit, dass er jetzt auf den Planeingeht und sich sogar bereit erklärt, auf dem Markt ein Willkommensessen für die neu Angekommene zu kaufen.

Die Bühne wird leer, dann beginnt der Gegenzug: Der Erzieher des Pistoclerus, Lydus, ist seinem jungen Herrn, der sich schick herausgeputzt hat,gefolgt und stellt ihn nun zur Rede. Der aber weist den Alten ab, und zwarin mehreren, sich steigernden Schrittenbis hin zur völligen Demontage(„Wer ist hier der Herr und wer der Sklave?“, 162). Als Helfer einer reizvollen Frau ernst genommen, am Ende bei der Ehre gepackt und zu einer

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eigenen Entscheidung gegen alles als Knabe Gelernte gebracht, wird ausdem Bengel ein Mann: „Komm’ mit und halt’ den Mund!“ (169).

Auf die leer gewordene Bühne kommt nun die sehr bald alles in Gangsetzende und haltende Person, der pfiffige Sklave Crusalus,der Dienerdes Mnesilochus, und zwar mit einer Parodie von Heimatbegrüßungen dergroßen Literatur.Zu ihm tritt Pistoclerus, der ja gebeten worden war,die Geliebte des Mnesilochus aufzufinden. Er kann den Erfolg melden(199 f.).Nun ist es an Crusalus, Geld aufzutreiben, um den Offizier fortaliquam machinabor machinam Trick sehr simpel ist: Er wird dem Jungherrn raten, etwas von dem mitgebrachten Gelde abzuzweigen. Aber so exaltiert reden die eingebildetenBetrüger-Diener des Plautus.

Da kommt Nicobulus, der Vater des Mnesilochus, der ja verreist gewesen war, eben heimgekehrt und somit dem Vater noch nicht begegnetist, aus der Tür (die Bühne zeigte drei Haustüren) und fragt naturgemäßseinen Diener Crusalus, der mit dem Sohne gesegelt war, nach diesem. Esgehe ihm gut. Und das Geld? Beinahe hätten, so flunkert Crusalus, Räuber es erwischt (270 ff.), aber nun liege es sicher beim reichen Theotimus inEphesus. Der Vater ist hoch erfreut und geht ab, dem Sohn entgegen. Daswar die erste List des Crusalus. Dem aber wird nun doch etwas bang: ObCrusalus Crucisalus am Kreuz zappelt“ (362)?Jetzt steht das Barometer auf „Sturm“: Dereine Vater, Nicobulus, wird viel Geld verlieren, weil sein Sohn Mnesilochusseine geliebte Bacchis aus dem Vertrag kaufen muss; der andere Vater,Philoxenus, wird Verluste erleiden, weil sein Sohn Pistoclerus der Schwester Bacchis verfallen ist und für den Aufwand Mittel nötig hat.

Nun beginnen die Verwicklungen: Lydus, der seinem jungen Herrn indas Nachbarhaus gefolgt war (169), stürzt aus dessen Tür, entsetzt ob derSzenerie da drinnen, die er, was die Fürchterlichkeit anbetrifft, mit demTotenreich vergleicht: Dort hinein gehe nämlich keiner, der nicht alleHoffnung auf Anstand aufgegeben habe (vgl. Dante, Inf. 3, 9); das seienbacchaealso nach der Auffassungdes Normalrömers um 190 v. Chr. (Liv. 39, 8 ff.) kinderfressende Bestien,Blutsaugerinnen. Diese maßlose Übertreibung geht auf Plautus’ Konto,denn für ihn ist „sofort die Vorstellung des Bordells gegeben, sobald voneiner meretrix die Rede ist“; dafür, was eine der „vornehmen und anspruchsvollen“ Hetären in Athen war, hatte er kein Verständnis beziehungsweise konnte es bei seinen Zuschauern nicht voraussetzen: Hetäre,das war der Anlass zu Grobschlächtigkeiten.Was ist aus dem bis hierherGesagten zu ersehen? Dass der Plautus-Leser mit zwei Schichten zu rechnen hat, mit der Schicht des mehr oder weniger wörtlich übertragenen

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griechischen Originals als Fundament, dann mit der Schicht plautinischerZutaten.Zu den Zutaten des Plautus gehören nicht nur Gleichsetzungen wie die der Bacchis-Schwestern mit Blutsaugern (372), sondern auchssorbent sanguinem opime – opiparecontinuocontuli protinam in pedes.“ wendet. Plautus sucht also über den Gedanken und seine klare Darstellung hinaus die Beeindruckung des Ohrs. Aus dem griechischen Spiel, welches das Leben abbildet, wird hier ein klangvolles Rezitationsvergnügen,das nicht mehr lebenswahr sein will.

Also Lydus verdammt das Hetärenhaus und gesteht, vor der Entsetzlichkeit Reißaus genommen zu haben. Jetzt, nach dem Gedanken an seineeigene Rettung, denkt er an seine Pflicht und ruft zu Pistoclerus ins Hetärenhaus zurück: „Soll ich etwa alles verheimlichen? Deine Untaten vordem Vater verbergen?“ Und diese „Untaten“ bezeichnet er gleich mit dreiflagitia aut damna aut desidiabula Schaden und Lasterhöhle. Durch sie, so geht der Text weiter, „bringstduden Vater, mich, dich und alle deine Freunde zugleich in Verruf, Schaden,Schande und verdirbst sie. Weder um meinet- noch um deinetwillen hastdu dich da drinnen deines Tuns geschämt, durch das du deinen Vater undmich zugleich, deine Freunde und Verwandten, indem du üble Nachredeauf dich ludest, zu Schand-Gepäckträgern gemacht hast.“ Diese Zeilenverlangen nach Erklärung, sie fällt zweifach aus. Zum einen fügt der Texteinen albernen Scherz ein, indem er die Nächsten des Pistoclerus mit Töpfern gleichsetzt, die ihre Ware auf den Schultern hausierend herumtrugengerulifiguli ). Mit diesem Witz zerbrichter die Illusion der Lebensnachahmung: Macht man Witze mit dem, wasman sagt, schafft man Distanz. Zweitens sagen die Verse 377 f. dasselbe wieflagitia affectassung getilgt. Sie belegen, dass der Plautus-Text nicht nur durch eine Füllevon Zutaten des Plautus zum griechischen Original durchsetzt ist, sondernauch aufbauschende wie kürzende oder vereinfachende Doppelfassungenaus der Zeit nach Plautus aufweist.

Nachdem Lydus von seinem Zögling so arg demontiert worden ist(„Wer ist hier der Herr und wer der Sklave?“ in 162), steckt er sich jetzthinter den Vater. Denn immer noch sieht er es als seine Aufgabe an, denJungen rein zu erhalten. Wenn er das nicht aus eigener Kraft vermag, musseben der Vater ein Machtwort sprechen. Wird der das jetzt tun?

In 385 tritt Mnesilochus auf, dem Freunde zutiefst dankbar für das Auffinden der Geliebten. Er will sich, so sehr er kann, bemühen, ihm das Gute

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mit Gutem zu vergelten. In 405 kommt Lydus mit dem Vater des Pistoclecor acreschrittensucht er den Alten in Bewegung zu bekommen, von denen erstder letzte verfängt, als nämlich Lydus, jetzt im Beisein des Mnesilochus,diesen über alles lobt, den Sohn aber scharf tadelt: Da wird Philoxenusböse (463): „Hör’ auf, ihn schlecht zu machen!“ Jetzt erfragt Mnesilochusdie Ursache der hitzigen Auseinandersetzung und erfährt, dass Pistoclerussich dort drinnen mit „Bacchis“ vergnügt. Er meint, beruhigen zu können:Die Wahrheit sei, dass Pistoclerus für ihn, für Mnesilochus, in seinem Auftrag handele. Aber Lydus hat gesehen, was dazu nicht passt: „SchönerAuftrag! Pistoclerus hielt sie auf dem Schoß und küsste sie!“ (477 f.).

Auf der Bühne sieht man nun die Dreiergruppe auseinander platzen: Zuder einen Seite hin springt Mnesilochus, erschüttert jammert er, derFreund habe ihn „vernichtet“ (489). Doch unmittelbar darauf klagt er dieFrau an.„Ich bringe sie um! Ich will lieber selber sterben, als das nichttun!“ Dann die Verzweiflung: „Weiß ein Mensch wirklich nicht, wer ihmtreu ist, wem er vertrauen kann?“ Ein catullischer Klang. Auf die andereSeite treten Lydus und Philoxenus: Das Entsetzen des Mnesilochus versteht der Erzieher natürlich nicht als Folge der vermeintlichen Treulosigkeit, sondern als Zeichen der Erschütterung über des Pistoclerus Sittenlosigkeit: „Siehst du“, sagt er 492 f. zum Vater des Angeklagten, „wie Mnesilochus verzweifelt ist über die Verdorbenheit deines Sohns?“ Da reagiertPhiloxenus nun endlich, wie gesagt, irritiert. So vorbereitet, gehen wir jetztzum Text Menanders. Vergleich Menander („Dis Exapaton“ 11–30) –Plautus („Bacchides“ 494–525)

Wir wollen allein diese Textteile vergleichen und nicht alle die 100 aufgefundenen Menander-Verse, da das zu viel Raum beanspruchen würdeund das Grundsätzliche auch aus den zu besprechenden Zeilen deutlichwird. Es scheint dabei am besten, die Teiltexte in Übersetzung vorzuführen, wobei auf die Plautus-Verse verzichtet wird, die bisher mit gutenGründen als später hinzugesetzt betrachtet worden sind.

Menander

VaterMann,und rette ihn und die ganze Familie, die ihn liebt.Lydus, wir wollengehn!

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LydusVaterist genug.

Lydusherrschten!

Geht abSostratosgemeint der Freundhält ihn fest.

gemeint er selbst walt gebracht.

(20) Das wird sie abstreiten, klar, schlau ist sie ja; von sämtlichen Götternwird

wenn sie ihre Eide schwört

stürmt auf ihr Haus los

Sostratos! Aber vielleicht wird sie dich beschwatzen? Ihr Sklave (bin ichja, so

Lieb’ ich sie!) (25) Aber gut, sie soll mich beschwatzen, wenn ich abgebrannt bin,

Nichts mehr habe: Das ganze Geld will ich dem Vater wiedergeben. IhrGebarme

Wird dann schon aufhören, wenn sie merkt, dass sie (wie man so sagt)einer

den Vater nämlich

Plautus

PhilSinnen lenkst,

MnesLyd

PhilLydtüchtig,

Der mit Schande dich, mich und alle anderen Freunde bedeckt!

PhilLydMnesDen Kameraden oder die Bacchis. Hat sie ihn lieber haben wollen?

Soll sie ihn haben, in Ordnung. Aber, das hat sie sich selber

Zum Schaden getan! Denn niemand soll mehr etwas glauben,

Das ich bei den Göttern schwöre, (505) wenn ich sie nicht mit allen

Mitteln ganz und gar – liebe!

(512) Aber wenn sie jemals von meinem Geld auch nur um den Flaum

Einer Feder reicher werden sollte, will ich ärmer sein als ein Bettler!

Nie im Leben wird sie mich verlachen, (515) denn ich hab’ beschlossen,

Jetzt gleich das ganze Geld dem Vater zurückzuzahlen.

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So wird sie mir als einem Abgebrannten und Mittellosen schmeicheln,

Wobei das Schmeicheln nicht mehr Wirkung haben wird, als wenn

Einer an einem Grab dem Toten Vorträge hält!

Worin unterscheidet sich nun Plautus von Menander? Der Griecheschreibt ein schlankes, einfaches Griechisch, Plautus führt Fülligkeit ein,animum atque ingenium494); Menander spricht von der Rettung des Sohnes als von der Rettung„des Sohnes und des ganzen Hauses, das ihn liebt“, Plautus dagegen bezieht Mnesilochus mit ein in Form einer rhetorischen Antithese von Duund Ich: „Rette dir den Kameraden, mir den Sohn.“ Das mag dramatischeindringlicher sein. Auch Menander hängt eine eigentlich recht unnötige,kurze Aufforderung des besorgten Pädagogen an die des Hausherrn; dieAufforderung des Lydus bei Plautus ist mit ihren drei Imperativen aber erneut fülliger, und wo Menander nur „uns allesamt“ sagt, nennt Plautusgleich drei Betroffene: „Dich, mich und alle anderen Freunde“ (498).

Menander sagt (v. 18) ganz lebensecht: „Jetzt ist er endlich weg“, denndas Gerede des Erziehers war ihm zu viel, er wollte endlich seiner Enttäuschung Luft machen. Plautus dagegen lässt seinen Mnesilochus rhetorischmit einer förmlichen Rede-Einleitung beginnen (501 f.). Ein kleiner Unterschied liegt auch darin, dass Mnesilochus, anders als der Sostratos Menanders, auch den Freund in seinen Tadel einbezieht, doch nur kurz und umeiner erneuten Antithese willen. Im Folgenden konzentriert er die Schuldzuweisung auf die Frau wie Menanders Sostratos.

Plautus lässt von Menanders köstlich lebendiger Szene, in der Sostratosdas Verschwinden des lästigen Mahners begrüßt und in der seine Phantasie sich ausmalt, wie das Mädchen schwören werde, nichts stehen; Mnesilochus will nur Rache, und die kündigt er mit wuchtig-fülligen Worten an –um dann ins Witzeln zu verfallen, denn in 505, vielleicht schon 503,schreibt er eine überraschende Schlusspointe, die einen Lacher provozieren soll.inaniwas dem griechischen Attribut in 25 wörtlich entspricht), aber Plautusinani atque inopiEnde schwenkt er auf Menanders Linie ein und verwendet dasselbe Bildvom Reden zu einem Toten. Kehren wir zum Anfang zurück: Wenn Plautus den Monolog des Mnesilochus mit einer förmlichen Einleitung beginnen lässt, dann macht er aus einem lebendigen Selbstgespräch, dessen Lebendigkeit auch noch durch impulsives Losrennen auf die Haustür derNachbarin (23) und sofortige Selbstbeherrschung verstärkt wird, einenRezitations-, wenn nicht Deklamationsmonolog.Zudem wirbelt erdie Gedankenfolge Menanders bunt durcheinander, nicht zuletzt seinesWitzes wegen, der das feine psychologische Geflecht zerreißt.

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Um uns ein Bild zu machen von dem, was Menander in seinem „Dis Exapaton“ wohl gewollt hatte und was Plautus schrieb, ist es angebracht, unsder wenigen Verse Menanders, die wir oben besprochen haben, zu erinnern: Der Vater des Jungen, der sich in Bacchis, die Nachbarin, verguckthat, bittet dessen eben von der Reise zurückgekehrten Freund, ihm denSohn zu „retten“. Daran hängt der untergeordnete Erzieher seinerseitseine Mahnung, „kartet nach“, nimmt sich als der (ehemalige) Sittenlehrerdabei also überaus wichtig. Diese kleine Charaktereigenart des Pädagogenzeigt, was Menander an spezifisch Menschlichem in seinen Figuren vorführen wollte. Wollte Plautus das Gleiche? Auch sein Lydus führt sich aufwie der Menanders. Das bewahrt Plautus also trotz aller Rhetorisierungund Verstärkung so wie er die innere Wandlung zum Manne in Pistoclerusfein zu gestalten wusste. Aber wie steht es mit den anderen Figuren?

Plautus gibt im weiteren Verlauf des Stückes einen fintenreichen Sklaven von unmenandrischer, weil unrealer Einfalls- und Machtfülle.DieVäter des Plautus sind nur wenig verschieden: Nicobulus sorgt sich umden Sohn Mnesilochus und wird so zur Geldquelle für Crusalus. Er zahltund verliert viel. Und Nicobulus ist es auch, der sich länger als Philoxenus(1157) gegen die Verführungskünste der Frauen wehrt. Sein Nachgeben in1194 kommt nicht gänzlich unerwartet, denn als Crusalus ihm die Hetärezeigte, war er beeindruckt: Auf die Frage: „Kommt sie dir nicht toll vor?“antwortete er: „Ja, in der Tat“ (838). Der andere Vater dagegen, Philoxenos, gibt sich als jovial und verständnisvoll, dennoch äußert auch er Bedenken gegen die jüngste Entwickelung des Sohnes (1076), lässt sich dannnihili sumhat hier nicht mehr viel Wert auf Psychologie und genauere Charakterzeichnung gelegt.

Hat er sich mehr den Jünglingen zugewandt? Wie Pistoclerus sich vomErzieher befreit, das hat er eindrucksvoll gezeigt, wobei er wohl denSchritten Menanders recht genau folgte. Aus dem entsetzten Monolog desMnesilochus machte er Rhetorik, aber die Grundsubstanz wird er nichtverändert haben. Beide Jungen sind impulsiv, wie Zwanzigjährige nun einmal sind: Ohne viel nachzudenken, verlieben sie sich, und als das Geldfehlt, werde „ein Gott schon helfen“ (638 a).Dazu sind sie jugendlichrücksichtslos: An die Väter denkt keiner von ihnen. Seltsam aber ist, dassPlautus weder die Szene zeigt, in der Mnesilochus dem Vater das mitgebrachte Geld zurückerstattet, noch es auch eine Szene gibt, in der dieSöhne (oder doch wenigstens einer von ihnen) zwischen Betrug und furiosem Finale (Einzug der Alten ins Hetärenhaus, wo sich ja auch die Söhnevergnügen) auf die Väter treffen: An dem inneren Geschehen zwischen

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Vätern und Söhnen war Plautushier nicht interessiert. Verstanden hater derlei aber sehr wohl, denn er weiß auf engstem Raum feine psychischeKleinigkeiten zu gestalten: Als Nicobulus, gespannt Nachrichten vomSohn erwartend, auf Crusalus trifft, ihn aber nicht begrüßt, sondern mitder Frage: „Um Gottes willen: Wo ist mein Sohn?“ überfällt, Crusalusaber, frech wie er nun einmal ist, einwendet: „Kein’ ‚Guten Tag‘ gibt’s?“,da wirft Nicobulus nur ein kurzes „Tag!“ hin. Derlei Übergehen undÜbersehen eines Unwichtigen wusste Plautus also durch ein kurz hingeworfenes Wort sehr gut auszudrücken.

Und noch etwas ist anscheinend zu beherzigen: Dort, wo es um Sachliches, um energisches Handeln oder auch um das Berichten von Ereignissen geht, lässt Plautus die Szenen rasch und in Senaren voraneilen; dortaber, wo es sich um Psychisches handelt, um ein Überreden (auch derBrief in 734 ff. ist ein Überreden) oder um ein Einwirken auf den anderen(vgl. den lange zurückgehaltenen Vorwurf in III 6), da lässt er sich Zeitund malt die Situation in Langversen breit aus (im Finale mischt er Langvers mit Canticum). Mit anderen Worten: Die meisterliche Ponderierungder Versmaße ist auf die Haben-Seite des Römers zu schreiben.

Und noch ein Letztes: Vielleicht wird mir der Leser beistimmen, wennich meine, dass die Überredungsszene I 1 und die belauschte Vaterher-Szene III 1–3 einen vorwiegend ernsten, in den Abfertigungen destreuen Mannes geradezu erschütternden Ton aufweisen. Die Szene zwischen dem „trickster“-Diener und dem Vater II 3 dagegen ist vorwiegendheiter. Auch was nach der ernsteren Szene III 3 folgt, sollte komisch wirken, und der Ernst der Auseinandersetzung zwischen den beiden Freunden in III 5 und 6 wird, da sie vorwiegend ernst gemeint ist, aufgewogenin III 6 durch ein pathetisches Verheimlichungs- beziehungsweise einKatz-und-Maus-Spiel: Der Plautus-Leser wird überall diesen Wechsel vonErnst und Heiterkeit finden, den auch Menander liebte (s. S. 57, 6). Plautus, der Verwandler

Plautus ändert Namen, und zwar macht er aus einfachen griechischen AllCrusalus („Chrysalos“) einen sprechenden: „Goldjunge“. Plautus verwandelt seineVorlage nicht nur dadurch, dass er Verspartien umstellt, etwa um eineneinleitenden Kopfsatz zu einem Monolog zu erhalten, sondern auch so,dass er Motive der Vorlage unbekümmert umbiegt und verändert: Dazuschneidet er ganze Szenen aus seinen Vorlagen heraus, so die Szene des„Dis Exapaton“, in welcher der Sohn dem zunächst geprellten Vater dasGeld zurückerstattet; daraus entstand dann eine Szenenführung, in wel-

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die Rückgabe in einer unwahrscheinlich kurzen Zeit im hinterszenischen Raume stattfand. Und Plautus dichtet Gesangspartien, wo in derVorlage keine waren. Gewiss, die Cantica, die wir heute lesen, enthalteneiniges Nachplautinische, waren also kürzer als das, was wir in unserenAusgaben lesen; aber diese Lieder, ferner der Pomp, die Witze, das allesführt zu dem Schluss, dass Plautus aus dem möglichst wahren LebensbildMenanders ein unterhaltsames Gemisch aus Alltagssprechen, Rezitierenin Langversen, ja aus Singen von „Arien“ machte. Und das alles zum Ergötzen der Römer damaligen Schlages, damit sie etwas über die „Griechlein“ mit ihrer verrückten Lebensart und ihren phantastischen Namen zulachen hätten. „Diese Komposition, beruhend auf dem Wechsel gesungener und rezitierter Szenen, trennt die plautinischen Komödien in ihrer Gesamterscheinung am auffälligsten von ihren attischen Vorbildern“, urteilteFraenkel (1922, 323), und diese Szenen zeigen dann häufig so „pomphafteSzeneneingänge“ (Fraenkel, ebd.), wie wir sie in den „Bacchides“ fanden.Solche Szenenanfänge bewirken deutliche Einschnitte und Neueinsätze,also eine gewisse Isolation der Einzelszene, und dies ermöglichte oder erleichterte es dann dem Dichter auch, derlei Szeneneinheiten auszutauschen (darüber bald unter „Kontamination“).

Doch bei aller Verwunderung über die Freiheiten, die Plautus sichnahm, müssen wir ihm dankbar sein dafür, dass sein wacher Kunstverstandtrotz aller Zugeständnisse an den Geschmack der zu unterhaltenden Zuschauer fein gesponnene Stellen in seiner Vorlage als solche und als wertvoll erkannt und bewahrt hat. Man denkt da vor allem an die anrührendenSzenen, in denen der treue, aber etwas altbackene Erzieher als unnütz abgefertigt wird, Szenen, die dem Alten Verständnis und auch Mitleid zollenresSache). Man erinnere sich auch der gelungenen Überredungsszene I 1 undsolcher Kleinigkeiten, wie die frühe Motivation für das Umdenken desPhiloxenus es war. Dankbar sollten wir auch dafür sein, dass Plautus sehrwohl die köstliche Ironie, welche den intriganten Sklaven umspielt, begriffen und bewahrt, ja durch das laute Lied noch verstärkt hat. Auch wenndas Atriden-Lied durch neuere Untersuchungen arg geschrumpft ist, so„O Troia, o patria, o Pergamum“ unmittelbar nach der Betonung von Nicobulus’ Skepsis (921 f.) dem SieDeus (638 a), der da über sein Gelingen peroriert, das längst überholt ist (in demAugenblick, in dem 640 erklingt, ist das Geld ja schon zurückerstattet:530). Verlassen wir nun dieses lange Kapitel und fahren wir im Vorführender Hauptstücke plautinischer Technik fort.

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Immer dann, wenn Plautus meinte, dass eine Szene durch ihre Bedeutungfür das Ganze oder durch ihre Emotion hervorgehoben werden könnte,setzte er die griechischen Jamben oder Trochäen in Liedverse um, zu Anapästen, Baccheen, Kretikern oder noch anderen und selteneren Versmaßen. So lässt er den Mnesilochus seine Selbstanklage in 612 ff. undden schlauen Sklaven Crusalus seine Siegeslieder 640 ff. und 925 ff. (bzw.nach Zwierlein 933 ff.) in solchen „lyrischen“ Versen vortragen, welche inder Spätantike dann „Cantica“ genannt wurden.

Problematisch ist hierbei zunächst die Analyse: Welches Versmaß jeweils vorliegt, ist noch immer nicht an jeder Stelle klar und unumstritten, doch ist inzwischen ein optimistisch stimmendes Maß an Konsensgewonnen. Menander und seine Zeitgenossen schrieben Lieder in solchen„lyrischen“ Maßen nur ganz selten,Plautus dagegen setzte unvergleichlich mehr Szenen in Sang und Flötenmusik, Szenen, die man als „Cantica“bezeichnet.

Was die Herkunft dieser Liedszenen betrifft, so wird man heute überFraenkel (1922, 335 ff.) nicht hinausgelangen.Er wies auf die Fragmentedes Livius Andronicus hin, des Dichters der ersten lateinischen Tragödie,welche lyrische Versmaße enthalten; und auch Naevius, insbesondere aberEnnius (Fraenkel 339) schrieben Cantica. Man verlangte von den Komödien, so vermutete Fraenkel, ein Gleiches wie in den Tragödien, die Komödie sollte an Unterhaltungswert nicht hinter der Tragödie, die stets vielesolcher Liedpartien aufwies, zurückbleiben (Fraenkel 341). Woher aber dieschwere, zuweilen gar schwerfällige und pomphafte Stilisierung solcherLiedpartien stammt, das werden wir heute nicht mehr erschließen können;Fraenkel (359) vermutete die Wurzeln im Sakralen.

So viel zum Ursprung der Cantica; was nun ihren Bau anbelangt, somuss man zunächst zwei Arten unterscheiden: Die einen bestehen auseiner bunten Folge rasch wechselnder Versgattungen, und ihre Ordnungsprinzipien sind noch nicht entdeckt, vielleicht nach dem Verstummen derMusik nicht mehr auffindbar. Die anderen weisen längere Reihen gleichartiger Verse auf, und hier ist gefunden,dass Plautus die Enden solcherReihen durch Variationen (Katalexe, Synkope, Klausel,usw.) erkennbarmacht, und derlei Abschluss-Verse auch noch zwei oder drei Verse vorherdurch eine ähnliche Variation ankündigt. Bunter Wechsel herrscht zumBeispiel in Amph. 153 ff. und Sti. 1–47; Reihen gleichmäßiger Verse findetman zum Beispiel in Rud. 1, 3 f.

Aber fragen wir uns doch einmal, was es bedeutet, wenn die Komödienverfasser in ihre griechischen Originale, welche Cantica nicht kannten, solche Lieder hineintrugen? Mit vielem anderen zusammen deutet dieser

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Vorgang darauf, dass die römischen Dichter mehr Aktion auf die Bühnebringen wollten, als sie in ihren Originalen vorfanden. Die Cantica alsZeugnisse der Extraversion – gibt es noch mehr solcher Zeugnisse oderhandelt es sich um ein einmaliges Aperçu? Prüfen wir das letzte hier zubehandelnde Hauptproblem, die so genannte Kontamination. Die Kontamination

Als Karl Moritz Rapp das elfte Bändchen seiner „Plautinischen Lustspiele, im Trimeter übersetzt“, welches „Die Familie aus Karthago“ enthielt, 1852 zu Stuttgart herausgab, schrieb er im Vorwort, es gehe derKomödie „das erste Erfordernis, um ein gutes Stück zu sein, nämlich dieEinheit der Handlung, völlig ab. Plautus hat hier Scenen aus zwei odermehreren Stücken, die ihm gerade effectvoll erschienen, zusammengestellt.“ Hatte er eine Autorität, auf die er sich bei solcher Annahme berufen konnte? Sicherlich, Terenz: Der hatte im Prolog zur „Andria“ zugegeben (v. 16), in sein Stück, welches Menanders „Andria“ zur Hauptvorlagehatte, das, was hineinpasste, aus Menanders „Perinthia“ eingefügt zucontaminari non decerefabulas. und Ennius ein Gleiches getan hätten, nur wo? Und was bedeutet dasContaminariim literaturkritischen Sinne das Ineinanderarbeiten mehrerer Vorlagen, was für antikePuristen ein Verfälschen griechischer Dramen war. Seit Karl Moritz Rappsuchen nun die Gelehrten nach Spuren solcher Arbeitsweise. Eine erstegewichtige Zusammenfassung des bis dahin Geleisteten bot Friedrich Leo(1912, 87 ff.), dann Eduard Fraenkel (1922, 251 ff.), der besonders deutlicheHinweise aufs Kontaminieren im „Miles Gloriosus“ und im „Poenulus“ zusehen glaubte.Da diese Forschung nun vielfach im Sande verlaufen war,begann man die zweifellos vorhandenen Anstöße oder Ungewöhnlichkeiten der Komposition in plautinischen Stücken anders zu erklären, hat zumBeispiel die seltsamen Stillstände, Kehren und Abbrüche in des RömersDramen mit der Hilfe dramaturgischer Überlegungen zu erklären versucht, und heute konnten so namhafte Kenner wie Konrad Gaiser undMichael von Albrecht urteilen, dass eine Kontamination in dem Sinne,dass irgendwo zwei verschiedene Vorlagen ineinander geschoben seien, imPlautus nicht sicher nachzuweisen sei.

Dieses Buch, das ein orientierendes Begleitbuch sein will, hat nicht dieAufgabe, Probleme einer Lösung zuzuführen, sondern sie darzustellen.Dieser Aufgabenstellung entsprechend soll hier die Kontaminationshypothese nur in den beiden Stücken „Miles Gloriosus“ und „Poenulus“ vorge-

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werden. Das scheint für denjenigen unumgänglich, der sich ein Urteilüber den Rang dieses Schriftstellers bilden möchte. Denn wenn PlautusStücke zusammenflickte und dabei auch noch Widersprüche stehen ließ,arbeitete er, um das Mindeste zu sagen, sorglos. Das aber muss doch wohlgeprüft werden. Der „Miles Gloriosus“

Zu Athen lebt ein junger Mann, Pleusicles, der sich in die schöne Hetärenamens Philocomasium verliebt. Nun muss er von Staats wegen nach Naupaktos reisen, in Athen aber findet ein aufschneiderischer, liebessüchtigerund dämlicher Offizier (dies die Rache der spitzzüngigen Athener an derBesatzungsmacht; zu ihr RE Suppl. 10, 82, 4 und 66) Gefallen an der schönen Frau und ködert die Mutter, die er überredet, mit ihm und der (dazuganz unwilligen) Tochter nach Ephesus zu gehen. Das gelingt. Als dertreue Diener des Pleusicles, Palaestrio, davon erfährt, geht er auf einSchiff, das nach Naupaktos segelt, um dem jungen Herrn Bescheid zugeben, wird aber von Seeräubern gefangen und auf dem Sklavenmarktverkauft, und zwar, Tyche will es so, genau an den Offizier. Palaestrio undPhilocomasium treffen so im Hause des Soldaten zusammen, erkenneneinander natürlich, und Palaestrio schreibt dem Pleusicles einen Brief mitder entsprechenden Nachricht. Der kommt sogleich nach Ephesus. Nungeht es Herrn und Diener darum, Philocomasium vom Offizier zu befreien.

Da wird zunächst der Soldat vorgestellt, wie er sich mit Palaestrios Hilfein maßlos übertreibenden Erinnerungen an seine großen Schlachtensiegeergeht (I 1), dann begibt sich der Offizier auf den Markt, um Söldner fürseinen König anzuwerben. Als Palaestrio dergestalt allein auf der Bühnebleibt, berichtet er, zuweilen in die Rolle eines Prologsprechers schlüpfend,die Vorgeschichte und kommt dann mit dem Nachbarn, einem jovialen älteren Herrn, mit Periplectomenus, ins Gespräch. Bei ihm wohnt der mittlerweile herbeigereiste Pleusicles. Palaestrio hatte im Hause des Offiziers,in einem Zimmer, das allein der Frau vorbehalten war, die Wand zumNachbarhause durchstoßen, um so dem Liebespaar Zugang zueinander zuverschaffen. Da aber beginnen die Verwicklungen: Der dümmliche SklaveSceledrus, dem der Offizier das Bewachen der Konkubine aufgetragenhatte, war aufs Dach geklettert, um einen entsprungenen Hausaffen wiedereinzufangen, und dabei hatte er Philocomasium und Pleusicles zusammenbeim Nachbarn Periplectomenus erblickt, wie sie sich küssten. Wie jetztdem Mann beibringen, dass all das, was er gesehen, alles gar nicht wahr ist?

Gehen wir in großen Schritten voran. Da wird zunächst Sceledrus dadurch getäuscht, dass die junge Frau, die er doch bewachen soll, mittels

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des Loches in der Wand einmal aus diesem, einmal aus jenem Hause hervorkommt, vielleicht zu zwei verschiedenen Personen verkleidet. So wirdder Mann von Palaestrio zu dem Glauben gebracht, dass es sich um zweiFrauen handelte, um seine Herrin Philocomasium und um deren Schwester, die eben von auswärts angereist und im Hause des alten Nachbarnuntergekommen sei. Daran, wie der Abgang des Sceledrus (575 ff.: er geht,ohne ganz überzeugt zu sein, und hält dabei ein Selbstgespräch) formuliertist, hat man gemäkelt (vgl. Fraenkel [1922] 253). Es sei undenkbar, dassnumquid nunc aliud me vis? lich einen Abgangsmonolog halte, an den sich dann noch ein weiteresSelbstgespräch des Periplectomenus anschließt (586 ff.). Nach solcher Formel pflege bei Plautus nämlich kein Wort mehr des Abtretenden zu fallenund schon gar nicht ein Monolog einer weiteren Person.In der Tat hatteOtto Zwierlein (1991, 60 f. und 73 ff.) es nicht allzu schwer nachzuweisen,dass eine derartige Monologhäufung weder in den Resten der Nea nochbei Plautus belegt ist, die Verse 576–585 und 586–595 aus diesem und anderen Gründen unplautinisch sein müssten.

Auch die sehr bedenklichen Verse 612–615 eliminierte Zwierlein nachVorgang anderer und damit den Anstoß, dass in 612 ff. ein Plan besprochen wird, den man bereits „drinnen“ ausgeheckt hatte und der dann in766 noch einmal dargelegt werden wird, und dies nach einem langen, dieKontinuität zerreißenden Intermezzo (616–765; s. Zwierlein [1991] 75 f.;81 ff.; 96 ff.). Der höfliche Gast Pleusicles bittet nämlich den alten Periplectomenus um Entschuldigung dafür, dass er ihm, dem so viel älteren Herrn,so viel Kosten und Mühe mache. Das löst einen freundlichen Protest aus:Er sei doch noch gar nicht so alt und abgängig, sei vielmehr forsch und einguter Gesellschafter. Diese „Aristie des alten Ephesiers“ (Leo [1912] 181)scheint von Plautus eingeschoben (Fraenkel [1922] 255). Man war versucht, dieses Intermezzo für ebenso von Plautus hinein„kontaminiert“ anzusehen wie die Verse 738–765 mit ihrem Frühstücksmotiv: Da sagt Periplectomenus, er wolle auf dem Markt ein Frühstück einkaufen, obschonein solches Frühstück dann gar nicht eingenommen wird: Das Motiv„hängt in der Luft“. Sprachliche Anstöße kommen hinzu, und so glaubteZwierlein (96 ff.), den Passus als nachplautinisch entlarven zu können.Damit entfiele einer der schwersten Anstöße, nämlich der, dass da einEssen eingekauft werden soll für eine Willkommensmahlzeit, die dannnicht stattfindet.

H. D. Jocelyn (1996, 412) gibt zu bedenken, dass eine Willkommensmahlzeit durch das Eintreffen des Pleusicles „gestern“ sehr wohl denkbarsei (so schon Fraenkel [1922] 255), und denkt an eine Kürzung durch Plautus, der so ein in der Luft hängendes Motiv habe stehen lassen. Aus diesenund auch aus sprachlichen Gründen hat Zwierlein (1991, 96 ff.) die Verse

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über das Frühstück einem späteren Bearbeiter zugeschrieben; aber warumsollte der ein nirgends nötiges Motiv einflicken? Jocelyns Alternative istnicht minder gut. Warum aber muss Palaestrio dem Alten und dem Pleusicles in 436 und 805 ff. einschärfen, Philocomasium nie mit diesem Namen,sondern als „Dicaea“ anzusprechen? Er wird sie ja doch später als die inzwischen uninteressant gewordenePhilocomasium in Gnaden entlassen,das Dicaea-Motiv wird also nirgends verwendet: Noch ein Motiv, das „inder Luft hängt“. Zwierlein (1991, 90) hält die Dicaea-Verse, die sprachlicheinwandfrei formuliert sind, für eine „Vorsichtsmaßnahme“, was ein verzweifelter Rettungsversuch scheint.

contaminarezeigen. Es gibt bei Plautus Widersprüche und „in der Luft hängende“ Motive, und da rechnen die einen damit, dass derlei dadurch entstand, dassPlautus zwei verschiedene Komödien ineinander geschoben oder dochHandlungsteile aus einer anderen Komödie in die Hauptvorlage eingeflochten hat; andere rechnen damit, dass er verkürzte und sorglos manchesnunmehr Unpassende stehen ließ; noch andere denken an spätere Eindichtungen, welche den plautinischen, einst tadellosen Zusammenhangstörten. Doch wer denkt sich Störendes aus und schiebt Unpassendes ein?Das alles mag zur Orientierung genügen. Dieses Kapitel über die Kontamination zeigt erneut, auf wie schlüpfrigem Boden wir uns beim Lesen desPlautus bewegen, anders: dass naives Drauflos-Lesen gleichsam blindesLesen bedeutet.

Nun wollen wir zum Schluss noch rasch den weiteren Gang diesespläsierlichen Stückes verfolgen: Pyrgopolynices (so hat Plautus seinenKriegshelden genannt, „Vielstädtebesieger“) kommt vom Markt zurück,Palaestrio macht ihm weis, alle Damen der Stadt träumten von ihm, diejunge und schöne Gattin des Nachbarn Periplectomenus sende ihm gareinen Ring als Liebespfand. Was mit der bisherigen Liebschaft geschehensolle? Wegschicken natürlich, mit allem, was sie hat (973 ff.). Und da erscheint nun schon die Dienerin der „Gattin“, schon sie ist hinreißend. Inerregten Anapästen wird der Soldat nun umgarnt, der Abzug der Philocomasium von Palaestrio vorbereitet (1161 ff.), dann trifft Pyrgopolynicesauf Acroteleutium, die verkleidete „Gattin“ selbst, verabschiedet sich anständig von der Bisherigen (1351: „Reise mit allen Göttern!“) und geht,nachdem Pleusicles, als Schiffskapitän verkleidet, zum Absegeln mahnt,ins Haus des Periplectomenus, wo man ihn sogleich als Ehebrecher festnimmt und gar kastrieren will (was dann doch nicht geschieht): Man empfindet ein wenig Mitleid mit dem Düpierten. Ein pläsierliches Stück, gewiss, aber die uns hier interessierende Frage bleibt unbeantwortet oderunbeantwortbar: Was hat das Wandloch-Motiv mit dem Motiv eines geilen Bramarbas, der durch Vorspiegelung der Verliebtheit einer Nachbars-

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zur Aufgabe seiner Konkubine gebracht werden soll, eigentlich zutun? Geht die Häufung der Motive (das Dicaea-Motiv und das Willkommensessen) auf Plautus zurück oder auf eine hellenistische Vorlage, diebereits ein kräftiges Maß an Motivhäufung und damit an Extraversionaufwies? Der „Poenulus“

Ein zugkräftiges Stück: Agorastocles liebt Adelphasium, die, mit ihrerSchwester Anterastilis einst aus Karthago von Seeräubern entführt, jetzt„hier“ in Kalydon, einer Stadt in Ätolien (in der Nähe des heutigen Missolonghi) an einen Kuppler verkauft wurde und nun unmittelbar davorsteht,den Beruf der Hetäre „morgen“ zu beginnen. Ihr Vater befindet sich seitJahren auf der Suche nach den verlorenen Töchtern, sein Bruder dagegen,dem man gleichermaßen den Sohn geraubt hatte, stirbt vor Gram. DieserSohn ist Agorastocles, der neben dem Kupplerhause wohnt, nicht wissend,in wen er sich verliebt. Mit seinem schlauen Diener Milphio plant er nun,dem Kuppler einen Mann mit Geld ins Haus zu schicken, auf dass er denMann als Kunden bewirte. Daraufhin solle Agorastocles den Kuppler aufsuchen und vor Zeugen fragen, ob er nicht einen bei sich habe, der ihm,dem Agorastocles, gehört. Das werde der Mann natürlich verneinen, womiter sich dann wegen Hehlerei strafbar gemacht haben werde. Damit flögeder ganze Haushalt auf, und Adelphasium werde frei für den Geliebten.Eine dubiose, in Wirklichkeit unmögliche Rechtslage, aber in der Komödiegeht derlei gut voran, der Kuppler nimmt einen ihm unbekannten Sklavendes Agorastocles auf, knöpft ihm sein (von Agorastocles ihm vorher zugeschobenes) Geld ab, dann leugnet er vor Zeugen, jemanden aus dem Haushalt des jungen Mannes bei sich zu haben, und schon ist es um ihn geschehen: „Morgen“ („heute“ ist gerichtsfreier Festtag) werde die Klage eingereicht (800). Die Bühne wird frei für den großen Auftritt des seine Töchtersuchenden Puniers, der zum Ergötzen der römischen Zuschauer Punischsprechend in exotischem Gewand und mit exotischem Gefolge auftritt.Milphio gibt vor, Punisch zu können, aber seine Brocken erweisen sich alslächerlich, blamiert muss er schweigen (1028). Höflich spricht dann derjunge Herr den Fremden an, und es kommt zur Wiedererkennung desAgorastocles mit dem „Onkel aus Karthago“. Dann werden auch nochVater und Töchter von der alten Amme als solche erkannt,alle sind endlich vereint, und die lange Suche findet ihr glückliches Ende.

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde des öfteren moniert, dass imPoenulus das Ziel, dem jungen Agorastocles seine Adelphasium zu verschaffen, unnützerweise gleich auf zwei Wegen erreicht werde, dadurchnämlich, dass Milphio gegen den Kuppler eine Vernichtungsintrige ins

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Werk setzt und dann später noch eine zweite Intrige plant, nämlich die,dass der Punier Hanno Adelphasium und ihre Schwester als seine Töchterendlich wiedererkennen soll.Wie ist dieser doppelte Weg zu beurteilen?Wenn nicht als Zeichen einer Uneinheitlichkeit durch Vermischung zweierVorlagen, wie dann? Nun, heute glaubt man, erkannt zu haben, dass diebeiden Wege einander ergänzen:Der erste Weg befreit die Frauen vomKuppler, der zweite lässt sie als Freie dastehen, und erst dieses ermöglichtdie Heirat. Zwei Schwierigkeiten aber bleiben: Erstens, wieso lässt Agorastocles den Vorwurf der Adelphasium (359 ff.), er tue nichts zu ihrer Befreiung vom Kuppler, auf sich sitzen, wo er doch eben gerade (ganz ungewöhnlich schon in Szene 1, 1) mit Milphio eine raffinierte Befreiungsintrige angezettelt hat? Wieso benehmen sich die Schwestern im ersten Teildes Stückes wie (anständige) Hetären, im zweiten Teil wie rechtschaffeneJungfern? Und wieso verspricht Agorastocles der Adelphasium hier amSpielort, also in Kalydon, er werde die Geliebte zur „attischen Bürgerin“machen (372)?Nun, den zuletzt genannten Anstoß entkräftet Zwierlein(1990, 139 mit Anm. 264, bes. 168 f.) dadurch, dass er den Vers einfach mitGuyet hinauswirft – ein verzweifelter Versuch, so will es scheinen. Daserstgenannte Problem, dass da einer sich gegen die Anschuldigung, nichtszu tun, nicht verwahrt, wo er doch gerade eben das Entsprechende getan,den erwähnt Zwierlein, soweit ich sehe, gar nicht; also bleibt er bestehen,und mit allen Kautelen und Vorbehalten bleibe ich bei meinem früherenUrteil: „Ich bin überzeugt, dass Plautus den gesamten 1. Akt des Originals … strich, dass er die originale Mädchenszene ersetzte, dass er es war,der die Intrige ‚zu früh‘ beginnen ließ“ (dies der Einwand Friedrich Leos)„und so die bezeichneten Unstimmigkeiten in sein Stück brachte.“Aberdamit war die Diskussion noch nicht zu Ende.

Jüngst erschien ein Buch „Studien zu Plautus’ Poenulus“ (Tübingen2004), und darin erhebt E. Lefèvre schwerste Bedenken gegen die Struktur des Plautus-Stückes. Agorastocles habe in 166 sechshundert Taler,könnte also seine Adelphasium leicht freikaufen (so S. 14f. , Anm. 50): Dieerste Intrige sei demnach überflüssig. Weiter (ich kürze ab): Wenn sich imzweiten Teil herausstellt, dass die Mädchen frei geboren sind, wieso hörtman dann im ersten Teil nichts davon? Wüssten die Mädchen von ihrerfreibürtigen Herkunft, würden sie sich im zweiten Akt gewiss nicht als Hetären aufführen (so S. 19). Die gesamte erste und auch zweite Intrige seiZutat des Plautus (18 und 20). Man fragt sich dann aber, wozu sie „Zutat“seien?

Ein Text ohne die beiden „Zutaten“ ergibt doch nicht einmal eine rudimentäre Komödie?

Dagegen wies in demselben Buche W. G. Arnott die Vorlage des„Poenulus“ dem Alexis (eine Generation vor Menander) zu und bezeich-

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das Stück als gut gebaut (70), wenn auch mit zwei Fehlern behaftet:Septuennis sexennis Vers steht im Prolog, und der braucht nicht zur Gänze von Plautus zustammen);und weiter sei das Versprechen des Agorastocles, seine Adelphasium zur „attischen Bürgerin“ zu machen (372), zwar absurd, denn dasStück spiele in Calydon; doch möglicherweise habe Plautus einen Ausdruck des Alexis wie „aus einer hellenischen Stadt“ missverstanden –möglicherweise.

Arnott dringt bei weitem nicht so tief ein wie Lefèvre oder wie J. C. B.Lowe in demselben Band (253 ff.). Er ist von der Rückführung des„Poenulus“ auf den „Karchedonios“ des Alexis nicht voll überzeugt (253,Anm. 3) und setzt dementsprechend ganz anders an als Arnott. Man weiß,so ungefähr argumentiert er, dass Plautus gern dem Original zusätzlichePersonen einfügte. So seien Milphio sowohl wie Agorastocles in die PutzSzene 210–409 von Plautus eingebaut worden, was allein aus der Einleitungdieser Szene, das heißt aus dem für griechische Verhältnisse unglaubwürdigen Hinein und raschen Heraus des Agorastocles in 197 ff. deutlich werde,dem für all das, was er im Hause zu erledigen hatte, kaum Zeit genug bleibe(so 254, Anm. 6), bevor die Mädchen kommen. Weiter schreibt er die gesamte zweite Intrige (1086 ff.) dem Römer zu.Dieser habe auch vor demso oft beanstandeten v. 817 eine Szene des Originals fortgelassen, um seinezweite Intrige beginnen zu können; daraus ergebe sich die Seltsamkeit, dasssein Milphio sagt, er wisse nicht, was aus seinen Plänen geworden sei. Auch961–1173 seien plautinisch (261 ff.). Wenn dies alles zuträfe, dann hätten wireinen überaus erfindungsreichen Plautus vor uns; erfindungsreich aberimmerhin auf den vorgegebenen Bahnen der Nea.

Blickt man nun zurück auf den vorstehenden Abschnitt, wird noch einmal die ganze Unsicherheit der Plautus-Lektüre deutlich: Woran soll mansich halten? An das mitleidlose Zerhacken bei befremdlichen Nahtstellen?An den Versuch, die Ungereimtheiten auf das Original zu schieben? AufZusätze und Streichungen, das heißt auf Änderungen, die einen überauserfindungsfreudigen Plautus zeitigen? Woran? Wagen wir einmal, ganz anders zu lesen: Wir sollten uns klar darüber sein, dass immer noch die Analyse das Denken und Interpretieren (eigentlich müsste dieses Wort in Anführungs- und Uneigentlichkeitszeichen gesetzt werden) blind machendbeherrscht. Wieso blind machend? Blind macht sie dafür, dass diejenigeForm der Komödien (nach Abzug evidenter Interpolationen), die wir vorAugen haben, die ist, die Plautus gefiel. Darum sollten wir nicht alleinnach den Stationen der äußeren Handlung und nach Möglichkeiten fahnden, ein griechisches Original zu rekonstruieren, sondern uns auch einlassen auf die kleinen Einblicke in seelisches Geschehen, wie wir sie versuchen werden.

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Halten wir fest: Eine Groß-Kontamination, das heißt ein Ineinanderschieben zweier Vorlagen, ließ sich weder für den „Miles“ noch für den„Poenulus“ sicher nachweisen, wohl aber das Anreichern der Grundvorlage durch Szenen und Motive aus fremden Stücken. Aber darum geht esgar nicht so sehr. Es geht vielmehr darum, dass die Kontamination, die Terenz nun wirklich eindeutig bezeugt, auf etwas deutet, was schon oft anklang: Wer in seine Vorlage Stücke aus anderen einfügte, tat dies, weil ihmin seiner Hauptvorlage zu wenig Aktion war. Also erneut ein Hinweis aufdie Extraversion des Römers. Meisterszenen des Plautus

Bis hierher ging es um die Hauptstücke plautinischer Technik, um seineSprache, seine Metrik, seinen Stil des Übertragens und um die so genannteKontamination. Dabei hörten wir viel Kritik, Kritik an seiner Baufähigkeit, seinem Geschmack, seiner Folgerichtigkeit und Einheitlichkeit. Eswird Zeit, dass wir größere Szenen im Ganzen betrachten, Meisterszenen,die zeigen, was dieser Dichter und Übertrager wirklich vermochte. „Amphitruo“ 633–653

Der Mensch – ein Spielball der Götter,dies ist das Thema dieser Tragikomödie . Woher der römische Nachdichter sein Original nahm, daswissen wir nicht. Das Spiel ist ein Mythen-Drama, wie es sonst unter denKomödien der Antike nicht wieder zu finden ist und wie es am ehesten indie so genannte „Mittlere Komödie“ passt. Amphitruo, der große Königund Feldherr der Thebaner, muss seine schöne Frau Alcumena verlassen,um gegen die Feinde, die sein Reich bedrohen, zu Felde zu ziehen. DerVater der Götter und Menschen bemerkt das Fortsein des Königs und,immer galanten Abenteuern zugetan, reist mit einem Diener, seinem SohnMerkur, hinab nach Theben. Dort erscheint er als der heimgekehrteKönig, findet daher leicht Eingang bei Alcmene, ja er verlängert die Liebesnacht, um die schöne Frau genießen zu können, während Mercuriusdes echten Königs Diener, der die Siegesnachricht überbringen soll undbei seinem Bühnenauftritt ein grandioses Lied über die Schlacht singt, dadurch vom Tore fern hält, dass er, als Sosia verkleidet, dem echtenSosias vorspiegelt, er, Merkur, sei in Wirklichkeit der Diener des Feldherrn. Sosias ist erschüttert, erstattet Meldung – und herbeistürzt der aufgebrachte König, der seinem Diener natürlich kein Wort glaubt. Als erzum Tore seines Palastes kommt, erblickt er dort seine Gattin, die (nach-

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Juppiter, von dem sie annehmen musste, er sei ihr Gatte, sie verlassen) vors Palasttor getreten war, um ihrem Kummer über das erneuteAlleinsein Ausdruck zu geben, und zwar ist sie hochschwanger.

Dieses Liedbeginnt mit einer enttäuschten, rhetorischen Frage: „Istes denn wirklich so, dass auf jede Freude sogleich ein Leid folgt?“ Es beginnt also mit der uralten Klage aus Platons „Phaidon“,dass Freudeund Leid stets zusammengehen. Alcumena weiß, dass dies im Menschenleben halt so ist, nur variiert sie das alte Wort, indem sie aufgrund desilico636). Dies allgemein Gesagte wendet sie nun auf sich selber an: Ihr wardrepenteschung folgte. Hier entsprechen die Gedanken, wie man an den Zeitadverbien sieht, einander und verklammern die Liedteile.

sedmers: Aber wenigstens dies gibt Trost, dass der Mann ruhmbedeckt heimsed hoc me beat saltem absit, dumauf Sieg und Friedengetröstet, wird sie das Leid „tragen und weiter ertragen“ (645 erneut mit Doppelausdruck, wovon das Lied voll ist: 633, 636,virtusvirtus höchste Lohn im Leben, denn sie schützt Freiheit, Heil, Leben, Wohlstand,Eltern, Heimat und Nachkommenschaft. Wer sie sein Eigen nennen darf,der besitzt das höchste aller Güter, das alle anderen unter sich begreift;und wer sich ihr unterordnet, wie hier Alcumena, der ist ein rechtschaffener Mensch.

Virtusvirtus griechisch gedacht (Maurach [wie Anm. 195] 146). Offenbar hat Plautus zueinem Liede gestaltet, was im griechischen Original in einfachen Sprechversen stand. Was wir lesen, ist ein schönes Lied einer tapferen Frau, welche die staatserhaltende Leistung über das eigene Wohlsein ordnet. Umsogrässlicher ihre nachfolgende Enttäuschung.

Denn als sie endet, treten ihr Gatte und sein Diener zu ihr, Amphitruomuss notwendig bei ihrem Erstaunen über das erneute Erscheinen desGatten, der eben noch bei ihr gewesen sei, auf eine Eheverfehlung schließen. Statt über das mysteriöse Verschwinden der goldenen Schale, desTrinkgefäßes des besiegten Königs, das er ihr zum Geschenk mitgebracht,aus dem Schutzkistchen in der Hand des Dieners nachzudenken, wirft erihr Ehebruch vor und geht, einen Zeugen dafür zu holen, dass er die ganzeNacht auf dem Schiffe gewesen sei (849 ff.). Nun erscheint erneut der Verwirrer Juppiter, um die „Komödie“ zu einem guten Ende zu führen

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(868 ff.) und um zugleich noch einmal die schöne Frau zu genießen(892).Als Alcumena, die es in ihrer Qual im Hause nicht mehr ausgehalten hatte (882), vor ihren Palast getreten war, behauptet Juppiter (nunwieder als ihr Gatte posierend), er habe alles „nur im Scherz“ gesagt, umsie zu „prüfen“ (913–916). Die liebende Frau verzeiht solche Geschmacklosigkeit (937), Juppiter heißt daraufhin Sosias den Kapitän des Flaggschiffes zum Willkommensessen laden (951). Danach befiehlt er seinemSohn-Diener Merkur, den zu erwartenden Amphitruo bei dessen Rückkehr (er wollte ja einen Zeugen holen) zu verscheuchen, er selber wolledrinnen ein Opfer darbringen, nämlich „sich selber“ (983).

Amphitruo kommt denn auch, seinen Zeugen habe er nicht finden können, aber er muss sich von seinem eigenen Sklaven Sosia (Merkur beschimpft ihn als Sosia von den Zinnen des Palastes) von seinem eigenenHause verjagen lassen. Und hier, mitten in der Szene, brechen unsereHandschriften ab, und seit mehr als hundert Jahren rätselt man über dasVerlorene. Nur wenige Fragmente daraus finden sich bei antiken Grammatikern; sie führen auf die folgenden Ergänzungen: Merkur hat also denFeldherrn davongejagt, der ist in die Stadt gelaufen, um Bürger zu Hilfe zuholen (frg. XVI bei Leo ist an „thebanische Mitbürger“ gerichtet); Sosiakommt mit dem Kapitän; es muss eine Viererszenegegeben habenmit beiden Paaren vor Blepharo und Alcumena, eine Szene, welche sowohl die Frau als auch den Gatten in tiefste Verzweiflung hat stürzen müssen. Alcumena geht ins Haus, ihre Wehen setzen ein (1039); und Amphitruo fällt vernichtet zu Boden (1046 f.). Aktpause.

Am Ende dann der Bericht der erschütterten Magd: Unter Donner undBlitz ertönte Juppiters gewaltige Stimme: „Alcumena, fürchte nichts“, undwirklich: Die Frau gebar ohne Schmerzen Zwillinge, den menschlichenSohn des Feldherrn und den göttlichen Juppiters, nämlich Herakles (derauch sofort die bekannten zwei Schlangen erwürgte: ein weiteres Wunderdieses wundersamen Tages). Juppiter sprach dann zu den gequälten Menschen, erklärte alles, und Amphitruo erhebt sich getröstet (1121 ff.).Manerkennt, wie das Komische das „Diener“-Paar umspielt, das Tragische Alcumena und Amphitruo umwittert. Im Grunde ein uraltes Motiv und einealte thebanische Sage zur Legitimation des dortigen Königsgeschlechtes(Tränkle a. O. 218), stellt der „Amphitruo“ vermutlich eine um Komödienhaftes angereicherte Neufassung der euripideischen „Alkmene“ dar(Tränkle 218, Anm. 6). Sollte sie nichts als ein Verwechslungsspiel sein,ähnlich den „Menaechmi“? Oder ging es auch um den Gedanken an denMenschen als den „Spielball der Götter“? Über den unerklärlichen Eingriff höherer Mächte ins Menschenleben dachte man ja seit Homer nachbis hin zum endgültigen Sieg des Christentums. Aber was ist meisterlich andieser Szene? Der hohe Ernst, bewirkt nicht zuletzt durch die Gewichtig-

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altlateinischer Stilmittel, zum Beispiel des Doppelausdrucks. Plautushat sich also nicht gescheut, in prachtvollem Latein ein zwar auch heiteresVerwechslungsspiel zu schreiben und nachzuschreiben, im Grunde aberein Spiel darüber, wie der Hochmut der Gottheit den Menschen zu quälenvermag (874 f.) – ein euripideisches Thema. „Trinummus“ 301–401: Ein Spiel mit verdeckten Karten

In der „Mostellaria“, die auf ein Stück des Philemon zurückgeht, spielteein Gespenst im Hause eine Rolle und ein Hauskauf, im „Trinummus“, derebenfalls eine Komödie Philemons zum Vorbild hat (Trin. 19),dreht sichalles erneut um ein Haus, aber auch um den Schatz, den der alte Charmidesin seinem Hause vergraben hat, bevor er auf eine lange Geschäftsreiseging: Der Sohn sollte versorgt bleiben, wie er dem Nachbarn und FreundCallicles unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut. Zwei Familienhaben ihre Häuser auf der Bühne; der arme, aber achtbare Charmides mitseinem Sohne Lesbonicus und einer erwachsenen Tochter einerseits, Lysiteles mit seinem wohlhabenden Vater Philto anderseits. Im Hause des LesInopiaLuxuria (v. 15), nachdem der junge Mann allzu flott gelebt hat und daraufhin sogarsein Haus veräußern musste. Ihm hat nun allerdings der wohlhabende Callicles sein Haus abgekauft, bis auf ein Hinterhausteil, den Lesbonicus sichreservieren konnte. Und dies Abkaufen macht in der ersten Szene Megaronides dem Callicles zum Vorwurf: Wie kann bloß, so rede man in der Stadt,ein rechtschaffener Mann die Notlage des Jünglings so ausnutzen (116 ff.)?Dieser bittere Vorwurf zwingt Callicles, mit der Wahrheit doch noch herauszurücken: Als Charmides abreiste, habe er ihm, dem Callicles, eröffnet,dass er ein Barvermögen in seinem Hause als Rückhalt für den Sohn vergraben habe, dass der Sohn aber davon nichts wisse (149 ff.). Das wollte der treue Freund durch den Kauf des Hauses mit dem Schatz ihm retten.Megaronides ist entzückt (161). Man verlässt die Bühne.

Auf tritt nun Lysiteles, der Sohn des Philto, und singt ein Lied auf dieAmortritt der Vater und ist überaus zufrieden, als er vernimmt, dass der Sprössling in allen Belangen sich nach den Lehren des Vaters richten wolle (298praecipioimperiaNun beginnt ein erheiterndes Versteckspiel.

Zunächst versichert der Sohn, er fühle sich als Freier von Geburt, demVater aber untertan (301–304: 4 Verse). In der doppelten Anzahl von Veranimus ut opust

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311), als der Lust zu folgen, und diejenigen, welche sich selber beherrprobiores cluentrecht förmliche Reden, lange Sätze, fein gedrechselt, gemessene Worte,ohne dass einer den anderen unterbräche. So habe er es stets gehalten, bestätigt der Sohn; fern allen Umtrieben, ganz auf die Zustimmung des Vaters bedacht, habe er die väterlichen Lehren in Selbstbescheidung „heilsarta tectaGehorsam so betone? Es gehe ja doch nicht um ihn, den Vater, sondernum den Sohn. Und außerdem: Niemand solle sich selber genug gefallen,bene facta bene factis aliis pertegito, ne perpluant Sohnes (317) auf;er spricht dabei genau so viele Verse wie eben Lysiteles. Soweit das Vorgeplänkel.

Mit „Ich habe darum so gesprochen, weil ich von dir etwas erbitten möchte“ (324 f.) leitet Lysiteles nun zu seinem eigentlichen Thema hin, mit „Wasist es? Ich möchte ja sehr gern dir willfahren“ öffnet der Vater das Ohr. Lysiteles beginnt nun mit „Einem jungen Mann“, fügt gleich seine gute Herkunft an, auch die Freundschaft und Gleichaltrigkeit – damit möchte er sichdes väterlichen Wohlwollens versichern, bevor er den Notfall bezeichnet:Der junge Mensch sei mit seinem Vermögen nicht ganz vorsichtig umgegangen, und da möchte er, Lysiteles, helfen, „wenn’s dir recht ist, Vater“ (dasAppell-Wort ist sehr bedacht vor das eigentliche Anliegen gesetzt). DerVater denkt natürlich an eine finanzielle Hilfe und scherzt: „Doch wohl ausdeiner Kasse?“ – „Klar“, ist die Antwort, „was dir gehört, gehört ja auchmir“ (329). So scherzt man, bevor es zur Sache geht und Lysiteles einräumen muss, dass der Freund „durch Großzügigkeit,ein wenig aber auchaus Lust und Laune“ (333 f.) Verluste erlitt, das heißt der gute Junge hatgenau das nicht getan, was Vater Philto eben gerade an Selbstbeherrschunggefordert hatte. „Ein sauberes Bürschchen hast du da zum Freund“, ist dennauch seine Reaktion (335–337). Der Sohn kontert: „Weil er durch und durchein anständiger Kerl ist, will ich ihm in seiner Bedürftigkeit unter die Armegreifen“ (338). Der Vater mahnt, Bettlern nicht durch Gaben das armseligeLeben noch zu verlängern,aber er sage ja nicht Nein, nur wolle er nicht,dass der Sohn, wenn er scheitert, nachher selber Mitleid nötig habe (343).Es sei eine Schande, so gibt der Sohn zu bedenken, nicht zu helfen. LieberScham als (nachher) Gram, hält der Vater dagegen (345). Aber dank denAhnen und dank dem Fleiß des Vaters – erneut setzt Lysiteles das Appellpater helfen, da brauche man sich doch nicht nachher zu grämen, und schämenmüsse man sich allein einer unterlassenen Hilfeleistung (348). Der Einwandkontraproduktiver Hilfe und der des Schämens und Grämens ist also erledigt. Aber noch stimmt der Vater nicht zu.

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„Was passiert, wenn man von einem großen Vermögen etwas wegpater immunissoll es schlecht gehen“, riefen dann alle (351 f.). Auch dies räumt Philtoimmunis hatment, der Sohn kann wieder auf das eingestandenermaßen vorhandeneVermögen verweisen: „Wir haben’s doch und können Menschen gegenüber, die uns dankbar sein werden,Großzügigkeit walten lassen“ (356).

Philto ist besiegt und fragt, wem der Sohn denn nun helfen wolle. Dernennt den Namen, es ist Lesbonicus, der Nachbarssohn, dem er helfenmöchte. „Etwa dem, der aufgefressen, was da war und was nicht da war?“,so die grobe Frage des Vaters. Der Sohn führt das Pech ins Feld, der Vaterwiderspricht mit der alten Weisheit, dass jeder für sein Schicksal selberverantwortlich sei.Aber er sei doch noch so jung. Klugsein hänge nichtvom Alter ab, erwidert der Vater, aber er will es nicht bei Einwänden belassen: „Was willst du ihm denn nun zukommen lassen?“ „Nichts, Vater:Hab’ nur nichts dagegen, wenn ich was bekomme!“ (370). Der Vaterstaunt: Helfen durch Nehmen? „Genau, Vater“, antwortet Lysiteles undkommt nun endlich, hier schon ein siebtes Mal mit dem Appell-Wort„Vater“ beginnend, mit der zweiten Hälfte seines Planes heraus: Er willdie Schwester des Lesbonicus, der ja doch aus bestem Geschlecht ist, heiraten, aber ohne Mitgift. Und hier steht nun der einzige Hiat der ganzenSine dote úxorém?/Itá Formulierung ist das chiastische Spiegelbild der Worte des Sohns, und zuallem Überfluss ist dies auch die einzige Stelle, an welcher der Sohn demVater ins Wort fällt: „So bedacht und einfühlsam arbeitete Plautus“ (Maurach [1987] 303).

summa gratiaund den Erwerb einer Freundschaft (379).Philto antwortet, er könntezwar manches dagegen anführen, aber die Aussicht auf eine neue Freundgratia tibi permitto: posceduce

Und nun dreht sich die Verteilung von Gehorsam, Ansinnen undfreundlicher Abwehr mit jedesmaliger Zustimmung am Ende glatt um:Der Sohn erbittet des Vaters Mithilfe. Er soll es sein, der den Brautwerbermacht: „Da haben wir’s. Man tut was Gutes und hat noch Mühe davon“(389). Aber er sagt Ja. Und nun lässt Lysiteles das schier unterwürfigeReden, all die langen Sätze bleiben und greift, in der Eile des Jubels, zukurzen Anordnungen (390 f.). Die Schlacht ist gewonnen.

Wieso soll nun aber dies alles eine „Meisterszene“ sein und worin lägeetwas „Komisches“? Nun, das Meisterhafte wird der genaue Leser in der

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Sprachführung erkennen (gemessenes Reden zu Beginn, dann immer rascheres bis hin zum sprachlich herausgehobenen Höhepunkt in 375), wozuauch dies gehört, dass nach den vielen fast feierlichen Doppelausdrückendie Reden rasch zu nachdrücklich-einfachen wechseln. Dazu das Argumentieren: Immer wieder gelingt es dem Lysiteles des Plautus, Worte desVaters zu seinen Gunsten „umzudrehen“ (Genaueres bei Maurach a. O.306), und sehr genau weiß er das emotive Wort „Vater“ einzusetzen. Undam Ende die wirklich meisterhafte Wortmalerei der eilig befehlenden Siegesfreude (390 f.). Mag Plautus derlei auch schon bei Philemon vorgefunden haben, er vermochte, es zu einer Meisterszene nachzubilden.

Und was ist nun „komisch“ an all diesem? Fantham (1977) ließ sich aufdiese Frage nicht ein, sie schälte ethische Fragestellungen in der Nachfolgedes Aristoteles heraus (besonders 421); Blänsdorf (1967, 239) erblickte dieKomik berechtigterweise darin, „dass sich aus einer Übereinstimmungzwischen Vater und Sohn in moralischen Grundsätzen doch eine Meinungsverschiedenheit über die Hilfe für einen leichtsinnigen Freund entwickelt“. Ich selber hatte (304 f.) herausgestellt, wie die Personen mit „verdeckten Karten“ spielen, denn Lysiteles erweckt zunächst den Eindruckeines überaus gehorsamen Sohnes, entpuppt sich dann aber als genau berechnender Orator in eigener Sache; lange lässt er den Vater unter demEindruck, es gehe um eine finanzielle Unterstützung, am Ende muss derVater eine mitgiftlose Braut akzeptieren. Philto lässt den Sohn seinerseitslange vermuten, dass er aus standesmoralischen Grundsätzen Einwändehaben werde, lässt sich jedoch bei jedem Schritt (letztlich gern) überwinden und macht am Ende gar den Brautwerber.Diese völlige Umkehrung der Ausgangslage ist, gut gespielt, ein dankbarer Szenenentwurf. Wiraber werden, neben allem Suchen nach Komik, Plautus zugestehen, dass ereine Szene geschrieben hat,die man wohl gut und gerne eine Meisterszene nennen wird.

Doch wie geht es weiter? Nun, Lesbonicus zeigt Charakter und willnicht die Schande auf sich laden, seine Schwester ohne Mitgift in die Ehegegeben zu haben, und bietet seinen letzten Acker als Mitgift (508). Nunlegt sich aber der treue Diener Stasimus ins Mittel, nimmt den Brautwerber Philto beiseite und teilt ihm unter vier Augen mit, der Acker sei mitschlimmem Unheil behaftet (516 ff.), woraufhin Philto diese Mitgift dankend ablehnt (559). Dem Lesbonicus aber gibt er zur Antwort, über dieMitgift müsse er mit seinem Sohne verhandeln (569 f.), doch die Werbungbitte er ihn anzunehmen. Das tut der auch und so kommt es zum Austausch der Verlobungsformeln (572 f.). Philto geht, Lesbonicus trägt demDiener auf, zu Callicles zu gehen und der Schwester die Verlobung zu melden, allerdings unter der Bedingung „Ohne Mitgift keine Heirat“ (585).Dann geht auch er.Callicles aber ist nicht begeistert, eine „Schande“

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(612) ist die mitgiftlose Verheiratung, und dieser Ansicht ist dann im Gedos anbietet, was Lysiteles aber unter gar keinen Umständen annimmt (716).

Das veranlasst nun Callicles im Verein mit Megaronides, eine List anzuwenden: Er räumt das von Lesbonicus gekaufte Haus mit dem Schatzdarin, gräbt den aus, nimmt einen Teil und staffiert einen lügenflinkenfalsidicumLesbonicus auszuhändigen samt einem Brief, als käme beides vom fernenVater Charmides. Doch nun kommt eben dieser wirklich heim, und derfalsidicus Lesbonicus, seines Sohns.Mit dem Lügenbold wird Charmides noch fertig, aber als Stasimus auftritt, den Herrn erkennt und ihm berichtet, dakommt, so scheint es dem Heimkehrer wenigstens, die ganze Untat desSohnes und des raffgierigen Callicles ans Licht (1083 ff.), aber auch dieserfides fidelitasque(1126) des treuen Callicles hat die Lage gerettet.

Segal (1974, 262) hat diese Komödie ein „morality play“ genannt, weilüber allem Bühnengeschehen die Wertbegriffe der römischen Nobilitätwalteten, die Treue und die Verlässlichkeit.Werden hier solche Wertbegriffe dargestellt? Man wird vieles hiervon mit Peter Riemer auf die Rechnung des Umformers Plautus setzen, wird aber auch nicht vergessen, dassder Verfasser des Originals, Philemon, ebenfalls gern Popularphilosophisches einfließen ließ.Wäre der Sinn des Trinummus dann, dass Philosophisches Gestalt gewinnt?

„Darstellung von Wertbegriffen“ oder „Gestaltgewinnung von Philosophischem“ – kommt man mit solcher Leseweise dem näher, was Plautusgewollt hat? Man lasse auf sich einwirken, wie Segal (1974, 262) mit dervon uns als Meisterszene bezeichneten Überredung fertig wurde: „Aftersome persuasion“ werde der Vater für den Heiratsplan des Sohnes gewonnen. Aber was verbirgt sich nicht alles an feinen Drehungen und Wendungen hinter diesem „nach einiger Überredung“! Die Leseweise, welche dasBeste am Plautus trifft, ist immer noch, nicht Nebenzielen wie dem Aufdecken von Wertbegriffen oder Philosophemen nachzujagen, sondern dieviel näher liegende Frage zu stellen: „Was macht diese Szene interessant?“Wer das vergisst, geht dann auch achtlos an dem vom Dichter selbst durchden einzigen Hiat angezeigten Höhepunkt vorbei, und vorbei ist es mitdem Künstler Plautus. Er wird zum Steinbruch für Thesengebäude.

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Publius Terentius Afer

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich große und kleinere Gelehrte um eine bessere Kenntnis dieses Dichters bemüht; über keinen anderenKomödienautor gibt es so leicht erreichbare Literatur wie über ihn. Über Sprache, Metrik und Stil geben diese Arbeiten und viele anderesogute Auskunft, dass es unangebracht erscheint, hier ins Einzelne zu gehen.Begnügen wir uns daher mit Hinweisen auf die Hauptprobleme und versuchen wir, die Ergebnisse der Forschung zu verstehen, das heißt die Absichten des Dichters Terenz. Sein Leben

C. Suetonius Tranquillus verfasste eine Vita des Terenz im 2. Jahrhundertn. Chr., die Donat im 4. Jahrhundert erweiterte. Dort wird angegeben, TeAsia schollen. Dann hätte er 166 v. Chr. mit 19 Jahren sein erstes Stück, die„Andria“, aufgeführt. Er sei, in Karthago geboren, nach Rom als Sklavein den Haushalt des Terentius Lucanus gekommen, und es wird fernerdurch Terenz selber bezeugt, dass er mächtige Gönner gehabt habe (Ad.15 ff.).Wir wollen uns nicht an den vielfältigen Spekulationen darüberbeteiligen, wieso ein Nordafrikaner zu einer Zeit, als es dort einen Kriegnicht gab, als Sklave nach Rom gebracht und auf welche Weise sein Talententdeckt worden sei. Es mag genügen, dass der noch sehr junge Terenz inseinen ersten Stückennoch Unfertigkeiten zeigt,dann aber sehr baldein makelloses, und dazu neues, nämlich schlankeres und leichteres Bühnenlatein schreibt, als es der Generation zuvor möglich war. Gleich, ob erallein oder der Kreis seiner Förderer es war, welcher den Gedanken aneine „Reform“ (Bagordo [1999] 17) fasste, was damals geschah, war einebewusste Umformung der lateinischen Komödiensprache und -metrik: Eswird bei Terenz viel weniger und viel weniger phantasievoll geschimpft, die Umgangssprache ist gereinigt und zuweilen dem Griechischen (nachMaßgabe des Originals) stärker angenähert als bei Plautus (Bagordo 97,tuli ferre tetuli [1967] 12), und er lässt manchen Gräzismus zu (so wie sein Umkreis eswohl auch tat). Seine Metrik weicht darin von der des Plautus ab, dass erzunehmend den iambischen Senar favorisiert, dass er ferner im iambischen Oktonar die scharfe Mitteldihärese des Plautus zu meiden beginnt,dass er das Enjambement (das Überbrücken des Versendes) bevorzugt

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und dass er die Cantica zunehmend beschränkt (Haffter [1967] 14). Sinnund Absicht hiervon ist, dass Terenz insgesamt „realistischer“ sprechenlässt als Plautus (Haffter 43), also ein „Sprechdrama“ aus der „Oper“ desPlautus machte (so Haffter 14 f.).

Wenden wir den Blick kurz hinunter zum Publikum vor der Bühne desTerenz: Gewiss gab es da eine Menge von gröberen Gemütern, die lieberzu Boxern und Seiltänzern gingen als die terenzischen, feiner gewordenenFiguren anzusehen (Hec. 33 ff.), aber es muss eine ganze Menge von Einflussreichen dort gesessen haben, die interessiert waren an den Feinheitendieser Handlungsführung, an der Neuheit dieses reineren Stils und an derliterarischen Fehde, die Terenz gegen Gegner seiner Arbeitsweise führte. Diese Menge von mittlerweile sehr viel Gebildeteren, als die allermeisten Plautus-Zuhörer es gewesen waren,verstand bereits Anspielungenauf Klassiker römischer Literatur, auf Ennius und sogar Livius Andronicus, und hatte ihren Spaß daran, wie da ein etwas tumber Offizier mit Zitaten aus ihnen nicht zurechtkam.Aber wo liegen Sinn und Absicht alldieser Dinge? Er liegt in etwas, das man die literarische Entscheidung desTerenz nennen möchte. Es geht ihm ja nicht nur um Korrekturen hier undda, um kleine Milderungen und ein bisschen mehr Bildung, es geht ihmum eine grundsätzliche Entscheidung: Es war an der Zeit, die lateinischeSprache der Flexibilität des Griechischen anzunähern, sie unter Zuhilfenahme des Griechischen zu modernisieren; es galt, die Komödie aus demIneinander von attischen Feinheiten einerseits und latinischem Salz undplautinischen Clownerien andererseits herauszulösen und zu einem Instrument der Verfeinerung zu gestalten, der Verfeinerung von Sprache undGeschmack. Dem diente die Verwandlung ins „Sprechdrama“, zu „Realistischem“ in Sprache und Inhalt – warum? Nur, wenn die Figuren lebensnahe handeln und sprechen, kann der Zuschauer sich in sie hineinversetzen und sich auf diese Weise – so hoffte man – den Geschmack säubernlassen. Daher das „nahe, persönlich-intime, menschliche Interesse“ des Terenz, von dem Haffter sprach (47). Das alles war nicht Abweichung undKorrektur, das war ein Umsturz.

Er bestand, kurz gesagt, darin, dass man nunmehr das Griechentum angenommen und als modellhaft ernst genommen hatte.

Wir wollen nun so fortfahren wie bei Plautus und zunächst über dieTextüberlieferung und über die Aufführungsbedingungen das Nötigstemitteilen, dann einiges über die Sprache des Terenz beibringen und überseine Verstechnik, und werden dann vorbereitet sein für die drei Komödien, die etwas eingehender besprochen werden sollen, um die Eigenartdieses Dichters kennen zu lernen.

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Wir kennen heute etwa 600 Terenz-Handschriften. Die älteste ist der ehrwürdige Bembinus (Vaticanus 3226), so genannt weil er Pietro Bembo gehört hatte. Er ist auf das 4. oder 5. Jahrhundert n. Chr. datiert (Marouzeau[1947] 70). Die übrigen Handschriften lassen sich in solche einteilen, diebebildert sind,und solche, die keine Szenenbilder zeigen. Wie der Plautus-Text erlitt auch der Terenztext in der ausgehenden Antike eine durchgreifende Normalisierung und eine das Verständnis erleichternde Interpolation. Die heutigen Ausgaben sind von dieser Schicht weitgehendbefreit. Spuren von Wiederaufführungen sind kaum bemerkbar, immerhinaber hat die „Andria“ zwei Schlüsse, von denen der zweite, der nur in wenigen Handschriften überliefert ist, ersichtlich das Stück zu einem umfassenderen Abschluss führen sollte, als der kürzere, wohl echte, es getan hat. Aufführungsbedingungen Hier wollen wir uns ganz kurz fassen, da Peter Kruschwitz (2004, 169 ff.)unter Nennung neuester Literatur das Nötige gesagt hat. Wenn bei Terenzim Unterschied zur Nea bis zu sechs sprechende Schauspieler auf derBühne beschäftigt sind, dann zeigen solche Fälle an, wo Terenz in das Gefüge seiner Vorlage anreichernd eingriff. Für denjenigen, der den Text bloßliest und nicht etwa auf die Bühne bringen will, mag die Frage nach denMasken nur ganz beiläufig interessant sein. Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass man die klaren Zeugnisse antiker Autoritäten, die sagen, dassdie Masken erst nach Terenz aufkamen, nicht missachten dürfe. Wichtiger ist für den genauen Leser das Problem der Auftritte und Abgänge(Kruschwitz [2004] 172). Die Nea nahm es hiermit sehr genau; ein Schauspieler durfte immer nur von dort auftreten, wohin er abgegangen war,zum Beispiel in sein Haus; Plautus und auch Terenz lassen es zuweilen andieser Genauigkeit fehlen, und das zeigt dann den Ort des Eingriffs in dasoriginale Gefüge, wie dies besonders J. C. B. Lowe untersucht hat.

Erhöhung der Sprecherzahl und Lässigkeiten bei den Auftritten – worauf deutet das? Wenn bei Terenz mehr Figuren auf der Bühne handeln alsetwa bei Menander, dann scheint dies auf das Bestreben hinzudeuten, fürden Zuschauer das Geschehen anzureichern; es ist auf der Bühne „mehrlos“. Das Auge des Betrachters wird gereizt, eine Wendung zum Äußerentut sich kund. Dies ist dann auch offenbar die Auswirkung der vielfach besprochenen Doppelhandlung:Gewiss bezeugt das Auftreten einer Negersklavin das Interesse des Dichters, dem Publikum Reizvolles zu zeigen,andererseits beweist die Einführung eines zweiten, allerdings untergeord-

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Liebespaares in der „Andria“ des Verfassers Anliegen, durchKontrastierung die Einblicke in seelisches Geschehen zu bereichern (Ludwig 426). Ein gewisses Maß an Extraversion zeigt also auch Terenz. Die Sprache des Terenz

Es gibt, wenn man so will, zwei Sprachen des Terenz: die in seinen Prologen und die innerhalb des Dramenkörpers. Die Sprache der Prologe,die ja zum Teil Verteidigungen sind, Verteidigungen gegen die Vorwürfeseines literarischen Gegners, weisen ein hohes Maß an Rhetorisierung auf,eine Fülle von Antithesenmalevolipoetae … maledictis faciuntne intellegendout nil intellegant ?zur frei und schier figurenlos fließenden „Spielsprache“ (Juhnke [1978]294) einen „Zug kunstbewusster Selbstverleugnung“ darstellt, ist schwerzu beurteilen. Sicherlich aber spricht Terenz freier im Dramenkörperselbst. Hier jedoch tadelte man bereits in der Antike die fehlende Kraft(Marouzeau [1947] 46 und Kruschwitz [2004] 181 nennen die Stellen),Terenz selber nannte seine Sprache „fein“ (Phorm. 5), ob das aber zugleich eine „künstlich-seelenlose Sprache“ hervorbrachte, wie Kruschwitzschreibt, wird man bezweifeln. Nehmen wir Andria 802 f.: Der Onkel derkürzlich verstorbenen Hetäre Chrysis kommt und trifft vor deren Haus„Itan Chrysis …?Hem! itanund die taktvolle Aposiopesesind alles andere als„seelenlos“.

Aber rechten wir nicht mit einzelnen Urteilen, sondern machen wir unsklar: Terenz verwitzelt seine Sprache nicht mehr; es gibt keine „Verwandlung und Gleichsetzung“ mehr wie bei Plautusmuscast meus pater: nilpotest clam illum habererenz nicht mehr liest. Keine Schimpfkanonaden mehr, keine groben Verwünschungen, keine lächerlichen Wortungeheuer und keine Phantasienamen: Alles ist glatt geworden, so glatt, wie ein gebildeter Mensch der gehobenen Kreise um Terenz sprach: maßvoll und elegant. Warum? Gewissauch deswegen, weil er und die Seinen Exuberanzen nicht mochten; ebenso aber wollte Terenz eine Sprache schreiben, die nun nicht mehr im Phangraecari um: im Unwahrscheinlichen (vgl. Heaut. 31; Phorm. 6), sondern er wollteso schreiben, dass jeder Römer und vielleicht auch jeder Mensch sich dochauch identifizieren konnte mit den Gestalten, die er auf der terenzischenBühne sah.

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In die gleiche Richtung weist auch die Tatsache, dass der Hiat bei Terenz ungleich seltener ist als bei Plautus. Terenz unterbricht den Flussseiner Verse nur selten, und dann um bestimmter, für das Spiel wichtigerEffekte willen (vom selbstverständlichen „prosodischen Hiat“ ist hiernicht die Rede, vgl. Marouzeau zu Heaut. 688 – er hätte dort allerdingsvon „Dihärese“ sprechen sollen). Vor Pointen, Namensnennungen, Imperativen setzt auch Terenz noch zuweilen den Hiat, aber er zerbricht denVers nicht derart wie Plautus. Selten geworden sind auch die Unterbrechungen an „Jacobsohn’schen Stellen“ (Deufert [2002] 37). Glätte alsoauch hier, weniger Unterbrechungen ebenso wie weniger Interjektionen –die Sprache konzentriert sich auf die Handlung und führt den Zuhörernicht in eine ihm ungeläufige Sprachwelt. Die Verstechnik

numeri innumeri Nachfolge, bei Terenz nicht.Er meidet die Cantica weitgehend, undwenn er solche schreibt, zeichnen sie sich nicht mehr durch besondere Gewichtigkeit der Motive aus; nur in Ad. 610–617 findet sich ein Rest desalten Reichtums. Das sind doch wohl Konzessionen an das Gewohnte,aber die geringe Zahl solcher Konzessionen zeigt, in welche Richtung Terenz sich bewegte: Lieder „verfremden“, das Vorherrschen des Jambusund Trochäus nähert das Gesagte dem Alltag, dem Bekannten, mit demder Zuschauer sich identifizieren konnte. Daher meidet Terenz auch denwilden, schier regellos dahinrennenden Anapäst, daher sucht er das Enjambement und meidet in den Langversen die scharfe Unterbrechungdurch die Dihärese. Gern setzt er ans Versende ein elidiertes Monosyllabon, das bereits zum nächsten Vers gehört, also zu ihm über die Versgrenze hinweg glatt hinführt. Überall dasselbe: Terenz strebt eine Sprache undeinen Vers an, der ja nicht zu weit sich vom Alltag entfernen sollte. DerTua res agitur.

Wenden wir uns, so vorbereitet, den einzelnen Stücken zu. Drei vonihnen sollen vorgeführt werden, um die Eigenart des Terenz zu verdeutlichen, die „Andria“, der „Eunuchus“, die „Adelphoe“. „Andria“ („Die Frau aus Andros“)

Wenn wir den Text aufschlagen, treffen wir auf Didaskalien (die zur „Andria“ fehlt) und auf die versifizierten Inhaltsangaben, die „Periochae“ desSulpicius Apollinaris (2. Jh. n . C hr.),dann auf den Prolog, wo Terenz

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nun nicht das Folgende ankündigt („exponiert“), sondern seiner literarischen Fehde bezüglich des „Kontaminierens“ nachgeht (kurz Kruschwitz[2004] 165 f.).Welches ist nun aber der Inhalt der „Andria“? Vater Simohat Vorbereitungen für die Hochzeit seines Sohnes Pamphilus mit derNachbarstochter getroffen, aber erklärt seinem freigelassenen Sosia, dasalles sei nur fingiert: Immer habe sein Sohn alle Vergnügungen jungerMänner mitgespielt, aber immer maßvoll, so maßvoll, dass der Nachbarihm, dem Simo, eine Heirat des Pamphilus mit seiner Tochter vorgeschlagen habe. Nun aber habe er, Simo, bei der Bestattung einer anderen Nachbarin, einer Frau von der Insel Andros, einer Hetäre, beobachtet, wiederen schöne junge Schwester sich in ihrem Jammer Pamphilus liebevollvertraulich an die Brust geworfen habe – Liebe und keimendes Leben imAngesicht des Todes, eine gänzlich unplautinische, dafür eminent lebenswahre Szene. Dem Nachbarn Chremes sei das zu Ohren gekommen, undärgerlich habe er seinen Heiratsvorschlag zurückgenommen. Nun habe er,Simo, dennoch eine Hochzeit für „heute“ anberaumt und vorbereitet, umden Sohn auf die Probe zu stellen: Lehnt der ab, kann der Vater einschreiten (158), denn alles Bisherige sei ihm ja eigentlich nicht vorzuwerfen. Dasalles hätte Terenz auch in einem Monolog eröffnen können, aber er liebtzugeschaltete Personen.Sosia wird entlassen mit dem Auftrag, auf denSohn aufzupassen. Dann kommt der Diener des Sohnes, Davos, wobei Simomurmelt, dass der Sohn offenbar die Hochzeit nicht wünsche, das sei an Davus’ entsetzter Miene abzulesen (173). Also Simo, statt den Sohn unmittelbar zu fragen, bildet sich eine Meinung über ihn aufgrund nur eines vagenAnzeichens, nämlich des Gesichtsausdrucks des Dieners seines Sohnes!

Davus redet vor sich hin darüber, ob „das“ wohl so abgehen werde(nämlich die scheinbar abgesagte Hochzeit) und über die Milde des Vaters, der nachzugeben bereit scheint; aber er hält das alles für vorgetäuscht. Er meint, die Täuschung aus Simos Schweigen bezüglich einerHochzeit der Dienerschaft gegenüber schließen zu dürfen (177): In Sicherheit wolle der Alte Sohn und Davus wiegen, dann blitzschnell alles in dieWege leiten, um ihnen keine Zeit zur Gegenwehr zu lassen (182). BeideFiguren verlassen sich also auf vage Eindrücke und bloße Vermutungen.

Dann endlich kommt man ins Gespräch: Was früher gewesen, gehe ihn,den Vater, nichts an; aber „heute“, da werde geheiratet. Der Sohn trageschwer daran, gewiss; aber es müsse halt sein. Wenn Davus dem Sohn aberbeispringen und versuchen sollte, die Hochzeit zu hintertreiben, dannwehe ihm (196 ff.)! Mit diesen Drohworten entfernt sich der alte Herr. Dasteht Davus nun, er hatte Recht mit seiner Vermutung, dass die Absageder Hochzeit nur vorgetäuscht sei – was nun? Er versucht, sich Mut einzureden, doch weiß er zunächst nicht, ob er dem Herrn oder dem Sohn zuWillen sein soll (209). Mit dem Herrn ist ja schlecht spaßen. Warum? Weil

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er schlau von sich aus die Liebe des Pamphilus entdeckt hat. Und dazukommt Weiteres:Die schöne junge Andrierin ist von Pamphilus schwanger (216), man habe verrückterweise auch noch beschlossen, das Kind anzunehmen (und nicht auszusetzen), und flunkere irgendwas von freier Geburt der Frau – „Quatsch“ nennt Davus das (224). Dann läuft er auf denMarkt, um Pamphilus zu warnen. Auf tritt Mysis, eine Dienerin der hochschwangeren Andrierin: Sie soll die Hebamme holen. In ihre kurze Auftrittsrede platzt Pamphilus, der vom Markt herbeigerannt kommt. Aufgelöst klagt er, eben gerade habe der Vater im Vorbeigehen ihm zugerufen:„Heute wird geheiratet!“ Jetzt ist auch Pamphilus hin und her gerissen,nämlich zwischen Vater und Geliebter (259 ff.). In diese Zweifel greift nunMysis ein: Glycerium, Pamphilus’ Geliebte, schicke nach ihm: Sie habeAngst, er könnte sie verlassen, da für „heute“ ja einst die Hochzeit angesagt gewesen sei (269, vgl. 102). Da entlädt sich der ganze Gefühlsüberschwang: „Ich sie verlassen, die mir ihr Leben anvertraut, die meinemHerzen so lieb ist, die ich wie eine Gattin hatte, die so fein erzogen?“ Erhabe sich so an sie gewöhnt, liebe sie, empfinde Achtung vor ihr (279) undwerde zu seinem Wort stehen, habe er doch der sterbenden Schwester versprochen, für Glycerium da zu sein, welcher die Schwester den Pamphilus„als rechten Mann“ übergab.Auf diese Weise scheint Pamphilus sichnun festgelegt zu haben.

Es tritt eine Pause ein, und es treten zu Pamphilus und Davus zwei Personen, welche Terenz dem Original hinzugefügt hat: Charinus, der sich indes Chremes Tochter (die „heute“ eigentlich den Pamphilus heiraten sollte) verliebt hat, und sein Diener. Charinus ist verzweifelt, denn „heute“werde er, so fürchtet er mit Grund, seine schönen Hoffnungen verlieren;Pamphilus ist zerstört, denn am selben heutigen Tage soll er eine heiraten,die er nicht liebt. Aber Davus beruhigt: In und vor dem Haus des Simo tuesich nichts, keinerlei Hochzeitsvorbereitungen. Aus dem Heiraten werdeheute wohl nichts. Auch hier dient ein „Anzeichen“ dazu, einer Gestalteine feste Meinung einzuflößen.

Charinus ist erleichtert, Pamphilus aber versteht nun gar nichts mehr.„Warum simuliert er?“ (375). Davus weiß es: Wenn der Alte dem Sohneböse wäre, nur weil Chremes die Hochzeit abgeblasen habe, dann wäre erim Unrecht, denn nicht Pamphilus habe ja die Hochzeit abgelehnt, sondern Chremes. Also fingiere der Vater jetzt eine Hochzeit, wenn der Sohndiese aber ablehne, dann habe der Vater einen echten Grund zum Einschreiten (376 ff.). Was ist also zu tun, fragt Pamphilus. „Sag’, dass du bereitbist zu heiraten.“ Pamphilus solle das sagen, um dem Zorn des Vaters dieUrsache zu nehmen; und das sei gefahrlos, denn wenn eines feststehe,dann sei das die Ablehnung des Chremes (391), und inzwischen werdeschon etwas geschehen, das weiterhilft (398).Aber – jetzt rückt Pamphi-

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mit etwas heraus, das alles erschwert: Er habe beschlossen, das Kind alsseines anzuerkennen. Davus ist entsetzt (s. Anm. 239), verspricht aber, diesen Beschluss geheim zu halten. Als der Vater kommt, ermahnt Davustristis

Simo tritt auf in der Absicht, „einmal nachzusehen, was die da so treiben“, eine übliche Formel (Büchner [1974] 64); Davus ist sich sicher, dassder Alte eine wohlvorbereitete Umstimmungsrede mitgebracht hat. Inzwischen ist aber auch Byrria,der Diener des Charinus, auf die Bühne gekommen und muss nun hören, dass Pamphilus (von Davus instruiert) garmorasorgen“). Simo fehlen die Worte, so erstaunt ist er, dann schickt er denSohn hinein mit genau dem Ausdruck, den Pamphilus eben angewandtmora

Davus bleibt mit dem Alten zurück, er vermutet, dass Simo von ihmirgendeine Teufelei erwartet, und in der Tat erwartete Simo von Davus einWiderwort (435). Dann fragt er den Vertrauten des Sohnes, ob der nichtschwer an der Veränderung trage. Davus spielt ihm vor, dass der Sohn gewiss eine Zeit lang, solange es sich schickte, die Nachbarin geliebt habe,aber jetzt nur ans Heiraten denke. Aber er habe doch etwas besorgt ausgesehen (447)? Aber nein, nicht wegen der Heirat; nur deswegen, weil sowenig eingekauft, so wenig Aufwand betrieben wurde. Simo, in den Verdacht des Knauserns geraten, wird ärgerlich: „Ich werd’ schon dafür sorgen!“, und geht ab, nicht ohne den Verdacht, dass der alte Schlauberger etwas im Schilde führe (457 f.).

Während man noch auf der Bühne verweilt, kommt Mysis mit der Hebamme und erzählt ihr, Pamphilus habe der Glycerium seinen Treuschwurwiederholt und beschlossen, das Kind anzuerkennen. Das hört Simo: „Ister verrückt? Das Kind einer Ausländerin!?“, ereifert er sich.Dann abergeht ihm, so meint er, ein Licht auf: Die (nämlich Davus, Pamphilus undGlycerium) simulieren bloß eine Geburt, um Chremes abzuschrecken(472) – so verlassen sich mittlerweile beide Parteien auf angenommeneTäuschungen der Gegenseite. Wieder nimmt er die Fakten nicht als real,sondern als fingiert, und verfällt in eine Irrmeinung. Die Vorspiegelung,durchschaut zu haben, erfüllt ihn mit Spaß, und so spricht er den Davusironisch lächelnd aus der Höhe der „vermeintlichen Überlegenheit seinesScharfsinnes“ an (so Oppermann [1973] 326): „So schnell gebiert manhier? Lächerlich! Kaum hat man begriffen, dass ich hier vor der Tür stehe,legt man los! Deine Leute haben sich wohl etwas in der Zeit geirrt?“Dabei ist er es, der irrt. Und als die Hebamme nach getaner Arbeit ausdem Haus der Wöchnerin kommt, ein paar Verhaltensmaßregeln ins Hauszurückspricht und dem kräftigen Kind alles Gute wünscht, da „begreift“Simo erneut: Dass die Hebamme zurück ins Haus spricht,sei abgekarte-

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Spiel (491), sei ein Zeichen für Davus’ Täuschungsmanöver. SeinenVerdacht (432 ff.; 501) sieht er also bestätigt (Oppermann 331). Davus abersieht eine Chance, die Hochzeit doch noch zu hintertreiben: Zunächst gehter auf Simos eitle Verdächtigungen scheinbar ehrlich und offen ein, warntihn gar vor den Ränken der Glycerium und verheißt, dass alsbald ein Kindauftauchen werde (507): Schon früher habe Glycerium behauptet, sie seivon Pamphilus schwanger; das habe sich dann nicht bestätigt. Jetzt habesie zu dem verzweifelten Mittel, eine Hebamme kommen zu lassen, gegriffen, um auf Pamphilus Druck auszuüben; Pamphilus aber könne nichtsdafür: Er wolle die Heirat (520). Simo schickt Davus ins Haus und bleibtmit mancherlei ungläubigen Besorgnissen auf der Bühne; aber Pamphilushabe versprochen zu heiraten, darauf baut er (527, vgl. 420), und machtsich auf, Chremes umzustimmen.

Es gelingt ihm, denn er führt als Argument an, es bestehe Zwist zwischen Glycerium und Pamphilus. Woraufhin kann er das behaupten? Wohlauf die Ansicht hin, Glycerium spiele seinem Sohn etwas vor (512 ff.), eineAnsicht, die er auf Davus’ täuschenden „Bericht“ baut, wie er 576 selberzugibt, und auf seinen eigenen gloriosen Einfall, das Schreien der Wöchnerin und ihr Weinen seien vorgetäuscht (558). Doch da erscheint Davus,immer noch felsenfest überzeugt, Chremes werde seine Tochter nicht herausgeben (398 f.), er kommt wohlgemut herbeigeschlendert, lässt sichsagen, die Hochzeit sei nur vorgespiegelt gewesen – eine Eröffnung vonetwas, das er längst wusste, darum kann er ironisch vor dem Alten dessenschlaue Intrige loben (589: „Das hätte ich nie durchschaut!“). Dann abermuss er vernehmen, dass Chremes nun doch zustimmt und quittiert dasoccidi optumegesagt zu haben.Simo durchschaut das Spiel des Sklaven noch immernicht, und darum bittet er ihn, der doch sein einziger Helfer beim Bewerkstelligen der Hochzeit gewesen, den Sohn auf den Pfad der Tugend zu führen (595 ff.). Simo ist also hoch zufrieden, Chremes ist umgestimmt undiam perturbaviomnia 85). Simo geht siegessicher nach drinnen, um Pamphilus in Kenntnis zusetzen.

Davus bleibt erschüttert auf der Bühne, Pamphilus stürzt heraus, vollerVorwürfe, aber gegen sich selber („energie- und planlos“ habe er sicheinem Sklaven anvertraut: 608 f.)! Der schwört, er werde alles daran setzen, „irgendeine“Abhilfe zu finden. „Klar“, quittiert Pamphilus ironisch, „so eine wie eben gerade!“ In diese verfahrene Situation platzt nunauch Charinus: Kein Verlass sei auf eines Menschen Versprechen, Glaubfides pudor

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schuldigt sich: Er habe unwissentlich sich und den Freund ins Unglück gebracht. Keineswegs, kontert Charinus: Als er gemerkt, dass Charinus dieChremes-Tochter liebe (somit für liebenswert erachte), da habe sie aufeinmal auch Pamphilus gefallen (645). Nur mühsam gelingt es Pamphilus,dem Eifersüchtigen klar zu machen, dass dies ganze Unheil Davus’ Tun sei(660 ff.). Aber da kommt Mysis: Glycerium habe sie nach Pamphilus geschickt, sie ängstige sich um Pamphilus’ Treue. Da bricht aus dem jungenMann sein ganzer Jammer in Form eines neuerlichen Treueschwuresquisvideor?sam selbst betrachtend in seiner Rolle bespiegelt“ (Büchner [1974] 94):Ein seltsamer Zug, der doch wohl den Jungen als noch recht unfertigzeigen sollte.

Währenddessen grübelt Davus noch immer, doch auf einmal ruft er aus:„Ich hab’s!“ (704), lässt sich aber nicht über seinen neuerlichen Plan aus.Charinus geht heim, Davus um Hilfe bittend: Er werde zu Hause warten.Pamphilus war schon vorher zu Glycerium gegangen, nun läuft auchDavus ins Haus der Glycerium und kommt gleich darauf wieder heraus,mit dem Säugling auf dem Arm. Da kommt auch Mysis. Sie hat von dernun doch stattfindenden Hochzeit vernommen und klagt, wie Charinuseben gerade, über die Untreue der Menschen – auch sie sich irrend. Da erblickt sie das Kind im Arm des Davus: „Wohin schaffst du das Kind?“ Nunspricht Davus sie an: „Leg’ das Kind bei uns vor die Tür! Hol’ irgendeinGrün, leg’s drunter!“ Will er das Kind auf den Altar legen, gleichsam alsBittflehenden? Aber da kommt Chremes, und der wendige Davus ändertdie Strategie (733): Er werde herbeischlendern, so für sich hin, und Mysissoll ihm ganz nach dem Munde reden beim Dialog mit Chremes. Mysisplus vides„a common phrase“(Shipp).

Chremes kommt, nachdem er (auf dem Markt) alles besorgt, zu seinemHaus, um seine Tochter zu holen; Davus schlendert herbei, irgendetwasdaherredend, um den Anschein zu erwecken, er komme ganz absichtslos. Da erblickt Chremes denn auch das Kind: „Frau, hast du das hierhingelegt?“ Und nun folgt eine gekonnte Szene, in der Davus Mysis, dienie ganz versteht, dazu bringt, die Herkunft des Kindes im Gespräch mitihm, Davus, vor den Ohren des lauschenden Chremes zu enthüllen: Es istdes Pamphilus Baby (765). Davus will dabei den Anschein erwecken, erglaube nicht daran („Ein Trick jagt bei euch den anderen“: 779) und fügthinzu: Man rede ja wohl insgeheim sogar davon, Glycerium sei eine attische Bürgerin. „Ja, ist sie’s denn nicht?“, protestiert Mysis, ehrlich überDavus’ Redereien aufgebracht. Da hat Chremes genug gehört. „Um Gottes willen – hast du das alles mit angehört?“, erkundigt sich Davus schein-

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„Entsetzlich, man muss diese Klatschbase hier umbringen!“, undzischt sie heimlich an: „Um den hier geht’s! Ich mein’ es ehrlich mit euch!“(787). Am Ende dieser Komödie in der Komödie besänftigt Davus dieDienerin: Anders ging’s nicht, und es ist doch wohl besser, wenn einer „ausex animoeingibt, so wie sie es gerade getan habe, als wenn er präpariert sei (seltsammissverstanden bei Büchner 100).

Die Situation ist so verfahren wie nur möglich: Simo wird nach Pamphilus’ erneutem Treueschwur die beabsichtigte Hochzeit jetzt nicht mehrohne eine Auseinandersetzung mit dem Sohne durchführen können; Pamphilus ist gespalten: Er steht dem Vater gegenüber ebenso im Wort wiegegenüber Glycerium; Chremes ist wegen des neuerlichen Umschwungesverärgert, und Charinus ist keinen Schritt weitergekommen (obschon fürihn der Weg jetzt frei wäre, um die Hand der Chremes-Tochter anzuhalten), und Davus ist ob seiner Listen so gefährdet wie nie zuvor. So endetdieser vorletzte Teil des „Akts“.

Die letzte Szene des vierten Aktes beginnt mit einer Überraschung: EinUnbekannter tritt auf: Hier müsse Chrysis gewohnt haben, die es vorzog,im Ausland unehrenhaft reich zu werden, statt zu Hause bescheiden, aberehrlich zu leben (796 ff.). Mysis erkennt den Vetter der Chrysis sofort, under sie: „So ist denn Chrysis …? Ach je …!“, feiner kann man kaum vomTode der Verwandten reden, und dann: „Hat Glycerium ihre Eltern gefunden?“ Das ist nach Lefèvre (1971, 38) ein Hinweis darauf, dass Glyceriumebenso wie Mysis über die Herkunft des Mädchens wenigstens teilweiseBescheid wissen. Sie suchte ihre Eltern, und das bedeutet: Diese Elternmüssen Freie gewesen sein. Der angereiste Crito („Der Entscheider“), alser hört, die Suche sei vergeblich geblieben, bedauert das, denn eigentlichwollte er sich des Erbes versichern, aber Glycerium – sie galt stets als dieSchwester der Chrysis – in Armut stürzen, das will er keinesfalls (814 f.).Hoffentlich hat sie einen Freund und Beschützer; alt genug müsste sie jasein, denn Andros verließ sie, als sie schon nicht mehr Kind war. So vorgestellt mit Namen und Erscheinungsgrund, geht er hinein. Die Bühne wirdleer, Aktschluss.

Wie zu erwarten war, kommt Simo jetzt auf die Bühne; er spricht mitChremes, der eine neuerliche Bitte um die Hochzeit ablehnt: Er hätte beinahe das Leben der Tochter aufs Spiel gesetzt (822). Simo aber akzeptiertdie neuen Fakten noch immer nicht; immer noch glaubt er an Ränke wiein 524:Alles Mache, alles vorgetäuscht (836). Es ist nun (vgl. in 576 denVertrauensgrund des Simo) Chremes, der sich auf des Davus Reden undMiene verlässt und auch darauf, dass die Reden zwischen Davus undMysis echt waren, weil sie (so wird er denken) einander nicht bemerkt unddarum auch nicht verabredet hätten (839; gut Kruschwitz 40, Anm. 52).

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„Das glaub’ ich gern“, ist Simos Antwort, das Spielchen haben die längstvorher geplant, denn: „Davus hat mich davor gewarnt“ (das war in 507 f.) –ein Wirrwarr an Irren und falschem Verlass.

Davus steckt also hinter allem, und da kommt er auch schon. Er sprichtberuhigende Worte zurück zu Glycerium, ermutigende zu sich: „Passenderhätte kein anderer kommen können!“ (844). „Schurke – wen lobt er so?“,fragt Simo. Davus spricht doppeldeutig: „Drinnen ist alles bereitet, hol’herbei, wann immer du willst“ – wen wohl? Shipp (1960) meint, er sprächezu Chremes und meinte Philumena, Büchner (1974, 102) spricht von „Ablenkungsmanöver“; die Worte bleiben unklar. Klar aber muss er antwortenauf die Frage, was er bei Glycerium zu suchen habe, er muss mit der Wahrheit heraus: Er war mit Pamphilus zusammen dort (851), „wohl um“, wieChremes ironisch bemerkt, „mit Glycerium zu streiten“. Chremes magscherzen, aber für Simo bricht eine Welt zusammen (Oppermann 332):Heimlich ging Pamphilus zu Glycerium! Aber wer genau Crito ist, das sagtDavus nicht, nur dass es nach wie vor (vgl. 552, 575) Streit zwischen Glycerium und Pamphilus gebe (853). Warum flunkert er? Versucht er, das Spielvon 507 ff., nämlich alle Ränke auf Glycerium abzuwälzen, noch einmal,um sein Fell zu retten? Will er es dadurch retten, dass er behauptet, derAnkömmling sehe zwar wie ein ernster, verlässlicher Mensch aus, aber dieNachricht, die er überbracht habe, Glycerium sei attische Bürgerin, sei einMärchen? Immerhin sagt er, der Mann habe sicheres Wissen darüberscire, und lässt Davus trotz besänftigender Worte des Chremes gebunden abführen (865). Dann ruft er Pamphilus heraus.

Er tobt, Chremes sucht zu mildern, es fruchtet nichts: Vor lauter Zornverfällt er in 878 ff., als er vom eigenen Sohne spricht, in die dritte Person,wie Donat fein bemerkt: „Schämt er sich denn gar nicht?“ Pamphilus antwortet mit einem Aufschrei: „Ich Armer!“ Und nun folgt eine erschütternde Klage des Alten: „Ich Armer!“, das hätte er früher sagen sollen, bevorer wider alles Recht sich auf diese Liebe einließ. Und wieder fällt er in diedistanzierende dritte Person: „Soll er sie haben! Soll er mit ihr leben!“Damit verstößt er den Sohn (889). „Vater!“, so drängt sich der unglückliche Sohn, Schlimmstes befürchtend, an ihn. „Was ‚Vater‘?! Den brauchstdu nicht, hast ja alles: Frau, Kind und einen, den ihr beigebracht habt, umsie als Bürgerin hinzustellen.“ Da bricht der Sohn zusammen: „Ja, ich liebesie. Aber (du bist mir lieber, so muss man ergänzen) ich gebe mich in deineHand.“ Der Vorwurf, den Vater betrogen zu haben, wiegt zu schwer (Oppermann 335), die Angst, verstoßen zu werden, ist zu groß.

Da tritt Crito aus dem Hause der Glycerium. Noch immer glaubt Simoan Lug und Trug (909). Doch als der wie ein euripideischer Deus exmachina die Geschichte vom Schiffbruch eines attischen Kaufmanns bei

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Andros erzählt und dass Glycerium mit ihm gerettet wurde, dass die beiden bei Chrysis’ Vater aufgenommen wurden, der ein Verwandter desCrito war (926 f.),da stellt sich heraus, dass der Vater der GlyceriumPhanias geheißen habe und von Rhamnus herstammte, dann auf Androsgestorben sei. Vor allem: Das Mädchen war nicht die Tochter des Phanias,sondern von dessen Bruder: „Sie ist mein!“, schreit Chremes auf, und dannstellt sich auch das letzte Beweisglied ein: Sie hieß einst nicht Glycerium,sondern Pasibula (945), ein Name, den auch Pamphilus aus ihrem Mundeoft gehört. Nun sind alle Wege offen, Pamphilus kann Pasibula heiratenund ist mit dem Vater versöhnt, dazu kann Charinus jetzt um Philumenawerbenund wird erhört, Davus ist bald aller Fesseln ledig. Die Bedeutung der „Andria“

Deutet dieses Stück auf etwas Wichtiges? Was bezweckte Menander mitdem Original der „Andria“ und Terenz mit seiner Nachdichtung? Kruschwitz (2004, 45) las die „Andria“, „nüchtern und vordergründig betrachtet“, als das „Scheitern Simos“ und als die „glückliche Auffindungvon Chremes’ verlorener Tochter“. Bereits Donat hatte Simo als den Protagonisten hingestellt (Kruschwitz 45, Anm. 65), und auch Oppermannging von seiner Person „in der Betrachtung der Grundlinien des Dramas“aus (323). Tun wir ein Gleiches; aber wir betonen, dass es eine weitereEbene der Betrachtung gibt. Doch zunächst die Ebene der Charaktere.

Die vordergründige Entwicklung der Handlung bildet die Aufklärungeines Irrtums, oder: eines Irrens, nämlich des Irrens des Simo. In I 1 sehenwir, wie er, der um des Sohnes willen, welcher gern mit seinen Freundenins Nachbarhaus zu Chrysis ging, zu ihrer Bestattung mitgegangen warund dabei erkannt hat, dass zwischen dem Sohn und Chrysis’ Schwesterconsuetus amor nach dieser Liebe zu erkundigen, erweckt er den Schein einer Hochzeitmit Chremes’ Tochter – warum? Gewiss, er will für Pamphilus (den „Allseits Beliebten“) das Beste, will eine standesgemäße Heirat und nicht einemit einer Ausländerin (146, 469). Liebe zum Sohn mischt sich mit Liebe zusich selbst, denn er will seine Vorstellungen verwirklichen (Oppermann[1973] 324) und nebenbei auch die Freundschaft mit Chremes festigen(538). Darüber spricht er nun aber nicht offen mit dem Sohn, sonderntäuscht ihn (Oppermann [1973] 323), weil er meint, alles Bisherige reichenicht aus, um den Jungen zu stellen, ihm Vorwürfe zu machen (142, 150,154, 158) und zu einem anderen Leben zu zwingen. Von GlyceriumsSchwangerschaft, beider Entschluss, das Kind anzuerkennen, und vonihrem Reden von Freibürtigkeit (215–224)weiß er nichts.

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Simo, statt mit dem Sohne offen und verständnisvoll zu sprechen, befiehlt die Hochzeit (252 f.) und stürzt Pamphilus in ein Gefühl, das sich ausSohnes- und Frauenliebe mischt (261 ff.). Die Liebe zur Frau obsiegt zunächst (279 ff.), und so muss intrigiert werden. Davus durchschaut denTrick der fingierten Hochzeit (363 ff.), weiß, dass Chremes inzwischenseine Zusage widerrufen hat (391 f.), und von diesem festen Grunde ausrät er Pamphilus zuzustimmen: Der Vater werde befriedigt und es werde jadoch nichts aus der Hochzeit. Als Pamphilus ihm aber eröffnet, er wolledas Kind anerkennen, ist Davus erschrocken, und Pamphilus bittet ihn,darüber zu niemandem zu sprechen: Heimlichtuerei also auf allen Seiten.

Simo ist, weil er genau weiß, dass er selber mit verdeckten Karten spielt,captent consili aber das Misstrauen löst sich auf, als Pamphilus seine Zustimmung verspricht (420). Dies Zustimmen wird nun der feste Grund des Simo sein(527), von dem aus er alles, was nun geschehen wird, im Sinne einer FiktionGlyceriums glaubt auslegen zu können. Als Mysis von dem Neugeborenenberichtet, ist er zwar zunächst erschüttert („Ist er verrückt? Ein Kind voneiner Ausländerin?“, so in 469, vgl. 146), aber da er Pamphilus vertraut,denkt er sofort um: „Die simulieren, um Chremes abzuschrecken“ (472).Davus spielt vor ihm dieselbe Melodie: Da komme viel zusammen, um allesals Intrigieren seitens der Glycerium aufzudecken (511 ff.); er, Davus, ganzallein habe Pamphilus gerettet (wie Simo es in 190 verlangt hatte): 519.Simo glaubt dem schlauen Diener nicht ganz (524), aber er baut auf denfesten Grund von Pamphilus’ Versprechen (527). Daher verlässt er sich aufdie Schuldzuweisung des Dieners an Glycerium und darauf, dass Pamphilus(so hatte ja Davus suggeriert) anders denkt, und zwar so sehr, dass er denFaden weiterspinnt und aus der Heiratsbereitschaft des Sohnes auf ein Zerirae für Täuschung erklärt (558). Und worauf stützt er sich dabei? Auf die„Worte des Davus“ (576), dem er eben noch misstraute (404, 524).

So weit geht die „Rechthaberei seines Verstandes“ (Oppermann 325).Immerhin gelingt es Simo, den Chremes umzustimmen, und Davus’ „festerGrund“ ist zerbröckelt (601), Pamphilus anscheinend vernichtet (III 5). Erschwört angesichts von Glyceriums Not, immer bei ihr zu bleiben (694).Simo hingegen verlässt sich immer noch auf das Wort des Sohnes, auchdann, als Chremes von dem Kind berichtet, das er als das des Pamphilusgesehen (779 ff.). Chremes seinerseits verlässt sich dabei ganz auf die „unverstellte Miene“ des Davus (839) – beide Väter verlassen sich auf irgendetwas Unsicheres. Der Schein, dem Simo unterliegt, erhält nun aber einenersten Einriss, als er sieht, dass Pamphilus zu Glycerium gegangen ist (undirae crucior miser Er ahnt, dass Pamphilus an dem Täuschungsmanöver, das sich gegen ihn,

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den Vater, richtete, beteiligt ist, denn an Täuschung seitens Glyceriumsadducti892), und zwar offenbar mit Wissen des Sohnes. Da bricht Pamphilus zusammen: In den Geruch, den Vater zu betrügen, will er nicht geraten; erwill nicht verstoßen werden, und so gibt er das Mädchen auf (96 ff.): Eine„große Szene“, wie Oppermann (333) sie nennt. Das Ende ist bekannt.

Worauf deutet dies alles nun? Was ist der Sinn? Büchner (1974, 81) versteht Simo als einen harten, Schrecken um sich verbreitenden Vater (besonders wegen 210 f.), ja als „Mitgiftjäger“,und sieht in der Charakterisierung des Vaters Brüche, die er auf die „Kontamination“ von Menanders„Andria“ und „Perinthia“ zurückführt. Doch das Wort des Sklaven, dassmit Simo nicht gut Kirschen essen sei, scheint von Büchner überfordert,und ein Mitgiftjäger ist er ganz bestimmt nicht. Oppermann las das Dramagleichsam euripideisch als ein Spiel um Schein und Wahrheit im SinneKarl Reinhardts, und glaubte, dass die Thematik „Trug und Wahrheit“ beiMenander (und daher in Terenzens „Andria“) die wichtigste Rolle spielt,zusammen mit dem Motiv eitlen Vermutens nach Menanders Vorgang(Frg. 227 Körte): „Woher wir kommen, wissen wir nicht, wir vermuten esnur immer und haben eine Ansicht“ (doch worauf sich dies im Einzelnenbezieht, bleibt ungewiss). Wir sind hier nicht aufgerufen, den Streit derInterpreten aufzulösen; aber so viel ist eindeutig, dass es um „Offenheitund Vertrauen“ (Oppermann 323) geht, dass gezeigt wird, wie nur einglücklicher Zufall eine Tragödie aus Unvertrauen (Verstoßen des Sohnesoder der Geliebten, dies die Alternative) vermeidet.

Wollen wir hier einhalten und uns einer anderen Art der Betrachtungzuwenden. Sie ist bereits deutlich geworden, als wir zeigten, auf wie unsichere Daten sich die Handelnden stützten. Und das heißt, dass man hiernach der euripideischen Ebene eine gleichsam thukydideische betritt: DieAkteure treffen auf Anzeichen („tekmeria“, Thuk. 2, 39, 2 Anf.) und bauendarauf ihre ganz ungewissen Schlüsse und Vermutungen (zum Beispiel364, 474, 491 [Oppermann 331], 476, 645, 839), und auf diese dann auch ihrconiecturae(512) nicht unterbewerten: Es war ganz sicher auch dies ein Anliegen Menanders und des Terenz zu zeigen, welche Not aus falschen, weil ungesicherten und unbefragten Vermutungen kommt. „Eunuchus“

Dieses Stück führte Terenz 161 v. Chr. auf und hatte großen Erfolg damit:Es wurde gleich noch einmal gespielt und brachte dem Verfasser viel Geldein.Was die Vorlage des Terenz für dies Drama angeht, so gibt der Ver-

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selber im literarkritischen Prolog über sie Auskunft: Nachdem Terenz das Stück an die Ädilenverkauft hatte, setzte sein Kritiker Lusciusdurch, dass in seiner Gegenwart das Stück vorgeführt würde. Als die Beamten zur Prüfung eingetroffen waren, wurde mit der Prüfung begonnen,und alsbald schrie Luscius, Terenz sei ein Dieb (23): Naevius und dannauch Plautus hätten einen „Colax“ („Schmeichler“, so ein Stück Menanders ) geschrieben, und Terenz habe die Figur des Parasiten und Offiziers daraus entnommen und in Menanders „Eunuchos“, in die Hauptvorlage, eingeflickt. Terenz gibt auch sofort zu, dass sein Parasit und seinBramarbas daher stammen, leugnet aber, die Figuren dem Naevius oderPlautus gestohlen zu haben: Er habe nicht gewusst, dass Naevius und Plautus diese Figuren schon einmal verwendet hatten. An dieses Geständnisdes Terenz hat sich ein wahrer Rattenschwanz von Untersuchungen gehängt.

Die Eröffnungsszene ist berühmt geworden.In ihr fragt sich Phaedria, der Liebhaber der Hetäre Thais, ob er nun zu ihr gehen solle, nachdem sie ihn, der doch jeden Tag zu ihr ging, für heute ausgeladen und danndoch wieder gerufen habe. Auch diese Szene ist eine „Meisterszene“ undwert, bei ihr etwas länger zu verweilen.

Gleich die ersten Worte zeigen die Seelenlage Phaedrias: „Soll ich nichtgehen? Nicht einmal jetzt, wo sie mich ruft?“ Das „Nicht einmal“ legtoffen, dass er am liebsten gehen würde. Das vermeintliche Unrecht, dasman an ihm verübt hat, schmerzt jedoch: „Oder soll ich mir doch liebernichts gefallen lassen?“ Ausgeschlossen, zurückgerufen – da soll er gehen?Da schlägt das Pendel in die andere Richtung aus: „Nein, auch wenn siemich bittet!“Denkpause, dann folgtin veränderter, längerer Sprechweise: „Wenn es geht, nur nichts überstürzen!“ Man muss, wenn maneinen Entschluss gefasst hat, diesen durchhalten und ja nicht, wenn man’snicht mehr (vor Liebe) aushalten kann, von sich aus ungerufen und ohneFriedensschluss (53) wieder hingehen: Dann ist’s aus, und sie tanzt einemauf der Nase herum. „Darum, solange es noch Zeit ist, denke nach, vielnach …!“ (56). Nun der Diener: Was weder Plan noch Maß in sich hat,kann man nicht planen wollen. In der Liebe herrscht nun einmal soSchlimmes wie Kränkungen, Verdächtigungen, Feindschaften, Waffenstillstände, Krieg und wieder Frieden. Das alles schwankt hin und her, und werdas mittels des Verstandes festmachen will, der will mit Verstand verrücktsein (63). „Und was du jetzt, gekränkt wie du bist, überlegst: ‚Soll ichdie …, welche den da …, die mich …, die nicht … – Soll sie nur, lieber sterbe ich! Sie wird sehen, was für ein Kerl ich bin!‘– ein einziges Tränchen,mühsam abgepresst, und du kriechst zu Kreuze!“ (69). „Welch’ schändliche Tat!“, ereifert sich Phaedria: Hat er dem Diener überhaupt zugehört?Er vermeint, jetzt erst so recht begriffen zu haben, was für ein Biest Thais

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und wie vernichtet er selber ist. „Ich hasse sie und brenne doch vor Liebe,wissentlich und bei vollem Bewusstsein, lebendig und mit offenen Augengehe ich vor die Hunde – und weiß doch nicht, was tun!“Parmeno greiftdies auf: „Was tun? Nichts als dich loskaufen, so billig wie möglich – und jakeine Aufregung!“

An dieser Szene ist manches sehr interessant: Zunächst ist deutlich, dassrationes putaredem mit sich zu Rate gehenden Selbstgespräch: „Soll ich? Soll ich nicht?“,vitia Liebe; Barsby kommentiert Einzelnes aus ihr, aber insgesamt ähnelt sieHoraz (Ep. 1, 19, 48 f. und anderen Reihungen)so sehr, dass man sagendarf, der Diener bedient sich hier – nach dem Willen des Dichters – eineshellenistischen Philosophems. Dann v. 70: Der Vers scheint auf v. 46–55 zurückzugehen und keine Antwort auf Parmenos Gerede zu sein, dem der insich versunkene Phaedria (er wollte ja nachdenken, noch und noch [56])gar nicht zugehört hat. Er reagiert nicht auf Parmenos Worte, sondern aufsein eigenes Empfinden, wenn er sein „Gemischtes Gefühl“ausdrückt.Der Diener hatte zunächst den Herrn dem Vorwurf ausgesetzt, der werdedoch klein beigeben (69 f.); auf den Ausbruch Phaedrias hin rät er nun zum„Loskaufen“,und das auch noch durch Feilschen! Und er fügt den Rathinzu, sich nicht aufzuregen – und das in dieser Lage! „Das soll dein Ratsein?“ „Ja, wenn du klug bist“: Da wäre wieder der Verstand, und das Gespräch hat sich im Kreis gedreht.

Das Gespräch zeigt einen verzweifelnden Herrn und einen beratendenDiener, der aber in sich Widersprüchliches vorbringt, vorschnell, realitätsfern, ohne wirkliches Verstehen. Diese Konstellation hat ihre Vorläufer,von Euripides (Ion 725 ff.) angefangen.Wir lesen also eine sehr vorausrecte feras sogleich zeigen.

miseram metritt nun Thais auf; sie befürchtet „überraschenderweise“, wie Kruschwitz(75) zu Recht bemerkt, dass Phaedria ihr die Abweisung verübeln könnte.Der erschauert, als er der Geliebten ansichtig wird, der Diener macht alberne Glossen, dann aber bricht aus dem jungen Verliebten die Seelennothervor: „O Thais, Thais, wenn wir doch nur in gleicher Stärke einander lieben könnten!“ (91 f.), ein catullischer Klang, dann erklärt die Frau alles(hier arbeitet Terenz die Vorgeschichte ein): Ihre Mutter sei eine Samieringewesen, lebte jedoch auf Rhodos (107); ein Kaufmann habe ihr ein kleines Mädchen geschenkt, das von Seeräubern aus Sunium geraubt wordenund vielleicht freie Bürgerin war. Die Namen der Eltern habe die Kleinegewusst, mehr nicht. Das Kind habe die Mutter genauso wie die Thais er-

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ja die Kleine habe man für Thais’ Schwester gehalten (118). Dannhospeshierher nach Athen gekommen, und als der starb, vermachte er ihr all seinen Besitz, so erzählt sie, ungerührt von den schnöden Bemerkungen desSklaven. Dann begann sie ein Verhältnis mit einem Offizier (125),derdann aber bald nach Karien in den Krieg zog. Nun starb neulich die Mutter, und der geldliebende Onkel verkaufte das gut erzogene Mädchenkurzerhand, und zwar – wie die Tyche so spielt – dem Offizier, der aus Karien zurückreiste. Der brachte das Mädchen hierher nach Athen. Als erdann aber merkte, dass Thais es liebend gern gehabt hätte, inzwischen aberPhaedria zum Liebhaber genommen hat, da zögert er nun mit der Übergabe und erpresst Thais, vielleicht aber hat er sich auch in das junge Dingverguckt. Und darum, so bittet Thais, möge Phaedria ein paar Tage demMann den Vortritt lassen. Sie wolle das Mädchen ihren Eltern zurückgeben, um sie zu Schützern zu gewinnen, sie, die allein und ohne Freundelebe (147).

Phaedria braust auf, glaubt ihr kein Wort, beschimpft sie als undankbar,wo er ihr doch eben gerade ihrem Wunsch gemäß ein äthiopisches Mädchen und einen Eunuchen gekauft habe (165 ff.). „Nun gut“, antwortet dieihn aufrichtig liebende Thais (171), „obschon ich das Mädchen gern vondem Offizier befreien würde, will ich dir nachgeben“, und Phaedria jubelt:Wenn das wahr wäre, könnte er alles ertragen! Man einigt sich dann dochin Thais’ Sinne auf zwei Tage Abwesenheit. Phaedria geht mit dem Dienerin sein Haus, Thais aber gesteht in einem Selbstgespräch: „Keiner ist meinem Herzen so nah wie Phaedria“ (200 f.). Und dies Leid habe sie Phaedria zufügen müssen des Mädchens wegen; heute noch werde deren Bruder kommen, ein vornehmer junger Herr.Er wird das Mädchen vielleicht identifizieren können. Ihn hat Thais inzwischen auffinden können.

Nach dem Abgang der Frau tritt Phaedria mit dem Diener wieder ausdem Hause, er ist abmarschbereit, will nun gar für drei Tage aufs väterlicheLandgut. Er trägt dem Diener auf, Äthiopierin und Eunuchen zu Thais zuschaffen, wiederholt seine Instruktionen, nervös stammelnd wie Polemo inMenanders „Perikeiromene“ (514ff) oder (maßlos übertrieben) Agorastocles im plautinischen „Poenulus“ (428 ff.). Der Diener spottet über desJungherrn Mut, gar drei Tage auf dem Lande zuzubringen, dann ist erallein (231).

Aber nicht lange steht er allein vor dem Haus, es kommt der Parasit desRivalen Phaedrias, Gnatho (der „Kiefer“), der das von Thais so gewünschte Mädchen (ihre „Schwester“) überbringen soll. Er wirft sich in die Brustals Erfinder einer neuen Schmeichler-Kunst, ja er hat eine Sekte gegründet, wie die Platoniker es sind, nämlich die „Gnathoniker“ (264),undnach über dreißig Versensieht er endlich Parmeno, den er weidlich ob

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des Sieges der Gaben seines Herrn (des Offiziers) über die von ParmenosHerrn (Phaedria) verspottet. Siegesfroh liefert der Meister-Schmeichlerdas Mädchen im Haus der Thais ab und geht dann ohne weiteres Geredezu seinem Herrn zurück.

Wieder bleibt Parmeno allein, wieder nicht lange, denn da kommt seinjüngerer Herr herbeigerannt, ganz aufgelöst. Urlaub habe er bekommenvom Wachdienst im Piräus, wo er sein Ephebenjahr zubringt, habe einGastmahl mit Freunden verabredet und auf dem Weg nach Hause, da habeer ein hinreißendes Mädel gesehen, sei aber aufgehalten worden, und nunsei ihm die Schönheit aus den Augen gekommen. Oh weh, denkt sich Parmeno, nun auch der noch! Und wenn der sich in eine Liebesgeschichtestürzt, dann wird’s wilder hergehen als im Falle des älteren Bruders(300 f.). Ja, er liebe, gesteht der junge Mann, Chaerea mit Namen, und Parmeno müsse ihm helfen, das Mädchen wiederzufinden: „Mit Gewalt oderheimlich oder mit Geld“ (319), aber her muss sie! Als Parmeno sich genauer erkundigt, merkt er, dass Chaerea das Mädchen meint, das eben derParasit in Thais’ Haus brachte (352). „Mach, dass ich sie kriege!“, lautetder Auftrag des Jungherrn (362). Was ist der Eunuch, der mit dem Mädchen zusammen abgeliefert wurde, zu beneiden: So nahe bei dem süßenKind (367 f.)! „Nun, nimm dessen Kleider und gehe als der Parasit hinein,den Phaedria für Thais gekauft hat!“, so lautet der nur so hingeworfeneEinfall des Parmeno (372 ff.).Begeistert geht Chaerea auf ihn (miteinem Umspringen des Metrums)ein. Da hilft aller Widerstand des verängstigten Parmeno nichts: Chaerea ist entschlossen, der Hetäre diesenStreich zu spielen,und geht zu diesem Behufe in sein Haus, um die Verkleidung vorzunehmen.

Was nun folgt, ist erneut eine Meister-Szene.Der Offizier erscheintmit Gnatho vor dem Haus der Thais, um sie zum Gelage abzuholen,gleich darauf erscheint Parmeno,um nachzusehen, wann der günstigsteAugenblick sein wird, seinen „Eunuchen“ hinüberzubringen (395). Thrasoerkundigt sich in schneidigem Kasinoton (er spricht in unflektierten Infinitiven), ob Thais ihm dankbar sei (für seine Gabe, nämlich die vermeintliche „Schwester“ der Thais). „Ungeheuer“, ist die Antwort. „Sag’, freutsie sich?“ „Sehr, aber noch mehr darüber, dass gerade du der Geber bist:Darüber triumphiert sie!“, so antwortet Gnatho dem Krieger kriegerisch.„Das ist mir halt so angeboren“, und nun folgt die Geschichte (die Gnatholängst kennt), wie der Perserkönig den Helden stets im Auge „getragen“habe (401 f.): Es mischen sich hier die Ausdrücke „im Auge haben“ und„im Herzen getragen“, aber daran nimmt das Großmaul keinen Anstoß;es folgt weiterhin die aus Ennius geborgte Episode (Annalen frg. 275Skutsch), wie der König, „wann immer er sich erholen wollte, da wollte erquasi – äh, wie war das doch noch?“ „Quasi die schlechte Laune aus dem

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Gemüte spucken“,greift Gnatho, der seinen Ennius kennt, aber vergröbert, unter die Arme; und es folgen noch mehrere Rodomontaden dieserArt, zuletzt die ungeheuer witzige Abfertigung eines jungen Burschen, dersich an des Thraso Liebchen herangemacht hatte: „Ein Hase bist du, undwillst an die Pastete?“ (425 f.), ein Witz, der voraussetzt, dass doch wenigstens die Maßgebenden unter Terenzens Zuschauern ihren Livius Andronicus kannten.Und so fürchteten denn alle den großen Mann (432).

Diesen Szenenteil mit den lateinischen Literaturwitzen hat ersichtlichTerenz in den „Eunuchus“ Menanders hineingedichtet, vielleicht auf Anregung von Stellen aus dem „Kolax“, denn dort gibt es ein Fragment, das aus einer Szene stammt, in welcher der Parasit seinen Helden verspottet und unter anderem sagt: „Ich muss lachen, weil ich mich über das Witzwort gegen den Mann aus Zypern erinnere.“Dann aber folgt etwasrecht anderes: Der Offizier wird auf einmal ein wenig unsicher bei demGedanken, Thais könnte vermuten, er habe ein Auge auf das Mädel geworfen (434). Ulrich Knoche (1936, 158 ff.) erblickte in dem Offizier dieseszweiten Teils von III 1 einen ganz anderen Thraso als den des ersten Abschnitts, einen feineren und weicheren, und in der Tat stimmt er Gnathosperfidem Plan, Thais mit dem Mädchen eifersüchtig zu machen, nur unterder Bedingung zu, „wenn sie mich bloß liebt“ (446).

Thais hat die Stimme des Offiziers vernommen und kommt heraus,Thraso drängt sie, mit ihm zum Gastmahl zu gehen, da aber kommt Parmeno mit seiner Äthiopierinund mit seinem Pracht-Eunuchen Chaerea.Die erste Gabe wird von Thraso verspottet, die zweite geil (479) bestaunt,dann führt Thais ihre Geschenke ins Haus. Thraso hat es eilig, befiehltGnatho, auf Thais zu warten (494), was Parmeno mit der galligen Bemerkung quittiert, es schicke sich ja auch nicht für einen Feldmarschall, miteinem Liebchen über die Straßen zu spazieren, was wiederum Gnatho erheitert, weil es ihn daran erinnert, wie Thraso (vorgeblich) einen solchenSpötter einst abfertigte. Dann aber, als Thais erscheint, heißt Thraso seinenParasiten, heim zu eilen, auf dass alles wohl vorbereitet sei (499) – ein umcurre curaänderte Palmerius, dem viele Spätere folgten (Marouzeau, Ludwig [1973]curre Büchner (1974, 258) ablehnte, weil bei Plautus wie bei Terenz „auf dascurre utcurre cura (wenn man dies als terenzisch annimmt) als umgekehrt. Ich meine, es mussdabeibleiben, dass der Soldat seinen Begleiter zum Laufen antreibt, eilig,wie er selber ist. Das allerdings würde bedeuten, dass hier ein Rest einer

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Szene stehen geblieben ist, in welcher der Rivale einen Mann bei sichhatte, mit dem er so umspringen konnte, einen Diener. Und eben diesnimmt man heute an: Dass bei Menander ein Offizier mit einem Dienerauftrat, nicht mit einem Parasiten.Nach diesem kurzen Einblick in die„Eunuchus“-Philologie soll es nun zügig weitergehen.

Hier nun setzt die Chremes-Handlung ein: Chremes, der Bruder desMädchens, um das es der Thais ging, war auf „heute“ bestellt (Thais kannte ja die Namen von deren Eltern, konnte daher erfolgreich Nachforschungen nach der Familie unternehmen). Er ist misstrauisch – eine Hetäre bestellt ihn zu sich! Mürrisch lässt er sich zum Gastmahl des Offiziersführen, um Thais dort zu treffen (III 3). Erneut wird die Bühne leer.

Kopfschüttelnd tritt nun Antipho, einer der Freunde Chaereas, auf, mitwelchen der Bruder Phaedrias sich zu einem Umtrunk verabredet hatte;aber der war nicht gekommen, und so sieht Antipho einmal bei ihm zuhause nach.Aber da kommt Chaerea auch schon aus dem Haus derThais, verkleidet als Eunuch, was Antipho einen Entsetzensruf entlockt.Er tritt zur Seite, um zu hören, was der Freund vorzubringen hat (Büchnerwunderte sich zu Recht über diesen Umweg). Chaerea ist im „SiebtenHimmel“.Als ungefährlichem „Eunuchen“ hatte man ihm aufgetragen,während alle anderen badeten, sich um das auf seinem Bette erschöpft liegende Mädchen zu kümmern. Er fächelte ihr, wie geheißen, kühle Luft zu,erblickte ein Wandgemälde, auf dem zu sehen war, wie Zeus zu Danaekam, und meinte, aus dem Tun des Gottes eine Berechtigung für eine ähnEgo homuncio hoc non facerem? jubelt er über seinen Spaß.

Er äußert nicht das geringste Mitgefühl mit dem vergewaltigten Mädchen. Aber er muss die Kleider wechseln, Antipho führt ihn hierfür zu sichheim (591). Kaum sind die beiden verschwunden, stürzt eine Magd auf dieBühne: Sie hatte Chremes zum Gelage des Thraso begleitet und erzähltnun, dass es kam, wie Gnatho geraten hatte. Als Chremes (der vermeintliche Nebenbuhler) erschien, habe Thraso Pamphila, Thais’ „Schwester“,holen lassen wollen, es sei zum Streit gekommen, und Thais habe ihr, derMagd, ihren Goldschmuck gegeben mit dem Auftrag, ihn „nach Hause inSicherheit zu bringen“ (so Ludwig 367).Dann habe sie bei nächster Gelegenheit sich selber entfernen wollen. Und nun „überschlagen sich dieEreignisse“ (so Kruschwitz 83): Als die Magd geendet, erscheint zu allemÜberfluss auch noch Phaedria: Er hat es nicht ausgehalten dort draußen,wenigstens sehen will er seine Thais,aber alles weitere Reden wird vomGeschrei der aus Thais’ Haus stürzenden Magd Pythias abgeschnitten, die,aufs höchste erregt, in einem Monolog von der Untat des Ungetüms – einEunuch vergewaltigt! – berichtet. Phaedria ergreift sofort die Initiative,holt aus seinem Haus den dort verbliebenen verängstigten, schrumpeligen

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alten Eunuchen, den „echten“ also, und erfährt nun den Hergang der Verkleidung. Phaedria will Chaerea durch Vertuschen schützen (706 ff.), auchDorias möchte im Gespräch mit Pythias (der übergeordneten Magd) Thaisgegenüber Schweigen bewahren (721 ff.), und das hat nach Büchner (1974,276) seinen guten Grund: Thais hätte, wüsste sie von dem Unheil, Chremes(dem Bruder der vergewaltigten Pamphila) nicht unbefangen gegenübertreten können. Solches „Kopf in den Sand und von nichts gewusst“ derDienerinnen gibt eine eindrucksvolle Folie ab gegen die bald zu Tage tretende souveräne Art der Herrin.

Chremes kommt nun auch vom Gastmahl zurück, beschwipst und garnicht mehr so mürrisch, wie er gegangen. Er macht der Pythias Komplimente wie der Truculentus in des Plautus gleichnamigem Stück (673 ff.):„Holla, da hat man mich aber angeführt“, beginnt er und meint den Wein,der ihm zunächst nicht geschadet, dann aber beim Aufstehen die Beinewackelig gemacht habe.Nun sei er fröhlich, Pythias kommt ihm begehrenswert vor, nun ja: „Ohne Brot und Wein friert die Liebe ein.“

Endlich trifft dann auch Thais ein:„Der Kerl wird bald da sein, um siemir zu entreißen“, befürchtet sie; aber: „Sein Gerede kann ich ja ertragen,aber wenn’s zu Handgreiflichkeiten kommt, dann wehe ihm!“: Eine entschlossene Frau. Dann aber erblickt sie Chremes: „Nach dir habe ich sehnlichst Ausschau gehalten.“Er erfährt, dass er wegen eines Mädchenskommen sollte, die aller Wahrscheinlichkeit nach seine wieder aufgefundene Schwester ist. Als er dann aber hört, sie sei im Haushalt von Thais’Mutter (einer Hetäre) erzogen worden, entfährt ihm ein „Um Gotteshem!Sie sei auferzogen wie es ihrer und seiner Würde entspräche, also nicht alsHetäre. Und nun ist Eile geboten: Die Magd soll das Kistchen mit denWiedererkennungszeichen holen,und Thais treibt sie mit einem ungeduldigen: „Du lässt dir verteufelt viel Zeit!“ zur Eile, denn der Offizierrückt heran. Chremes will sich aus dem Staube machen (762 f.: Er willRechtshelfer holen), aber Thais hält den Angsthasen fest und murmelt:„Der braucht selber Schutz, den ich mir da zum Verteidiger ausgesuchthabe“ (770). Auch diese kurze Szene zeigt Thais als resolute, ihren Gegenpart sofort durchschauende Frau.

Nun aber der Aufzug des Feldherrn und seiner Truppe aus allerhandDienern. Man meint heute zu sehen, dass auch im „Eunuchos“ Menandersder Rivale Phaedrias ein Offizier war, nur hatte er einen Diener bei sich,keinen Parasiten. Daher müsste die Szene IV 6, in welcher der Offizier mitGnatho auftritt, aus dem „Kolax“ stammen (s. Anm. 287). Aber nicht ohneterenzische Änderungen, weil hier nun gar fünf sprechende Figuren aufder Bühne stehen, was in der Nea nicht vorkommt (Kruschwitz [2004] 85,Anm. 48). Thraso verlangt nun an der Spitze seines „Heeres“ die Rück-

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Pamphilas,habe Thais doch ihr Wort gebrochen, Thraso zu ihremalleinigen Liebhaber zu machen (er hat ja die Geschenke seines RivalenPhaedria gesehen). Chremes hat sich inzwischen ermannt: Weniger dieVersicherung, Thraso sei nur ein Maulheld, als vielmehr das „Du musstkeine Angst haben“ (786) aus dem Munde einer Frau zwingen den Mannzum Mut. Er versucht es nun mit einem „Bluff“ (Ludwig 382): Er behaupcivis seine Schwester. Das ist ein Bluff, eine Schutzbehauptung des Mannes, derallerdings sehr bald erkennen wird, dass er unwissend die Wahrheitsprach. Nachdem er dies gesagt (und sein Wort offenbar gewirkt) hat, eilter zur ehemaligen Amme der Pamphila, um ihr die Erkennungszeichenvorzuführen. Daraufhin bläst Thraso den Feldzug ab, seine Leute sollensich „um Heimat und Herd“ kümmern, was an sich die Schlagworte römischer Kriegsaufrufe waren, hier aber sehr wörtlich aufzufassen sind. DieBelagerung ist aufgehoben, die äußere Gefahr gebannt. Gleich aber beginnt die innere Gefährdung aller Pläne der Thais.

Pythias, ihre Dienerin, hat drinnen Andeutungen gemacht, nun ruftThais sie hinaus und will Klarheit. Pythias muss mit der Wahrheit heraus:Chaerea hat Pamphila vergewaltigt, aber, als Chaerea auftaucht, warnt siefeige: „Leise, leise!“ Doch dann spornt sie Thais an: „Da ist er! Fass’ ihn!“Und hier beginnt erneut eine meisterhafte Szene: „Was sollen wir dennmit ihm tun?“ Thais mahnt zur Besonnenheit, Pythias schimpft über diefreche Visage, der aber ist alles andere als frech: Nirgends konnte er sichumziehen, und so hastet er von einer dunklen Ecke zur anderen – wollteman modern interpretieren, könnte man sagen, dass seine Tat ihn durchdie halbe Stadt hetzt. Dann erkennt er Thais und spielt erneut den Unverschämten, als sie ihn mit dem Namen des echten Eunuchen anspricht(850): „Guten Tag, Dorus! Abgehaun?“ „Jawohl, Herrin!“ „Gefällt dirdas?“ „Nein.“ „Glaubst du, du kommst so weg?“ „Verzeih’ diese eineSchuld; bei der nächsten bring’ mich um!“ „Hast du gefürchtet, ich sei eineharte Herrin?“ „Nein.“ „Was also?“ „Dass die hier mich bei dir anschwärzt.“ „Was hast du denn getan?“ „Ein bisschen was.“ Da aber fährtPythias auf ihn los: „Ein bisschen, du Frechling? Ist das ein bisschen, einfrei geborenes Mädchen zu vergewaltigen?“ „Ich dachte, die wäre auchnur eine Sklavin.“ Das hätte er nicht sagen sollen, nun wird die derart alsSklavin beleidigte Pythias so wild, dass Thais sich ins Mittel legen muss:„Chaerea“ – so appelliert sie an seine Ehre jetzt mit seinem richtigenNamen, wie Büchner (291) fein sagt, und zeigt dadurch, dass sie Bescheidweiß – „wenn ich selber vielleicht so eine Tat verdient habe, deiner ist sienicht würdig! Und dazu hast du alle meine Pläne durchkreuzt; ich wolltesie doch ihrer Familie zurückgeben, um mir einen Rechtsschutz durchdiese Wohltat zu schaffen, Chaerea“ (870 f.).

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Da geht dem Jungen das Herz auf: Genau jetzt werde zwischen ihr undseinem Haus dauernde Freundschaft entstehen, denn er wolle Pamphilaauf der Stelle zur Frau (888), der Vater werde schon zustimmen. Thais begibt sich mit dem Begeisterten ins Haus zum Umkleiden, denn es zeigtsich Chremes mit der sehr alten Amme, die ihm vor Alter viel zu langsamgeht.Aber die Erkennungszeichen hat sie bereits als die Pamphilasidentifiziert. So wäre denn die Hauptverwicklung glücklich aufgelöst, undals Parmeno erscheint, ist der Weg frei für eine zusätzliche Fopperei undRache-Szene:Parmeno brüstet sich zunächst, sehr „post festum“, seinem jungen Herrn den Weg zu einem heilsamen Abenteuer geebnet zuhaben und zu der Erkenntnis, was für Bettelexistenzen derlei raffgierigeHetären seien (927 ff.).Das ist einerseits wieder eine feste Spielform:Jubel vor der Vernichtung wie im „Oedipus Rex“ des Sophokles (1080),das nannte man in der Antike eine „Parektasis“;andererseits dient dieSzene dazu, Parmeno so sehr in Angst und Schrecken zu versetzen, dass erdem nun gleich wie ein deus ex machina (Büchner 297) erscheinendenVater Chaereas alles beichtet (in V 5). Pythias hat dann ihren Spaß daran,Parmeno aufzuklären (1017).

Danach aber treten zu aller Leser Erstaunen Thraso und Gnatho nocheinmal auf, und Gnatho kann Phaedria, der in der ersten Szene desStückes so eifersüchtig war, hier dazu bewegen, Thais mit Thraso zuteilen.Gut, es gab derlei im alten Athen,aber das Wiederaufflammendes Antagonismus zwischen Phaedria und dem Rivalen scheint nicht menandrisch, eher terenzisch zu sein (Büchner 301–305): Wollte Terenz demrömischen Zuschauer, der interessante Äußerlichkeiten goutierte, einSchluss-„Feuerwerk“ (Büchner 305) bescheren? Denn die Überredungskünste Gnathos sind in der Tat (1073 ff.) interessant geschrieben. Schadeaber scheint es denn doch um das Thais-Bild zu sein, das man inzwischengewonnen hat – aber ist ein solcher Gedanke nicht viel zu modern? Fragen wir also lieber nach der Bedeutung des „Eunuchus“. Die Bedeutung des „Eunuchus“

Wer das Stück auf Risse und Unstimmigkeiten untersuchte, war an demEigenwert der Komödie wenig interessiert; wohl aber hat es mehrere Versuche gegeben, einige Leitmotive und das Zentralthema aufzudecken.E. Fantham (1971, 970 ff.) zum Beispiel fragte nach dem Vaterhältnis, das in „Heautontimorumenos“ und „Adelphoe“ so deutlich imVordergrunde steht, musste aber beobachten, dass dieses Thema im „Eunuchus“ weit weniger Gewicht hat. G. M. Pepebeobachtete das PatronKlienten-Verhältnis, das in der Tat im „Eunuchus“ eine wichtige Rolle

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spielt, sucht Thais doch nach einem Schützer und findet gleich zwei: dieFamilie des Chremes und die des Chaerea, der ihr zu Dank verpflichtet ist.Doch war dies Thema auch in der „Andria“ so gewichtig, dass man esnicht als Besonderheit des „Eunuchus“ betrachten kann, sondern eher alseinen Grundzug der Gesellschaftsstruktur dieser Art von Schauspiel. Ch. F. Saylorsieht im Thema von Planen und kopflosem Drauflosdeln ein Spezifikum des Dramas, und in der Tat kommt es durch Thais’kluges Planen zum Sieg über Thraso, durch Chaereas unüberlegt-planlosesHandeln zur Katastrophe um Pamphila. Hier führt nun Kruschwitz (2004,95) weiter, indem er den „Eunuchus“ als ein „Stück über unterschiedlichausgeprägte Formen des Verantwortungsbewusstseins“ versteht; wenn erdann aber als Gegenpole solchen Handelns Thais und Thraso konstruiert,wird man den Gedanken an die (mangelnde) Verantwortung als Themades „Eunuchus“ gutheißen, seiner Begründung aber die Zustimmung versagen, denn nicht Thraso ist bar jeden Gefühls für Verantwortung, sondernParmeno und Chaerea.

Ich selber hatte schon früherParmeno als einen Ratenden bezeichnet, der „nicht in der Verantwortung steht“. Ein solcher ist er auch in370 ff., wo er unbedacht ein Wort fallen lässt, das kaum absehbare Folgenzeitigt. Saylors „planlessness“ trifft gewiss auf Phaedria zu, der die Dingeso lassen will, wie sie sind (er denkt nicht etwa daran, Thais freizulassen),auch auf Chaereas Tun; dieser aber übernimmt die volle Verantwortungfür seine Tat, wobei ihm hilft, dass er sich inzwischen in das Mädchen heißverliebt hat. Verantwortliches, überlegtes und selbstbeherrschtes Planenkennzeichnet in höchstem Maße Thais, zum Beispiel in der Szene 836 ff.,wo sie Pythias’ kopfloses Drauflos abbremst.

Aber auch für den zappelig dem Augenblick verhafteten Phaedria, derja ein „großes Kind“ ist, wie auch für Chaerea, muss sie mitdenken, vonihrem Schützling, von ihrer „Schwester“ Pamphila ganz abgesehen. „Wasdieses Stück auszeichnet, ist die Höhe des Beitrags der Liebe zur Integration der Komödienwelt“, schrieb Juhnke (1978, 250) und meinte damitwohl, dass es die Liebe der Thais zu Phaedria und zu Pamphila, aber auchihr Verständnis für Chaerea, sind, welche die Dinge so lenken, dass einheiler Zustand hergestellt beziehungsweise wiederhergestellt und ihreLage so gebessert wird, wie sie es sich wünschte.Das sagt Terenz sehramor et polpropterea mage nunc ignosco tibi, non adeo inhumano ingenio sum, Chaerea, neque ita imperita, ut quid amor valeat, nesciamPlanen und Handeln liegt im „Eunuchus“ die Schicht der Motivationenvon Planen und Handeln, die vielen verschiedenen Formen des Liebens,nämlich die Fürsorge und schwesterliche Liebe, und auch die beiden Formen der Liebe zwischen Mann und Frau. Die Hauptfigur des Stückes ist

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entschieden Thais, und mit ihr wird die verständnisvolle Klugheit zumHauptthema. „Adelphoe“ („Die Brüder“)

„Storax!“, so beginntdas Stück, also mit dem Ruf nach einem Sklaven.Der Ruf verhallt ungehört, der Sprecher – es ist der wohlhabende, in derStadt lebende Micio, der Vater des Aeschinus – macht sich Sorgen, derSohn sei von einem Gastmahl nicht heimgekommen und auch keiner derDiener, die er dem Sohn entgegen geschickt habe (26 f.). Dabei sei Aeschinus nicht einmal sein leiblicher Sohn, er habe ihn, den älteren Sohn seinesviel ärmeren, auf dem Lande sich abmühenden Bruders, nur adoptiert,aber er liebe ihn wie ein eigenes Kind (48). Und nun berichtet er, wie erihn aufgezogen habe – an der langen Leine, habe ihm manches nachgesehen, nur Offenheit habe er erwartet (54): „Durch Schamgefühl (vor demVater) und durch Freundlichkeit (seitens des Vaters) führt man Söhne besser durchs Leben als mittels der Furcht“ (58).Doch der Bruder, derleibliche Vater des Aeschinus, mache ihm deswegen ständig Vorwürfe;dabei führe doch ein strenges Regime nur zu Heimlichkeiten: Ein Kindmüsse lernen, von sich aus sich anständig aufzuführen, nicht aus Furcht(75). Es müsse doch ein Unterschied sein zwischen Vater- und Herr-Seinüber den Sohn. So stellt Micio sich vor, aber rüde wird er vom herbeistürzenden Bruder Demea unterbrochen: Aeschinus sei ins Haus einesKupplers eingebrochen, habe den Mann samt der Dienerschaft zu Todegeprügelt (!) und eine Hetäre, die er liebt, einfach geraubt (88 ff.). Micioverteidigt das Tun des Jungen großzügig, allzu großmütig (101 ff.) als Jugendstreiche, man werde den Schaden schon in Ordnung bringen. „Mussich denn dein Geschimpf immer über dasselbe tausendmal hören?“ „Ichsorge mich“, antwortet Demea. „Ich auch; aber wollen wir es bei der Abmachung belassen: Ich kümmere mich um Aeschinus, du um deinen jüngeren Sohn Ctesipho – alles andere wäre Rückforderung des Adoptierten.“„Meinetwegen, soll er Geld um sich werfen, vor die Hunde gehen, es gehtmich nichts an“, so resigniert Demea (134); aber: „Es tut nur so weh! Ichbin doch kein Fremder!“ Micio sprach reichlich großzügig, Demea reichlich laut und voreilig, am Ende aber findet er diese bewegenden Worte.Und so gesteht Micio, als der Bruder gegangen, Aeschinus kränke auchihn, den Adoptivvater, mit solchem Gebaren; nur habe er kein Öl ins Zornesfeuer seines Bruders gießen wollen (145 ff.). Aber jede Hetäre muss derSohn haben, allen gebe er etwas, habe aber neulich etwas von Heiraten gesagt – und nun wieder dies! Damit macht er sich auf den Weg zum Markt,um Aeschinus zu suchen.

Diese Folge von Monolog und Zwiegespräch ist voller Drehungen und

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Wendungen: Da äußert Micio zunächst sein volles Vertrauen auf seine Erziehungsmethode, doch dann wird sie arg strapaziert, und um sie zu verteidigen und Demea zum Schweigen zu bringen, muss Micio sich in fröhliche Übertreibungen flüchten und größte Selbstsicherheit vorspielen.Diese verliert an Überzeugungskraft, als aus dem gequälten Demea echcurae est mihi aegre est: alienus non sumDemea die Adoption rückgängig machen wolle, um ihn abzuwimmeln. Demeas „echtes Gefühl“ (Büchner [1974] 365) zwingt den Bruder zu solcherGrobheit: kein glanzvoller Sieg. Gewiss, Demea hätte sich nicht auf Gerüchte verlassen sollen,aber Micio muss sich verstellen: von brüderlicher Offenheit und gegenseitigem Verständnis keine Spur. Dann, alleingeblieben, muss er gestehen, dass ihm das Treiben des Aeschinus nun auchallmählich zu viel werde, dass er enttäuscht sei darüber, dass es mit demangedeuteten Heiraten nun doch nichts ist.

Nun folgt die von Terenz in seine Hauptvorlage eingesetzte DiphilosSzene. Der Kuppler war dem Aeschinus, der samt dem geraubten Mädchen und seinem Diener Parmeno davongegangen war, schimpfend undum Hilfe rufend gefolgt, will nun verhindern, dass die Beute in MiciosHaus geschafft wird, und bekommt Prügel. Immerhin verspricht Aeschinus, ihm den Kaufpreis zu erstatten (191).Der Kuppler, der es eilig hat(er will nach Zypern zu einem Sklavenmarkt: 224, 278), willigt endlich ein,und nun folgt eine Überraschung: Aus Micios Haus kommt der jüngereBruder des Aeschinus, Ctesipho; er strömt über von Dankbarkeit undLob: Das Mädchen hat Aeschinus also für ihn, nicht für sich selber, geraubt, als er sah, dass der unglücklich Verliebte, der sich nicht zu helfenwusste,bereit war, vor lauter Kummer auszuwandern (275), und von alldem wusste der Vater, wusste Demea nichts! Nun geht Aeschinus auf denMarkt, um (mit Hilfe des Hausbankiers) den Kuppler auszuzahlen, Ctesipho eilt nach drinnen zu seiner Geliebten; es wird ein Gelage geben. DieBühne wird leer.

Sicherlich ist die Überführungsszene grob: Der Kuppler, der nicht alsübles Subjekt gezeichnet ist, wird geprügelt und überrannt (er muss dieFrau zum Selbstkostenpreis abgeben); grob sind auch die Klagen über Aeschinus’ Gewalttat, aber all dies Grobe wird aufgewogen durch die lauteFreude und Dankbarkeit des Ctesipho. Seine Redeweise bleibt allerdingsauf dem Laut- und Lärmpegel der vorigen Szenenteile: In höchster Erregung greift er zu hohem Stil,der aber sein Gegengewicht findet in demvertrauten Umgangston des älteren Bruders: „Ach was, Dummkopf!“(271). So findet diese im Ganzen sehr hitzige Szene eine kleine Abkühlung, wie ja auch der erste Akt nicht eintönig, sondern recht differenziertabgelaufen war. Die Bühne wird erneut leer.

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Zwei ältere Frauen erscheinen, Sostrata, die Mutter der Pamphila, wohmea nutrixvermutet, hinsichtlich der bevorstehenden Entbindung der Tochter, sondern Sostrata denkt weiter, denkt an den Mann, der Pamphila schwängerte – es ist Aeschinus (292)! Aber das Gespräch wird brüsk unterbrochen,der Diener Geta rast auf die Bühne, außer Atem, und nun entfaltet ereine unglaublich laute, aufgeregte Rhetorik, verflucht „den Missetäter“,familia gen werde (314 ff.), eine wahre „Osmin-Rachearie“. Endlich von Sostratazum Halten und Berichten gebracht, erzählt er vom Frauenraub: Mit seiamare occepit alteram Angst. Die Dienerin Canthara will ebenso wie Geta das Gehörte verschweigen, Sostrata aber, eine resolute Hausherrin, schreitet zur Tat: Sieträgt Geta auf, den alten Hegio, einen Verwandten des Aeschinus aufzusuchen, und Canthara bittet sie, die Hebamme zu holen.

Diese Szene habe ich (1985, 89 ff.) genau erklärt. Das feige Daherredendes Sklaven, das so sehr von seinem martialischen Gehabe der Minutenzuvor absticht, wurde mit dem verantwortungslosen Losplappern Parmenos aus dem „Eunuchus“ verglichen (90, Anm. 18) und es wurde verdeutlicht, wie in der Geta-Gestalt Großspurigkeit und Pathos seinen kleinmütigen Worten widerspricht – ein Widerspruch, den Albrecht Dürer sehrklar spürte, als er seine Druckstöcke schnitt.Das will sagen: Auch indiese Szene hat Terenz eine innere Gespanntheit gebracht, die Spannungzwischen Dienstboten und Herrin und die zwischen unverbindlichemDrohgehabe und Einknicken, sobald es zur Tat kommen soll. Erneut leertsich die Bühne.

Auf sie stürzt Demea; seine Welt aus Wahn und Wunsch, aus dem Wahn,Ctesipho sei wie er, und dem Wunsch, er möge es stets sein, ist zerbrochen:Er sei bei dem Raub beteiligt gewesen, so habe er gehört. Erneut stütztaudivisat scionichts als eine Vermutung). Da hört er den Diener Micios, Syrus, vor sichhinerzählen, wie Micio sich, als Syrus ihm den Hergang meldete, gefreut, den Sohn gelobt (!) und ihm, Syrus, als Ratgeber gedankt (!) und sogleich alles bezahlt habe. Das sind für Demea naturgemäß aufregende undaufreizende Worte. Kaum aber hat er Demea erblickt, redet Syrus so, alsfinde er Micios Gebaren absurd, behandelt auch Demea nicht sehr respektvoll (376 f.). Aber Demea gibt sich auch wirklich genügend Blößen: Erwisse, sagt er, immer alles im Voraus, so zum Beispiel dass Aeschinus demnächst, wenn er den Adoptivvater in den Bankrott getrieben, zu den Soldaten gehen werde. „Das ist Klugheit, nicht nur zu wissen, was vor den

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Füßen liegt,sondern auch das Zukünftige“, spottet der Sklave frech(386), ohne dass Demea es merkt. Der regt sich darüber auf, dass die geraubte Hetäre (wie Syrus erwähnt) sich im Hause Micios aufhält (389):Anstatt nachzusehen, verlässt er sich auf das Reden des Dieners. Dannlässt Syrus den Alten mit allerhand anzüglichen Lobeserhebungen (394),einer Unverschämtheit und einer spottenden Parodie der eigenen SprücheDemeas (422 ff.) dorthin gehen, wohin er wollte, nämlich aufs Land (433).Der arme Vater ist tief hinunter gestoßen worden.

Diese Szene ist voll des köstlichsten Humors, aber auch voll von peinlichen Selbstentblößungen des immer voreiligen, nie den Dingen auf denGrund gehenden Demea. Der trifft nun auf Hegio, der in BegleitungGetas aus dem Hause der Sostrata und Pamphila tritt. Hegio, das ist nunendlich ein rechter Mann, so recht nach der Vorstellung Demeas, ihn zusehen, gibt ihm wieder Lebenszuversicht (445 f.). Er hört, wie Hegio eineUntat des Aeschinus verurteilt, und meint, es gehe um den Raub. Hegioklärt ihn jedoch darüber auf, dass Aeschinus die Tochter ihres gemeinsamen Freundes Simulus geschwängert (466 f.) und der Mutter versprochen habe, das Mädchen denn auch zu ehelichen. Aber nun habe er sicheine Hetäre besorgt und Pamphila verlassen – so berichtet Hegio nachMaßgabe der Worte Getas (479). Er fordert Demea, der ja doch aus vornehm-reichem Hause stamme (501 f.), energisch auf, das Nötige zu veranlassen (nämlich das Unrecht an Pamphila zu korrigieren), denn „noblesse oblige“. Demea weicht aus: Er werde mit Micio (dem er ja die Verfügung über Aeschinus überlassen hatte), gern sprechen (499), versprichtdann aber, gleichsam am Portepee gepackt (503 f.), dass geschehen werde,was sich gehört. Hegio verabschiedet sich kühl (Büchner [1974] 395).Demea macht sich auf, Micio zu suchen, um vor ihm den ganzen Ärger„auszuspucken“ (510). Demea gerät somit in einen Anschein, sitzt einemGerücht auf und schämt sich für Micio und die Seinen (485). Das ehrt ihn,wie überhaupt die ganze Szene und die Bewunderung für Hegio, nicht zufient quae fieri aequomest omniaihn in ein ehrenhaftes Licht rückt und keineswegs zur„lächerlichen Figur“ macht, wie Büchner 395 schrieb.

Hegio geht zu Sostrata hinein, Demea geht den Bruder suchen. V. 598zeigt, was danach geschah: Hegio hat nach dem Besuch bei PamphilaMicio aufgesucht und ist mit ihm zu Sostrata und Pamphila in deren Hausgegangen. Hegio muss also aus Sostratas Haus wieder herausgekommensein, und eben dies bewerkstelligen die v. 511–516, von denen allerdingsDonat sagt, sie fänden sich nicht in allen Handschriften. Für U. Knoche(1936, 152) war das ein sicheres Zeichen der Unechtheit, Büchner (1974,394) verteidigte die Passage; Denzler (1968, Anm. 324) schwankt. DieVerse weisen keinerlei Charme auf, sagen nichts Neues und sagen das We-

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was sie enthalten, holprig. Was aber sagen sie? Dass Hegio Micio„aufsuchen will, wenn er auf dem Markt ist“ und „wenn er handelt, wie esseine Pflicht ist, wird er tun“ – was denn? Man kann es sich denken, gesagtist es nicht. „Wenn er über diese Angelegenheit eine andere Meinung hat,soll er mir antworten, auf dass ich möglichst bald weiß, was ich zu tunhabe“: recht läppische Worte. Die Bühne wird leer.

Auf tritt nun endlich Ctesipho, er kommt aus Micios Haus, wo er sichvergnügt, und fragt Syrus, wo der Vater sei? Auf dem Landgut, meint Syrusund fügt frech hinzu: „Ich denke, er schuftet da irgendwas“ (518). Manwünscht ihm eine mehrtägige Erschöpfung an den Hals. Sehr bald wird erhier wieder auftauchen, so fürchtet Ctesipho, und ihn fragen: „Wo warstdu? Den ganzen Tag hab’ ich dich nicht gesehen.“Und wenn er, Ctesipho, nun gar die ganze Nacht in der Stadt bleibe? Syrus ist um keine Antwort verlegen: „Irgendein zu erledigendes Geschäft wirst du dir ja wohlausdenken können.“ Im Übrigen werde er den Alten schon lammfrommbekommen, indem er ihm von den Tugenden des Sohnes erzählt. „Meinen?“, fragt Ctesipho in genauer Selbstkenntnis erstaunt. Aber: „Wennlupus in fabula

Laut jammernd kommt Demea vom Lande, wo er den Sohn nicht fand,wie er auch Micio nicht gefunden. „Ich muss ja wohl von Natur aus immerdaran leiden, alles als Erster zu erfahren“ (ausgerechnet er! Demea spielthierbei auf das an, was er von Hegio in III 4 erfuhr). Ctesipho zieht sichins Haus zurück, und Syrus bindet Demea, als der nach dem Bruder fragt,einen Bären auf: Langatmig beschreibt er Demea den Weg zu Micio, zueiner Tischlerei, wo er irgendwo weitab sich sehr spezielle Möbel anfertigen lasse (585). Und wieder fällt Demea kopflos auf eine derartige Rederei herein;immerhin: Die Luft ist wieder rein. Syrus aber zieht sich aufein ruhiges Plätzchen zurück, um sich eins zu trinken (587). WährendDemea auf der erneuten Suche nach dem Bruder durch die Stadt irrt, hatHegio keine Mühe gehabt, Micio zu finden. Rasch hat man sich geeinigt,die Sache wird in Ordnung gebracht, und man geht hinein zu Sostrata undder Wöchnerin, um sie zu beruhigen: Arme Leute seien ja besonders argwöhnisch (s. Büchner [1974] 400, Anm. 38). Die Bühne wird leer.

Nun ist die Krise da: Aeschinus nähert sich dem Hause seiner Geliebdiscrucior animi seine Klage,übrigens das längste Canticum des Terenz . Er klagt darüber, dass Sostratanun annehme, er habe sich eine Hetäre besorgt, habe Pamphila verlassen;er habe nichts erwidert, um den Bruder zu schützen (624 ff.) – ein noblesVerhalten übrigens (s. auch Büchner 401). Und dann das Entscheidende:Er begreift seine Schuld, die nämlich, dem Vater (doch wohl Micio) nichtsgebeichtet (629), nicht gestanden zu haben, dass er das Mädchen heiratenwolle. „Wach’ auf, Aeschines!“, so rüttelt er sich wach (631).Er ent-

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sich, hineinzugehen, doch immer, wenn er dort anklopfe, bekomhorresco schlechten Gewissens ist (er hat sich ja nicht überlegt, wie es denn weitergehen solle). Er klopft, da aber kommt Micio aus der Tür. „Warst du es,der geklopft hat?“, fragt Micio, und Aeschinus leugnet, wird aber rot:Erubuit, salva res est!lehrt Aristoteles,sei eher ein Affekt („pathos“) als eine Tugend („aretè“), und wer sie verspürt, der errötet. Aeschines hat, so würden wir sagen,das „Herz auf dem rechten Fleck“. Dennoch folgt eine Trugrede des Vaters: Das Mädchen habe geboren, und da es allein steht, muss (nach attischem Recht) der nächste Verwandte es heiraten; der sei auch schon ausMilet eingetroffen und werde Pamphila dorthin mitnehmen. Aeschinus istentsetzt, aber noch immer plädiert er indirekt: Ob der Vater denn nichtmitfühlen könne, was der junge Mann, dessen Geliebte Pamphila sei, wohldabei leide (665 ff.)? Tief erschüttert, stürzen ihm die Tränen aus denAugen; da öffnet Micio sein Herz: „Aeschinus, ich habe doch alles vernommen, weiß alles!“ Aber er hätte sich alles besser überlegen, hätte dieFolgen bedenken müssen. Ob er geglaubt habe, die Götter würden schonalles richten? Er hätte selber Vorsorge treffen sollen (693 ff.) – aber erdürfe guten Mutes sein, er werde sie zur Frau bekommen! Aeschinusjubelt: „Ich liebe dich mehr als alles!“ „Mehr als sie?“, scherzt Micio.„Gleich viel.“ „Das ist aber freundlich!“ Man ist zusammengekommen,ein Herz hat sich dem anderen geöffnet: „Schönere Früchte hätte MiciosErziehung nicht tragen können.“

Als dies alles geregelt ist, hechelt Demea heran, also der, welcher „allesals Erster weiß“ (546). Er überfällt den Bruder mit Vorwürfen: Nicht nureine Harfenspielerin sei geraubt, sondern der saubere Sohn habe auchnoch eine Freigeborene geschwängert! Und die muss Aeschinus nun auchnoch ohne Mitgift heiraten! Bis zur Weißglut reizt es ihn, dass Micio gelassen mit einem „Weiß ich“ reagiert. Demea verlangt nun auch noch, Miciosolle die Heirat zum Schein geschehen lassen, danach könne man sie jairgendwie abschieben (744). Micio stellt ihm dann sogar in Aussicht, diejunge Ehefrau des Aeschinus unter dasselbe Dach zu bringen wie die Harfenistin. „Um jemand zu haben, mit dem du Liedchen trällern kannst?“,erkundigt sich Demea ironisch. Aber das Witzeln ist ihm vergangen, erklagt, allein gelassen, über den Wahnsinn des Bruders, ist nun fast endgültig erschüttert (757 ff.) – fast: Denn noch erwartet ihn der letzte Hieb: zuerfahren, dass die Harfenspielerin für Ctesipho geraubt wurde. Das erfährter, als Syrus, leicht bezecht, vor dem Hause auftaucht, durch Zufall, durchden Zufall nämlich, dass ein Diener seinen Kopf aus der Tür steckt undSyrus mitteilt, Ctesipho verlange nach ihm. Er stürzt hinein, um – endlich –sich selber zu überzeugen; Syrus verdrückt sich nach all seinen Unver-

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um sein Räuschlein auszuschlafen. So wird die Bühne wieder frei.

Die Bühne füllt sich jedoch alsbald erneut, und zwar mit lautem Jammern Demeas, der aus Micios Haus hervorstürzt, nachdem er die ganzebittere Wahrheit erfahren. Zu allem Überfluss kommt gerade jetzt auchMicio aus dem Nachbarhaus, als Demea in höchstem Pathos „O Himmel,o Erde, o Neptuns Meere!“ schreit (790).„Jetzt muss ich dem Ctesiphohelfen“, meint Micio, und es kommt zu einer erneuten Auseinandersetzung über die Grundsätze der Erziehung, wobei Micio den Bruderhinsichtlich des Finanziellen (807, 830) und auch bezüglich der gutenGrundart beider zu beruhigen sucht. „Vertraue mir heute einmal, glättedeine Stirn!“ (839 f.). „Klar, das verlangt der Augenblick, ich tu es. Abermorgen …“, und nun verheißt er der Harfenistin schlimme Zeiten: Schuften soll sie, bis sie schwarz wird (846). Micio lacht darüber, wie Demea sichechauffiert, und gerade dieses Lachen-Können macht Demea neidisch:fortunatus qui isto animo sies lachen kannst. Ich dagegen meine …“, aber da schneidet Micio ihm dasWort ab: Nicht schon wieder Geschimpfe! Brüderlich vereint geht man insHaus, um ausgiebig die Hochzeit zu feiern.

Die Bühne bleibt nicht lange leer. Demea hat drinnen die unbeschwerteFröhlichkeit gesehen, und er hat nachgedacht: Die sind alle lustig und guterego sentioOffenbar führtLeichtlebigkeit und Nachgeben (861), das heißt die Art des Micio, denMenschen zu größerer Zufriedenheit, als sein eigenes hartes Arbeitslebenes leistet. Micio gibt sich stets heiter, alle lieben ihn; er dagegen, Demea,den mag man nicht, der ist allein gelassen (873), ja man wartet nur auf seinen Tod. Er, Demea, habe die Söhne großgezogen, jetzt hat Micio sie ganzauf seine Seite gebracht, mit nur wenig Aufwand: „Alles Leid häuft sich aufmich, er aber erntet Lust“ (876). Demea, isoliert, zurück- und niedergedrückt, will nicht gänzlich ins Abseits geraten; es gibt nur ein einzigesMittel: Selber so agieren wie der lebenslustige Bruder. „Also versuchenwir’s mal anders herum!“, das ist sein Entschluss, provoziert durch den erquando hic provocatpraeter naturam ordnet an, dass die Mauer zwischen den Häusern der Sostrata und des Bruders niedergerissen werde, ja er bringt Micio trotz dessen leidenschaftlichem Protestso weit, die Sostrata, alt wie sie ist, zu heiraten, und jedesMal kommentiert er seine Erfolge höhnisch, zum Beispiel: „Den Miciowird das einiges kosten, aber was geht das mich an?“ (913). Micio zwingt erzur Heirat und auch dazu, Hegio, dem Vermittler und Verwandten, einenAcker zu schenken (946 f.), und wieder der Kommentar, diesmal ein besonders böser: „Den bringe ich mit der eigenen Waffe um!“ (958).

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Kein Sieg einer neuen Überzeugung, sondern nur der Erfolg einerneuen Technik. Dann wird auf sein Zureden hin auch noch Syrus samtFrau freigelassen, ja Demea wirft auch noch eine Geldzuwendung aus(977): Er wirft das bisschen Erbe fort, er ist fertig mit dem Leben (913:quid mea?und mit einem Caecilius-Zitat (985):„Was ist das für eine plötzlichelargitas liberalitas gen wollen, dass Micios Erfolg bei den Menschen nicht „aus den tatsächex vera vitaden Gegebenheiten orientiertem Handeln kommt und „schon gar nichtneque adeo ex aequo et bonokommt, sondern aus einem an der populären Wirkung, am Publikumserfolg interessierten Ausstreuen von Loben, Nachgeben und von Verex adsentando, indulgendo et largiendoHandeln strebe demgegenüber nach Weitsicht (Gegenteil des fehlerhaftenminus videtisconsulitis parumebd.); wenn es dessen einmal bedarf, mögen die Söhne zu ihm kommen. Damit hat er Micio, so meint er, als Falschspieler entlarvt und sich selberals Mann von rechtem Korn und Schrot, als Mann der Tatsachen und nichtdes Laissez-faire um der Publikumswirkung willen dargestellt.

Nun, Demea ist gewiss nicht der Sieger nach dem langen Lauf, dennseine Erfolgsmethode grenzte ans Absurde und schloss Wohltaten denengegenüber ein, die ihm bitteren Hohn und schwere Mühe bereitet hatten.Er spricht kein Wort verständnisvollen Verzeihens, sondern häuft Geschenke. Kein Umdenken, keine Änderung des „Charakters“ also, sondern der verzweifelte Versuch, sich zu behaupten. Aber dieser Versuchentbehrt nicht einiger Überzeugungskraft, denn in der Tat grenzte auchMicios Allnachgiebigkeit ans Extrem. Sicherlich ist es eine gute Maxime,nicht mit dem Schicksal zu hadern, wenn man es nicht ändern kannquor non zu weit zu gehen. Terenz fällt kein klares Urteil, wollte es sicher auch nichtfällen: Er überlässt das dem nachdenklichen Zuschauer; die weniger nachdenklichen hat er zweifellos durch das menandrisch anmutende SchlussFurioso köstlich amüsiert. Die Bedeutung der „Adelphoe“

Gern rechnet man seit Lessing die Charaktere der vier Brüder dieses Stückes gegeneinander auf: Von den Söhnen erscheint Aeschinus, als erdem Bruder, der auf dem Lande lebt und arbeitet, ein Mädchen vom

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Kuppler raubt, als städtisch-gewandt, souverän Situationen und Personenhandhabend, zuweilen auch grob (er lässt den Kuppler, der keineswegs alsübler Kerl dargestellt ist, prügeln). Doch geht es um seine Geliebte undum den Adoptivvater, ist er zart besaitet. Das sind klärlich zwei verschiedene Verhaltensweisen. Hat Terenz sich um einen Ausgleich nicht bemüht,vielmehr sich weniger nach den Erfordernissen einer durchgehendenPsychographie als nach den Gegebenheiten der jeweiligen Szenen gerichtet oder sollte gezeigt werden, was man an sich selbst so gern übersieht,dass man nämlich bei Fremdem forsch zupackt, bei Eigenem eher zögerlich agiert?

Ctesipho bleibt blass; aber als der Raub geschehen, die finanzielle Seiteerledigt ist und die Brüder aufeinander treffen, da spricht Ctesipho, derbäuerliche Bruder, exaltierte Dankesworte in höchstem Pathos (darf manan den Gorgias aus Menanders „Dyskolos“ erinnern?), während Aeschinus überlegen und sehr viel nüchterner erwidert: ein reizvolles Widerspiel.Im Folgenden hat Terenz dem jüngeren Sohn kein eigenes Profil verliehen, er ist nur da, weil Terenz den Raub seiner Harfenistin aus demKupplerhause brauchte.

Das ältere Brüderpaar, Demea und Micio, ist schärfer kontrastiert:Micio, der wohlhabende Städter, gibt sich jovial und verständnisvoll fürdie Streiche der Jugend (solange sie noch erträglich sind). Er lebt nachdem weisen Grundsatz: „Hadere nicht mit dem Geschick, nimm es an undversuche, es klug zu korrigieren!“ Er weist daher die eifernde Kritik dessittenstrengen, arbeitsamen und ärmlichen Bruders ab, schließlich hatte erdie Verantwortung bei der Adoption übernommen, lässt sich vom Bruderaber in seiner weltmännisch überlegenen Redeweise bis ins Extrem reizenund treiben. Immerhin erntet er eine schöne Frucht seiner auf Vertrauengebauten Erziehung, als Aeschinus ihm – nach einigen Umwegen – errötend beichtet.

Demea, der sich auf dem Lande abmüht, um ein kleines Erbe zu schaffen und den jüngeren Sohn an das kärgliche, aber sittensichere Landlebenzu gewöhnen, hat den älteren zwar juristisch aus der Verantwortung gegeben, nicht aber aus dem Herzen: Er fühlt sich in moralischer Hinsichtimmer noch verantwortlich. Bei seinen Versuchen, ein Wörtchen mitzusprechen, verlässt er sich jedoch stets aufs Hörensagen oder auf listige Redereien des Sklaven, statt selber den Gerüchten und dem bloßen Anscheinauf den Grund zu gehen. Immerhin entringen sich seiner gequälten SeeleTöne echten Gefühls und tiefer Sorge; und als er auf Hegio trifft, sindseine bewundernden Lobesworte überzeugend. Weniger überzeugend dagegen klingt sein „Gesinnungswandel“: Er ändert nicht seine Grundsätze,er probiert lediglich eine neue Methode aus, drängt den Mit- und Gegenspielern geradezu absurde Wohltaten auf, und das nur, um einen Anschein

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aufzubauen, den Anschein, er sei ein liebenswürdiger und verständnisreicher Freund und Vater. Man vergesse nicht, wie er herzlos bereit war, dieHarfenistin einfach irgendwo auszusetzen (wie einen unliebsamen Hund).

Kruschwitz (2004, 163 f.) sieht die „Aussage des Stücks“ in der Darstellung zweier ganz unterschiedlicher „Lebensentwürfe“, aber diese Aussagebleibt denn doch zu trocken. Nein, man sollte die Figuren nicht isolieren,sollte nicht nach Gewinnern und Verlierern fragen, wie Kruschwitz es versucht, sondern sollte auch in den „Adelphoe“ auf das Zusammenspiel derGestalten achten. Da erkennt man sogleich das alte, aus der „Andria“ bereits bekannte Manko der Offenheit und auch des Nachforschens, stattsich auf Gerüchte zu verlassen. Dieses Manko führt im Falle Demeas zuköstlicher Komik. Man muss ja auch sehen, wie Terenz das Verhältnis vonMicio zu Aeschinus, obschon sorgsam angelegt (man erinnere sich des ersten Aktes), lange nicht gelingen lässt, bevor er es in IV 5 in schönsterBlüte zeigt. Auch Demea steht in einer mehrdeutigen Beziehung: Obschonjuristisch nicht für Aeschinus verantwortlich, liegt er ihm aufs engste amHerzen, doch die Dankbarkeit des älteren Sohnes am Ende erwächst nuraus dem Ernstnehmen von Demeas faulem Trick. Und Demeas Verhältniszu Ctesipho ist das der blinden Sicherheit, die nie nach ihrer eigenenBerechtigung fragt und darum leicht zerbricht.

Das sind alles sehr fein angelegte Fäden, die da hin und wider laufen,Fäden, die in ihrer Festigung und in ihrem zeitweiligen Abreißen undscheinbaren Wiederanknüpfen zu denken geben. Einfache Formeln sindhier nicht am Platze, die „Brüder“ des Terenz wollen Studien zuweilen feiner, manchmal gröberer Charaktere geben. Und am Ende hat Terenz auchdiese Komödie, ganz wie Menander seinen „Dyskolos“, mit einem Furiosoenden lassen, das alles über den Haufen wirft.

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Zusammenschau

Wer kennt nicht die beiden Masken, von denen die eine lacht, die andereweint? Unzählbare Male sind sie überall zu sehen. Die eine soll die Tragödie, die andere die Komödie symbolisieren. Wie, wenn sie beide zusammendie eine Gattung, die Komödie, kennzeichneten?

Aristophanes schrieb gewiss auch zuweilen aus reinem Spaß an der Parodie, so an vielen Stellen der „Frösche“ und überall in den „Thesmophoriazusen“; zumeist aber schrieb er aus Sorge um seine Heimatstadt Athen,ihre verfehlte Politik und ihre verqueren Politiker, die von üblen Leidenschaften beherrscht üble Politik machten. Er sah, wie seine Heimat sichdem selbst verschuldeten Untergang näherte, und sah die Ursachen: überall Geldgier, Machtdrang, Rechthaberei, Misstrauen, Maßlosigkeit. AmEnde steht die düstere Selbstdemaskierung des widerlichen kleinen Alltagsmenschen im „Reichtum“. Hier ist mehr Trauer als Lustbarkeit.

Seine Kunst war durch die Vorgänger vorgebildet, deren Errungenschaften er wahrt, nur zuweilen maßvoll variiert. Er zeigt nur zu oft einfacheAthener, die er zu übermenschlichen Kraftgestalten werden lässt, die garzum Himmel auffahren. Ihr Tun ist vielfach vom Sang und Tanz des Chorsbegleitet, nach der Parabase (s. Anm. 14) folgt die Spielform der Abfertigung von Typen durch den Hauptakteur. Doch gegen Ende seiner Laufbahn lässt er viele von diesen alten Formen fort, welche die Komödie vomrealen Leben unterschieden. Die Komödie des alten Aristophanes nähertsich einem Spiegelbild des Alltäglichen und wird düster. Die Schönheit desGesanges weicht der durchgehend dargestellten ränkevollen Geldgiereines Chremylos.

Lachte man vordem über Wortspäße, Zötchen, Clownerien, so reagiertman angesichts des Spätwerks eher betreten: Der Gott des Reichtums unddie Inkarnation der Armut decken zu viel an alltäglichen Charaktermängeln auf. Die Komödie des alten Dichters beginnt zu weinen.

Menander geht den Weg des späten Aristophanes weiter, doch ohnedie betrübende Düsternis. Es geht ihm nun nicht mehr um die Ursachenvon Athens Untergang. Athen hatte sich ja aus einer Großmacht zueinem recht geruhsamen Provinzstädtchen gewandelt, und so treten inMenanders Stücken auch nicht mehr unverwechselbar athenische Figuren auf, sondern Figuren, die überall im griechischen Mittelmeerraumauftreten konnten. Keine Phantasiewelt mehr wie das „Wolkenkuckucksheim“, keine Kraftgestalten, Exuberanzen, Grotesken; der Alltag wirdabgeschildert und mit ihm alltägliche Defizienzen, die das Miteinanderso oft misslingen lassen. Von Politik keine Rede, nur vom privaten Fehl-

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Rechtverhalten, von Impulsivität, Voreiligkeit, Heimlichtun und vonder stillen, privaten Größe einer treu liebenden Ehefrau oder der klugenVoraussicht einer sympathischen Hetäre. Die Standesgrenzen bleibenzwar gewahrt, aber nun können auch Sklaven treu und klug sein, einDaos rettet seine Herrschaft vor der Geldgier des Onkels. Gut und Böseüberall, und überall das Spiel des Zufalls, dem das Menschenleben unterworfen ist.

Spiegel des Lebens – dem dient auch Menanders Technik: Keine Chöremehr und keine Arien, keine Götter (bis auf die Prologgottheiten) undkein „Starker Hans“. Dafür folgerichtig durchgeführte Handlungen, diejedem nachvollziehbar sind. Die Komik mag zuweilen in den Zwischenaktspielen getollt haben; in den Komödien selbst liegt sie im Inneren, imIrren und Verfehlen, das der Zuschauer lächelnd, weil vom Prolog informiert, miterlebt; lächelnd, denn er sieht sich selber abgebildet. Die Schönheit liegt in den edlen Charakteren, im Gelingen klugen Handelns, in derheiteren Glätte der Sprache. Überall immer wieder dieselben Typen vonMenschen und Menschentun, und oft ist die Komik eine bittere. Mankönnte meinen, jene beiden Masken kennzeichneten zusammen die Komödie Menanders, aber höher hängt doch die lachende: Es geht, dankeinem Zufall und einer Menschenklugheit, doch immer gut aus.

Als Rom das Makedonenreich zerbrach, bewies es seine militärischeÜberlegenheit über Griechenland, Athen agierte glücklos. Kein Wunder,dass der gewöhnliche Römer sich den Griechlein überlegen fühlte; er lächelte über deren Aufgeregtheiten, nicht gehässig, aber amüsiert und ausder Position der Stärke und moralischen Superiorität, wie er meinte. Diesem Selbstbewusstsein der Zuschauer bei Komödien jener Kraftzeit trugauch Plautus Rechnung, und musste es tun, wollte er gefallen und verdienen. Gern verzerrte er daher die hilfreichen Diener griechischer Lustspiele zu unerschöpflich trickreichen, prahlenden Alleskönnern; gern vermehrte er die Zahl der Akteure oder ließ auch solche fort; er schaltetesouverän mit den Originalen, reicherte sie durch Arien und durch zugkräftige Szenen an, die er aus anderen Stücken hereinnahm. Überall ließ erseinen Witz spielen und wird – strikt beweisen kann man es nicht – manche Spielform der heimischen Atellanen-Posse übernommen haben. DieGlätte regelrecht durchlaufender Handlungen gab er um possierlicher Effekte willen oft auf; oft aber wahrte er sie peinlich und war sehr wohl inder Lage, eine psychisch präzise beobachtete Szene als solche zu erkennenund wiederzugeben. Man macht einen groben Fehler, Plautus allein alsden Allesverdreher und Allesverwitzler hinzustellen: Zwar musste er mitdem Publikumsgeschmack Kompromisse schließen, er war aber Dichtergenug, das Feine seiner Originale zu erkennen, und mutig genug, es als solches nachzugestalten. Ja, er war imstande, auch selber überzeugende

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Handlungsstücke zu erfinden, dies aber immer in den Bahnen der Nea,Bahnen, die er zuweilen arg strapazierte, immer jedoch respektierte. ReinRömisches zu dichten, war ja anderen Gattungen vorbehalten.

Schrieb Plautus willkürlich veränderte, oft bis ins Groteske getriebene,und nur zuzeiten genau nachgebildete Nea-Adaptionen, so folgte Terenzeinem anderen Stilideal, und nicht nur einem anderen, sondern einem revolutionär neuen. „Du auch“, dichtete Caesar einmalTerenz an, „Duauch, o halbierter Menander, wirst zu den Besten gezählt, und zu Recht,Liebhaber Du reiner Rede. Wenn doch nur Deiner so feinen SchreibweiseKraft beigegeben wäre und gekonnte Komik gleiche Ehre davontrüge wiedie der Griechen und Du in dieser Hinsicht nicht schwächlich danieder liegen müsstest! Nur dies eine kränkt mich und schmerzt, dass dies Dir fehlt,Terenz!“

Nun, dem Numider Terenz fiel es wohl leichter, den römischen Chauvinismus eines Plautus abzuwerfen, aus Überzeugung das Griechentum Menanders ganz und voller ernst zu nehmen als Plautus, ja in revolutionärerUmkehr als modell-, wenn nicht gar vorbildhaft zu gestalten. Er zeigte anseinen Griechen, die jedoch fast schon Überall-Menschen und Allerweltstypen sind, wie schwer man sich das Leben machen kann durch Unbedachtheit, Misstrauen und all die Untugenden, die Menander auf dieBühne brachte, und wie man Unbilden mit jenen Tugenden zu bewältigenvermag, die auch die Tugenden menandrischer Helden waren. Gewiss reicherte auch Terenz seine Vorlagen um mancherlei Personen und Szenenan, auch er störte dabei die Folgerichtigkeit der Handlungen nicht ganzselten. Aber sein Bestreben war klar und deutlich, wieder zurückzukehrenzur menandrischen Komödie. Und wenn Caesar einen Mangel an „gekonnter Komik“ verspürte, so wird man das registrieren, aber nicht unterschreiben, wenn man nämlich Szenen wie der zwischen Syrus und Dema inden „Adelphoe“ auf sich hat wirken lassen.

Terenz, der Numider, zeigte der Welt zum ersten Male, wessen römischeDichtung fähig ist, wenn sie weitgehend getreu den griechischen Meisternfolgt; weitgehend, denn auch Terenz musste Kompromisse schließen: Erließ wieder das eine oder andere Lied ertönen, ließ auf der Bühne mehrgeschehen als in seiner Vorlage geschah. Nur in dieser Hinsicht, im Hinblick auf derlei Kompromisse, hatte Caesar Recht, wenn er Terenz einen„halbierten Menander“ nannte.

Aber Terenz war Caesar in einem Punkte näher, als der große Politikerund Feldherr ahnte: Die terenzische Komödie erhebt sich zu solch schönen Gestalten wie Micio oder Thais von einem düsteren Untergrund wieschon die Komödie des Aristophanes und Menanders, düster nicht zuletztdeswegen, weil über diese Figuren stets der Zufall willkürlich waltet. Miciosagt einmal: „Das Leben des Menschen gleicht dem Würfelspiel: Wenn’s

135

nicht so ausfällt, wie es dir am liebsten wäre, musst du halt, was durch denZufall zu deinem Nachteil ausfiel, mittels der Klugheit korrigieren.“ AuchCaesar wusste sich dem Zufall ausgesetzt; so sagte er einmaletwas demMicio Ähnliches: „Wenn nicht alles nach Wunsch ausfällt, muss man demZufall durch bedachten Fleiß eben aufhelfen.“ Not und Abhilfe, Weinenund endlich doch Lachen – die attisch-römische Komödie hängt am Endedie lachende Maske doch höher als die trauernde; sie ist aus dem Verlassdarauf geschrieben, dass kluge Menschlichkeit letzten Endes über dieüblichen Defizite zu siegen vermag.

136

Anmerkungen

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Bibliographie

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Impressum
Gregor Maurach Kleine Geschichte der antiken Komödie
Gregor Maurach
Wissenschaftliche Buchgesellschaft Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2005 by Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: Setzerei Gutowski, Weiterstadt Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-darmstadt.de gedruckt von BoD, Books on Demand Sonderausgabe 2011
Für C. Am Rande des Waldes zwei Birken, Die Wurzeln getrennt, die Kronen verwoben, Sie stützen im Sturme die eine die andre, Weht’s lind, dann rascheln die Blätter sich zu, und es wiegen die Bäume sich liebend und danken’s einander, solange sie stehn.
Für C. Am Rande des Waldes zwei Birken, Die Wurzeln getrennt, die Kronen verwoben, Sie stützen im Sturme die eine die andre, Weht’s lind, dann rascheln die Blätter sich zu, und es wiegen die Bäume sich liebend und danken’s einander, solange sie stehn.
Inhaltsverzeichnis Worum es gehen wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Aristophanes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Sein Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 „Die Bauern von Acharnaí“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 „Die Wolken“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 „Der Friede“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 „Die Vögel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 „Lysistrate“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 „Die Frösche“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 „Frauen im Parlament“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 „Der Reichtum“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Menander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Sein Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 „Dyskolos“ („Der Unangenehme“) . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Rückschau auf den „Dyskolos“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 „Epitrepontes“ („Das Schiedsgericht“) . . . . . . . . . . . . . . . 40 Rückschau auf die „Epitrepontes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 „Aspis“ („Der Schild“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 „Perikeiromene“ („Die Geschorene“) . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Die „Sikyonioi“ und Menanders Technik . . . . . . . . . . . . . . 53 Die „Samia“ und Menanders Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Der Weg von Aristophanes zu Menander . . . . . . . . . . . . . . 59 Der Anfang lateinischer Bühnen-Literatur . . . . . . . . . . . . . . . 61 Plautus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Sein Name . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Sein Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Die Stücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Die Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Die Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Die Metrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Die Art plautinischen Übertragens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Vergleich Menander („Dis Exapaton“ 11–30) – Plautus („Bacchides“ 494–525) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Die „Bacchides“ insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Plautus, der Verwandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Die Cantica des Plautus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Die Kontamination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Der „Miles Gloriosus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Der „Poenulus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Meisterszenen des Plautus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 „Amphitruo“ 633–653 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 „Trinummus“ 301–401: Ein Spiel mit verdeckten Karten . . . . . . 91 Publius Terentius Afer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Sein Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Seine Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Aufführungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Die Sprache des Terenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Die Verstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 „Andria“ („Die Frau aus Andros“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Die Bedeutung der „Andria“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 „Eunuchus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Die Bedeutung des „Eunuchus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 „Adelphoe“ („Die Brüder“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Die Bedeutung der „Adelphoe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Zusammenschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
1

Alle Zitate aus dem bei Fittschen (1988) 202 abgedruckten Aufsatz von F. Stud- niczka aus dem Jahre 1918. Über die Kennzeichnung als „versonnen“ und „nach- denklich“ geht P. Zanker, Die Maske des Sokrates (München 1995, 82 f.), nicht hi- naus, will den Dichter zugleich modernistisch zum luxuriösen „Außenseiter“ stem- peln: Ein Abgleiten ins Unwesentliche, das uns hier nicht kümmern muss.

2

Zu Kratinos vgl. Schmid (1959) 9, wo die Rüge und das Stellungnehmen zu Politischem ihm als Neuerung zugeschrieben wird, und 67 ff. über die erhaltenen Bruchstücke. Zu der gleich zu nennenden Bühnenfigur des Parasiten vgl. P. Krusch- witz, Die antiken Wurzeln des Begriffs „Parasit“, Nova Acta Leopoldina NF 83, Nr. 316, 2000, 147 ff.

3

Vgl. zu den „megarischen Witzen“ Schmid (1959) 7 f.; Lesky (1993) 274. Wenn man über ländliche Lustbarkeiten als Vorläufer der organisierten Komödie nach- denkt, muss man sich stets vor Augen halten, dass die antiken Nachrichten nicht er- lauben, z. B. die dorische Farce naiv als einen solchen „Vorläufer“ vorauszusetzen, da weder die literarischen noch die archäologischen Zeugnisse bis in eine Zeit vor dem Beginn der literarischen Komödie hinaufreichen (L. Breitholtz, Die dorische Farce, Stockholm 1969, bes. 124 und 182; vgl. aber Kerkhof [2001] 12).

4

Vgl. Möllendorff (2002) 51 mit Literatur.

5

Zu einem weiteren, nicht minder berühmten (Hor. Sat. 1, 4, 1) Dichter der alten Komödie, zu Eupolis, dem Zeitgenossen des Aristophanes, vgl. J. C. Storey, Eupolis, Oxford 2003 (Hinweis von K. Alpers).

6

Zu den Aufführungsbedingungen seiner Zeit s. W. Kraus, Aristophanes’ politi- sche Komödien, Wien 1985, 14 ff. Der Komödienverfasser studierte sein Werk auch selber ein, S. 14; zur Finanzierung ebd.; s. jetzt auch Zimmermann (1998) 16 ff. Zu Genese und Struktur der Alten Komödie ist das Grund-Buch das von Sir Arthur Pickard-Cambridge, Dithyramb, Tragedy and Comedy, 2. Aufl. Oxford 1962.

7

Die hier gegebene und alle späteren Inhaltswiedergaben sind, da ein vorab be- stimmter Buchumfang einzuhalten ist, kurz und geben nicht jedes Detail des äuße- ren Handlungsablaufs wieder; genauere Paraphrasen finden sich bei Schmid (1959) 223–386; verkürzte Inhaltsreferate auch bei Möllendorff (2002) 63 ff., der auch die einzelnen Teile der Chorauftritte benennt und auf S. 14–35 definiert.

8

Kraus (1985) 30 spricht bezüglich der Politik von einem „satirischen Bühnen- festspiel“, ähnlich C. H. Whitman, Aristophanes and the Comic Hero, Cambridge/ Mass. 1964, 61, betonend, dass diese Satire an der Realität, z. B. im Falle des an sich tapferen und fähigen Lamachos, vorbeiging.

9

Möllendorff (2002) 135 f.; jüngst handelt besonders erhellend hierüber H. Erbse, Hermes 130, 2003, 381 ff.

10

Schmid (1948) 218. So wie hier argumentiert wurde, verstand das Sokrates- Bild des Aristophanes auch Kraus (1975) 446–9.

11

12

Der Schüler, der Strepsiades empfängt (133 ff.), zeigt ihm gleichsam Einzelfor- schung, Sokrates selbst nennt die Prinzipien, mit dem Göttlichen beginnend.

13

Vgl. 478 und Plat. Charm. 164 e 7; Phileb. 48c 10.

14

Die Parabase (gr. Parábasis, „Vortreten“ des Chors aus der Rolle als Akteur in die des Sprachrohrs des Autors) und ihre sieben Teile sind genau besprochen bei Schmid (1959) 44 und Möllendorff (2002) 24 ff.

15

Zu den chronologischen Schwierigkeiten des v. 553, in dem die „Wolken“ von 423 über ein zwei Jahre später aufgeführtes Drama eines anderen Dichters spre- chen, das heißt zur Frage der späteren Überarbeitung der „Wolken“ vgl. das For- schungsreferat bei Möllendorff (2002) 133.

16

Der Ausdruck „Spannung“ dürfte nicht verkehrt sein, denn Aristophanes ar- beitet gern mit diesem Mittel, s. M. Landfester, Handlungsverlauf und Komik in den frühen Komödien des Aristophanes, Berlin–New York 1977, 54, 67, usw.

17

Auch dieses Formelement kennt bestimmbare Teile, die allerdings variabel an- gewendet werden, vgl. zum Agon der „Wolken“ Möllendorff (2002) 22.

18

Rau (1967) 148 ff.; man denkt an des Sophokles König Oedipus 1080. Zu dieser Spielform, „Parektasis“ genannt, Maurach (1988) 197.

19

Erbse (1954) 402 zeigt, wie doppelbödig die Ankündigung des Chores ist, Phei- dippides werde die Kunst lernen, den Rechtdenkenden Gegenargumente ent- gegenzusetzen (1303 ff.).

20

Vgl. Eur. Alk. 940, Bacch. 1296; Segal (1969) 189.

21

Immerhin geht er das eine oder andere Mal auf das üble Anliegen des Vaters ein: 260, 874, 886, 1152.

22

Segal (1969) 177 zählt die einzelnen Gegensätze auf.

23

Zu diesen Vorgängen s. Bengtson (1969) 234 f. Die Hauptquelle ist Thukydides 5, 10.

24

Newiger (1975) 272 ff. führt die Länge auf die Verdoppelung besonders der Serie von Abfertigungsszenchen zurück, vgl. Möllendorff (2002) 107.

25

Newiger (1975) 274 f., interessiert an der Sonderstellung der „Vögel“ innerhalb des aristophanischen Schaffens, weist darauf hin, dass eine solche Geburt eines Pla- nes auf der Bühne während der Handlung und nicht schon vorher, im Werke des Aristophanes hier zum ersten Male auftaucht.

26

Zu den Textschwierigkeiten in v. 209 ff. s. Fraenkel (1950) 256 ff; zur Metrik L. P. E. Parker, The Songs of Aristophanes, Oxford 1997, 296 f.

27

Zur kunstvollen Anordnung der Vogelarten im Rufe des Wiedehopfes v. 227 ff. s. Fraenkel (1950) 259: Die Vogelarten sind nach Feld-, Garten- und Bergbewoh- nern, Feuchtwiesen- und Küstenbewohnern unterschieden.

28

Anspielung auf den wenig erfolgreichen Zug des Feldherrn Nikias in Thrakien, s. Bengtson (1969) 239.

29

Vgl. Schwinge (1977) 43 ff.

30

De Romilly (1963) 336 ff.

31

Zur zweiten Sizilischen Expedition s. De Romilly (1963) 200 ff.; Bengtson (1969) 240 ff.

32

Gut hierüber Möllendorff (2002) 84 mit Anm. 40: Innerhalb der Behandlung einer jeden Motivgruppe erscheint jeweils das andere Motiv ebenfalls als Neben- thema. Anmerkungen 136

33

34

Sophokles ist an dieser Wahl nicht beteiligt, ihn hatte (so sagt Aristophanes 787 ff.) Aeschylus, als sein großer Dichterkollege unten anlangte, auf dem Meister- thron mit ihm zusammen sitzen lassen. Zu den schwierigen Textfragen um v. 790 s. U. von Wilamowitz-Moellendorff in Wege der Forschung 265, 359, Anm. 4.

35

Radermacher (1954), 289.

36

Dazu C. H. Whitman in: Wege der Forschung 265, 377 ff.

37

Zu den Textproblemen dieser Passage vgl. Radermacher (1954) 339 ff.; Möllen- dorff (2002) 160.

38

Den modernen Interpreten hat diese Lösung Schwierigkeiten bereitet, eine Auswahl bietet Möllendorff (2002) 163 f.

39

Bengtson (1969) 251 f. Immerhin wehrte Sparta das Ansinnen Korinths und Thebens ab, Athen völlig zu vernichten.

40

Gelzer (1960), bes. 217–224.

41

Zu dieser Frage vgl. Maurach (1968) 4. Die beiden Figuren waren bisher im Stück noch nicht aufgetreten, s. A. H. Sommerstein, The Comedies of Aristophanes, Bd. 10: Ecclesiazusae, Warminster 1998, 206.

42

Slater (2002), 221. Schamlos nennt der Skeptische seine Haltung „besonnen“ (Rademaker [2005] 229), was an Thuc. 3, 82, 4 erinnert.

43

Vgl. z. B. den Apoll vom Piräus (530/510 v. Chr.), A. Stewart, Greek Sculpture, Yale UP, Bd. 2, 1990, Abb. 168–169.

44

Man wird gern ein allgemeiner geltendes Urteil fällen als das von Slater (2002) 221, der den Sinn der Szene wohl zu eng im Politischen sieht („defence of the new state against such parasites“). Weiter fasst das Thema Zimmermann (1998) 178, wenn er vom „menschlichen Egoismus“ spricht.

45

Möllendorff (2002) 118.

46

N. W. Slater (2002) 221; M. S. Silk, Aristophanes and the Definition of Comedy, Oxford 2000, 221 nennt die beiden Männer zu Recht „Typen“, geht aber nicht weiter auf sie ein. Von „ironischer Distanz“ zwischen Reden und Tun spricht H. Flashar, The Originality of Aristophanes’ Last Plays in Oxford Readings in Aris- tophanes, hrsg. von E. Segal, Oxford 1996, 314 nach seinem Aufsatz 1967, 414.

47

Maurach (1968) 7.

48

Dies war das Ergebnis von Maurach (1968) 7 in seinem Aufsatz, den Flashar (1975) 434 im Nachtrag zustimmend erwähnt.

49

Die Szene mit den alten Vetteln kann man mit den nicht minder derben Szen- chen des „Friedens“ vergleichen (Waschungen der Opora) oder mit der gespielten Verführung in der „Lysistrate“. Doch dort herrscht Laszivität, und man könnte mit einem „Der hat’s gut“ reagieren; hier dagegen mag man ebenfalls ein Gelächter anstimmen, aber der Beigeschmack wäre eher ein „Pfui Teufel“ wie in Horazens achtem Jambus. Anmerkungen 137 50 Schmid (1959) 370 und 372.

50

51

Möllendorff (2002) 124.

52

Wenn Dover (1972) 202 diese Szene damit abtut, dass Plutos „pestered by Khremylos and Karion to tell them who he is“, so genügt das angesichts der gewalt- bereiten Gemeinheit der beiden nicht; zu ihr auch Zimmermann (1998) 181.

53

Zu diesem Motiv Hom. Od. 5, 118; Hes. Werke 42; Herod. 1, 32, 1.

54

Nachweise bei Maurach (1968) 8, Anm. 21. Die Ironie, welche den Chremylos umspielt, arbeitet Flashar (1975) 412 f. überzeugend heraus.

55

Besonders krass wird die Kennzeichnung des Chremylos dort, wo er der Penia entgegenhält, sie werde ihn von der Notwendigkeit der Armut auch dann „nicht überzeugen, wenn sie ihn überzeuge“, das heißt, sie könne gern intellektuell und „dialektisch die Oberhand behalten“ (Flashar 423, 430), richten werde er sich da- nach nicht. Das bedeutet nicht weniger, als dass Aristophanes sich sehr klar da- rüber war, dass über allem Intellekt eine stärkere Steuerung im Menschen angelegt ist, als der Verstand es ist.

56

Wie reduziert der Agon in diesem späten Stück bereits ist und wie reduziert auch die anderen Spielelemente der früheren Stücke eingesetzt sind, verdeutlicht Flashar (1975) 405 f.

57

Ein Sklave als Hauptakteur war in den früheren Stücken undenkbar: Flashar (1975) 407 mit Anm. 6.

58

Die Ironie ist im sprachlichen Ausdruck unüberhörbar, s. Maurach (1968) 9 f. mit Anm. 24.

59

Vgl. Maurach (1968) 9 f.

60

Es sei gleich zu Beginn des Menander-Kapitels betont, dass in ihm ausschließ- lich nach Arnotts drei Loeb-Bänden zitiert wird (siehe das Literaturverzeichnis unter Arnott [1979, 1996, 2000]).

61

Im Unterschied hierzu spricht Dover (1972) 59 ff. von einer Diskontinuität der Charaktere bei Aristophanes, was Silk (2000) 207 ihm nachspricht.

62

So zu argumentieren und gleichsam von einer Lehre Menanders zu sprechen, bedeutet, dass seine Charaktere ein hohes Maß an Wirklichkeit zeigen; eben dies spricht Silk (2000) 232 den Figuren des Aristophanes noch ab.

63

Vgl. Lesky (1993) 718; Arnott (1979) XIII; Blume (1998) 5 mit Anm. 2.

64

Vgl. Arnott (1979) XVI; Blume (1998) 5, Anm. 3.

65

Vgl. Arnott (1979) XIV unten; Blume (1998) 6 mit Anm. 4.

66

Arnott (1979) XIV; Blume (1998) 7 mit Anm. 10. Zu den Vorläufern Menan- ders Zimmermann (1998) 188 ff., 206 f. (über die so genannte Mittlere Komödie).

67

Arnott (1979) XV schenkt der ersten, Blume (1998) 8 unten der zweiten Zahl Glauben.

68

Arnott (1996) 251, Abs. 2.

69

So bezeichnet ihn Blume (1998) 21 unten; der strenge Attizist widmete sein Werk dem Kaiser Commodus, s. Lesky (1993) 930 f. Blume zitiert in 21, Anm. 17 eine moderne Ausgabe.

70

Vgl. Blume (1998) 30 f.; aus jüngerer Zeit Arnott (1996) 369 f.; (2000) 4 f. und 196; ders. in: Studien zu Plautus’ „Cistellaria“ 399 ff.

71

Zu allen diesen Fragen vgl. die reich dokumentierten Seiten bei Blume (1998) 46–74. Anmerkungen 138

72

73

Blume (1998) 101, Anm. 13. Zu eigenwilligen Handlungen vgl. E. Fantham in: Studien zu Plautus’ „Cistellaria“ 231 f.

74

Zu den attischen Festen s. Möllendorf (2002) 49 mit Literatur.

75

Dreifacher Götteranruf in 192; ähnlich 666 f.

76

V. 597, vgl. oben Anm. 20 und Blume (1998) 93.

77

Genauer beschrieben sind diese Funde bei Arnott (1979) 380 f.; Blume (1990) 35 f.

78

Hierzu oben Anm. 73 und Blume (1998) 101, Anm. 13.

79

Es mag sein, dass sich Chairestratos in das Harfenmädchen verguckt, eine hüb- sche Vermutung, die Blume (1998) 104, Anm. 25 zitiert, doch Arnott (1979) 388 hält diese aus den Fetzen gewonnene Vermutung verständlicherweise für unsicher.

80

V. 324 f., als ob es jemals in Griechenland Löwen gegeben habe! Mit feiner Iro- nie Blume (1998) 108, Anm. 39 dazu.

81

V. 451; Arnott (1979) 447, Anm. 1 zu diesem Fest. Eigentlich könnte man fra- gen, was ein Mann da zu suchen gehabt habe, aber Spielvoraussetzungen sollte man nicht zu genau befragen.

82

Solches Erproben einer später zu haltenden Rede ist ein in der Alten und Neuen Komödie nicht unübliches Motiv: Aristoph. Eccl. 163 ff.; Men. Perik. 550; vgl. Blume (1998) 115 unten.

83

Vgl. Blume (1998) 117 mit Anm. 62 zu Text und Sprache dieser Passage.

84

Blume (1998) 118 macht treffend darauf aufmerksam, wie Menander das Er- scheinen der Hauptfiguren lange aufspart, um Spannung zu erregen.

85

V. 858 bis 866; hier ist Blume (1979) 120 oben besonders aufschlussreich.

86

Zu solchen Rede-Proben vgl. oben zu v. 517 ff.; s. auch Anm. 82.

87

Gut beschreibt dies Blume (1998) 150, Anm. 64.

88

Arnott folgt darin Gomme-Sandbach (1973) 62 f.

89

So sendet der Offizier im „Misumenos“ seinen Diener mit der Beute davon (v. 33 ff.), s. Arnott (1996) 262.

90

V. 458 ff.; Arnott (1979) 79, Anm. 1 warnt jedoch: Der Text sei nicht sicher her- zustellen.

91

V. 465 ff.; man erinnert sich an die Szenen nach Bobolinas Tod in dem Film „Sorbas, The Greek“.

92

V. 408; hier wie in Misumenos 615 erklingt die Formel „Ich halte dich!“

93

Gut Blume (1998) 159, Absatz 3 f.

94

Arnott (1996) 370; als Gesamtumfang nimmt er 1030 bis 1064 Verse an (S. 371). 95 Nach Arnott (1996) 419.

95

96

Arnott (1996) 456 nach Gomme-Sandbach.

97

Vgl. zur Textgeschichte Arnott (2000) 193 ff.

98

Zum Piratenunwesen damals Arnott (2000) 201, Anm. 10.

99

Zu diesen Möglichkeiten s. Arnott (1997) 7 ff.

100

In 176 ff. zitiert der Botenbericht Eur. Orest. 866 f.; Arnott (2000) 248–253 re- gistriert die Anklänge. Anmerkungen 139

101

102

Vgl. auch Plaut. Epid. 400 ff. Zu Malthakes sozialem Stand Arnott (2000) 209, Anm. 6.

103

V. 219 ff.; vgl. dazu u. a. E.-R. Schwinge, Gymnasium 78, 1971, 466.

104

Solche „Niederlagen“ scheinen in der Neuen Komödie öfter geschehen zu sein: Nachdem Getas bei Knemon (Dysk. 459 ff.) abgeblitzt, tadelt Sikon sein töl- pelhaftes Vorgehen und macht sich anheischig, es besser zu machen, doch es ergeht ihm genauso: 487 ff. Ähnlich muss Milphio im „Poenulus“ des Plautus (der auf den „Lehrer“ Menanders, auf Alexis, zurückgeht) in 1028 sich geschlagen geben (s. Maurach [1988] 149, 205).

105

Arnott (1975) 22 zeigt auch Beispiele für die Verknüpfungstechnik von Sze- nen durch Wortwiederholung.

106

Es mag sein, dass Menander zuweilen auch den Akt-Anfang hervorhob, vgl. Sik. 150 ff. (unerwartbares Thema einer lebhaften Diskussion), Sam. 96 ff. (Lob Athens), 617 ff. (Moschion will urplötzlich zu den Soldaten).

107

Vgl. oben Anm. 100.

108

Vgl. Blume (1976) 80 und 82 zum Stil. Arnott (1975) 25 weist auch auf die ge- naue Differenzierung der Sprechweisen einzelner Figuren hin: Menander macht standesbedingte Unterschiede. Zum Topos der Heimatbegrüßung (Sam. 101 ff.) vgl. auch Plaut. Stich. 649 f. und unten Anm. 112.

109

Vgl. Gomme-Sandbach (1973) im Kommentar zu Perik. 827 (Arnott [1996] 456 oben).

110

Maurach (1995), 220 ff.

111

So auch Arnott (1975) 24.

112

V. 96 ff.; so „chauvinistisch“, wie Arnott (2000) 9 und 33, Anm. 23 ihre Begrü- ßung der Heimat nennt, wird man die bewegten Worte nicht empfinden; vgl. Blume (1974) 35 und 49, Anm. 97.

113

Treffend spricht Zimmermann (1998) 235 ff. von den „Schwierigkeiten der menschlichen Kommunikation“ bei Menander. Bei solchen Überlegungen ist stets im Gedächtnis zu behalten, dass wir von Menanders Vorgängergeneration fast nichts mehr lesen, genauer gesprochen: Von der so genannten Mittleren Komödie. Arnott (1972) hebt als deren Kennzeichen, welche diese Dichter sowohl mit der Alten wie mit der Neuen Komödie verbinden, hervor: Schwinden der Chorpraxis (S. 68), Politisches ist reduziert (69); Handlungen nähern sich der Nea (Töchter um- schwärmt von mehreren Liebhabern; Säuglinge ohne gleich erkennbare Eltern, usw.: 68–70); Philosophisches und Tragisches wird gern parodiert (71); Mythen-Bur- lesken beliebt (71 ff.; daher der „Amphitruo“ des Plautus); Hetären-, Parasiten- und Kochrollen nehmen zu: 77.

114

Arnott (2000) 143 interpolierte wohl zu Unrecht ein personalisierendes „für mich“: „(It’s far the best, however) for me.“

115

Maurach (1968) 22 f.; akzeptiert z. B. von Flashar (1975) 434.

116

Testimonium 32, S. 7 in Körte (1953). Die Lebensnähe betont auch Arnott (1975) 23.

117

Vgl. Maurach, Geschichte der römischen Philosophie, 2. Aufl. Darmstadt Anmerkungen 140

118

Vgl. Wissowa (1912) 462. Zu Livius Andronicus bes. Leo (1913) 55 ff.; Knoche (1986) 65 f.

119

Diese Vermutung steht bei Knoche (1986) 65; zur Form des Titels Knoche 66 mit Anm. 9, sie findet sich bereits bei A. Klotz, Hermes 60, 1925, 320.

120

Ob Livius auch eine Komödie zur Aufführung brachte, ist nicht deutlich, vgl. Albrecht (1992) 92, Anm. 2 mit leiser Skepsis gegenüber der sehr späten Bezeu- gung.

121

D. Kienast, Augustus, 3. Aufl. Darmstadt 1999, 223, Anm. 65; eine Abbildung bei E. Simon, Augustus, München 1986, 15.

122

Zum Namen A. S. Gratwick, CQ 67, NS 23, 1973, 78 ff.; Maurach (1988), 31 f. 123 In: Studien zu Plautus’ „Cistellaria“ 385.

123

124

Gaiser (1972) 1979 ff. Dazu gehört auch der „Schwall griechischer Fremdwör- ter“ (Blänsdorf [1978] 107), die gewiss auch komisch wirkten, wie auch die Punica im „Poenulus“ (zu ihnen S. Faller, Studien zu Plautus’ „Poenulus“ 163 ff.).

125

Leo (1913) 139 ff.; Gaiser (1972) 1079.

126

Leo (1913) 370; Albrecht (1992) 82 f. mit Literatur. Ein Beispiel: Der Kuppler Ballio aus dem „Pseudolus“, v. 133–229.

127

Vgl. hierzu Arnott (1975) 35 f. zum Sklaven als „trickster“ und zur Kuppler- rolle.

128

Hierzu Deufert (2002) 293–329; hier wird der Ambrosianus A ins 5. Jh. datiert (294). Die Fülle der sprachlichen Varianten wird der letzten antiken Ausgabe, also dem 4./5. Jh. zugeschrieben.

129

Zu all diesen Dingen Leo (1912) 14 ff.; leichte Änderungen des dort entworfe- nen Bildes bei Deufert (2002).

130

Zu ihm aus neuerer Zeit R. Hanslik, RE 8 A, 206; H. D. Jocelyn, CQ 34, 1984, 464 ff.; 35, 1985, 149 ff., 466 ff.

131

Vgl. E. Woytek (1982) 11 und 58.

132

Woytek [1982] 224. Wie eine Variante aussieht, zeigt auch Bacch. 503. Dort ne illa illud hercle cum malo fecit suomalo fecit suo meomeo paradoxen Witzelei in 503 nicht sinnlos, wir haben es also mit einer echten Variante zu tun, die der Verfasser des Archetyps P in seinen Handschriften fand. Ein weite- rer Beleg: Poe. 214 f.

133

Zu deren altlateinischen Anfängen Lindsay (1907) 56 f.; HS 550.

134

Lindsay (1907) 1. Die Sprache des Plautus stellte A. Thierfelder ausführlich Rudens

135

Haffter (1934) 52 ff., 62 ff., 115 ff.; vgl. Happ (1967) 60 ff. Die Kunst plautini- scher Bilder untersuchte H. Marti, Untersuchungen zur dramatischen Technik bei Plautus und Terenz, Diss. Zürich 1959, 73 ff.

136

W. Stockert, Bemerkungen zur Figurenverteilung in der „Aristie des Periplec- tomenus“, WS 114, 2001, 157 ff. T. J. Moore scheint es, wenigstens „grosso modo“, gelungen zu sein, bestimmte Versmaße bestimmten Typen zuzuordnen, z. B. die Baccheen den Matronen (Studien zu Plautus’ „Cistellaria“ 319 ff.).

137

Wie sehr er seine Sprache über die Jahrzehnte seiner Tätigkeit hin änderte, ist Anmerkungen 141 kaum mehr feststellbar, da die Datierung der Stücke unsicher ist, vgl. Gaiser (1972) 1027; Schaaf (1977) 373; E. Woytek, WS 114, 2001, 119 ff.

138

Crusius-Rubenbauer (1955) 24 ff.; Drexler (1967) 49 ff. geben das Nötigste.

139

Der griechische jambische Trimeter besteht aus drei Metren, die im Falle der Tragödie im Inneren eine Kürze, in der Komödie Kürze oder zuweilen auch Dop- pelkürze aufweisen.

140

Dass Plautus wirklich der Verfasser der „Bacchides“ ist, scheinen die Verse 213 ff. klar zu machen, in denen der Verfasser sein Stück „Epidicus“ erwähnt (so Leo [1913] 94, 137; Fraenkel [1922] 119 und 250); neuerdings aber wurden Zweifel daran erhoben, ob diese Verse wirklich von Plautus und nicht von der Hand eines Späteren bei einer Wiederaufführung stammen, s. Zwierlein (1992) 203 ff., der mit seiner Skepsis nicht allein steht. Die Skepsis beruht darauf, dass man die Worte Pellio

141

Plautus hat alle Namen bis auf den des Erziehers Lydus geändert.

142

Barsby (1986) 94 vermutet eine Hausputz-Szene zu Beginn, dann einen Monolog des Pistoclerus, in dem er einiges aus der Vorgeschichte mitteilt, dann die Ankunft der Schwester aus Athen (auch der Diener oder Parasit des Offiziers könnte mit aufgetreten sein, um an den Kontrakt zu erinnern); vielleicht belauschte Pistoclerus diese Szene und erfuhr so, dass die Schwester die Geliebte des Freun- des ist.

143

Die Verse sind genau erklärt bei Maurach (1983) 109. Zwierlein (1992) 136 eliminiert die Verse 89 f., schneidet damit aber genau die Partie heraus, welche das Umschwenken des Pistoclerus motiviert. Der Leser möge selbst entscheiden, ob Zwierleins zweiter Absatz auf S. 138 oder meine Erklärung auf S. 109, Anm. 2, die Zwierlein nicht berücksichtigt, überzeugender ist.

144

Zur Willkommensmahlzeit Petersmann (1973) zu 470.

145

Zunächst antwortet er auf die Frage „Wohin gehst du?“ schnoddrig: „Da- hin!“; dann erklärt er auf die Frage, wer da wohne, spaßig: „Die Liebe, die Lust und das Scherzen und Kosen – wieso kennst du, ein Lehrer, die Götter nicht?“ Auf die Frage nach den hübschen Kleidern antwortet er, er müsse dem Festessen entspre- chen; dann macht er dem Alten klar, dass der Pädagoge bei dem Fest nichts zu amica den Mund halte, er ihn verprügeln werde. Auf den Protest des Lehrers hin folgt die endgültige Abfertigung: Aus Frechheit wird Vernichtung.

146

Überliefert ist der Name als „Chrysalus“ (von griechisch „chrysos“, Gold); Crusalus wie sich gleich zeigen wird.

147

Vgl. H.-P. Schönbeck (1981) 56.

148

Köstlich des Crusalus Weisheit 193 f.: „Die Geliebte ist des Liebenden Seele: Ist sie fern, ist er tot; ist sie da, ist das Geld weg, er aber verkommt und verarmt.“ Aceruns haben (198): Plautus fügt nur zu gern eine Anspielung an den ganz ungriechischen, Aceruns immo Ende weglaufen möchte (207 ff.), dürfte ebenfalls Plautus zuzuschreiben sein (wie die Vergleichsstelle Poen. 428 ff. nahe legt), vgl. aber Men. Perik. 514 ff. Anmerkungen 142

149

150

Diese im Plautustext, nicht im Attischen häufige Ausdrucksweisen („etwas ist nicht …, sondern …“), also Übersteigerung durch Vergleich mit Übermäßigem, hat Fraenkel (1922) 68 als plautinische Zutaten erwiesen. Es stimmt bedenklich, dass Lydus eigentlich von zwei Bacchis-Schwestern nichts wissen sollte (Primmer bei Zwierlein [1992] 166); es ist aber die Frage, ob der Plural hier nicht generell ge- meint sein könnte.

151

Die Zitate stammen aus Fraenkel (1922) 152, dem hier gefolgt wird.

152

Hierher gehört z. B. auch die Erwähnung der spezifisch römischen „samischen Töpferware“ in 199 ff. (zu ihr Marquardt [1886] 661).

153

Das Aussaugen ist eine Lieblingsmetapher des Plautus, wie Barsby (1986) zu 372 zeigt.

154

affectas was hier nicht recht passen will, wo man mit „bewirken“ rechnet), ein Ausdruck, der erst zweihundert Jahre später wieder auftaucht. Doch das Argumentieren mit Singularitäten ist mit Bedacht anzuwenden: Eine sprachliche Eigentümlichkeit allein reicht zur Tilgung meist nicht aus.

155

Anders Barsby (1986), der eher an „Ausführer von Listen“ zu denken scheint und an der plautinischen Verfasserschaft von 377–81 nicht zweifelt (Zwierlein [1992] 165 ff. tilgt sie).

156

Wir wollen hier die Tilgungen von Verspartien in III 3 durch Zwierlein (1992) 175–198 nicht verfolgen; wollen nur vor der von 463 warnen: Auf die Angriffe folgt jedes Mal ein Ungerührtsein des Vaters, bis auf den letzten Angriff, auf den er in der von Lydus gewünschten Weise antwortet. (Zwierlein begründet seine Tilgung von 463 mit einer sprachlichen Singularität, was kaum überzeugt.)

157

Genauer als so konnte Mnesilochus nicht sprechen, sonst hätte er sich selber als verliebt in eine Hetäre enthüllt, und sein „Entsetzen“, das Lydus so gut brau- chen konnte, wäre weitgehend entwertet.

158

So reagiert auch Sostratos bei Menander, Dis Ex. 100: „Irgendwie bin ich ja wütend auf ihn, aber andererseits glaube ich nicht, dass er die Schuld hat an dieser Untat.“

159

Das sind 506–511 (Zwierlein [1990] 31 und 34) und 519–525 (Zwierlein [1992] 253). Das Ende des plautinischen Mnesilochus-Monologs entspräche somit dem Monolog-Ende bei Menander v. 28 f. (in 29 b wendet Sostratos sich bereits dem in te ego hoc onus omne impono. Lyde, sequere hac me. .: sequor factum volo hatte im Gymnasium 101, 1994, 63, Anm. 5 Zweifel daran geäußert, ob Lydus nach Lyde, sequere hac me. . Sequor melius esset gleichen habe sagen können. Primmer (1984) 26 rechnet mit stummem Spiel, das meinen Einwand gegenstandslos mache (Zwierlein ist ihm gefolgt). Aber das stum- me Spiel bei Plautus sieht anders aus (M. Erren in: Plautus und die Tradition des Stegreifspiels Tübingen 1995, 219 ff.). Ich bin noch immer nicht sicher, ob die Pala- tini nicht doch Recht haben.

160

Wörtlich: „das ganze Haus seiner Lieben“. Anmerkungen 143

161

162

Zu v. 503 s. oben Anm. 132.

163

Vgl. dazu Zwierlein (1990) 31. Eine Parallele: Truc. 348.

164

Menanders Verse 100–102 („Na ja, der kann nicht soviel dafür, aber sie, die Freche …“) zieht Plautus von ihrem Sitz bei Menander nach vorn und rhetorisiert sie. Vgl. bereits Gaiser (1970) 57 f. („umständlicher, pompöser, pathetischer“ sei Plautus und er ziehe die Worte des menandrischen Jünglings in 505 „ins Lächer- liche“).

165

Vgl. Barsby (1986) 111 (3), der dort auch die spärlichen Hinweise auf fines- senreiche Diener in griechischen Fragmenten bespricht.

166

Der „Gott“ ist dann ausgerechnet der Sklave Crusalus. Diese Szenenführung (Notstand und Herzukommen einer Person, die für einen Ausweg sorgt), ist sicher- lich menandrisch, wie die Parallelen bei Terenz zeigen (Andr. 266 ff.; Ad. 208 ff.).

167

Man mag vermuten, dass er dies wegen der Art des Publikums tat. Zu Philo- xenus’ Entschuldigung seines Bedenkens wegen der Liebschaft des Sohnes („Als ich jung war, habe ich genau das auch getan, was jetzt die Jungs betreiben, aller- dings mit Maßen“: 1078) vgl. Epid. 389 ff.

168

Vgl. die Parallele in v. 536 f.: ebenso kurz hingeworfen wie Men. Dis Exap. 104. 169 Man muss sich vor Augen halten, „dass der Menanderpapyrus uns einen zu- fälligen Ausschnitt aus der Vorlage für den Abschnitt Bacch. 494–562 kenntlich ge- macht hat und wir zu dem Ergebnis kommen, dass innerhalb dieser 73 Verse 31 … Verse sitzen, die auch tatsächlich keine Entsprechung im griechischen Papyrustext haben“, Zwierlein (1992) 341.

169

170

Die plautinischen Versmaße sind bei Crusius-Rubenbauer (1951) nachzu- lesen. Zu den schwierigen Anapästen S. Boldrini, Gli anapesti di Plauto, Urbino 1984. Wie Plautus griechische Szenen in Normal-Versmaßen zu Cantica machte, lehren z. B. „Poenulus“ (Maurach [1988] 76) und „Cistellaria“ ( Blänsdorf [2004] 297, 303).

171

Zum Begriff des Canticum s. Drexler (1967) 71.

172

Seit nunmehr zwei Jahrhunderten wird hieran gearbeitet, das vorläufige End- ergebnis liegt in Cesare Questas monumentaler Cantica-Edition vor (Questa [1995]; eine wichtige Vorarbeit war die von Ludwig Braun, s. Literaturverzeichnis). Unklar sind auch heute noch manche trochäische und anapästische „Systeme“, das heißt eine (bislang) noch ungeschiedene Abfolge einer Fülle von Anapästen und Trochäen ohne deutliche Einschnitte.

173

Fraenkel (1922) 324. Vorgetragen muss man sich solche Szenen in der Weise denken, dass ein Sänger den Text zu Flötenbegleitung sang (und wohl auch mit mi- mischem Spiel begleitete), die Schauspieler dabei nur mimisch spielten, nicht spra- chen oder sangen.

174

Verfehlt Drexler (1967) 67 ff., wo Fraenkels Buch seltsamerweise nicht ge- nannt wird.

175

Albrecht (1992) 155; Maurach (1964) 80 f.

176

Drexler (1967) 76; Maurach (1964) 15–17 sind die Klauseln genannt und be- Anmerkungen 144 schrieben. Über das so genannte Colon Reizianum gibt es Monographien: Maurach (1963) 227 ff.; C. Questa, Il Reiziano ritrovato, Genua 1982 (man beachte aber meine Rezension in Gnomon 56, 1984, 272 f.).

177

Contaminare 187 ff.; weitere Literatur bei Albrecht (1992) 141, Anm. 2; Schaaf (1972) 11, Anm. 5; Blänsdorf (1978) 161 f.

178

Genaueres bei Maurach (1988) 215 f.; Schaaf 22 ff.

179

So besonders W.-H. Friedrich, Euripides und Diphilos, Zetemata 5, München 1953. Eine Variation bietet E. Lefèvre (2004) 14 ff. an, indem er glaubhaft zu ma- chen sucht, dass beide Intrigen des „Poenulus“ von Plautus’ Hand stammen, aller- dings beide Intrigen nach griechisch-römischem Muster (dazu unten).

180

Gaiser (1972) 1058; Albrecht (1992) 141.

181

Vgl. die genaueren Argumente bei Schaaf (1977) 97 ff.; dazu Zwierlein (1991) 60 f.

182

Man wird ihm die schicke junge „Ehefrau“ des Periplectomenus anbieten. Zu dessen Art zu sprechen W. Stockert, WS 114, 2001, 157 ff. (s. oben Anm. 136).

183

Noch einmal sucht Milphio, sich in den Vordergrund zu bringen: Er und kein anderer habe doch das glückliche Ende bewirkt, wird aber 1149 ff. abgefertigt, vgl. Maurach (1988) 206.

184

Die Literaturhinweise bei Maurach (1988) 215 f.; Zwierlein (1990) 138 f.

185

Vgl. Zwierlein (1990) 141 f. Seltsam bleibt immerhin das Futur in 817: Der schlaue Diener will nachsehen, wie sich wohl seine Intrige entwickeln werde, wo sie doch eben glücklich abgeschlossen worden war; s. aber J. P. Enk bei Maurach (1988) 217 unten: Es ist Feiertag, verhandelt wird vor Gericht, was eben abgelaufen war, erst „morgen“. Aber will Milphio wohl „heute“ nachsehen, was „morgen“ erst geschieht?

186

Die Anstöße, dass die Frauen in der Szene 1, 2 eher als Hetären gezeichnet werden, sonst aber als ehrbare Jungfern (Fraenkel [1922] 270 ff.) dargestellt sind, und dass die Intrige so früh beginnt wie in keinem anderen der bekannten Stücke des Plautus (Maurach [1988] 186 nennt die Literatur), versucht Zwierlein (1990) 146–52 zu entkräften, allerdings mit nicht sehr großer Überzeugungskraft, wie es scheint.

187

Maurach (1988) 218.

188

Man verweist gern, um die Einarbeitung einer fremden Szene unglaubwürdig zu machen, darauf hin, wie gut Motive des für eingearbeitet gehaltenen Abschnittes in die Umgebung passen. Das aber ist kein gutes Argument, denn selbstverständ- lich war der Einarbeiter darauf bedacht, sein hereingenommenes Stück in die Um- gebung möglichst glatt einzufügen. Aber es ist eben die Frage, ob ihm dies überall und mit jedem Detail gelungen sei.

189

Lefèvre hätte sich nicht mehrfach auf Verse der Schlusspartie berufen sollen (z. B. 17 und 19), denn dort ist wohl kaum etwas von Plautus selbst geschrieben. Dass die juristischen Kniffe, welche Milphio in Gang setzt, in der Wirklichkeit nie gefruchtet hätten, darf man dem Stückeschreiber nicht anlasten, ist hier doch „alles Spiel“, wie Lefèvre 45 richtig sagt.

190

Man nimmt heute an (Gaiser [1970] 1048 f.), dass Plautus einige der originalen Prologe kürzte, andere erweiterte, manche ganz fortließ, das heißt sehr frei mit

191

Lowe stützt sich hier auf Ergebnisse A. S. Gratwicks (zuletzt Cambridge Historly of Classical Literature II, Cambridge 1982, 98 ff.). Dass Plautus Personen hinzufügte und gar die Zahl der Bühnenhäuser vergrößerte, weisen Lowe und Za- gagi in den „Studien zu Plautus’ Cistellaria“ 93 bzw. 181 nach.

192

Eur. Hipp. 1434; vgl. Orestes 418; näher noch Plaut. Rud. 593 und Merc. 225; Cap. 22.

193

So wird das Stück im Prolog 59 genannt, dazu J. Schmidt, Euripides’ Verhält- nis zu Komik und Komödie, Grimma 1905, 16.

194

Der Witz an diesem gravitätischen Schlachtbericht (Canticum und Langvers- vortrag von 152–247) ist, dass Sosias gar nicht dabei war: In 428–30 muss er zuge- ben, dass er während der Schlacht sich im Zelt ein Räuschlein angetrunken und es dort ausgeschlafen habe. Und überhaupt tritt er als Angsthase auf, der sich vor den tres viri

195

Die Textkritik und die Versmaße bitte ich in meinem Aufsatz „Plautus, Amph. 633–653“ in Würzburger Jahrbücher 14, 1988,139–150 nachzulesen; dort auch eine ausführliche Kommentierung, die zu benutzen dem jüngsten, enttäuschenden Kom- mentar von D. M. Christenson (2001) gut getan hätte; enttäuscht ist man insbeson- dere von den peinlichen Versuchen, in „Alcumenas würdevolle Herbheit“ (Tränkle [1983] 219) nach Vorgang anderer gleichen Geschmackes „sexual insatiability“ hineinzulesen (zu 648–53).

196

In 60 b 8 f., vgl. Philebos 48 a 9; vgl. z. B. Pindar, Olympien 2, 35 ff.; Pythien 3, 81 f.; Enk zu Plaut. Merc. 145; Corneille, Cid 3, 5, 1, usw. R. Oniga, Struttura e fun- zioni dei cantica nell’ Amphitruo, in: Lecturae Plautinae Sarsinates 1, Urbino 1998 nennt auf S. 41 den Ton der Arie treffend „serietà perfettamente tragica“ und weist auf Lucr. 4, 1133 ff. Befremdend, dass Oniga nicht meinen ausführlichen Aufsatz kannte.

197

Victor belli Krieges“ (s. Maurach a. O. 144, § 15), legt implizit den Gedanken an ein Ende des virtus Acta Class. Debrec. 20, 1984, 11 ff.

198

Diese zweite Absicht habe Plautus ihm angedichtet, meinte Tränkle (1983) virtus rach (1997) 22 ff.

199

Er heißt „Blepharo“ (griechisch „Braue“, vgl. Christenson [2001] 301), was an das Auge denken lässt, aber er blickt nicht durch: Ein ergötzlicher Name also. Zu dem „Hafen von Theben“ Z. Stewart, HSPh 100, 2000, 293 ff.

200

Eine genaue Rekonstruktion bei Tränkle (1983) 232 ff., die Christenson (2001) weitgehend akzeptiert (S. 13 und genauer 298 ff.)

201

Burkert (1977) 324.

202

Auf diese Angabe ist Verlass, auch wenn R. Hunter, Philemon, Plautus and Trinummus, Mus. Helv. 37,1980, 224 die Verse 18–21 für nachplautinisch hält. E. Le- fèvre hat dem Trinummus sein Buch „Plautus und Philemon“ (Tübingen 1995) ge- Anmerkungen 146 widmet, allerdings in der Absicht, dem Römer eine möglichst große Unabhängig- keit von dem griechischen Stück nachzuweisen, eine Originalität, die weitgehend vom Stegreifspiel bestimmt sei; nicht alle haben ihm das geglaubt (N. Zagagi, Gno- mon 73, 2001, 17 ff.).

203

Diese Szene 301 ff. ist mehrfach behandelt worden, vgl. die bei Maurach (1987) 299, Anm. 1 zitierte Literatur, insbes. hat E. Fantham (1977) 406 ff. aus dem Stück des Plautus Einblicke in das Original zu gewinnen versucht. Dabei bleibt die schriftstellerische Leistung des Römers doch zu sehr im Hintergrund.

204

V. 322 ist unecht. Es ist aber kein absurdes Unterfangen, Verszahl-Entspre- chungen aufzusuchen, wie es z. B. in der Erstauflage meines Poenulus-Kommentars (Heidelberg 1975) oder bei P. Kruschwitz, Philologus 145, 2001, 312 ff. (zu Terenz) geschah, denn für die alten Dramatiker war derlei eine Möglichkeit, sich der schier unerreichbaren Originale wenigstens formal zu bemächtigen.

205

Comitas comitas Szene Fantham (1977) 413; in 356 bedeutet das Wort die Großzügigkeit anderen gegenüber.

206

Die Kommentatoren verweisen auf Menander, Frg. 14 Körte.

207

Benevolentibus gratia beneficium

208

Vgl. Maurach (1987) 302, Anm. 12; ders. (1997) 11.

209

Vielleicht ist Folgendes nur Zufall: „Nach 21 Versen eines allgemein gehalte- nen Meinungsaustausches wird der Wunsch des Lysiteles in 68 Versen erörtert: in 34 Versen anonym und in eben so vielen mit Namenskenntnis“, wobei das grund- sätzliche Zugeständnis in 357 gliedert. In dem zweiten Teil „nimmt die Diskussion um die Person des Freundes 11 Verse ein, die um die Gabe eben so viele (369–379)“. Wenn man diese Zahlenentsprechung und die des Anfangs (313–323: 5 + 5) nicht dem Zufall zurechnet, wird man auch hieraus auf Sorgfalt schließen (vgl. ferner Anm. 204).

210

Eine vergleichbare Umkehrung des üblichen Vater-Sohn-Verhältnisses liegt im Mercator des Plautus vor (B. Dunsch in: Gymnasium am Kaiserdom Speyer, Chronik Schuljahr 2003/2004, 28).

211

Im Folgenden wird es darum gehen, dass der reiche Freund dem gebeutelten seine Hilfe geradezu aufdrängen muss; der Trinummus ist übrigens die einzige Komödie des Plautus, in der Freunde gleichsam in Opposition zueinander stehen (R. Raccanelli, L’amicitia nelle commedie di Plauto, Bari 1998, 109; auch Riemer [1996] 34 nennt dies Stück ein Freundschaftsdrama).

212

Der Abgang 583–90, den man einen „unendlichen“ zu nennen versucht, ist (zehnfaches „Nun geh schon!“) ähnelt Poe. 428 ff. Eine menandrische Parallele „Perikeiromene“ 514 ff.

213

Dass ein Betrüger sich ausgerechnet an den Einzigen wendet, der sich aus- kennt, ist eine Spielform, die auch im Poenulus vorkommt, wo Milpio sich mit sei- nem Intrigenplan ausgerechnet an den Vater der beiden Mädchen wendet, um die es geht. Eine griechische Vergleichsstelle oben Anm. 101.

214

So nach D. C. Earl, Political Terminology in Plautus, Historia 9, 1960, 235 ff. Anmerkungen 147

215

216

Eine Auswahl: J. Marouzeau (1947) 8 ff.; H. Haffter, Terenz und seine künst- lerische Eigenart (Mus. Helv. 10, 1953, 1 ff., 73 ff.), Sonderausgabe Darmstadt 1967; K. Büchner (1974) 11 ff.; H. Juhnke (1978) 230 ff.; J. Barsby (1999) 1 ff., wo in Anm. 1 englische Literatur genannt ist; E. Lefèvre (2002) 236 ff.; P. Kruschwitz (2004) 9 ff.

217

Zur Sprache: Haffter (1967) 14 ff.; bes. A. Thierfelder (1960) 26 ff.; Barsby (1999) 19 ff.; Bagordo (2001) 17 ff.; Kruschwitz (2004) 181 ff.; Karakasis 21 ff. Zur Metrik Drexler (1967) 31 ff.; Haffter (1967) 14; Barsby (1999) 27 ff.; Kruschwitz (2004) 185 ff.

218

Zum so genannten „Scipionenkreis“ als vermutbarer Förderergruppe vgl. jetzt Bagordo (2001) 17 mit Anm. 36, der sich skeptisch äußert; ähnlich Kruschwitz (2004) 16. Zum Leben des Terenz bes. W. Beare, The Life of Terence, Hermathena 59, 1942, 20 ff.

219

Die Chronologie seiner Dramen ist durch die in den Handschriften vor jeder Komödie stehenden Didaskalien (Aufführungsnotizen aus Akten: Kruschwitz [2004] 168) festgelegt: „Andria“ 166 v. Chr.; „Hecyra“ (erster Aufführungsversuch) 165; „Heautontimoroumenos“ 163; „Eunuchus“ und „Phormio“ 161; „Adelphoe“ und „Hecyra“ (geglückte Aufführung) 160 v. Chr.

220

Schon Haffter (1967) 11 hatte davon gesprochen; J. Marouzeau (REL 36, 1958, 195 ff.) hatte Beispiele genannt, ich habe einige dazugefügt (Acta Classica 15, 1972, 55, Anm. 11 a). Wenn derlei in der „Hecyra“ noch erscheint, dann wird sie nicht „umgeschrieben“ sein, wie Kruschwitz (2004) 117 meint.

221

Haffter (1967) 42; P. Miniconi REL 36, 1958, 159 ff. Zum Unterschied der plauti- nischen von der terenzischen Sprache auch H. N. Parker, AJPh 117, 1996, 604 ff.

222

Es geht da um die so genannte „Kontamination“ (And. 16), das heißt um die Zufügung von Figuren und Handlungselementen aus anderen Originalen zum Ge- füge des jeweiligen Originals (Büchner [1974] 15 ff.; Kruschwitz [2004] 179 f.),wel- che ein gewisser Luscius Lanuvinus (Haffter [1967] 21 ff.; Kruschwitz [2004] 72 f.) ihm verdachte. Dass Terenz derlei in seinen Prologen besprach, zeigt, dass inzwi- schen ein Publikumsinteresse an literarischen Fragen entstanden war, von dem man bei Plautus noch nichts hört.

223

Zu den mythologischen Kenntnissen bei Autor und Publikum zur Zeit des Plautus s. Fraenkel (1922) 31, 83, 90 ff.

224

G. Maurach, Literaturwitze bei Terenz, Festschrift A. Weische, Wiesbaden 1997, 299 ff.

225

G. Jachmann, Geschichte des Terenztextes im Altertum, Basel 1924; Kritik bei C. Dodwell, Anglo-Saxon Gestures and the Roman Stage, Cambridge 2000, 93.

226

P. Fehl, Die interpolierte Rezension des Terenztextes, Diss. Köln 1938.

227

Vgl. W. Beare, The Roman Stage, 3. Aufl. London 1964, 184 ff., der sich im Gegensatz z. B. zu Dziatzko-Hauler (1913) 41, Anm. 4 für die Verwendung von Masken vom Anfang der Palliata an ausspricht. Kruschwitz (20004) 170 f. hält die Frage für „letztlich unbeantwortet“, setzt sich aber nicht mit meiner Untersuchung im Gnomon 36, 1964, 578, Anm. 3 auseinander, die W.-W. Ehlers (1998) 191, Anm. 44 nicht ohne Zustimmung zitiert. Anmerkungen 148

228

229

Besprochen bei Marouzeau (1947) 49 f., gesammelt bereits von Fr. Leo, Ana- lecta Plautina II (1898), jetzt in: Kleine Schriften, hrsg. von Ed. Fraenkel, Bd. 1, Rom 1960, 125 ff.

230

KS 2, 2; 508, d.

231

Terenz liebt dieses affektanzeigende Abbrechen, vgl. allein in der „Andria“ 149, 300, 344, 469, 711, usw.

232

Der Ausdruck aus Fraenkels (1922) Überschrift des Kap. 2; zum Mercator- Vers dort 395.

233

Leo (1912) 2, Anm. 2 hatte echte Hiate bei Terenz gleugnet, A. Klotz, Hermes 60, 1925, 317 ff. hatte die wenigen glaubhaften zu sichern gesucht (328, 337). An den Hiaten in Phorm 525, 715, 882 z. B. wird wohl niemand zweifeln wollen.

234

Das Wort über Plautus in: Fragmenta Poetarum Latinorum, ed. W. Morel S. 32. Zu Caecilius s. das Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, Bd. 1, Mün- chen 2002, 23.

235

Zu Didaskalien und Periochae s. Kruschwitz (2004) 167 f.

236

Terenz hat gegenüber Plautus sehr viel mehr solcher „Prósopa protatiká“, s. P. Riemer (1996) 105.

237

Zur Spielform der Selbstermutigung Fraenkel (1922) 245; Oppermann (1973) 314, Anm. 10 f.

238

primum ad haec mala glatte Abfolge, denn dazwischen wechseln ja die Bezugspersonen. Aber immerhin versuchte Büchner eine Abmilderung der analytischen Kritik (vgl. Oppermann [1973] 315 f.; Kruschwitz [2004] 30, Anm. 22).

239

Schon hier sei darauf hingewiesen, dass Davus in 401 über die Eröffnung sei- tens des Pamphilus, er werde das Kind annehmen, erschrocken ist: Wie kann er das, wenn er in 224 bereits derlei gehört hat? Dazu Lefèvre (1971) 25 ff., 32: Die Unge- reimtheit rührt, so Lefèvre nach Oppermann, daher, dass Terenz Teile des exponie- renden Prologs, den das Original hatte, ins Stück einarbeitete.

240

Terenz meint damit nicht, dass die Andrierin der Schwester den Pamphilus „zum Ehemann“ gab, was sie ja gar nicht konnte: Lefèvre (1971) 30.

241

Solches Sich-Verlassen auf den Zufall lesen wir auch in 314 (dort erhofft Cha- rinus derartiges) und schon bei Plautus (Bacch. 638; Poen. 972).

242

Charinus ist keineswegs sicher, dass alles glatt verläuft, von einem „fröhlichen Abgang“ (Büchner [1973] 69) kann angesichts des Misstrauens in 374 keine Rede sein. Darum schickt er ja den Byrria los.

243

Veterator Lateins, füge zu OLD noch Cic. Brut. 178.

244

So „verrückt“ könne sein Pamphilus, der bisher stets gemäßigt und auf guten Ruf bedacht war (59, 444, vgl. 881), gar nicht sein (Oppermann 326). Anmerkungen 149

245

246

oc- op-(time) geschickten Hiat.

247

Solches „irgend“ findet sich auch in Plaut. Bacch. 638; Poen. 973, bei Terenz Andr. 314 und 398: Ein Verlass auf die Tyche, wie er wohl oft ausgesprochen wurde (s. Anm. 241).

248

Dies ist der Grund für sein Plappern über Markt und Preise (744 ff.), nicht „um seine Unsicherheit zu überspielen“ (Kruschwitz [2004] 40); richtig Büchner (1974) 97.

249

Die Akt-Einteilung ist in „Andria“ und „Hecyra“ undeutlich, erst in den „Adelphoe“ klarer (Büchner [1974] 42 f.; Kruschwitz (2004) 172 f., besonders Lowe (z. B. in: Studien zu Plautus’ „Cistellaria“ 89 ff.).

250

Klar und deutlich hierzu H. Oppermann (1934) 276.

251

Eine erregte Szene, Simo glaubt noch immer an ein abgekartetes Spiel (925); aber Chremes wird hellhörig. Hübsch, wie da in der Erregung simultan gesprochen wird.

252

Da seine Werbung von Terenz nicht ausführlich dargestellt ward, erweiterte jemand bereits in der Antike den terenzischen Schluss nach 976 (O. Skutsch, Rhein. Mus. 100, 1957, 53 ff.; Shipp [1960] 198; Kruschwitz [2004] 43, Anm. 61).

253

Zu Spuren der Umdichtung, aufgefunden aufgrund von Menander-Fragmen- ten, vgl. Oppermann (1973) 319, Anm. 25; 325, Anm. 32; 328, Anm. 38 und 341. Die Fragmente bei Körte 25–29. Literatur zu Sinn und Zweck der terenzischen „An- dria“ bei Kruschwitz (2004) 45, Anm. 64.

254

Oppermann (1973) 313–322 glaubte nach Vorgang von T. Frank (s. Kruschwitz 30, Anm. 22), dass die Verse 215–224 Teile des menandrischen Expositionsprologs enthalten, den Terenz zu Gunsten seines literaturkritischen Vorspruches eliminiert habe. Lefèvre (1971) 22 war ihm darin (mit vielen anderen) gefolgt, K. Büchner (1974) 48 ff. hatte widersprochen, und in der Tat konnte er mehrere Argumente Op- permanns abschwächen. Doch auch seine Gegenargumente sind nicht immer stich- haltig. Die Freibürtigkeit ist kein sicheres Wissen der beiden Liebenden, sondern die Vermutung Glyceriums bedarf des Beweises, und den liefert dann Crito (so ge- sehen, rechnen die Formulierungen Lefèvres auf S. 26, Abs. 3 mit einem zu hohen Grad von Wissenssicherheit). Zudem hat Davus in 219 vom Beschluss der Kindes- anerkennung vernommen, ist in 401 aber erstaunt darüber: Ein Widerspruch, der auf Einarbeitung dieses Beschlusses aus dem Prolog in die Szene I 3 deutet.

255

Seltsam, dass er Davus gegenüber Misstrauen hegt, obschon er in 190 von ihm „gefordert, ja wenn’s recht ist, ihn gar angefleht“ hatte, den Sohn auf den richtigen Weg zu lenken.

256

Zu Recht betont Oppermann (1973) 332 die Bedeutung dieser Worte stark. 257 Den v. 529 in diesem Sinne auszulegen (Büchner 81 unten), überfordert den Text aufs deutlichste.

257

258

Dazu Kruschwitz (2004) 10 mit Anm. 10.

259

Zu ihnen E. Meyer, Römischer Staat und Staatsgedanke, Darmstadt 1961, 171 f.; Kruschwitz (2004) 23. Anmerkungen 150

260

261

Eine ziemlich vollständige Liste der Literatur hierzu bei Maurach (1997) 299, Anm. 2; vgl. Ludwig (1973) 354, Anm. 2 f.

262

Quid igitur faciam? zung aus Menanders „Eunuchos“ durch Donat bezeugt (Frg. 161 Körte). Ferner haben Cicero, Horaz und Persius die erste Szene mehr oder minder ausführlich verwendet (Büchner [1974] 232; Maurach [1981] 123 ff.). Vgl. auch F. Leo (1908) 94 ff. zum Monolog-Typus. Horaz hat den Beginn der Szene 1,1 in Sat. 2, 3, 260 ff. eingearbeitet; zur Umsetzung von Sprechversen in Hexameter vgl. auch W. Clausen zu Verg. Buc. 3, 49 (S. 104 oben); Hor. Ep. 1, 19, 41, wozu Festschrift für O. Skutsch, Vir Bonus Discendi Peritus, London 1988, 168 zu vergleichen wäre.

263

Das Folgende ist eine gekürzte Fassung meines Aufsatzes von 1981.

264

non

265

In v. 50 spricht nicht der Diener Parmeno, wie die schlechtere Überlieferung nahe legt und wie manche Ausgaben drucken, sondern Phaedria; das ist in Maurach (1981) 133 nachgewiesen.

266

Die mehrfache Aposiopese gibt dem Schauspieler gute Möglichkeit, sein Können zu zeigen; zur Aposiopese allgemein Haffter (1967) 41.

267

Zu Hass und Liebe vgl. u. a. W. Krolls Kommentar zu Catull c. 51 und 85; zu prudens sciens vivos vidensque

268

Mehrere Parallelen bei Maurach (1981) 134 (Epicharm, Aristoteles, Seneca). Zur Echtheit von Hor. Ep. 1, 19, 48 f. s. Maurach, Horaz, Heidelberg 2001, 375, Anm. 241.

269

Maurach (1981) 135, Anm. 39.

270

Der Diener gefällt sich in militärischen Metaphern, z. B. Barsby zu 74; bereits in v. 61 hatte er von „Krieg und Frieden“ gesprochen. Auch in v. 53 findet sich eine Kriegsmetapher, hier aber schwankt die Zuweisung an einen Sprecher: Ludwig [1973] 391, Anm. 87 und Büchner [1974] 236 geben 50 ff. dem Diener, andere, so zu- letzt Barsby, dem Phaedria; vgl. Anm. 265.

271

Maurach (1981) 128–132.

272

hospes miles immer bewusst gewesen, s. Büchner (1974) 237.

273

Man hat sich gefragt, ob dies nachgelieferte Detail und auch der Umstand, dass später eine Amme zur Identifizierung des Mädchens nötig sein wird (807), bei Menander nicht im Prolog gestanden habe (aus neuerer Zeit: Büchner 241 f.; Kruschwitz 74, Anm. 16; Barsby 100 oben). Im J. 1971 entschied auch Ludwig (1973) 404 sich in einem Nachtrag auf Anregung von W. G. Arnott wohl zu Recht für einen Götterprolog.

274

Ich weiß nicht, wem es aufgefallen ist, dass die Sektenbezeichnung „Plato- PlatoniciGnathonici spielt, wahrscheinlich (vgl. die Lexica) erst nach Menander aufkam, dass der Witz Gnathos also nicht menandrisch sein kann, also terenzisch sein könnte, woraus sich ergäbe, dass dieser Szenenteil von dem Römer erfunden wurde.

275

Wenn man sich erinnert, dass Terenz zugab (Prolog 30 f.), aus Menanders „Kolax“ die Figuren des Parasiten und des Soldaten in Menanders „Eunuchos“

276

Ludwig (1973) 359, Anm. 12 nennt vergleichbare Verkleidungen aus alter und neuerer Dramatik. Im „Dyskolos“ Menanders (366 f.) geht es nicht ganz an- ders zu.

277

Von ruhigeren iambischen Oktonaren springt das Versmaß zu einem trochäi- schen Langvers, dann wieder zurück zu den Jamben – wenn man in 376 den Hand- dixti dixisti Vers jambisch lesen zu können: Man vermisst eine Untersuchung des Umspringens der Metra.

278

Er will sich mit seinem Streich an den Dirnen rächen, die er allesamt für schlecht ansieht: Er wird sich belehren lassen müssen.

279

Sie ist genau untersucht von Maurach (1997) 299; Kruschwitz (2004) 79, Anm. 29 bezeichnet diese Arbeit als „geistreich“, enthält sich aber des Urteils da- rüber, ob sie trifft oder fehlgeht.

280

Zur Frage, ob auch bei Menander der Diener der jungen Männer beim Zwie- gespräch zwischen dem Rivalen und seinem Begleiter zugegen war, s. Knoche (1936) 166 ff. Man kann sagen, dass Terenz hier geändert hat, da sich in III 1 vier sprechende Personen auf der Bühne befinden, was Menander strikt meidet.

281

evomeret Oxford 1985, 456 vermutlich weniger anstößig war, als wenn wir es mit „auskotzen“ wörtlich übersetzen würden: Gnatho kannte den Ennius-Vers, aber auch nicht ganz genau.

282

Stellennachweis bei Maurach (1997) 303, Anm. 33. Ich habe versucht, den Witz hier mittels der Hasenpastete wiederzugeben.

283

Frg. 3 bei Arnott (1996) 188 f.

284

Eine scharfsinnige Erklärung bei Büchner (1974) 258 oben, wo er das Frag- ment nicht in Eun. 498 einordnet, wie es gemeinhin geschah.

285

Man sollte, wenn man die beiden Thraso-Figuren gegeneinander stellt (s. Büchner [1974] 260 dazu), nicht vergessen, dass der Mann in 391 sich sichtlich darüber freute, dass Thais ihm Dank wisse und froh sei über die Gabe: Vielleicht hat Terenz hier ausgeglichen.

286

Ludwig (1973) 394, Anm. 90 hält sie für eine Zutat des Terenz, eine sehr wahr- scheinliche Vermutung.

287

So schrieb Büchner (1974) 262, bei Menander habe der Soldat „eine dienende Hand“ bei sich gehabt; ähnlich Ludwig (1973) 387. Die Verse 494–8 hat Terenz aus dem „Kolax“ hier „eingelegt“ in den „Eunuchus“-Kontext, dem er sonst folgte, meinte auch Ludwig (1973) 395, Anm. 92 nach Knoche (1936) 155; Büchner (1974) 258 f.

288

Donat bezeugt, dass Terenz die Antipho-Figur herzuerfunden habe; Ludwig (1973) 396, Anm. 93 hatte die Gestalt Menander zugewiesen, andere widerspra- chen, Ludwig selbst folgt in seinem Nachtrag (S. 405) Fraenkel, Mus. Helv. 25, 1968, 35 ff., der Antipho überzeugend für Menander in Anspruch nahm. Anmerkungen 152

289

290

Ausführlicher Kommentar bei Barsby (1999) 195. Zu Tafelbildern in der An- tike s. W. Ehlich, Altertum 4, 12958, bes. 8 f.; jüngste Literatur bei I. Scheibler in: Epitymbion Gerhard Neumann, Athen 2003, 187 ff. (Hinweis von M. Söldner).

291

Knoche (1938) 55 hatte das „Gold“ aus 627 falsch als Erkennungszeichen ge- deutet und darauf seine Rekonstruktion des menandrischen Zusammenhanges auf- gebaut; Ludwig (1973) 367 hat das berichtigt.

292

Certe extrema linea amare haud nihil est Donat spricht von den fünf Graden des Liebens (vom Sehen bis zum Koitus), s. Barsbys Kommentar; Seneca in ep. 49, 4 legt nahe, an die Striche am Ende einer ultima extrema die am weitesten vom Zielstrich entfernte).

293

Zur Bedeutung von 727 s. Ludwig (1973) 369 mit Anm. 25, der frühere Fehl- interpretationen berichtigt.

294

Sine Cerere et Libero friget Venus deor. 2, 60; G. Radke, Gymnasium 58, 1951, 72, ein Thema, das im 17. Jh. in Gemäl- den reich aufblüht, bei N.-N. Cuypel z. B., besonders aber bei Rubens (M. Jaffé, Catalogo Completo Rubens, Mailand 1989, S. 184, Nr. 191).

295

Dass Thais später als Chremes kommt, der früher gegangen war (733), ist viel- fach als Zeichen der Kontamination gewertet worden, s. Kruschwitz (2004) 84, Anm. 46. Ludwig (1973) 371 verkennt die Schwierigkeit nicht, verweist sie jedoch ins Gebiet der hinterszenischen Dinge, die in der antiken Komödie nicht exakt motiviert werden.

296

Auch dieser Vers wurde zum Hebel in der Kontaminationsdestruktion, doch hat auch hier Ludwig (1973) Klarheit geschaffen (372 ff.).

297

Seltsam das frühe Auftauchen der Gnorismata (767), die dann gleich wieder für längere Zeit in Vergessenheit geraten (s. Ludwig 382, Anm. 64). Zum Charakter des Chremes, den die Kontaminationsforschung gern als rissig betrachtete, vgl. Büchner (1974) 286: In 783 war Chremes noch voller Bedenken, in 797 attackiert er ne metuas wandel bewirkt oder der unachtsame Terenz beim Übergang von einer Vorlage in die andere?

298

Im „Eunuchos“ Menanders war Phaedrias Rivale wahrscheinlich ebenfalls ein Soldat, nur ohne witzigen Parasiten (s. Anm. 287). Auch dort wurde Thais wohl Gewalt angedroht (Ludwig 389), aber womöglich nur mit einem Gerichtsverfahren, was Knoche angenommen hatte und worauf die juristischen Termini deuten kön- nen, z. B. 809.

299

Auch dies eine feste Spielform der Komödie, vgl. Plaut. Men. 753 f. und Poen. 504 ff. (Maurach [1988] 192 f.; T. B. L. Webster, Studies in Menander, 2. Aufl. Man- chester 1960, 112); Andria 731.

300

Die Handschriften bieten in 921 f. ein Hinein und wieder Hinaus aus dem Hause der Pythias, was Knoche (1938) 76, Anm. 4 durch Tilgung der Verse beseiti- gen wollte. Die neueren Editoren sind ihm nicht gefolgt, Barsby begnügt sich mit der Feststellung einer Unklarheit. Nur A. Thierfelder in der Reclam-Übersetzung beherzigte Knoches Tilgung. Die Verse scheinen zumindest verdächtig. Anmerkungen 153

301

302

Maurach [1988] 197, § 50; oben Anm. 18.

303

Vgl. Kruschwitz (2004) 91, Anm. 63, wo viel Literatur genannt, aber nicht geurteilt wird.

304

Ph. W. Harsh, AJPh 58, 1937, 285 (dazu Ludwig [1973] 402, Anm. 109).

305

The Last Scene of Terence’s Eunuchus, CW 65, 1971/2 141 ff.; Kurzreferat bei Kruschwitz (2004) 93–95.

306

Kluge Bemerkungen hierzu bei Juhnke (1978) 285–290, besonders wichtig 289 mit A. 363: „Nirgends ein Wort des Leidens oder auch bloß der Unzufriedenheit mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit.“

307

The Theme of Planlessness in Terence’s Eunuchus, TAPhA 105, 1975, 297 ff. 308 Maurach (1981) 138; in Anm. 48 wird Saylors Auffassung korrigiert.

308

309

Man kann gewiss mit Karl Büchner (1974, 306) meinen, der „Schlussakkord“ des Stückes sei „leider nicht ganz rein“, weil Thais „verschachert“ werde; aber viel- leicht ist dies zu modern gedacht. Thais erreicht, was sie als Hetäre erreichen woll- te, und die Frage, die hinter Büchners Eindruck steht, ob diese prachtvolle Gestalt nicht Besseres verdient habe, geht über die Grundgegebenheiten des Dramas hi- naus und damit zu weit.

310

Die Didaskalie belehrt uns, dass diese Komödie zu Ehren des verstorbenen L. Aemilius Paullus aufgeführt wurde, des Siegers von Pydna, Vaters des Publius Cornelius, der nach seiner Adoption und seinen großen Siegen Scipio Aemilianus Africanus Numantinus hieß, s. Bengtson (1970) 129; Oxford Classical Dictionary unter Paullus (2). Sie nennt auch die Hauptvorlage: Menanders „Adelphoe“ („Brü- der“); die Zeugnisse bei Körte 16 ff. Der kurze Prolog merkt an, dass Terenz in die „Brüder“ Menanders eine Szene aus Diphilos (Lesky [1993] 746 f.) eingefügt hat, in der „ein junger Mann einem Kuppler eine Hetäre gleich zu Beginn des Stückes raubt“ (8 f.), eine Szene, die Plautus, als er das Diphilos-Stück bearbeitete, ausließ (die also frei verfügbar war). In v. 15 ff. verwehrt der Dichter sich gegen den Vor- wurf seines literarischen Feindes (Luscius aus Lanuvium), gewisse Adlige würden ihm beim Verfassen von Komödien helfen: Allein deren Lob freue ihn – das ist alles, was Terenz erwidert.

311

Pudore et liberalitate liberos retinere satius esse credo quam metupudor außer den Kommentaren auch Sall. Jug. 100, 5; F. Lossmann, Hermes Einzelschr. 17, 1962, 69 ff., 82 ff.; E. Vaubel, Pudor, Verecundia, Reverentia, Diss. Münster 1969. Zu v. 67 s. Maurach (1985) 85, Anm. 4.

312

Zu ihr J. Klowski, Terenz und die modernen Erziehungsstile, Gymnasium 107, 2000, 109 ff.

313

clamant dixere

314

Micio wird bald sehen, wie ernst es Aeschinus damit ist (Szene IV 4 und 5). 315 Sie ist nicht ganz nahtlos eingesetzt, denn seltsam erscheint, dass Micio des Zuges nicht ansichtig wird, der doch sicherlich aus der Richtung des Markts kommt, also von rechts, wohin eben Micio abging (s. Blume [1998] 53). Ferner ver- wundert, dass Demea bereits von dem Raub gehört hat (88 ff.), der Räuber aber Anmerkungen 154 jetzt erst vor dem Hause Micios erscheint; vgl. Fantham (1968) 196 ff.; Lowe (1998) 473 f.

315

316

Seltsam nimmt sich die juristische Unmöglichkeit in 194 f. aus, das Mädchen sei gar nicht verkaufbar, da er – Aeschinus – sie freilassen werde (s. H. Lloyd-Jones, CQ 67 [N. F. 23] 1983, 280 f.).

317

Sein harter Vater hätte ihm niemals erlaubt, die Hetäre zu kaufen.

318

Seltsam, dass der Kuppler – bei Terenz – die ganze Zeit wortlos dabeisteht, obschon es ihn doch überraschen müsste, dass Aeschinus gar nicht in eigenem Interesse handelte: Spuren des Einflickens der fremden Szene.

319

Schwierig zu verstehen, dass sie klagt, niemanden zu haben, den sie los- schicken könnte, um die Hebamme zu holen – dabei steht Canthara neben ihr und wird in 353 f. dann auch dorthin gehen; viele, z. B. Büchner (1974) 384 und Kru- schwitz (2004) 147, Anm. 25, nahmen daran Anstoß.

320

Bei Maurach a. O. 92, Anm. 24 wurde erwähnt, dass diese Einsicht einer ge- nauen Beobachtung der Dürer’schen Graphiken, hier des Widerspiels von prahleri- schem Gewand und zagender Handhaltung des Dieners, sich Dr. Claudia Echin- ger(-Maurach) verdankt.

321

K. Büchner (1974) 390 meinte, Syrus rede absichtlich so, dass Demea es hören könne: eine nicht zweifelsfreie Deutung.

322

Dazu Enn. scaen. 187 Joc., Soph. OT 130; Plat. Theaet. 174 a 6 ff.

323

Wie er das bewerkstelligen will, wo er doch Micio die Vormundschaft über den Älteren übergeben hat, sagt er nicht; aber das sollte man nicht als Schwäche- zeichen auslegen. Er spricht ein energisches Wort, und man soll ihm glauben.

324

Büchner (1974) 396 (vorletzter Absatz ) spricht gut von einem sehr possessi- ven Vater.

325

Die Wegbeschreibung quer durch die Stadt könnte terenzisch-römische Zutat sein, s. Lefèvre bei Kruschwitz (2004) 150, Anm. 35.

326

Es handelt sich um ein „Colon Reizianum“, s. Maurach (1967) 251; Braun (1970) 194; diese „Klausel“ wird auch von Plautus nicht nur als Abschluss verwen- det, sondern auch, obschon selten, als selbständiges Glied (s. Truc. 209); vgl. oben Anm. 176.

327

Auch in der populäreren Philosophie gilt das „Aufwachen“ als erster Schritt auf dem rechten Wege (Heinze zu Hor. Ep. 1, 2, 33; s. Büchner (1974) 402, Absatz 2 und meinen „Horaz“, Heidelberg 2001, 308, Anm. 39).

328

Nikomachische Ethik 4, 15; 1128 b 10 ff.; interessant F. Dirlmeier, Aristoteles, Nikomachische Ethik, Darmstadt 1956, 394 ff.

329

Büchner (1974) 405, vorletzte Zeile. Donat merkt zu 706 an, auch dieser Vers stehe nicht in allen Manuskripten (dazu Büchner 405).

330

Vgl. Aesch. Prom. 88; Ennius, Hecuba frg. 171 Jocelyn.

331

Zu dieser nicht ganz einfachen Stelle s. Knoche (1936) 160 mit Anm. 2; Ma- rouzeau in seiner Ausgabe S. 170, Anm. 1; Büchner (1974) 412: Demea kehre noch einmal zu seinem „tragischen Erlebnis“ erinnernd zurück.

332

Donat scheint zu bezeugen, dass „Micio“ bei Menander sich nicht so sträubte (anders akzentuiert Kruschwitz [2004] 157, Anm. 55).

333

Hierzu J. N. Grant, The Ending of Terence’s Adelphoe and the Menandrian Original, AJPh 96, 1975, 235. Anmerkungen 155 334 Frg. 91 Ribbeck; s. E. Fantham, Latomus 30, 1971, 988.

334

335

Das sagt er allgemein und für immer, nicht nur, um in diesem Augenblick Cte- sipho zufrieden zu stellen, wie V. Pöschl (Kleine Schriften 1, Heidelberg 1999, 19) annahm.

336

G. E. Lessing, Hamburgische Dramaturgie, 2. Band, 98. Stück vom April 1768; vgl. ferner H. Juhnke (1978) 254 ff.; P. Kruschwitz (2004) 160 ff. betrachtet die „Cha- rakterzeichnung“ jeder Person des Dramas für sich. Die Kennzeichnung Micios und Demeas bei Kruschwitz (2004) 161 f. finde ich nicht zutreffend: Micio wirft er mehrfach Großspurigkeit und Doppelmoral vor (beides kann ich im Text nicht fin- den), und für Demea findet er so gut wie gar keine Worte.

337

C. Julius Caesar, Commentarii Vol. III, ed. A. Klotz, Stuttgart 1966, 192.

338

Bell. Civ. 3. 73, 4; vgl. Maurach, Caesar der Geschichtsschreiber, Münster 2003, 221. Albrecht (1992) = Michael von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur, Band 1, Bern.