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: Los Festivales de Oposición

Los Festivales de Oposición

Inhalt

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Abkürzungsverzeichnis

AGN : Archivo General de la Nación – Nationales Generalarchiv Mexiko.

ANCOP : Asamblea Nacional Campesina Obrera Popular – Nationale Versammlung der Bauern, Arbeiter und des Volkes, bundesweiter Zusammenschluss verschiedener linker Organisationen.

CEMOS : Centro de Estudios del Movimiento Obrera y Socialista – Studienzentrum der Arbeiter- und sozialistischen Bewegung, Archiv der PCM.

CEFOL : Centro de Estudios del Folclor Latinoamericano – Studienzentrum der latein-amerikanischen Folklore, unabhängiger Zusammenschluss von Künstler/innen in Mexiko-Stadt.

CLETA : Centro de Libre Experimentación Teatral y Artística – Zentrum des freien dar-stellenden und künstlerischen Experimentierens, unabhängiger Zusammenschluss von Künstler/innen und Schauspieler/innen.

COCEI : Coalición Obrera, Campesina, Estudiantil del Istmo – Vereinigung der Arbeiter/innen, Bäuerinnen und Bauern und Student/innen des Istmo, Basisbewegung aus Juchitán.

CMF : Coalición de Mujeres Feministas – Koalition der feministischen Frauen, feminis-tische Gruppe aus Mexiko-Stadt.

CM : Colectivo de Mujeres – Frauenkollektiv aus Mexiko-Stadt.

CNDEP : Comité Nacional de Defensa de la Economía Popular – Nationales Komitee zur Verteidigung einer volksnahen Wirtschaft, Zusammenschluss gegen die neolibera-le Politik.

CNH : Consejo Nacional de Huelga – Nationaler Streikrat der Studierenden 1968.

CNPA : Coordinadora Nacional Plan de Ayala – Nationale Koordination des Plan von Ayala, bundesweiter Zusammenschluss verschiedener linker Organisationen.

CONAMUP : Coordinadora Nacional del Movimiento Urbano Popular – Nationale Ko-ordination der urbanen Bewegung, Zusammenschluss der neu in die Stadt Im-migrierten (Colonos).

FNALIDM : Frente Nacional por la Liberación y los Derechos de la Mujer – Nationale Front zur Befreiung und für die Rechte der Frau, Zusammenschluss feministischer Gruppen und Frauen aus Parteien.

FNDSCAC : Frente Nacional en Defensa del Salario contra la Austeridad y la Carestía – Nationale Front zur Verteidigung der Löhne und gegen Sparmaßnahmen und Hun-gersnot, Zusammenschluss gegen die neoliberale Politik.

FNAP : Frente Nacional de Acción Popular – Nationale Aktionsfront des Volkes, Zusam-menschluss der urbanen und der Gewerkschaftsbewegung.

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FNCR : Frente Nacional contra la Repression – Nationale Front gegen die Repression, Organisation der Angehörigen und Opfer von Repression.

FMTC : Frente Mexicano de Trabajadores de Cultura – Mexikanische Front der Kultur-arbeiter, Zusammenschluss von Künstler/innen.

DFS : Dirección Federal de Seguridad – Federale Direktion für Sicherheit, mexikani-scher Geheimdienst.

FA: Frente Amplio – Breite Front, politischer Zusammenschluss in Uruguay.

FLEC: Frente para la Libre Expresión de la Cultura – Zusammenschluss von Künstler/innen.

LIMAR: Liga Independiente de Músicos y Artistas Revolucionarios – Liga unabhängiger, revolutionärer Musiker/innen und Künstler/innen, Zusammenschluss von linken Musiker/innen und Künstler/innen.

LEAR : Liga de Escritores y Artistas Revolucionarios – Liga der revolutionären Schrift-steller/innen und Künstler/innen (1933-1938).

MAP : Movimiento de Acción Popular – Bewegung der Volksaktion, unabhängige, linke Gruppierung, die in der PSUM aufging.

MAUS : Movimiento de Acción y Unidad Socialista – Bewegung zu sozialistischer Aktion und Einheit, fusionierte zur PSUM.

MLN : Movimiento de Liberación Nacional – Zusammenschluss linker Gruppierungen zu Unterstützung der kubanischen Revolution (1961–1964).

MAS : Mujeres en acción solidaria – Solidarische Aktion der Frauen, feministische Frauengruppe in Mexiko-Stadt.

MNM : Movimiento Nacional de Mujeres – Nationale Bewegung der Frauen, feministi-sche Frauengruppe in Mexiko-Stadt.

MLM : Movimiento de la Liberación de la Mujer – Bewegung für die Befreiung der Frau, feministische Frauengruppe in Mexiko-Stadt.

PCCH : Partido Comunista de Chile – Kommunistische Partei Chiles, besteht seit 1922. PCF : Parti Communiste Français – Kommunistische Partei Frankreichs, besteht seit 1920.

PCI : Partido Comunista Italiano – Italienische Kommunistische Partei (1921–1991). PCM : Partido Comunista Mexicano – Mexikanische Kommunistische Partei (1919–1981).

PCU: Partido Comunista de Uruguay – Kommunistische Partei Uruguays besteht seit 1921.

PMS : Partido Mexicano Socialista – Mexikanische Sozialistische Partei, Nachfolgepar-tei der PSUM (1987–1989).

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PMT : Partido Mexicano de los Trabajadores – Mexikanische Partei der Arbeiter, unab-hängige linke Partei (1974–1987).

PPM : Partido del Pueblo Mexicano – Partei des Mexikanischen Volkes, Abspaltung der PPS, ging in der PSUM auf (1977–1981).

PRD : Partido de la Revolución Democrática – Zusammenschluss von linken und libe-ralen Gruppen, besteht seit 1989.

PRI : Partido Revolucionario Institucional – Partei der Institutionalisierten Revolution PRI, regierte Mexiko von 1929 –2000, besteht seit 1929.

PRT : Partido Revolucionario de los Trabajadores – Revolutionäre Partei der Arbeiter, trotzkistische Organisation (1976–1996).

PSR : Partido Socialista Revolucionario – Mitwirkung an der Coalición de Izquierda, ging in der PSUM auf (1976–1981).

PPS : Partido Popular Socialista – Sozialistische Volkspartei, von Vicente Lombardo Toledano gegründet, von der Sozialistischen Internationalen unabhängige kommu-nistische Partei, besteht seit 1948.

PPM : Partido Popular Mexicano – Partei des mexikanischen Volkes, Abspaltung der PPS, ging 1981 in der PSUM auf (1977–1981).

PSUM : Partido Socialista Unificado de México – Sozialistische Einheitspartei Mexikos, ging aus der PCM hervor (1981–1987).

TGM : Taller de Gráfica Popular – Werkstatt der Volksgrafik, Künstlerkollektiv (1937–2010).

TD : Tendencia Democrática – Demokratische Tendenz, unabhängige Gewerkschaft (1975–1977).

UNMM : Unión Nacional de Mujeres Mexicanas – Nationalunion der mexikanischen Frauen, PCM-nahe Frauenorganisation (1964–1990).

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Einleitung

Die Fotos (Abbildung 1.1 und Abbildung 1.2) aus dem Nationalarchiv (AGN – Archivo General de la Nación ) zeigen das Publikum des ersten Festival de Oposición , das die Mexikanische Kommunistische Partei (PCM – Partido Comunista Mexicano) und ihre Parteizeitung Oposición veranstalteten. Es waren die ersten Feste, die regierungskritische, politisierte Kunst auf die Bühnen der großen Konzertsäle der mexikanischen Hauptstadt brachten.11 Das erste mexikanische Hippie-Festival fand 1971 in dem kleinen Dorf Avándaro statt und verursachte wegen seiner Freizügigkeit einen Skandal. Es wurde nicht wiederholt. Siehe die lebendigen Beschreibungen zu Avándaro von José Agustín: La contracultura en México, Debolsillo: México D. F. 2012, 85ff.; für eine kritische Be-trachtung der importierten Gegenkultur vgl. Carlos Monsiváis: Amor Perdido, Era: México D. F. 2010, 247f.; Eric Zolov: Refried Elvis. The Rise of Mexican Countercul-ture, University of California Press: Berkeley 1999.

Abb.1.1 Publikum beim ersten Festival de Oposición in Mexi- ko-Stadt. Foto AGN Bildarchiv, 1977.

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Die Festivales de Oposición fanden zwischen 1977 und 1981 jährlich statt und erfreuten sich großer Popularität. Schon zum ersten Festival am 23. und 24. April 1977 kamen circa 10 000 Besucher/innen und 1980 nahmen bereits 100 000 Personen teil. Dass es der PCM gelang, die großen Konzertsäle des Auditorio Nacional oder des Palacio de Deportes (Sportpalast) zu füllen, ver-deutlicht den Bedarf an alternativen Veranstaltungen jenseits des staatlich gelenkten Kulturbetriebs und zeigt, dass sich die oppositionelle Linke zu dieser Zeit im Aufschwung befand.

Diese Feste der PCM boten ein vielfältiges Angebot an politischer Information und Kultur. Dort gab es politische Diskussionsrunden mit inter-nationalen Gästen, Aktivist/innen sozialer Bewegungen stellten ihre Kampagnen vor und Parteimitglieder diskutierten ihre Politik. Ferner konnten sich die Besucher/innen an einer Vielzahl von Informationsständen über Theorie und Praxis internationaler politischer Organisationen infor-mieren und direkt mit ihnen in Austausch treten. Darüber hinaus boten die Festivals ein breites Angebot an politischer Kunst: Ausstellungen, Konzerte sowie Film- und Theateraufführungen zogen das Publikum an. Die Abb. 1.2 Menschenmenge beim ersten Festival de Oposición. Foto AGN

Fotoarchiv, 1977.

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Kulturveranstaltungen der PCM boten linken politischen Künstler/innen eine Bühne und zogen neben linken Aktivist/innen auch junge Menschen an, denen der Rahmen des staatlichen Kulturbetriebs zu eng war.

Das Foto oben zeigt eine Menschenmenge vor einer Stehle mit dem Symbol der Festivals, einem einfachen, richtungsweisenden Pfeil, der natürlich nach links zeigt.2 Es gibt zwar keine Bühne, jedoch hat sich ein spontaner Kreis um zwei tanzende Personen gebildet und der Direktor der Parteizeitung Oposición , Marcos Leonel Posadas, ist beiseite getreten, um für die improvi-sierte Darbietung Platz zu machen. Wie gewichtete die PCM Politik und Kunst auf ihren Festivals und welches Verhältnis unterhielt die Partei zu den Teilnehmenden?

Die untere Abbildung zeigt das Publikum des ersten Festivales de Oposición, einige Menschen recken kämpferisch die Fäuste nach oben, die auf dem Boden sitzende Menge ähnelt den „Sit-In“ und „Happenings“ der sechziger Jahre. Überwiegend junge Leute sind auf der Aufnahme zu sehen, viele lachen oder rufen etwas. Einige ältere Männer in Anzug und Krawatte heben sich aus der leger gekleideten Menge ab. Sie wirken weniger enthusiastisch, obwohl auch sie die Faust erhoben haben. Sie könnten sowohl zum Geheimdienst als auch zu den älteren Mitgliedern der Mexikanischen Kommunistischen Partei gehören. Das Foto dokumentiert die Vielfalt des Festivalpublikums und zeigt, dass kommunistische Parolen und Ver-anstaltungen sowohl Parteifunktionäre und Geheimagenten als auch viele junge Menschen begeistern konnten.

Im Jahr 2020 stellt sich jedoch die Frage, ob die Festivals einer Kommunistischen Partei oder der Kommunismus als Vision überhaupt noch relevant sind. Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten in Osteuropa wurde das Ende der Geschichte (Fukuyama) und der Klassenkonflikte postuliert. Die Finanzkrise von 2008 zeigte jedoch, dass auch die „neue Weltordnung ohne Sozialismus“ in die Krise geraten ist.3

Seit den 2010er-Jahren kann sogar von einem Comeback der Debatten um 2 Vgl. Interview mit Malva Mejía in Coyoacán (Mexiko-Stadt) am 18.02.2014.

3 Vgl. Francis Fukuyama: Das Ende der Geschichte, Free Press: New York 1992; zu Debatten um das Ende der Geschichte, der Blockkonfrontation und des Kommu-nismus siehe Costas Douzinas; Slavoj Žižek: Die Idee des Kommunismus. In: Dies. (Hgg.): Die Idee des Kommunismus, Bd. 1, Laika: Hamburg 2012, 9–12, 10.

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die Idee des Kommunismus gesprochen werden, an der sich viele Intellektuelle beteiligen.4 Ob heute, nach Stalinismus, Menschenrechts-verletzungen und Unfreiheit in den sozialistischen Staaten des Ostblocks, die Begriffe „Sozialismus“ oder „Kommunismus“ überhaupt für die Bezeichnung einer gesellschaftlichen Utopie zulässig sind, wird unter Kommunist/innen lebhaft diskutiert. Dabei geht es zum einen um eine beinahe „apologetische Abwehr“ der marxistischen Linken, wenn es um die Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen in den sozialistischen Staaten geht,5 und zum anderen um das emanzipatorische Potenzial der Begriffe „Sozialismus“ oder „Kommunismus“ und ihre Verwendung, die sie als Vision oder Utopie diskre-ditiert haben könnten.6

Kritiker/innen und Dissident/innen der kommunistischen Bewegungen hinterfragten nicht nur die Hierarchien und Organisationsformen der Parteien, sondern zeigten auf, dass Anregungen, Kritik und Weiter-entwicklungen aus dem globalen Süden oder die Anerkennung multipler und gleichwertiger Unterdrückungsverhältnisse nur in ausgewählten Teilen der 4 Vgl. Mark Cowling; Paul Reynolds: Marxism, the Millennium and Beyond. Basings-toke: Palgrave Macmillan: Chicago 2000; Bini Adamczak: Gestern morgen. Über die Einsamkeit kommunistischer Gespenster und die Rekonstruktion der Zukunft, Edition Assamblage: Münster 2011; Bruno Bosteels: The Actuality of Comunism, Verso: London 2011; Alan Badiou: Die kommunistische Hypothese, Merve Verlag: Berlin: 2011.

5 Vgl. Adamczak: Gestern morgen, 2011: 24f.; Jens Mecklenburg: Roter Holocaust? Kritik des Schwarzbuchs des Kommunismus, Konkret-Literatur-Verlag: Hamburg 1998; Rudolf Walther: Das Schwarzbuch des Kommunismus. In: PROKLA. Zeit-schrift für kritische Sozialwissenschaft, Heft 115, 29/1999, Nr. 2, 301–316. Die letzten Titel waren eine Replik auf Stéphane Courtois, Joachim Gauck; Eberhart Neuber: Das Schwarzbuch des Kommunismus: Unterdrückung, Verbrechen und Terror. Piper: München 1998 und François Furet: Das Ende der Illusion: Der Kom-munismus im 20. Jahrhundert, Piper: München 1998.

6 Vgl. Chantal Mouffe; Ernst Laclau: Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekon-struktion des Marxismus , Passagen: Wien 1991; Ellen Meiksins Wood: The retreat from class. A new ‚true‘ socialism, Verso: London 1998; Alain Badiou: Die Idee des Kommunismus. In: Douzinas; Žižek: Die Idee des Kommunismus, Bd. 1, 2012: 1–30; Bruno Bosteels: Die linksradikale Hypothese: Kommunismus im Zeitalter des Ter-rors. In: Douzinas; Slavoj: Die Idee des Kommunismus, Bd. 1, 2012: 51–88; Antonio Negri: Kommunismus: Einige Gedanken über Konzept und Praxis. In: Douzinas; Žižek: Die Idee des Kommunismus, Bd. 1, 2012: 191–204.

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kommunistischen Bewegung Widerhall gefunden hatten.7 Kommunist/innen betonen hingegen, dass die marxistischen Analysen einen wichtigen Beitrag zum Verständnis und Kampf gegen den Kapitalismus geleistet hätten. Ohne den Bezug auf den Kommunismus (sei er nun positiv oder negativ) ließe sich die Geschichte „der Linken“ kaum erzählen. Angesichts der Vielfältigkeit der kommunistischen Bewegungen schlägt Bruno Bosteels in seinem Buch „Actuality of Communism“ vor, von Kommunismen im Plural zu sprechen.8

Mit dem Plural der Kommunismen sah sich auch die PCM in den siebziger Jahren auf den Festivales de Oposición konfrontiert, denn das Panorama der politischen Linken hatte sich nach 1968 bedeutend erweitert. Zu den traditionellen Arbeiterorganisationen der sozialdemokratischen und kom-munistischen Parteien kamen neue Organisationen hinzu, die unter dem Begriff „neue Linke“ die Dogmen der alten Linken infrage stellten und „neue Emanzipationsentwürfe“ entwickelten.9

7 Vgl. Rául Jardón: Travesía a Itaca. Recuerdos de un militante de izquierda, del co-munismo al zapatismo, 1965–2001, Grupo Cenzontle: México D. F. 2008; Elvira Concheiro Bórquez, Massimo Modonesi; Horacio Crespo (Hgg.): El comunismo: ot-ras miradas desde América Latina, UNAM: México D. F. 2007; Frigga Haug: Der im Gehen erkundete Weg – Marxismus-Feminismus, Hamburg 2015; Christoph Jünke (Hg.): Marxistische Stalinismus-Kritik im 20. Jahrhundert, Neuer ISP-Verlag: Köln 2017.

8 Bruno Bosteels: Actuality of Communism, 2011: 6.

9 Der Begriff „Neue Linke“ ist ein Sammelbegriff für verschiedene soziale Bewegun-gen, die sich nach 1968 formierten. Diese Strömung kritisierte die traditionelle Arbeiterbewegung und machte neue Protagonist/innen und plurale Gesellschafts-entwürfe sichtbar. Sie berief sich unter anderem auf eine Bandbreite von Analysen vor-stalinistischer kommunistischer Theorien bis hin zu anarchistischen Gesell-schaftsentwürfen. Zur „Neuen Linken“ gehörten die Bewegung der Schwarzen, Chi-canos, Feministinnen, Homosexuellen sowie die Anhänger/innen der Befreiungs-theologie, der Ökologie-Bewegung, des Operaismo, Guevarismus oder Maoismus. Für sie hatten neben den ökonomischen Kämpfen auch die Auseinandersetzun-gen in den Bereichen Kultur, Rassismus und Geschlecht eine große Relevanz. E. P. Thompson bezeichnete die „Neue Linke“ als eine Bewegung der Ideen, die sozia-listisch orientiert und zwischen den zwei Blöcken des Kalten Krieges angesiedelt war. Marcia Tolomelli verstand die „Neue Linke“ als eine theoretische Debatte, die die Gesellschaftsanalysen, Transformationsstrategien, Aktionsstrategien und Or-ganisationskonzeption der traditionellen Linken infrage stellte und neue Eman-zipationsentwürfe entfaltete, die, bedingt durch die verschiedenen nationalen Rahmenbedingungen, jeweils unterschiedliche Prägungen erhielten und verschie-

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Als Teil der traditionellen Linken war die PCM nach 1968 zu internen Reformen bereit und war Teil einer „modernisierten mexikanischen Linken“, die Elemente der alten und neuen Linken vereinte.10 Ferner gehörte die Mexikanische Kommunistische Partei wegen ihrer Kritik an dem Führungsanspruch der Sowjetunion über die Geschicke aller kommunisti-schen Parteien zu den reformorientierten Parteien, was unter den Kommunistischen Parteien Lateinamerikas etwas Besonders war und die Erforschung ihrer konkreten Politik auf den Festivals interessant macht.

Die Veranstalterin der Festivales de Oposición ist ein interessantes Forschungssubjekt, da die PCM sich in den letzten fünf Jahren ihres Bestehens nicht nur von einer quasi illegalen hin zur legalen parlamentarischen Partei wandelte, sondern auch eine interne Reformierung erlebte, die zur Veränderung ihrer internationalen Beziehungen führte und in ihrer Auflösung und Fusion mit anderen linken Gruppen mündete. Die PCM ge-hörte zu den langlebigsten Oppositionsparteien und ihre frühe Konstituierung am 24. November 1919 machte sie zu einem konstanten und bedeutenden Teil der mexikanischen Linken.

Obwohl die abrupten Politikwechsel der Partei und ihre weit verzweigten internationalen Verbindungen sie zu einem reizvollen Untersuchungs-gegenstand machen, hat die PCM in den Geschichtswissenschaften bisher nur wenig Berücksichtigung gefunden. Sind in der größten europäischen Spezialbibliothek, dem Iberoamerikanischen Institut zu Berlin, über 300 Titel zur mexikanischen Linken vorhanden, so werden zur PCM weniger als 50 Titel gelistet.

Die Erforschung der kommunistischen Parteien orientierte sich lange auf den nationalstaatlichen Rahmen. Die Öffnung der Archive in den sozia-listischen Ländern Osteuropas machte neue Parteidokumente über die kommunistische Bewegung zugänglich, was das wissenschaftliche Interesse dene Akzente setzten. Vgl. E. P. Thompson: The New Left. In: The Reasoner, Nr. 9 Summer 1959, 1–17,16; Marcia Tolomelli: 1968: Formen der Interaktion zwischen Studenten- und Arbeiterbewegung in Italien und der Bundesrepublik. In: Ingrid Gilcher-Holtey (Hg.): 1968, Vom Ereignis zum Gegenstand der Geschichtswissen-schaft, Vandehoeck & Ruprecht Göttingen 1998, 109–132, 83.

10 Vgl. José Othón Quiroz Trejo; Nicolasa López-Saavedra; Sergio Tamayo, María Gar-cía-Castro (Hgg.): Izquierdas: nuevas y viejas, Eon: México D. F. 2011, 12.

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erneut entfachte und sowohl der Erforschung der Ideengeschichte als auch der Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen zuträglich war.11 In Kooperation mit westlichen Institutionen entstanden in den 1990er-Jahren Online-Archive, die den Zugang zu wichtigen Dokumenten der kommunisti-schen Parteien ermöglichen, jedoch verfügen sie bis heute nicht über alle Zeitdokumente.12

Ab den 2000er-Jahren widmete sich die Forschung sowohl den Dissident/innen und Querdenker/innen der kommunistischen Bewegung als auch den internationalen Parteibeziehungen, die die Grenzen des Kalten Krieges 11 Die Aufarbeitung der Verbrechen der sozialistischen Regierungen wurde auf un-terschiedliche Weise durchgeführt. Während für die SED die Aufarbeitung bereits zu Beginn der 2000er-Jahre weitgehend abgeschlossen war, ist dieser Prozess in Russland noch nicht beendet. Vgl. James McAdams: Vanguard of the Revolution: The global Idea of the Communist Party, Princeton University Press: Princeton 2017; Cyril E. Black; Thomas P. Thortin: Communism and Revolution. The strate-gic uses of political violence, Princeton University Press: Princeton 2016; Robert C. Tucker: The marxian revolutionary idea, Norton: New York 1969; Richard Lö-wenthal: Jenseits des Kapitalismus: Ein Beitrag zur sozialistischen Neuorientie-rung . Dietz, Berlin/Bonn-Bad Godesberg 1977; Archie Brown: The Rise and Fall of Communism, Ecco: New York: 2011; Silvio Pons: The global revolution: a history of international communism 1917–1991, Oxford University Press: Oxford 2014; Gerd Koenen: Weltgeschichte des Kommunismus: Von der Französischen Revolution bis heute, C. H. Beck: Frankfurt a. M. 2009; S. A. Smith: The Oxford Handbook of the History of Communism, Oxford University Press: Oxford, 2014.

12 Ein breiter Überblick, zum Teil auch Online-Zugänge zu verschiedenen Archiven innerhalb Europas, findet sich auf der Webseite der Bundesstiftung Aufarbeiten: Kommunismusgeschichte.de, digital https://kommunismusgeschichte.de/for-schen/archive/, gesehen am 20.03.2020. Die Situation der Archive ist sehr ver-schieden, in Russland verschlechterte sich der Zugang zu den Akten der KPdSU wieder. Sie wurden erneut unter Verschluss gehalten, um die nationale Geschichte nicht zu „beschädigen“. Vgl. Markus Wehner: Archivreform bei leeren Kassen. Ei-nige Anmerkungen zur politischen und ökonomischen Situation der russischen Archive. In: Osteuropa, Nr. 44 (1994), 105–124; Markus Wehner: Gescheiterte Revolution. In den russischen Archiven gehen die Uhren rückwärts, Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2009, Aufbau: Berlin 2009, 377–390; Florian Kührer-Wieslach; Michaela Nowotnick: Aus den Giftschränken des Kommunismus: Methodische Fragen zum Umgang mit Überwachsungsakten in Zentral- und Süd-osteuropa, Friedrich Pustet: Regensburg 2018.

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überwanden.13 Im vergangenen Jahrzehnt rückten die kommunistischen Parteien in der kapitalistischen Peripherie und ihre Vernetzung mehr in den Forschungsfokus, woran diese Arbeit anknüpfen möchte.14

13 Vgl. Matthias Middell: Auf dem Weg zu einer transregionalen Geschichte des Kom-munismus. In: Ulrich Mählert et al. (Hgg.): Jahrbuch für Historische Kommunis-musforschung 2019, Metropol: Berlin 2019, 1–15; Martin K. Dimitrov: Why Com-munism did not collaps? Understanding authoritarian regimes resilience in Asia and Europa, Cambridge Press: Cambridge 2013; Maria Todorova; Augusta Dimou; Stefan Troebst: Remembering Communism: Private and Public Recollections of Lived Experience in Southeast Europe, Central European University Press; Bud-apest 2014; Jan Pauer (Hg.): Ringen um Autonomie. Dissidentendiskurse in Mit-tel- und Osteuropa, Lit Verlag: Münster 2017; Daniela Spenser (Hg.): Espejos de la Guerra Fría: México, América Central y el Caribe, CIESAS: México D. F. 2004; Ales-sandro Brogi: Confronting America: The Cold War between the United States and the Communists in France and Italy, University Press of North Carolina: Chapel Hill 2011; Lazar Jeifets; Victor Jeifets; Peter Huber (Hg.): La Internacional Comunista y América Latina, 1919–1943: Diccionario Biográfico, Ariadna Ediciones: Moskau/Genf 2017; Richard Saul: The Cold war and after. Capitalism, Revolution and Super-power politics, Pluto Press: London 2007; Greg Grandin; Gilbert M. Joseph (Hgg.): A Century of Revolution. Insurgent and Counterinsurgent Violence during Latin Ame-rica´s long cold war, Yale Press: Yale 2010; Theodor Bergmann; Mario Keßler (Hg.): Ketzer im Kommunismus. 23 biographische Essays, VSA: Hamburg 2000; Jens Becker: Heinrich Brandler. Eine politische Biographie, VSA: Hamburg 2001; Theo-dor Bergmann: Die Thalheimers, VSA: Hamburg 2004; Hermann Weber; Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918–1945, Karl Dietz: Berlin 2008.

14 Vgl. Francesco Di Palma; Wolfgang Müller (Hgg.): Kommunismus – Europa – Na-tion. Europapolitik und -vorstellungen der europäischen kommunistischen Partei-en 1945–1989, Ferdinand Schöningh: Paderborn 2014; Dagmara Jajesniak-Quast (Hg.): Comecon revisited. Integration in the Eastern Bloc and Entanglements with global Economy, Leipziger Universitätsverlag: Leipzig 2018; Middell: Auf dem Weg zu einer transregionalen Geschichte des Kommunismus. In: Mählert: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2019, 2019, 1–15; Andreas Hilger: Die So-wjetunion und die Dritte Welt. UdSSR, Staatssozialismus und Antikolonialismus im Kalten Krieg, 1945–1991, Oldenbourg: München 2009; Arnd Bauerkämpfer; Francesco Di Palma (Hgg.): Bruderparteien jenseits des Eisernen Vorhangs. Die Beziehungen der SED zu den kommunistischen Parteien West- und Südeuropas (1968–1989), Ch. Links: Berlin 2011; Inga Emmerling: Die DDR und Chile. Außen-handel, Außenpolitik und Solidarität, 2013 Ch. Links: Berlin; Brigitta Triebel: Eine vielstimmige Imagepflege: die tschechoslowakische Kulturaussenpolitik gegen-über Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika während der Normalisierungszeit. In: Bohemia 53/2013, 2, 379–407.

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Da sich die Gründung der PCM 2019 zum 100. Mal jährte und einige bedeu-tende Kader der PCM starben, ist das Interesse an der Geschichte der PCM in den letzten fünf Jahren wieder gestiegen. In neueren Publikationen wurden transnationale Aspekte ihrer Geschichte hervorgehoben, zum Beispiel, dass die PCM unter Beteiligung internationaler Sozialist/innen wie Manabendra Nath Roy, Michael Borodin, Evelyn Trent Roy und Charles Philips gegründet worden war.15

In der Historiografie der PCM wurden sowohl ihre ideologischen Wenden als auch ihre konkreten Kampagnen und Aktionen untersucht, wobei diese Geschichte in den vergangenen 20 Jahren durch die Erinnerungen der ehe-maligen Mitglieder ergänzt wurde.16 Für den Untersuchungszeitraum geben 15 Paco Ignacio Taibo II: Bolsheviques. Historia narrativa de los orígenes del comu-nismo mexicano, Planeta: México D. F. 2019; Carlos Illades (Hg.): Camaradas: nu-eva historia del comunismo en México, Fondo de Cultura económica: México D. F. 2017; Luciano Concheiro (Hg.): El Machete, Faksimile, Fondo de cultura económica; INAH: México D. F. 2016; María Guadalupe Moreno González: Aproximación al Par-tido Comunista en Jalísco (1926–1981, El Colegio de Jalisco: Zapopan 2019; Car-los Illades: El marxismo en México. Una historia intelectual, Taurus: México D. F. 2018. (Ebook); Gerado Peláez Ramos: Los años de formación del Partido Comu-nista Méxicano, digital https://www.lahaine.org/b2-img12/pelaez_pcmform.pdf, gesehen am 13.08.2020; Rogelio Vizcaíno; Paco Ignacio Taibo II: El camarada José Allen. In: Nexos, 1983, digitalhttps://www.nexos.com.mx/?p=4139, gesehen am 12.08.2020; Michael Göbel: Una biografía entre espacios: M. N. Roy. Del naciona-lismo indio al comunismo mexicano. In: Historia Mexicana, Vol. 62, no. 4, 2013, 1459–1495.

16 Vgl. María Guadalupe Moreno González: El Partido Comunista Mexicano: Actor so-ciopolitico de la izquierda institucional mexicana del siglo. In: Vinculos, Nr. 4/2013, 79–97; Barry Carr: Mexican Communism 1968–1981: Eurocommunism in the Americas? Eurocommunism in the Americas? In: Journal of Latin American Studies, Vol. 17, No. 1 (05/1985), 201–228; Barry Carr: Marxism and Communism in the twentieth Century, University of Nebraska: Lincoln 1992; Barry Carr: La izquierda mexicana a través del siglo XXI, Era: México D. F. 1996. Arturo Martínez Nateras; Joel Ortega Juárez (Hgg.): La izquierda mexicana del siglo XX, Bd. 1, Cronología, UNAM: México D. F. 2014; Arturo Martínez Nateras; Joel Ortega Juárez (Hgg.): La izquierda mexicana del siglo XX, Bd. 2, Movimientos Sociales, UNAM: México D. F. 2016; Arnoldo Martínez Verdugo. PCM. Trayectoria y perspectivas, Ediciones Cul-tura Popular; México D. F. 1971; Ders.: Crisis política y alternativa comunista, Edici-ones de Cultura Popular: México D. F. 1979; Ders.: Historia del comunismo en Méxi-co, Grijalbo: México D. F. 1985; Carlos Ilades: La inteligencia rebelde. La izquierda en el debate público 1968–1989, Océano: México D. F. 2012; Arturo Martínez Na-

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Julio Moguel und Arturo Anguiano einen guten Überblick über die Vielzahl der Gruppen der marxistischen Linken in Mexiko.17 Im Folgenden untersuche ich die Festivales de Oposición über die fünf Jahre ihres Bestehens (1977–1981) in ihrer konkreten Organisation, Partizipation und Durchführung. Dabei ist sowohl das Verhältnis der PCM zu ihren internationalen und mexi-kanischen Gesprächspartner/innen Interesse als auch der Austausch mit den teilnehmenden Kunstschaffenden. Anhand einer Analyse wiederkeh-render politischer Debatten auf Festivals und dem Verhältnis zu mexikanischen und internationalen Künstler/innen werden die Reform-orientierung der PCM und ihr Verhältnis zu Politik und Kunst beleuchtet.

Folgenden Untersuchungsfragen wird in dieser Arbeit nachgegangen: Welches Verhältnis unterhielt die PCM zu der sich global formierenden Bewegung des Feminismus und der regional orientierten innerkirchlichen Strömung der Befreiungstheologie auf den Festivals? Wie veränderte sich die Beziehung zwischen Partei und Bewegung über die fünf Jahre der Festivaldebatten? Wie lässt sich die von der PCM als oppositionell definierte Kunst, zum Beispiel die Festivalmusik des Canto Nuevo Latino--americano , beschreiben, die auf den Festivales de Oposición präsentiert wurde? Welche Beziehung entstanden für die PCM im Austausch und Kulturtransfer mit den Künstler/innen aus dem In- und Ausland?

Die große Anzahl internationaler Gäste und Interpret/innen aus aller Welt machte die Festivales de Oposición für das Publikum attraktiv. In Zeiten des Kalten Krieges waren diese Feste etwas Außergewöhnliches, zum einen, da die meisten lateinamerikanischen Staaten von Diktatoren oder Militärs re-giert wurden und kaum Freiräume für die politische Linke bestanden. Zum teras: Arturo: Punto y seguido: Crisis en el PCM? Ediciones del Autor: México D. F. 1980; Valentin Campa Salazar: Mi testimonio. Experiencias de un comunista mexi-cano, Ediciones de Cultura Popular: México D. F. 1978; Raúl Jardón: Travesía a Itaca. Recuerdos de un militante de izquierda, del comunismo al zapatismo, 1965–2001, Grupo Cenzontle: México D. F. 2008.

17 Einen guten Einblick über die mexikanische Linke geben: Julio Arturo Anguiano: Entre el pasado y el futuro. La izquierda en México, 1969–1996, UAM: México D. F. 1997; Julio Moguel: Los caminos de la izquierda, Juan Pablo Editor: México D. F. 1987; Caridad Massón (Hg.): Las izquierdas latinoamericanas. Multiplicidad y ex-periencias durante el siglo XX, Ariadna Ediciones: Santiago de Chile 2017; Modone-si: La crisis histórica de la izquierda socialista mexicana, 2003.

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anderen, da die Festivals mit internationalen Teilnehmer/innen aus Ost und West sowie dem globalen Süden eine bemerkenswerte Ausnahme dar-stellten. Programm und Form der PCM-Feste dokumentieren darüber hinaus die Öffnung und den Verjüngungsprozess der PCM, die mit den neuen so-zialen Bewegungen und der neuen Linken interagierte. Die Festivales de Oposición boten den Raum für einen internationalen Austausch über Systemgrenzen hinweg und eine Plattform für die Begegnung zwischen der PCM und ihren sozialistischen Bruderparteien, heterogenen linken Organisationen, Intellektuellen und politisierten Künstler/innen, die sich durch inhaltliche Debatten und Kulturtransfer wechselseitig befruchteten.

Die Festivales de Oposición waren von der zeitlichen Konjunktur und dem Klima von gesellschaftlichen und parteiinternen Reformen geprägt. Knapp zehn Jahre nach 1968 drückte die „Dekade des Protests“ und der „kulturellen Wende“ den linken Bewegungen der siebziger Jahre ihren Stempel auf.18 Der Black Panther Mumia Abu Jamal beschrieb die Stimmung als Zeit des Auf-schwungs der Linken. Ein gesellschaftlicher Wandel schien gewiss und sicher: „Die Revolution schien uns so unausweichlich wie die Zeitung von morgen.“19 Die siebziger Jahre waren eine Zeit der Transformation, in der viele Grundlagen unserer heutigen globalisierten Welt gelegt und 18 In der Forschung gelten die sechziger Jahre als „lange Dekade des Protestes“, wo-bei umstritten ist, wie lange diese „Dekade“ andauerte und was aus ihr folgte. Ei-nige Autoren sehen 1973 mit dem Ölschock und dem Putsch in Chile die langen sechziger Jahre beendet. Vgl. Eric Hobsbawm: Zeitalter der Extreme, dtv: München 2003, 414; Arthur Marwick: „1968“ and the cultural Revolution of the long sixties. In: Gerd-Rainer Horn; Kennedy Padraic (Hgg.): Transnational Moments of Change. Europe 1945, 1968, 1989, 2004, Rowman & Littlefield: Langham, 81–94; Kastner, Jens; Mayer, David (Hgg.): Weltwende 1968? Ein Jahr aus globalgeschichtlicher Per-spektive, Mandelbaum: Wien 2008; Beate Kuschke; Barley Nortin (Hgg.): Music and Protest in 1968, Cambridge University Press: Cambridge 2013; Barry Miles: In The Seventies: Adventures in the Counter-Culture, Serpient’s Tail: London 2011, VII; Gerard De Groot: The Seventies Unplugged: A Kaleidoscopic Look at a Violent Deca-de, Pan Books: New York 2011; José Agustín: La contracultura en México, la historia y el significado de los rebeldes sin causa, los jipitecas, los punks y las bandas, De-bolsillo: México D. F. 2012.

19 Mumia Abu-Jamal: We want Freedom. A life in the Black Panther Party, South End Press: Cambridge 2004, 105. (eigene Übersetzung)

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22gleichzeitig „nach neuen Wegen“ gesucht wurde.20 Raúl Bejar Navarro schil-derte die siebziger Jahre in Mexiko als eine „Vor-Gegenwart“, die gleichzeitig nah und vergangen die „nahe Zu-kunft“ beschreibt.21

Revolutionen und nationale Befreiungskämpfe im globalen Süden sowie neue Bewegungen von Frauen und Homosexuellen gehörten ebenso zum politischen Panorama wie die Wirtschaftskrisen im Westen und die Niederlage der USA in Vietnam. Im Verlauf der siebziger Jahre verlor der Aufschwung der politischen Linken jedoch an Kraft und die letzte Hälfte der siebziger Jahre gilt in der Forschung als „Zeit der Krise“ und des „Struk-turwandels“, da die Endlichkeit der Naturressourcen ein nahes Ende der kapitalistischen Produktion-sgesellschaft prophezeite.22 Die globalisierte „Netzwerkgesellschaft“ mir ihrer „space-time compression“ entstand.23

20 Bas Dianda: A History of the Seventies: The Political, Cultural, Social and Econo-mical Developments That Shaped the Modern World, Vernon Press: Wilmington, 2019, 351f.

21 Vgl. Rául Bejar Navarro: El mexicano: aspectos culturales y psicosociales, UNAM: México D. F. 2007, 389. [eigene Übersetzung] „Los setenta son un antepresente; un presente que pasó a ser pretérito, pero que lo tenemos a mano y nos ha dejado un futuro próximo.“

22 Vgl. Dennis Meadows; Doncella Meadows: Die Grenzen des Wachstums. Club of Rome. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Rowohlt: Hamburg [1973] 1981.

23 David Harvey: The Condition of Postmodernity: An Enquiry into the Origins of Cul-tural Change. Blackwell: Cambridge 1990, 269ff.; Konrad H. Jarausch: Verkannter Strukturwandel. Die siebziger Jahre als Vorgeschichte der Probleme der Gegen- Abb. 1.3 Der Direktor von Oposición,

Marcos Leonel Posada, eröffnet das erste Festival. Foto AGN Fotoarchiv,

1977

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Diese Dekade weckt gerade wegen ihrer Uneindeutigkeit und ihrer Weichenstellungsposition für die heutige Entwicklungen und Debatten, wie Gleichstellung, Feminismus, Demokratie und gesellschaftlicher Teilhabe, mein Interesse. Diese Arbeit möchte einen Beitrag zur Erschließung dieser Dekade leisten, indem sie beispielhaft anhand der Festivales de Oposición die inhaltlichen Debatten der marxistischen Linken beleuchtet, die innovative Ideen zur gesellschaftlichen Transformationen beitrugen und sich selbst wandelten, weshalb sie „eine Blütezeit erlebten“.24

Die Festivales de Oposición waren darüber hinaus Berührungspunkte zwischen Politik und Kultur. Die Kunst, die auf den Bühnen der Festivales de Oposición präsentiert wurde, hatte nicht nur einen politischen Anspruch, sondern viele Beiträge kamen von Künstler/innen, die eine originär latein-amerikanische Kunst schufen. So wurde auf den Festivalkonzerten bis zum vorletzten Festivaljahr ausschließlich die Musik des Canto Nuevo Latino- americano dargeboten. In dieser Musikströmung verbanden sich internationale politische Forderungen mit dem kollektiven Erleben von Kolonialismus, Imperialismus und Widerstand in Lateinamerika und der Suche nach den indigenen Wurzeln und der eigenen Identität.

Die Fusion aus traditionellen lateinamerikanischen Rhythmen und poli-tischen Liedtexten, die die revolutionären Bewegungen in Kuba, Chile, Nicaragua und El Salvador begleiteten, feierte weltweit große Erfolge. Sänger/innen wie Victor Jara, Mercedes Sosa oder Silvio Rodríguez waren bald international bekannt und gehörten auch bei den Linken in den USA und Europa zum Zeitgefühl der siebziger Jahre und zum gängigen musikalischen Repertoire. Dies fiel zusammen mit dem verstärkten Interesse an Lateinamerika als „Gravitationszentrum der revolutionären Kämpfe“ in der wart. In: Konrad H. Jarausch (Hg.): Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte, Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 2008, 9–29, 9 Ariel Rodríguez Kuri; Renato Gónzalez Mello: El fracaso del éxito. In: Erik Velázquez García et al.: Historia General de México, Bd. II, Colegio de México: México D. F. 2010, 386–447; Anselm Doering-Manteuffel: Langfristige Ursprünge und dauerhafte Auswirkun-gen. Zur historischen Einordnung der siebziger Jahre. In: Konrad H. Jarausch (Hg.): Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte, Vandenhoeck & Rup-recht: Göttingen 2008, 313–330, 314.

24 Vgl. Enrique Semo: La búsqueda. La izquierda mexicana en los albores del siglo XXI, Bd. 1, Oceano: México D. F. 2003, 9.

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Blockkonfrontation.25 In der marxistischen Linken der kapitalistischen Zentren wurde nun über die revolutionären Erfahrungen und Theorien (zum Beispiel Fokus-Theorie oder Befreiungstheologie) aus Lateinamerika disku-tiert. In diesen Kreisen etablierte sich die Sichtweise, dass die Revolution in der kapitalistischen Peripherie – also in Lateinamerika und Afrika – aus-brechen und Wegbereiter für die Revolutionen in den Industriestaaten sein würde.26

Das machte die Kultur und die Entwicklungen aus Lateinamerika inter-essant für die internationale Linke. Getragen wurde dieses Interesse vom Solidaritätsgedanken, der Teil ihres Grundverständnisses war und Hilfe und Unterstützung von linken Bewegungen auf der gesamten Welt versprach. José Woldenberg bezeichnete den Solidaritätsgedanken innerhalb der sozia-listischen Linken als Lust zur Veränderung der Welt, die nicht nur das direkte Umfeld betraf, sondern die gesamte Welt.27

In den siebziger Jahren, zu Beginn der digitalen Globalisierung, verbrei-teten sich Musik, Mode und Trends bereits über den gesamten Erdball. Dieser Kulturtransfer strömte jedoch nicht nur aus den wohlhabenden Metropolen heraus in die restlichen Weltregionen, sondern Moden und Trend aus der Peripherie wirkten auch auf die Menschen in den Metropolen ein.28 Ein Beispiel für den doppelten Kulturtransfer aus den Zentren in die Peripherie und vice versa zeigte sich bei den Konzerten der Festivales de Oposición , die die Veranstaltungen mit dem größten Publikum waren.

Auf den Konzerten der PCM-Festivals wurde beinahe ausschließlich inter-nationaler Folk und vor allem der Canto Nuevo Latinoamericano gespielt, der mit den traditionellen Rhythmen der einfachen Bevölkerung Lateinamerikas 25 Vgl. Elbaum: Revolution in the Air, 2002: 87.

26 Vgl. Christoph Kalter: Die Entdeckung der Dritten Welt: Dekolonialisierung und neue radikale Linke in Frankreich, 2011 Campus: Frankfurt a. M., 99f.

27 Vgl. José Woldenberg: Memorias de izquierda, Cal y Arena: México D. F. 1998, 133.28 Vgl. Hartmut Kaelble; Jürgen Schriewer (Hgg.): Vergleich und Transfer. Kompa-ratistik in den Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften, Campus Frankfurt/New York 2003; Peter Burke: Kultureller Austausch, Suhrkamp: Frankfurt/Main 2000; Matthias Middell: Kulturtransfer und Weltgeschichte. Eine Brücke zwischen Positionen um 1900 und Debatten am Ende des 20. Jahrhunderts. In: Katharina Scherke, Helga Mitterbauer (Hgg.): Entgrenzte Räume. Kulturelle Transfers um 1900 und in der Gegenwart, Studien zur Moderne 22, Passagen: Wien 2004, 43–74.

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auch die Menschen in den Metropolen Europas und den USA erreichte. Es kam nicht nur internationale Protestmusik auf die Festivalbühnen, sondern auch der originär lateinamerikanische Soundtrack der politischen Mobilisierungen und Revolutionen in Cuba, Chile und Nicaragua bewegte die Menschen in den kapitalistischen Zentren. Es fand ein Kulturtransfer in beide Richtungen statt: Zum einen begegneten die mexikanischen Teilnehmenden auf den Festivals lateinamerikanischer und internationaler Kunst und Politik und eigneten sich verschiedene Elemente an, zum anderen feierte die poli-tische Kunst aus Lateinamerika in kapitalistischen Zentren große Erfolge und wurde dort Teil der linken Populärkultur.

Auf den Festivales de Oposición fand ein Kulturtransfer innerhalb der Peripherie statt. Dieser beinhaltet sowohl den Austausch zwischen Mexiko und Lateinamerika als auch über die Kunst und Musik, wobei die Kunst als Mittlerin zwischen den Welten innerhalb der globalen Linken diente. Dass dieser Kulturtransfer nicht nur in der internationalen Fusion der Style stattfand, sondern der Canto Nuevo Latinoamericano auch die Menschen in den kapitalistischen Zentren bewegte und innerhalb der Linken zu einem Teil ihres Musikrepertoires wurde, ist beachtenswert. Ich werde die Kulturtransferleistungen aus transnationaler Perspektive untersuchen, das heißt einen Fokus auf die Transferleistungen aus der Peripherie in die Zentren hin legen, da dies in der Forschung noch immer zu selten Betrachtung gefunden hat.

In meiner Dissertation werde ich die Beschaffenheit des Austausches zwischen PCM und Künstler/innen auf den Festivals untersuchen sowie die Stellung der PCM im Netzwerk ihrer Beziehungen zu den Künstler/innen aus dem In- und Ausland näher zu bestimmen. Sehen wir den Canto Nuevo Latinoamericano als Teil der Geschichte der politischen Linken, ließe sich fragen, welche Ereignisse zu zentralen Erlebnissen innerhalb der politischen Linken werden und welche Akteur/innen Beachtung finden.29

„Geschichte ist“, schreibt David Mayer, „eine der Hauptwährungen, in der innerhalb der Linken Ideen und fundamentale Hoffnungen zirkulieren und 29 Zu Einsatz und Wirkung von Geschichte im Einsatz für die Gegenwart vgl. Berthold Molden: Mnemohegemonics. In: Berthold Molden; David Mayer (Hgg.): Vielstimmi-ge Vergangenheiten – Geschichtspolitik in Lateinamerika, Lit Verlag: Wien 2009, 31–56, 45ff.

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in der interne Differenzen abgeglichen werden“.30 In der sozialistischen Linken wird Geschichte zudem als Abfolge vergangener und aktueller Kämpfe gesehen,31 als Wechselspiel zwischen „Erfahrungsraum“ und „Erwartungshorizont“32 oder Geschichte mit „sozial-emanzipatorischen Zukunftsbezug“.33 Dazu gehört auch die Erzählung der Niederlagen der Linken, die chronologisch in ihre Kämpfe eingeordnet werden.

In Lateinamerika ist mit der Geschichte der Linken eng die Aufarbeitung staatlicher Menschenrechtsverletzungen verbunden.34 Die Konzentration der Forschung auf diese Aufarbeitung, die wohl am besten durch die 30 David Mayer: Contrahistorias – Geschichtspolitik der Linken. In: David Mayer; Ber-thold Molden: Vielstimmige Vergangenheiten – Geschichtspolitik in Lateinameri-ka, Jahrbuch des Österreichischen Lateinamerika-Instituts, Lit Verlag: Wien: 2009, 125–148, 131.

31 In der marxistischen Linken beruht das Geschichtsverständnis ferner auf dem his-torischen Materialismus. Die marxistische Bewegung wollte eine neue Geschichts-schreibung initiieren, die sich radikal von der bürgerlichen unterschied und von den Produktivkräften bestimmt war. Die Basis der gesellschaftlichen Entwicklung bildeten die Produktionsverhältnisse, die kulturelle und geistige Entwicklung galt als Überbau, über dessen Stellenwert beständig debattiert wurde. Vgl. Iring Fet-scher: Der Marxismus. Seine Geschichte in Dokumenten, Piper: München 1973, 100f.; Peter Weiss: Notizbücher 1971–1980, Fischer: Frankfurt am Main 1981, 171f.

32 Reinhard Koselleck plädierte für eine meta-historische Bedeutung beider Kate-gorien: „Erfahrung ist gegenwärtige Vergangenheit, deren Ereignisse einverleibt worden sind und erinnert werden können. Sowohl rationale Verarbeitung wie un-bewusste Verhaltensweisen […] schließen sich in der Erfahrung zusammen. Ferner ist in der je eigenen Erfahrung, durch Generationen oder Institutionen vermittelt, immer fremde Erfahrung enthalten und aufgehoben. […] auch Erwartung vollzieht sich im Heute, ist vergegenwärtigte Zukunft, sie zielt auf das Noch-Nicht, auf das nicht Erfahrene, auf das nur Verschließbare, Hoffnung und Furcht, Wunsch und Wille, die Sorge aber auch rationale Analyse, rezeptive Schau oder Neugier gehen in die Erwartung ein, indem sie diese konstituieren.“ Reinhart Koselleck: Vergan-gene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Suhrkamp: Frankfurt am Main 1989, 354f.

33 Mayer: Contrahistorias, 2009: 131.

34 Dabei ist zu beachten, dass nicht ausschließlich linke Aktivist/innen von staatlicher Repression betroffen waren, unter den Bezeichnungen „links“, „subversiv“ oder „kommunistisch“ wurden Personen auch willkürlich verfolgt, was ein kollektives Trauma in der Bevölkerung erzeugte. Vgl. Pilar Calveiro: Testimonio y memoria en el relato histórico. In: Acta Poética, Vol. 27, Nr. 2, 2006, 65–86.

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erinnerungspolitische Forderung „¡Nunca más!“ charakterisiert wird, ist zweifellos notwendig und wichtig.35 Allerdings kann diese Fokussierung die Linke leicht auf einen „Opferstatus“ reduzieren, ohne ihre Aktivitäten zu würdigen.36 In einigen Ländern, wie etwa in Mexiko im Zuge der 1968er-Be-wegung, gelang es zwar, geschichtspolitische Akzente der politischen Linken zu setzen und ihre Version der Ereignisse im Nachhinein als hegemoniale 35 Nach dem Ende der Militärdiktaturen dauerte es bis zu den 2000er-Jahren, um mit der Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen der Diktaturen zu begin-nen, dann kam es zu einem wahren Boom der Erinnerungsforschung. Vgl. Elizabeth Jelin: State represion and the labors of memory, University of Minnesota Press: Minesota 2003; Mario Rufer: La nación en escenas. Memorias públicas y uso del pasado en contextos poscoloniales, Colegio de México: México D. F. 2010; Dies.; Ponciano del Pino (Hgg.): Luchas locales, comunidades e identidades, Siglo XXI: Buenos Aires/Madrid 2003; Elizabeth Jelin; Victoria Langland(Hgg.): Monumentos, memoriales, marcas territoriales, Siglo XXI Buenos Aires/Madrid 2003; Pilar Cal-veiro: Apuntes sobre la tensión entre violencia y ética en la construcción de las me-morias políticas, digital http://www.cels.org.ar/common/documentos/Calveiro.pdf, gesehen am 23.05.2020; Valeria Durán; Anne Huffschmid (Hgg): Topografías conflictivas. Memorias, espacios y ciudad en disputa. Buenos Aires: Nueva Trilce 2012; Eugenia Allier Montaño: Batallas por la memoria. Los usos políticos del pa-sado reciente en Uruguay, TRILCE-UNAM (IIS): México D. F. 2010; Nina Elsemann: Umkämpfte Erinnerungen. Die Bedeutung lateinamerikanischer Erfahrungen für die spanische Geschichtspolitik nach Franco. Campus: Frankfurt a. M/New Yorck 2011; Stefan Peters, Hans-Jürgen Burchardt, Rainer Öhlschläger (Hgg.): Geschichte wird gemacht, Studien zu Lateinamerika, Bd. 30 Nomos Verlag: Baden Baden 2015; Anne Huffschmid: Risse im Raum. Erinnerungen, Gewalt und städtisches Leben in Lateinamerika; Springer Verlag: Wiesbaden 2016; Mónika Contreras Saiz; Tatjana Louis; Stefan Rinke (Hgg.): Memorias y conflicto. Memorias en conflicto, Heinz: Stuttgart 2016.

36 Die Politikwissenschaftlerin Pilar Calveiro bezeichnete die politische Dimension der Reduzierung der Akteur/innen auf den Opferstatus als Wiederholung des „Verschwindenlassens“ der Verfolgten. Um dem entgegenzutreten, forderten Organisationen der Nachkommen der „Verschwundenen des schmutzigen Krieges“ (H.I.J.O.S.) ein Gedenken an ihre Angehörigen nicht als Gewaltopfer, sondern als politische Akteur/innen. Angehörigenorganisationen H.I.J.O.S. existieren in vielen lateinamerikanischen Ländern. Vgl. Pilar Calveiro: Poder y desaparición. Los campos de concentración en Argentina; Ediciones Colihue: Buenos Aires 2001; H.I.J.O.S Chile: digital http://hijosehijasdelamemoria.blogspot.de/, gesehen am 22.05.2020; H.I.J.O.S Guatemala: digital http://hijosguate.blogspot.com/, gesehen am 23.05.2020; H.I.J.O.S. México: digital http://www.hijosmexico.org/, gesehen am 23.05.2020.

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Erzählung zu etablieren.37 Die Fokussierung auf die „Erinnerungen des Horrors“38 lässt jedoch die positiven, ausgelassenen Erinnerungen an Leben, Erfahrungen und Aktionen der Linken in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den Hintergrund treten. Die zentralen Momente, die das Engagement für die Linke unter großer Gefahr erklären, wie die gemein-samen Aktionen und Visionen, das Gemeinschaftsgefühl und die Solidarität sowie natürlich das gemeinsame Feiern werden meist als Kulturgeschichte betrachtet und sind noch nicht ausreichend erforscht.39

37 So legitimierte sich die PCM über bekannte mexikanische Revolutionäre (Fran-sico Villa und Emiliano Zapata) und Künstler/innen (Diego Rivera und David Siqueiros), die ihre Ideale geteilt hatten und der Linken einen Platz im offiziellen Bild der mexikanischen Nation verschafften. Vgl. Anne Huffschmid: „68 gehört de-nen, die es haben wollen!“ Paco Ignacio Taibo II über die Revolte als nationalen My-thos. In: Lateinamerika Nachrichten Nr. 406, 04/2008, digital https://lateiname-rika-nachrichten.de/artikel/68-gehoert-denen-die-es-haben-wollen/, gesehen am 18.07.2020; Héctor Aguilar Camin: Pensando la izquierda, Cenzontle: México D. F. 2008, 17. Zur Veränderung der Bedeutungszuschreibung der 1968er-Bewegung in der Presse zwischen 1973 bis 2008 vgl. Sherin Abu Chouka: Mexikanische Erinne-rungskulturen zur ’68er-Bewegung. Presseanalyse der Erinnerungspraktiken des Massakers von Tlatelolco in historischer Perspektive (1973–2008). Magisterarbeit Freie Universität Berlin: Berlin 2010.

38 Vgl. Joël Candau: Memoria e identidad, El Sol: Buenos Aires 2001, 198.

39 Lediglich im Bezug auf die 1968er-Bewegung werden explizit die Ausgelassenheit und Freizügigkeit betont. Vgl. Peter Burke: Was ist Kulturgeschichte?, Suhrkamp: Frankfurt a. M. 2005; Ute Daniel: Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Pra-xis, Schlüsselworte, Suhrkamp: Frankfurt a. M. 2001; Silvia S. Tschopp; Wolfgang Weber: Grundfragen der Kulturgeschichte, Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt 2007; Michael Maurer: Kulturgeschichte. Eine Einführung, UTB Böh-lau: Köln 2008; Guillermo Bonfil Batalla: Pensar nuestra cultura, Alianza Editorial, México D. F. 1991; Bolívar Echeverría, Bolíva (Hg.): Modernidad, mestizaje cultural y ethos barroco, UNAM: México D. F. 1994; Néstor Garcia Canclini: Diferentes, desi-guales y desconectados. Mapas de la Interculturalidad, Ediciones Gedisa: México D. F. 2004; Clara Lida; Pablo Yankelevich (Hgg.) Cultura y Política del Anarqusimo en España e Iberoamerica, Colegio de México: México D. F. 2015; Juan Suriano: Anar-quistas. Cultur y política libertaria en Buenos Aires, 1890–1910, Mantial: Buenos Aires 2008; Uwe Schultz: Das Fest. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart, C. H. Beck: München 1988; Gerd Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd.1–3, Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen: 2018; Enzo Traverso: Linke Melan-cholie, Über die Stärke einer verborgenen Tradition, Unrast Verlag: Münster 2019.

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Ein Schritt hierzu ist die Analyse der internen Wandlungsprozesse der Linken, ihrer Begegnungen mit der politisierten Kunst, ihre internationale Vernetzung sowie die sich daraus ergebenden kulturellen Transferleistungen. Diese Arbeit möchte durch die Untersuchung der Festivales de Oposición dazu beitragen, Erfolge aufzuzeigen und die kleinen Momente von „Karneval, Explosion und Feiern der Linken“ darzustellen, die ihre Attraktivität und Anziehungskraft erklärbar macht.40 In den Erinnerungen der Festival-teilnehmerin Sol Mejia waren die Festivales de Oposición bedeutende Momente, in denen „politisches Engagement und Fête verschmolzen“ und „die Linke sich zeigte“.41 Forschungsperspektiven

Für die Untersuchung der Festivales de Oposición lässt sich die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) von Bruno Latour hervorragend nutzbar machen, da sie die Beschaffenheit und Veränderungen der Akteur/in, hier die PCM, sowie ihre Vernetzung und ihre Verortung in Raum und Zeit in den Blick nimmt. Latour sah dabei Vernetzung stets als lokale Handlung an und for-derte einen Perspektivenwechsel: Statt mit Analysen aus der Vogelperspektive solle die Vernetzung aus der Ameisenperspektive – also kleinteilig – unter-sucht werden.42 Dadurch werden auch Akteur/innen sichtbar, die keine sichtbare Rolle im Austausch spielen. Wie schon Georg Simmel, Pierre Bourdieu oder Manuel Castells betont auch Bruno Latour das Bewegliche und Fließende der Netzwerke. Sein Netzwerkbegriff wird es ermöglichen den Konflikt zwischen Micro- und Macro, bzw. Lokalen und globalen Ansätzen 40 Luis González de Alba: 1968 La fiesta y la tragedia. In: Nexos 09/1993, digi-tal http://historico.nexos.com.mx/articuloEspecial.php?id=3764, gesehen am 26.05.2020.

41 Interview mit Sol Mejía in San Rafael (Mexiko-Stadt) am 24.02.2014. [eigene Üb-ersetzung]

42 Bruno Latour: Pasteurization of France, Harvard University Press: Cambridge 1993, 170f.

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zu beseitigen. Nach Latour ist die soziale Welt nicht hierarchisch, sondern „platt in allen Punkten“.43

Die Festivales de Oposición waren eine Plattform der PCM, auf der ihr aus-gedehnten Netzwerke öffentlich sichtbar wurden und die als Plattform der transregionalen und transkulturellen Verbindungen diente. Die internati-onale Vernetzung auf den Festivals verband heterogene Alliierte mit unterschiedlichem Handlungspotenzial, deren Beziehungen durch die PCM beständig aufgebaut und fixiert werden mussten, um das Netzwerk zu stärken.44 Dabei variierte auch die Rolle oder Stellung der Akteure/innen in-nerhalb der Vernetzung und die Beziehungen hatten eine transformierende Wirkung auf die Akteur/innen, hier die Mexikanische Kommunistische Partei, selbst.45

In der Analyse der Festivales de Oposición wird die Vernetzung der PCM auf unterschiedlichen Ebenen untersucht: erstens ihr Verhältnis zu den mexika-nischen Akteur/innen, was sowohl die oppositionellen Gäste und Künstler/innen umfasst als auch das Verhältnis der PCM zur Staatspartei PRI in den Fokus rückt. Zweitens werden die internationalen Verbindungen der PCM in Zeiten des Ost-West-Gegensatzes, der lateinamerikanischen Militärdiktaturen sowie der Reformen innerhalb der Kommunistischen Parteien erforscht und drittens der Austausch über Kunst und Musik analysiert

In Bezug auf die Festivales de Oposición konzentriert sich die Untersuchung also auf die Akteurin PCM und rückt die Veränderungen und Reformen in den fünf letzten Jahren ihres Bestehens in den Vordergrund, die in der offizi-ellen Parteigeschichte als die Zeit beschrieben werden, in der „die Partei ihren höchsten Entwicklungsstand und Reife und größten politischen 43 Vgl. Markus Schroer: Soziologische Theorien. Von den Klassikern bis zur Gegen-wart, UTB: Stuttgart 2017, 421.

44 Vgl. Latour: Pasteurization of France 1993: 206; Bruno Latour: Eine neue Sozio-logie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Suhr-kamp: Frankfurt a. M. 2007, 350f.

45 Vgl. Latour: Neue Soziologie, 2007: 306; Debora Gerstenberger; Joël Glasman: Glo-balgeschichte nach Maß. Was Globalhistoriker von Bruno Latour lernen können. In: Debora Gerstenberger; Joël Glasman (Hgg.): Techniken der Globalisierung. Glo-balgeschichte meets Akteur-Netzwerk-Theorie, transcript: Bielefeld 2016, 11–40.

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Einfluss erreicht hatte“.46 Die PCM ist nicht nur die älteste kommunistische Partei Lateinamerikas und eine der langlebigsten linken Organisationen Mexikos, sie war auch ein wichtiger Teil der mexikanischen Linken. Eine Definition der politischen Linken ist jedoch schwierig, da damit sowohl eine Ideologie als auch die inhaltliche Positionierung innerhalb des politischen Systems oder eine bestimmte Aktionsform gemeint sein können.

Mittlerweile herrscht in der Forschung Übereinstimmung über die Vielfalt und Pluralität der Ideen und Organisationsformen, so dass weniger von „der Linken“ als von „den Linken“ gesprochen werden sollte.47 Meist wird in den wissenschaftlichen Analysen der lateinamerikanischen Linken „die“ Linke entweder als Summe unterschiedlicher Strömungen gesehen oder als Namen für alle Gruppierungen verstanden, die sich für soziale Gleichheit, die Ideale der Französischen Revolution Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sowie eine gerechte Verteilung der Ressourcen einsetzen.48 In dieser Arbeit geht es um einen wichtigen Teil der mexikanischen sozialistischen Linken, um die Mexikanische Kommunistische Partei.

46 Vgl. Eduardo Montes Manzano; Los últimos años. In: Arnoldo Martínez Verdugo (Hg.): Historia del comunismo en México, Grijalbo: México D. F. 1985, 365–405, 365. [eigene Übersetzung]

47 David Mayer: Contrahistorias, 2009: 127.

48 Vgl. Massimo Modonesi: La crisis histórica de la izquierda socialista mexicana, Casa Juan Pablos Editores: México D. F. 2003, 15f.; Horacio Tarcus (Hg.): Diccio-nario biográfico de la izquierda argentina. De los anarquistas a la nueva izquierda (1870–1976), Emecé: Buenos Aires 2007; Albert Sterr (Hg.): Die Linke in Latein-amerika, Analysen und Berichte, Rotpunktverlag: Köln/Zürich 1997; Alain Angell: The Left in Latinamerica since 1920. In: Leslie Bethell (Hg.) The Cambridge History of Latin America, Vol. VI, Cambridge University Press: Cambridge 1994, 163–232; Barry Carr; Steve Ellner: The Latin American Left. From the Fall of Allende to Pe-restroika, Westview Press: San Francisco 1993; Bernard Duterme et al.: Movimien-tos y poderes de iqzierda en América Latina, Edición Popular: Madrid 2005; Marta Harnecker: Reconstruyendo la izquierda; Monte Ávila Editores: Caracas 2007; Emir Sadr: El nuevo topo: los caminos de la izquierda latinoamericana, CLASCO: Bue-nos Aires 2009; Lazar Jeifets, Víctor Jeifets; Miguel Ángel Urrego: Izquierdas, mo-vimientos sociales y cultura política en América Latina, Universidad Michoacana de San Nicolás de Hidalgo: Morelia 2016; Michel Goulart da Silva: Dossier: 30 años después de la caída del muro: la izquierda latinoamericana. In: Religación. Revista de Ciencias Sociales y Humanidades Vol. 4, Nr. 19, 09/2019, 7–51.

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Zwar lässt die politische Linke sich nicht auf die marxistischen Gruppen reduzieren, die gesellschaftlichen Alternativentwürfe einer klassenfreien Gesellschaft machten jedoch die kommunistische Bewegung seit dem 19. Jahrhundert zu einem wichtigen Teil der politischen Linken. Die sozia-listischen Bewegungen und mit ihr die kommunistischen Parteien, die sich auf den Marxismus beriefen, nahmen eine historisch-materialistische Analyse von Gesellschaft und Wirtschaft vor und hatten sich zum Ziel ge-setzt, die Eigentumsverhältnisse zu verändern und den Kapitalismus abzuschaffen.49 Für Marx und Engels bedeutete „Kommunismus“ einen radi-kalen Bruch mit den Eigentumsverhältnissen sowie die Entwicklung neuer Produktivkräfte und der Verwirklichung der Freiheit eines Jeden.50

Die Mexikanische Kommunistische Partei war Teil der sozialistischen Linken in Mexiko, da sie sich dem Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft, mit Planwirtschaft, Solidarität in der Gemeinschaft und kollektiviertem Eigentum, verschrieben hatte, dessen Endziel an gesellschaftlicher Entwicklung der Kommunismus war. Die PCM gehörte zu den wenigen latein-amerikanischen kommunistischen Parteien, die nach dem XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU – Коммунистическая партия Советского Союза) Reformen anstrebten. Vor allem nach der Wahl von Arnoldo Martínez Verdugo zum Generalsekretär im Jahr 1963 war die PCM auch parteiintern zu Reformen bereit. Sie lehnte den Führungsanspruch der KPdSU ab und suchte nach einem originären Weg zum „Sozialismus à la mexicana“. Damit stand sie inhaltlich der reformorientierten Strömung der 49 Vgl. die Einführung von Georg Fülberth in die Geschichte der sozialistischen Bewe-gungen: Georg Fülberth: Marxismus, Papyrossa: Köln, 2015, 7.

50 Karl Marx; Friedrich Engels: Das kommunistische Manifest, London 1848, In: MEW, Bd. 4, Dietz Verlag: Berlin, 459–590. Die Unterscheidung der Termini So-zialismus und Kommunismus stammt aus der Zeit der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Schon bei Marx und Engels findet sich eine Abgrenzung gegenüber einigen Sozialismen, die Debatten mit der Sozialdemokratie machten hier eine Un-terscheidung notwendig. In aktuellen Debatten um das Erbe des Sozialismus plä-diert zum Beispiel Slavoj Žižek für eine Trennung des Begriffs Kommunismus vom Terminus Sozialismus, da er ersteren als Utopie einer egalitären, sozialen Gesell-schaft versteht, letzteren jedoch durch die freiheitsbeschneidenden Maßnahmen der Regierungen sozialistischer Staaten als verbraucht ansieht. Vgl. Slavoj Zizek: Die bösen Geister des himmlischen Bereichs. Der linke Kampf um das 21. Jahrhun-dert, Fischer: Frankfurt a. M. 2013, 47.

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eurokommunistischen Parteien, insbesondere der erfolgreichen Fran-zösischen, Italienischen und Spanischen Kommunistischen Partei, nahe. Diese Strömung erfuhr bis in die achtziger Jahre eine vielfältige Rezeption als Alternative oder „dritter Weg“ zwischen Sozialdemokratie und real existie-rendem Sozialismus.51

Der PCM gelang es, Konsequenzen aus den Ereignissen des mexikanischen 1968 zu ziehen und sich einerseits von der Reformierbarkeit des mexika-nischen politischen Systems zu verabschieden, das auf den Grundlagen der mexikanischen Revolution errichtet worden war, und sich andererseits poli-tisch gegenüber den neu entstehenden Bewegungen zu öffnen. Die staatliche Repression gegenüber der mexikanischen 1968er-Bewegung mündete für die PCM zunächst in einer radikalen Kritik an der seit 1929 regierenden Partei PRI ( Partido Revolucionario Institucional – Partei der institutionalisierten Revolution)52 und brachte sie dem bewaffneten Kampf 51 Nach 1990 nahm das politikwissenschaftliche Interesse an dieser Strömung ab. Vgl. Helmut Richter; Günter Trautmann (Hgg.): Eurokommunismus, ein dritter Weg für Europa? Hoffmann und Campe: Hamburg 1979; Barbara Timmermann; Heinz Timmermann: Dokumente des Eurokommunismus, Diesterweg: Berlin/München 1979; Tadasi Takahasi: Die KP Japans und der Eurokommunismus. In: Politische Studien, Nr. 255, Jan./Febr. 1981, 77–90; Wolfgang Leonhard: Eurokommunismus. Herausforderung für Ost und West, Bertelsmann: München 1978; Carr: Mexican Communism 1968–1981. Eurocommunism in the Americas? 1985, 201–228; Oc-tavio Rodriguez Araujo: Izquierda, democracia y socialismo en México. In: Revis-ta Mexicana de Sociología, Vol. 43, Nr. 2, 04–06/1981, 667–678; Daniel Rodríguez Lamas: El eurocomunismo ¿Estrategía o herejía? In: Estudios Sociales, Revista de Ciencias Sociales, Nr. 13, 07/1979, Ciudad de Guatemala, 63–84.

52 1929 wurde die offizielle Revolutionspartei Partido Nacional Revolucionario (PRN) gegründet. Sie änderte zweimal ihren Namen: 1939 in Partido de la Revo-lución Mexicana (PRM) und 1946 in Partido Revolucionario Institucional (PRI). Während Marianne Braig und Raina Zimmering den Namen mit „Partei der insti-tutionalisierten Revolution“ übersetzten, schlug Barbara Schröter den Begriff „In-stitutionalisierte Revolutionspartei“ vor und Marta Zapata Galindo favorisiert die wörtliche Übersetzung „Institutionelle Revolutionäre Partei“. Vgl. Marianne Braig; Markus-Michael Müller: Das politische System Mexikos. In: Stefan Rinke; Klaus Stüwe: Die politischen Systeme in Nord- und Lateinamerika. Eine Einführung. VS Verlag: Wiesbaden 2008, 400; Raina Zimmering: Mythenwandel und politische Transition in Mexiko. In: Dies.: Der Revolutionsmythos in Mexiko. Königshausen & Neumann: Würzburg 2005, 31; Barbara Schröter: Klientelismus in der Politik Mexikos. Parteien im Vergleich. VS Verlag: Wiesbaden 2011, 23; Marta Zapata Ga-

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nahe. Nachdem sich jedoch die Niederlagen der Guerilla-Gruppen abzu-zeichnen begannen und die Unzufriedenheit von Intellektuellen und städtischer Mittelschicht Reformen für mehr Demokratie notwendig machte, ergriff die PCM die Chance, sich aus der Semi-Klandestinität zu lösen und sich als legale Organisation registrieren zu lassen.53

Die Zulassung war ein großer Schritt für die Partei, da sie sich nun an den Wahlen beteiligen durfte und Abgeordnete ins Parlament entsenden konnte (siehe Kapitel 1). Die Mexikanische Kommunistische Partei erfreute sich während der siebziger Jahre auch bei den 1968 politisierten Aktivist/innen einer wachsenden Popularität. Nicht wenige Aktivist/innen hatten nach den Erfahrungen von 1968 genug von der „Spontaneität“ der nur wenig älteren „1968er-Generation“ und suchten nach Analysen, Theorien und festen orga-nisatorischen Strukturen.54 Die linken Organisationen und Gruppen, denen es gelang, eine kontinuierliche Organisierung und Widerstandstraditionen zu verkörpern und gleichzeitig den neuen Politikformen und Bewegungen offen zu begegnen, erhielten verstärkt Zuwachs.55 Diese in den siebziger Jahren erfolgte Registrierung der Mexikanischen Kommunistischen Partei steigerte ihren Bekanntheitsgrad und ihre Mitgliedszahlen.56 Ihr Handlungs-lindo: Der Preis der Macht: Intellektuelle und Demokratisierungsprozess in Mexiko 1968–2000. Edition Tranvia: Berlin 2006.

53 Die PCM war zuvor nicht verboten, jedoch auch nicht zu den Wahlen zugelassen oder als ordentliche Partei registriert. Die PCM wurde zum ersten Mal 1929 verbo-ten und unter der Regierung Lázaro Cárdenas wieder legalisiert. 1947 wurde ihr die Registrierung als Partei entzogen und erst 1978 wieder zugestanden. Vgl. James D. Cockcroft: La esperanza de México: un encuentro de la política y de la historia, Siglo XXI: México D. F. 2001, 316.

54 Vgl. Reichardt: Authentizität und Gemeinschaft, 2014; Gerd Koenen: Das rote Jahrzehnt, Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967–1977, Kiepenheuer & Witsch: Frankfurt a. M. 2001; Dan Berger: Kampf im Herzen der Bestie. Militanter Widerstand in den USA, Laika: Hamburg 2011; Arturo Anguiano: Entre el pasado y el futuro. La izquierda en México, 1969–1996, UAM: México D. F. 1997; Julio Mo-guel: Los caminos de la izquierda, Juan Pablo Editor: México D. F. 1987.

55 Max Elbaum beschreibt dies für die US-Linke. Vgl. Max Elbaum: Revolution in the Air. Sixties Radicals turn to Lenin, Mao and Che, Verso: London 2002, 86.

56 Bereits Mitte der siebziger Jahre waren die Mitgliederzahlen der PCM um 47 Prozent angestiegen. Vgl. Juan Luis Concheiro: En la lucha por la democracia. In: Arnoldo Martínez Verdugo (Hg.): La historia del comunismo en México, Grijalbo: México D. F. 1983, 321–364, 357.

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spielraum erweiterte sich und eine wichtige Parteiaktion, um Unterschriften für ihre Wahlzulassung zu sammeln und Mitglieder zu werben, war das erste Festival de Oposición .

Die internen Reformen waren jedoch auch in den siebziger Jahren noch nicht abgeschlossen, denn es wurde sowohl um die inhaltliche Ausrichtung der Partei gerungen als auch um die Integration der vielen neuen Parteimitglieder. Die Reformorientierung der PCM spiegelte sich auch in der Öffnung der Partei gegenüber den neuen linken politischen Bewegungen und Akteur/innen wider, aus denen neue Verbindungen entstanden. Diese neuen Kontakte erweiterten ein gewachsenes Netzwerk, das die PCM mit den kommunistischen Parteien unterhielt. Geschicktes Agieren ermöglichte es der Mexikanischen Kommunistischen Partei, weiterhin gute Beziehungen zu den Bruderparteien aus dem Ostblock zu pflegen und gleichzeitig enge Verbindungen zu den reformorientierten kommunistischen Parteien und den neuen progressiven Bewegungen aufzubauen, die in den sechziger und siebziger Jahren einen Mobilisierungshöhepunkt erlebten.

Die Mexikanische Kommunistische Partei musste sich in ihrer Geschichte also nicht nur mit der Dominanz der Kommunistischen Partei der Sowjetunion auseinandersetzen, sondern auch mit den anderen sozialistischen Parteien und Strömungen in Mexiko. Die sozialistische Linke in Mexiko nach 1968 teilte der trotzkistische Historiker Adolfo Gilly in zwei Grundströmungen ein: eine staatstreue sozialistische Strömung, die mit den mexikanischen Regierungen zusammenarbeitete und auch nach der staatlichen Repression von 1968 weiterhin vom revolutionären Potenzial des mexikanischen poli-tischen Systems ausging; und die oppositionelle sozialistische Linke, zu der die PCM in den siebziger Jahren gehörte, die einen radikalen Wandel der mexikanischen Gesellschaft anstrebte.57

Innerhalb der sozialistischen Linken sah Gilly vier ideologische Blöcke: 1) die liberal-cardenistische Strömung, die sich an den nationalrevolutionären Gedanken von Lázaro Cárdenas orientierte, 2) die Strömung, die sich auf Vicente Lombarde berief und einen von der Kommunistischen Internationalen 57 Vgl. Adolfo Gilly: Los dos socialismos mexicanos. In: Nexos, Nr. 0198, 12/1986, digital https://www.nexos.com.mx/?p=4699, gesehen am 11.06.2020.

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unabhängigen lombardistischen Marxismus vertrat,58 3) die kommunisti-schen Parteien und 4) die radikal kommunistische Strömung, die als Guerilla bewaffnet kämpfte.

Julio Moguel differenziert die letzte Kategorie Gillys noch weiter aus, indem er den radikal marxistischen Flügel in Gruppen trotzkistischer Provenienz, in pro-kubanische beziehungsweise leninistische Gruppierungen und maois-tische Gruppen unterteilt.59 Eine für die PCM in den siebziger Jahren maßgeschneiderte Definition lieferte das PCM-Mitglied Enrique Semo. Für ihn unterteilte sich die mexikanische Linke in eine reformistische Linke, die parlamentarisch für institutionelle Reformen stritt; eine autonome Linke, die Staat und Parlamentarismus ablehnte und in eine sozialistische Linke, zur der die PCM gehörte, die für Reformen auf allen Ebenen stritt und deren Ziel es war, eine breite Front für den Kampf um eine sozialistische Gesellschaft herzustellen.60 In dieser Arbeit verwende ich die Begriffe „kommunistische“ oder „sozialistische“ Linke als Oberbegriff für die Gruppen, die nicht mit der PRI-Regierung zusammenarbeiteten. Sollten die PRI-nahen sozialistischen Parteien ebenfalls gemeint sein, werden sie gesondert genannt. Die unter-schiedlichen ideologischen Richtungen innerhalb der marxistischen Linken bezeichne ich mit erklärenden Adjektiven „marxistisch“, „sozialistisch“, „lom-58 Vgl. hierzu Cuauhtémoc Amezcua Dromundo: El marxismo lombardista. Vigencia y aportes a la transformación revolucionaria. In: Caridad Massón (Hg.): Las izquier-das latinoamericanas. Multiplicidad y experiencias durante el Siglo XX, Ariadna Ediciones: Santiago 2017, 321–340.

59 Vgl. Adolfo Gilly: La reorganización de la clase obrera latinoamericana. In: Cua-dernos Políticos, Nr. 24, México D. F.: Era, 04-07/1980, 29–43, 42; Adolfo Gilly: La reorganización de la clase obrera latinoamericana In: Cuadernos Políticos, Nr. 24, México D. F.: Era, 04-07/1980, 29–43, 42f.; Moguel: Los caminos de la izquierda, 1987: 121ff. Ähnlich argumentierten Massimo Modonesi: La crisis histórica de la izquierda socialista mexicana, México D. F.: Juan Pablo Editores 2003, 30f; Sergio Zermeño: Los intelectuales y el Estado en la década perdida. In: Jorge Alonso; Al-berto Aziz; Jaime Tamayo (Hgg.): El nuevo Estado Mexicano, III Estado, actores y movimientos sociales, Nueva Imagen: México D. F. 1992, 195–224, 196f.

60 Vgl. Enrique Semo: La izquierda mexicana frente a la crisis. In: Rolando Cordero, Jorge Alcocer: México, presente y futuro, Ediciones de Cultura Popular: México D. F. 1985, 119–121. Ähnlich argumentiert Christopher Domínguez Michael. Vgl. Chris-topher Dóminguez Michael: Quién es quién en al izquierda mexicana. In: Nexos, Nr. 54, 01.07.1982, digital https://www.nexos.com.mx/?p=4067, gesehen am 25.07.2020.

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bardistisch“, „trotzkistisch“ beziehungsweise „traditionell“ für langjährig bestehende Arbeiterorganisationen und „neu“ für neuere Strömungen der Linken.

Ein weiterer zentraler Analyseaspekt ist, dass sich auf den Festivales de Oposición Politik und Kunst verbanden. Die PCM-Feste boten auf den Festivalbühnen sowohl ein politisches Programm als auch die Präsentation vielfältiger internationaler politisierter Kunst. Um die Kulturkonzeption der PCM und ihr Verhältnis zu den politisierten Künstler/innen näher zu unter-suchen, orientiere ich mich an den Kulturanalysen von Raymond Williams und dem Verständnis von politischer Kunst von Jacques Rancière.

Unter „Kultur“ verstehe ich in dieser Arbeit einen Prozess, der Praktiken und Erfahrungen in den Mittelpunkt rückt.61 Statt Kulturgeschichte als „Superstruktur“ von der materiellen Geschichte abzutrennen, wird Kultur hier als kreativer Weg, als „Way of Life“ (Lebensart) gesehen, für diese Sphäre von Kultur als Lebensweg prägte Raymond Williams den Begriff „structure of feelings“ (Struktur der Gefühle).62 Der Begriff beinhaltet sowohl das Wort Gefühle, was anzeigen soll, dass Kultur nicht deckungsgleich mit Ideologie und Meinung ist, sondern gelebte Werte und Erfahrungen einschließt, und 61 Raymond Williams weist auf die Bedeutungswandlung von Kultur hin. Bis zum 18. Jahrhundert gehörte die Kultur zur Tätigkeit des Kultivierens von Tieren und Pflanzen. Später wurde Kultur mit Zivilisation assoziiert und abgegrenzt. Rousseau schuf eine alternative Sicht auf Kultur als „innere“ oder „spirituelle“ Entwicklun-gen. Kultur wurde zur generellen Klassifizierung der Künste, der Religion und der Institutionen und Bedeutungspraxen und Werte. Im Zuge der Säkularisierung wur-de Kultur dann zum Ausdruck des menschlichen Geistes, ein subjektiver, indivi-dueller Ausdruck, der jedoch durch die Kreativität und Verknüpfung mit Mythen wieder eine metaphorische Ebene erhielt. Williams unterscheidet in seiner Defini-tion von Kultur drei Kategorien: eine ideale Kultur, die als Prozess hin zu mensch-licher Perfektion verstanden werden will und sich an universellen Werten messen lässt; eine dokumentarische Kultur „als Korpus geistiger und imaginativer Werke […] in denen menschliches Denken und Erfahrungen auf detaillierte Weise aufge-zeichnet sind“ und eine gesellschaftliche oder soziale Kultur, deren Wert sich nicht nur in der Kunst und Erziehung ausdrückt, sondern auch in Institutionen im ganz gewöhnlichen Verhalten. Vgl. Raymond Williams: Marxism and literature, 1977 Ox-ford: Oxford University Press, 17; Raymond Williams: The long revolution, Colom-bia University Press: New York 1961, 41.

62 Raymond Williams: Marxism and literature, 1977: 19.

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meint mit Struktur gleichzeitig ein festes Set von Werten und eine wan-delbare private oder soziale Erfahrung.63

Innerhalb der marxistischen Linken war die Wertschätzung der subal-ternen oder ausgebeuteten Klassen als potentiell revolutionäres Subjekt mit ihrer kulturellen Produktion, der cultura popular (Populärkultur), wichtig.64Néstor Canclini folgerte für diese Populärkultur in Mexiko, dass es genau um die ausgeschlossene Kunst gehe, um die „Künstler, die keine Künstler werden oder am Kulturmarkt teilnehmen können, die sich jenseits der Massenmedien oder der Museen befinden, da sie vermeintlich nicht fähig sind, die Hochkultur zu erfassen, da sie die Geschichte von Wissen und Kunstformen nicht kennen.“65

Stuart Hall definierte diese Populärkultur als dynamischen Prozess, in dem sich die gesellschaftlichen Transformationen abzeichnen und Wider-standspotenzial vorhanden ist.66 Antonio Gramsci prägte für Teile der marxistischen Bewegungen die Sichtweise auf die cultura popular als bedeu-tendes Kampffeld, um eine „Gegenkultur oder Kultur der Subalternen“ aufzubauen und gesellschaftliche Hegemonie zu erringen.67 Innerhalb der sozialistischen Linken existierten gemeinsame Identifikationsmuster ( cul- tural codes ), die sich gegen den herrschenden Kulturbetrieb oder die Definition einer „Hochkultur“ richteten und in einer unabhängigen, hierar-chiefreien Alternativ- oder Gegenkultur ( contracultura ) mündeten.68

63 Williams: Marxism and literature, 1977: 132.

64 Vgl. Eduardo Galeano: Diez errores o mentiras frecuentes sobre literatur y cultura en América Latina. In: Nueva Sociedad, Nr. 56–57, 9–12/1989, 65–78, 67.

65 Néstor Canclini: Hybrid Cultures: Strategies for entering and leaving modernity, University of Minnesota Press: Minnesota 2005, 145. [eigene Übersetzung]

66 Vgl. Stuart Hall: Notas sobre la deconstrucción de lo popular. In Samuel, Raphael: (1984) Historia popular y teoría socialista, Critica: Barcelona 1984, 93–109, 95.

67 Vgl. Nestor García Canclini: Cultura y organización popular. Gramsci con Bourdieu. In: Cuadernos Políticos, Nr. 38, Era: México, D. F., 01–03/1984, 75–82, 77f.

68 Vgl. Hall: Notas sobre la deconstrucción de lo popular, 1984: 96. Die Gegenkultu-ren verweisen dabei stets auf die Hegemonialkultur, wobei sich die Frage stellt, in-wieweit eine unabhängige Gegenkultur existieren kann. In dieser Arbeit verwende ich den Begriff „Gegenkultur“ (Contracultura), um die politischen widerständigen Absichten zu betonen. Vgl. Terry Eagleton: La idea de la cultura, Blackwell: Oxford 2000; Carles Feixa: De Jóvenes, bandas y tribus. Antropología de la juventud, Edi-

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Sowohl das dominante Kulturverständnis als auch die Gegenkultur unter-lagen einem konstanten Wandel, weshalb sie schwer zu definieren sind. Der Kulturkritiker Carlos Monsiváis bezeichnete die mexikanischen Contra- culturas als Strömungen gesellschaftlicher Kritik, die gleichzeitig internationale Einflüsse aufnahm und das „Eigene“ bewahrte. Sie trügen durch ihre Systemkritik zur „Demokratisierung“ bei und zielten gleichzeitig auf eine „Internationalisierung der nationalen Kultur“, da sie Internationales aufnahmen und sich auf regionale Geschichte besannen.69

In Lateinamerika waren die Linken durch die Erfahrung der Kolonialisierung „geeint“, jedoch auch gleichzeitig abgeschnitten von ihrer spezifischen Vergangenheit.70 In der Folge unternahmen die latein-amerikanischen Linken eine „leidenschaftliche Suche“ nach einer gemeinsamen Kultur, die nicht „die Wiederentdeckung, sondern die Produktion von Identität“ implizierte und sich in den siebziger Jahren in einem verstärkten Interesse an den indigenen Kulturen ausdrückte.71

Die Kunst, die auf den Bühnen der Festivales de Oposición präsentiert wurde, hatte einen politischen Anspruch, wollte ihr „emanzipatorisches Potential“ nutzen und zum Mittel der Veränderung werden.72 Der Künstler Felipe Ehrenberg beschreibt die bestehende Kunst in seiner Installation im öffentlichen Raum als systemkonforme „Rechtfertigung“ und wollte „Kunst nach eigenen Kriterien“ (Abb. 1.4 El arte según yo) neu definieren. torial Ariels: Barcelona 1999, 86; Stuart Hall; Tony Jefferson: Resistance through Rituals. Youth subcultures in Post-war Britain, Routhledge: London 2004.

69 Vgl. Olivier Debroise; Alvaro Vázquez Mantecón: La era de la discrepancia. Arte y cultura visual en México, 1968–1997, UNAM: México D. F. 2007, 58; Eric Zolov: Refried Elvis. The Rise of Mexican Counterculture, 1999 University of California: Berkley, 177.

70 Vgl. Stuart Hall; Jonathan Rutherford (Hg.): Identity: Community, Culture and Dif-ference, Lawrence and Wishart: London 1990, 228.

71 Frantz Fanon: The wretched of the earth, Grove Press: New York [1961] 2004, 210; Hall: Identity: Community, Culture and Difference, 1990: 224. [eigene Übersetzung] Allerdings warnte Rudolfo Stavenhagen vor der möglichen Aneignung der cultura popular durch die Institutionen und die Vermarktung traditioneller und indigener Kunst. Vgl. Rudolfo Stavenhagen et al.: La cultura popular, Premiá Editores: Méxi-co D. F. 1983, 27.

72 Vgl. Jacques Rancière: Ist Kunst widerständig? Merve Verlag: Berlin 2008, 37–90, 37.

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Angelehnt an das Verständnis des Philosophen Jacques Rancière werden in dieser Arbeit Kunst und Politik nicht als voneinander getrennt existierende Wirklichkeiten verstanden. Politik entsteht für Rancière im Dissens, wenn die herrschende Ordnung mit einer anderen Wahrnehmung konfrontiert und dabei gebrochen wird.73 Kunst ist kein Abbild der Gesellschaft, sondern ist Raum für Neugestaltung und produziert Wirklichkeit.74

Kunst ist nicht aufgrund ihrer Botschaft politisch, sondern weil sie zu einer spezifischen Zeit und in einem bestimmten Raum Akteur/innen und Erfahrungen sichtbar macht, die mit anderen Formen der Erfahrung über-einstimmen oder mit ihnen brechen.75 In Mexiko gelang es den politisierten Künstler/innen durch Provokationen und bewusste Grenzüberschreitungen, die starren Formen und Moralvorstellungen auch in der Linken aufzu-sprengen und so ein spielerisches, lustvolles Element in die Politik zurückzubringen. Da die politisierten Künstler/innen die politische Linke an ihren konkreten Handlungen maßen, kehrte eine neue Klarheit oder „Authentizität“76 in die politischen Kreise zurück.

Die politische Kunstströmung der Festivales de Oposición , die hier im Detail analysiert wird, ist der Canto Nuevo Latinoamericano , der die lateinamerika-nische Ausprägung der internationalen New Folk Musik ist. Bis 1980 wurde ausschließlich New Folk und Canto Nuevo Latinoamericano auf den Festivalbühnen gespielt. Diese Musikrichtungen erfreuten sich großer Popularität, da sie die Leitideen der politischen Bewegungen in eine „hoch emotionalisierte musikalische Form“ übersetzten und als „akustischer 73 Vgl. Jens Kastner: Der Streit um den ästhetischen Blick. Kunst und Politik zwischen Pierre Bourdieu und Jacques Rancière, Turin & Kant: Wien 2012, 32f.

74 Maria Muhle: Einleitung: In: Jacques Rancière: Die Aufteilung des Sinnlichen. Die Politik der Kunst und ihre Paradoxien, b_books: Berlin 2006, 7–20, 7.

75 Jacques Rancière: Die Aufteilung des Sinnlichen. Die Politik der Kunst und ihre Paradoxien, b_books: Berlin 2006, 77.

76 Sven Reichardt fasst Authentizität als Oberbegriff für das Streben nach Autono-mie, Selbstbestimmung, Subjektivität und Natürlichkeit der Linken in den siebziger Jahren zusammen. Vgl. Sven Reichardt: Authentizität und Gemeinschaft. Linksal-ternatives Leben in den siebziger und frühen achtziger Jahren, Suhrkamp: Berlin 2014, 221f.

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Brandbeschleuniger“ einen Einstieg in Bewegungen ermöglichten.77 Welche Rolle spielte die Musik bei der Vernetzung auf den Festivals? War sie ein „kul-turelles Nebenprodukt“ politischer Beziehungen oder war die Musik eine internationale Übersetzungsleistung oder gar „Movens“, welches die Menschen zur Teilnahme bewegte und motivierte?

Bis heute firmiert die Musikrichtung des Canto Nuevo Latinoamericano unter vielen Namen, wie Canto de Protesta (Protestlieder), Canto Comprometido beziehungsweise Canto Militante (Engagierter Gesang), Nueva Canción (Neue Lieder) oder Nuevo Folclore (Neue Folklore). Beim ersten Treffen internationaler Folkmusiker/innen, 1967 in Havanna, wandten sich die Künstler/innen gegen den Begriff Canto de Protesta , da er die neue Strömung auf den Protest reduziere und dies von der US-Regierung in diffa-matorischem Sinne hätte genutzt werden können.78 Im Folgenden verwende ich die Begriffe Canto Nuevo und Nueva Canción , da sie sich in der Literatur durchgesetzt haben und über den politischen Gehalt hinaus auf das Neuartige der Musikströmung verweisen. Wenn es um die spezifischen Bewegungen in einzelnen Ländern geht, bezeichne ich sie mit ihrem vollständigen Namen, wie Nueva Canción Chilena, Nueva Trova Cubana et cetera.79 Quellen

Bei der Untersuchung der Festivales de Oposición habe ich sowohl schrift-liche Quellen als auch Audioaufnahmen herangezogen. Zu den schriftlichen 77 Max Lill: The whole wide world is watchin’. Musik und Jugendprotest in den 1960er Jahren. Bob Dylan und The Greateful Dead, Archiv der Jugendkulturen: Berlin 2013, 17; Stefan Michael Newerkla, Fedor B. Poljakov, Oliver Jens Schmitt: Einleitung, in: Dies. (Hgg.): Das politische Lied in Süd- und Osteuropa, Lit Verlag: Wien 2011, 7–8.

78 An diesem Treffen nahmen Musiker/innen aus 19 Nationen teil. Vgl. Cornelius Schlicke: Tonträgerindustrie und Vermittlung von Livemusik in Kuba. Populäre Musik im Kontext ökonomischer Organisationsformen und kulturpolitischer Ideen, Lit-Verlag: Berlin 2007, 38.

79 Zur Begrifflichkeitsdebatte siehe Rodrigo Morales; Jorge Juffresa: Reflexiones sob-re el Canto Nuevo. In: Juan S. Garrido: ¿Qué onda con la música popular mexicana? México D. F. 1983; Ediciones del Museo Nacional de Culturas Populares: México D. F., 94–100; Pablo Vila (Hg.): The Militant Song Movement in Latin America. Chile, Uruguay and Argentina, Lexington Books: New York 2014, 4.

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Quellen gehört neben den Monografien zur Parteigeschichte und den Biografien und Autobiografien der PCM-Mitglieder auch die Analyse der linken Presse, die über die Festivales de Oposición berichtete. Dazu wurden die PCM-Zeitung Oposición und die ersten Ausgaben der Nachfolgezeitung ¡Así Es! (1982–1987) sowie die Parteizeitschrift El Machete (1980–1981) ausgewertet.

Die PCM-Tageszeitung Oposición ging 1974 aus der Monatszeitschrift Oposición hervor, um tagesaktuell berichten und kommentieren zu können. Allerdings gab es im Untersuchungszeitraum Probleme bei der Finanzierung der Zeitschrift und der Bezahlung der Mitarbeiter/innen, weshalb die Zeitung von Frühjahr 1978 bis Herbst 1979 wieder wochenweise statt tage-weise erschien. Außerhalb der Hauptstadt war es nicht überall einfach, die Zeitung der PCM zu beziehen, da sie zunächst noch über kein festes Vertriebsnetz verfügte, was sich im Untersuchungszeitraum jedoch in den größeren Städten rasch besserte.80

80 Marcos Leonel Posadas erinnerte sich ferner an einige Druckereiwechsel, die sich wegen Streitigkeiten kurzfristig ergaben. Das war zum Beispiel direkt nach dem ersten Festival de Oposición der Fall. Posadas musste am letzten Festivaltag eine neue Druckerei suchen, weshalb diese Ausgabe mit leicht veränderten Farben er- Abb. 1.4 Felipe Ehrenberg: El Arte según yo. Chapultepec 1979.

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Die Gründung der Monatszeitschrift El Machete war ein innovativer Versuch, plurale Meinungen und kontroverse Themen abzubilden sowie neues Design zu erproben. Die Zeitschrift richtete sich an ein junges Publikum. El Machete gab dem reformorientierten Flügel der Partei eine Stimme, publizierte Diskussionsbeiträge internationaler, marxistischer Autor/innen und Dissident/innen aus den osteuropäischen Ländern. Ihre Beiträge trugen zu den Kontroversen in der Partei bei, weshalb die Zeitschrift in der Partei umstritten blieb und ihr Erscheinen im Juli 1981 ohne vorherige Ankündigung eingestellt wurde. Ferner wurden linke Zeitschriften analy-siert: die Tageszeitschrift El Día (1963–fortlaufend) und die Zeitschrift Cuadernos del Tercer Mundo (1976–1986), die dem progressiv-nationalen Flügel der PRI zuzuordnen sind sowie die unabhängige Tageszeitung Uno más uno (1977–fortlaufend) und die Zeitschriften Estrategia (1974–1993) und Cuadernos Políticos (1974–1990).81

Darüber hinaus stütze ich mich auf die Auswertung von Dokumenten aus dem Parteiarchiv der PCM, dem Centro de Estudios del Movimiento Obrera y Socialista (CEMOS), das auf Betreiben von Arnoldo Martínez Verdugo ge-gründet wurde und dessen Sammlungen unter anderem offizielle Dokumente, Plakate und Fotografien der PCM und der PSUM im Zeitraum von 1907 bis 1990 enthält. In der parallelen Auswertung von Parteidokumenten und Parteipublikationen wurde deutlich, dass die Parteidokumente zwar detail-lierte Informationen enthielten, diese Dokumente jedoch laut Berichten von schien. Leider erinnerte er sich nicht mehr an den Grund für den Druckereiwechsel. Vgl. Interview mit Marcos Leonel Posadas in Tlalpan, Mexiko-Stadt am 21.02.2014.

81 Cuadernos del Tercer Mundo wurde vom Centro de Estudios Económicos y Soci-ales del Tercer Mundo herausgegeben, das von Luis Echeverría gegründet wurde und seine Politik der Öffnung gegenüber den Ländern der sogenannten „Dritten Welt“ dem mexikanischen Publikum vermittelte. Estrategia war eine unabhängige, zweimonatig erscheinende Zeitschrift, deren Analysen dem progressiven Nationa-lismus und Cardenismus verbunden waren. Cuadernos Políticos wurde von Neus Espresate gegründet und war eine parteiunabhängige, marxistisch ausgerichtete Zeitschrift, in der linke Intellektuelle unterschiedlicher Strömungen schrieben, de-ren gemeinsamer Nenner die Kritik am Stalinismus und zum Teil auch am Leninis-mus war. Sie wurde schon bald zu einer bedeutenden theoretischen Zeitschrift der lateinamerikanischen Linken. Vgl. Illades: El marxismo en México, 2018 (Ebook: Kap. 7 Las revistas teórica-políticas).

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Zeitzeug/innen meist von der Parteileitung genehmigte Versionen der Protokolle waren, also die Auffassung der Parteiführung darstellten.

Des Weiteren habe ich Dokumente des Archivo General de la Nación (AGN) eingesehen, in dem die Geheimdienstakten und Fotos der Dirección Federal de Seguridad (DFS) lagern. Tatsächlich geben die Mitschriften der DFS eine weitere Perspektive auf die Festivals wider, da die Mexikanische Kommunistische Partei auch nach ihrer Zulassung weiterhin vom Staat über-wacht wurde. Zwar nahmen im Untersuchungszeitraum die Festnahmen von Parteimitgliedern, die Durchsuchung von Parteilokalen et cetera ab, jedoch zeugen die zahlreichen Geheimdienstdokumente über die PCM nach 1977 von ihrer kontinuierlichen Beobachtung auch als legale Partei. Seit 2002 sind die Geheimdienstunterlagen der DFS und ihrer Nachfolgeinstitutionen im AGN öffentlich zugänglich, wobei jedoch an der Vollständigkeit der DFS-Akten gezweifelt wird.82 Der mexikanische Geheimdienst verfügte über ein Karteikartensystem, das von 1947–1991 benutzt wurde und 60–80 Millionen Karteikarten enthielt, die drei bis vier Millionen Akteur/innen (Personen und Institutionen) erfassten.83 Auf Karteikarten wurden Personen- und Sacheinträge vorgenommen, die Namen, Rufnamen, Funktion, wichtige Daten und eine Identifikationsnummer beziehungsweise Verweise auf andere Akten enthielten. Aus den gesammelten Karteikarteninformationen wurden Berichte der Agenten an den Geheimdienstchef oder Berichte des Geheimdienstchefs an politische Funktionsträger verfasst.84

Ein Schwachpunkt des DFS war die schlechte Analyse der erhaltenen

82 Im Jahr 2003 berichteten verschiedene Medien über Unregelmäßigkeiten im Ar-chiv und das Fehlen einiger Akten zu den Geheimdienstaktivitäten während des schmutzigen Krieges. Der Historiker Fritz Glöckner hat darüber den Roman „Ce-menterio de Papel“ geschrieben, der später unter demselben Titel verfilmt wurde. Zu den Schwierigkeiten der Strafverfolgung vgl. Sergio Aguayo Quezado; Javier Tre-viño Rangel: El Piadoso Olvido: El PAN y los derechos humanos. In: Arturo Alvara-do; Mónica Serrano (Hgg.): Seguridad nacional y seguridad interior, El Colegio de México: México D. F. 2010, 332–357; Fritz Glockner: Cementerio de Papel, Edicio-nes B: México D. F. 2007.

83 Seit 1999 wurde das System digitalisiert. Vgl. Sergio Aguayo Quezada: La charola . Una historia de los servicios de intelegencias en México, Grijalbo: México D. F. 2001, 24.

84 Vgl. Aguayo Quezada: La charola, 2001: 25f.

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Information, die sich meist auf Beschreibungen beschränkte und deren Auswahl häufig unklar bleibt. Das PCM-Mitglied Joël Ortega berichtete im Interview, dass die Akte über ihn circa 2 000 Berichte umfasse, die jedoch relativ wenig relevante Informationen enthielt.85 Er nannte die DFS einen schlecht organisierten „Geheimdienst auf Sandalen“, da weder alle Infor-mationen korrekt waren noch „sie alles wussten, was sie wissen sollten“.86Ausgewertet wurden für diese Arbeit 269 Akten und 318 Karteikarten der Jahre 1977–1982, die unterschiedliche Materialien enthalten: ausführliche Berichte von Geheimdienstmitarbeiter/innen, Meldungen des Geheim-dienstchefs Gutiérrez Barrios und Karteikarten, die Verweise auf die Festivales de Oposición enthielten. Die Lektüre der Geheimdienstdokumente lieferte wertvolle Informationen, zum Beispiel sind dort Publikumszahlen vermerkt, die häufig unterhalb der euphemistischen Angaben der Parteipresse liegen, was eine genauere Annäherung an die Publikumsgröße der PCM-Feste ermöglicht.

Einige Historiker/innen werteten die Polizei- und Geheimdienst-Dokumente in ihren Darstellungen linker Parteien und Guerillas nicht aus, um nicht der staatlichen Perspektive, sondern dem Erleben der Zeitzeug/innen Raum zu geben.87 In dieser Arbeit werden dennoch die Materialien des DFS hinzugezogen, da viele der Zeitzeug/innen, die ich befragte, die Sichtung empfahlen, woraus zu schließen ist, dass sie eine kritische Lektüre, die be-rücksichtigt, dass den Beobachtungen keinesfalls ein neutrales Interesse zugrunde lag, für sinnvoll und wichtig halten.

Da noch viele Zeitzeug/innen der Festivales leben, bot es sich an, diese direkt nach den Ereignissen und Einschätzungen zu fragen. Mit Hilfe der Zeitzeugeninterviews ließen sich die Aussagen der schriftlichen Quellen er-gänzen beziehungsweise kontrastieren. Hieraus ergibt sich die Chance die „Erfahrungsgeschichte“, also die subjektiven, in die eigene Lebensgeschichte 85 Bei der Sichtung der gesammelten Informationen wird die undifferenzierte Sam-melwut der Behörde und ihr Unverständnis für linke Strukturen offenbar. So fand ein Zeitzeuge in seiner Akte Fotos seiner Hochzeit, die er selbst nicht besaß. Inter-view mit Joël Ortega in Tlapan, Mexiko-Stadt am 11.02.2014.

86 Vgl. Aguayo Quezada: La charola, 2001: 230; Interview mit Joël Ortega am 11.02.2014 in Tlapan, Mexiko-Stadt. (eigene Übersetzung)

87 Vgl. Laura Castellanos: México armado 1943–1981, Era: México D. F. 2007, 18.

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eingeschriebenen Erfahrungen in einer auf die Gegenwart bezogenen Rückschau (Bedeutungszuweisung) in den Blick zu nehmen und Einblicke in Referenzpunkte und Normen der Zeit zu erhalten.88 Andererseits ist auch bei der Oral History eine Quellenkritik notwendig, da das Gedächtnis selektiv re-gistriert und die Erinnerungen der Zeitzeug/innen sich widersprechen können. Die schriftlichen Quellen habe ich mit Audio-Materialien ergänzt. Dazu gehören die Mitschnitte der Radiosendung des ersten Festivals aus dem Privatarchiv von Prof. Pérez Montfort sowie Schallplatten und Musik-CDs der hier untersuchten Musikgruppen.

Ferner hatte ich das Glück, 19 qualitative Interviews mit Zeitzeug/innen im Zeitraum 2010 bis 2014 in Mexiko-Stadt und Berlin führen zu können, die an einem oder mehreren Festivales de Oposición teilgenommen hatten und mich an Freunde und Bekannte weiterempfahlen. Die Interviews habe ich leitfadengestützt und problemzentriert geführt und die Fragen „so offen wie möglich und so strukturierend wie nötig“ gestellt.89

Die Kernfragen bezogen sich erstens auf die persönliche Motivation der Teilnahme, die eigene Lebenssituation und gegebenenfalls die ausgeübte Funktion auf den Festivals, zweitens auf das konkrete Erleben der Festivals, sowohl im künstlerischen Bereich als auch bei den politischen Debatten sowie die Wahrnehmung von Publikum und Ambiente der Feste und drittens auf den Eindruck von internationaler Vernetzung und das beobachtete Verhältnis von Theorie und Praxis auf den PCM-Festen. Ich habe 16 Personen interviewt, in drei Fällen konnte ich ein Folgeinterview durchführen. Fünf der Interviewpartner/innen waren Frauen und elf Männer. 13 Interview-partner/innen wirkten aktiv an den Festivals mit, indem sie als Künstler/innen auftraten oder sich an der Organisation beteiligten. Um eine multidi-mensionale Sicht auf die Ereignisse zu erreichen, habe ich sieben Interviews mit Personen geführt, die nicht der PCM angehörten, unter ihnen ein 88 Vgl. Aleida Assmann: Erinnerungsräume: Formen und Wandlungen des kulturel-len Gedächtnisses, C.H. Beck: München 1999.

89 Vgl. Andreas Witzel: Das problemzentrierte Interview [26 Aufsätze]. Forum Qua-litative Sozialforschung [Online Journal], Januar 2000/1, digital https://www.qua-litative-research.net/index.php/fqs/article/view/1132/2519.%5D, gesehen am23.07.2020; Jan Kruse: Einführung in die Qualitative Interviewforschung, Reader: Freiburg 2011, 17.

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Historiker und eine Politologin, ein Gewerkschaftler, ein Mitglied des Nicaragua-Solidaritätskomitees und drei Künstler/innen. Die befragten Mitglieder der PCM gehörten verschiedenen politischen Strömungen oder „politischen Generationen“ an, die sich weniger in Jahren bemessen als auf unterschiedliche Politisierungsmomente zurückgehen. Gliederung

Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Nach der Einleitung und der Darstellung von Forschungsperspektiven und Quellenlage werden im ersten Kapitel „¡Dale Fuerza a la izquierda!“ (Gib der Linken Kraft!) geht es um die Einbettung der PCM-Feste in die Politik der Partei. Es beginnt mit einem not-wendigen Rückgriff auf die Auswirkungen, die die mexikanische 1968er-Bewegung gesellschaftlich hatte. Im ersten Abschnitt „‚Von Let it Be‘ bis ‚Wählt PCM!‘“ werden die politischen Auswirkungen von 1968 auf die PCM und ihre 180-Grad-Wende von der Befürwortung des bewaffneten Kampfes bis hin zur Partizipation bei den Parlamentswahlen beleuchtet. In den zwei folgenden Abschnitten geht es um die Reformorientierung der PCM und ihre Wirkung in der Parteipraxis der Festivales de Oposición . In „Somos oposición y alternativa“ (Wir sind Opposition und Alternative) wird analy-siert, wie sich diese Reformorientierung auf die internationale Vernetzung der PCM auf den Festivals auswirkte. Im letzten Abschnitt des zweiten Kapitels „¡Ahora sí hay candidatos del pueblo!“ (Jetzt gibt es Kandidaten des Volkes!) wird die Partizipation der PCM am Parlamentarismus und die daraus resultierenden Veränderungen und ideologischen Debatten der Parteibasis untersucht.

Im zweiten Kapitel „¡Va, es tú festival!“ (Komm, es ist dein Festival) zu-nächst Programm und Organisationsstruktur der Festivals vorgestellt sowie die Konjunktur der PCM-Feste, ihre Veränderungen und Kontinuitäten nach-gezeichnet. Im Abschnitt „Die ‚roten Woodstock-Festivals‘ – Solidarität und Internationalismus“, werden die Feste der PCM mit den politisch-kulturellen Festen anderer kommunistischer Parteien, die ihnen als Vorbild dienten, in Bezug gesetzt und ihre Charakteristika und Grundgedanken, Solidarität und

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Internationalismus, vorgestellt, die die Attraktivität der Feste ausmachten und ihren Erfolg erklären.

Im dritten Kapitel „De una batalla extraordinaria al debate sustancial“ (Von einem außergewöhnlichen Kampf zur substantiellen Debatte) habe ich aus der Vielzahl der Debatten auf den Festivals zwei kontroverse Themen ausge-wählt, die auf allen PCM-Festen diskutiert wurden. Es sind Themen, die neue politische Akteure angestoßen hatten und die in der Detailanalyse Auskunft über das Verhältnis der PCM gegenüber den Bewegungen der neuen Linken geben, die nicht zur Arbeiterklasse gehörten. Dabei ist die sich verändernde Beziehung der PCM zu einer sich global formierenden Bewegung wie dem Feminismus ebenso von Interesse wie der Einfluss der hauptsächlich re-gional agierenden Bewegung der Befreiungstheologie.

Im Abschnitt „Das Private ist politisch!“ werden zuerst die politischen Debatten zu den Themen Gleichberechtigung, Feminismus, Abtreibung und Homosexualität über die fünf Festivaljahre analysiert. Hiernach folgt der Abschnitt „Der Glaube als revolutionäres Werkzeug“, in dem die Diskussionsrunden mit den mexikanischen Befreiungstheologen untersucht werden und das Verhältnis der PCM zu dieser Bewegung in den Blick ge-nommen wird. Ziel ist es hierbei, die politische Praxis der PCM auf den Festivales de Oposición genauer zu bestimmen.

Im vierten Kapitel „Primero la música“ (Zuerst die Musik) wird zunächst die politische Kunst und vor allem die Musik der Festivals vorgestellt. Im Abschnitt „Gefährlicher als ein Guerillero“ wird die auf den Festivals präsen-tierte gegenkulturelle Strömung des Canto Nuevo Latinoamericano genauer untersucht. Im Canto Nuevo Latinoamericano verbanden sich globale Protestthemen mit der Wiederbelebung lokaler Musiktraditionen der Bevölkerung, der cultura popular . Die Lieder des Canto Nuevo Latinoamericano wurden auch für die politische Linke in anderen Teilen der Welt zum Teil ihrer Populärkultur und ihres Erfahrungshorizonts. Im zweiten Abschnitt „Wir besingen das andere Mexiko“ geht es um die Charakteristika und spezi-fischen Produktions- und Konsumbedingungen des Canto Nuevo Mexicano und um ihr Zusammentreffen mit der PCM, da dies für die folgende konkrete Untersuchung von vier Bands auf den Festivales de Oposición entscheidend ist. Ziel ist es hierbei, die Beziehung zwischen gegenkultureller Kunstströmung

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49und Oppositionspartei auch in ihren Kulturkonzeptionen näher zu bestimmen.

Im fünften und letzten Kapitel „Lieder sind Brüder der Revolution – Mexikanische und internationale Musiker/innen auf den Festivals“ werden Repertoire und Per-formance der Musiker/innen von zwei mexikanischen Bands und zwei internati-onalen Interpret/innen analysiert, die kontinuierlich an den PCM-Festen mit-wirkten. Die mexikanischen Musikgruppen Los Folkloristas und Los Nakos werden in den Kapiteln „Con Poncho y Guitarra“ (Mit Poncho und Gitarre) und „¿Soy Nako y qué?“ (Ich bin Nako, na und?) untersucht. Sie wurden ausgewählt, da sie die Bandbreite des Canto Nuevo Mexicano ab-bilden und der Partei unterschiedlich nah standen. Es werden ihre Teilnahme-bedingungen und ihre Darbietungen untersucht und mit Ideologie und Parteipraxis der PCM in Bezug gesetzt.

Im den zwei folgenden Abschnitten „Hombro con Hombro (Schulter an Schulter) – Die Festivalperformance der DDR-Delegationen“ und „Cantar opinando“ (Singend die Meinung sagen) werden die Darbietungen und das Verhältnis internationaler Musiker/innen zur PCM untersucht, um sowohl die Verbindungen der Mexikanischen Kommunistischen Partei in den Ostblock als auch die neuen über die Solidaritätsbewegung hergestellten Beziehungen zum uruguayischen Musiker Alfredo Zitarrosa in den Blick zu nehmen. Hier wird untersucht, wie sich die internationale Vernetzung der PCM auf ihren Kulturveranstaltungen entwickelte, welche Abb. 1.5 Plakat des letzten

Festival de Oposición 1981.

Plakat abgedruckt in: La gráfica política en México, 2012.

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Kulturkonzeption den Veranstaltungen zugrunde lag und ob ein reziproker Kulturtransfer zwischen Partei und Künstler/innen entstand. Eine Detailuntersuchung der Festivales de Oposición ist von Interesse, da diese Veranstaltungen zu Plattformen für internationale Vernetzung, Vermittlung der Reformpolitik und Experimentierfeld einer neuen PCM-Kulturpolitik wurden.

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1 ¡Dale Fuerza a la Izquierda! – Die PCM zwischen 1968 und 1981

Die Abbildungen von drei PCM-Plakaten stehen für die Schwerpunkte dieses Kapitels, die helfen werden, die Festivales de Oposición in die Parteigeschichte einzuordnen. Abbildung 2.1 zeigt ein Wahlplakat der Mexikanischen Kommunistischen Partei von 1979, das wegen seiner Schlichtheit ein Blickfang ist. Es zeigt einen Wecker mit zwei Glocken, der gerade klingelt. Die PCM-Uhr hat keine Stundenanzeige, sondern das Zifferblatt ist mit dem Logo Hammer und Sichel ausgefüllt. „Es ist Zeit“ steht über dem Wecker, Zeit für Hammer und Sichel. Die rote Überschrift forderte auf „Gib der Linken Kraft!“. Im gleichnamigen ersten Teilabschnitt „¡ Dale fuerza a la izquierda !“ wird die Abb. 2.1 Wahlplakat der PCM „Dale Fuerza a la izquierda“, Plakat abgedruckt in: La gráfica política en México, 2012.

Abb. 2.2 Plakat der PCM zum XIX. Parteikongress. Plakat abge- druckt in: La gráfica política en México, 2012.

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PCM-Parteigeschichte nach 1968 und bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1981 vorgestellt. Die PCM war die älteste kommunistische Partei in Lateinamerika, sie gründete sich bereits 1919. Ihre lange Parteigeschichte beginnt in den Zeiten der russischen und der mexikanischen Revolution, gefolgt von einer Etappe der Massenmobilisierungen und Reformen unter dem mexikanischen Präsidenten Lázaro Cárdenas (1934–1940), der die antiimperialistische Politik Mexikos auf eine neue Stufe hob, wodurch sich die Schwäche der marxistischen Linken und der PCM offenbarte, die sich den Dogmen der Sowjetischen Kommunistischen Partei untergeordnet hatten.

Diese Arbeit befasst sich mit der dritten und letzten Etappe ihres Bestehens, die geprägt war von den Folgen des mexikanischen 1968, dem Einfluss des Reformkommunismus auf die PCM und der Partizipation der PCM am mexikanischen Parlamentarismus. Das Wahlplakat bezeugt den radikalen Kurswechsel, den die PCM zwischen 1968 und 1978 vollzog. Nach der staatlichen Repression gegenüber der mexikanischen 1968er-Bewegung hatte sich die PCM radikalisiert und hatte zum Wahlboykott und zur Unterstützung bewaffneter Gruppen aufgerufen. Diese Position wandelte sich jedoch im Zuge der staatlichen Reformen und der parteiinternen Neuorientierung hin zum Wirken als parlamentarische Oppositionspartei. Die Aussagen „Es ist Zeit“ und „Gib der Linken Kraft“ geben die Stimmung wieder, dass es Zeit für politische Veränderungen und die Bündelung linker Kräfte im Kampf gegen die PRI sei.

Abbildung 2.2 wurde anlässlich des XIX. Parteikongresses gedruckt. Es zeigt das Symbol der kommunistischen Bewegung, Hammer und Sichel, die in Schichten übereinander liegen. Das Symbol überdauerte Zeit und Wandel, während die Theorie doch einige Veränderungen erfuhr. „Erneuerung, Demokratie und Sozialismus“ war das Motto des PCM-Kongresses und stand für die Werte der PCM: Eine Partei, die sich für Veränderungen, Demokratie und Sozialismus einsetzt und eine Alternative im PRI-System sein will. Im Abschnitt „ Somos oposición y alternativa “ (Wir sind Opposition und Alternative) wird die interne Reformorientierung der PCM näher untersucht, da sie Auswirkungen auf die internationale Vernetzung der Partei hatte und neue Bündnisse mit reformorientierten kommunistischen Parteien und mit Bewegungen der neuen Linken ermöglichte.

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Die Abbildung 2.3 ist ebenfalls ein Wahlplakat von 1979. Es zeigt eine Gruppe junger Männer, die kämpferisch die Fäuste heben. Vor ihnen steht eine Sammelbüchse und ein Schild erbittet Spenden für den Ende 1978 er-folgreich abgeschlossenen Streik in der Haushaltswarenfabrik Kelvinator.1Unter der Überschrift „Ahora si hay candidatos“ (Ja, jetzt gibt es Kandidaten des Volkes) zeigen sich junge Männer mit kämpferischen und hoffnungs-vollen Gesichtern. Gesellschaftlicher Wandel solle durch die neuen Abgeordneten der PCM ge-schehen: „Ahora si hay candidatos del pueblo“, heißt deshalb der dritte Teilabschnitt dieses Kapitels, da es darin um Debatten und Aktionen der PCM im Parlament geht. Die interne Reformorientierung und die Annäherung der PCM an andere reformorientierte kommunisti-sche Parteien prägten die politischen Diskussionen auf den Festivales de Oposición . Um das Panorama der PCM-Feste zu er-fassen, ist zunächst ein kurzer Rückblick auf die Jahre 1968–1976 unerlässlich, da sich neue politische Akteur/innen und Protestformen formierten, was die politischen Debatten und die Kulturpolitik auf den Festen prägte und beeinflusste.

1 Der letzte erfolgreiche Streik der unabhängigen Gewerkschaft Tendencia De-mocrática erreichte immerhin eine Gehaltserhöhung von 17 Prozent, was die la-chenden Gesichter des Fotos erklärt. Vgl. Kenneth Maffitt: Nueva política social, viejo contrato social: políticas de vivienda y protesta urbana en la periferia de la Ciudad de México, 1960s–1980s. In: Historia, Vol. I, núm. 47, Pontificia Universidad Católica: Santiago de Chile, 01-06/2014, 113–132, 128. Abb. 2.3 Wahlplakat der PCM„Ahora sí hay candidatos del pueblo“ Plakat abgedruckt in: La gráfica política en

México, 2012.

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1.1 „Von ‚Let it be‘ bis ‚Wählt PCM!‘“ Drei Ereignisse – die kubanische Revolution, der Wechsel in der PCM-Führung und die mexikanische 1968er-Bewegung – prägten die Partei nachhaltig und verwandelten sie von einer moskautreuen in eine reformori-entierte kommunistische Partei. Wie die meisten lateinamerikanischen Linken, war auch die mexikanische Linke vom jugendlichen Elan der kubani-schen Revolutionär/innen beeindruckt, der stark mit dem Apparat der institutionalisierten mexikanischen Revolution und den konventionellen Politikformen der PCM kontrastierte. Die kubanische Revolution war eine „radikale Neuheit in der westlichen Hemisphäre“, die zeigte, dass auch in di-rekter Nachbarschaft der USA Revolutionen möglich waren und sie als „konkrete Möglichkeit“ erscheinen ließen.2 Enrique Semo nannte die kubani-sche Revolution ein „bedeutendes Beispiel für Lateinamerika, wichtig für die Unabhängigkeit, die Kuba von den USA erreicht“ hatte.3

In Mexiko mobilisierte die Unterstützung der kubanischen Revolution über die sozialistische Linke hinaus breite Kreise, bis hin zu den progres-siven Kräften innerhalb der PRI, die sich um den Ex-Präsidenten Lázaro Cárdenas im Movimiento de Liberación Nacional (MLN – Bewegung der Nationalen Befreiung) organisierten. Das verbindende Element zwischen MLN und der kommunistischen Linken war der Anti-Imperialismus, was der PCM die Möglichkeit gab, mit progressiven nationalen Kreisen ins Gespräch zu kommen.4 Die PCM unterhielt enge Beziehungen zur Kommunistischen Partei Kubas, die jedoch komplex und wechselhaft waren, da die PCM nicht jede ideologische Wendung der kubanischen Partei mit vollzog und in 2 Vgl. Emir Sader: América Latina en el siglo XXI. In: Atilio Boron; Gladys Lechini (Hgg.): Política y movimientos sociales en un mundo hegemónico. Lecciones des-de África, Asia y América Latina, Clasco: Buenos Aires 2006, digital http://bib-liotecavirtual.clacso.org.ar/ar/libros/sursur/politica/PICdos1.pdf, gesehen am 14.08.2018.

3 Interview mit Enrique Semo am 03.03.2014 in Álvaro Obregón, Mexiko-Stadt.

4 Vgl. Carlos Illades: La inteligencia rebelde, 2012: 34.

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einigen Fragen, wie zum Beispiel in Bezug auf die Fokus-Theorie oder bei der Politik gegenüber Homosexuellen, eine andere Meinung vertrat.5

Ein weiteres einschneidendes Ereignis war 1959 die Absetzung des lang-jährigen Parteigeneralsekretärs Dionisio Encinas. Unter seiner Führung waren die Mitgliederzahlen wegen wiederholter Säuberungen und fehlender parteiinterner Demokratie gesunken und sein Widerwille, die stalinistischen Strukturen der Partei zu überwinden, wurde vor allem von den jungen Mitgliedern aus dem Umfeld der Kunstschaffenden, der Minenarbeiter/innen und der Bahnarbeiter/innen nicht mitgetragen.6 Auf dem XIII. Parteikongress der PCM wurde eine kollektive Führung ernannt und vorher ausgeschlossene Mitglieder kehrten in die Partei zurück. 1963 wurde schließlich Arnoldo Martínez Verdugo zum Generalsekretär der PCM be-stimmt. Mit ihm begann ein „langsamer und ungleichmäßiger Prozess“ der Erneuerung der PCM.7 Bereits 1968 zeichneten sich Veränderungen im Verhältnis zur Sowjetunion ab, da die PCM zu den wenigen kommunistischen Parteien gehörte, die gegen die Invasionen der Sowjetunion in die Tschechoslowakei und später in Afghanistan protestierten.8 Ebenso sprach sich die PCM im Frühjahr 1979 gegen die chinesische Invasion in Vietnam aus.9

Die Ereignisse des mexikanischen 1968 bedeuteten sowohl für die Regierung als auch für die sozialistische Linke eine entscheidende Wende, die die Zeit in „davor“ und „danach“ teilte. Die Erfahrungen und Folgen aus dem mexikanischen 1968 sind für die Untersuchung der Festivales de Oposición zentral, da ihre Organisation erst durch die politischen Reformen 5 Vgl. Elvira Concheiro Bórquez: Los comunistas mexicanos. In: Dies.; Modonessi; Crespo: El comunismo, 2007, 555.

6 Vgl. Carr: Marxism and Communism, 1992: 208; Elvira Concheiro: Notas sobre los debates teóricos-políticos de las izquierdas mexicanas del siglo XX. In: Cari-dad Massón (Hg.): Las izquierdas latinoamericanas. Multiplicidad y experiencias durante le siglo XX, Ariadna Ediciones 2017 (E-Book), 59–76, 71.

7 Vgl. Carr: Mexican Communism 1968–1981,1985: 210.

8 Vgl. Juan Luis Concheiro: En la lucha por la democracia y la unidad de la izquier-da. In: Arnoldo Martínez Verdugo: La historia del comunismo en México, Grijalbo: México D. F. 1983, 321–364, 331.

9 Eduardo Montes Manzano: Los últimos años. In: Arnoldo Martínez Verdugo (Hg.): Historia del comunismo en México, Grijalbo: México D. F. 1985, 365–405, 385.

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der PRI in den siebziger Jahren möglich wurde, die wiederum eine Konsequenz aus der mexikanischen 1968er-Bewegung waren. Die mexikani-sche 1968er-Bewegung kritisierte die Dogmen der traditionellen Arbeiterbewegung und lebte ihnen während des politischen Kampfes demo-kratische Organisationsformen vor, worauf die kommunistische Linke reagieren musste.

Die mexikanische 1968er-Bewegung entstand nach dem gewalttätigen Einsatz von Spezialgruppen und Armee gegen protestierende Studierende, die sich daraufhin im Nationalen Streikrat (CNH – Consejo Nacional de Huelga ) organisierten. Der CNH bestand aus bis zu 200 demokratisch ge-wählten Delegierten und beschloss einen Sechs-Punkte-Forderungskatalog, der neben der Freilassung der Gefangenen und der Aufdeckung der politisch Verantwortlichen für die Repression auch die Abschaffung des Paragrafen 145 (Delikt „soziale Zersetzung“) verlangte.10 Die mexikanische 1968er-Be-wegung war unter den vielfältigen sozialen Bewegungen Mexikos deshalb besonders, da es ihr gelang, auch Menschen aus der Mittelschicht zu mobili-sieren und deren Unzufriedenheit über fehlende Partizipationsmöglichkeiten Ausdruck zu verleihen. Die mexikanische 1968er-Bewegung brach ferner mit den gängigen Konfliktlösungsschemata, da sie einen offenen, transpa-renten Dialog mit der Regierung zur Bedingung machte, statt wie sonst üblich in Geheimverhandlungen mit der Regierung eine Einigung auszuhan-deln, was nicht selten zur Korruption der Verhandlungsführer/innen geführt hatte.

10 Die drei weiteren Forderungen waren: Abschaffung der eingesetzten Einsatz-gruppe Granaderos, die Absetzung des Polizeipräsidenten und die Entschädigung der Angehörigen der Repressionsopfer. Die Paragraphen 145 und 145b (Delikt „so-ziale Zersetzung“) waren ursprünglich zur Spionageabwehr während des Zweiten Weltkrieges eingeführt und bereits in den 1950er-Jahren hauptsächlich gegen die Opposition eingesetzt worden. Vgl. Ramón Ramírez: El movimiento estudiantil de México. Bd. 2, Era: México D. F. 1969; Carlos Monsiváis: El 68. La tradición de la resistencia, Era: México D. F. 2008; Carlos Monsiváis; Julio Scherer: Parte de guer-ra: Tlatelolco 1968, Nuevo Siglo Aguilar: México D. F. 1999; Raúl Álvarez Garín: La estela de Tlatelolco: una reconstrucción histórica del movimiento estudiantil de 68, Grijalbo: México D. F. 1998; Ariel Rodríguez Kuri: Los primeros días. Una expli-cación de los orígenes inmediatos del movimiento estudiantil de 1968. In: Historia Mexicana, 1, 209, 2003, 179–228.

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Transparenz war ein ungewöhnliches Anliegen in einem Staat, der seit mehr als 70 Jahren von einer Partei, der Partido Revolucionario Institucional (PRI – Partei der Institutionalisierten Revolution) regiert wurde. Das politische System in Mexiko beruhte auf der starken Rolle des Präsidenten, einer korporativen politischen Ordnung sowie personellen Abhängigkeits-beziehungen zwischen politischen Akteur/innen (Klientelismus).11 Die mexikanischen Präsidenten verfügten über eine Fülle von Machtbefugnissen, waren gleichzeitig Regierungs- und Staatschef und konnten weder abgesetzt noch wiedergewählt werden. Sie bestimmten ihre Nachfolger per Fingerzeig ( dedazo ). Jorge Caprizo bezeichnete das mexikanische System als ein „Präsidialsystem reinster Prägung“, allerdings schränkten Verpflichtungen gegenüber internationalen Organisationen und realpolitische Allianzen die Machtfülle ein.12

Darüber hinaus wurde die mexikanische Bevölkerung über verschiedene Massenorganisationen, die alle enge Verbindungen zur PRI unterhielten, in das korporative Herrschaftsmodell der Staatspartei eingebunden, das dazu diente, die politische Partizipation der Bevölkerung durch regierungstreue Gewerkschaften, Bauern- oder Unternehmerverbände sowie über die Mitgliedschaft in der Staatspartei kanalisier- und damit steuerbar zu ma-chen.13 Die PRI fungierte dabei als „korporative Integrationsmaschine“ und 11 Vgl. Barbara Schröter: Klientelismus in der Politik Mexikos: Parteien im Vergleich, VS Verlag: Wiesbaden 2011, 6ff.

12 Jorge Carpizo: El presidencialismo mexicano, Siglo XXI: Mexico D. F. [1978] 2002, 29 (eigene Übersetzung); María Amparo Casar nannte das mexikanische System sogar einen „Hyper-Präsidentialismus“, da die Regierung nicht nur ungeteilt und geschlossen agierte, sondern föderale, legislative und judikative Institutionen ihre Interessen der Exekutive zugunsten eines Anreiz- und Privilegiensystems unter-ordneten. María Amparo Casar: Las bases político-institucionales del poder pre-sidencial en México. In: Política y Gobierno, Vol. III, Nr. 1, 01-04/1996, 61–92, 92; Jorge Castañeda: La herencia. Arqueología de la sucesión presidencial en México, Alfaguara: México D. F. 1999; Rodríguez Kuri; González Mello: El fracaso del éxito. In: Erik Velázquez García et al.: Historia General de México, Bd. II, Colegio de Méxi-co: México D. F. 2010, 386–447, 422.

13 Der mexikanische Präsident Lázaro Cárdenas prägte das korporative System in seiner Amtszeit von 1934–1940. Vgl. Ricardo Pérez Montfort: Lázaro Cárdenas, Bd. I, Debate: México D. F. 2018; Cuauhtémoc Cárdenas Solórzano: Cárdenas por Cárdenas, Debate: México D. F. 2016.

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als Bindeglied zwischen den politischen Akteur/innen.14 Innerhalb des poli-tischen Apparates funktionierte das PRI-System ferner über den Klientelismus, bei dem die höhere Instanz Schutz, Geldmittel oder Privilegien vergab und im Gegenzug (politische) Unterstützung oder Gefolgschaft er-wartete.15 Die PRI erreichte durch eine geschickte und flexible Balance von Vereinnahmung und Repression lange Jahre den Konsens sowohl unter den politischen Akteur/innen als auch bei der Mehrheit der mexikanischen Bevölkerung.

Ideologisch präsentierte sich die PRI als Erbin und Hüterin der Ideale der mexikanischen Revolution und etablierte gleichzeitig ein kapitalistisches System im post-revolutionären Mexiko. Die PRI bezog sich verbal zwar auf die soziale Revolution, manipulierte jedoch die populären Schichten in der Realpolitik so weit, dass lediglich limitierte Forderungen, wie Verbesserungen des Lebensniveaus für Arbeiter/innen et cetera, umgesetzt wurden und die Bevölkerung sich ab 1929 in ein korporatives System integrieren ließ.16Héctor Aguilar Camín bezeichnete den konstanten Bezug der PRI auf die me-xikanische Revolution als ihren „Talisman der Legitimität“, durch den sie die Nähe zum Volk simulierte und sich damit progressive Prinzipien aneignete, 14 Vgl. Marianne Braig; Markus-Michael Müller: Das politische System Mexikos. In: Stefan Rinke; Klaus Stüwe (Hgg.): Das politische System in Nord- und Lateinameri-ka: Eine Einführung, VS Verlag: Wiesbaden 2008, 390.

15 Vgl. Luis Carlos Ugalde: Por una democracia eficaz. Radiografía de un sistema político estancado, 1977–2012, Aguilar: México D. F. 2012, 96. Javier Auyero unter-scheidet zwischen der instrumentellen (rationalen) Konzeption des Klientelismus und der auf die Ehre ausgerichteten normativen Konzeption. Javier Auyero (Hg.): ¿Favores por votos? Estudios sobre clientelismo político, Losada: Buenos Aires 1997, 32. Hélène Combes weist in ihrem differenzierten Aufsatz zu Klientelismus darauf hin, dass er nicht ausschließlich in armen Ländern mit Demokratiedefizit vorkomme, sondern vielmehr Teil der politischen Kultur sei. Vgl. Hélène Combes: ¿Dónde estamos con el estudio del clientelismo? In: Desacatos, Nr. 36, 05-08/2011, 13–32, 32; Klaus Schubert; Martina Klein: Klientelismus. In: Dies. (Hgg.): Das Poli-tiklexikon, Dietz: Bonn 2006, 165.

16 Vgl. Arnaldo Cordova: La ideología de la Revolución Mexicana: La formación del Nuevo Régimen, Era: Mexico D. F. 1973, 34.

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um andere Kräfte oder politische Bewegungen, die sich diesen verschrieben, zu diskreditieren.17

Die PRI-Regierungen verstanden sich als Vertreterinnen der revolutio-nären Ideale von Gerechtigkeit, sozialem Frieden und einer besseren Zukunft. Die Abwesenheit eben dieser Ideale verstand die PRI als Beweis für die Notwendigkeit weiterer PRI-Regierungen, welche die revolutionären Ideale verwirklichen sollten. Nach dieser Sichtweise machte die Opposition nicht auf reale Missstände aufmerksam, sondern hatte lediglich die Zielsetzung der PRI nicht verstanden. Wie Jorge Volpi resümierte:

„En este contexto, quien se atreve a protestar porque el ‚futuro mejor‘ no llega nunca, porque los logros proclamados como metas de la revo-lución no son hechos consumados, no está familiarizado con la ideología del régimen, no comparte su visión, no comprende su lógica y es, por tanto, un sedicioso: un enemigo de la patria. La revolución se institucionaliza para que siempre haya meta que cumplir, para que siempre haya problemas que resolver, para que siempre haya de-mandas que atender de otro modo ya no sería una revolución institucionalizada sino un gobierno como cualquier otro.“18

Dementsprechend gab es keine berechtigten Forderungen der Opposition und die Repression der Regierung gegenüber der Studierendenbewegung von 1968 war von Beginn an hart: Neben Verhaftungen gehörten Folter und das Verschwindenlassen (Desapareciones forzadas) politischer Aktivist/innen zu den Repressionsmaßnahmen.19 Die Repressionen gegenüber der 17 Héctor Aguilar Camín: Después del milagro, Edición Cal y Arena: México D. F. 1989, 21 (eigene Übersetzung); Manuel Alejandro Guerrero: México, la paradoja de su democracias, Universidad Iberoamericana: México D. F. 2004, 84.

18 Vgl. Jorge Volpi: La imaginación y el poder. Una historia intelectual del 1968, Era: México D. F. 2006, 31.

19 Das Verschwindenlassen von Personen ist eine Strategie, um die Bevölkerung zu verunsichern und in Angst zu versetzen. 2006 wurde die Internationale Konventi-on zum Schutz aller Personen gegenüber dem Verschwindenlassen von den Verein-ten Nationen verabschiedet und bisher von 97 Ländern unterzeichnet. Laut Kon-vention bedeutet “Verschwindenlassen„ die Festnahme, den Entzug der Freiheit, die Entführung oder jede andere Form der Freiheitsberaubung durch Bedienstete

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1968er-Bewegung betrafen die PCM direkt, da neben den jungen Leuten auch die traditionelle Linke in ihren Fokus rückten. Bereits einige Tage nach den ersten Ausschreitungen im Juli 1968 wurde das Lokal der Parteizeitung der PCM, La Voz de México, von Polizeikräften durchsucht und geschlossen, später wurden auch Mitglieder der PCM festgenommen.

Die Partei wurde in einer offiziellen Pressekonferenz vom damaligen Innenminister Luis Echeverría beschuldigt, für die Ausschreitungen verant-wortlich zu sein, was sie klar zurückwies. Die offizielle Lesart der Ereignisse war die einer von der UdSSR, von China oder Kuba gesteuerten kommunisti-schen Verschwörung („teoría de la conjura“), deren Ziel die Diskreditierung Mexikos und der Boykott der Olympischen Spiele war, die 1968 in Mexiko stattfanden.20 Die PCM wurde jedoch ebenso wie der Staatsapparat von der Größe und Kraft der mexikanischen Studierendenbewegung überrascht. Zwar engagierten sich einige Parteimitglieder im studentischen Streikrat und die PCM schloss sich den Forderungen der Studierendenbewegung an, dominieren oder steuern konnte die Partei die 1968er-Bewegung jedoch nicht.21

Schließlich kulminierte die Repression am 2. Oktober 1968 in einem von der Armee und Spezialtruppen verursachten Massaker bei einer friedlichen Kundgebung auf dem „Platz der drei Kulturen“ in Tlatelolco. Die genaue Anzahl von Verletzten und Todesopfern ist bis heute nicht ermittelt, denn die staatliche Repression hinderte die Angehörigen daran, Vermisstenanzeigen zu stellen. Die Täter/innen gingen straffrei aus. Das Phänomen der des Staates oder durch Personen oder Personengruppen, die mit Ermächtigung, Unterstützung oder Duldung des Staates handeln, gefolgt von der Weigerung, die-se Freiheitsberaubung anzuerkennen oder der Verschleierung des Schicksals oder des Verbleibs der verschwundenen Person, wodurch sie dem Schutz des Gesetzes entzogen wird. Vgl. Homepage der Schweizer Regierung: Internationales Überein-kommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen, digital https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20131494/index.html, gesehen am 20.01.2020.

20 Monsiváis; Scherer: Parte de Guerra, 1999: 135f.; Héctor Jiménez Guzmán: El 68 y sus rutas de interpretación. Una historia sobre las historias del movimiento estudi-antil mexicano, Fondo de Cultura Económica: México D. F. 2018, 39–80.

21 Vgl. PCM: La capital de la República, El Día 02.08.1968. Abgedruckt in: Ramírez: El movimiento estudiantil in México, Bd. 2, 2008: 29–32.

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Straffreiheit (Impunidad) bildet in Mexiko ein Kontinuum bis in die heutige Zeit, welche das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen mini-miert und ein Klima von Ohnmacht erzeugt.22

Durch die 1968er-Bewegung erweiterte sich das Panorama der Linken, junge Aktivist/innen kamen hinzu, neue marxistische und sozialistische Bewegungen entstanden an den Universitäten und Hochschulen. Linke Utopien und marxistische Klassiker wurden an Schulen und Universitäten „wiederentdeckt“, breit rezipiert und neu interpretiert. Nach Kuba erprobte Chile einen eigenen Weg zum Sozialismus, marxistische Kategorien boomten in Lateinamerika und wurden zum Beispiel in der Dependenz-Theorie, Fokus-Strategie oder Befreiungstheologie weiterentwickelt und an die lo-kalen Bedingungen angepasst.23 Carlos Monsiváis beschrieb das wie folgt:

„El movimiento estudiantil de 1968 y sus desenlaces trágicos el 2 de octubre recuperan o inauguran el interés por el marxismo e intensi-fican los saberes muy especializados de la doctrina. También, el conocimiento, las más de las veces elemental, de la teoría que funciona como visión unificada de la sociedad y del procesos internacional. Un sector numeroso, la mayoría activistas del movimiento estudiantil, siente la obligación de acercarse a los clásicos del pensamiento socia-lista. Se extienden los círculos de estudio, algunos se aventuran en (lo que resultan) las perplejidades de El Capital, en algunas facultades se escudriña a los franceses (Althusser principalmente) y se apegan al

22 Seit langem dient das staatliche Massaker von 1968 zur Erklärung der Charakte-ristika und Kontinuität staatlicher Gewalt gegenüber der Bevölkerung, die sich jen-seits des legalen Rahmens bewegt. Vgl. Carlos Montemayor: La violencia de estado en México. Antes y después de 1968, Debate: México D. F. 2010; Sergio Aguayo: De Tlatelolco a Ayotzinapa. Las violencias del estado, Sextil Online: México D. F. 2015; Nina Lawrenz, Tanja Wälty (Hgg.): Después de Ayotzinapa, Edition Tranvia/Walter Frey: Berlin 2017.

23 Beispielhaft vgl. Ruy Mauro Marini: Dialéctica de la dependencia, Era: México D. F. 1973; Gustavo Gutiérrez: Teología de liberación, perspectivas, CEP: Lima 1971; Régis Debray: Revolution in der Revolution? Bewaffneter Kampf und politischer Kampf in Lateinamerika, Trikont Verlag: München 1972.

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Anti-Dühring de Engels y El Estado y la revolución de Lenin y, más tarde, a los Manuscritos económicos filosóficos de Marx.“24

Zur mexikanischen 1968er-Bewegung hatte die PCM ein ambivalentes Verhältnis, da sich diese Bewegung unabhängig formiert hatte und in Abgrenzung zur traditionellen Linken, wie der PCM, agierte, die sie als zu wenig radikal empfand. Die Studierendenbewegung von 1968 bewirkte eine Radikalisierung der mexikanischen Linken und „begünstigte die Erosion der limitierten – aber realen – Hegemonie der PCM und generell der nationalisti-schen Linken […], die sich auf die Ideologie des Regimes der mexikanischen Revolution beriefen“, da die PRI nach der Repression nicht mehr glaubwürdig war und die traditionell hierarchischen Politikformen der Linken durch den Kontrast mit jungen Revolutionen, ihren neuen politischen Akteur/innen und demokratisch-partizipativen Organisationsformen antiquiert und über-holt erschien.25

Der PCM-Parteisekretär Arturo Martínez gab an, dass die Mitgliederzahlen der PCM 1968 stark zurückgingen und auch ihr Jugendverband deutlich an Mitgliedern verlor, weil die PCM nun nur noch eine Option unter vielen sozia-listischen und marxistischen Gruppen war und weil auch die fehlende innerparteiliche Demokratie und der Paternalismus der Parteikader einige junge Mitglieder dazu brachten, sich wieder von der PCM abzuwenden.26 Die radikalisierten Jugendlichen sahen die Partei als reformistisch und bürokra-tisch an und wollten verhindern, dass sie die Proteste vereinnahmte.27

Im Streikrat der Studierendenbewegung waren zwar einige der bedeu-tenden Sprecher/innen wie Marcelino Perelló und Eduardo del Valle in der PCM organisiert; andere jedoch, wie Raúl Alvarez Garín, Angel Verdugo oder Rafael Talamante, hatten die PCM 1968 bereits wieder verlassen. Der 24 Carlos Monsiváis: Historia minima de la cultura mexicana en el siglo XX, El Colegio de México: México D. F. 2010, 246–247.

25 Arturo Anguiano: Entre el pasado y el futuro. La izquierda en México 1969–1995, UAM Xochimilco: México D. F. 1997, 25. (eigene Übersetzung)

26 Vgl. Arturo Martínez Nateras: Punto y seguido: Crisis en el PCM?, Ediciones del Autor: México D. F. 1980, 10; Christopher Domínguez: Los cachorros y la revolu-ción. In: El Machete, Nr. 11, 03/1981, 30–33, 30.

27 Vgl. Castellanos: México armado 1943–1981, Era: México D. F. 2007, 171.

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Zuschreibung der PRI-Regierung zum Trotz war die PCM weit davon ent-fernt, die studentische Mobilisierung von 1968 steuern zu können.28 Das Jahr 1968 offenbarte, wie sich Rául Álvarez Garín erinnerte, eine „Krise der mexi-kanischen Opposition, da sie nicht die Kapazität hatte, auf der Höhe der Forderungen der 1968er-Bewegung zu agieren.“29 Erst nach dem Massaker vom 2. Oktober 1968 gewann die Position der PCM an Gewicht, sie beendete den Streik, obwohl noch keine ihrer Forderungen erfüllt worden war. Dabei stimmten die Positionen der Parteiführung nicht mit dem Standpunkt der Jugendorganisation der PCM überein, was zu Parteiaustritten führte.30

28 Vgl. Carr: Marxism and Comunism,1992: 260f.

29 Raúl Álvarez Garín: Los años de la gran tentación. In: Nexos, 01.01.1988, digital https://www.nexos.com.mx/?p=5034, gesehen am 20.04.2020. (eigene Überset-zung)

30 Ein Protestschreiben an die PCM unterzeichneten die inhaftierten Kommunisten Eduardo del Valle, Florencia López Osuna, Servando Dávila Jiménez, Emilio Cama-rillo Enrique und Carlos Vázquez. Vgl. PCM: Carta, El Día 11.12.1968. Abgedruckt in: Ramírez: El movimiento estudiantil in México, Bd. 2, 2008: 533f.; weitere Aus-züge bei Gerado Peláez Ramos: El movimiento estudiantil y los comunistas (1963–1968), digital http://www.lahaine.org/b2-img10/pelaez_6368_4.pdf, gesehen am 20.04.2020; Eduardo Valle: Escritos sobre el movimiento del 68, México, UAS: Si-naloa 1984, 136ff.

Abb. 2.4 LP-Cover vom ersten Festival-Mittschnitt. La estrella roja,

1978.

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In der Folge von 1968 rang die PCM darum, die Erfahrungen mit einer spontan entstandenen starken Protestbewegung zu verarbeiten. Sie schloss sich der Kritik der Studierendenbewegung an der PRI an, die nun auch in PCM-Kreisen als nicht reformierbar galt. Diese Trennung der kommunisti-schen Linken vom Staat war ein bedeutender Paradigmenwechsel, da bis zu den Ereignissen von 1968 für die mexikanische Linke (und auch internati-onal) die mexikanische Staatspartei als Vertreterin revolutionärer Ideale und als Regime galt, in dem die „Revolution zur Regierung“ geworden war.31Barry Carr gab über das neue Verhältnis zwischen Staatspartei und sozia-listischen Linken an:

„By the mid-seventies the bulk of the socialist left finally consolidated it painfully achieve declaration of independence from the state: the road to socialism no longer passed through the Mexican Revolution.

Radical and revolutionary now opposed a despotic state and its corpo-ratist net in which worker and peasant organizations were snared.“32

Aus der Analyse der Unterdrückung im PRI-Staat ergab sich, dass sich die kommunistische Linke und damit auch ihre Politik stets in Abgrenzung zur PRI-Politik definierte. Jedoch war es gerade für sozialistische Parteien schwer, sich vom revolutionären Nationalismus abzugrenzen. Traditionell „linke“ Themen, wie zum Beispiel die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen oder Solidarität mit den revolutionären Bewegungen in der kapitalistischen Peripherie, wurden bereits von der PRI bedient. Armando Bartra beschrieb das als Identitätsproblem der mexikanischen Linken:

„En un país así ser de derecha era sencillo: bastaba colocarse en la oposición al régimen. En cambio en el reino de la revolución instituci-onalizada la izquierda siempre tuvo problemas de ubicación y de identidad, sobre todo aquella que no alineaba con el ‚nacionalismo

31 Vgl. José Revueltas: Ensayo sobre un proletario sin cabeza, Era: México D. F. 1987, 81f. (eigene Übersetzung)

32 Carr: Marxism and Communism, 1992: 225.

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revolucionario‘, la corriente política usufructuaria del proyecto refor-mista derivado de la insurrección de 1910.“33

Die PRI reagierte nach 1968 auf das auch international sichtbar werdende Fehlen von Demokratie mit Reformprogrammen. Die zwei folgenden mexika-nischen Präsidenten, Luis Echeverría (1970–1976) und José López Portillo (1976–1982), versuchten mit ihren Reformen der politischen Öffnung ( apertura política ) und der politischen Reform ( reforma política ) die mexika-nische Staatspartei nach der Repression gegenüber der 1968er-Bewegung zu re-legitimieren und als politisches Zugeständnis gegenüber der Bevölkerung mehr demokratische Mitbestimmung als Teil einer „neuen poli-tischen Kultur“ zuzulassen. Soledad Loaeza beschrieb die Wechselwirkung zwischen den studentischen Forderungen und dem Ansehen der PRI wie folgt:

„En 1968 los estudiantes desnudaron con tanta eficacia y casi natural-mente el autoritarismo, hasta entonces revestido en el crecimiento económico y conformismo, que su movilización fue el primer paso hacia el desmantelamiento de uno de los aspectos centrales de este régimen: la no participación.“34

Für Luis Echeverría war es zunächst wichtig, sich als Präsident von seinem Vorgänger Gustavo Díaz Ordaz und der staatlichen Repression abzusetzen.35Seine Reformen der „demokratischen Öffnung“ sahen eine Erhöhung des 33 Armando Bartra: La utopía posible. México en vilo: de la crisis del autoritarismo a la crisis de la democracia (2000–2008), Editorial Itaca: México D. F. 2011, 84.

34 Soledad Loaeza: México 1968, los orígenes de la transición. In: Foro Internacional, Vol. XXX, 1(117), 07-09/1989, 66–92, 71, digital https://forointernacional.colmex.mx/index.php/fi/article/view/1169/1159, gesehen am 24.04.2020.

35 Echeverría war 1968 Innenminister und damit zuständig für die Repression gegenüber der Studierendenbewegung. Er stritt jedoch seine Beteiligung ab und sah eine Alleinverantwortung von Díaz Ordaz für die Ereignisse in Tlatelolco. Vgl. Castañeda: La herencia, 1999: 41; Vanía Markarian: El movimiento estudiantil me-xicano de 1968. Treinta años de debate público. In: Anuario de Espacios Urbanos, UAM Azcapotzalco: México D. F. 2001, 239–264; Jacinto Rodríguez Munguía: 1968: Todo los culpables, Debate: México D. F. 2008, 166ff.

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Sozial- und Bildungsetats, die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeitenden sowie das Asyl für politisch Verfolgte aus den latein-amerikanischen Militär-Diktaturen vor. Dazu investierte die Regierung Echeverría in Bildung, gründete Universitäten und bot kritischen Intellektuellen und ehemaligen studentischen Aktivist/innen Posten in staatlichen Institutionen oder in den Universitäten an, womit es ihnen gelang, einen Teil der Dissident/innen wieder in das System einzubinden.36Im Zuge der „apertura política“ wurde der Straftatbestand der „sozialen Zersetzung“ (§145, 145b) abgeschafft, politische Gefangene wie Demetrio Vallejo und Valentin Campa freigelassen und die verurteilten CNH-Aktivist/innen konnten aus dem Exil zurückkehren.37

Echeverrías Außenpolitik zielte auf die Diversifizierung der Beziehungen mit den Ländern der sogenannten „Dritten Welt“ ( tercermundismo ), um die Dominanz der USA und die Abhängigkeit gegenüber diesem Handelspartner zu verringern und den mexikanischen Außenhandel zu diversifizieren. Sowohl die Regierung Echeverría als auch die seines Nachfolgers José López Portillo knüpften enge Beziehungen zu linken Regierungen, beispielsweise zur Regierung Salvador Allendes in Chile oder zu den Sandinisten in Nicaragua. Nach dem Putsch gegen Allende gewährte Echeverría chileni-schen Sozialist/innen Asyl und holte Menschen nach Mexiko, deren radikale Ideen bei mexikanischen Linken verfolgt worden wären. López Portillo enga-gierte sich ebenfalls für die Befreiungsbewegung in Zentralamerika und wurde für seinen Ausspruch „Mexiko verteidige die nicaraguanische Sache 36 Viele ehemalige Aktivist/innen begannen, an den neu gegründeten Universitä-ten, wie der Universidad Autónoma Metropolitana, zu arbeiten. Vgl. Daniel Cosio Villegas; Pablo Escalante Gonzalbo: Nueva historia mínima de México, Colegio de México: México D. F. 2004, 286.

37 Den CNH-Mitgliedern wurden bis zu zehn unterschiedliche Delikte wie Mord, Raub, Widerstand, Rebellion etc. zur Last gelegt. Alle Aktivist/innen wurden zu hohen Haftstrafen von bis zu 28 Jahren verurteilt. Vgl. Álvarez Garín: Estela, 1998: 207ff. Die Verteidigungsreden der CNH-Angeklagten sind nachzulesen bei: Eduar-do Valle, Raúl Alvarez Garín; Carolina Verduzco; Ileana Chávez et al.: Tiempo de Hablar. Alegatos de Defensa, Comité 68 Pro Libertades Democráticas: México D. F. 2008.

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als sei es seine eigene“ bekannt.38López Portillo reiste 1979 in die UdSSR und nach Bulgarien und unterzeichnete 1981 gemeinsam mit François Mitterrand eine Erklärung, um die linke salvadorianische Guerilla als Akteurin im Konflikt anzuerkennen.

Da Ende der siebziger Jahre Erdöl in Mexiko entdeckt wurde, konnte die Regierung López Portillo eine eigenständiger Außenpolitik verfolgen und sich gegenüber der USA souveräner verhalten.39 Die engen Kontakte der PRI-Regierung zu nationalen Befreiungsbewegungen und linken Regierungen bedeuteten für die sozialistische Linke, allen voran die PCM, dass sie sich stets von den Positionen der PRI abgrenzen musste. Darüber hinaus war die staatliche Unterstützung der Exilant/innen zu dieser Zeit auf dem amerika-nischen Kontinent außergewöhnlich und machte Mexiko in Kombination mit dem gemeinsamen Sprachraum und der relativen politischen Stabilität für Asylsuchende zum attraktiven „Exilland“ ( tierra de exilio ).40

Die Anzahl der Geflüchteten erreichte in den achtziger Jahren ein bis dahin unbekanntes Ausmaß und bis zu dem Moment, als das Land in eine Rezession 38 Alan Riding: Vecinos distantes. Un retado de los mexicanos, Joaquín Moritz: Méxi-co D. F. 1985, 222. López Portillos Engagement für die internationale Anerkennung der Guerilla in El Salvador galt als Angriff auf die US-amerikanische Hegemonie in der Region. Vgl. Rodríguez Kuri; González Mello: El fracaso del éxito. In: Velázquez García: Historia General de México, 2010: 438

39 Dies zeigte sich auch in den Auseinandersetzungen mit den USA über den Preis der Gaslieferungen aus Mexiko. Als die USA einen Preisnachlass forderten, lehnte López Portillo zunächst ab und gab auch nicht nach, als die USA den höheren Preis bezahlen wollten. Vgl. José Agustín: La tragicomedia mexicana. La vida en México de 1970 a 1988, Editorial Planeta: México D. F.[1997] 2006, 137f., 154.

40 Pablo Yankelevich (Hg.): México, país refugio . La experiencia de los exilios en el siglo XX, Plaza y Valdés: México D. F. 2002: 9; Mitte der siebziger Jahre waren in Lateinamerika lediglich Kolumbien, Venezuela, Costa Rica und Mexiko nicht von Militärjuntas oder Diktaturen regiert. Die Asylsuchenden der siebziger Jahre waren meist gut ausgebildete Personen aus der Mittelschicht, die durch ihre politische oder ethische Haltung in Konflikt mit dem Regime geraten waren. Zur schnellen Eingliederung unterstützte die PRI die Immigrant/innen bei der Haussuche und öffnete für Exilant/innen Posten in den staatlichen Institutionen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft oder in den Medien. Vgl. Eva Salgado, Eugenia Meyer: Un re-fugio en la memoria. Experiencias de los exilios latinoamericanos en México, Océa-no: México D. F. 2002.

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geriet, entwickelte sich Mexiko zu einem der bedeutendsten Aufnahmeländer für Zentralamerikaner/innen neben den USA.41

Durch das Zusammenleben verstärkte sich in Mexiko die Anteilnahme an den Entwicklungen in den lateinamerikanischen Ländern. Zudem intensivierte es die Auseinandersetzung mit der lateinamerikanischen Kultur, dem „Lateinamerikanismus“, der auf den Ähnlichkeiten von kulturellen, sprachlichen und literarischen Elementen basierte.42 Durch die progressive Außenpolitik gelang es den PRI-Regierungen Echeverría und López Portillo, obwohl sie kontinuierlich Partner der USA im Kalten Krieg blieben, sich als „unabhängiger, nationalistischer und demokratischer sowie weniger anti-kommunistisch“ zu geben, als sie in Wirklichkeit waren.43

Zeitgleich mit den Reformen setzte die Regierung Echeverría jedoch auf Repression gegenüber Protestbewegungen, zum Beispiel bei der ersten stu-dentischen Mobilisierung nach dem Massaker von Tlatelolco. Der friedliche Marsch vom 10. Juni 1971, der vom Comité Coordinador (Koordinierungs-komitee CoCo) unter Beteiligung der PCM organisiert war, wurde von der paramilitärischen Gruppe Halcones (Falken) mit Stöcken, Steinen und Pistolen attackiert. Die genaue Anzahl verletzter und toter Demonstrant/innen ist bis heute unbekannt und willkürliche Verhaftungen, Folterungen, Verschleppungen und Mord gehörten zum „schmutzigen Krieg“ von 41 Es kamen ca. 10 000 südamerikanische Geflüchtete nach Mexiko. Über die Anzahl der zentralamerikanischen Geflüchteten existieren unterschiedliche Angaben. Vgl. Hans Wollny: México y el reto del asilo: una visión desde afuera. In: Boletín de De-recho Mexicano Comparado, Nr. 69, 05-08/1990, Nueva Serie Año XXIII, 976–1002, 987ff. Infolge der Rezession wurde die Immigrationspolitik restriktiver. Eine staat-liche Verordnung schrieb nun ein Verhältnis von mindestens 51 Prozent mexika-nischen zu 49 Prozent ausländischen Arbeitnehmer/innen in staatlichen Instituti-onen vor. Vgl. Salgado; Meyer: Un refugio, 2002: 192.

42 Vgl. César Benedicto Callejas: La metáfora de un encuentro entrañable. In: Silvia Dutrént Bielous; Fernando Serrano Migallón (Hgg.): El Exilio uruguayo en México, UNAM: México D. F. 2008, 81–86, 81f.

43 Lorenzo Meyer: La guerra fría en el mundo periférico: el caso del regímen autori-tario mexicano. La utilidad del anticomunismo discreto. In: Daniela Spenser (Hg.): Espejos de la Guerra Fría: México, América Central y el Caribe, CIESAS: México D. F. 2004, 95–117, 97f. (eigene Übersetzung)

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Geheimdienst und Armee gegenüber den sozialen Bewegungen und der Bevölkerung.44

Die Parallelität der staatlichen Reform- und Repressionspolitik führte zur Spaltung der mexikanischen Linken. Diejenigen, die an den Reformwillen von Teilen der PRI glaubten, nutzten die Angebote der Regierung und erhielten gut bezahlte Posten in der Wissenschaft, in den Gewerkschaften oder im weit verzweigten Netzwerk der PRI. Intellektuelle wie Carlos Fuentes sahen Präsident Echeverría in einer Frontstellung zwischen der Kritik der Konservativen und der Linken gefangen, die beide die Reformpolitik zu verhindern versuchten. Nach Auffassung dieser Intellektuellen gab es für Mexiko nur die Wahl zwischen den Reformen oder einem autoritären PRI-System, was sich in der Parole „ Echeverría o fascismo “ ausdrückte.45

Der andere Teil der Linken teilte diese Einschätzung nicht und hatte die Hoffnung auf grundlegende Veränderungen im Staatsapparat verloren. Die jungen Aktivist/innen engagierten sich in den neuen sozialen Bewegungen, die sich im Verlauf der siebziger Jahre entwickelten:

„En los 70, tenías que decidir si querías estar en todo el rollo de la apertura democrática, de la reforma política, o si querías irte a los

44 Während Raúl Álvarez Garín von 35 ermordeten Studierenden schrieb, führte Laura Castellanos Regierungsakten an, die von 15 Toten und 85 verletzten De-monstrant/innen ausgehen. Kritiker/innen des Terminus „schmutziger Krieg“ wei-sen darauf hin, dass der systematische Charakter des staatlichen Terrors zur Ein-schüchterung durch den Begriff „Krieg niedriger Intensität“ besser deutlich wird. In dieser Arbeit verwende ich den Begriff, da er sich im Sprachgebrauch in vielen Ländern etabliert hat. Vgl. Álvarez Garín: Estela 1998: 213; Castellanos: México ar-mado 1943–1981, 2007: 179f.; Carlos Monsiváis; Julio Scherer: Los patriotas. De Tlatelolco a la guerra sucia. Nuevo Siglo: México D. F. 2004. Spätestens seit den Recherchen der Sonderstaatsanwaltschaft für staatliche Menschenrechtsverlet-zungen (FEMOSPP) aus dem Jahr 2006 ist zweifelsfrei belegt, dass die Halconesvon der Regierung finanziert und eingesetzt wurden. Vgl. FEMOSPP: Informe His-tórico a la Sociedad Mexicana 2006, digital https://nsarchive2.gwu.edu/NSAEBB/NSAEBB209/index.htm#informe, gesehen am 21.04.2020.

45 Vgl. Héctor Jiménez Guzmán: El 68: las versiones y los usos. Maestría en Historia de México, UNAM: México D. F. 2009, 123ff.

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sótanos de la sociedad a pasarla gacho en el terreno de la resistencia, los caminos estaban totalmente claros.“46

Zu Beginn der siebziger Jahre erfasste eine große Streikwelle Mexiko und machte die Unzufriedenheit der Arbeiter/innen sichtbar. Eine Streikwelle, die „ Insurgencia Obrera “ (Rebellion der Arbeitenden), erfasste zunächst den Energiesektor, die Auto- und Metallindustrie, Fabriken im Bundesstaat Mexiko, Minenunternehmen und schließlich die Arbeiter/innen an den Hochschulen.47 Die Arbeiter/innen forderten bessere Löhne und von der PRI unabhängige Gewerkschaften. Denn das Wirtschaftsmodell der „stabilen Entwicklung“ war an sein Ende gelangt und endete 1976 in einer ökonomi-schen Krise mit hoher Inflation, steigender Auslandsverschuldung und hohen Zahlungsbilanzen. López Portillo schloss einen Vertrag mit dem Internationalen Währungsfond (IWF), was Sparmaßnahmen, Erhöhung der Lebensmittelpreise und Stagnation der Löhne bedeutete.48 Diese Krise wurde Mitte der siebziger Jahre durch die Erdölfunde, die sogenannte „ bonanza pe- trolera “, kurzfristig gestoppt.49

46 Liliana García Sánchez: Judith Reyes. Una mujer de canto revolucionario, México 1925–1988, Planeta: México D. F. 2011, 111.

47 Vgl. Saúl Escobar Toledo: Los últimos años posrevolucionarios y el sindicalismo 1970–2000. In: Carlos San Juan Victoria (Hg.): El XX mexicano. Lecturas de un siglo, Itaca: México D. F. 2012, 83–102, 92.

48 Vgl. Agustín: Tragicomedia Mexicana, 2007, 129–133; Miguel Basañez: La lucha por la hegemonía en México, 1968–1980, Siglo XXI: Mexico D. F. 1979, 155–168.

49 Allerdings entwickelte sich Mexiko im Verlauf der siebziger Jahre zu einem Im-porteur von Lebensmitteln, da die mexikanische Landwirtschaft wenig produktiv wirtschaftete. Waren 1970 noch ca. 48 Prozent der Exportgüter Mexikos landwirt-schaftliche Produkte, so verringerte sich ihr Prozentsatz auf zehn Prozent im Jahr 1980. Da die Importe die Exporte überstiegen, wuchs trotz der Ölvorkommen die Verschuldung des Landes weiter an. Darüber hinaus floss aus den Öleinnahmen zu wenig in den Staatshaushalt und erst 1980 gelang es, nach mehr als zwanzig Jahren, eine Steuerreform auf den Weg zu bringen und eine Mehrwertsteuer ein-zuführen, die jedoch die Armen mehr als die Reichen belastete und in ihren Aus-wirkungen begrenzt blieb. Auch die Initiative SAM erwies sich bereits Ende 1981 als zu bürokratisch und ineffizient und kam zu ihrem Ende, als weniger Budget zur Verfügung stand. Vgl. Basañez: La lucha por la hegemonía en México 1968–1980, Siglo XXI: México D. F.1979, 227; Rodríguez Kuri; González Mello: El Fracaso del

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Die Exportkapazität für Öl verfünffachte sich zwischen 1978 und 1982 und die Auslandsinvestitionen stiegen, was es der Regierung wiederum erlaubte, Investitionen in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Infrastruktur zu tätigen. López Portillo rief das mexikanische Lebensmittelversorgungssystem SAM ( Sistema Alimentario Mexicano ) ins Leben, das die Lebensmittelproduktion ankurbeln und Grundnahrungsmittel an die Landbevölkerung verteilen sollte. Als 1982 die Ölpreise auf dem internationalen Markt fielen, wurde klar, dass sich der bekannte Ausspruch von López Portillo, Mexiko müsse lernen, den „Überfluss zu verwalten“ ( administrar la abundancia ) nicht er-füllen würde.50 Trotz Einnahmen aus der Bonanza Petrolera gelang es López Portillo nicht, die Wirtschaftspolitik effizienter zu gestalten. Die Arbeiter/innen organisierten ihre Proteste in neuen, unabhängigen Gewerkschaften, die enge Kontakte zur PRI unterhielten. Zwischen 1971 und 1976 entstanden mehr als 160 unabhängige Gewerkschaften, die allein 1976 rund 547 Streiks organisierten und ihre Aktivitäten auf mehrere Bundesstaaten ausweiteten.51Die Streiks wurden von Gewerkschaften beziehungsweise Sektionen der Gewerkschaft durchgeführt, die sich der Kontrolle der PRI entzogen und statt die Interessen regierungstreuer Gewerkschaftsführer ( Charros ) zu ver-folgen, eine unabhängige Arbeiterinteressenvertretung sein wollten.52

Éxito, 1970–1985, 2010: 386–447; Fernando Paz Sánchez: La economía agrícola mexicana ¿Sin campesinos?, UNAM: México D. F. 2003,19f.

50 Zwar nahm die Lebenserwartung der Bevölkerung zu, jedoch enthielten die Spar-maßnahmen der Regierung einen scharfen Angriff auf die Reallöhne, während zeit-gleich die Preise der Grundnahrungsmittel zunahmen. Vgl. Hugo Azpeitia; Jonathan A. Fox; Magda Fritscher, Julio Moguel; Blanca Rubio: Historia de la cuestión agraria mexicana. Los tiempos de crisis 1970–1982, Siglo XXI: México D. F. 1990; zu posi-tiven Wirkungen der Bonanza Petrolera vgl. Miguel Reyes; Graciela Teruel; Miguel López: Measuring True Income Inequality in Mexico. In: Latin American Policy, 8/2017, 127–148, 134.

51 Eine ausführliche Schilderung der Gewerkschaftsmobilisierungen, Vereinbarun-gen mit der Regierung und dem Wechsel in der Regierungspolitik findet sich bei Francisco Pérez Arce: El Principio, 1968–1988: Años de rebeldía, Itaca: México D. F, 2007, 99–107; Raúl Trejo Delarbre (Hg.): Crónica del sindicalismo en México (1976–1988), Siglo XXI: México D. F. 1990, 15f.; José Woldenberg (Hg.): Sindicalis-mo y política en México, UNAM: México D. F. 1986.

52 Der Begriff „Charro“ geht auf den Chef der Bahngewerkschaft Jesús Díaz de León zurück, der sich gern als Cowboy oder Charro kleidete. Der „Charrismo“ wurde zum

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Dies war eine schwierige Situation für den korporativen mexikanischen Staat, da die unabhängigen Gewerkschaften in Konkurrenz zu den staatlich gesteuerten Gewerkschaften entstanden.53 Obwohl die regierungstreuen Gewerkschaften über Lohnerhöhungen und soziale Absicherungen für die Arbeiterschaft verhandelten, hatte die Basis keine Entscheidungsrechte. Statt Klassenkampf fand ein Verteilungskampf innerhalb der Arbeiterklasse statt.54 Bereits 1979 bezeichnete Arnaldo Cordova die offiziellen Gewerkschaften als tragende Stützpfeiler des PRI-Systems.55 Die staatlichen Reaktionen auf die autonomen Gewerkschaften waren Repression, die Gründung neuer, regierungstreuer Gewerkschaften und der Versuch, das Arbeitsgesetz zu reformieren, was von den unabhängigen Syndikaten abge-lehnt wurde.56

Synonym für Korruption und die Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaftsfunk-tionär/innen und Regierung. Vgl. Elaine Carey: Plaza of Sacrifice. Gender, Power and Terror in 1968 Mexico, University of New Mexico Press: Albuquerque 2005, 24; Carlos Illades: Las otras ideas: estudios sobre el primer socialismo en México, 1850–1935, UAM: México D. F. 2008; Ilán Bizberg: Estado y sindicalismo en México, Colegio de México: México D. F. 1990.

53 Die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Gewerkschaftsführung bedeutete, dass die Gewerkschaftsführung bei Regierungsentscheidungen dabei war, jedoch über kein Mitspracherecht verfügte. Im Gegenzug beschloss die Regierung eine Sozialpolitik und sicherte Gewerkschaftsfunktionär/innen die Macht, indem die PRI wichtige exekutive Stellen und Posten in Schiedsgerichten, Verwaltungsräten oder dem Kongress mit Gewerkschafter/innen besetzte. Vgl. Hans-Joachim Lauth: Gewerkschaften in Mexiko zwischen Partizipation und Kontrolle. In: Dietrich Brie-semeister; Klaus Zimmermann: Mexiko heute – Politik, Wirtschaft, Kultur, Bd. 56, Biblioteca Iberoamericana/Vervuert: Frankfurt a. M. 1996, 64–78; Bizberg: Estado y sindicalismo, 1990: 122ff.

54 Vgl. José Alfonso Bouzas Ortiz: Democracia sindical en México. In: Nueva Socie-dad, Nr. 169, 09-10/2000, 135–151, 136.

55 Vgl. Arnaldo Cordova: La política de masas y el futuro de la izquierda en México, Era: México D. F. 1979, 35.

56 Der Rektor der UNAM legte 1976 für das Arbeitsgesetz für Staatsangestellte (Ley Federal de los Trabajadores al Servicio del Estado), den „Zusatz C“ (Apartado C) vor. Dieser Artikel war Teil der Verfassung von 1917 und gehörte aus arbeitsrecht-licher Perspektive zu den „progressivsten und fortgeschrittensten der Welt“, leg-te jedoch auch den Grundstein für das korporative Modell. In den unabhängigen Gewerkschaften wurde der Reformvorschlag als Angriff auf das Streikrecht und die gewerkschaftliche Organisierung wahrgenommen, da er die Gründung einer

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Angesichts der Insurgencia Obrera veränderte die PCM ihre Position ge-genüber den Gewerkschaften: Hatte sie diese zuvor als Transmissionsriemen zwischen Arbeiter/innen und Partei begriffen und die Befreiung der Gewerkschaften vom Charrismo an eine radikale Veränderung der Gesellschaft geknüpft, so wollte sie nun die Gewerkschaftsautonomie gegen-über allen politischen Parteien verteidigen, ihrer eigenen eingeschlossen.57Besonders gute Kontakte unterhielt die PCM zu den unabhängigen Gewerkschaften an den Universitäten, wo sich eine politische Gewerk-schaftsarbeit ( sindicalismo político) entwickelte, die auch über eine Massenbewegung für den Sozialismus debattierte.58

Trotz der proklamierten Unabhängigkeit waren die Verbindungen zwischen unabhängigen Gewerkschaften und der sozialistischen Linken zum Teil so eng, dass ihre Aktionen auch von den linken Parteien hätten kommen können. Der Einfluss der PCM manifestierte sich vor allem über eine Strömung, die „ Corriente Roja“ (rote Strömung), andere linke Gruppierungen, wie die trotzkistischen Gruppen, bündelten ihre Sympathisant/innen eben-falls in speziellen Gewerkschaftslisten.59

Einheitsgewerkschaft von akademischen und administrativen Angestellten ver-hinderte und somit zur Schwächung der universitären Gewerkschaft führte. Zu-nächst lehnten die unabhängigen Gewerkschaften den „Apartado C“ geschlossen ab, bald schwand jedoch die Einheit der Gewerkschaften. Trotzdem konnte die Re-form verhindert werden. Vgl. Hans-Joachim Lauth: Mexiko zwischen traditioneller Herrschaft und Modernisierung. Die Gewerkschaften im Wandel von Politik und Wirtschaft (1964–1989), Lit Verlag: Münster/Hamburg 1991, 231. Für einen gu-ten Überblick zu den Wirkmechanismen der Verhandlungen zwischen Staat und Gewerkschaft vgl. Thomas Manz: Gewerkschaften in Mexiko – Fern der Basis, nahe der Macht. In: Barbara Schröter (Hg.): Das politische System Mexikos, Springer VS: Wiesbaden 2015, 315–333; José Woldenberg: Historia documental del SPAUNAM, UNAM: México D. F. 1988, 613–662.

57 Montes Manzano: Los últimos años, 1985: 381.

58 Vgl. Álvarez, Alejandro: El movimiento obrero ante la crisis económica. In: Cua-derno Político, Nr. 16, Era: México D. F., 04-06/1978, 31–43; Julio Moguel: Los ca-minos de la izquierda, Juan Pablo Editor: México D. F. 1987, 67.

59 Die größte und der PCM nahestehende Strömung innerhalb der universitären un-abhängigen Gewerkschaften war die Corriente Roja, ferner existierten das Movi-miento Sindical Revolucionario und der Consejo Sindical, die der Zeitschrift Punto Crítico nahe standen und die Corriente Sindical Democrática, die den trotzkisti-schen Gruppe verbunden war. Die Vernetzung vom PCM und Corriente Roja zeigte

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Auf dem XVIII. Parteitag der PCM erklärte das Zentralkomitee den „Kampf gegen den Charrismo zu den bedeutenden Prinzipien im Kampf gegen den Einfluss der Bourgeoisie auf die Arbeiter“ und verankerte das Prinzip „Unabhängigkeit der Gewerkschaften“ 1979 auch in ihrem Wahlprogramm.60Insgesamt wurde in der marxistischen Linken über die Bedeutung der Arbeiterklasse und die Unabhängigkeit der Gewerkschaften von Staat und Parteien kontrovers diskutiert.61

Zwar blieben die Forderungen, den Fokus der PCM auf die Gewerk-schaftskämpfe auszurichten, in der Partei umstritten, jedoch veränderte die PCM tatsächlich in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre ihre Praxis und suchte nun auch die Politik der staatstreuen Gewerkschaften zu beeinflussen und in ihr Fuß zu fassen.62 Neben der Kooperation mit den unabhängigen Gewerkschaften verstärkte die PCM in den siebziger Jahren ihr Engagement bei den Landkämpfen und beteiligte sich an Landbesetzungen. Der Partei gelang es, einen Block aus Arbeiter- und Bauernorganisierung zu bilden und langfristig zu bewahren.63

Bereits 1963 gründete die PCM den Bauernverband (CCI – Central

Campesina Independiente ) der sich im Verlauf der siebziger Jahre in einen sich beispielsweise in der Gewerkschaftszeitung Solidaridad, in der viele PCM-Mit-glieder schrieben und Verbindungen zwischen der Gewerkschafts- und Parteipoli-tik herstellten. Vgl. Estela Gutiérrez; Fernando Talavera: El sindicalismo universita-rio, las fuerzas de izquierda y el Estado. In: Cuadernos Políticos, Nr. 25, Era: México D. F., 07-12/1980, 29–53, 36–38; José Woldenberg: Solidaridad y el sindicalismo universitario (1972–1980), STUNAM: México D. F. 1982, 257.

60 Comisión Ejecutiva del CC del PCM: Informe a la Conferencia Nacional Sindical del Partido Comunista Mexicano, Dokumente des CEMOS, México D. F., 09.12.1978, cj. 110, cl. 104, exp., 47, 6865.(eigene Übersetzung) Die PCM diskutierte auch auf allen Festivales de Oposición über das Verhältnis von Gewerkschaft und Partei. Die Frei-heit und Unabhängigkeit der Gewerkschaft war Punkt 4 des Wahlprogramms der Coalición de Izquierda 1979, einem Wahlbündnis der PCM mit der PPM, PSR und der MAUS. Vgl. Coalición de Izquierda: Por la renovación democrática de México, Oposición 22.–28.03.1979; Concheiro: En la lucha por la democracia. In: Martínez Verdugo: Historia del comunismo en México,1983: 381.

61 Vgl. ebenfalls Adolfo Gilly: La reorganización de la clase obrera latinoamericana. In: Cuadernos Políticos, Nr. 24, Era: México D. F., 04-07/1980, 29–43, 42.

62 Vgl. Carr: Mexican Communism 1968–1981, 1985: 214.

63 Vgl. Barry Carr: Temas del comunismo mexicano. In: Nexos 01.06.1982, digital https://www.nexos.com.mx/?p=4066, gesehen am 16.04.2020.

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PRI-nahen und einen kommunistischen Flügel um Ramón Danzós Palomino mit dem Namen Central Independiente de Obreros Agrícolas y Campesinos (CIOAC) spaltete. Die PCM hatte eine starke Lobby unter den Bauern und beteiligte sich an Landbesetzungen, die zu Beginn der siebziger Jahre in die Zehntausende gingen, circa 4 500 wurden von der PCM organisiert.64Abgesehen von der PCM engagierten sich auch maoistische und trotzkisti-sche Gruppen bei den Landbesetzungen, jedoch war die PCM die älteste und größte Gruppe. Sie agierte in mehreren mexikanischen Bundesstaaten und beeinflusste die politische Analyse der Bauernschaft.65 Bis Mitte der sieb-ziger Jahre gehörten Landbesetzungen zu den prioritären Aktionsfeldern der Partei und die Sozialwissenschaftlerin Dolores Trevizo kam zu dem Schluss, 64 Vgl. Stephan Scheuzger: Der Andere in der ideologischen Vorstellungskraft. Die Linke und die indigene Frage in Mexiko, Iberoamericana/Vervuert: Frankfurt a. M. 2009, 546f.; 578f.

65 Vgl. Dolores Trevizo: Rural Protest and the Making of Democracy in Mexico, 1968–2000, Pennsylvania State University Press: Pennsylvania 2011, 92.

Abb. 2.5 Einweihung des XVIII. PCM-Kongresses im Polyforum Siqueiros,

22.–25.05.1977, Bildarchiv AGN, 1977.

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dass die Mehrheit der Aktivist/innen, die die unbewaffneten Bauernproteste anführten, direkt oder indirekt zur PCM gehörten.66

In dieser Zeit setzte sich die PCM für die Demokratisierung der Massenorganisationen (wie Bauernverband und Gewerkschaften) ein, da ihre Herauslösung aus dem korporativen System der PRI einen politischen Wandel herbeiführen sollte. Ihr Engagement bei den Landbesetzungen und den Streiks der unabhängigen Gewerkschaften trug ebenfalls dazu bei, dass die Mitgliederzahlen bis 1975 wieder anstiegen.67 Insgesamt ergaben sich in der Dekade nach 1968 neue Aktionsfelder für die mexikanische Linke. Barry Carr fasste dies wie folgt zusammen:

„The economic and political difficulties of the 1970s opened up a series of new options for the Mexican left and created important brea-ches in the corporative system of domination which had been a hallmark in Mexican politics since the mid 1930s. A vigorous debate followed over how best to respond to the opportunities opened up by the crisis.“68

Die neuen, zentralen Debatten der PCM kreisten in den siebziger Jahren um die fehlende innerparteiliche Demokratie und ideologische Eigen-ständigkeit im internationalen Verbund der kommunistischen Parteien. „Die Organisierungsformen [der 1968er-Bewegung] beeinflussten die gesamte Linke und besonders die PCM, die in den folgenden Jahren die Rolle der Partei in der Debatte um Demokratie und Sozialismus unterschätzte und eine Räte-Konzeption des politischen Kampfes entwickelte“, kommentierte Juan Luis Concheiro diese Diskussionen in der offiziellen Parteigeschichte.69Die Studierendenbewegung hatte durch ihre horizontal-demokratischen Organisierungsformen hohe Maßstäbe gesetzt, die das Fehlen von aktiver Mitbestimmung im Parteiapparat der PCM und auch in der Parteijugend 66 Vgl. Trevizo: Rural Protest and the Making of Democracy, 2011: 92.

67 Vgl. Concheiro: En la lucha por la democracia. In: Verdugo: Historia del comunis-mo en México, 1983: 357.

68 Carr: Mexican Comunism 1968–1981, 1985: 203.

69 Vgl. Concheiro: En la lucha por la democracia. In: Verdugo: Historia del comunis-mo en México, 1983: 330. (eigene Übesetzung)

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(JCM – Juventud Comunista Mexicano ) offensichtlich werden ließ. Die JCM for-derte mehr interne Demokratie und statt demokratischen Zentralismus partizipative Diskussionsformen.70 Wie sich Raúl Jardón erinnerte:

„Los clubes, comités estatales y militantes de base se comunicaban y discutían sin que la dirección tuviera control alguno sobre el proceso, los documentos emitidos en diversas partes circulaban por todo el país intensificado el debate que abarcaba ya no sólo la situación y tareas de la JCM, sino que ponían en tela de juicio la actuación del PCM y su dirección.“71

Die JCM gewann in der Partei immer mehr an Gewicht, da sie nach 1968 mit circa 2000 Mitgliedern größer als die PCM selbst mit weniger als tausend Mitgliedern war.72 Besonders im Jugendverband der Partei wurde über die Fehler und Konsequenzen der Niederschlagung der 1968er-Bewegung dis-kutiert und einige Erkenntnisse im programmatischen Dokument „ Let it Be“ (1970) festgehalten.73 Der Führungsanspruch der Partei gegenüber anderen Bewegungen wurde dort ebenso kritisiert wie die Unfähigkeit der 70 Der demokratische Zentralismus geht als Organisations- und Leitungsprinzip der Partei auf Lenin (Was tun? 1901/1902) zurück und beinhaltete die Parteidisziplin, die Weisungsberechtigung höherer Parteiinstanzen gegenüber niedrigen, jedoch gleichzeitig auch die Rechenschaftspflicht und die Absetzbarkeit der Leitung. Sta-lin definierte das Verständnis des demokratischen Zentralismus neu, indem er die Partei zur höchsten Form der Klassenorganisationen bestimmte, in der es keine Fraktionen und eine Einheit der Gedanken geben sollte. Der Begriff des demokra-tischen Zentralismus bleibt begrifflich unscharf und wurde sowohl von der SPD in ihrem Godesberger Programm von 1959 als auch in der eurokommunistischen Strömung verwandt. Vgl. Robert Lederer: Demokratischer Sozialismus. In: Berliner Institut für kritische Theorie (Hg.): Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxis-mus, Bd. 2, Argument: Hamburg 1995, 555–569.

71 Raúl Jardón: Travesia a Itaca. Recuerdos de un militante de izquierda, del comu-nismo al zapatismo, 1965–2001, Grupo Cenzotle: México D. F. 2008, 150.

72 Vgl. Enrique Semo: Huellas indelebles. Las ideas políticas del PCM. In: El Buscón Nr. 8, 1984, 17–49, 20.

73 Autor des Dokuments „Let it be“ war Raúl Ramos Zavala, der sich später von der PCM trennte und die bewaffnete Gruppe „Los Procesos“ gründete. Er starb 1972 bei einem Schusswechsel im Parque México. „Let it be findet sich in der Dokumenten-sammlung, vgl. Rául Ramos Zavala: El tiempo que nos tocó vivir, México D. F. 2003,

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78traditionellen Linken, adäquat auf die Studierendenbewegung als neue poli-tische Akteurin zu reagieren.

Die Kritik an der PCM nach 1968 fand auch Widerhall in dem Diskussionspapier des PCM-Generalsekretärs Arnoldo Martínez Verdugo „ PCM – Trayectoria y Perspectivas “, das 1971 veröffentlicht wurde und in dem Verdugo eine kritische Revision der Parteigeschichte vornahm. Darin be-zeichnete er die Selbstkritik als „dringende Notwendigkeit für die Partei“.74Die drei Hauptfehler sah er in: 1) der fehlenden Anwendung marxistischer Theorie in der mexikanischen Arbeiterbewegung, weshalb es notwendig für die Partei sei, eine eigene Theorie für die revolutionären Entwicklungen in Mexiko zu formulieren, 2) im Dogmatismus der Partei und 3) in den anti-demokratischen und despotischen Maßnahmen der Parteidirektion, digital https://www.academia.edu/36084642/el_tiempo_que_nos_toc%C3%93_vivir_por_Ra%C3%BAI_Ramos_Zavala.pdf, gesehen am 09.11.2019.

74 Arnoldo Martínez Verdugo: PCM. Trayectoria y perspectivas, Fondo de Cultura Po-pular: México D. F. 1971, 55. (eigene Übersetzung)

Abb. 2.6 Demonstration für Gewerkschaftsautonomie. Professor Antonio

Becerra Gaytán, rechts daneben Pablo Gómez, Arnoldo Martinez Verdugo und Elvira Concheiro. Foto: Pedro Valtierra, o. J.

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welche die innerparteiliche Vielfalt und freie Meinungsäußerung zerstörten.75

1973 wurde die JCM aufgelöst und in die Partei eingegliedert, einerseits, um die Jugend unter die Kontrolle der Partei zu bringen und andererseits, um die PCM an die sozialen Bewegungen anzunähern. Dabei war die Annäherung der Partei an die Studierenden zentral, da die mexikanischen Universitäten ein wichtiges Rekrutierungsfeld der Partei bildeten.76 Luis Moguel beschrieb die Erneuerung der linken Strukturen wie folgt:

„Estos embriones se integraron con […] formas organizativas y líneas de acción que provenían de la década pasada, pero en la mayoría de los casos incluyendo al viejo Partido Comunista, reconstituyeron sus bases sociales y políticas organizativas […] a partir de núcleos de jó-venes cuyo noviciado político se dio en 1968. Fueron las universidades del país los principales laboratorios, donde se forjaron las células de este nuevo tejido político-organizativo.“77

Die Kommunist/innen verstärkten ihre Präsenz in den Universitäten und anderen Bildungszentren, allerdings gelang es nicht, eine geeinte Bewegung zu schaffen. Vielmehr existierte in den siebziger Jahren eine politische Trennlinie zwischen „Revolutionär“ und „Reformer“.78 Die PCM reagierte zwischen 1970 und 1973 zunächst mit einer Radikalopposition zur PRI und vertrat offensiv die Wahlenthaltung ( abstención activa ), da nur so der PRI die Legitimität entzogen werden könnte.79 Zu dieser Zeit mehrten sich in und im Umfeld der PCM die Stimmen, die die legalen Protestmöglichkeiten als 75 Vgl. Martínez Verdugo: PCM. Trayectoria y perspectivas, 1971: 52–55.

76 Siehe hierzu die Ausführungen von Rául Álvarez Garín, der nicht ohne Ironie an-merkt, dass er just mit diesen Begründungen bereits 1965 um die Auflösung der JCM gebeten hatte, dafür aber aus der PCM entfernt wurde. Vgl. Álvarez Garín: Los años de la gran tentación, digital https://www.nexos.com.mx/?p=5012, gesehen am 20.04.2020.

77 Moguel: Los caminos de la izquierda, 1987: 117.

78 Concheiro: En la lucha por la democracia. In: Verdugo: Historia del comunismo en México, 1983: 346f.

79 Vgl. Concheiro: En la lucha por la democracia. In: Verdugo: Historia del comunis-mo en México, 1983: 343f.

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erschöpft ansahen und sich den bewaffneten Gruppen auf dem Land anschlossen oder Stadtguerilla-Gruppen gründeten, die sich meist aus dem studentischen Milieu im Umfeld der PCM rekrutierten.80

Der PCM-Generalsekretär Arnoldo Martínez Verdugo sah 1970 die „be-waffnete Selbstverteidigung“ aufgrund der staatlichen Repression als legitimes Mittel an, allerdings solle die Gewalt „nicht durch Kleingruppen, sondern durch revolutionäre Bewegungen ausgeübt werden“.81 Bis zum XVI. PCM-Parteikongress 1973 gab die PCM an, dass der „wahrscheinlichste Weg zur Revolution im bewaffneten“ Kampf zu sehen sei.82 Das Verhältnis zwischen PCM und bewaffneten Gruppen, insbesondere der Guerilla Liga 23 de Septiembre , war respektvoll bis unterstützend.83

„El PCM mantuvo una cara oculta, un conjunto de actividades secretas e ilegales, que nunca reconoció abiertamente, que a veces lo salvaron de la represión, que en ocasiones le permitieron triunfos, que le posi-bilitaron colaboración y ayuda a otros partidos y fuerzas revolucionarias de Centroamérica y que lo involucraron, incluso, no por las agencias de seguridad y espionaje norteamericanas“84

Als in der ersten Hälfte der siebziger Jahre die sozialen Proteste und Streiks zunahmen und die Guerillaaktionen scheiterten, modifizierte die PCM ihre Strategie und forderte „die Gewalt durch den Respekt für die 80 Vgl. Barry Carr: La izquierda mexicana a través del siglo XXI, Era: México D. F. 1996, 270.

81 Concheiro: En la lucha por la democracia. In: Verdugo: Historia del comunismo en México, 1983: 340. (eigene Übersetzung)

82 Arturo Martínez Nateras (Hg.): La izquierda mexicana del siglo XX, Bd. 1 Cronolo-gía, UNAM: México D. F. 2014, 334. (eigene Übersetzung)

83 So beschreibt Jardón, wie er gemeinsam mit Mitgliedern der Guerilla FAR Waf-fenkäufe tätigt. Inwieweit diese Haltung bei den älteren PCM Mitgliedern ebenfalls vorhanden war, kann hier nicht geklärt werden. Vgl. Jardón: Travesía a Itaca, 2008: 152f.

84 Enrique Condés Lara: Represión y rebelión en México, Bd. III, Porrúa: Puebla 2009: 212.

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demokratischen Rechte zu ersetzen“.85 Trotz enger Kontakte zu den mexika-nischen Guerillas blieb die PCM eine politische Organisation, deren Betätigungsfeld die offenen sozialen Mobilisierungen waren.

Mitte der siebziger Jahre zeichnete sich ab, dass der bewaffnete Kampf in Mexiko scheitern würde, da viele Mitglieder verhaftet oder getötet worden waren.86 Das Engagement vieler Aktivist/innen verlagerte sich auf andere Bewegungen. Sie versuchten, die Erfahrungen aus der 1968er-Bewegung in die Landbesetzungen, die Streiks der Arbeiter/innen oder in die urbane Bewegung der neu in die Stadt immigrierten Menschen ( Colonos/as ), die für Wohnraum und würdige Lebensbedingungen kämpften, einfließen zu lassen. Folgt man Enrique Semo, waren bereits „Mitte der siebziger Jahre neue Formen von sozialer Organisierung entstanden“, beispielsweise in den unab-hängigen Gewerkschaften oder der Stadtteilbewegung, „welche einen neuen Grad von Reife der sozialen Bewegungen zeigte“ und die das Thema Demokratisierung der Gesellschaft vorantrieben.87

Viele der 1968er-Aktivist/innen kamen im Verlauf der siebziger Jahre nach unterschiedlichen Erfahrungen mit Repression und Organisierung zur PCM. Auf dem XVII. Kongress im Dezember 1975 waren 4 500 PCM-Mitglieder an-wesend, was einen Zuwachs um 47 Prozent gegenüber dem vorherigen Kongress bedeutete.88 Auf dem XVII. Parteikongress analysierte die Partei die politische Krise und die Reformen der PRI und kam zu dem Schluss, dass die Delegitimierung der PRI in der Gesellschaft entweder in eine Demo-kratisierung Mexikos oder in die Stärkung des Autoritarismus münden 85 Sowohl die Entführung des Industriellen Eugenio Garza Sada durch die Liga 23 de Septiembre als auch die des Gouverneurs von Guerrero Rubén Figueroa durch die Partido de los Pobres scheiterten und führten bei der PCM zum Umdenken. Vgl. Comisión Ejecutiva del CC del PCM: Gran Tarea revolucionaria actual: abrir paso a la libertad política, Oposición 21.06.1974. (eigene Übersetzung)

86 Vgl. Castellanos: México armado, 2007: 231ff.

87 Enrique Semo: La izquierda vis a vis. In: Ilán Semo (Hg.): La transición interrum-pida. México 1968–1988, Nueva Imagen/Universidad Iberoamericana: México D. F. 1993, 127–142, 129.

88 Vgl. Concheiro: En la lucha por la democracia. In: Verdugo: Historia del comunis-mo en México, 1983: 357.

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würde.89 Bei den Präsidentschaftswahlen 1976 gab es nur einen Kandidaten, den der PRI. Alle anderen offiziell registrierten Oppositionsparteien stellten keinen Kandidaten auf.90 Die PCM entschied sich, einen eigenen Präsidentschaftskandidaten zu nominieren, obwohl sie keine offizielle Registrierung besaß, und die PRI, hoch erfreut, dass es dadurch zwei Präsidentschaftskandidaten geben sollte, kündigte an, der illegalen Wahlkampagne der PCM nichts entgegenzusetzen.

Die PCM ernannte gemeinsam mit der trotzkistischen Liga Socialista und der linken Gruppe Movimiento de Organización Socialista den Gewerk-schaftsaktivist Valentín Campa zum Kandidat und er bereiste, ebenso wie der PRI-Kandidat López Portillo, das Land unter dem Motto „ Marcha por la democracia “ (Marsch für die Demokratisierung).91 Valentín Campa erin-nerte sich:

„En el balance del Comité Central se subrayó lo acertado y también lo oportuno de nuestra campaña electoral con un candidato presidencial no registrado. El secretario de Gobernación Mario Moya Palencia, declaró que se respetaría nuestra campaña porque era constitucional

89 Vgl. Gerardo Peláez Ramos: Los congresos del PCM durante los años 1960–1981, digital http://mln.org.mx/2013/02/13/gerardo-pelaez-los-congresos-del-pcm-durante-los-anos-1960-1981/, gesehen am 20.04.2020.

90 Es waren neben der PRI drei Parteien zugelassen: die Partido de Acción Nacional (PAN), die lombardistisch-nationale Partido Popular Socialista (PPS) und die der PRI nahe stehende Partido Auténtico de la Revolución Mexicana (PARM). PPS und PARM unterstützen den Kandidaten der PRI und die PAN stellte keinen eigenen Kandidaten auf. Vgl. Ortiz Palacios: Carlos Pereyra, 2001: 39ff.; Barry Carr: Mexican Communisim 1968–1988, 1985: 202.

91 Valentín Campa Salazar war Gewerkschaftsaktivist der Bahnarbeiter/innen. Er wurde schon in jungen Jahren Mitglied der Mexikanischen Kommunistischen Par-tei und war eines der jüngsten Mitglieder des Zentralkomitees der Partei. 1940 wurde er wegen seiner Ablehnung des Mordes an Trotzki und Differenzen mit der Kommunistischen Internationale aus der PCM ausgeschlossen. Nach einem langen Gefängnisaufenthalt kehrte er 1959 in die PCM zurück und wurde 1976 ihr Präsi-dentschaftskandidat. Vgl. Gerardo Unzueta: Crisis en el Partido, crisis en el movi-miento. In: Arnoldo Martínez Verdugo (Hg.): Historia del comunismo en México, Grijalbo: México D. F. 1983, 189–238, 192; Gerardo Peláez: Valentín Campa Salazar, dirigente obrero comunista, digital http://www.rebelion.org/docs/123335.pdf, gesehen am 21.03.2020.

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aunque el Partido Comunista no era legal. […] En el balance se afirmó que […] nuestro Partido había adquirido una gran fuerza de atracción, se comprobó lo falso del prejuicio de que el pueblo mexicano desconfía del socialismo.“92

Die PRI hielt jedoch nicht Wort: Während der Präsidentschaftswahl waren die Mitarbeiter/innen Campas polizeilicher Repression ausgesetzt.93 Die Stimmen für Valentín Campa wurden nicht ausgezählt, woraufhin die PCM-Mitglieder, die an der Auszählung beteiligt waren, ihre Resultate an das Zentralkomitee weitergaben und die Zahlen von der Partei veröffentlicht wurden. Laut Kalkulationen der PCM stimmten mehr als 1 600 000 Menschen für Campa, deren Stimmen damit ungültig waren.94 Raúl Jardón, der die Kampagne begleitete, erinnerte sich, dass sie weite Teile der Bevölkerung erreichte und erfolgreich war, da die Wähler/innen den kompletten Namen des Kandidaten auf dem Wahlzettel eintragen mussten, damit die Stimme für Campa gezählt werden konnte.95

Die „Wahl“ von José López Portillo ohne Gegenkandidat machte die feh-lende Demokratie des PRI-Systems auch international offensichtlich und verdeutlichte die Notwendigkeit von demokratischen Reformen. Bevor hier näher auf die Reform der Wahlgesetzgebung und die Partizipation der PCM im mexikanischen Parlamentarismus eingegangen wird, ist es notwendig, zunächst die neue politische Akzentsetzung und den internen Reformwillen der Kommunistischen Partei Mexikos in den siebziger Jahren näher zu untersuchen.

92 Valentin Campa Salazar: Mi testimonio. Experiencias de un comunista mexicano, Ediciones de Cultura Popular: México D. F. 1978, 309f.

93 Einen detaillierten Bericht über Gewalt, Mord und Schikane durch Polizei und paramilitärische Gruppen gab Hugo Ponce de Leon im Interview. Er selbst wur-de als junger Wahlhelfer des nicht registrierten PCM-Präsidentschaftskandidaten Valentín Campa im Jahr 1976 in Yucatán von uniformierten Paramilitär entführt, entkleidet, geschlagen und später auf der Landstraße, weit entfernt vom Versamm-lungsort, „ausgesetzt“. Interview mit Hugo Ponce de Leon am 23.11.2013 in der Doctores, Mexiko-Stadt.

94 Vgl. Gerardo Peláez Ramos: Valentín Campa Salazar, dirigente obrero comunista, digital http://www.rebelion.org/docs/123335.pdf, gesehen am 21.03.2020.

95 Vgl. Rául Jardón: Travesía a Ítaca, 2008: 217.

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1.2 „¡Somos oposición y alternativa!“ – Eurokommunismus und internationale Vernetzung der PCM

Die PCM war seit den sechziger Jahren jenen kommunistischen Parteien zu-zurechnen, die die starren Strukturen und Dogmen verändern wollten, indem sie sich aus der Abhängigkeit von der sowjetischen Partei lösten. Damals erreichte der „Wind der politischen und theoretischen Erneuerung den mexikanischen Marxismus“ und beeinflusste die PCM sowohl intern als auch in ihrer Außenpolitik.96 Die Reformideen der PCM ähnelten denen der kommunistischen Parteien in Italien, Spanien und Frankreich, die sich als eurokommunistische Strömung bezeichneten und nach eigenständigen, ori-ginären Wegen zum Sozialismus suchten.97

Dabei gab es trotz inhaltlicher Übereinstimmungen mit den reformorien-tierten Parteien auch Unterschiede, die sowohl in den Spezifika des autokratischen PRI-Regimes als auch im Standort Lateinamerika begründet lagen. Denn die Mitglieder der PCM waren natürlich von den regionalen sozialistischen Bewegungen in Lateinamerika inspiriert und versuchten, Lehren aus der chilenischen Volksfrontregierung zu ziehen oder die Allianz zwischen Glauben und Kampf in Nicaragua zu verstehen.

Der Begriff des „Eurokommunismus“ erlangte als Synonym für die Reformvorhaben der italienischen, spanischen und französischen kommu-nistischen Parteien Verbreitung, nachdem er zuerst vom jugoslawischen Journalisten Frane Barberini benutzt worden war. Er ist jedoch weder geo-grafisch noch inhaltlich präzise.98 Geografisch ungenau war er, da die 96 Ortiz Palacios: Carlos Pereyra, 2001: 29. (eigene Übersetzung)

97 Carl Boggs: The Democratic Road: New Departure and Old Problems. In: Ders.; Favid Plotke (Hgg.): The Politics of Eurocommunism. Socialism in Transition, Mac-millan: London 1980, 431–476, 433.

98 Zu Unterschieden innerhalb der eurokommunistischen Parteien vgl. Carl Boggs; David Plotke (Hgg.): The Politics of Eurocommunism, Macmillan: London 1980; Nikolas Dörr: Die rote Gefahr. Der italienische Eurokommunismus als sicherheits-politische Herausforderung für die USA und Westdeutschland, 1969–1979, Böhlau: Köln 2017, 49.

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85westeuropäischen kommunistischen Parteien mehrheitlich keine eurokom-munistische Politik verfolgten und zugleich außereuropäische kommunistische Parteien dieser Strömung zuzurechnen waren, wie die kommunistischen Parteien Australiens oder Japans. Die Strömung des Eurokommunismus war neben Trotzkismus und Maoismus eine weitere Richtung innerhalb des Marxismus und somit zugleich Teil der marxisti-schen Bewegung als auch ihre Kritikerin.99

Infolge des XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und des ideologischen Zerwürfnisses zwischen Sowjetischer und Chinesischer Kommunistischer Partei stellte die eurokommunistische Strömung die ideo-logische Führung und Vorbildfunktion einer kommunistischen Partei gegenüber einer anderen prinzipiell infrage. Die eurokommunistische 99 Vgl. Barbara Timmermann, Heinz Timmermann: Dokumente des Eurokommu-nismus, Diesterweg: Berlin/München 1979, 5; Nikolas R. Dörr: Eurokommunismus als Teil der historischen Kommunismusforschung. In: Docupedia-Zeitgeschich-te, 06.01.2014, digital http://docupedia.de/zg/Doerr_eurokommunismus_v1_de_2014, gesehen am 12.02.2020.

Abb. 2.7 Arnoldo Martínez Verdugo und Valentín Campa während einer Veranstaltung im Rahmen der Präsidentschaftskampagne von Campa. Foto: CEMOS 1976.

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Strömung forderte die Eigenständigkeit der kommunistischen Parteien, die gemäß ihrer konkreten Bedingungen einen Sozialismus für ihr Land entwi-ckeln sollten. Darum existierte kein einheitliches eurokommunistisches Modell, sondern eine „Vielfalt der Wege“ zum Sozialismus, die, wie der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE – Partido Comunista de España ), Santiago Carrillo, schrieb, „den konkreten Bedingungen, dem Gewicht der kulturellen Traditionen, den wirtschaftlichen und gesellschaftli-chen Strukturen“ Rechnung tragen mussten.100 Der Kritik an der Sowjetunion schloss sich die Mexikanische Kommunistische Partei an, indem sie die mili-tärischen Interventionen der Sowjetunion in Prag 1968 und in Afghanistan 1979 verurteilte.101

Santiago Carrillo beschrieb den Weg der kommunistischen Parteien in den westeuropäischen Demokratien als einen „demokratischen Weg zum Sozialismus, der über die parlamentarische Partizipation“ einzuschlagen sei.102 Die eurokommunistischen Parteien setzten sich demzufolge für „Demokratie, Mehrparteiensystem, Parlamente und repräsentative Insti-tutionen, Volkssouveränität, die regelmäßig über allgemeine Wahlen ausgeübt wird, vom Staat und von den Parteien unabhängige Gewerk-schaften, Freiheit für die Opposition, Menschenrechte, religiöse Freiheiten, Freiheit des kulturellen, wissenschaftlichen, künstlerischen Schaffens und Entfaltung der Mitbestimmung des Volkes in den breitesten Formen auf allen Ebenen und in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens“ ein.103

Diese Zielsetzung verschob den Fokus der politischen Praxis der kommu-nistischen Parteien: Statt um die Revolution ging es den eurokommunistischen Parteien um einen friedlichen Übergang zum Sozialismus, bei dem sie sich am Parlamentarismus beteiligen und sich für Reformen im Sozialstaat ein-setzen wollten, die das Privateigentum beschränken und die Wirtschaft regulieren sollten.104 Mit dieser Argumentation rückten die 100 Santiago Carrillo: Eurokommunismus und Staat, VSA: Hamburg 1977, 9.

101 Vgl. Carr: Mexican Comunism 1968–1981,1985: 201.

102 Santiago Carrillo: La lucha continua, la memoria política y social de uno de los padres de la democracia española, Aguilar: Madrid 2012, 74. (eigene Übersetzung)103 Carrillo: Eurokommunismus und Staat, 1977: 119.

104 Vgl. Thomas Meyer: Sozialismus. Elemente der Politik, VS Verlag: Wiesbaden 2008, 11f.

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Reformkommunist/innen in die Nähe der Positionen der Sozialdemokratie, die sich in den siebziger Jahren ebenso wie die Reformkommunist/innen auf den Begriff des „demokratischen Sozialismus“ bezog, wobei die Abgrenzung beider Konzepte inhaltlich ungenau blieb.105 Die eurokommunistische Strömung betonte die strategisch wichtige Funktion des Parlamentarismus in den entwickelten bürgerlichen Demokratien, um mehr demokratische Rechte für die Bevölkerung zu erwirken.

Alte Kampfbegriffe wie die „Diktatur des Proletariats“, die die Übergangsphase in eine klassenlose Gesellschaft beziehungsweise „demo-kratische Republik der Arbeiterklasse“ gekennzeichnet hatte, lehnten die Eurokommunist/innen ab.106 Die Bestimmung der Bedeutung der „Diktatur des Proletariats“ wurde jedoch schon lange vor der Entstehung des Eurokommunismus unter Kommunist/innen kontrovers diskutiert. Während Lenin den Begriff „Diktatur des Proletariats“ als eine notwendige Zentralisierung und Unterordnung unter eine Führung in Revolutionszeiten betrachtete, warnte Rosa Luxemburg vor der „Diktatur von einigen Wenigen, der Diktatur der Berufspolitiker“ und sah die sozialistische Demokratie als neue Form einer Gesellschaft ohne Klassen an.107 Nach dem Nationalsozialismus und Faschismus merkte Franz Marek 1962 an, dass der Begriff „‚Diktatur‘ nach den Enthüllungen der stalinistischen Verbrechen“ diskreditiert sei und „von den jungen Menschen mit Terrorherrschaft und Polizeiwillkür identifiziert“ werde, weshalb er für die kommunistische Bewegung nicht mehr brauchbar sei.108

105 Vgl. Thomas Niehr (Hg.): Schlagwörter im politisch-kulturellen Kontext: Zum

öffentlichen Diskurs in der BRD 1966–1974, Springer: Wiesbaden 1993, 141–144.

106 Friedrich Engels: Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfes

1891. In: Karl Marx; Friedrich Engels: Werke, Bd.22, Dietz: Berlin 1972, 225–240.

107 Vgl. Wladimir I. Lenin: Staat und Revolution. In: Ders.: Werke, Bd. 25, Karl Dietz: Berlin 1972, 401; Rosa Luxemburg: Zur Russischen Revolution. In: Die Gleichheit, Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen, Nr. 3, Stuttgart, 8. Februar 1905, digital https://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1905/02/revruss.htm, gesehen am 29.04.2020.

108 Hartmut Jäckel: Eurokommunismus zwischen „Diktatur des Proletariats“ und sozialer Demokratie. In: Hannelore Horn (Hg.): Sozialismus in Theorie und Praxis. Festschrift für Richard Löwenthal, de Gruyter: Berlin 1978, 441–457, 446.

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In den siebziger Jahren wurde der Terminus „Diktatur des Proletariats“ kaum mehr in seiner Funktionsbezeichnung für die Übergangszeit zwischen Revolution und Sozialismus diskutiert, sondern als Abgrenzungsbegriff gegenüber den undemokratischen Formen des Sozialismus in der Sowjetunion benutzt, die lange Zeit als richtungsweisend für alle kommunistischen Parteien gegolten hatten und nun in die Kritik gerieten.109Auch in der PCM wurde über den Terminus „Diktatur des Proletariats“ diskutiert, er wurde 1981 aus ihren Parteistatuten verbannt und ersetzt durch den nicht genau definierten Begriff der „demokratischen Arbeitermacht“.110

Bis Mitte der sechziger Jahre war die PCM, wie die meisten latein-amerikanischen kommunistischen Parteien, treu den politischen Linien der KPdSU gefolgt. Sie charakterisierte, gemäß sowjetischer Analyse, die mexika-nische Gesellschaft als „semi-kolonial“ und „vorkapitalistisch“ und sah, ebenso wie der nationale Flügel der PRI, ihre Aufgabe darin, die kapital-istische Entwicklung der mexikanischen Gesellschaft zu unterstützen, um gemeinsam mit den Massenbewegungen einen Übergang zum Sozia-lismus zu schaffen.111

Mit Absetzung von Dionisio Encina als Parteigeneralsekretär im Jahr 1959 begann die PCM eine langwierige Aufarbeitung der stalinistischen Strukturen innerhalb der Partei und suchte nach einem eigenen Weg zum Sozialismus. Außenpolitisch setzte die PCM bereits 1968 neue Akzente, als sie die Reformansätze und das Streben nach mehr Souveränität von Alexander 109 Vgl. Etienne Balibar: Diktatur des Proletariats. In: Georges Labica; Gérard Bensussan: Kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 2, Argument: Berlin 1984, 256–267, digital http://www.inkrit.de/neuinkrit/mediadaten/archivkwm/KWM02.pdf, gesehen am 01.05.2020; Theodor Bergmann: Diktatur des Proleta-riats. In: Wolfgang Fritz Haug (Hg.): Historisch-kritisches Wörterbuch des Mar-xismus, Bd. 2, Argument: Hamburg 1995, 720–728, digital https://marx200.org/sites/default/files/vorworte/diktatur-des-proletariats-hkwm02.pdf, gesehen am 01.05.2020.

110 Vgl. Antonio Franco, Gilberto Rincón Gallardo, Pablo Gómez: Acerca de la dicta-dura del proletariado. In: Socialismo, 2, Nr. 6, 07-09/1981, 83–92; Barry Carr: Im-presiones del XIX Congreso del Partido Comunista Mexicano. In: Cuadernos Políti-cos, Nr. 29, México, D. F., Era, 07-09/1981, 83-92, 88.

111 Vgl. Campa: Mi testimonio, 1980: 162; Carr: Mexican Communism 1968–1981, 1985: 207f.

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Dubcek in der Tschechoslowakei positiv bewertete und die Intervention der UdSSR verurteilte.112 Später kritisierte die PCM den Einmarsch der UdSSR in Afghanistan und gab in Bezug auf die Gewerkschaftsbewegungen in Polen an, dass der Umgang mit ihr eine „ausschließlich polnische Angelegenheit“ sei.113Neben der Kritik an der Interventionspolitik der Sowjetunion thematisierte die PCM die fehlende Demokratie in den real-sozialistischen Staaten auf dem XIX. PCM-Parteitag und nannte dies einen der Gründe für die „Krise der kom-munistischen Bewegung“.114

Bereits 1971 im Diskussionspapier „ PCM – Trayectoria y Perspectivas “ hatte der PCM-Generalsekretär Arnoldo Martínez Verdugo die Entwicklung in den realsozialistischen Ländern als Prozess bezeichnet, in dem sie sich vom „Katalysator der Revolution zum Hemmschuh“ verwandelt hätten.115Dieser Beitrag von Martínez Verdugo wurde innerhalb der Partei genutzt, um das eigenständige Agieren der PCM auch im internationalen Kontext zu begründen. Allerdings hatte „ Trayectoria y Perspectivas “, wie in der offizi-ellen Parteigeschichte resümiert wurde, nur bedingt Auswirkungen auf die Parteipraxis.116 Noch 1980 bezeichnete Enrique Semo in der Parteizeitung El Machete den Dogmatismus und die beständigen stalinistischen Strukturen innerhalb der PCM als „unerträgliche Zwangsjacke“ und beschrieb deren 112 Vgl. Concheiro: En la lucha por la democracia, 1983: 331f. Das Fax des mexika-nischen Zentralkomitees der PCM an die Kommunistische Partei der Sowjetunion sowie die öffentliche Erklärung der PCM finden sich in: o. A.: El PCM y la invasión a Checoslovaquia. In: Memoria 267, 3/2018, 76–77, 77.

113 PCM: Declaración del Partido Comunista Mexicano sobre la situación actual en Polonia. Informe para la Prensa, Dokument des CEMOS, México D. F., 22.08.1980, c. 130, cl. 125, exp. 27, 7125–7127; vgl. Gerardo Peláez Ramos: Los congreso del Partido Comunista Mexicano durante los años 1960–1981, digital https://lahaine.org/b2-img12/pelaez_pcm6081.pdf, gesehen am 20.04.2020.

114 PCM: Las tesis del PCM. In: El Machete, Nr. 07, 11/1980, 22–67, 33. (eigene Über-setzung)

115 Arnoldo Martínez Verdugo: PCM. Trayectoria y perspectivas, Ediciones de Cultu-ra Popular: México D. F. 1971, 58. (eigene Übersetzung)

116 Vgl. Concheiro: En la lucha por la democracia, 1983: 335ff.

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Bekämpfung als „immer noch nicht abgeschlossenen“ Prozess, der mit „un-terschiedlichem Erfolg“ geführt werde (siehe Abb. 2.8).117

Die Kontroversen über den real existierenden Sozialismus im Ostblock blieben jedoch auf vereinzelte Debatten beschränkt. Mehrheitlich blieb die Berichterstattung über die Sowjetunion und andere sozialistische Parteien positiv und die Kritik an der Sowjetunion ging nie so weit, dass sie zum Bruch zwischen den Parteien geführt hätte.118 Dies zeigte sich an der Kontinuität finanzieller und materieller Unterstützung der PCM durch die kommunisti-schen Parteien des Ostblocks und an der langjährigen Teilnahme sowjetischer und osteuropäischer Delegationen bei den Festivales de Oposición (siehe Kapitel 4).

Die Unterstützungsleistungen trugen sicherlich zur Motivation der Mexikanischen Kommunistischen Partei bei, ihre Beziehungen zu den Bruderparteien des Ostblocks zu pflegen, da es ihnen selbst an Mitteln man-gelte. Jedoch folgte daraus keine ideologische Unterordnung mehr, wie Ilán Semo im Interview betonte.119 In Bezug auf mexikanische Belange kritisierte die PCM offiziell die Analysen der KPdSU, die das mexikanische Wirtschaftssystem als semi-entwickelt ansahen und die anti-imperialisti-sche Ausrichtung des PRI-Staates betonten.120 Die Mexikanische Kommunistische Partei charakterisierte das mexikanische Wirtschafts-system als entwickelten kapitalistischen Staat, in dem aus- und inländische Wirtschaftsmonopole die politische Ebene dominierten. Aktualität erhielt diese theoretische Debatte während der mexikanischen Wirtschaftskrise, da sie breite Teile der Bevölkerung betraf. Auf dem XIX. Parteikongress be-schrieb die PCM Mexiko als Wirtschaft, in der das Finanzkapital zunehmend die monopolisierte Wirtschaft unter seine Kontrolle bringe.121 Damit folgte die PCM eigenen Analysen.

117 Enrique Semo: El cocinero Stalin y el pavo asado del dogmatismo. In: El Machete, Nr. 1, 05/1980, 31–33, 32. (eigene Übersetzung)

118 Vgl. Scheuzger: Der Andere in der ideologischen, 2009: 525.

119 Vgl. Interview mit Ilán Semo in Coyoacán, Mexiko-Stadt am 17.12.2013; Inter-view mit Luciano Concheiro am 06.11.2013 in Coyoacán, México-Stadt.

120 Vgl. Carr: Mexican Communism 1968–1981, 1985: 216.

121 Vgl. PCM: Tribuna de discusión para el XIX congreso, Oposición 01.03.1981.

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Beim XIX. Parteitag hielt die PCM ebenfalls fest, dass die Beziehungen zwischen den kommunistischen Parteien vom „aufrichtigen aber respektvollen Austausch“ geprägt sein sollten.122 Eine reale Gelegen-heit zum Austausch mit anderen sozialistischen und kommu-nistischen Parteien bot sich auf den Festivales de Oposición. 123 Das Mitglied des PCM-Zentralkomitees und der Verantwortliche für das dritte Festival, Antonio Franco, stellte die freie Diskussion und die Autonomie der sozialistischen Parteien als Anliegen der PCM dar. Durch den gegenseitigen Respekt gegenüber der Diversität der kommunistischen und sozialis-tischen Parteien solle ein Einheitsgefühl erwachsen.

Inwieweit es während des inter-nationalen Austauschs zwischen Parteimitgliedern um unterschiedliche ideologische Einschätzungen und eine Positionierung ging, schätzen die Zeitzeug/innen unterschiedlich ein: Während Enrique Semo den Austausch auf den Festivals als „wenig grund-sätzlich oder kontrovers“ bezeichnete, gab Ilán Semo an, dass keine grundsätzliche Kritik am sowjetischen System bestand, sondern lediglich in Bezug auf mexikanische Belange. Juan Luis Concheiro hingegen nannte die Abgrenzung gegenüber dem Stalinismus und der KPdSU einen wesentlichen 122 PCM: El PCM del XVIII al XIX congreso, Oposición 11.10.1981. (eigene Überset-zung)

123 Antonio Franco: El PCM, internacionalista y patriota, Oposición 11.–17.05.1978. Abb. 2.8 Der Koch Stalin und der gebra- tene Truthahn des Dogmatismus. Abge- druckt in El Machete, Nr. 1, 1980.

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Inhalt des „ comunismo a lo mexicano “.124 Ramón Costa Ayube resümierte, dass er die Erfahrungen beim Aufbau eines Sozialismus schätzte, jedoch nicht dieselben Fehler wie die kommunistischen Parteien im Ostblock be-gehen wollte.125

Offiziell waren ideologische Differenzen auf den Festivales de Oposición nicht sichtbar. Stattdessen beriefen sich sowohl die sozialistischen Parteien aus Osteuropa als auch die PCM auf den „proletarischen Internationalismus“, um das Verhältnis zueinander zu beschreiben. Sie definierten den Begriff jedoch unterschiedlich: Für die PCM basierte der Internationalismus auf Gleichberechtigung und Unabhängigkeit der einzelnen sozialistischen Parteien und bildete die Grundlage für die Organisation der Festivales de Oposición .126 Für die sozialistischen Parteien des Ostblocks war der „proleta-rische Internationalismus“ mit der Anerkennung der Leitpositionen der KPdSU verbunden.127 Damit die Beziehungen trotz ideologischer Unterschiede weiterbestehen konnten, wurden politische Differenzen ausgeklammert und der Begriff des „proletarischen Internationalismus“ wurde zum „Mythos“ mit wenig realem Gehalt.128

Die Beziehungen der PCM zu den eurokommunistischen Parteien waren ebenfalls eng. Bereits Ende 1979 unterschrieben beispielsweise die PCM und die Französische Kommunistische Partei (PCF) ein gemeinsames Kommuniqué, in dem sie die nationalen Besonderheiten in jedem Land und 124 Vgl. Interview mit Juan Luis (Luciano) Concheiro am 06.11.2013 in Coyoacán, Mexiko-Stadt; Interview mit Ilán Semo in Coyoacán, Mexiko-Stadt am 17.12.2013; Semo: Huellas indelebles. In: El Buscón Nr. 8, 1984, 41ff.; Interview mit Hugo Ponce de León in Doctores, Mexiko-Stadt. am 30.11.2014.

125 Interview mit Ilán Semo in Coyoacán, Mexiko-Stadt am 17.12.2013; Interview mit Luciano Concheiro am 06.11.2013 in Coyoacán, México-Stadt.

126 Vgl. o. A.: El internacionalismo, componente del Festival, Oposición 23.04.1977.127 Vgl. Ulrich Pfeil: Der Mythos von der „Bruderpartei“, Die Beziehungen zwischen der SED und der Parti Communiste Français in den siebziger Jahren. In: Arnd Bau-erkämper; Francesco Di Palma (Hgg.): Bruderparteien jenseits des Eisernen Vor-hangs. Die Beziehungen der SED zu den kommunistischen Parteien West- und Süd-europas (1968–1989), Ch. Links: Berlin 2011, 69–84.

128 Vgl. Carr: Mexican Communism 1968–1981, 1985: 227; zu den Beziehungen von SED und PCF in den siebziger Jahren vgl. Pfeil: Der Mythos von den „Bruderpartei-en“, 2011: 82f.

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die Entwicklung eigener Wege im Kampf für Demokratie und gegen den Autoritarismus betonten.129 Die Generalsekretäre der PCF, Georges Marchais, und der Italienischen Kommunistischen Partei (PCI), Enrico Berlinguer, be-suchten im Untersuchungszeitraum Mexiko und auf den Festivales de Oposición waren die italienischen und französischen Parteizeitungen L’Unitá und L’Humanité , konstant präsent.

Ebenso nahmen PCM-Mitglieder, die sich in Frankreich oder Italien auf-hielten, im Parteiauftrag an den dortigen Festen der kommunistischen Parteien teil und informierten über die Lage in Mexiko.130 Die PCM vermit-telte auch mexikanischen Künstler/innen die Teilnahme an den bekannten Festen von PCI und PCF, ohne sich jedoch an den Kosten zu beteiligen. Das PCM-Mitglied Leonor Lara erinnerte sich, dass sie damals Parallelen in den Entwicklungen von Italien und Mexiko gesehen hatte und sich eine „Entwicklung der PCM zu einer Massenpartei wie der PCI“ erhofft und eine ähnlich offene Kulturkonzeption für die PCM-Festivals gewünscht hatte.131

Jedoch waren auch den Befürworter/innen des Eurokommunismus in der PCM die unterschiedlichen Rahmenbedingungen des Kapitalismus in Westeuropa und Lateinamerika klar. Das politische System in Mexiko war nicht mit dem in Spanien oder Italien zu vergleichen, da das mexikanische Parlament, anders als in Westeuropa, unter dem Einfluss der Staatspartei und des Präsidenten stand.132 Ferner entstand in Mexiko in den siebziger Jahren eine neue Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, was die Fokussierung der PCM auf die Arbeiter/innen und, in geringerem Ausmaß, auf die Bauernbewegung erklärt; während die kommunistischen Parteien in 129 Montes Manzano: Últimos años, 1985: 369.

130 Vgl. Interview mit Juan Luis (Luciano) Concheiro am 06.11.2013 in Coyoacán, Mexiko-Stadt.

131 Interview mit Leonor Lara am 23.09.2011 in der Condesa, Mexiko-Stadt. Vgl. fer-ner Interview mit Juan Luis (Luciano) Concheiro am 06.11.2013 in Coyoacán, Me-xiko-Stadt; zur Kulturpolitik der PCI vgl. Stephen Gundle: Between Hollywood and Moscow. The Italian communists and the challenge of mass culture 1943–1991, Duke University Press: London 2000, 138ff.

132 Vgl. Carr: Mexican Communism 1968–1981, 1985: 221; zur Stärke des mexika-nischen Parlaments vgl. Teresa Carbó Pérez: El Discurso parlamentario mexicano entre 1920 y 1950. Un estudio de caso en metodología de análisis de discurso, CIE-SAS: México D. F. 1995.

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Italien, Spanien und Frankreich auf eine breitere Wirkung hinarbeiteten und sich mehr in der und für die Mittelschicht engagierten.

Beim Besuch des PCI-Generalsekretärs Berlinguer in Mexiko betonte die PCM-Leitung die Notwendigkeit, sich weiter über Themen wie Demokratie und Sozialismus mit dem Gast auszutauschen und suchte den Argumenten zu begegnen, die PCI wolle die Spaltung innerhalb der internationalen kom-munistischen Parteien forcieren oder ein neues Zentrum in deren Verbund bilden.133 Aus der Berichterstattung wird deutlich, dass die PCM-Führung auch die eigenen Mitglieder vom Kontakt zu den dissidenten kommunisti-schen Parteien überzeugen musste.

Der Chefredakteur von Oposición , Marcos Leonel Posadas, erinnert sich im Interview, dass sich trotz gemeinsamer Kritik am Führungsanspruch der KPdSU „Fragen und Schwierigkeiten aus dem eurokommunistischen Programm selbst“ ergaben.134 Zum einen wurde die Nähe zu sozialdemokra-tischen Positionen kritisiert, da nun nicht mehr „die Zerstörung des bürgerlichen Staates, sondern der politische Regierungswechsel“ zum Ziel der PCM geworden war.135 Zum anderen war sich die PCM gerade nach den Erfahrungen Allendes in Chile der Schwierigkeiten bewusst, in Lateinamerika durch Wahlen an die Macht gelangen zu wollen. Enrique Semo resümiert sein differenziertes Verhältnis mit den Worten „Er wollte weder Lösungswege noch Probleme importieren“:

„No basta dejar de importar soluciones. También debemos de dejar de importar problemas. México vive en una frecuencia diferente a la del sur de Europa. Estamos enfrentados a tareas mucho más modestas que las de esos partidos: la creación de una fuerza obrera y popular autónoma, de alternativa al sistema vigente. Es ese proceso la vía parlamentaria aparece como un recurso táctico importante, pero no

133 Vgl. Fermín Morales: Bienvenido Berlinguer en México, Oposición 11.10.1981.

134 Vgl. Interview mit Marcos Leonel Posadas am 21.02.2014 in Tlalpan, Mexi-ko-Stadt.

135 Vgl. Rodríguez Araujo: Izquierda, democracias y socialismos en México. In: Re-vista Mexicana de Sociología, 674. (eigene Übersetzung)

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como el terreno propicio para la elaboración de una estrategia global.“136

Die Abgrenzung hatte mit einigen Äußerungen von Eurokommunisten zu tun, wie dem spanischen Eurokommunistischen Fernando Claudín, der einen starken Bezug zwischen dem Entwicklungsstand der Gesellschaft und der Möglichkeit eines friedlichen Weges zum Sozialismus sah, jedoch weder Wirtschaft noch Lebensbedingungen dieser Länder genauer kannte.137 In seiner Erwiderung schrieb das PCM-Mitglied Roger Bartra, dass die Einteilung der Welt in „entwickelte und unterentwickelte Welt mit großer Vorsicht, wenn überhaupt vorzunehmen“ sei. Denn sowohl in den „entwi-ckelten“ Ländern als auch in den „unterentwickelten“ Staaten gebe es Segmente, im Bereich der Dienstleistung oder in der verarmten und proleta-risierten Landarbeiterklasse, die nicht vollständig nach kapitalistischen Kriterien arbeiteten, was weitreichende politische Folgen für die Gesellschaft habe, da dies eng mit der konkreten Art und Weise zu tun habe, wie die do-minante Klasse eine solide Hegemonie und große Legitimität erreiche.138

Luciano Concheiro erinnerte sich, dass Impulse für die Debatten in der PCM nicht nur vom Eurokommunismus kamen, sondern sich auch im regen Austausch mit lateinamerikanischen Marxist/innen wie Ruy Mauro Marini, Ricardo Zavaleta, Bolivar Echeverría oder Adolfo Sánchez Vázquez entwi-ckelten.139 So nahm Sánchez Vázquez in seinem Hauptwerk „Philosophie der Praxis“ auf die Notwendigkeit des Eurokommunismus Bezug:

136 Enrique Semo: Viaje alrededor de la izquierda, Nueva Imagen: México D. F. 1988, 84.

137 Fernando Claudín Pontes gehörte bereits während des Spanischen Bürgerkriegs der PCE an und ging nach in Mexiko ins Exil. Claudín gehört gemeinsam mit Santia-go Carrillo zu den vehementen Kritikern des Stalinismus. Nach 1960 wurde Clau-dín Mitglied des Zentralkomitees, jedoch nur vier Jahre später wegen politischer Differenzen ausgeschlossen. Nach Francos Tod kehrte Claudín nach Spanien zurück und trat in die sozialdemokratische Partei ein.

138 Vgl. Roger Bartra: Las redes imaginarias del poder político en México, Era: Méxi-co D. F. 1981, 196.

139 Ruy Mauro Marini war Mitbegründer der Dependenz-Theorie und Mitglied der Chilenischen Kommunistischen Partei. Ricardo Zavaleta Mercado Bolivar kam nach Mexiko, um einen Marxismus der Klassenkämpfe zu lehren. Bolívar Echeverría war Philosoph und begründete die Zeitschrift Cuadernos Políticos mit. Er gehörte zur

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„El pluripartidismo obrero, reivindicado desde hace tiempo por el trotskismo y hoy por el eurocomunismo, no es un simple recurso táctico sino un paso absolutamente necesario tanto en la lucha por el poder hoy como en el tránsito al socialismo y en su construcción, mañana.“140

Im Rückblick betont Luciano Concheiro den Einfluss des Philosophen Sánchez Vázquez auf die Debatten in der PCM. Während die Positionen Sánchez Vázquez mit der Suche nach einem originär mexikanischen Weg zum Sozialismus verbunden waren, hatte er die Debatte um die Positionen Claudíns als eurozentristische Sackgasse wahrgenommen.

„Más que el desfile de Carrilo, Marchaise y Berlinguer a México los in-tercambios y las relaciones estrechas con los marxistas latinoamericanos, como Sánchez Vazquéz, fomentaron nuestro discu-sión, creo que eso fue el espacio clave para empezar un planteamiento de un ‚comunismo a la mexicana‘ con mayor intensidad.“141

Für die Befürworter/innen der Reformen in der PCM war der Eurokommunismus eine Strömung, mit der es sich auseinanderzusetzen galt und die neue Ideen entstehen ließ, um einen eigenen Weg zum Sozialismus zu finden. Wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, war die PCM weniger Gruppe mexikanischer Marxist/innen außerhalb der PCM und wurde durch seine Theorie über den barocken Ethos bekannt. Der Kunstkritiker und Philosoph Adolfo Sánchez Vázquez prägte eine originäre Perspektive auf den lateinamerikanischen Marxismus. Vgl. Adelia María Miglievich Ribeiro; Vinícius Tomaz Fernandes: A Tra-jetória intelectual de Ruy Mauro Marini. Nota sobre „estructuras de sentimientos“ e o pensamiento crítico latinoamericano. In: Realis, Vol. 7, Nr. 01. 01-06/2017, 1–10; Roger Bartra: René Zavaleta o el placer de la política. In: Norma de los Rios; Maya Aguiliuz Ibargüen (Hgg.): René Zavaleta Mercado. Ensayos, testimonios y re-visio-nes, FLASCO: México D. F. 2006, 147–149, 148; für eine detail- und kenntnisreiche Studie über Echeverría vgl. Stefan Gandler: Marxismo crítico: Adolfo Sánchez Váz-quez y Bolívar Echeverría, Fondo de Cultura Económica: México D. F. 2007.

140 Adolfo Sánchez Vázquez: Filosofía de la Praxis, Siglo XXI: México D. F. [1967] 2013, 393.

141 Interview mit Juan Luis (Luciano) Concheiro am 06.11.2013 in Coyoacán, Me-xiko-Stadt.

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erfolgreich im Ausbau lokaler Machtpositionen als ihre euro-kommunistischen Brüder, jedoch hatte ihre Partizipation am mexikanischen Parlamentarismus weitreichende Folgen für die Partei. 1.3 „¡Ahora si hay candidatos del pueblo!“ – Wahlreform, Demokratie und Einheit

Unter der Regierung López Portillo wurde das Gesetz zur Reform des Wahlrechts (LOPPE – Ley Federal de Organizaciones Políticas y Procedimientos Electorales ) verabschiedet, das Gesetz ließ neue Parteien, unter ihnen die PCM, zu den Wahlen zu. Nachdem 1952 zum letzten Mal eine Partei zuge-lassen worden war, konnten die mexikanischen Wähler/innen 1979 zwischen sieben Parteien wählen.142 Mit der Wahlreform von 1977 entwickelte sich das mexikanische Wahlsystem hin zu einem segmentierten Wahlsystem, in dem sowohl nach Mehrheitswahl als auch nach Verhältniswahl entschieden wurde.

Das Verhältniswahlrecht hat den Vorteil, auch kleinere Parteien in das Sys-tem zu integrieren, jedoch stehen ihre Sitze im Parlament nicht im Verhältnis zu ihrer Stärke, somit werden große Parteien wie die PRI begünstigt.143 Es wurden 400 Abgeordnete und 64 Senator/innen gewählt, die Mehrheit der Abgeordneten als Direktkandidat/innen und die Minderheit über Listenplät-142 Zuvor waren die Regierungspartei PRI, die christlich-konservative PAN, die lom-bardistisch-nationale PPS und die PRI-nahe PARM registriert. Nun wurden zusätz-lich die PCM, die ultra-katholische Partido Democrático Mexicano (PDM) und die PRI-nahe Partido Socialista Mexicano (PSM) zugelassen. Vgl. Encuentro Nacional de Historiadores: Movimientos populares en la historia de México y América Lati-na. Memoria del primer encuentro Nacional de Historiadores, UNAM: México D. F. 1987, 95; Rodríguez Araujo: La reforma política, 1979: 145ff.

143 Vgl. Stefan Rinke: Politische Systeme Amerikas im Vergleich. In: Ders.; Klaus Stüwe (Hgg.): Die politischen Systeme in Nord- und Lateinamerika: Eine Einfüh-rung, VS Verlag: Wiesbaden 2008, 7–58, 38f.; Matthias Catón: Wahlsysteme und Parteiensysteme im Kontext: Vergleichende Analyse der Wirkung von Wahlsyste-men unter verschiedenen Kontextbedingungen, Heidelberg 2009, digital https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/9054/t, gesehen am 03.09.2020.

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ze. Sowohl das Abgeordnetenhaus als auch der Senat waren innerhalb des mexikanischen politischen Systems relativ schwach.144

Die Wahlreform barg kaum die Gefahr eines Machtverlustes der PRI, da sie sowohl die Organisation als auch die Beobachtung der Wahlen vornahm und darüber hinaus auch die Presse kontrollierte. Die Wählerbasis der PRI bilde-te neben den Parteieliten in der Stadt vor allem die Landbevölkerung, die in den siebziger Jahren beständig wuchs.145 Bei den Präsidentschaftswahlen 1982 stimmten lediglich acht Prozent der Wähler/innen für die linken Oppo-sitionsparteien, 14 Prozent für die konservativ-christliche Oppositionspartei Partido de Acción Nacional (PAN) und 74,43 Prozent der Wähler/innen wähl-ten laut offizieller Zählung den PRI-Kandidat Miguel de la Madrid.146

Allerdings hatten die Kandidaten nicht die gleichen Wahlkampf-bedingungen: So erhielt der PRI-Kandidat De la Madrid während des Wahlkampfes im staatlichen Fernsehen sechs Minuten Sendezeit. Pablo Emilio Madera von der PAN wurde eine Minute zugeteilt und Arnoldo Martínez Verdugo von der PSUM und Rosario Ibarra von der trotzkistischen PRT ( Partido Revolucionario de los Trabajadores ) bekamen jeweils 20 144 Das Abgeordnetenhauses entschied über den Haushalt und der Senat musste über die Entsendung von Truppen und internationalen Verträgen beschließen. Trotzdem blieben die Entscheidungen des Präsidenten richtungsweisend. Vgl. Bra-ig, Müller: Das politische System Mexikos, 2008: 396f.

145 Im Untersuchungszeitraum erlebte Mexiko ein beschleunigtes Bevölkerungs-wachstum: Die mexikanische Bevölkerung wuchs von 25 Millionen auf 81 Millio-nen zwischen 1950 und 1980. Neben Mexiko-Stadt überschritten 1970 auch die Städte Guadalajara und Monterrey die Millionengrenze. Von den insgesamt ca. 25 Millionen Einwohner/innen auf dem Land lebten 1970 23 Millionen in Dörfern mit weniger als 2 500 Menschen. Weiterhin erhöhte sich auch die Anzahl der im-migrierten Mexikaner/innen, 1970 lebten ca. 500 000 von ihnen in den USA und in den achtziger Jahren waren es bereits 1 500 000 Menschen. Vgl. Ariel Rodríguez Kuri; Renato González Mello: El fracaso del éxito, 1970–1990. In: Erik Velásquez Garcia et al.: Historia General de México, Ilustrada, Bd. II, Colegio de México: Méxi-co D. F. 2010, 386-447, 388f.

146 Die acht Prozent ergeben sich aus dem Wahlergebnis der Nachfolgepartei der PCM, PSUM, und den Wählerstimmen der trotzkistischen Partei PRT (Partido Re-volucionario de los Trabajadores.) Vgl. José Agustín: La tragicomedia Mexicana, la vida en México 1970–1988, Editorial Planeta: México D. F. 2007, 261.

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Sekunden Sendezeit.147 Bis zum Ende der achtziger Jahre erhielt die PRI bei den Wahlen durchschnittlich 78 Prozent der Sitze. Erst bei der Präsi-dentschaftswahl von 1988 zeichnete sich eine wachsende Zustimmung für den Oppositionskandidaten Cuauhtémoc Cárdenas ab, was in der Linken Hoffnung auf politische Veränderungen weckte.148 Nachdem jedoch das Wahlcomputersystem ausfiel, erklärte die PRI ihren Kandidaten Carlos de Salinas de Gotari zum Wahlgewinner, was Cuauhtémoc Cárdenas in seinen Erinnerungen als „Betrug, nicht gegenüber ihm, sondern gegenüber dem ge-samten Volk“, bezeichnete.149

Die Wahlreform LOPPE bedeutete für die PRI zunächst eine demokratische Legitimierung ihres Regimes, denn durch sie gelang es, Teile der linken Opposition wieder in ihr Wahlsystem einzubinden. Im Klima der „demokra-tischen Reformen“ der PRI entstand eine neue plurale Zeitschriftenlandschaft mit der progressiven Tageszeitung Unomásuno (1977) und den linken Zeitschriften Historia y Sociedad (1965–1981), El Machete (1980–1981), Coyoacán (1977–1985), Estrategia (1974–1993) und Cuadernos políticos (1974–1990), die auf vielfältige Weise marxistische Positionen und Theorien in den Umlauf brachten.150 Der Politologe Arnaldo Cordova nannte die 147 Vgl. Agustín: La tragicomedia Mexicana, Bd. 2, 2007: 260; Rodriguez Araujo: La reforma política, 1979: 205ff.

148 Vgl. Cecilia Imaz: La izquierda y la reforma política en México: Situación actual y perspectivas de la democracia. In: Revista Mexicana de Sociología, Vol 43, Nr. 3, 07-10/1981, 1103–1120,1113f; Reynaldo Yunen Ortega Ortiz: Las elecciones de 1988. In: Luis Medina Peña (Hg.): El siglo del sufragio. De la no reelección a la alternancia, Fondo de Cultura Económica: México D. F. 2010, 207–235.

149 Vgl. Cuauhtémoc Cárdenas: Sobre mis pasos, Aguilar: México D. F. 2011, 247. (eigene Übersetzung)

150 Während die Beiträge aus Historia y Sociedad meist von PCM-Mitgliedern ge-schrieben wurden und die Positionen aus dem Ostblock um die Historiografie aus Frankreich bereichert wurden, war El Machete eine Parteizeitung, die Wert auf Kultur, neue soziale Bewegungen und den Eurokommunismus legte. Estrategia vereinte marxistische und cardenistische Denkrichtungen und Cuadernos Políticos vereinte Autor/innen aus unterschiedlichen marxistischen Traditionen. Vgl. Carlos Illades: El marxismo en México. Una historia intelectual, Taurus: México D. F. 2018 (Ebook: Kapitel 7).

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politische Reform „eine der langfristigsten Maßnahmen, um das Vertrauen der Bevölkerung in das PRI-System wiederherzustellen“.151

Für die PCM bot die Wahlreform eine Chance auf größere politische Spielräume für ihre Politik. Es bedeutete der Mexikanischen Kom-munistischen Partei viel, nach fast 30 Jahren wieder offiziell am politischen Leben teilnehmen zu können, nachdem Präsident Miguel Alemán sie im Zuge des Kalten Krieges vom politischen Leben ausgeschlossen hatte, indem er ihr die Wahlzulassung entzogen, die Partei jedoch nicht verboten hatte.152 Bei der Kampagne zur Unterstützung der Registrierung der PCM, die auch auf dem ersten Festival de Oposición stattfand, konnte die Partei in weniger als vier Monaten circa 100 000 Unterschriften sammeln.153 Die PCM war nun ge-fordert, sich in allen politischen Bereichen zu positionieren und mit einem relativ kleinen Mitgliederkreis einen nationalen Wahlkampf zu bestreiten.154

Das Verhältnis von PCM und PRI gestaltet sich nach der LOPPE als eine Mischung aus Konkurrenz, Miteinander und Abhängigkeit. Einerseits musste sich die PCM in der Opposition von den Regierungspositionen absetzten und als Wahlalternative, die sie sein wollte, klare Gegenpositionen beziehen. Andererseits ergaben sich gerade außenpolitisch und insbesondere mit dem nationalistischen Flügel der PRI inhaltliche Übereinstimmungen. So teilte die PCM die solidarische Politik von Präsident López Portillo gegenüber den Sandinist/innen in Nicaragua, unterstützte die Kritik des Präsidenten an den Vorgaben des IWF ebenso wie seine überraschende Maßnahme in der Wirtschaftskrise, die Bank zu nationalisieren.155 Darüber hinaus war die 151 Vgl. Arnaldo Cordova: La política de masas, 1979: 71. (eigene Übersetzung)

152 Vgl. Friedrich Katz: La guerra fría en América Latina. In: Daniela Spenser: Espe-jos de la guerra fría: México, América Central y el Caribe, Ciesas: México D. F. 2004, 11–31, 25; Condés Lara: Represión y Rebelión, 2009: 221.

153 Vgl. Montes Manzano: Últimos años, 1985: 370.

154 Vgl. Jardón: Travesía a Ítaca, 2008: 223ff.

155 Im August 1982 geriet Mexiko in die Wirtschaftskrise und erklärte sich gegen-über den internationalen Gläubigern für zahlungsunfähig. In seinem letzten Be-richt an die Nation, am 1. September 1982, kündigte López Portillo die Nationali-sierung der Nationalbank an und setzte dies ohne vorherige öffentliche Debatten und gegen den neoliberalen Flügel innerhalb der PRI um. Die PSUM befürwortete die Nationalisierung. Es gelang ihr jedoch nicht, diese Wende in der Regierung po-litisch für sich zu nutzen. Stattdessen wurde sie von anderen linken Parteien für

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PCM, zum Beispiel bei der Durchführung der Festivales de Oposición , auf Zustimmung und Mitarbeit der Staatspartei angewiesen, da diese bei der Vergabe von Visa, bei den Einreisebestimmungen internationaler Gäste und der Raumsuche weiterhalf.156

Über die Entscheidung der PCM, an den Wahlen teilzunehmen, wurde in-nerparteilich „kontrovers diskutiert“ und die Diskussionen darüber, ob der Parlamentarismus nicht vom Ziel Sozialismus ablenke und die Abgeordneten korrumpiere, hielten bis zur Auflösung der PCM an.157 Die aktionistische Linke sah die Reform als eine Strategie der Befriedung an, um sie von der direkten politischen Aktion wegzuführen und auf die parlamentarische Arena zu beschränken. Für Enrique Semo hingegen wurde die Wahlreform zum Ausgangspunkt eines Umdenkens innerhalb der sozialistischen Linken:„Desde el 1977, la izquierda ha estado envuelta en un proceso de re-evaluación de enfoques teóricos, estilos políticos y formas organiz-ativas cuyo eje central es la adaptación a las condiciones de la ihre „Zustimmung zur PRI-Politik“ kritisiert. Insgesamt waren wohl weder die Auseinandersetzungen innerhalb der Linken, noch die gleichzeitige Unterstüt-zung und Abgrenzung von der PRI-Politik in der Bevölkerung leicht vermittelbar. Vgl. Dieter Boris: Das Scheitern der neoliberalen Politik in Mexiko (1982–1984). In:Prokla, Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaften, Heft 99, 25. Jg. 1995, Nr. 2, 291–317; Massimo Modonesi: La crisis histórica de la izquierda socialista mexicana, Casa Juan Pablos Editores: México D. F. 2003, 36f.; Miguel Basáñez: La lucha por la hegemonía, 1979: 225ff; Cámara de Diputados: Legislatura LII-Año I – Periodo Ordinario – Fecha 19820906, digital, http://cronica.diputados.gob.mx/DDebates/52/1er/Ord/19820906.html, gesehen am 20.01.2020; Gilberto Giménz Montiel: La controversia ideológica en torno al VI informe de José López Portillo. Ensayo de análisis argumentativo. In Revista Mexicana de Sociología, Vol. 45, Nr. 2, 04-06/1983, 507–544.

156 Vgl. Imaz: La izquierda y la reforma política, 1981: 1113f.

157 Evisto Arreola: El trabajo parlamentario es bueno, pero … In: El Machete, Nr. 10, 02/1981, 19–20; Rudolfo Echeverría, Gilberto Enríquez, Joel Ortega, Enrique Semo et al.: Por la renovación del Partido Comunista Mexicano (Prolegómenos de un debate), México, Excélsior 21.11.1980; Carr: Mexican Communism 1968–1981, 1985: 213.

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legalización y la reforma política, y el debate acerca de las perspectivas que de ellas se desprenden.“158

Für die PCM waren damit die Zeichen gesetzt: Das Zwei-Stufen-Modell – erst eine demokratische Wende, um dann eine sozialistische Revolution zu erreichen – wurde auf dem XVIII. Parteitag 1977 ersetzt durch die Schaffung einer breiten „demokratisch-sozialistischen Front“, die sich für den Ausbau demokratischer Rechte im Parlament einsetzte und um „die Hegemonie bis zur demokratischen und sozialistischen Revolution“ kämpfen wollte.159 Die PCM wollte Einheit in der mexikanischen Linken schaffen, was schließlich zu ihrer Auflösung und Fusion mit anderen linken Gruppen führte.

Als Oppositionspartei setzte sich die Mexikanische Kommunistische Partei zum Ziel, für die Interessen breiter Bevölkerungsteile einzutreten und eine Massenpartei zu werden. Ein großes Ziel für eine kleine Partei, die, abge-sehen von den dreißiger Jahren, selten mehr als 30 000 Mitglieder hatte.160Nach der definitiven Zulassung der PCM am 7. August 1979 stiegen die Mitgliederzahlen rasant an. In der Hauptstadt verdoppelte sich die Anzahl der Parteimitglieder auf etwa 4 000 Personen.161

Eine Massenpartei zu werden, bedeutete für die PCM die Abkehr vom Konzept der Avantgardepartei, die von Berufsrevolutionär/innen gesteuert wurde und ihre Arbeit auf die Arbeiterklasse fokussierte. Enrique Semo be-schrieb dies als Abkehr von konspirativen Praktiken und radikaler Infragestellung der Verhältnisse hin zur Massenpartei, die sich parlamenta-risch engagierte und um Anerkennung bemüht war.162 Die PCM wollte nun die Interessen möglichst vieler Menschen vertreten und die Mittelschicht, 158 Enrique Semo: La izquierda mexicana frente la crisis, 1985: 123.

159 Arnoldo Martinez Verdugo: Crisis política y alternativa comunista, Ediciones de Cultura Popular: México D. F. 1979, 114.

160 Während der Amtszeit Lázaros Cárdenas erreichte die PCM die höchsten Mit-gliederzahlen mit 35–40 000 Mitgliedern. Vgl. Carr: Temas del comunismo mexica-no. In: Nexos 1982.

161 Waren es 1976 in Puebla noch 156 Parteimitglieder, die sich in 28 Parteizellen organisierten, so waren es 1980 bereits 3 200 Parteizellen im gesamten Land. Vgl. Enrique Condes Lara: Los últimos años del Partido Comunista Mexicano (1969–1981), BUAP: Puebla 2000, 187.

162 Vgl. Semo: La izquierda vis-a-vis, 1996: 139.

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Intellektuelle und Studierende als neue Mitglieder in die Partei einbinden. Strittig war jedoch in der sozialistischen Linken, was unter einer „Massenpartei“ im mexikanischen politischen System zu verstehen sei, da eine Massenorganisierung bis dahin vor allem in den wenig demokrati-schen PRI-nahen Organisationen stattfand.

Während Carlos Pereyra die engen Verbindungen, die der korporative Staat mit Gewerkschaften, Bauern- und Unternehmerverbänden unterhielt, als Hindernis für die Entstehung von Demokratie ansah, maß Arnaldo Cordova den Gewerkschaften im korporativen PRI-System weit mehr Bedeutung und Einfluss zu als den politischen Parteien.163 Um als linke Partei für die Bevölkerung attraktiv zu werden, müsse die Linke die Demokratisierung der Massenorganisationen durchführen und das Sektierertum hinter sich lassen, denn ohne die Demokratisierung der Gewerkschaft sei keine linke Partei massentauglich.164

Zwar wurde diese Vision Cordovas nicht von der PCM übernommen, jedoch diskutierte die Partei seine Thesen, denn sie sprachen zwei zentrale Themen der Partei an: die Demokratisierung Mexikos und die Einheit der Linken. Die PCM debattierte in den letzten Jahren ihres Bestehens darüber, wie das PRI-System demokratischer werden könnte und wie sie Demokratie definieren sollte. Der Begriff „Demokratie“ war in der kommunistischen Linken wenig beliebt, zunächst galt er als bürgerlich und löste bei den Mitgliedern Skepsis aus, wie Roger Bartra sich erinnert:

„Para que el lector tenga una idea de las dificultades y el aislamiento que a principios de los años ochenta enfrentaban la defensa de al de-mocracia ‚formal‘ y la discusión de temas nuevos en el seno de la izquierda, citaré algunos ejemplos sintomáticos. Enrique Semo, el intelectual orgánico más influyente del Partido Comunista Mexicano

(PCM), me acusó de ser parte del ‚nuevo reformismo‘ y del ‚euroco-munismo de derecha‘. Amalia García, destacada funcionaria de ese partido, […] acusaba a la revista de haber desarrollado ‚un estilo

163 Vgl. Carlos Illades: El marxismo en México, 2017: Kapitel 5 (E-Book).

164 Vgl. Cordova: La política de masas, 1979; für eine scharfe Zurückweisung dieser Position vgl. Alan Arias, Manuel Lavaniegos; Hipólito Rodríguez: Estado y sistema ejidal. In: Cuadernos Políticos, Nr. 21, Era: México, D. F., 07-09/1979, 25–50, 45.

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incorrecto‘. Jorge Castañeda […] me denunció públicamente por no asistir a las reuniones de la burocracia partidaria, por no colaborar en la redacción de documentos oficiales; también me acusó de ‚falsifi-cación‘ y de no estar afiliado al sindicato universitario. Raúl Trejo

Delarbre criticaba a la revista por ser ‚un foro de debate abierto‘

(propio de la prensa liberal), por ser afrancesada y eludir ‚el debate de los problemas nacionales fundamentales‘ y por ‚simplificar los prob-lemas en aras de la frivolidad y el espíritu jocoso‘.“165

Für Roger Bartra, einen Vertreter eurokommunistischer Ideen, beinhaltete „Wahlalternative“ zu sein, dass „Demokratie nicht als bloßes Instrument galt, das sich den höheren Aufgaben des Klassenkampfes […] unterordnete, sondern ein neuer Raum“ für gesellschaftliche Auseinandersetzungen ent-stehe.166 Die Diskussion um die „demokratische Politik“ sei zeitgemäß, da es „um die Beziehung zwischen der möglichen ‚formellen‘ oder ‚parlamentari-schen‘ Demokratie und den korporativen und präsidialen Charakter des mexikanischen Staates ging.“167 Damit näherten sich die bekannten Vertreter des parlamentarischen Weges, Roger Bartra und Carlos Pereyra, sozialdemo-kratischen Positionen an.168 Miguel Basañez bezeichnete diesen 165 Roger Bartra: La democracia ausente. El pasado de una ilusión, Océano: Méxi-co D. F. 2000, 13–14.

166 Maarten van Delden hat herausgearbeitet, wie sich die Definition von Demokra-tie im Werk von Bartra über die Jahre veränderte. Von einer „fiktiven Demokratie“, die die Herrschaft der Bourgeoisie stütze, über ein Instrument im Klassenkampf hin zu einer sozialdemokratischen Position der Demokratie als Ziel an und für sich. Vgl. Maarten van Delden: La idea de la democracia en Roger Bartra. In: Mabel Moraña; Ignacio Sánchez Prado (Hgg.): Democracia, otredad y melancolía. Roger Bartra ante la crítica, Fondo de Cultura Económica: México D. F. 2015, 93–111; José Woldenberg: Pereyra y la democracia. In: Teoría. Revista del Colegio de Filosofía. Nr. 19/2009, 145–149; Bartra: Las imaginarias del poder, 1981: 150. (eigene Über-setzung)

167 Roger Bartra, Christopher Domínguez: Leña del árbol de la utopía. Conversa-ción de Christopher Domínguez con Roger Bartra. In: El Buscón, Nr.10,05-06/1984, 26–45, 43.

168 Vgl. Carlos Pereyra: Filosofia, historia y política. Ensayos filosóficos (1974–1988), FCE: México D. F. 2010, 629. (eigene Übersetzung)

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Positionswechsel der PCM als neue Zukunftsperspektive, die weniger revolu-tionär als „transformatorisch“ war.169

Als Massenpartei musste die PCM ferner einen breiten Konsens für ihre Politik herstellen und sich auf eine langsame Eroberung der Zivilgesellschaft sowie auf das politische Wechselspiel zwischen offener Gegnerschaft und strategischem Agieren im „Stellungskrieg“ in der parlamentarischen Arena einrichten.170 Die Begrifflichkeit entlieh die PCM aus den Theorien von Antonio Gramsci, dessen Werke erst in den siebziger Jahren in spanischer 169 Basañez: La lucha por la hegemonía, 1990: 147.

170 Vgl. Antonio Gramsci: Zu Politik, Geschichte und Kultur, Reclam: Leipzig 1986, 272.

Abb. 2.9 Vision von El Machete zu den Notwendigkeiten beim Parteikongress: Karl Marx, Che Guevara, John

Lennon und vier Gläser auf dem XIX. Parteikongress.

Titelbild von El Machete. Nr. 12, 1981.

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Sprache publiziert wurden.171 Weiterhin wurde die Gramsci-Rezeption durch Exilant/innen wie Adolfo Sánchez Vázquez oder René Zavaleta gefördert, die an den mexikanischen Universitäten lehrten und damit die mexikanischen Studierenden und Intellektuellen erreichten.172

Mit der Umsetzung neuer Realitäten durch Gesetzesinitiativen oder lokale Kooperationen hatte die PCM jedoch zunächst nur begrenzt Erfolg. Sie brachte während ihrer parlamentarischen Tätigkeit einige Gesetzesinitiativen ein, die zum Teil gemeinsam mit den sozialen Bewegungen erarbeitet worden waren, also die Interessen der Basisbewegungen in das Parlament hinein trugen. Allerdings waren diese Initiativen nicht von Erfolg gekrönt und schei-terten sowohl am rechten Widerstand als auch an der fehlenden Unterstützung progressiver Parteien, wie in Kapitel 3 detaillierter ausge-führt wird.

Gegenhegemonie aufzubauen und lokale Machtzentren auf der Bezirks- und Bundesstaatsebene zu schaffen, glückte der PCM (beziehungsweise der PSUM) nur zweimal: in der mixtekischen Gemeinde La Montaña in den Bergen Guerreros und in Allianz mit der Coalición Obrera Campesina, Estudiantil del Istmo (COCEI) in Juchitán, Oaxaca.

In Guerrero eroberte das Bündnis zwischen PCM und Mixtecos zunächst Ämter auf Gemeindeebene und stellt ab 1980 mit Abel Salgado Valdéz den Gemeindepräsidenten. Arnoldo Martínez Verdugo nahm diesen Erfolg bei 171 Zur Rezeption von Gramscis Theorien in Mexiko vgl. Araceli Zuñiga: Un espec-táculo de proyección internacional, Oposición 15.04.1978; 1262; Arnoldo Cordova: Hacia Gramsci: La larga marcha de la izquierda mexicana. In: Nexos 06/1986, digi-tal http://www.nexos.com.mx/?p=4634, gesehen am 22.04.2020; Diana Fuentes: El marxismo es un crítica de lo existente y un proyecto de sociedad más justa y libre. In: Tribuna Comunista 76/23/3/2014, 43–44; Ronald Chilcote: Postmarxism: The Retreat from Class in Latin America. In: Latin American Perspectives, Vol. 17, Nr. 2 Spring 1990, 3–24, 11; Carlos Illades: La renovación de los comunistas mexi-canos. In: Ders. (Hg.): Camaradas. Nueva historia del comunismo en México, Fondo de Cultura económica: México D. F. 2017, 266–301, 269; Jaime Massardo: La rece-pción de Gramsci en America Latina: Cuestiones de orden teórico y político, digital http://www.internationalgramscisociety.org/igsn/articles/a09_s3.shtml, gesehen am 27.04.2020; vgl. René Zavaleta Mercado: Ensayos, testimonios y re-visiones, UNAM: México D. F. 2006, 33f.

172 Vgl. Adolfo Sánchez Vázquez: De Marx al marxismo en América Latina, Itaca: México D. F. 1999, 101.

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seiner Präsidentschaftskampagne für die PSUM zum Anlass, nach dem Auftakt in Mexiko-Stadt Alcozauca als Ausgangspunkt für seine Kampagne „Marsch für Demokratie“ zu nehmen. Er warb vehement für den Teil des PSUM-Parteiprogramms, der die Demokratisierung der Gemeinden betraf.173

Die Zusammenarbeit in Oaxaca mit der COCEI war ein strategischer Zusammenschluss, da die COCEI ihre Forderungen durchsetzen wollte und die PCM über eine Registrierung verfügte.174 Das Bündnis mit der COCEI er-reichte lokal eine solche Stärke, dass es sogar gelang, den Wahlbetrug der PRI öffentlich zu machen.175 Allerdings ergab sich aus den regionalen Zusammenschlüssen keine Strategie der PCM für das gesamte Land, da die politischen Bedingungen stark variierten. Den Herausforderungen der sieb-ziger und achtziger Jahre, Wirtschaftskrise und Neoliberalismus, begegnete die mexikanische Linke durch Bündnisse, Allianzen oder Koordinationen miteinander.

So entstand beispielsweise 1976 die Frente Nacional de Acción Popular (FNAP), in der unabhängige, demokratische Gewerkschaften wirkten, 1979 gründete sich die Frente Nacional contra la Repreción (FNCR), ein Zusammenschluss von Angehörigen der Opfer der Repression, und zu Beginn der achtziger Jahre mobilisierten verschiedene Zusammenschlüsse gegen die staatlichen Sparmaßnahmen.176 Obwohl diese Koordinationen auf real-173 Vgl. José Woldenberg: Historia mínima de la transición democrática en Méxi-co, El Colegio de México: México D. F. 2012, 37f.; PSUM: Declaración de principios, programa de acción y estatutos del PSUM, Ediciones del Comité Central del PSUM: México D. F. 1982, 25.

174 Die COCEI verstand sich eher als Bewegung denn als parlamentarische Partei, da sie einen möglichst breiten Aktionsradius wahren wollte. Vgl. Jeffrey W. Rubin: Decentering the Regime. Ethnicity, Radicalism and Democracy in Juchitán, México, Duke University Press: Durham/London 1997, 214f.

175 Vgl. Anguiano: Entre el pasado y el futuro, 1996: 36f.

176 Ferner gab es einen Zusammenschluss der Bäuerinnen und Bauern, die Coor-dinadora Nacional Plan de Ayala (CNPA) und 1981 entstand die Coordinadora Na-cional del Movimiento Urbano Popular (CONAMUP) aus der Stadtteilbewegung der Colonos, die sich bis dahin regional organisiert hatte. Vgl. Jorge Cadena Roa: State Pacts, Elites and Social Movements in Mexico’s Transition to Democracy. In: Jack A. Goldstone (Hg.): States, Parties and Social Movements, Cambridge University Press: Cambridge, 107–143; Miguel Armando López Leyva: La encrucijada. Entre la pro-testa social y la participación electoral, Plaza y Valdés: México D. F. 2007, 58f.; María

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politischer Ebene zusammenarbeiteten und erfolgreich viele Menschen mobilisierten, scheiterten sie jedoch daran, die Bevölkerung dauerhaft zu organisieren.177 Der Einigungswille erreichte auch die linken Parteien. Enrique Semo beschrieb ihn wie folgt:

„El doctrinarismo y el dogmatismo que durante décadas dominaron la cultura de la izquierda, se derrumbaron con una rapidez inesperada.

Grupos, partidos y personalidades separados por barreras ideológicas aparentemente infranqueables se encontraban ahora en coaliciones, partidos y frentes cuya unidad se fincaba en nuevos elementos: los in-tereses electorales y las plataformas políticas.“178

Ähnlich wie die Italienische Kommunistische Partei trieb die PCM nun die Allianzen mit allen linken Kräften voran, um die progressiven Kräfte der PRI-Opposition zu bündeln.179 Nachdem die PCM bereits ein Jahr vor ihrer Wahlzulassung zusammen mit der Liga Socialista und der Movimiento Organización Socialista den Präsidentschaftskandidaten Valentín Campa auf-gestellte hatte, folgte 1979 die Coalición de Izquierda , die aus der PCM, der Movimiento de Acción y Unidad Socialista (MAUS), der Partido Socialista Revolucionario (PSR) und der Partido Popular Mexicano (PPM) bestand.180Die Gruppe MAUS und die PSR waren Abspaltungen von der PCM und die PPM hatte sich von der regierungstreuen sozialistischen Partei getrennt. Die Coalición de Izquierda war der erste legal registrierte Zusammenschluss, der offiziell an den Abgeordnetenhauswahlen 1979 teilnahm. Die Koalition er-reichte 750 000 Stimmen und stellte somit 18 Abgeordnete im Elena Ducci: Análisis comparativo de movimientos urbanos en distintas clases so-ciales. In: Jorge Alonso (Hg.): Los movimientos sociales en el valle de México, Bd. 1, Ciesas: México D. F. 1986, 55–100, 69; Juan Manuel Ramírez Saíz: El movimiento urbano popular en México, Siglo XXI: México D. F. 1999; Jorge Cadena Roa: Soziale Bewegungen und das mexikanische politische System. In: Barbara Schröter (Hg.): Das politische System Mexikos, Springer: Wiesbaden 2015, 353–374.

177 Anguiano: Entre el pasado y el futuro, 1996: 37f.

178 Semo: La izquierda vis-a-vis, 1996: 139.

179 Vgl. Carr: Mexican Communisim 1968–1988, 1985: 213.

180 Vgl. Rodríguez Araujo: La reforma política, 1979: 181ff.; 231ff.

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Abgeordnetenhaus.181 Zwar war die Allianz mit der MAUS in der Partei um-stritten, da diese Gruppierung immer noch an eine Reformierbarkeit der PRI glaubte. Ungeachtet der Differenzen verfolgte die PCM jedoch voller Enthusiasmus den Wahlkampf.182

Des Weiteren trat die PCM mit der trotzkistischen Partido Revolucionario de los Trabajadores (PRT) und der neu gegründeten Partei Partido Mexicano de los Trabajadores (PMT) des 1968er-Aktivisten Heberto Castillo in Kontakt.183 Diese Annäherung war jedoch nicht erfolgreich: Eine Verbindung zur trotzkistischen Partei hätte der kritischen Revision der PCM-Position ge-genüber dem Trotzkismus und dem Mord an Trotzki in Mexiko bedurft, was in der PCM umstritten blieb.184 Kurzzeitige Kooperationen bei Kampagnen waren mit der PRT zwar möglich, jedoch agierten PRT und PCM im Parlament durchaus auch gegeneinander, wie zum Beispiel bei der Initiative zur Legalisierung der Abtreibung.185 Die Kontakte zur PMT gestalteten sich eben-falls schwierig, da die PMT kommunistische Symbole wie Hammer und Sichel ablehnte. Nachdem Heberto Castillo nicht zum gemeinsamen Präsident-schaftskandidaten bei den Wahlen von 1981 gewählt wurde, trat die PMT endgültig von den Fusionsverhandlungen mit der PCM zurück.186 Der PCM gelang es, mit ihr politisch nahestehenden sozialistischen Gruppen zu 181 Vgl. Hugo Vargas: Los comunistas guerrenses en campaña. In: El Machete Nr 7, 11/1980, 17–21; Carr: Mexican Communism 1968–1981, 1985: 212f.

182 Vgl. Montes Manzano: Ultimos años, 1985: 383.

183 Vgl. Rodríguez Araujo: La reforma política, 1979: 183ff.

184 Valentín Campa wurde gemeinsam mit Hernán Laborde aus der PCM ausge-schlossen, da er das Attentat auf Trotzki ablehnte, da der Mord ein schlechtes Licht auf die PCM und die kommunistischen Parteien geworfen hatte. Vgl. Campa: Mi te-stimonio, 1978: 159ff.

185 Die trotzkistische PRT gründete sich 1976 und wurde zu einer schnell wach-senden und anerkannten trotzkistischen Partei, die laut Rodríguez Araujo im Jahr 1978 ihre Mitgliederzahlen um 900 Prozent steigern konnte. Die PMT wurde von Gewerkschafts- und 1968er-Aktivist/innen wie Demetrio Vallejo, Heberto Castillo und Luis Cervantes de Cabeza de Vaca gegründet. Vgl. Octavio Rodríguez Araujo: La reforma política y los partidos en México, Siglo XXI: México D. F.[1979] 1997, 179–195; 205–230, 209.

186 Vgl. Rodríguez Araujo: La reforma política, 1981: 344ff.

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fusionieren, eine kontinuierliche Zusammenarbeit und Verschmelzung mit anderen linken Parteien gelang nicht.

Der Fusionsprozess der PCM verlief schnell und war ein von oben gesteuerter Prozess ohne Diskussionen an der Basis. Ein Grund dafür waren sicherlich die langwierigen internen Flügelkämpfe zwischen Renovadores ( Renos ) und Dinosaurios (Dinos), die die Partei 1980 und 1981 beschäftigte. Diese Auseinandersetzungen drehten sich um die ideologische Ausrichtung der Partei. Die Renos forderten die Rückkehr der PCM zu leninistischen Prinzipien anstelle sozialdemokratischer Positionen und wollten kritisch über den Stellenwert des Parlamentarismus in der Parteiarbeit diskutieren.187Im November 1980 veröffentlichten 13 Mitglieder des Zentralkomitees in der Zeitung Excélsior einen offenen Brief mit dem Titel „ Por la renovación del Partido Comunista Mexicano “ (Für die Erneuerung der Mexikanischen Kommunistischen Partei).188 Die Unterzeichnenden kritisierten den „wachsenden Eklektizismus der Parteidokumente, in denen die Koexistenz von oft antagonistischen Formulierungen toleriert wurde, was Verwirrung an der Parteibasis schuf“. Sie kritisierten die ideologische Unklarheit gegenüber Demokratie und Parlamentarismus der PCM, die die Herrschaft des Apparates festige, während gleichzeitig Energie und Ressourcen, die für die direkte Arbeit mit der Arbeiterklasse benötigt würden, in die parlamentarische Tätigkeit flössen.

Die PCM würde zu einer „Partei der Meinungen“ statt zur „Aktionspartei“, was sich in der wachsenden Zahl von Intellektuellen, Angestellten und Akademiker/innen innerhalb der Partei und in dem Fehlen von Mitgliedern aus der Arbeiterklasse zeige.189 Statt die inhaltliche Diskussionen mit der PRT zu Ende zu führen, würden unnötige Allianzen mit den national-revolu-187 Bereits vor der Auseinandersetzung mit den Renos trat Arturo Martínez Nateras von seinen Funktionen zurück und aus der Partei aus, da sein Vorschlag, sich an der Regierung zu beteiligen, vom Zentralkomitee abgelehnt worden war. Vgl.: Montes Manzano: Últimos años, 1985: 378f.

188 Unterzeichner/innen waren Abel Alcántara, Gilberto Argüello, Roberto Borja, Rodolfo Echeverría, Gilberto Enríquez, Félix Goded, Carlos López Torres, Marcela de Neymet, Joel Ortega, José Rodríguez, Américo Saldivar, Rito Terán Olguin, En-rique Semo. Vgl. Echeverría, Enríquez; Ortega; Semo et al.: Por la Renovación, Excél-sior 21.11.1980.

189 Vgl. Barry Carr: Impresiones del XIX Congreso, 1981: 86f.

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tionären Parteien PPM und MAUS geschlossen. Ähnlich der Kritik Louis Althussers an der PCF, beklagten auch die Renos die Distanzierung der PCM von der Arbeiterklasse und sahen dies als Ausdruck der theoretischen Krise der PCM und der kommunistischen Bewegung insgesamt an.190 Ein Vertreter der Renos , Jorge Castañeda, erinnerte sich an die Debatte wie folgt:

„La discusión organizada por la dirección, previa a la lucha interna pero que sembró la semilla de la misma, se enfocó en varias tesis. Que variaban desde lo excesivo (por responsabilidad mía sobre la libertad sexual, reproductiva y de género, por ejemplo) hasta lo más simple, en apariencia: si México era un país capitalista o no, y si el partido debía considerarse como heredero legítimo de la revolución mexicana.“ 191

Die Renos waren keine homogene Gruppe innerhalb der Partei, sondern vertraten unterschiedliche politische Positionen. Was sie einte, war die Kritik an der Parteiführung und ihrer unklaren politischen Linie in Bezug auf den Reformkommunismus. Die Renos wollten die Partei zurück zu leninistischen Positionen führen, traten jedoch gleichzeitig für einen Meinungspluralismus innerhalb der Partei ein. Reformorientierte Teile der Partei, wie die Redaktion von El Machete , standen den Renos kritisch gegenüber. So warf Roger Bartra ihnen vor, eine zu enge Auffassung von „Aktivismus“ und „Arbeiter“ wiederzubeleben und den Begriff des Kampfes in der Zivilgesellschaft mit dem der öffentlichen Meinung zu verwechseln.192 Die Parteiführung, unter deren Leitung der Reformkurs begonnen worden war, reagierte ebenfalls mit Ablehnung auf das November-Dokument. Sie argumentierte, die Kritik am Parlamentarismus lehne sich an die Phase der Wahlenthaltung der PCM an, während die konkreten Bemühungen der Partei, auf das Proletariat zuzugehen, ignoriert würden.

190 Vgl. Carlos Illades: El marxismo en México, Random House/Taurus: México D. F. 2017. Kapitel 6 (E-Book); Louis Althusser: Die Krise des Marxismus, VSA: Hamburg 1978.

191 Jorge G. Castañeda: Amarres perros. Una autobiografía, Alfaguara: México D. F. 2015, 19ff.

192 Vgl. Roger Bartra: ¿Qué tan correctas son las ideas correctas? In: El Machete, Nr. 10, 02/1981, 28–30.

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Auf dem XIX. Parteikongress der PCM, der vom 9. bis 15. März 1981 in Mexiko-Stadt stattfand, setzten sich die Renos trotz heftiger Debatten nicht durch. Es gelinge den Renos zwar, ehrliche Debatten in der Partei anzuregen und Positionen zu schärfen , mehr jedoch nicht, so der Tenor mehrerer Artikel in El Machete .193 Die Renos wurden nicht aus der Partei ausgeschlossen, einige sogar in Parteipositionen gewählt. Trotzdem wurde klar, dass das Zentralkomitee unter Führung von Arnoldo Martínez Verdugo bleiben würde, der zwar individuelle Meinungen, nicht jedoch Strömungen oder Zusammenschlüsse innerhalb der Partei tolerieren wollte, da sie seiner Meinung nach die Aktionseinheit und Stärke der Partei unterminierten.194

Bemerkenswert war, dass der XIX. Parteikongress insgesamt im Zeichen inhaltlicher Debatten stand. So waren die Mitglieder bereits im November 1980 aufgerufen worden, das neue Parteiprogramm zu diskutieren und Anmerkungen dazu zu machen, die dann in die Debatten des Kongresses ein-fließen sollten. In einer Befragung der Parteimitglieder der Hauptstadt gaben drei von fünf Befragten an, das Parteiprogramm zu kennen. Sieben von zehn Mitgliedern waren erst nach 1977 PCM-Mitglied geworden und 70 Prozent der Befragten waren männlich und jünger als 31 Jahre. Ebenfalls sieben von zehn Befragten erwarteten, dass der Kongress einen Führungswechsel bringen werde. Sie wünschten eine Veränderung bei der Koalitionspolitik, meist eine Ausweitung der Zusammenarbeit der PCM mit PRT und PMT.

Bei der Frage nach der Orientierung der Parteiarbeit auf die Parlamente (42 Prozent) oder die Basisbewegungen (47 Prozent) zeigte sich ein pre-käres Gleichgewicht. Als wichtige Themen für den Kongress nannten die Befragten Strukturveränderungen, Präzisierung der Massen- und Gewerkschaftspolitik der PCM sowie die Charakterisierung ihres Ver-hältnisses zum mexikanischen Staat.195

193 Vgl. Daniel Cazes: Un Cronopio en el 19 congreso. In: El Machete, Nr. 12, 04/1981, 23–27; Gilberto Rincón Gallardo: Contra el sagrado monolitismo. In: El Machete, Nr. 14, 06/1981, 35–38; J. Encarnación Pérez: La prueba vigente de la democracia. In: El Machete, Nr. 14, 06/1981, 39–42; Francisco Eduardo de la Vega y de Avila; ¿Qué pasó con la renovación del PCM? In: El Machete, Nr. 14, 06/1981, 43–46.

194 Vgl. Elvira Concheiro Bórquez; Carlos Payán Velver (Hgg.): Los congresos comu-nistas. México 1919–1981, Bd. 2, 497–498.

195 Vgl. Guillermo Hernández: ¿Qué esperan los militantes de base del XIX congreso del PCM? In: El Machete, Nr. 7, 11/1980, 15–16.

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Nach den turbulenten Diskussionen auf dem XIX. Parteikongress verging kaum ein halbes Jahr, bis die Führung Vereinigungsgespräche mit anderen linken Kräften ankündigte und auch durchführte. Bereits im Oktober 1981 fand der XX. Kongress statt und schon wenige Wochen später, in einer Sitzung vom 4. bis 6. November 1981, wurde die Auflösung der PCM beschlossen und ihre Vereinigung mit der MAUS, PSR und PPM zur Sozialistischen Einheitspartei Mexikos (PSUM).196 Nicht alle PCM-Mitglieder waren mit dem schnellen Vereinigungsprozess einverstanden. Barry Carr resümierte den Prozess wie folgt:

„The PSUM emerged remarkably quickly; only four months elapsed between the first announcement of holding discussions on a merger

(August 1981) and the formal emergence of the PSUM in November.

The whole process took the rank and file of the merging parties by surprise […] The suddenness of the move and disquiet over the elites character of the negotiations (denounced as the politics of the cupola) led to many party members failing to transfer their affiliation to the new party.“197

Für die kleineren Parteien und Gruppierungen der MAUS, PSR und PPM war es schwer, die Politik der PSUM zu beeinflussen, da die PCM den größten Einfluss behielt und die meisten Kader im Zentralkomitee stellte. Alle Gruppen, die mit der PCM zur PSUM fusionierten, waren, mit Ausnahme der MAP, deren Mitglieder eine prominente Rolle in der PSUM spielen sollten, weniger reformorientiert als die PCM. So lehnte es die PSUM in den folgenden Jahren ab, sich als feministische Partei zu definieren, obwohl die PCM mit feministischen Gruppen zusammengearbeitet hatte.198 Die neue Partei wurde 196 Die PPM spaltete sich unter Führung von Alejandro Gascón Mercado 1977 von der PPS ab. Die marxistisch-leninistische Gruppe MAUS verkündet bald nach ihrer Entstehung 1972 ihre Teilnahme an den Wahlen, so dies möglich wäre. Die Mit-glieder der MAP engagierten sich maßgeblich in den Gewerkschaften. Vgl. Fátima Fernández Christlieb: Cuatro partidos políticos sin registro electoral: PCM; PDM, PMT, PST. In: Revista UNAM, Estudios Políticos, Vol. 1, Nr.3–4, 1975, 73–102.

197 Barry Carr: Marxism & Communism, 1992: 290f.

198 Vgl. Carr: Mexican Communism 1968–1981, 1985: 221f.

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durch die politischen und persönlichen Kämpfe um Posten und Einfluss ge-schwächt. Zwar wuchs die Mitgliedschaft der PSUM bis 1984 auf 63 000 an, doch waren dies wohl vor allem neue Mitglieder, während die alten Kader nicht in der PSUM mitarbeiteten.199

Zwar normalisierte sich die Präsenz der PCM und später der PSUM im öffentlichen Leben durch ihre Arbeit im Parlament, jedoch wurde die PCM/PSUM vorrangig von Wähler/innen aus den Städten und Ballungsgebieten, selten auf dem Land gewählt. Darüber hinaus teilten sich die Wählerstimmen für die linken Parteien zu etwa gleichen Teilen zwischen den sozialistischen, jedoch PRI-nahen Parteien wie PPS oder PST, und der unabhängigen sozia-listischen Linken, wie PCM, PRT oder PMT, auf.200 Der Einfluss der PCM/PSUM blieb auch deshalb begrenzt, da die Kooperationen zwischen den linken Parteien kaum zu substantiellen Veränderungen führten und sich Zusammenschlüsse mit sozialen Bewegungen meist schnell wieder auf-lösten. Somit erreichte die „mexikanische Linke 1984–85 einen ihrer Tiefpunkte“.201 Trotzdem ist der Vereinigungswille auch bei den linken poli-tischen Parteien deutlich, so fusionierten die PCM und andere kleine linke Organisationen zur PSUM, die PSUM wurde gemeinsam mit der PMT 1988 zur Partido Mexicano Socialista (PMS), die dann 1989 mit Teilen der PRI zur Partido de la Revolución Democrática (PRD) fusionierten, die bis heute existiert.202 Resümee

Wie im ersten Kapitel gezeigt werden konnte, wirkten die Folgen der mexi-kanischen 1968er-Bewegung noch eine Dekade später in der Gesellschaft 199 Vgl. Carr: Mexican Communism 1968–1981, 1985: 295.

200 Vgl. Anguiano: Entre el pasado y el futuro, 1996: 38.

201 Anguiano: Entre el pasado y el futuro,1997: 17.

202 Der PMS traten ferner die neu gegründete Partido Patriotico Revolucionario (PPR), die Unión de Izquierda Comunista und die Movimiento Revolucionario del Pueblo bei. 1989 entstand mit der PRD eine Fusion der PMS, der Teile der PST bei-getreten waren, und der Corriente Democrática, die zunächst als Parteiströmung innerhalb der PRI entstanden war.

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und in der Linken nach. Zum einen, da auf die Repression von 1968 nun staatliche Reformen folgten, die den Bürger/innen mehr Demokratie und der Opposition größere politische Spielräume versprachen. Zum anderen brachte die 1968er-Bewegung der mexikanischen Linken und auch der PCM neue Impulse. Die Mexikanische Kommunistische Partei war von der Kraft und Größe der 1968er-Bewegung überrascht worden und konnte die Proteste weder lenken noch beeinflussen. Die PCM reflektierte über die Kritik der 1968er-Bewegung an Dogmatismus und fehlender innerparteili-cher Demokratie und erkannte sie als berechtigt an. Als kontinuierliche Kraft innerhalb der PRI-Opposition gelang es der Partei nach dem Zerfall der 1968er-Bewegung und der Zerschlagung der Guerilla-Gruppen, die politisch Aktiven zu rekrutieren und die Partei wuchs.

Zwischen 1968 und 1977 vollzog die Mexikanische Kommunistische Partei eine politische Kehrtwende von der Befürwortung des bewaffneten Kampfes hin zur Partizipation an den mexikanischen Wahlen, auch wenn sie als kleine Oppositionspartei strukturell benachteiligt blieb. Eine weitere Konsequenz der Ereignisse von 1968 war der verstärkte Wille zu Parteireformen. Bereits nach dem XX. Parteitag der KPdSU hatte die PCM begonnen, Dogmatismus und Personenkult in den eigenen Reihen zu bekämpfen. Bereits 1968 kriti-sierte sie die Interventionen der Sowjetunion in Prag und unter dem Parteivorsitz von Arnoldo Martínez Verdugo näherte sich die PCM den euro-kommunistischen Positionen an, die Dominanz und Dogmatismus der KPdSU kritisierten und einen eigenen Weg zum Sozialismus suchten.

Die PCM war sich der deutlichen Unterschiede zwischen den politischen Systemen in Mexiko und den parlamentarischen Demokratien Südeuropas bewusst. Es gelang ihr sowohl mit den eurokommunistischen Parteien als auch mit den sozialistischen Parteien des Ostblocks in gutem Kontakt zu bleiben. Ferner kritisierte die Partei einige eurozentristische Positionen der Eurokommunist/innen. Statt eurokommunistische Lösungswege zu über-tragen, gelte es, sich eigene, auf die mexikanischen Bedingungen zugeschnittene Positionen zu erarbeiten. Anders als den eurokommu-nistischen Parteien in Südeuropa gelang es der PCM nur vereinzelt, eine lokale Gegenhegemonie zur PRI aufzubauen.

Insgesamt hatte der Parlamentarismus für die PCM jedoch nicht gut funk-tioniert. Im realpolitischen Gefüge hatte sie Schwierigkeiten, sich klar von

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der PRI abzugrenzen, da die Staatspartei außenpolitisch progressive Positionen vertrat und weiterhin staatliche Institutionen dominierte. Ihr Wahlerfolg blieb aus, da die Partei intern nicht vom Nutzen des Parlamentarismus oder der Machbarkeit eines über die Wahlen zu errei-chenden „demokratischen Sozialismus“ überzeugt war. Die Fusion der PCM zur PSUM geschah ohne demokratische Befragung der Mitglieder und blieb beschränkt auf kleine Abspaltungen von der PCM, die weniger reformorien-tiert waren als die Partei selbst. Zwar erweiterte die Partizipation am mexikanischen Parlamentarismus den politischen Spielraum der PCM und ihre Außenwirkung wurde größer, jedoch gelang es ihr nicht, die Gesetzesinitiativen, die sie zum Teil gemeinsam mit den sozialen Bewegungen ins Parlament einbrachte, zur Umsetzung zu bringen, wie es im folgenden Kapitel, das eine Analyse zwei politischer Debatten auf den Festivales de Oposición vornimmt, behandelt werden wird.

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2 „¡Va es tú Festival!“ – Organisation der Festivales de Oposición

Das Foto links zeigt Menschen, die auf den Eingang eines der bekanntesten Konzerthäuser in Mexiko-Stadt, das Auditorio Nacional, zustreben. Dort findet das dritte Festival de Oposición statt, das mit großen Lettern als „po-pular“, also als Volksfest, angekündigt wird. Die Gruppe im Vordergrund hat Abb. 3.1 Eingang des Auditorio Nacional während des III. Festivals, Foto des AGN Bildarchiv, 1979.

Abb. 3.2 Festivalplakat des V. Festival de Oposición 1980, abgedruckt in:

La gráfica política en México, 2012.

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ein Kind dabei, denn die Feste der PCM boten ein vielfältiges Angebot für jedes Alter und diverse Interessen. Im Eingangsbereich ist deutlich das Emblem von Hammer und Sichel zu erkennen. Das internationale Symbol der kommunistischen Bewegung zeigte an, dass es sich um ein sozialisti-sches Festival handelte, das revolutionäre Kunst und links-oppositionelle Kämpfe präsentierte. Das farbige Werbeplakat des vierten Festivals steht unter dem Titel „Ya viene el festival» (Da kommt schon das Festival).

Es war das größte Festival de Oposición und fandunter Beteiligung von circa 500 internationalen Künstler/innen und Referent/innen statt. Auf dem Plakat sind die vielfältigen Aktivitäten des Festes aufgelistet: populäre Volksmusik ( música popular ), runde Tische, Konferenzen und politische Diskussionsforen, Kino, Theater und Tanz, Ausstellungen, Verkauf von Büchern, Plakaten, Schallplatten sowie Kunsthandwerk aus Mexiko und der Welt, Sport und Spiel. Allein diese Auflistung und die große Anzahl der Mitwirkenden verdeutlichen das breite Angebot zwischen Politik und Kultur.

Ein Fest, in dem sich Politik und Kultur verbanden und das sich an ein breites Publikum richtete.1 Ziel der Festivales de Oposición war es, über lokale und internationale Kämpfe zu informieren, Bewegungen zu unter-stützen sowie für die Politik der PCM zu werben. Jede Vernetzung ist konkret und lokal (Latour) und zeigt etwas über die Akteur/innen und ihre Handlungen; der Austausch auf den PCM-Festen fand, je nach Verfügbarkeit der Räumlichkeiten, im Auditorio Nacional oder im Palacio de los Deportes in Mexiko-Stadt statt.2 Bis heute gehören beide Orte zu den bekannten Kulturzentren, die über diverse Säle von unterschiedlicher Größe und eine Hauptbühne mit einem Fassungsvermögen von circa 20 000 Sitzen verfügen. Bis in die siebziger Jahre waren diese Kulturzentren den Veranstaltungen 1 o. A.: ¡Va, es Tu Festival!, Oposición 04.02.1977.

2 Vgl. Latour: Eine neue Soziologie, 2007: 302. Das erste und dritte Festival fanden im Auditorio Nacional, das zweite, vierte und fünfte Festival im Palacio de Deportes statt. Die von der Nachfolgepartei der PCM organisierten Festivales de la Unidad wurden ebenfalls im Palacio de Deportes gefeiert. Vgl. Interview mit Marcos Leo-nel Posadas am 21.02.2014 in Tlalpan, Mexiko-Stadt; o. A.: Programa General del Primer Festival de Oposición, Oposición 23.04.1977; o. A.: 2º. Festival Popular de Oposición, Oposición 11.–17.05.1978; o. A.: Programa del III. Festival de Oposición, Oposición 19.–25.04.1979; o. A.: Programa del IV. Festival de Oposición, Oposición 18.05.1980, o. A.: Programación de los Foros, Oposición 20.12.1981.

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der PRI vorbehalten gewesen. Lediglich das alternative Festival von Avándaro, auf dem sich 1971 die mexikanischen Hippies ( Jippitecas ) versam-melten, hatte unter freiem Himmel und vor den Festivales de Oposición stattgefunden.3

Nun eröffneten sich neue Räume für moderne Musikkonzerte und poli-tische Veranstaltungen, die zwar weiterhin von der PRI genehmigt, jedoch nicht mehr ausschließlich von ihr veranstaltet wurden. Die Festivales de Oposición waren auch für die mexikanische Linke etwas Besonderes, da es bis dato keine alternativen und nicht-staatlichen Kulturveranstaltungen an solchen zentralen Veranstaltungsorten gegeben hatte. Bis in die siebziger Jahre hinein organisierten kritische Künstler/innen ihre Veranstaltungen im öffentlichen Raum spontan oder an eigenen Orten wie Garagen oder in Hinterhöfen (siehe Kapitel 2.3). Dass die Festivales de Oposición die großen Säle füllten, beweist, dass eine große Nachfrage nach alternativen Kulturveranstaltungen bestand und zeugt vom Erstarken der politischen und kulturellen Opposition.

Die Organisation der PCM-Festivals war nur vor dem Hintergrund der poli-tischen Öffnung der PRI möglich, die aus der überwachten Oppositionspartei eine Wahlalternative machte. Zwar bargen diese Reformen kaum die Gefahr des Machtverlustes für die PRI und legitimierten darüber hinaus das mexi-kanische Wahlsystem als demokratisch; gleichzeitig stellten sie jedoch die PCM vor neue Herausforderungen, da Einflussnahme im Parlament durch ihre Wahlzulassung und eine Bündelung der Opposition unter dem Dach der Mexikanischen Kommunistischen Partei möglich erschien.

Die PCM bemühte sich unter anderem auf den Festivales de Oposición er-folgreich um einen Mitgliederzuwachs.4Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das erste Festival de Oposición im Jahr 1977 ein halbes Jahr vor der offiziellen Wahlzulassung der PCM stattfinden konnte. Damals verhandelte die kleine Oppositionspartei mit dem Präsidenten um die 3 Das Avándaro-Festival verursachte wegen seiner Freizügigkeit einen Skandal in Mexiko und wurde nicht wiederholt. Vgl. die lebendigen Beschreibungen zu Avándaro von José Agustín: La contracultura en México, Debolsillo: México D. F. 2012, 85ff.; für eine kritische Betrachtung der importierten Gegenkultur in Carlos Monsiváis: Amor Perdido, 2010: 247f.; Zolov: Refried Elvis, 1999.

4 Vgl. Montes Manzano: Los últimos años, 1985: 370.

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Erlaubnis der Organisation eines internationalen Festivals und demonst-rierte allein durch die Forderung nach einem Veranstaltungsort für Massenevents Stärke und Zuversicht. Das PCM-Mitglied Luciano Concheiro beschreibt den Erfolg, die Festivals organisieren zu können, wie folgt:

„Y cuando viene 1977 mi partido ha logrado influencia muy fuerte en las universidades y ha tenido influencia entre los campesinos. Un par-tido que tiene una línea radical en un ambiente de represión nacional y de crisis de legitimación. Ya era mucho el desgaste del régimen [del

PRI] que requiere reconocimiento para ampliar una basis distinta hacia la democracia en México. Es en ese contexto, dónde se da el fes-tival y nos presten el auditorio nacional. Era increíble de estar allí, en el centro cultural.“5

Die PCM erreichte nicht nur die kostenfreie Überlassung der zentral gele-genen Konzertorte, sondern auch Einreisevergünstigungen für die zahlreichen internationalen Festivalgäste.6 Parteidokumente legen nahe, dass Präsident José López Portillo die internationalen Gäste der PCM wäh-rend der Festivals empfing.7Wie Bruno Latour beschreibt, ist es wichtig aus der Ameisenperspektive die Vernetzung zu betrachten, um alle Akteur/innen aufzuspüren. Aus der Perspektive der ANT (A kteur-Netzwerk-Theorie ) zeigt sich, dass die Unterstützung der Staatspartei PRI zentral für das Gelingen der Festivales de Oposición war. Die PRI war bei den PCM-Festen eine zentrale Akteurin, die verdeckt und im Hintergrund agierte.

Gleichzeitig sollte die politische Stärke der PRI-Opposition jedoch nicht überschätzt werden, denn die Wahlzulassung der PCM bedeutete keines-wegsdie Einstellung der Überwachung der PCM und ihrer Aktivitäten, 5 Interview mit Luciano Concheiro in Coyoacán, Mexiko-Stadt am 06.11.2013.

6 Interview mit Marcos Leonel Posadas in Tlalpan, Mexiko-Stadt am 21.02.2014.

7 Die hier angeführten Dokumente des CEMOS werden mit der Numerierung und Klassifizierung des CEMOS nebst einer Endnummer aufgeführt, die sich auf die Zählung im Archiv der Autorin bezieht. Vgl. PCM: Lista de delegados extranjeros que han arribado para participar en el IV. Festival de Oposición, Dokument des CE-MOS, México D. F., o. D. 1980, eingeordnet 1978, c. 112, cl. 106, exp. 16, 6865; PCM: Equipo, programa opcional, Dokument des CEMOS, México D. F., o. D. 1977, c. 112, cl. 106, exp. 16, 6865–6884, 6881.

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darunter auch der PCM-Feste.8 Dem Erstarken der PRI-Opposition zum Trotz blieb die Macht der Staatspartei so stabil, dass die Organisation der Festivales de Oposición ohne die Kooperation mit der PRI nicht möglich gewesen wäre (siehe Kapitel 1).9

Die Entwicklung der Festivales de Oposición lässt sich in den ersten vier Jahren als beständige Aufwärtskurve beschreiben: Hatte das erste Festival 1977 an zwei Tagen stattgefunden, begann das PCM-Fest ab dem dritten Festival 1978 bereits am Freitagabend und das Programm weitete sich be-ständig aus. Das vierte Festival de Oposición war sowohl in Bezug auf die Zuschauerzahlen als auch auf die Anzahl der angebotenen Aktivitäten das größte. Es nahm eine viermal so große Fläche wie das dritte Festival ein, um-fasste dreißig Diskussionsrunden und das Publikum konnte sich an 142 Ständen politischer Organisationen und Initiativen informieren. Das künst-lerische Programm verteilte sich auf vier Bühnen (Hauptbühne , Silvestre-Revueltas- Bühne, Kiosk- und Jugendbühne). In diesem Jahr nahm nicht nur die Quantität von Konzerten, Diskussionsrunden oder 8 Hugo Ponce de Leon berichtete von Gewalt und Schikane durch die Polizei und pa-ramilitärische Gruppen gegenüber der PCM. Er selbst wurde als junger Wahlhelfer des PCM-Präsidentschaftskandidaten Valentín Campa 1976 in Yucatán von unifor-mierten Paramilitärs entführt, entkleidet, geschlagen und später auf der Landstra-ße, weit entfernt vom Versammlungsort, „ausgesetzt“. Interview mit Hugo Ponce de Leon in Doctores, Mexiko-Stadt am 23.11.2013; ferner dazu und zur Überwachung der Festivals durch den Geheimdienst vgl. Jardón: Travesía a Itaca, 2008; L. G. H. G.: Miembros del PCM invitan a la base estudiantil, Dokument der DFS im AGN, DiPyS, Galeria 1, 24.04.1980, II-118, L-038, 6245; Grupo I.; I. P. S.: Se dice que el IV. Festival de Oposición tendrá lugar, Dokument der DFS im AGN, DiPyS, Galeria 1, 07.05.1980, II-118, L-025, 6248-6249; Grupo II.: Delegaciones que participaran en el Festival de Oposición, Dokument der DFS im AGN, DiPyS, Galeria 1, 16.05.1980, II-118- L-018, 6260-6262.

9 Die PRI wird als Staatspartei Mexikos bezeichnet, da sie zwischen 1929 und 2000 ununterbrochen den mexikanischen Präsidenten stellte und mit dem Staat ver-schmolzen war. So mussten alle Staatsangestellten bis in die 1980er Jahre einen gewissen Prozentsatz ihres Einkommens an die Parteikasse der PRI abführen. Vgl. Klaus-Jörg Ruhl; Laura Ibarra García: Kleine Geschichte Mexikos. Von der Frühzeit bis zur Gegenwart, C. H. Beck: München 2007, 184.

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Filmvorführungen zu, das Angebot erweiterte sich weiterhin um Sportwettkämpfe sowie Familien- und Freiluftaktivitäten.10

Das fünfte und letzte Festival de Oposición fand nicht im Frühjahr, sondern am Ende des Jahres vom 18. bis 20. Dezember 1981 mit einem reduzierten Angebot statt. Gründe hierfür waren die Fusion der Partei mit anderen linken Gruppen zur PSUM ( Partido Socialista Unificado de México ) und die parallel dazu laufende Vorbereitung auf die Wahl im Folgejahr.11

Im Zeichen der Auflösung und Fusion erhielt das letzte Festival der PCM den Namen Festival de Unidad (Festival der Einheit) und war gleichzeitig das erste Fest der PSUM.12 Das fünfte Festival fiel ferner mit den Feiertagen der christlichen Posadas zusammen,13 weshalb die PSUM zu „kommunistischen Posadas“ einlud.14 Das Fest der Einheit diente dem „gegenseitigen Kennenlernen“ und war, wie die politische Kommission der PSUM schrieb, ein „erster Erfolg und Probe der organischen Kraft, die wir durch die Einheit erzielten“.15

Dieser Neubeginn brachte eine Evaluation der vorangegangenen Feste mit sich: Eindeutig hatten die Festivales de Oposición geholfen, eine wachsende Akzeptanz für die Partei zu schaffen und über die Parteipolitik zu 10 Die Sportaktivitäten umfassten Basketball-, Fußball-, Volleyball-, Tischtennis- und Schachturniere. Ferner kamen Tanz, Feuerwerk und Kinderkarussells hinzu. Vgl. o. A.: Programa del IV. Festival, Oposición 18.05.1980.

11 Eduardo del Castillo: La memoria grata de las fiestas populares, ¡Así es! 10.–16.12.1982.

12 Zunächst war der Titel „Unidad“ für die Parteizeitung der PSUM im Gespräch, letztendlich wurde die Zeitung „¡Así Es!“ genannt. Vgl. o. A.: Se inauguró el Festival de la Unidad del PSUM, Oposición 18.12.1981; o. A.: Un nuevo periódico para el PSUM, Oposición 13.12.1981.

13 Die Posadas werden in Mexiko vom 16. bis 24. Dezember gefeiert. Bereits die Az-teken hatten an diesen Tagen die Ankunft Huitzilopochtlis gefeiert. Die neun Tage der Feierlichkeiten symbolisieren die neun Schwangerschaftsmonate Marias sowie ihre Suche nach Unterkunft (Posada) auf ihrem Weg von Nazareth nach Bethlehem. Vgl. Sonia Iglesias Y Cabrera: Las fiestas tradicionales de México, Selector: Méxi-co D. F. 2009, 214ff.

14 Angel Aguilar: Se inició el Festival Navideño del PSUM, El Día 19.12.1981; o. A.: El PSUM invita al Festival de Oposición, Oposición 29.11.1981.

15 Comisión Organizadora del V. Festival de Oposición: V. Festival de Oposición: La fiesta de la unidad, Oposición 04.10.1981.

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informieren, die Organisation der Feste sollte jedoch in Zukunft verbessert werden.16 Ab 1982 nannte die PSUM ihre Feste einfach Festival del PSUM . Sie fanden in den Folgejahren wieder im Mai oder Juni statt und erreichten bald wieder die Größe des Festivals de Oposición von 1980. Im Bereich der Musik erweiterten die Organisator/innen der Festivals ihr Repertoire und luden nun auch Rockbands ein.17

Generell war die Organisation der PCM-Feste ebenso aufwendig wie ihr Programm. Das Festivalprogramm begann am Freitagabend und dauerte am Wochenende von morgens bis abends. Auf den Festen verbanden sich poli-tische Diskussionsrunden mit Konzerten, Theater und Ausstellungen. Die Diskussionsveranstaltungen waren thematisch wie personell vielfältig: Die Themen der Debatten reichten von einer Analyse der politischen Situation, ideologischen Fragen des Marxismus und aktuellen Gewerkschaftskämpfen bis hin zur Vorstellung revolutionärer Kunst und Debatten um Frauen-befreiung und Homosexualität oder das Verhältnis von Marxist/innen und Christ/innen (siehe Kapitel 3).18

An den Diskussionsrunden beteiligten sich Intellektuelle, Aktivist/innen aus Gewerkschaften und Bewegungen Mexikos sowie Repräsentant/innen internationaler Organisationen, zum Beispiel der PLO oder der Frente Polisario aus West-Sahara. Die geladenen Podiumsteilnehmer/innen kamen aus unterschiedlichen Bewegungen und vertraten zum Teil gegensätzliche Standpunkte. Es beteiligten sich auch Vertreter/innen anderer mexikani-scher linker Parteien, ob sie im Namen ihrer Partei auftraten, konnte nicht 16 Vgl. Comisión Política del CC del PSUM: El Festival de la Unidad, Oposición 29.11.1981.

17 Vgl. o. A.: Amparo Ochoa, Tania Libertad, Tehua, Gabino Palomares y muchos más en el Festival del PSUM, ¡Así es! 9.–13.12.1982; o. A.: Programa del Festival del PSUM 82; ¡Así es! 10.–16.12.1982; o. A.: Mapa del Festival del PSUM ´82, ¡Así es! 10.–16.12.1982; del Castillo: La memoria grata, ¡Así es! 10.–16.12.1982; o. A.: Festival politico-cultural del PSUM en Chapultepec, ¡Así es! 2.–8.12.1983.

18 Vgl. o. A.: Programa General del Primer Festival de Oposición, Oposición 23.–24.04.1977; o. A.: 2º. Festival Popular de Oposición, Oposición 11.–17.05.1978; o. A.: Programa del III. Festival de Oposición, Oposición 19.–25.04.1979; o. A.: Progra-ma del IV. Festival de Oposición, Oposición 18.05.1980: o. A.: Programación de los Foros, Oposición 20.12.1981.

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ermittelt werden. Geheimdienstdokumente belegen, dass zum Beispiel die trotzkistische PRT im Jahr 1978 den Ausschluss vom Festival beklagte.19

In den siebziger Jahren erlebte die PCM eine Politisierung der Kunst in Mexiko. Junge Künstler/innen kritisierten mit ihrer „politischen Kunst“ die Ungerechtigkeit des Kapitalismus und die Moralvorstellungen in West und Ost. In Mexiko erfreute sich die dissidente Kunst großer Popularität, da es gerade im kulturellen Bereich möglich war, Kritik an der Staatspartei PRI zu üben, ohne zwangsläufig der politischen Opposition anzugehören.Das Programm glich den oppositionellen Versammlungen an den Universitäten, bei denen sich Politik und Musik verbanden.20 Die Idee zur Veranstaltung der mexikanischen Festivales de Oposición entstand in Anlehnung an die erfolg-reichen Kulturevents, die die kommunistischen Parteien in Ost und West veranstalteten.

Die Festivals informierten über Politik und über aktuelle Kampagnen und Kämpfe internationaler sozialistischer Bewegungen. Sie gaben Gelegenheit, politische Kunst aus aller Welt kennenzulernen und internationale Solidarität zu erleben, welche die Parteien und politische Bewegungen verband. Ein Merkmal der Festivales de Oposición war die Beteiligung internationaler Gäste aus Ost und West sowie der „Dritten Welt“. Diese Internationalität überschritt Systemgrenzen und holte internationale Gäste nach Mexiko, was in Zeiten des Kalten Krieges etwas Besonderes war. In Lateinamerika organi-sierten nur die Kommunistische Partei Kubas (PCC Partido Comunista de Cuba ) und die PCM politische Kulturfestivals. Anders als die kubanischen Festivals waren die mexikanischen Feste jedoch sowohl für die Delegationen aus dem Ostblock als auch für Linke aus den Industrienationen zugänglich, vorausgesetzt, diese verfügten über die notwendigen finanziellen Mittel. Darüber hinaus entwickelte sich Mexiko durch die liberalen Migrations-bestimmungen zum Exilland für politisch Aktive aus Lateinamerika und zu 19 Marcos Leonel Posadas widersprach im Interview der Aussage, dass andere linke mexikanische Parteien vom Festival ausgeschlossen wurden. Interview mit Marcos Leonel Posadas am 21.02.2014 in Tlalpan, Mexiko-Stadt; Interview mit Enrique Semo am 03.03.2014 in Àlvaro Obregrón, Mexiko-Stadt. Vgl. Grupo Lenin: Par-tido Revolucionario de los Trabajadores, DFS AGN, Galerie 1, 13.05.1978/II-220 50/H/106/56, 4701.

20 Vgl. Interview mit Maria Eugenia Pulido am 19.05.2011 in Álvaro Obregón, Me-xiko-Stadt.

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einem relativ sicheren Treffpunkt für die lateinamerikanische Linke. Die in-ternationalen Gäste nahmen an den Festivals sowohl als politische Delegierte als auch als Künstler/innen teil.

Motivation und „erste Verpflichtung der mexikanischen Festivals“ war die „internationale Solidarität“, was sich durch die Internationalität der Gäste, die Vielfalt der teilnehmenden Bewegungen und die zahlreichen Veran-staltungen zur internationalen Solidarität auf den Festivals zeigte (siehe Abschnitt 1).21 Die internationale Vernetzung und Solidarität und die Vielfalt der Bewegungen waren auf den Festivales de Oposición erlebbar: beispiels-weise bei den politischen Diskussionsrunden zur Situation der PLO, dem Genuss rumänischen Weins, beim Erwerb von Büchern aus der DDR oder Ansteckbildern von Kim Il Sung. Das PCM-Mitglied Luciano Concheiro erin-nerte sich:

„Los festivales eran revolucionario en términos de su propia construc-ción. […] Eso permitió un acercamiento cultural a través de las matroskas o los botones de Mao o de Kim Il Sung, los carteles del fes-tival y las exposiciones con la gráfica. […] Allí empezaba un intercambio real y era una forma de entrar en la solidaridad internacional, en el latino americanismo y era un refuerzo de la línea propia: miran somos la organización que se propone la revolución para México y a la mexicana.“22

Die Festivales de Oposició n waren weiterhin der Versuch, eine neue, „we-niger pamphletartige“ Kulturpolitik der PCM zu schaffen. Die Vielfalt der Debatten und Darbietungen auf den mexikanischen PCM-Festen zeugt von der Offenheit der Partei, eine eigene politische Linie zu entwickeln. Die lateinamerikanischen Kämpfe und originären Theorien sowie das Interesse in den kapitalistischen Zentren gaben ferner ein größeres Selbstvertrauen. Die Suche nach dem eigenen politischen Profil ging in der mexikanischen 21 Beim V. Festival de Oposición war beispielsweise das „Forum der Internationalen Solidarität und des Friedens“ mit zehn Diskussionsrunden das größte Festivalfo-rum. Vgl. Comisión Ejecutiva del PCM: Bienvenidos a un foro de solidaridad y lucha, Oposición 18.05.1980.

22 Interview mit Luciano Concheiro in Coyoacán, Mexiko-Stadt am 06.11.2013.

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Linken einher mit der Rückbesinnung auf die Vielfalt der eigenen Identität. Auf den Festivales de Oposición zeigte sich dies in der Begegnung der PCM mit der politisierten Kunst. Die Begegnung verlief nicht ohne Komplikationen, da trotz inhaltlicher Übereinstimmung in der Kritik an der PRI und dem Weltwirtschaftssystem die provokante Form auch PCM-Mitglieder reizte und die Diskussion um die Bedeutung der Kunst im Kampf um gesellschaft-liche Bedeutung und Hegemonie nicht abgeschlossen war.

Die künstlerische Ausrichtung der Festivales de Oposición auf lateinameri-kanische politisierte Kunst war durch das verstärkte Interesse innerhalb der Linken als auch durch die neue Nähe im Zusammenleben mit den latein-amerikanischen Exilant/innen begründet. Dabei waren die Hauptattraktionen der Festivales de Oposición die Konzerte, da sich dort die größten Menschen-mengen versammelten. Auf den Bühnen der Festivals wurde lateinamerikanischer Canto Nuevo und internationaler New Folk gespielt. Beim ersten Festival de Oposición kamen circa 7 000 Personen, zwei Jahre später circa 47 000 und 1980 bereits 100 000 Menschen zusammen.23

Die Anzahl der Konzerte erhöhte sich beständig bis 1980, als parallel auf Haupt- und Nebenbühnen performt wurde. Auf den Hauptbühnen spielten internationale Bands und bekannte mexikanische Gruppen, während neue oder weniger parteikonforme Gruppen auf den Nebenbühnen auftraten (siehe Kapitel 4). Zu Beginn der achtziger Jahre stagnierte allerdings die Beliebtheit des Canto Nuevo, die Musiker/innen begannen, sich in die indivi-duelle Arbeit zurückzuziehen und die Konzepte einer revolutionären Kunst gerieten in den Hintergrund.24 Als Konsequenz öffneten sich die nachfol-genden Festivales de Unidad der Rockmusik, dem Jazz, der afro-antillischen oder experimentellen Musik.25 Die Vielfalt von internationalen sozialistischen 23 Vgl. Jean Rios Cueto: La jornada de clausura, Oposición 26.04.–03.05.1979; Hernández: 339 personas enjucian el IV. Festival, Oposición 01.06.1980; Comisión Coordinadora: El IV. Festival, CEMOS, o. T. u. M. 1980, 7171.

24 Vgl. o. A.: Así va el Festival de Oposición, Oposición 01.11.1981; o. A.: El canto nuevo mexicano está en crisis dice José Frank, músico de la agrupación Papalote, Unomásuno 18.12.1981; Interview mit Ismael Maylo Colmenares am 11.11.2010 in Ciudad Universitaria, Mexiko-Stadt.

25 Vgl. Jorge Reyes: Guillermo Briseño ¿Un rock de izquierda? In: El Machete, Nr. 12, 04/1981, 53–55; o. A.: Tres foros musicales en el Festival de Oposición viene Pancasán de Nicaragua, Unomásuno 15.12.1981.

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Parteien und kämpfenden Bewegungen auf den PCM-Festen zeigte, dass es der PCM gelang, viele verschiedene Akteur/innen zu gewinnen. Beim größten Festival de Oposición im Jahr 1980 nahmen circa 160 internationale und 340 mexikanische Delegierte und Künstler/innen teil. Die rege Beteiligung übertraf bei Weitem die Erwartungen der Partei.26 Die meisten internationalen Teilnehmer/innen kamen aus Lateinamerika, da das leicht und kostengünstig zu organisieren war.

Die zweitgrößte Gruppe bildeten die Delegationen aus den osteuropäischen Staaten, deren Reisekosten von den sozialistischen Staaten getragen wurden. Die sowjetische und die ostdeutsche Delegation nahmen konstant an den Festivals teil. 1979beteiligten sich ferner eine polnische und eine ungarische Delegation und im Folgejahr zusätzlich eine bulgarische und eine tschechos-lowakische Gruppe. 1981 fiel die Anzahl der osteuropäischen Delegationen auf das Niveau der Anfangsjahre zurück.

Die starke Präsenz osteuropäischer Delegationen weckte sicherlich das Interesse und die Neugier des links orientierten Publikums, da Informationen aus erster Hand über die UdSSR nicht selbstverständlich waren. Innerhalb der PCM existierten sowohl Linke, für die die Sowjetunion weiterhin das Modell des Sozialismus verkörperte während andere Parteimitglieder die Entwicklungen in den sozialistischen Staaten Osteuropas kritisch sahen. Bemerkenswert ist die konstante Teilnahme der osteuropäischen Dele-gationen auch deshalb, weil die PCM den reformorientierten kommunistischen Parteien nahe stand und die Sowjetunion bereits 1968 öffentlich kritisiert hatte (siehe Kapitel 1.1.2). Ob die PCM ihre guten Kontakte zu den sozia-listischen Staaten im Zuge der Festivals an die PRI weitervermittelte, wie einige Parteimitglieder sich erinnern, lässt sich in der Forschungsliteratur nicht nachweisen.27

Die sozialistischen Parteien aus den westlichen Industrienationen ents-andten mehr politische Delegierte als Künstler/innen. Es fehlten bekannte 26 Von den teilnehmenden mexikanischen Künstler/innen kamen 151 Gruppen aus anderen mexikanischen Bundesstaaten. Vgl. Unzueta: Puntos de partida para un Balance del IV. Festival de Oposición, Dokumente des CEMOS, México D. F., 23.05.1980, c.129, cl. 124, exp. 7, 7141–7155, 7141.

27 Luciano Concheiro gab im Interview an, die PCM sei maßgeblich an der Etab-lierung diplomatischer Beziehungen zwischen Mexiko und der DDR und später

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US-amerikanische New Folk Sänger, was auf die schwierigen Beziehungen der Künstler/innen zur Kommunistischen Partei der USA (CPUSA – Communist Party of the United States of America ) hindeuten oder auf ein distanziertes Verhältnis von PCM und CPUSA hinweisen könnte.28 Aus dem Trikont traten nur vereinzelt Gruppen, wie die angolanische Band Hoji Ya Henda , auf den Festivals auf.29 Gründe für diese Prioritätensetzung waren die hohen Reisekosten, die von den sozialistischen Parteien der Heimatländer getragen werden mussten, da die PCM keine Mittel dafür hatte.30 Die PCM lud jedoch einige internationale Künstler/innen ein, die sich in Mexiko aufhielten.31

Bei den westeuropäischen kommunistischen Parteien ist nicht auszu-schließen, dass sie den Festivales de Oposición weniger Bedeutung zumaßen als den bekannten Kulturfesten von L’Humanité oder L’Unità. Die Französische der Sozialistischen Republik Vietnams beteiligt gewesen. Marcos Leonel Posadas bestritt dies. Vgl. Interview mit Luciano Concheiro in Coyoacán, Mexiko-Stadt am 06.11.2013; Interview mit Marcos Leonel Posadas in Tlalpan, Mexiko-Stadt am 21.02.2014. Im Handbuch des mexikanischen Auswärtigen Amtes wird die mexi-kanische Botschaft in Kuba als Vermittlerin des Kontakts nach Vietnam genannt. Vgl. Secretaría de Relaciones Exteriores: Manual de Organización de la embajada de México en la republica socialista de Vietnam, 2003, digital http://www.sre.gob.mx/images/stories/docnormateca/manexte/embajadas/MOEMVietNam.pdf, ge-sehen am 28.04.2020.

28 So war das Verhältnis zwischen Joan Baez und der CPUSA von Kritik und An-feindungen geprägt, nachdem die Künstlerin die vietnamesische Regierung zur Wahrung der Menschenrechte aufgefordert hatte. Joan Baez offener Brief an die vietnamesische Regierung und die Antwort der CPUSA finden sich digital, https://keywiki.org/Joan_Baez#References, gesehen am 23.08.2019. Nachdem sich die PCM Mitte der vierziger Jahre der Einflussnahme der PCUSA entzog, blieben die Beziehungen zwischen den Parteien distanziert. Vgl. Carr: Mexican Communism 1968–1981, 1985: 208.

29 Diese Musikgruppe hatte sich nach dem Unabhängigkeitskämpfer Hoji-ya-Henda (alias José Mendes de Carvalho) benannt, der im Kampf gegen die portugiesische Kolonialmacht fiel und von der MLP zum Nationalheld erklärt wurde.

30 Vgl. PCM: Lista de delegados extranjeros, CEMOS, o. D. 1980, c. 112, cl. 106, exp. 16, 6865; Interview mit Marcos Leonel Posadas am 21.02.2014 in Tlalpan, Mexi-ko-Stadt.

31 Fausto Idueta: Canto y Política comunista, Oposición 18.–24.05.1978.

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129und die Spanische Kommunistische Partei waren jedoch kontinuierlich auf den Festivals präsent und es existierte ein personeller Austausch.

Für die internationalen Gäste organisierte die PCM ein detailliertes Rahmenprogramm, das ihren Besuch von der Ankunft bis zum Abflug struk-turierte. Da die PCM das Privileg erwirkt hatte, die Festivalgäste ohne Zoll-Formalitäten einreisen zu lassen, nahmen Parteimitglieder die Gäste be-reits vor den Kontrollen in Empfang. Weiterhin wurden Koordinator/innen benannt, die sich um Hotelzimmer, Transport der Gäste und das Wohlergehen der Künstler/innen kümmerten.32 Für die Begegnungen auf den Festivales de 32 In internen Parteidokumenten wird die detaillierte Zuständigkeit der PCM-Mit-glieder für internationale Delegationen festgelegt. 1977 erging beispielsweise eine Abb. 3.3 Foto des Abschlusskonzertes des ersten Festival der PCM,

Collage in Oposición. 30.04.1977.

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Oposición stellte die PCM Betreuungsteams ( equipo de atención ) zusammen, die für die internationalen Gäste während des Programms und in der Freizeit verantwortlich waren und deren Aufgabenbereiche bis ins kleinste Detail festgelegt waren.33 Bei der Begleitung der internationalen Gäste setzte die PCM-Mitglieder ein, die eine Fremdsprache beherrschten.34

Zusätzlich organisierte die mexikanische Partei ein Begleitprogramm, das Museumsbesuche, Gespräche mit Journalist/innen oder Treffen mit hoch-rangigen PRI-Funktionär/innen, wie Jesús Reyes Heroles oder dem mexikanischen Präsidenten, einschloss.35 Dementsprechend groß war der Organisationsaufwand: Ab dem zweiten Festival gründeten sich Koor-dinierungskommissionen, an denen sich Oposición -Personal, PCM-Mitglieder und Künstler/innen beteiligten. Diese Kommissionen teilten sich in Untergruppen wie Auf- und Abbau, Künstlerbetreuung, Werbung und Finanzen et cetera auf.36 Sie begannen circa ein halbes Jahr vor den Festivals zu arbeiten und lösten sich nach ihrem Ende wieder auf.

Ferner übernahmen die PCM-Mitglieder, meist in ihrer Parteizelle oder Sektion, den Auf- und Abbau, den Einlass, die Moderation der Debatten oder den Schutz der Veranstaltungen.37 Für all diese Aufgaben wären im Jahre 1980 laut Parteikalkulationen bis zu 1 500 aktive Helfer/innen notwendig Anweisung an zwei Personen, die internationalen Delegationen vor der Passkont-rolle in Empfang zu nehmen und ihre Dokumente zur übernehmen. Vgl. PCM: Pro-grama especial para los asistentes extranjeros, Dokument des CEMOS, México D. F. o. T. Mai 1977, c.99, cl. 93, exp. 07, 6887.

33 Aus Parteidokumenten geht hervor, dass die Teams aus zwei Begleiter/innen, ei-ner/m Fahrer/in und ggf. einer/m Übersetzer/in bestanden. Aufgelistet wurden die genutzten Autos, die Autobesitzer/in und welche Person für die politischen Funktionär/innen oder die Künstler/innen zuständig war. Vgl. PCM: Lista de de-legados extranjeros, CEMOS, o. D. 1980, c 112, cl. 106, exp. 16, 6865–6884, 6876.

34 So kümmerte sich zum Beispiel Ilán Semo, der an der Humboldt-Universität in Berlin studiert hatte, um die ostdeutsche Delegation. Vgl. PCM: Lista de delegados extranjeros, CEMOS, o. D. 1980, c 112, cl. 106, exp. 16, 6865–6884.

35 Vgl. PCM: Lista de delegados extranjeros, CEMOS, o. D. 1980, eingeordnet 1978, c. 112, cl. 106, exp. 16, 6865–6884, 6881.

36 Vgl. Comisión Coordinadora: El IV. Festival, CEMOS, o. T. u. M. 1980, c. 133, cl. 128, exp. 10, 7172.

37 Interview mit Antonio Ibarra in San Geronimo, Mexiko-Stadt am 21.01.2014.

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gewesen.38 Da eine solche Anzahl von Helfer/innen in Mexiko-Stadt schwer zu organisieren war, zog die PCM-Leitung auch die Hilfe von Parteizellen aus den umliegenden Bundesstaaten heran, deren Mitwirkung lobend erwähnt wurde.39

Die Partei hatte vor der Durchführung des ersten Festivals keinerlei Erfahrung in der Organisation einer Massenveranstaltung. Erst im Laufe der Zeit wurde für die Organisator/innen klar, dass die Helfer/innen freiwillig mitwirkten, also keinen professionellen Anspruch mit ihren Leistungen ver-banden und selbst ebenfalls mitfeiern wollten.40 Dies spiegelte sich im hohen Grad an Improvisation und Spontanität bei der Durchführung der Festivals wider, was zu Terminverschiebungen und Ausfall einiger Veranstaltungen führte und von den Mitorganisator/innen aus der Partei kritisiert wurde.41

Beim größten Festival im Jahr 1980 führte ferner der plötzliche Tod eines Hauptverantwortlichen, Juan Manuel Torres, zu organisatorischen Pro-blemen während des Festivals.42 PCM-Mitglieder bemängelten ferner die fehlende Koordination, Kommunikation und organisatorische Diskontinuität, die beispielsweise durch die Einrichtung eines permanenten Festival-Komitees hätte behoben werden können.43 Jedoch führte die Kritik an den 38 Comisión Coordinadora: El IV. Festival, CEMOS, o. T. u. M. 1980, c. 133, cl. 128, exp. 10, 7172.

39 Vgl. Araceli Zuñiga: Entrevista con Eduardo Montes, Nuestro Festival, Oposición 01.04.1978, 1247.

40 Interview mit Marcos Leonel Posadas in Tlalpan, Mexiko-Stadt am 21.02.2014; Interview mit Antonio Ibarra in San Jerónimo, Mexiko-Stadt am 21.01.2014.

41 Vgl. Rogelio Hernández: 339 personas enjuician el IV. Festival, Oposición 01.06.1980, 4196. Im Jahr 1980 wurde sogar der Abschlussball des Festivals ver-schoben, da sich zu wenige Menschen an der Organisation beteiligten. Vgl. Ayax Segura Garrido: Baile organizado por la comisión organizadora del IV. Festival popular de Oposición, Dokument der DFS im AGN, vom 22.05.1980, 009-037-005, 118, 8657, 5096.

42 Juan Manuel Torres war Mitglied der PCM, Filmemacher und Schriftsteller. Er starb 1980 bei einem Autounfall. Vgl. José Luis Martínez Suárez: El viaje inter-minable: los cuentos de Juan Manuel Torres, In: La Palabra y el Hombre, Tercera época, julio–septiembre 2008, N° 5, 10–14, 11, digital http://cdigital.uv.mx/hand-le/123456789/33214, gesehen am 12.05.2020.

43 Comisión Coordinadora: El IV. Festival, CEMOS, o. T. u. M. 1980, c. 133, cl. 128, exp. 10, 7170.

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Festivals zu beständigen Veränderungen, wie zum Beispiel der Senkung der Eintrittspreise von 1978.44

Obwohl die Festivales de Oposición ein Publikumserfolg waren, gelang es der Partei nicht, die Parteizeitung Oposición zu finanzieren. Das größte Festival de Oposición erwirtschaftete sogar einen Verlust von 550 000 Pesos. Als Gründe hierfür wurden hohe Eintrittspreise, ungünstige Festivaltage während der Ferienzeit, erhöhte Preise für Unterbringungen etc., Inflation, Misskalkulation sowie die Entwendungen technischer Geräte während und nach dem Festival genannt.45 Marcos Leonel Posada resümierte, dass trotz geringer Kosten der Mangel an Erfahrung die Einnahmen minimierte:

„Los Festivales nunca fueron un negocio: primero porque no sabíamos como, y segundo porque gastábamos mucho, a pesar de que no pa-gamos los viajes de los artistas ni habían sueldos en general (exclusive cuando se rentaba servicio). […] Los ingresos eran suficientes para pagar los costos pero nada para el periódico o el partido.“46

In der Praxis stand nicht die finanzielle Motivation im Vordergrund, sondern vielmehr die Demonstration „internationaler Solidarität“. Es fehlte den Veranstaltungen die Konsum- oder Profitorientierung: Meist waren die Eintrittspreise gering, die Bands spielten ohne Gage und die Standeinnahmen der politischen Initiativen kamen ihren eigenen Solidaritätskampagnen zugute. Dies verlieh den Festen einen familiären und gemeinschaftlichen Charakter, bei denen die Mitglieder freiwillig mitarbeiteten. Es muss viel Idealismus und Spaß bei der Sache gewesen sein, um genügend Freiwillige dazu zu bringen, solche Großveranstaltungen unentgeltlich und über Monate hinweg zu organisieren. Wohl wenig andere politische Kräfte, resümierte 44 Vgl. Araceli Zuñiga: Nuestro Festival, Oposición 01.04.1978.

45 Vgl. Charanda Moreno: Una aportación del Partido y su periódico a la lucha por la democracia: Antonio Franco, Oposición 24.-30-05.1979; Unzueta: Puntos de par-tida, CEMOS, Mexico D. F., 23.05.1980, c.129, cl.124, exp. 7, 7141-7155; Comisión Coordinadora: El IV. Festival, CEMOS, o. T. u. M. 1980, c. 133, cl. 128, exp. 10, 7174.46 Interview mit Marcos Leonel Posadas am 21.02.2014 in Tlalpan, Mexiko-Stadt.

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Stephen Gundle über die PCI-Feste, hätten genügend Freiwillige dazu bringen können, solche Großveranstaltungen unentgeltlich zu organisieren.47

Abgesehen von den organisatorischen Schwierigkeiten fehlte bis 1980 auch eine systematische Erfassung der Festivalbesucher/innen. So wurden in der Parteizeitung zwar ausgewählte Besucher/innen über die Festivals be-fragt, eine systematische Registrierung der Zuschauerzahlen blieb jedoch aus. Die Schätzung der Teilnehmer/innen auf 100 000 basierte auf dem Mittelwert zwischen Polizeiangaben und der Anzahl der verkauften Tickets und Zeitungen.48 1980 wurde eine Festivalbefragung durchgeführt, deren Ergebnisse sowohl in einen internen Abschlussbericht als auch in einen Oposición -Artikel Eingang fanden.49 Obwohl die PCM erstmals auch in der Metro, im Radio und Fernsehen für das Festival geworben hatte, gaben die Befragten an, über die Anzeigen in Oposición vom PCM-Fest erfahren zu haben. Die Zählung der Besucher/innen beim Festival 1980 ergab, dass unter ihnen 65 Prozent Männer und 33 Prozent Frauen waren. Zu ihrer Einkommenslage gaben die Zuschauer/innen an, dass zwei Prozent weniger als 5 000 Pesos monatlich verdienten und 33 Prozent über lediglich bis zu 7 000 Pesos monatlich verfügten, also der unteren Mittelschicht zuzuordnen sind. Allerdings wird dieses Ergebnis dadurch relativiert, dass knapp 26 Prozent der Befragten keine Angaben machten oder „kein Einkommen“ an-gaben. 70 Prozent der Zuschauer/innen gaben ferner an, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Festival gelangt zu sein, was das Koordinierungskomitee zu dem etwas fragwürdigen Schluss kommen ließ, das Festival habe die „armen“ Sektoren der Hauptstadtbevölkerung angesprochen.50

Die vielfältigen Festivalaktivitäten richteten sich ausdrücklich nicht nur an Parteimitglieder, sondern an die gesamte Bevölkerung.51 Sie sollten die 47 Stephen Gundle: Between Hollywood and Moscow. The Italian Communists and the challenge of mass culture 1943–1991, 2000 Duke University Press: London, 1.48 Vgl. Unzueta: Balance del IV. Festival, Dokumente des CEMOS, 23.05.1980, 7155.49 Vgl. Hernández: 339 personas enjucian el IV. Festival, Oposición 01.06.1980; Co-misión Coordinadora: El IV. Festival, CEMOS, o. T. u. M. 1980, 7171.

50 Vgl. Comisión Coordinadora: El IV. Festival de Oposición, CEMOS, o. T. u. M. 1980, 7172.

51 Vgl. Marcos Leonel Posadas: Un Compromiso de Oposición, Oposición 23.04.1977; Interview mit Sol Mejía in San Rafael, Mexiko-Stadt am 24.02.2014.

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zukünftige Wählerschaft der PCM ansprechen, die aus „Intellektuellen, Studenten, Armen aus den Stadtteilinitiativen und der Mittelschicht, die an 1968 teilgenommen hatte“ bestand.52 Eine parteiinterne Auswertung der Zusammensetzung des Festivalpublikums ergab, dass 50 Prozent der Besucher/innen Studierende und 35 Prozent Arbeiter/innen waren, 10 Prozent bezeichneten sich als Jungarbeiter/innen.53

Zwar nutzte die PCM (wie andere kommunistische Parteien auch) ihre Verbindungen zur mexikanischen Arbeiterklasse als Existenzlegitimation und beklagte in internen Parteidokumenten stets ihr Fehlen, jedoch scheint 35 Prozent eine realistische Zahl zu sein, wenn man bedenkt, dass der inhalt-liche Schwerpunkt um aktuelle Arbeitskämpfe und die engen Verbindungen zu den unabhängigen Gewerkschaften von der Bedeutung der Arbeiterklasse für die PCM zeugten.54 Die rege Publikumsbeteiligung an den Debatten mit Gewerkschaftsvertreter/innen wurde vom Geheimdienst mit großer Aufmerksamkeit registriert.55

Als Publikumsmagnet erwiesen sich jedoch statt der politischen Debatten für viele Zeitzeug/innen die Konzerte. Bevor also die Entstehungsgeschichte und Besonderheiten der Festivals untersucht werden, ist es notwendig, sie theoretisch einzuordnen. Um die Verzahnung von Politik und Kultur in den 52 Vgl. Interview mit Enrique Semo in Álvaro Obregón am 03.03.2014, Mexiko-Stadt.53 Comisión Coordinadora: El IV. Festival, CEMOS, o. T. u. M. 1980, 7175.

54 Vgl. Francisco Pérez Acre: El principio. 1968–1988: años de rebeldía, Itaca: Méxi-co D. F. 2007,107.

55 Beim ersten Festival wurde über „Gewerkschaft und Bewegung“ debattiert, 1978 über „Uran, Petroleum und Imperialismus“ und im Folgejahr ging es um „Arbeit und Gesundheit“, „Gewerkschaftsorganisierung auf dem Land“ und „Forderungen der Arbeiterbewegung“. Vgl. Festivalprogramme: o. A.: Programa General del Pri-mer Festival de Oposición, Oposición 23.04.1977; o. A.: 2º. Festival Popular de Opo-sición, Oposición 11.–17.05.1978.; o. A.: Programa del III. Festival de Oposición, Oposición 19.–25.04.1979.; o. A.: Programa del IV. Festival de Oposición, Oposición 18.05.1980; o. A.: El PSUM invita al Festival de Oposición, Oposición 29.11.1981. Der Geheimdienst registrierte bereits auf dem 1. Festival die Teilnahme von 200 Personen an einer Gewerkschaftsdiskussionsrunde. Javier García Paniagua: I. Festival artístico y cultural del periódico Oposición, DFS AGN, D.P.S., Galeria 1 24.04.1977/II-220/L83/163-175, 4783–4808.

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Blick nehmen zu können, siedelt sich die Untersuchung der Festivals im Zwischenraum zwischen Politik- und Kulturgeschichte an. 2.1 Die „roten ‚Woodstock-Festivals‘“ – Solidarität und Internationalismus

Die Festivales de Oposición waren von den erfolgreichen Kultur-veranstaltungen der kommunistischen Parteien in Ost und West inspiriert. Diese Festivals boten Gelegenheit, sich über aktuelle Kampagnen und Kämpfe zu informieren, politische Kunst aus aller Welt kennenzulernen und interna-tionale Solidarität zu erleben, welche die Parteien und politischen Bewegungen verband.

Die Festivals der kommunistischen Parteien in Ost und West beeindruckten durch ihre Langlebigkeit, ihre Größe und die Internationalität der Gäste: Die Französische Kommunistische Partei (PCF – Parti Communiste Français ) ver-anstaltete bereits in den dreißiger Jahren die Fête de L’Humanité . Das erste Fest der Italienischen Kommunistischen Partei (PCI – Partito Comunista Italiano ) fand 1948 in Rom statt und in verschiedenen Städten des Ostblocks und der blockfreien Staaten wurden ab 1947 die „Weltfestspiele der Jugend und Studenten“ organisiert, an denen sich Künstler/innen aus bis zu 150 Ländern beteiligten. Die Großveranstaltungen im Ostblock zogen 1973 in Ostberlin 25 000 und 1978 in Havanna 18 500 Besucher/innen an.56 In den siebziger und achtziger Jahren berichteten die Parteizeitungen der Italienischen und der Französischen Kommunistischen Partei sogar von bis zu 400 000 Besucher/innen bei ihren mehrtägigen Festivals.57 Die 56 1959 und 1962 fanden die Weltfestspiele in den neutralen Staaten Österreich und Finnland statt. Nach der Jahrtausendwende wurden die Festivals in Latein-amerika (Caracas und Quito) sowie in Südafrika (Pretoria) veranstaltet. Vgl. Ja-nosch Pietrzyk: Chronik. Die Weltfestspiele der Jugend und Studenten von 1947 bis 2001, unter http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/weltfestspie-le-73/65343/chronik, gesehen am 12.07.2019.

57 Vgl. Philippe Buton; Stéphane Courtois et al.: Le PCF du XXIV Congrès á la Fête de L’Humanité 1982. In: Communisme, Revue d’études pluridisciplinaires, 2/1982, 147; Flavio Michelini: La lunga invasione del Festival, L’Unita 19.09.1978.

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Internationalität der Gäste bezog sich sowohl auf die teilnehmenden poli-tischen Aktivist/innen wie Angela Davis (Berlin 1973), Carlos Amador Fonseca (Moskau 1951) oder Vo Thi Tang (Moskau 1985) als auch auf die renommierten Künstler/innen wie Pink Floyd ( Fète L’Humanité 1970), The Who ( Fète L’Humanité 1972) oder Inti Illimani (Weltjugendfestspiele Berlin 1973), die bei den Festen mitwirkten.

Im Westenwirkten die Festivals der kommunistischen Parteien durch ihren Kontakt zum Ostblock und zu den kämpfenden Bewegungen der „Dritten Welt“ radikal und subversiv, wodurch sie eine zusätzliche Anziehungskraft auf die jugendlichen Zuschauer/innen hatten. Sie fanden jenseits des kulturpolitischen Mainstreams statt und eine Teilnahme kam in Zeiten des Kalten Krieges beinahe einer politischen Positionierung gleich. Östlich des Eisernen Vorhangs zogen die Internationalität der Künstler/innen und die ungewohnte Freizügigkeit die Menschen zu den staatlichen Kulturveranstaltungen. Für das Publikum im Ostblock bedeuteten die Abb. 3.4 Eingangshalle des ersten Festival de Oposición, Foto AGN

Bildarchiv, 1977.

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Festivals einen relativ freien internationalen Austausch und spontane Konzerte und Kunstaktionen im öffentlichen Raum. Lutz Kirchenwitz, einer der Organisator/innen der Weltfestspiele der Jugend in der DDR, charakteri-sierte die Veranstaltung als „ kreative Insel [und] Freiraum, wo Dinge ausprobiert werden konnten, die in der DDR bis dato nicht üblich waren“.58Die Freizügigkeit, Eroberung des öffentlichen Raumes und die Spontanität machten die Festivals attraktiv und verliehen ihnen einen „Happening-charakter“, der vor allem die jungen Menschen in Massen anzog. Die kommunistischen Parteifestivals stellten in Ost und West alternative Freiräume dar, die wegen ihrer Größe, Internationalität und Freizügigkeit als „rotes Woodstock“ bezeichnet wurden.59

Der Vergleich der politischen Kulturfeste mit dem Massenfestival Woodstock weckte unterschiedliche Assoziationen: Während Woodstock bei Jugendlichen und Musikliebhaber/innen positiv konnotiert war, wurde das US-amerikanische Festival von den kommunistischen Parteien meist als bür-gerlich, unpolitisch oder „Produkt des Klassenfeindes“ angesehen. Beat- und Rock-Musik assoziierten die kommunistischen Parteien mit „Wildheit“ und Kontrollverlust, Erich Honecker bezeichnete Rock-Konzerte gar als „Exzess“.60 In der italienischen Kommunistischen Partei gab es ähnliche Vorbehalte und als Jugendliche bei einem Parteifestival in Mailand Informationsstände ausraubten und mit Lebensmitteln Fußball spielten, verglichen PCI-Mitglieder dieses Verhalten mit Woodstock.61

Trotzdem war die Bezeichnung der Parteifestivals als „rotes Woodstock“ zweifellos nützlich für die kommunistischen Parteien, da es ihre 58 Lutz Kirchenwitz: Folk, Chanson und Liedermacher, Chronisten, Kritiker und Kai-sergeburtstagssänger, Dietz: Ostberlin 1993, 69–70.

59 Vgl. Kirchenwitz: Folk, Chanson und Liedermacher, 1993: 43.

60 Erich Honecker: Bericht des Politbüros an die 11. Tagung des ZK der SED, 15.–18.12.1965 Ostberlin. In: Günter Agde (Hg.): Kahlschlag. Das 11. Plenum der ZK der SED 1965. Studien und Dokumente, 2000 Aufbau: Berlin, 241; zu den Schwan-kungen zwischen Öffnung und Zensur in der Kulturpolitik der SED, die sich auch auf die Folk-Bewegung auswirkten, vgl. Hagen Jahn: Jugend, Musik und Ideologie. Zur Geschichte der FDJ-Singebewegung. In: Hallische Beiträge zur Zeitgeschichte, Halle 2002, 9.

61 Vgl. Gundle: Between Hollywood and Moscow, 155. Ähnliche Beschreibungen

über kleinere Handgreiflichkeiten nach den Konzerten existieren auch für die

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Veranstaltungen mit dem bekannten Massenevent in Verbindung brachte, einer Veranstaltung, die immerhin in drei Tagen circa 400 000 Menschen an-gezogen hatte. Der Zusatz „rot“ war vor allem als Abgrenzung gegenüber der „unpolitischen“ Rock-Musik der kapitalistischen Kulturindustrie gemeint.

Auch die mexikanischen Festivales de Oposición hatten „Happening-charakter“, der sich zum Beispiel darin zeigte, dass es den Organisator/innen bis zum vierten Festival kaum gelang, die Konzertbesucher/innen dazu zu bewegen, die Eintrittspreise zu zahlen.62 Im Bericht des DFS wird die letzte Stunde vor dem offiziellen Festivalbeginn wie folgt geschildert:

„A coro comenzaron a gritar para que se abrieran las puertas y po-derse internar. Esto hizo que los organizadores se vieran presionados y tuvieron que abrir las puertas a dar margen a que en tropel se me-tiera la gente. Al comenzar a entrar la muchedumbre, algunos se dirigieron al auditorio de este lugar, otros a los stands que están siendo presentado por los países socialistas y algunos Estados de la República Mexicana.[…] Siendo las 19:05 horas, en el interior del audi-torio se encontraron unas 2500 personas aproximadamente y como no se llenara aún todavía la sillería de la sección de lunetas, los que se encontraban en las galerías comenzaron a hacer una rechifla, a pro-testar porque no se les permitía la entrada a la luneta, a grado tal que hubo algunos gritos de que ‚los que están abajo son los burgueses‘, e incluso hubo algunos intentos de pequeños grupos que trataron de brincarse la barra del primer piso al lunario.“63

Neben der schwer zu kontrollierenden Menschenmenge gab es ungeplante Auftritte und Veranstaltungen vor den Toren der Festivals, jedoch blieben die Konzerte und Diskussionsrunden der Festivales de Oposición insgesamt mexikanischen Festivals. Vgl. Sección I: Festival PSUM 82 en el palacio de los de-portes, Dokument der DFS im AGN, Departamento de Información e Investigación Local (Dep. I. E. I. L.), Galeria 1, 11.12.1982, II- 936, L-036, 5212.

62 Vgl. Comisión Coordinadora: El IV. Festival, Dokument des CEMOS, México D. F., o. T. u. M. 1980, c. 133, cl. 128, exp. 10, 7177.

63 I. P. S.: En el Palacio de Deportes se celebró el IV. festival de Oposición, Dokumente des DFS im AGN, Galeria 1, am 16.05.1980, 009-0228-105, 6263–6271.

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von der Partei kontrollierte Veranstaltungen, bei denen die Partei die teil-nehmenden Künstler/innen und bis zu einem gewissen Grad auch das Publikum auswählte.64

Für die Festivals der PCM waren die Feste der Italienischen Kommunistischen Partei richtungweisend, da sie ein Massenpublikum er-reichten und die Kulturpolitik der PCI weit verbreitet war und als Mittel im „Kampf um die kulturelle Hegemonie in Italien“ verstanden wurde.65Mexikanische Parteimitglieder, die an den Festa delle Unitá teilgenommen hatten, berichteten über die Erfolge der PCI, was ein Ansporn für die PCM-Festivals gewesen sein dürfte.66 Die PCI-Feste waren volksnah und präsentierten „das Beste der bourgeoisen Kultur“.67 Kritisiert wurde dies von Parteimitgliedern, die eine Kunst nach Kriterien des „sozialistischen Realismus“ befürworteten und denen das Verständnis für die neue provoka-tive Kunst fehlte (siehe Kapitel 4).68

Offiziell sollten die Festivals der Finanzierung der jeweiligen Parteizeitung und der regionalen Ortsgruppen dienen, die mexikanischen Festivales de Oposición erwirtschafteten allerdings kaum Gewinn. In der Praxis stand keine finanzielle Motivation im Vordergrund, sondern vielmehr die Demonstration von Solidarität und Internationalismus. Die Mexikanische 64 Diese Auswahl fand nicht immer nur über die Anzahl statt. In der DDR wurde beispielsweise FDJ-Gruppen zur Kontrolle bei den Weltfestspielen eingesetzt, die Diskussionstrainings im Umgang mit „feindlichen Positionen“ erhielten. Vgl. Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur: Alltag und Herrschaft in der DDR 1971–1989, 1998 Ch. Links: Berlin, 164f.

65 An den Festa de L’Unità nahmen 1975 bereits 7000 Personen teil. Vgl. Gundle: Between Hoolywood and Moscow, 2000: 138ff.

66 Vgl. Interview mit Joel Ortega in Tlalpan, Mexiko-Stadt am 11.02.2014.

67 Gundle: Between Hollywood and Moscow, 2000: 145f.

68 Also eine Kunst, deren Urheber/innen politische, realitätsnahe Themen wählten und jegliches Ästhetisieren oder Abstrahieren ablehnten. Das Zentralkommitte der PKPdSU verabschiedete den „sozialistischen Realismus“ am 23. April 1932 als offi-zielle Kunstdoktrin. In dieser Doktrin drückte sich die Ablehnung westlicher Kunst-strömungen aus und sie wurde nach dem 2. Weltkrieg in den Ostblockländern bin-dend. Ihre Anwendung kam in verschiedenen Ländern in sehr unterschiedlichem Ausmaß zum Tragen. Vgl. Marcus Kenzler: Der Blick in die andere Welt. Einflüsse Lateinamerikas in die Bildende Kunst der DDR, Bd. 1, Lit Verlag: Berlin 2012, 221; Vgl. Gundle: Between Hollywood and Moscow, 2000: 142.

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Kommunistische Partei nannte die „Solidarität als die erste Verpflichtung der Festivals“.

Beim fünften Festival de Oposición war das „Forum der Internationalen Solidarität und des Friedens“ mit zehn Diskussionsrunden das größte Forum des Festivals.69 Der Geist der internationalen Solidarität war für die sozi-alistische Linke und die kommunistischen Parteien in den siebziger Jahren durch das Erstarken der nationalen Befreiungs- und Anti-Kolonialbewegungen allgegenwärtig und grundlegend. Die aktuellen Kämpfe gegen Imperialismus und Kapitalismus in der kapitalistischen Peripherie ließen ideologische Unterschiede hinter die Gemeinsamkeit des antikapitalistischen Kampfes zurücktreten.

Das Internationalismus-Verständnis der kommunistischen Parteien ba-sierte auf den Schriften von Karl Marx, Friedrich Engels und Wladimir I. Lenin und war zentraler Bestandteil des strategischen Kampfes gegen den Kapitalismus und Teil der Utopie von einer gerechteren, humaneren Welt. Die letzten Worte des Kommunistischen Manifests: „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“ zeugen von dem Willen, die Ausgebeuteten über nationale Grenzen hinweg im Kampf zu einen.70 Praktischer Ausdruck der internatio-nalen Organisierung der kommunistischen Parteien war die Kommunistische 69 Comisión Ejecutiva del PCM: Bienvenidos a un foro de solidaridad y lucha, Opo-sición 18.05.1980.

70 Debattiert wurde innerhalb der kommunistischen Bewegungen über das Ver-hältnis von internationaler Solidarität und dem „Selbstbestimmungsrecht der Völ-ker“. Lenin forderte die „volle Solidarität und unlösbare Einheit der Arbeiter aller Nationen […] gegen die nationalistische Politik der Bourgeoisie“. Lenin suchte die Gegensätze zwischen internationaler Klassensolidarität und nationaler Selbstbe-stimmung durch die Unterscheidung zwischen einem „chauvinistisch reaktionären Nationalismus der Bourgeoisie“ und einem „progressiv emanzipatorischen Natio-nalismus der Unterdrückten“ in den Kolonien zu lösen. Stalin hingegen ging davon aus, dass das Proletariat nicht unter das „‚nationale Banner‘ der Bourgeoise treten“ sollte. Die Debatte um nationale Zusammenschlüsse und die internationale Solida-rität stellte sich durch die nationalen Befreiungsbewegungen mit neuer Virulenz. Vgl. Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, MEW Bd. 4, Dietz: Ostberlin 1979, 459–590, 493; W. I. Lenin: Die sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nation. In: Ders.: Werke. Bd. 22, Dietz Verlag: Ost-berlin 1960: 191–309, 144–159; Josef W. Stalin: Marxismus und nationale Frage, Dietz Verlag: Ostberlin 1952 [1913], 20ff.; Irving Fetscher: Der Marxismus. Seine Geschichte in Dokumenten, Piper: München 1973, 571ff.

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Internationale (Komintern 1919–1943), die den gemeinsamen anti-imperia-listischen Kampf und die internationale Solidarität diskutieren und koordinieren sollte, jedoch bereits Mitte der zwanziger Jahre von der Sowjetischen Kommunistischen Partei dominiert wurde.

Nach dem XX. Parteitag der KPdSU, der die Abkehr vom Personenkult um Stalin und dem Dogmatismus einläuten sollte, und dem Zerwürfnis der Sowjetischen und Chinesischen Kommunistischen Parteien im Streit um die ideologische Führung, erweiterte die Kommunistische Partei Kubas durch ihre praktische Solidarität und Waffenhilfe in Angola den Internationalismus-Begriff der lateinamerikanischen kommunistischen Parteien.

Die ablehnende Haltung der Komintern gegenüber den Vordenkern natio-naler Befreiungsbewegungen wie José Carlos Mariátegui (1894–1930) und Augusto César Sandino (1895–1934) wurde in den siebziger Jahren abge-legt. Sie wurden nun als originärer Beitrag zum Marxismus gelesen und die nationalen Befreiungsbewegungen als Teil des internationalen Kampfes gegen den Imperialismus aufgewertet. Explizit wurden nun die nationalen Befreiungsbewegungen in das Solidaritätsverständnis der kommunistischen Parteien in Ost und West mit einbezogen, unabhängig davon, ob ihre Definition von Sozialismus mit den anderen kommunistischen Parteien übereinstimmte oder nicht.71

Sie betonten nun den „proletarischen Internationalismus“ über nationale Grenzen hinweg und ordneten die anti-kolonialen und anti-imperialen Kämpfe nicht mehr der Blockpolitik der friedlichen Koexistenz unter.72 Einige kommunistische Parteien finanzierten Solidaritätsprojekte, unterstützten 71 Ronald Munck: Marxism in Latin America – Latin American Marxism? In: Daryl Glaser; David M. Walker (Hgg.): Twenty Century Marxism. A global Introduction, Routledge: New York 2007, 154–176, 159.

72 Die kommunistischen Parteien unterschieden nun zwischen „proletarischem“ und „sozialistischem“ Internationalismus, wobei ersterer die solidarischen inter-nationalen Verbindungen der gegenseitige Hilfe zwischen den kommunistischen Parteien in den kapitalistischen und sozialistischen Ländern und zweiterer die so-lidarischen Beziehungen zu den sozialistischen Parteien im Ostblock meinte. Vgl. Stichwort: proletarischer Internationalismus. In: Waltraut Böhme et al.: Kleines politisches Wörterbuch, Dietz: Berlin 1973, 685ff.

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die kämpfenden Bewegungen in der „Dritten Welt“ oder nahmen Kämpfer/innen in ihr Land auf.73

Für die PCM brachten die kubanische Revolution und die anti-kolonialen Befreiungsbewegungen die Verbindung zwischen „proletarischem Internationalismus und Anti-Imperialismus“ wieder auf die politische Agenda“.74 Dabei verstand die Partei internationale Solidarität als gemein-samen Kampf und Unterstützung derjenigen, die eine sozialistische Revolution herbeiführen wollten.75 Großen Einfluss bei der Neubestimmung „internationaler Solidarität“ und der authentischen politischen Linie inner-halb der Mexikanischen Kommunistischen Partei hatte ferner der Austausch mit lateinamerikanischen Exilanten wie Adolfo Sánchez Vázquez, Bolivar Echeverría oder René Zavaleta Mercado, die in Mexiko an den Universitäten lehrten und zur Internationalisierung der mexikanischen Diskussionen des Marxismus beitrugen, indem sie Debatten aus ihren Heimatländern nach Mexiko trugen.

Die Festivals zeigten, dass der Anspruch der PCM an einen solidarischen Internationalismus auf die Präsentation von Vielfalt und nicht auf einen ein-heitlichen ideologischen Standpunkt innerhalb des Marxismus ausgerichtet war. Solidaritätsgruppen erreichten eine Sensibilisierung für die Situation in den jeweiligen Ländern und förderten das Gefühl, als kommunistische Linke Teil eines weltweiten Kampfes gegen den Kapitalismus zu sein.

Gleichzeitig wurde die Ausarbeitung einer eigenständigen politischen Linie der PCM dadurch begünstigt, dass sich die marxistischen Linken in den westlichen Metropolen erhofften, die Revolution werde in der 73 So finanzierte beispielsweise die SED Solidaritätsprojekte im Trikont, die Kom-munistische Partei Kubas unterstütze die kämpfenden Bewegungen in Angola und die eurokommunistischen Parteien in Italien bezogen eigenständige Positionen gegenüber den kämpfenden Bewegungen. Vgl. Erika Harzer; Willi Volks (Hgg.): Aufbruch nach Nicaragua. Deutsch-deutsche Solidarität im Systemwettstreit, Ch. Links: Berlin 2009; Christine Hatzky: Kubaner in Angola: Süd-Süd Kooperation und Bildungstransfer, 1976–1991, Oldenbourg: München 2012; Lucio Magri: The Tailor of Ulm. Communism in the Twentieth Century, Verso: London, New York, 259f.

74 Carr: Marxism and Communism, 1992: 233.

75 Michael Löwy: Por un nuevo internacionalismo. In: Joaquín Arriola (Hg.): Globa-lización y sindicalismo. Por un nuevo internacionalismo, Vol. 2, Germania: Valencia 2001, 9-24, 22f.

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kapitalistischen Peripherie – also in Lateinamerika und Afrika – beginnen und Wegbereiter für die Revolutionen in den Industriestaaten sein.76 Um die Ausplünderung der sogenannten Entwicklungsländer zu beenden, wurde der Gedanke der internationalen Solidarität zu einem der konstitutiven Elemente der marxistischen Linken in den Industrienationen, da sie Ausbeutung und Revolutionen im globalen Zusammenhang dachten.

In den sechziger und siebziger Jahren waren die lateinamerikanischen Revolutionen viel beachtete Schauplätze der Kämpfe um eine andere Welt. Dort entstanden neue Theorien (zum Beispiel die Dependenz-Theorie oder die Befreiungstheologie), die die lateinamerikanische Realität der Aus-beutung vermittelten und auch in den Industrienationen rezipiert wurden. Damit rückten die sogenannten Entwicklungsländer ins Zentrum des Interesses der Linken in den westlichen Industrienationen, was nicht selten zur Idealisierung der Kämpfe führte und der Linken im Trikont zur Rückbesinnung auf die eigene Identität und Bedeutung verhalf.77 Max Elbaum beschrieb dieses Gefühl der Internationalen Solidarität in den USA wie folgt:

„Anti-imperialist youth and student movements were a global pheno-mena: Inspired by Vietnam […] in Ethiopia, Ecuador, India, Thailand,

Peru, Puerto Rico, Uruguay, Venezuela, Brazil, Argentina, Indonesia,

Pakistan, Greece, Turkey, Panama, Mexico […] (to make only a partial list). These movements spontaneously acted in solidarity with each other. The specific ideological contours within this new revolutionary

76 Das verstärkte Interesse der Linken an der „Dritten Welt“ begründete sich auf den nationalen Befreiungsbewegungen, der eigenständigen Theorieproduktion, zum Beispiel der Analysen von Frantz Fanon „Die Verdammten dieser Erde“ oder Regis Debray „Revolution in der Revolution“ und einer fortschreitenden globalen Vernetzung durch den persönlichen Austausch bei Reisen oder im Exil. Vgl. Kalter: Die Entdeckung der Dritten Welt 2011: 99f.; 112–114; Elbaum: Revolution in the Air, 2002: 3; Gretchen Dutschke-Klotz: Unser Leben. In: Ulf Wolter (Hg.): Aufrecht gehen: eine fragmentarische Autobiographie, Olle & Wolter: Berlin 1981, 16.

77 Vgl. Arqueles Morales: Entrevista con Hans Magnus Enzensberger 1969. In: Rein-hold Grimm (Hg.): Hans Magnus Enzensberger,Suhrkamp: Frankfurt a. M.1984, 106–116, 112; Interview mit Lucianos Concheiro am 06.11.2013 in Coyoacán, Me-xiko-Stadt.

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current varied from country to country, but almost all its components defined themselves as to the left of pro-soviet-communism, looked po-sitively on the Leninist tradition, defends legitimacy of armed struggle, and located the center of gravity of contemporary struggle in the Third

World.“78

Für die Besucher/innen nahm die internationale Solidarität auf den Festivales de Oposición vielfältige Formen an. Für das PCM-Mitglied Luciano Concheiro manifestierte sich die eigene politische Linie der PCM auf den Festivales de Oposición in der Vielfalt der Begegnungen. Darüber hinaus zeigten sich in der internationalen Solidarität die weit verzweigten, globalen Verbindungen der Mexikanischen Kommunistischen Partei im Kampf gegen Imperialismus und Kapitalismus.

Praktisch wurde dieser Gedanke der internationalen Solidarität in der ge-meinsamen kulturellen Aktivitäten, bei der Musik zum Mittler und „Movens“ der Teilnehmenden wurde (siehe Kapitel 4). Während der Festivals erlebten die Anwesenden ein Gefühl von Gemeinschaft, Solidarität und Kollektivität. Nach Latour sind Kollektive begrenzt, da die Mitglieder etwas verbindet, was sie von anderen unterscheidet. Kollektive entstehen „nicht aus naturwissen-schaftlichen, sozialen und kognitiven Faktoren, sondern […] aus Übersetzungsbeziehungen, die keine dieser Faktoren allein zugerechnet werden können. Kollektive haben keine klassische Verortung mehr zu er-warten, denn ihre Gegenwart oder Gegenwärtigkeit ist nur der Effekt einer Vermittlung.“79 Diese Definition von Kollektiven gilt nicht nur für die sich bil-denden, temporären Festivalgemeinschaft, sondern ist sicherlich auch auf virtuelle Strömung oder Subkultur in Zeiten des Internets anwendbar.

Es bleibt festzuhalten, dass die Attraktivität der „roten Woodstock“-Festivals – darunter die mexikanischen Festivales de Oposición – sich aus einer Kombination von „Happeningcharakter“ und dem Auftritt internatio-naler Gäste sowie dem Gedanken der internationalen Solidarität speiste. Die Bezeichnung „rote Woodstock-Festivals“ war gleichzeitig Bezug und 78 Elbaum: Revolution in the Air, 2006: 87.

79 Erhard Schüttpelz: Der Punkt des Archimedes: Einige Schwierigkeiten des Den-kes in Operationskette. In: Georg Kneer, Markus Schroer; Erhard Schüttpelz: Bruno Latours Kollektive, 2008 Suhrkamp: Frankfurt am Main, 234-258, 250.

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Abgrenzung von den Massenhappenings der Jugendkultur. Sie verdeutlicht die politische Stärke und das Mobilisierungspotenzial der kommunistischen Parteien sowie die außergewöhnliche Offenheit und Internationalität der Veranstaltungen.

Obwohl die mexikanischen Festivales de Oposición nicht die Größe der Feste der südeuropäischen kommunistischen Parteien erreichten, ähnelten sie ihnen durch die Internationalität der Gäste und die Vielfalt des Programms. Auf den PCM-Festen fand ein wachsender internationaler Austausch statt und die PCM demonstrierte ihr Verständnis von internationaler Solidarität, indem sie ihren Kontakt zu den Befreiungsbewegungen aus dem Trikont aus-baute. Das gewachsene Interesse an den Bewegungen und Theorien aus Lateinamerika bestärkte die PCM in ihrer eigenständigen Akzentsetzung bei den Festivals und in der Verbindung mit den internationalen Gästen. Resümee

Die Organisation oppositioneller Festivals wie den Festivales de Oposicion mit internationalen Gästen aus Politik und Kultur war etwas Besonderes in Zeiten des Kalten Krieges und nur im Klima der PRI-Reformen möglich. Zwar blieb die PCM bei der Organisation der internationalen Festivals von der Kooperation des verdeckten Akteurs PRI abhängig, da sie weiterhin den Kulturbetrieb dominierte, jedoch waren die politischen Kulturfeste gleich-zeitig auch ein praktischer Ausdruck des neu gewonnenen politischen Spielraums der PCM, den sie als registrierte Oppositionspartei erhalten hatte.

Die PCM-Feste boten politische Diskussionen mit internationalen Gästen sowie vielfältige kulturelle Veranstaltungen mit Konzerten, Theater- und Filmvorführungen. Sie richteten sich ausdrücklich an die gesamte Bevölkerung und die Podiumsreferent/nnen und Gäste kamen aus unter-schiedlichen linken Bewegungen, deren Meinung nicht deckungsgleich mit der der PCM sein musste. Die Organisation der Parteifeste bedeutete für die PCM einen hohen Organisationsaufwand, für den sie einen Großteil der Parteizellen der PCM einspannte. Die Festivales de Oposición brachten zwar

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keinen finanziellen Gewinn und es fehlte an einer permanenten Organisationsstruktur.

Nichtsdestotrotz waren die Feste für die PCM ein Erfolg, da neue Mitglieder geworben werden konnten und die Feste die Politik der PCM zweifellos bekannter machten. Daraus folgte, dass die Anzahl der angebo-tenen Aktivitäten auf den Festivales de Oposición und die Publikumsmenge beständig anstiegen. Die lokale Bedeutung der Veranstaltungsorte (Latour) des Auditorio Nacional und Palacio de Deportes verdeutlicht nicht nur die Popularität des Canto Nuevo , sondern zeigt auch die sich erweiterten Handlungsoptionen und den Bedeutungszuwachs der PCM als Oppositionspartei, die nun renommierte Kongresszentren im Zentrum der Hauptstadt bespielen konnte. Lediglich das letzte Festival de Oposición im Jahr 1981, dass kurz vor der Parteifusion der PCM stattfand, war deutlich kleiner.

Darüber hinaus waren die Festivals eine der ausgewählten Gelegenheiten mit Gästen aus der sogenannten „Ersten“, „Zweiten“ und „Dritten Welt“ in den persönlichen Austausch zu treten. Vorbilder der Festivales de Oposición waren die Kulturfeste der Italienischen und Französischen Kommunistischen Partei, die als „rote Woodstock“-Feste auf ein offenes Programm ohne Parteizensur setzten und sich gleichzeitig auf das „Happening Woodstock“, das die Massen begeistert hatte, bezogen und von den „unpolitischen“ US-amerikanischen Kulturevents abgrenzten.

Obwohl die mexikanischen Fest ivales de Oposición nicht die Größe der sü-deuropäischen Kulturfeste der kommunistischen Parteien erreichten, ähnelten sie ihnen in Internationalität und Vielfalt des Programms. Grundprinzip der Festivals war für die PCM, internationale Solidarität zu de-monstrieren, was sich durch die Teilnahme der internationalen Gäste, aber auch im solidarischen Umgang der Mitwirkenden aus den Solidaritäts-bewegungen oder in der freiwilligen Arbeit der Parteimitglieder zeigte. Das Erleben internationaler Solidarität prägte die Linken der siebziger Jahre weltweit und sie verstanden sich als Teil eines weltweiten Kampfes für eine gerechtere Welt, was es selbstverständlich machte, Solidarität zu üben. Der wachsende internationale Austausch sowie das verstärkte Interesse inner-halb der globalen Linken an sozialistischer Theorie aus Lateinamerika verlieh der PCM ein größeres Selbstvertrauen, das zur eigenständigen

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Definition von Solidarität und Internationalismus und zu souveränem Handeln auf den Festivales de Oposición führte.

Auf den PCM-Festen erlebten die Teilnehmenden Solidarität und Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft oder Kollektivität war nichts statisches sondern fluide. Die Teilnehmenden erlebten die Kollektivität als gegenwärtig und als Effekt von vermittelten Werten (siehe weiterführend Kapitel 4). Im Folgenden werden die politischen Debatten auf den Festivals und die Positionierung der PCM in den Diskussionen untersucht, um Verhalten und Veränderungen der Partei sichtbar zu machen.

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3 „De la batalla extraordinaria al debate sustancial“ – Politische Debatten auf den Festivales de Oposición

Die zwei Plakate der PCM zeigen die politischen Themen an, die im folgenden Kapitel analysiert werden. Es geht um die Diskussion der Gleichberechtigung von Frauen und das Verhältnis der PCM zum Glauben. Beide Debatten Abb 4.1 Christ/innen und Marxist/innen im sozialistischen Kampf.

Wahlplakt der PCM 1979. Abgedruckt in: La gráfica política en

México, Disgrafsol: México D. F. 2012, 35.

Abb. 4.2 Frauenkommission der PCM: Für einen kommunistschen Fe- minismus, für einen feministischen Kommunismus. Abgedruckt in: La gráfica política en México, Disgrafsol: México D. F. 2012, 41.

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wurden in dieser Arbeit ausgewählt, da sie jedes Jahr wieder auf den Festivales de Oposición thematisiert wurden, gesellschaftliche Kontroversen auslösten und das Interesse des Publikums erregten, was sich in der großen Zuschauerzahl zeigte.

Ferner gehörten beide nicht zu den traditionellen Sujets einer kommunis-tischen Partei, die sich vormals als Interessenvertreterin der Arbeiterschaft verstanden hatte. Allerdings zeigen die hier abgebildeten Plakate der PCM, dass die Themen für die Partei zentral waren. Dem gemeinsamen Kampf von Christ/innen und Marxist/innen für den Sozialismus widmete die PCM 1979 ein Wahlplakat, auf dem kämpferisch die erhobenen Fäuste zu sehen sind. Das Plakat zum Feminismus ließ die Frauenkommission der PCM selbst dru-cken. Es zeigt eine lachende und eine lesende Frau, was wohl dem Frauenbild der Kommission entsprach.

Die feministisch und die befreiungstheologisch orientierten Bewegungen trugen ihre Forderungen an die PCM und diese musste sich im Untersuchungszeitraum dazu positionieren. Der Kampf für Frauenrechte und die Strömung der Befreiungstheologie gehörten zu den neuen sozialen Bewegungen, die in Resonanz zur 1968er-Bewegung entstanden. Explizit diese beiden werden auch in der offiziellen Parteigeschichte angeführt, um die Abkehr vom Dogmatismus zu beschreiben:

„El […] PCM, abandonando el doctrinarismo, practicaba una búsqueda libre, incursionaba en el examen de nuevos problemas y elaboraba defi-niciones de cara a la necesidad de esclarecer su camino y ganar crédito entre el pueblo trabajador y la intelectualidad. De ese género es la apro-ximación de los comunistas a los cristianos y su nueva óptica para enfocar los problemas de las mujeres, de la sexualidad y de la cultura. En los Festivales de Oposición, surgieron los primeros debates comunistas públicos sobre esos temas.“1

Die Abkehr von traditionellen Parteinormen und die Öffnung der PCM ge-genüber den neuen politischen Bewegungen brachte die PCM in die politische Nähe zu den eurokommunistischen Parteien, deren Positionen deshalb als 1 Montes Manzano: Los últimos años, 1985: 374.

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Bezugspunkte der PCM mit in die Analysen einbezogen werden. Eine Untersuchung der Festivaldebatten über beide Themen ist sinnvoll, da sich beide Podiumsdiskussionen im Verlauf der fünf Untersuchungsjahre durch die Protokolle der PCM, die Festivalberichte in den Medien und die Mitschriften des mexikanischen Geheimdienstes gut rekonstruieren lassen und da über den Publikumsandrang bei den runden Tischen auf ein großes Interesse an diesen Themen geschlossen werden kann. Anhand der Analyse der Auswahl der Gastredner/innen und ihrer Argumentationen bei den Podiumsdiskussionen wird das Verhältnis der PCM zu den neuen Bewegungen ausgelotet.

Interessant ist an diesen neuen politischen Akteur/innen ebenfalls, dass sie die PCM mit einem neuen Politikfeld konfrontierten: dem Privatleben. Bisher hatte die PCM (und die meisten kommunistischen Parteien) die Unterdrückung der Frau als Problem des Kapitalismus gesehen, was sich durch die sozialistische Revolution automatisch lösen werde. Die Unter-drückung der Frauen in den Familien der Parteikader wurde als privates Problem gesehen. Zwar kamen sogenannte „familiäre Probleme“ auch in Parteikreisen zur Sprache, diese Unterhaltungen waren jedoch selten auf die Freiheit der Frauen, sondern mehr auf den Erhalt des Status ausgerichtet.2

Im Bezug auf den Glauben wurde von den Parteimitgliedern erwartet, sich kritisch gegenüber Kirche und Glauben zu verhalten. Da die PCM die Festivaldebatten dazu nutzte, ihre politische Linie zu vermitteln, in den Austausch mit den neuen Akteur/innen zu treten und die Debatte für das Publikum zu öffnen, kamen in den Diskussionen inhaltliche Differenzen sowohl mit den Gästen als auch mit der eigenen Parteibasis zum Vorschein. Die Detailanalyse wird zeigen, wie die Partei auf Themen reagierte, die durch globale Bewegungen (wie die Feminist/innen) sowie durch regional bedeu-tende Bewegungen eingebracht wurden und ob der Austausch die PCM 2 Vgl. Interview mit Leonor Lara in der Condesa, Mexiko-Stadt am 23.09.2011.

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veränderte. Wie reagierte die Partei zum Beispiel auf das Motto der Neofeminist/innen „Das Private ist politisch“? 3.1 Das Private ist politisch! – Die PCM und der Neofeminismus

„Hay una doble moral muy cabrón. Siempre acabamos siendo las secretarias, las novias, las traductoras, las que engrapaban y las que volanteaban de los dirigentes políticos. Tenías que hacer todos los resúmenes en inglés, hacerle caso a uno de los dirigentes porque le gustabas y porque eso era suficiente razón. Estábamos acostumb-radas porque de esos padres, de esos primeros, de esos hermanos y de esos lares veníamos. Pero nos sublevamos y creo que esa subleva-ción no se vuelve a quitar nunca, hasta ahora.“ Elisa Ramírez,

Aktivistin der mexikanischen 1968er-Bewegung.

Eine inhaltliche Konstante auf den Festivales de Oposición bildeten die Debatten um die Gleichberechtigung von Frauen. Dabei vergrößerte sich im Untersuchungszeitraum die Präsenz des Themas kontinuierlich: Während in den ersten drei Jahren jeweils eine Gesprächsrunde stattfand, waren es 1980 schon drei parallele Diskussionen und auf dem V . Festival de Oposición gab es sogar ein „Frauenforum“, das neben politischen Debatten auch Theater- und Filmvorführungen sowie Beratung zu Gesundheitsfragen, Gewalt oder Hausarbeit anbot.3 Bei diesen Festivalgesprächsrunden trafen Frauen aus der PCM mit Journalist/innen, Wissenschaftler/innen, Feminist/innen und Frauen aus anderen progressiven Organisationen zusammen und 3 Auf den Festivales de Oposición zeigte zum Beispiel das Filmkollektiv „Colectivo Cine Mujer“ feministische Filme. Vgl. Márgara Millan: Feminismo(s) y producción cultural. De la denuncia programática a la exploración del deseo feminino en la cinematografía feminina mexicana. In: Griselda Gutiérrez Castañeda (Hg.): Femi-nismo en México. Revisión histórico-critica del siglo que termina, UNAM/PUEG: México D. F. 2002, 431–442, 435.

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debattierten über Gleichberechtigung, Abtreibung oder Homosexualität. Themen, die in Mexiko kontrovers diskutiert wurden.

Dass diese Themen Raum auf den PCM-Festivals fanden, muss im Zusammenhang mit der (hauptsächlich in Mexiko-Stadt entstandenen und verankerten) zweiten Welle des Feminismus ( Segunda Ola Feminista ), dem „Neofeminismus“ gesehen werden.4 Der mexikanische Neofeminismus ent-stand im Kontext einer steigenden Anzahl von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in den Universitäten sowie bei den sozialen Mobilisierungen. Ferner trugen die Verbreitung der Anti-Baby-Pille und ein freier Umgang mit Sexualität zur Gleichberechtigung bei.

Die Gründerinnen der zweiten feministischen Welle verstanden sich als Teil der mexikanischen Linken und kamen aus dem Umfeld der 1968er-Mobilisierungen, also meist aus der gebildeten Mittelschicht.5 Obwohl viele Frauen „Ideale, Demonstrationen, Repression und Verfolgung [der 1968er Bewegung] gemeinsam erfahren hatten, waren sie weit weniger sichtbar als ihre männlichen Mitstreiter“.6 Ihre Teilnahme am Aufbruch von 1968 machte den Frauen nicht nur die Demokratiedefizite Mexikos bewusst, sondern zeigte ihnen, dass Frauen auch innerhalb der linken Bewegungen nicht gleichberechtigt waren. Ihre Unzufriedenheit mündete in eine 4 Einige Wissenschaftler/innen sehen die ersten mexikanischen Feminist/innen als die Frauen an, die dafür kämpften, das Frauenwahlrecht in der Verfassung von 1917 zu verankern, was ihnen nicht gelang. Andere sehen die erste Frauenbewe-gung in den Mobilisierungen der 1930er-Jahre, zum Beispiel durch die Frente Úni-co Pro Derechos de la Mujer (FUPDM), die mehr als 50 000 Frauen organisierte. Vgl. Ana Lau Jaiven: El nuevo movimiento feminista mexicano a fines del milenio. In: Eli Bartra; Anna M. Fernández Poncela, Ana Lau: Feminismo en México ayer y hoy, Instituto Mora/UAM: México D. F. 2002, 11–43, 14; Gabriela Cano: Más de un siglo del feminismo en México. In: Debate Feminsta, 7/14/1996, 345–360.

5 Ausnahmen bildeten die Gruppe MLM und die Zeitschrift FEM, die hauptsächlich von Journalistinnen bzw. Akademikerinnen organisiert wurden. Vgl. Eli Bartra: El Movimiento feminista en México y su vínculo con la academia. In: La Ventana, Nr. 10, 12/1999, 214–234, 217; Marta Lamas: Feminismo. Transmisiones y retransmi-siones, Taurus: México D. F. 2006, 16.

6 Vgl. Lourdes Arizpe: El feminismo: del grito de los setenta a las estrategias del siglo XXI. In: Griselda Gutiérrez Castañeda (Hg.): Feminismo en Mexico. Revisión históri-co-critica del siglo que termina, México D. F.: UNAM/PUEG 2002, 63–70, 64. (eigene Übersetzung)

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Auseinandersetzung mit feministischen Theorien.7 Sie interessierten sich für die feministischen Bewegungen in Europa und den USA und lasen die Werke von Betty Friedan, Simone de Beauvoir oder Margret Randall, die durch Artikel von Rosario Castellanos und Marta Acevedo in Mexiko bekannt wurden.8

Unter dem Motto „Das Private ist politisch“ (Lo personal es político) kriti-sierten die mexikanischen Neofeminist/innen die Diskriminierung von Frauen in Familie und Beziehung als systematisches Machtverhältnis. Sexismus verstanden sie als kulturelles Problem, das die Gender-Beziehungen in der Familie, am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum prägte.9 Anders als die Frauenorganisationen, die bis dahin in Mexiko existierten, entdeckten die Neofeminist/innen ihre persönliche Unterdrückung durch das Patriarchat gerade im Privatleben.10 Die Feministin Marta Lamas merkte dazu kritisch an, dass die Neofeminist/innen aus der Mittelschicht weniger als andere 7 Vgl. Interviews mit Ana Ignacia Rodríguez Márquez, Elisa Ramirez und Margarita Susan aus dem Katalog des Memorial 1968. Sherin Abu-Chouka, Sebastian Hennig: Kein Zurück mehr. Die Geschichten dreier Frauen, die 68 an der UNAM studierten. In: Lateinamerika Nachrichten 406/2008, digital https://lateinamerika-nachrich-ten.de/artikel/kein-zurueck-mehr/, gesehen am 28.04.2020; Deborah Cohen; Les-sie Jo Frazier: No sólo cocinábamos … : Historia inédita de la otra mitad del 68. In: Ilán Semo (Hg.): La transición interrumpida: México 1968–1988, Universidad Iberoamericana: México D. F. 1993, 75–105; Gloria Tirado Villegas: Los vientos de la democracia, BUAP: Puebla: 2001; Ana Lau Jaiven: Feminismo mexicano: balance y perspectivas. In: Natalie Lebon; Elizabeth Maier (Hgg.): De lo privado a lo públi-co. 30 años de lucha ciudadana de las mujeres en América Latina, Siglo XXI: Méxi-co D. F. 2006, 182–194.

8 Besonders der Excélsior-Artikel „Casandra de Huaraches“ von Rosario Castellanos und die Reportage über Feminismus von Marta Acevedo für die Zeitschrift Siemp-re! zirkulierten unter mexikanischen Neofeminist/innen. Vgl. Julia del Carmen Chá-vez Carapia: Perspectivas degénero. Plaza y Valdés: México D. F. 2004, 40.

9 Im Folgenden schreibe ich von Neofeminist/innen, da auch einige Männer femi-nistische Positionen bezogen, obwohl die neofeministische Bewegung gerade zu Beginn eine reine Frauenbewegung gewesen war.

10 Vgl. Marta Acevedo: 40 años de feminismos. Lo que el feminismo desató. In: De-bate Feminista, Año 22, Vol. 44, 10/2011, digital http://www.debatefeminista.cieg.unam.mx/wp-content/uploads/2016/03/articulos/044_14.pdf, gesehen am 11.05.2020.

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mexikanische Frauen mit der Hausarbeit belastet waren, so dass ihr Bekenntnis zum Feminismus „mehr eine Überzeugung als eine Notwendigkeit“ war.11

In der Forschungsliteratur wird der mexikanische Neofeminismus in drei Etappen eingeteilt: die siebziger Jahre als Gründerjahre der Kämpfe und der „Bewusstseinsarbeit“, die Wende hin zum „populären Feminismus“ ( Feminismo Popular ) ab 1980 und die 1990er Jahre, in denen der Fokus der Feminist/innen auf der Demokratisierung der Gesellschaft lag.12 Wie die fe-ministischen Gruppen in Europa und den USA, lehnten die Neofeminist/innen in den Gründerjahren die Zusammenarbeit mit politischen Parteien ab und organisierten sich in autonomen Klein- beziehungsweise Bewusst-seinsgruppen, die ausschließlich Frauen aufnahmen. Die eigenständige Organisierung der Frauen beschrieb die Feministin Eli Bartra:

„Se hacía énfasis en el carácter autónomo del movimiento de liberación de la mujer frente a todo: a los partidos políticos, a los sindicatos, a otros grupos y organizaciones, también al colectivo de los varones. No po-drían entrar hombres a formar parte del movimiento o participar en las reuniones. Las mujeres reclamaban el derecho a estar en ese pequeñí-simo espacio sin hombres con el fin de entender mejor su proceso de concientización y crear formas de luchas propias.“13

Zu Beginn de siebziger Jahren entstanden in Mexiko zunächst drei feminis-tische Kleingruppen, denen es gelang, die Diskriminierung von Frauen in die öffentliche Diskussion zu bringen: Mujeres en acción solidaria (MAS), Movimiento Nacional de Mujeres (MNM) und Movimiento de la Liberación de la Mujer (MLM).14 Die neofeministischen Gruppen erreichten trotz ihrer ge-11 Marta Lamas: Algunas características del movimiento feministas en la Ciudad de México. In: Magdalena León (Hg.): Mujeres y participación política. Avances y Des-afíos en América Latina, Tercer Mundo Editores: Bogota 1994, 143–165, 147.

12 Vgl. Eli Bartra; Anna M. Fernández Poncela; Ana Lau Jaiven: Feminismo ayer y hoy, Instituto Mora/UAM : México D. F. 2002, 14.

13 Eli Barta: El movimiento feminista en México y su vínculo con la academia. In: La ventana. Universidad de Guadalajara: Guadalajara, Nr. 10, 12/1999, 214–234.

14 Aus der MLM gingen das Movimiento Feminista Mexicano (MFM.) und das Zei-

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ringen Mitgliederzahl, die kaum 100 Personen überstieg, eine weite Resonanz in den kulturellen und politischen Bereichen der Gesellschaft. Laut Sergio Tamayo gelang es ihnen, die bestehende Unzufriedenheit aufzugreifen, die das traditionelle Rollenverständnis auslöste, und aktive Frauengruppen zu bilden, die informierten und ihre Forderungen verbreiteten.15

Die feministischen Kleingruppen erfuhren zusätzlich gesellschaftliche Aufmerksamkeit, da die UNO das Jahr 1975 zum „Internationalen Jahr der Frau“ bestimmte und eine Frauenkonferenz in Mexiko-Stadt abhielt. Im Zuge der zu erwartenden internationalen Aufmerksamkeit reformierte die mexi-kanische Regierung im selben Jahr den Artikel §4 der Verfassung, in dem die Gleichberechtigung von Männern und Frauen verankert wurde. Damit begann ein bis heute nicht abgeschlossener Prozess zur juristischen Gleichstellung der Frau in Mexiko.16 Darüber hinaus versuchte die mexikani-sche Regierung, mit den feministischen Gruppen in den Dialog zu treten, was jedoch nur bei einigen auf Interesse stieß.17

Ab Mitte der siebziger Jahre gründeten sich auch Frauengruppen inner-halb der politischen Parteien. Anfänglich war die Doppelbeteiligung in feministischen Gruppen und Parteien umstritten, da die Parteien als syste-merhaltende Institutionen abgelehnt wurden, in der gemeinsamen tungskollektiv La Revuelta hervor. Ferner entstanden im Umfeld der Neofeminist/innen die Zeitschriften Cihuat und FEM. Während Cihuat nur kurze Zeit bestand, wurde FEM zu einer bekannten feministischen Zeitschrift in Mexiko und Latein-amerika und erschien kontinuierlich bis 2005. Zur Geschichte der einzelnen Grup-pierungen vgl. Ana Lau Jaiven: La nueva ola del feminismo en México, conciencia y acción de lucha de las mujeres, Planeta: México D. F. 1987, 80ff.; Márgara Millán: Revistas y políticas de traducción del feminismo mexicano contemporáneo. In: Estudios Feministas, Vol. 17, Nr. 3, Florianópolis, 09.12.2009, 819–846, 823f.

15 Vgl. Sergio Tamayo: La ciudadanía civil en el México de Transición: mujeres de-rechos humanos y religión. In: Revista Mexicana de Sociología, 2000 Vol. 62, Nr. 1, UNAM, 61–93, 65f., digital http://www.jstor.org/stable/3541179?seq=1&-cid=pdf-reference#references_tab_contents, gesehen am 12.05.2020.

16 Vgl. Mireya Toto Gutiérrez: El Feminismo en México y su impacto en el discurso jurídico. In: Griselda Gutiérrez Castañeda (Hg.): Feminismo en México. Revisión histórico-critica del siglo que termina, UNAM/PUEG: México D. F. 2002, 401–413, 402.

17 Ein Teil der Gruppe MAS nahm an der offiziellen Konferenz teil, die MLM boykot-tierten die Regierungsinitiative als „kosmetische Maßnahme“. Vgl. Lau: La nueva ola, 1987: 107ff.

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Kampagnenarbeit überwanden die Feminist/innen jedoch ihre Bedenken.18 1976 entstand das feministische Colectivo de Mujeres , dessen Frauen sich gleichzeitig in der trotzkistischen PRT engagierten, und im Umfeld der PCM existierten zwei Frauenorganisationen, die sich beide an den Dis-kussionsrunden auf den Festivales de Oposición beteiligten. Bereits 1964 gründete sich die PCM-nahe Frauenorganisation Unión Nacional de Mujeres Mexicanas (UNMM), die die Lebensbedingungen von Arbeiterinnen verbes-sern wollte. Die UNMM gehörte offiziell nicht zur PCM und wurde nicht von ihr finanziert, organisierte jedoch maßgeblich die Ehefrauen und weiblichen Angehörigen der PCM-Mitglieder. Ihr Verhältnis zur Partei war ambivalent, einerseits organisierte sie einen beinah identischen Personenkreis, anderer-seits war sie keine Parteiinstitution und ihre Mitglieder wurden unter Genossen „UVAS“ ( Unión de Viejas Argüenderas – Union der alten Klatschweiber) genannt.19 In den siebziger Jahren wurde ferner die nationale Frauenkommission ( Comisión Nacional Femenil ) der PCM, die sich bereits in den vierziger Jahren an der Kampagne für das Wahlrecht der Frauen beteiligt hatte, nach Jahren der Inaktivität wiederbelebt.20 In der nationalen Frauen-kommission diskutierten Frauen aus der PCM untereinander über die Frauenpolitik und suchten die Parteipolitik zu beeinflussen.21 Ihre Mitglieder organisierten sich nicht selten auch in feministischen Gruppen.

Die MAS-Aktivistin Marta Acevedo, die auf der Veranstaltung des vierten Festivals sprach, bezeichnete das Politikverständnis von Feminist/innen und sozialistischen Linken als „ungelösten Gegensatz“,22 da die Feminist/innen 18 Vgl. Acevedo: 40 años de feminismos, digital http://www.debatefeminista.cieg.unam.mx/wp-content/uploads/2016/03/articulos/044_14.pdf, gesehen am 11.08.2019.

19 Vgl. Ana Lau Jaiven: La Unión Nacional de Mujeres Mexicanas entre el comunis-mo y el feminismo: una relación difícil. In: La Ventana, 6-12/2014, Universidad de Guadalajara: Guadalajara, 165–185, 179, digital http://www.redalyc.org/articulo.oa?id=88435817007, gesehen am 15.05.2020.

20 Zur Arbeit der Comisión Nacional Femenil in den vierziger Jahren vgl. José Ariel Contreras: México 1940: Industrialización y crisis política: Estado y sociedad civil en las elecciones presidenciales, Siglo XIX: México D. F.[1977] 1992, 150f.

21 Vgl. Lagarde: Hacía una memoria feminista. El Machete, Nr. 5, 09/1980, 44–51, 50.22 Vgl. Acevedo: 40 años, digital http://www.debatefeminista.com/PDF/1363.pdf, gesehen am 11.05.2013.

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157zwar wie die Linken die Welt verändern wollten, die feministischen Positionen jedoch gleichzeitig die theoretischen Grundfesten der sozia-listischen Linken kritisierten und ihre Praxis bemängelten. Die Differenzen entstanden deshalb, weil für die Neofeminist/innen der Klassenkampf kein übergeordneter Hauptwiderspruch war, sie sahen ihn als ein Unterdrückungsverhältnis an, das gleichzeitig und gleichwertig mit anderen Ausgrenzungsmechanismen wirkte. Die Neofeminist/innen lehnten die marxistische Sichtweise ab, eine öko-nomische Gleichstellung der Frau werde ihre Ausbeutung beenden und automatisch zur Gleichberechtigung führen.

Für sie war das Patriarchat eine Struktur, die die Frau ökonomisch und sozial ausbeutete, da die Frau gerade im Privatleben, in Familie und Beziehung unterdrückt werde. Der Kampf gegen diese Frauen-unterdrückung erfordere deshalb eine radikale Veränderung der Moral-vorstellungen der Menschen, die es bereits in der Aktualität zu erkämpfen gelte. In Bezug auf die Praxis erinnerte sich die Feministin Marta Lamas bei-spielsweise daran, dass die Feminist/innen gegen den Sexismus bestimmter linker Parolen der PCM aufbegehrten und diese der Partei in mühseligen Diskussionen abgewöhnten.23

Einen „außergewöhnlichen Kampf“ nannte Amalia Garcia den partei-in-

23 Lamas Beispiel war der Slogan „A parir madre latina, a parir más Guerilleros, ellos sembrarán jardines dónde habían basureros“ (Gebäre lateinamerikanische Mutter, gebäre mehr Guerilleros, die Gärten pflanzen werden, wo zuvor Müllhal- Abb. 4. 3 Comic: Los Agachados: Al

Aborto y la Pildora. Nr. 149, Edito- rial Posadas: México D. F. 1974. Im

Fazit nahm Rius die Argumentation der PCM voraus, dass Abtreibung vor allem aus gesundheitlichen

Gründen sowie wegen der Kosten- ersparnis legalisiert werden sollte, da das viele Menschenleben retten würde .

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ternen Diskussionsprozess zum Thema Feminismus. Zu Beginn der siebziger Jahre bezeichnete die PCM die Feminist/innen noch als kleinbürgerliche Bewegung, „Agentin des Yankee-Imperialismus“ und ihre eigenständige Organisierung als „reaktionär“.24 Nach und nach öffnete sich die Mexikanische Kommunistische Partei jedoch gegenüber den Forderungen der mexika-nischen Neofeminist/innen:

„En la izquierda el actor de cambio había sido tradicionalmente el movi-miento obrero; en él se concentraba toda la esperanza, la voluntad, toda la decisión de cambio y todos los demás movimientos estuvieron subor-dinados a sus intereses y objetivos; […] cuando la izquierda mexicana empieza un debate de fondo, subrayando esencialmente la existencia de varios actores políticos, […] que a partir de sus propias condiciones estarían comprometidos con una transformación radical de la sociedad, y uno de los actores […] principales, que se empiezan a destacar, son las mujeres, porque a partir de su condición subordinada, de marginación y discriminación, las mujeres necesitaban ser consideradas como un actor que podía transformar también la manera de relacionarse y cambiar el mundo. […] Incorporar estos temas fue una batalla extraordinaria, en la que empezó un debate sustancial.“25

Im Verlauf der siebziger Jahre engagierten sich Frauen verstärkt auch im Arbeitsbereich. Es fanden Streiks in Industriezweigen statt, wie bei der mexi-kanischen Telefongesellschaft ( Teléfonos de México ) oder in der Bekleidungsindustrie, wo hauptsächlich Frauen beschäftigt waren, was sicherlich ein weiterer Grund für die PCM war, sich mit den feministischen den waren), der die Frauen auf ihre Rolle als Mutter reduzierte. Die Parole geht auf ein Lied von José de Molina zurück. Vgl. Marta Lamas: Un recuerdo a Arnoldo Martínez Verdugo, figura clave en la unificación de la izquierda. In: La Jornada Za-catecas 26.05.2013, digital https://issuu.com/lajornadazacatecas.com.mx/docs/local26052013, gesehen am 12.05.2020.

24 Marta Lamas: El feminismo mexicano y la lucha por legalizar el aborto. In: Política y Cultura, 1/Otoño/1992, 9–22,11.

25 Amalia Garcia: La causa de las mujeres de izquierda. In: Griselda Gutiérrez Castañeda (Hg.): Feminismo en México. Revisión histórico-critica del siglo que ter-mina, UNAM/PUEG: México D. F. 2002, 265–276, 266f.

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Forderungen auseinanderzusetzen.26 Das Erstarken des Neofeminismus im Verlauf der siebziger Jahre bewirkte, dass Frauen nun als politische Akteurinnen wahrgenommen wurden. Die PCM erkannte Ende der siebziger Jahre die eigenständige Organisierung von Frauen an und arbeitete in ge-meinsamen Bündnissen und Kampagnen mit den Neofeminist/innen zusammen.27

Die Positionen von Feminist/innen (vor allem innerhalb der Partei) wurden im Verlauf der siebziger Jahre so prominent, dass eine aktive Partizipation der weiblichen PCM-Mitglieder ohne die Aufnahme feministi-scher Forderungen ins Parteiprogramm unrealistisch erschien.28 In der PCM organisierten sich Frauen in den regionalen Frauenkommissionen. In der Partei musste es, wie sich Marcela Lagarde erinnerte, kein Widerspruch sein, sich als Feministin und Mitglied der Mexikanischen Kommunistischen Partei zu verstehen:

„Ese año [1974] ingresé al partido comunista. Y las comunistas éramos feministas, iba pegado. Yo me volví feminista en el partido comunista.

No tuve que hacer como otras, las italianas, que se fueron de los par-tidos para poder ser feministas.“29

Obwohl eine Auseinandersetzung der PCM mit dem Feminismus stattfand, war die Durchdringung der Partei mit feministischen Forderungen keines-falls einheitlich.30 Die Öffnung der Mexikanischen Kommunistischen Partei gegenüber den Neofeminist/innen war sicherlich auch dadurch begünstigt, 26 Dabei ging es auch bei diesen Arbeitskämpfen um die Unabhängigkeit der Ge-werkschaften. Vgl. Margarita de Leonardo, María Guerra: La lucha ideológica: Mu-jer, familia y control ideológico. In: Estrategia, Nr. 16, 07-08/1977, México D. F., 66–74, 73; Carlos Monsiváis: Amor perdido, Era: México D. F. [1977] 2010, 179ff.

27 Vgl. o. A.: La opresión de la mujer es uno más de los problemas sociales, Oposición 15.–21.03.1979.

28 Vgl. PCM: Tesis 20. In: El Machete, Nr. 7, 11/1980, 22–67, 48; Interview mit Leo-nor Lara am 23.09.2011 in der Condesa, Mexiko-Stadt.

29 Maribel Blázquez; J. Ignacio Pichardo: Entrevista con Marcela Lagarde. In: Revista de Antropología Iberoamericana, Vol. 4, Nr. 1, 01-04/2009, 4–10, 6.

30 Für die Kommunistische Partei Italiens vgl. Gundle: Between Hollywood and Moscow, 2000: 157.

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dass einige Mitglieder des Zentralkomitees, unter ihnen der Generalsekretär Martínez Verdugo, sich für den Austausch und die Zusammenarbeit mit den neofeministischen Gruppen stark machten.

Ende der siebziger Jahre begann die konkrete Zusammenarbeit der PCM mit den neofeministischen Gruppen in einer gemeinsamen Kampagne zur Legalisierung der Abtreibung.31 1979, etwa drei Monate vor dem III. Festival de Oposición , entstand die Frente Nacional por la Liberación y los Derechos de la Mujer (FNALIDM), in der sich neofeministische und lesbische Gruppen sowie Frauen aus den Gewerkschaften, der PRT und der PCM zusammen-schlossen.32 Die FNALIDM setzte sich für vier Themen ein: das Ende der Diskriminierung von Arbeiterinnen, die freiwillige Mutterschaft, die Gründung von Kindertagesstätten und der Kampf gegen sexuelle Gewalt ge-genüber Frauen und Homosexuellen.33

Die klare, positive Haltung zu Homosexualität führte die PCM dazu, das Recht auf selbstbestimmte Sexualität 1980 in ihr Parteiprogramm aufzuneh-men.34 Ähnliche Debatten, zum Beispiel über Liebe und Homosexualität, 31 Initiiert hatte die Kampagne die Coalición de Mujeres Feministas (CMF), die seit 1976 aus MNM, MLM, MFM, La Revuleta und dem Colectivo de Mujeres bestand. Unterstützt von Intellektuellen und Künstler/innen gelang es der CMF, das The-ma Abtreibung in die öffentliche Diskussion zu bringen, woraufhin die Regierung Echeverría eine interdisziplinäre Expertengruppe aus ca. 80 Spezialist/innen aus den Bereichen Medizin, Rechtswissenschaften, Geschichtswissenschaften, Philo-sophie und Theologie einsetzte, die das Thema untersuchte. Die Kommission gab der Regierung die Empfehlung, Abtreibungen in Mexiko zu legalisieren, die jedoch nicht bindend war. Vgl. Toto: Feminismo e impacto jurídico, 2002: 402; Lau: Nueva Ola, 1987: 128; Joaquina Erviti: El Aborto entre mujeres pobres, sociología de la experiencia, UNAM: México D. F. 2005, 101.

32 Der FNALIDM traten Frauen aus MNM, MLM und Lucha Feminista , aus den ho-mosexuellen Organisationen Frente Homosexual de Acción Revolucionaria (FHAR), LAMBDA und OIKABTEH sowie aus den Frauensektionen der politischen Parteien PRT und PCM und der universitären Gewerkschaften der UNAM Sindicato de Tra-bajadores de la Universidad Autónoma de México (STUNAM), der UAM Sindicato Independiente de Trabajadores de la Universidad Autónoma Metropolitana (SITU-AM), der Federación de Sindicatos de Trabajadores Universitarios (FSTU) und in eingeschränktem Rahmen die Elektrizitätsgewerkschaft Tendenica Democrática bei.

33 Vgl. Bartra, Poncela, Lau: Feminismo ayer y hoy, 2002: 25.

34 Vgl. Comisión Redactora El PCM y la sexualidad, Oposición 01.06.1980.

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fanden auch bei den eurokommunistischen Parteien Italiens und Spaniens zu Beginn der achtziger Jahre statt.35 Diese Positionen waren durchaus au-ßergewöhnlich, denn im Ostblock wurde Homosexualität noch verurteilt, die Kommunistische Partei Kubas (PCC) sah Homosexualität als ideologische Straftat ( delito ideológico ) an.36

Die Homosexuellen-Bewegung in Mexiko kritisierte die Kubanische Kommunistische Partei öffentlich, was die Zusammenarbeit zwischen PCM und PCC belastete. Ein Interview mit Carlos Monsiváis in der PCM-Zeitschrift El Machete zeigt, wie die PCM gegenüber der PCC argumentiert haben muss. Monsiváis distanzierte sich zunächst von den rechten Kritiker/innen Kubas, betonte seine Solidarität mit der kubanischen Regierung und stellte die große Bedeutung der kubanischen Revolution für Lateinamerika dar, bevor er die politische Linie der PCC punktuell kritisierte. Der PCM gelang es, ein konstantes Verhältnis zur PCC zu halten und gleichzeitig mit der Homosexuellen-Bewegung zu kooperieren.37

Bekannter noch als die positive Haltung gegenüber der Homo-sexuellen-Bewegung war die Zusammenarbeit zwischen PCM und der feministischen Gruppe als Teil der FNALIDM, die eine „Gesetzesvorlage zur freien und frei-willigen Mutterschaft“ erarbeiteten. 1979 hatte die PCM den Kampf um die 35 Allerdings zeigt das schwierige Verhältnis der PCI zum homosexuellen Künstler Paolo Pasolini sowie die fehlende Auseinandersetzung mit seiner Ermordung, dass die Anerkennung nicht überall in der PCI vorhanden war. Vgl. Jordi Petit: 25 años más: una perspectiva sobre el pasado, presente y futuro del movimiento de gay, lesbianas, bisexuales y transexuales, Icaria: Barcelona 2003, 208. Vgl. Giorgio Galli: Pasolini. Ein dissidenter Kommunist, Laika: Hamburg 2014, 116ff.

36 In den sozialistischen Staatsparteien hatten Homosexuelle kaum Rechte. José Ramón Enríquez gab im Interview an, die Positionierung gegenüber der Homo-sexualität sei nur ein Aspekt unter vielen gewesen, der das unterschiedliche Po-litikverständnis zwischen den kommunistischen Parteien des Ostblocks und der PCM verdeutlichte. Vgl. Rafael de la Dehesa: Incursiones queer en la esfera públi-ca. Movimientos por los derechos sexuales en México y Brasil, UNAM: México D. F. 2015, 158; Rafael De La Dehesa: Queering the public space in Mexico and Brazil, Sexual Rights Movements in Emerging Democracies, London: Duke University 2010, 79. Marcos Leonel Posadas bezeichnete das Verhältnis zwischen PCM und PCC als „wechselhaft und schwierig“. Vgl. Interview mit Marcos Leonel Posadas am 21.02.2014 in Tlaplan, Mexico-Stadt.

37Vgl. José Ramón Enríquez: Carlos Monsiváis: Feminismo y Homosexualidad. In: El Machete 01/05/1980,15–24, 24.

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„Rechte der Frau“ als Punkt 15 (von 19 inhaltlichen Schwer-punkten) in ihr Wahl-programm aufgenommen. Die PCM versprach, für die Gleichbe-rechtigung und Chancengleichheit im Beruf zu kämpfen. Sie setzte sich für die Erfüllung des bestehenden Mutterschutzgesetzes und den Bau von Kindergärten ein und forderte, Gewalt gegen Frauen zu ahnden.38 Arnoldo Martínez Verdugo und Gilberto Rincón Gallardo brachten das umstrittene Gesetz zur Lega-lisierung der Abtreibung ins Parlament ein. Marta Lamas erin-nerte sich an den persönlichen Einsatz des Generalsekretärs der PCM, der die Forderungen der Neofeminist/innen auch gegenüber Zweifler/innen in der eigenen Partei verteidigte, die um das Ansehen der PCM fürchteten. Als Präsidentschaftskandidat wurde er 1982 gerade wegen dieser Haltung angefeindet.39

Im Parlament plädierten die PCM-Abgeordneten für eine leicht geänderte Version des Entwurfes der Neofeminist/innen. Abtreibung sollte nicht bis zum fünften, sondern nur bis zum dritten Monat legal sein. Sie begründeten 38 O. A.: Coalición de Izquierda: para la Renovación democrática de México, Oposi-ción 22.–28.03.1979.

39 Marta Lamas erinnerte sich wohlwollend an den Einsatz von Martínez Verdugo für die Feminist/innen und bedauerte, dass Rincón Gallardo erst nach Jahren zu ei-nem Verständnis für feministische Forderungen gekommen sei. Vgl. Marta Lamas: Semblanza para el Homenaje a Arnoldo Martínez Verdugo, DVD: Casa de la Cultura/Bosque de Tlapan, México D. F. 2013.

Abb. 4.4 „Das sind die Tatsachen. Sag

Ja zum Gesetz für freiwillige Mutter- schaft!“ PCM 1979. In: Cámera de Di- putados: La gráfica política en México,

Disgrafsol: México D. F. 2012, 41.

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die Legalisierung mit der hohen Sterberate von Frauen.40 Die PCM forderte weiterhin, diesen Eingriff als Teil der staatlichen Gesundheitsversorgung und gegen geringe Kosten durchzuführen, damit er für Frauen zugänglich wäre.41 Bereits im Frühjahr 1980 zeichnete sich jedoch ab, dass nicht nur die konservativen Parteien die Legalisierung der Abtreibung kategorisch ab-lehnten, sondern auch die linken Parteien sich nicht für das Gesetz zur freiwilligen Mutterschaft aussprachen.42 Darüber hinaus galt im mexika-nischen Parlament meist das Votum des Präsidenten als richtungsweisend, der sich im Fall der Gesetzesinitiative zur freiwilligen Mutterschaft negativ geäußert hatte, was ausreichte, um die Initiative ohne Entscheidung ad acta zu legen.43

Die Gesetzesinitiative scheiterte jedoch vor allem am massiven Widerstand der Kirche und der ihr nahe-stehenden Pro-Vida- Gruppen, die eine Anti-Abtreibungs-Kampagne initiierten. Die Kampagne richtete sich direkt gegen die PCM. Drei Plakate, die massenhaft in den mexikanischen Großstädten verklebt wurden, verdeutlichen dies: Ein Plakat zeigt einen zerstückelten Fötus mit der Bildunterschrift „Ein weiteres Verbrechen der Kommunisten“, ein anderes zeigte Fotografien von Kriegsverbrechen und Föten mit der Bildunterschrift „In den Ländern, die sie beherrschen, morden die Kommunisten legal, wie hier zu sehen“. Das dritte Plakat zeigte die Fotografien von Mitgliedern der Coalición de Izquierda und die Worte „Das sind die Menschen, die Kindermord begehen“. Marta Lamas beschrieb diese Anti-Abtreibungskampagne wie folgt:

40 Vgl. Lamas: El feminismo mexicano, 1992: 12f.

41 O. A.: En el día internacional de la mujer, lucha por la igualdad y por sus derechos. Entrevista con Amalia García, Oposición 08.–14.03.1979.

42 Die links orientierte PPS wurde vom Gewerkschaftsführer Vicente Lombardo ge-gründet und geleitet. Sie erklärte sich 1975 zur Siegerin bei den Wahlen in Nayarit, einigte sich jedoch später mit der PRI und unterstütze die Einzelkandidatur von López Portillo im Jahr 1976. Zur PCM bestanden bereits seit den sechziger Jahren Kontakte und Versuche einzelner Kooperationen. Vgl. Rodríguez Araujo: La refor-ma política, 1979: 145ff., 184ff.; Roberto Borja Ochoa: Los Comunistas en la Cáma-ra. In: El Machete, Nr. 5, 09/1980, 32–34, 33.

43 Vgl. Roberto Hernández: La sumisión al Presidente hizo su víctima hasta a López Portillo, In: Proceso 08.01.1983.

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„La iglesia católica desató un feroz ataque al PCM a través de organiza-ciones fascistas como el MURO, que integraron al Comité Nacional

Provida. En Jalisco […] lanzaron desde un avión volantes que decían:

‚El aborto es un asesinato pero matar comunistas no es pecado‘. Javier

Velásquez Cabrera, secretario general del PCM en el poblado de

Tequila Jalisco, fue asesinado por grupos derechistas el 17 de sep-tiembre de 1980. En Morelos, los miembros de la Juventud Provida le abrieron la cabeza a Alberto Castañeda, y en Michoacán fueron perse-guidos y apedreadas tres compañeras.“ 44

Die Kampagne führte nicht nur zum Scheitern des Gesetzesentwurfes, sondern erzeugte Angst bei ihren Befürworter/innen, die auch die FNALIDM erfasste und zu ihrer Auflösung beitrug. Im Zuge dieser Kampagne kam es nicht nur zu körperlichen Angriffen auf PCM-Mitglieder, sondern es wurden auch einige Kommunist/innen, unter ihnen der Generalsekretär der PCM in Jalisco, Javier Velásquez Cabrera, ermordet.

In den siebziger Jahren entstand eine ungewöhnliche Kooperation zwischen Neofeminist/innen und PCM, die sich gemeinsam für die Legalisierung der Abtreibung einsetzten. Im Gegensatz zu Frankreich, Italien und Spanien gelang ihnen in Mexiko jedoch weder eine Legalisierung noch eine Entkriminalisierung der Abtreibung.45 Ähnliche Kooperationen zur Legalisierung der Abtreibung hatte es zwischen den eurokommunistischen Parteien und den feministischen Bewegungen zum Beispiel in Spanien gege-ben.46 Jedoch berichteten Frauen aus den eurokommunistischen Parteien ebenso wie mexikanische Neofeminist/innen über die Schwierigkeiten, fe-ministische Forderungen in den kommunistischen Parteien zu verankern und die Belastung des „doppelten Aktivismus“ zu thematisieren.47 Im 44 Marta Lamas: Mujeres, aborto e Iglesia católica. In: Revista de El Colegio de San Luis Potosí, Año 2, Nr. 3, 01-06/2012, 43–67, 45.

45 Vgl. Barta, Poncela, Lau: Feminismo ayer y hoy, 2002: 26.

46 Vgl. Magda Teresa Ruiz Salguero et al.: Anticoncepción y salud reproductiva en España. Crónica de una (r)evolución, CSIC/Instituto de Economía y Geografía: Mad-rid 2005, 49–57.

47 Vgl. Rosana Rossanda: Feminismo en Italia. In: Nexos 01.11.1979, digital https://nexos.com.mx/?p=3471, gesehen am 21.04.2020.

166

Folgenden wird untersucht, wie sich die Diskussionen der PCM mit den neo-feministischen Gruppen auf den Festivales de Oposición in den einzelnen Jahren gestalteten. 3.1.1 Debatte zur „Befreiung der Frau“ auf dem I. Festival de Oposición

Beim ersten Festival de Oposición 1977 fand eine Debatte zur „Frauenbefreiung“ (liberación feminina) statt, an der sieben Frauen teil-nahmen. Zu ihnen gehörten die Tänzerin Waldeen,48 die Journalistin Sol Arguedas von der liberalen Tageszeitung El Universal und die Reporterin Magdalena Galindo, die bei der PRI-nahen Tageszeitung El Día arbeitete. Weiterhin nahmen die Anwältin Carmen Lugo, die in der feministischen Zeitschrift FEM veröffentlichte, und Lenora Camacho teil, die zum Team der linken Zeitschrift Punto Crítico gehörte.49 Die PCM entsandte die Delegierte María Elena Morales, die vier Jahre später in das Zentralkomitee der PCM gewählt wurde,50 und für die UNMM nahm Margarita Nonalsco an der Podiumsrunde teil.

Die Redner/innen vertraten unterschiedliche Positionen zum Thema Frauenbefreiung, das Spektrum reichte von der Neofeministin Carmen Lugo, 48 Die Tänzerin Waldeen von Falkenstein kam 1939 nach Mexiko, wo sie einen ei-genen Tanzstil schuf. Sie stand der PCM nahe, ohne Mitglied zu sein. Vgl. Margarita Tortajada Quiroz: La coronela de Waldeen: una danza revolucionaria. In: Tiempo y Apuntes, Vol. 1, E. 4, Nr. 08, 06/2008, digital http://www.uam.mx/difusion/ca-sadeltiempo/08_iv_jun_2008/casa_del_tiempo_eIV_num08_54_60.pdf, gesehen am 08.03.2020.

49 Vgl. Cecilia Olivares: Debatiendo sobre el feminismo en México. Estudos Feministas, 12/2004, 75–79, digital https://dx.doi.org/10.1590/S0104-026X2004000300007, gesehen am 12.03.2020; Miriam López Hernández: Letras femininas en el periodismo mexicano, Inst. Mexiquense Cultural: Toluca 2010.

50 María Elena Morales war eine von vier Frauen, die 1981 in das Zentralkomitee der PCM gewählt wurden, das aus 60 Mitgliedern bestand. Vgl. Gerardo Peláez Ramos: 1981: La disolución del Partido Comunista Mexicano, digital http://www.lahaine.org/mundo.php/1981-la-disolucion-del-partido-comunista, gesehen am 14.05.2020.

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die zu den Gründungsmitgliedern der Zeitschrift Fem gehörte und deren ak-tuelle Nummer dem Abtreibungsrecht gewidmet war, bis hin zur Vertreterin der UNMM, die den Feminismus als „männerfeindlich“ und „kleinbürgerlich“ bezeichnete und den „Klassenkampf als Hauptwiderspruch“ ansah.51 Zwar bildeten die gegensätzlichen Positionen ein großes Meinungsspektrum ab, allerdings fehlte die radikale Kritik der Neofeminist/innen, die eine Zusammenarbeit mit politischen Parteien ablehnten. Es ist denkbar, dass die Neofemimist/innen die Partizipation am PCM-Fest ablehnten oder auch, dass die PCM sie wegen inhaltlicher Differenzen nicht einlud. Die Parteizeitung Oposición berichtete über die Gesprächsrunde, vermied jedoch das Wort „Feminismus“, was einerseits die Distanz gegenüber dem Feminismus ver-deutlichte, andererseits wurde jedoch der Kritik der UNMM am Neofeminismus ebenfalls kein Raum gegeben. Die Überschrift des Artikels „Frauenbefreiung simultan mit dem Klassenkampf“ ( La liberación de la mujer, simultánea a la lucha de clases ) nahm Bezug auf den Diskurs der Neofeminist/innen.

Die Diskussion auf dem Festival 1977 begann mit der Frage nach den Ursachen der Frauenunterdrückung: „Wer unterdrückt die Frau: der Mann? Das Wirtschaftssystem des Kapitalismus? Die aktuelle soziale Organisierung? Wer ist der Hauptfeind?“52 Die Fragen spiegelten die Argumente der verschiedenen politischen Strömungen wider: Von den radikalen Neofeminist/innen, die die Unterdrückung der Frauen den Männern zuschrieben, über die marxistischen Parteien, welche die Ausbeutung der Frauen im Wirtschaftssystem begründet sahen, bis hin zu den Neofeminist/innen, die neben der ökonomischen auch eine systematische soziale Ausgrenzung von Frauen wahrnahmen.

Der Artikel berichtete ferner vom Ausschluss männlicher Redner vom Podium; ein Novum auf dem Festival, was sich in den folgenden Jahren nicht 51 Die Beiträge von FEM sind online einsehbar: Archivos del Feminismo, digital ht-tps://archivos-feministas.cieg.unam.mx/publicaciones/fem.html#ejemplares, ge-sehen am 20.12.2019; Vgl. Ana Lau Jaiven: La Unión Nacional de Mujeres Mexicanas entre el comunismo y el feminismo. In: La Ventana, 6-12/2014, 165–185, digital http://www.redalyc.org/articulo.oa?id=88435817007, gesehen am 15.05.2020.

52 O. A.: La liberación de la mujer, simultánea a la lucha de clases, Oposición 30.04.1977. (eigene Übersetzung)

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wiederholte. Wer als Redner vorgesehen gewesen war und ob der Ausschluss spontan und einvernehmlich zwischen Referentinnen und Publikum stattfand, gab der Artikel nicht an. Ausschließlich Frauen über die Mechanismen des Patriarchats sprechen zu lassen, entsprach der Haltung des Neofeminismus, da für ihn die Bewusstmachung patriarchaler Strukturen leichter unter Betroffenen und ohne die Relativierung der Argumente durch die privilegierten Männer zu erreichen war.

Zwar spielte der Artikel in Oposición den Ausschluss als „unbedeutend im Vergleich zur inhaltlichen Debatte“ herunter, jedoch war solche eine Aktion neu und beeindruckte die Festival-Organisatoren.53 Ein Bericht in Oposición kam sogar noch im Folgejahr auf die „Aufmerksamkeit“ und „größte Polemik“ zurück, die die erste Debatte beim Publikum und in der Partei erregt hatte.54Das Ergebnis der Diskussionsrunde auf dem ersten Festival de Oposición war eine gemeinsame Resolution, die explizit die mexikanische Linke kritisierte, da auch in ihren Organisationen Frauen benachteiligt würden. Die Linke solle die Emanzipation als integralen Bestandteil revolutionärer Kämpfe anzusehen:

„Las compañeras participantes de la mesa redonda arribaron una con-clusión que los militantes de la izquierda, tanto hombres como las mu-jeres, consideren la lucha por la emancipación femenina como parte fundamental de la lucha revolucionaria y que lejos de juzgarla implí-cita dentro de la lucha de clase y supeditada de la misma se vuelve explicita y simultánea.“55

53 Vgl. o. A.: La liberación de la mujer, Oposición 30.04.1977. (eigene Übersetzung). Erst ab 1980 beteiligten sich auch Frauen am Organisationskomitee der Festivales de Oposición.

54 Vgl. o. A.: Mesas redondas políticas, Oposición 04.–10.05.1978.

55 O. A.: La liberación de la mujer, Oposición 30.04.1977.

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Dieser Appell entsprach neofeministischen Argumentationen und zeigt, dass sich diese Positionen durchgesetzt hatten. Die Neofeminist/innen sich als Teil der Linken verstanden und sich an ihre Genoss/innen wandten, um Veränderung zu erreichen. In der Debatte auf dem ersten Festival de Oposición zeigte sich durch die Auswahl der Gäste, dass die PCM zum Austausch über den Feminismus bereit war. Wahrscheinlich hatte sie weder mit dem Ausschluss des männlichen Redners, noch mit der deutlichen Kritik ge-rechnet. 1977 vermied die PCM das Wort „Feminismus“, zählte die „Frauenbefreiung“ zu den „drängenden Themen“.56 3.1.2 „Frauen im Kampf“ Diskussionsrunde auf dem II. Festival de Oposición

Das zweite Festival de Oposición im Jahr 1978 stand im Zeichen der Freude über die Wahlzulassung der PCM, die nur zwei Wochen vor Beginn des Festivals erteilt worden war.57 Die Wahlzulassung verlieh dem Ziel der PCM, eine Massenpartei zu werden, eine größere Dringlichkeit und als solche wollte die Partei nun auch die Interessen weiterer gesellschaftlicher Gruppen vertreten, unter anderem auch die der Frauen.58 Im Verlauf des Jahres kons-tatierten Parteivertreter, dass immer noch inhaltliche Unklarheiten in Bezug auf „die präzise politische Linie“ und „die spezifischen Kriterien“ der Frauenpolitik der PCM bestünden, was häufig zu einer ambivalenten, unent-schiedenen Haltung führte.59

So betonte der Kulturbeauftragte des zweiten Festivals, Jorge Meléndez, zwar im Vorfeld des zweiten Festival de Oposición , dass der runde Tisch mit 56 Vgl. o. A.: En el Festival, Oposición 16.04.1977.

57 Vgl. o. A.: Más de 100 mil personas en el segundo festival, Oposición 18.–24.05.1978.

58 Vgl. Arnoldo Martínez Verdugo: Otro bloque gobernante para salir de la crisis, Oposición 18.03.1978.

59 Vgl. PCM: Problemas de organización para la transformación del PCM en un par-tido de masas, 09.–12.12.1978, Dokumente des CEMOS, México D. F., o. D., caja 110, clave 1104, exp. 50, 6856–6861.

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dem Titel „Frauen im Kampf“ zu den wichtigen aktuellen Themen zähle und man an den „Publikumserfolg“ und die „Polemik“ der Diskussion des Vorjahres anknüpfen wolle.60 Letzteres geschah jedoch nicht. Im Gegensatz zu den programmatischen Debatten des Podiums von 1977, konzentrierte sich die Diskussionsrunde 1978 auf das konkrete politische Engagement von Frauen in Gewerkschaften, Stadtteilbewegungen und der Gefange-nenbewegung. Ziel der Diskussion war es, über Maßnahmen zu diskutieren, die sie motivieren könnten, aktiv an sozialen Bewegungen mitzuwirken.61

Die Teilnehmer/innen der Diskussion „Frauen im Kampf“, die am letzten Festivaltag stattfand, wurden im Festivalprogramm nicht namentlich aufge-führt.62 Der mexikanische Geheimdienst (DFS – Direcciòn Federal de Seguridad 1947–1985) fertigte eine Mitschrift an, die die Teilnahme von Teresa León Venturina aus der Stadtteilbewegung Campamento 2 de Octubre , Telma Jardón de Zamora vom Comité Pro Defensa de los Perseguidos y Desaparecidos de Guerrero und die Frauenbeauftragte der Gewerkschaft STUNAM Lucinda Nava Alegria belegt. Ferner gibt der Bericht an, circa 150 Personen seien anwesend gewesen.63 Es bleibt unklar, ob und welche Vertreter/innen aus der PCM und aus der neofeministischen Bewegung an der Debatte mitwirkten. Dass die Gewerkschaftsvertreterin Lucinda Nava Alegría die Moderation der Debatte übernahm, ist ein Indiz dafür, dass keine Vertreterin der PCM teilnahm, da diese sonst die Debatte moderiert hätte.

Nava Alegría sprach über die große Bedeutung, die die Frauen bei sozialen Mobilisierungen seit 1968 hatten und gab an, dass ihre Organisation zur Be-freiung der Frauen beitragen und Verbesserungen für Frauen im Arbeitsleben erreichen wolle.64 Die Wahl von Nava Alegría als Moderatorin zeigte, dass 60 Vgl. Araceli Zuñiga: Punta de lanza de la nueva Cultura, Oposición 08.04.1978; o. A.: Mesas redondas políticas, Oposición 04.–10.05.1978.

61 Vgl. o. A.: Mesas redondas políticas, Oposición 04.–10.05.1978.

62 Vgl. Zuñiga: Punta de lanza, Oposición 08.04.1978.

63 Vgl. o. A.: Partido Comunista Mexicano, Dokumente der DFS im AGN, Galeria 1, 14.04.1978, II–220, L-28, H110-115, 4705–4710.

64 Vgl. o. A.: Partido Comunista Mexicano, DFS im AGN, Galeria 1, 14.04.1978, II–220, L-28, H110–115, 4708.

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zwischen der PCM und der unabhängigen Gewerkschaft STUNAM enge Kontakte existierten.

In den unabhängigen Gewerkschaften erreichten die Frauen zwar einige Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen, feministische Forderungen fanden jedoch kaum Eingang in die Gewerkschaftskämpfe.65 Die Wirtschaftswissenschaftlerin Jennifer Cooper gelangte zu dem Schluss, dass die mexikanischen Gewerkschaften sich als resistent gegenüber feministi-schen Forderungen und als „noch härterer Brocken für die mexikanischen Feminist/innen als die politischen Parteien“ erwiesen.66

Interessant ist ferner, dass Lucinda Nava Alegría zu den Gründungsmitgliedern der trotzkistischen Partei PRT gehörte.67 Ihre Parteimitgliedschaft verhinderte nicht, dass sie als Moderation einer Debatte auf dem PCM-Festival fungierte. Jedoch war die Teilnahme der PRT als Partei, wie Geheimdienstdokumente belegen, nicht problemlos möglich. Die Teilnahme von Nava Alegría zeigt zumindest, dass ein Ausschluss von PRT-Mitgliedern vom Festival 1978, sollte er denn stattgefunden haben, nicht alle betraf.68 Telma Jardón de Zamora referierte über die Situation der politischen 65 Die Gewerkschaften setzten sich erfolgreich für einen verbesserten Mutterschutz, mehr Kindertagesstätten und Urlaubstage ein. Vgl. Patricia Ravelo Blancas; Sergio Sánchez Díaz: Transformando las estructuras de poder. Notas sobre las sindica-listas en México. In: El Cotidiano, Vol. 18, Nr. 110, UAM: México D. F., 11-12/2001 91–102, 93.

66 Als Gründe hierfür führt sie das Misstrauen zwischen Neofeminist/innen und Ge-werkschaftsfrauen, die Inkompatibilität der feministischen Forderungen mit den Gewerkschaftsaufgaben sowie die Dominanz der Männer an. Vgl. Jennifer A. Co-oper: Feminismo y sindicalismo en México, ¿Dos visiones compatibles? In: Griselda Gutiérrez Castañeda (Hg.): Feminismo en México. Revisión histórico-critica del sig-lo que termina, UNAM/PUEG: México D. F. 2002, 97–116, 99ff.

67 Vgl. Pedro López Díaz: La clase política mexicana: diccionario. UNAM: México D. F. 2006, 439; PRT: Fundación del Partido, digital http://www.prt.org.mx/node/181, gesehen am 23.04.2020.

68 Vgl. Grupo Lenin: Partido Revolucionario de los Trabajadores, Dokumente der DFS im AGN, Galerie 1, 13.05.1978/II-220 50/H/106/56, 4701. Das Flugblatt der PRT liegt ebenfalls im AGN vor. Buró Político del PRT: Porqué se excluyó al PRT del festi-val de Oposición? Dokumente der DFS im AGN, Galerie 1, 12.05.1978/H/106, 4702; Interview mit Marcos Leonel Posadas am 21.02.2014 in Tlaplan, Mexico-Stadt.

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Gefangenen und Verschwundenen in Mexiko und berichtete von folgenlosen Treffen mit staatlichen Vertreter/innen und dem mexikanischen Präsidenten.69

Sie engagierte sich für die politischen Gefangenen und Verschwundenen, da auch ihr Ehemann, nachdem er von Angehörigen der mexikanischen Armee festgenommen worden war, verschwunden blieb.70 Teresa León Venturina vertrat die selbstorganisierten immigrierten Arbeiter/innen ( Colono/as ), die in der Delegation Iztacalco Land erkämpft und ihr provisori-sches Viertel Campamento 2 de Octubre errichtet hatten, dessen Namen an das Massaker an Studierenden im Jahr 1968 erinnerte.71

Der DFS hielt weder bei Telma Jardón noch bei Teresa León fest, was sie über das Engagement von Frauen sagten, da dies wohl nicht sein vorrangiges Interesse war. Stattdessen wurde ausführlich dokumentiert, was sie über die Repression der Regierung sagte, und dass sie zur Unterstützung ihres Kampfes aufrief.72 Die Festivaldebatte „Frauen im Kampf“ präsentierte 1978 das konkrete Engagement von Frauen in unterschiedlichen sozialen Bewegungen und erweiterte so einerseits das Panorama der Diskussionen, indem die PCM die Partizipation von Frauen in den politischen Bewegungen sichtbar machte, andererseits entzog sich die Partei den theoretischen Debatten mit den Neofeminist/innen, die im Vorjahr viele Besucher/innen 69 Zwei Monate später, am 28. August 1978, traten 84 Frauen in der Kathedrale der Hauptstadt in den Hungerstreik, um für die Freiheit ihrer Familienangehörigen zu kämpfen. Der mexikanische Präsident erließ daraufhin eine Amnestie für 1500 politische Gefangene. 57 Exilant/innen durften nach Mexiko zurückkehren. Vgl. Sylvia Karl: Kampf um die Rehumanisierung: Die Verschwundenen des Schmutzi-gen Krieges in Mexiko, Transcript: Bielefeld 2014, 226.

70 Comisión Nacional de Derechos Humanos: Informe especial sobre las quejas en materia de desapariciones forzadas ocurridas e la década de los 70 y principio de los 80, digital http://www.cndh.org.mx/sites/all/doc/Informes/Especiales/2001_Desapariciones70y80.pdf, gesehen am 09.05.2020.

71 Zur Geschichte des Campamento 2 de Octubre siehe den Dokumentarfilm mit Zeitzeugen-Interviews: Proyecto Mujer y Tierra: Campamento 2 de Octubre, Nue-stra casa, nuestra tumba, Video digital https://www.youtube.com/watch?v=f_ZEL-qT4BO0, gesehen am 09.11.2019.

72 Lediglich bei der Gewerkschaftsvertreterin Alegría wurden auch ihre Aussagen über die Situation der Frauen im Arbeitsleben in der Mitschrift des DFS festge-halten. Vgl. o. A.: Partido Comunista Mexicano, DFS im AGN, Galeria 1, 14.04.1978, II–220, L-28, H110-115, 4705–4710.

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interessiert hatten. Als Begründung für den veränderten Fokus war in Oposición zu lesen, dass die Vorstellung des konkreten Engagements von Frauen in Gewerkschaften „die beste Form [sei] sich mit dem ‚Feminismus‘ auseinanderzusetzen“.73 Das vorangestellte Zitat zeigt, dass die PCM-Zeitung Oposición 1978 nun zwar den Begriff „Feminismus“ verwendete, ihn jedoch in Anführungszeichen setzte, was die inhaltliche Distanz zum Konzept an-zeigt. Auch im Frühjahr 1978 zählte die Frauenpolitik noch nicht zu den wichtigen Arbeitsfeldern der PCM und sie stand der autonomen Organisierung der Neofeminist/innen skeptisch gegenüber.74 In der Parteipresse wurde nun über die Aktionen der Neofeminist/innen berichtet, diese jedoch oft-mals kritisiert. So bezeichnete beispielsweise Francisco Javier Guerrero eine Stör-Aktion von Neofeminist/innen zur Miss-Mexiko-Wahl als verständlich, warf ihnen jedoch zugleich einen „umgedrehten Machismo“ vor, da sie sich ohne Männer organisierten, und plädierte für eine „weiterführende Politisierung“ des Feminismus.75

Insgesamt zeigt die Analyse des Materials aus dem Jahr 1978, dass die PCM der neofeministischen Bewegung mit Distanz begegnete. Statt sich wie im ersten Jahr in die Auseinandersetzung mit den feministischen Positionen zu begeben, wurde in der Debatte „Frauen im Kampf“ die inhaltliche Akzentsetzung zur Darstellung des Aktivismus von Frauen in linken Organisationen verschoben. Die Mitschrift des DFS legt nahe, dass die Debatte mehr eine Darstellung der einzelnen Bewegungen als ein Austausch über die Probleme von Frauen in linken Gruppen oder Parteien war. Die PCM setzte auf einen „respektvollen und höflichen“ Austausch statt auf program-matische Auseinandersetzungen mit den Neofeminist/innen – vielleicht auch deshalb, weil sie auf die Polemik des letzten Jahres noch keine Antwort hatten. 76

73 O. A.: Mesas redondas políticas, Oposición 04.–10.05.1978.

74 Vgl. Comité Central: La situación del país y las tareas del partido comunista mexi-cano, Oposición 18.02.1978.

75 Guerrero verglich die Organisierung der Frauen mit der Radikalisierung der Schwarzen in den USA, die sich ebenfalls ohne Weiße organisiert hätten. Vgl. Fran-cisco Javier Guerrero: La señorita México de la abnegación al exhibicionismo, Opo-sición 25.–31.05.1978.

76 Vgl. o. A.: Tres días de intensas jornadas, Oposición 18.–24.05.1978.

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3.1.3 „Frauen und die Probleme des Landes“ – Debatten des III. Festival de Oposición

Die Akzentsetzung setzte sich 1979 auf dem dritten Festival de Oposición fort, wo am Sonntagnachmittag eine Diskussionsrunde mit dem Titel „Frauen und die Probleme des Landes“ stattfand. Ein Foto des Podiums der Debatte zeigt die Rednerinnen vor einem Banner mit der Aufschrift „Wir Frauen sind die Hälfte des Volkes“ (Las mujeres somos la mitad del pueblo), was die Bedeutung der Frauenpolitik unterstrich und sich auf das chinesische Sprichwort „Frauen sind die Hälfte des Himmels“ bezog.77 Bei dieser Podiumsdiskussion debattierte erstmals die Vorsitzende der neu aufge-stellten Frauenkommission der PCM ( Comisión Nacional Femenil ) Amalia Garcia mit Natalia Teniza, die als Teil des PCM-nahen Bauernverbandes (CCI – Central Campesina Independiente ) erfolgreich Landbesetzungen durchge-führt hatte,78 der Feministin Marta Lamas und Alma Guadalupe Sánchez und Rosario Anguiano, deren politische Zugehörigkeit in Oposición nicht genannt wurde.79

Natalia Teniza berichtete über die gewerkschaftlichen Landkämpfe und über die Situation der Frauen im Bundesstaat Tlaxcala. Sie war seit Beginn der siebziger Jahre Mitglied der PCM, trat aber – auch beim Festival 1979 77 Fernando Altamira: Tres enfoques del problema femenino, Oposición 26.04.–02.05.1979.

78 Zu Beginn der siebziger Jahre wurde Teniza Mitglied bei der CCI, einer PCM na-hen Gewerkschaft der Bauernschaft. Damals existierten unter diesem Namen zwei Organisationen: eine Fraktion unter Führung von Arturo Garzón, die der PRI nahe stand, und eine PCM-nahe Fraktion, die von Ramón Danzós Palomino geleitet wur-de. Ab 1975 nannte sich der von Danzós geführte Teil in Central Independiente de Obreros Agrícolas y Campesinos (CIOAC) um. Vgl. Samuel León, Ignacio Marván: Movimientos sociales en México (1968–1983) panorama general y perspectivas. In: Daniel Camacho; Rafael Mejívar (Hg.): Los movimientos populares en América Latina. Siglo XXI: México D. F. 1989, 34–53, 40; Angeles Ortíz Mendoza: La CCI: his-toria de una lucha (Antecedentes de la COIAC). In: Estudios Políticos, Vol. 4, Nr. 15, 09/1978, 109–124, digital revistas.unam.mx/index.php/rep/article/view/60660, gesehen am 21.04.2020.

79 Vgl. o. A.: Programa del III. Festival de Oposición, Oposición 19.–25.04.1979; Alta-mira: Tres enfoques, Oposición 26.04.–02.05.1979.

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– als Vertreterin der Bauernbewegung in Erscheinung, obwohl sie im Folgejahr ein PCM-Mandat im Regionalparlament von Tlaxcala übernahm.80Marta Lamas referierte über die Situation der Frau in Mexiko und nannte Zahlen und Fakten, die ihre Unterdrückung belegten. Es entstand keine Kontroverse zwischen PCM-Vertreterinnen und Neofeminist/innen, sondern Marta Lamas konzentrierte sich auf das Thema „Probleme von Frauen in Mexiko“. Ihre Teilnahme zeigt, dass der Austausch zwischen Neofeminist/innen und der PCM sich gegenüber dem Vorjahr verbessert hatte. Die Vorsitzende der Comisión Nacional Femenil , Amalia Garcia, sprach über die Doppelbelastung der Frau in Mexiko und forderte die Anerkennung der Arbeit von Hausfrauen als gesellschaftliche Arbeit:

„La mujer que no trabaja en un empleo fijo y que es llamada común-mente ama de casa, en realidad raras veces se queda en su hogar después de hacer el trabajo casero. […] Que ese trabajo no está social-mente reconocido por el capitalista y a éste le conviene soslayarlo porque sirve al sistema. […] Nuestra demanda es en el sentido de que ese trabajo se socialice, se reconozca el valor del trabajo del hogar y se le den a la mujer servicios colectivos que la arranquen de ese estado de dependencia.“81

Das Zitat zeigt, dass die Forderung nach Anerkennung der Hausarbeit als gesellschaftliche Arbeit nichts mit denen europäischer Feminist/innen nach der Bezahlung von Hausarbeit als Tätigkeit innerhalb der kapitalistischen Produktion gemein hatte. Vielmehr verstand die Comisión Nacional Femenil die Hausarbeit als Kombination aus Arbeit im eigenen Haushalt und diversen Nebentätigkeiten, wie Verkaufstätigkeiten oder Putzdienste in anderen Haushalten et cetera. Diese gelte es als Arbeit anzuerkennen und die Frauen aus dieser prekären Situation zu lösen.82

Die Comisión Nacional Femenil erkannte, dass sich die Probleme einer Bäuerin von denen einer Arbeiterin zwar unterschieden, jedoch beide unter 80 Vgl. Dolores Trevizo: Rural Protest and the Making of Democracy in Mexico 1968–2000, Pennsylvania State University Press: Pennsylvania 2011, 111; 165.

81 O. A.: Las asalariadas están sujetas a doble jornada, Oposición 08.–14.03.1979.

82 Vgl. Marta Lamas: Algunas características del movimiento feministas, 1994: 147.

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der Doppelbelastung von Arbeit und Familie litten. Arbeiterinnen und Angestellte erhielten für die gleiche Arbeit weniger Lohn als Männer und wurden im Arbeitsleben diskriminiert; Bäuerinnen und Landarbeiterinnen hielten kaum eigene Landtitel und litten unter zu wenig Weiter-bildungsmöglichkeiten; Studentinnen mangelte es an spezifischer Unterstützung und gleichen Arbeitschancen und die Arbeit der Hausfrauen, mit der sie häufig das Familieneinkommen aufbesserten, wurde nicht als Arbeit anerkannt.83 Die Einteilung der Frauen blieb relativ schematisch und die Comisión Nacional Femenil nahm die ökonomische Situation der Frau weiterhin zum Ausgangspunkt der Analysen, ohne patriarchale Aus-grenzungsmechanismen im Privatleben einzubeziehen.

Der Auswertungsartikel in Oposición „Drei Einstellungen zum Frauenproblem“ präsentierte die gemeinsamen Kernforderungen: die Gleichbehandlung der Frau im Arbeitsleben, mehr Bildungsangebote für Frauen und das Ende sexueller Gewalt gegenüber Frauen.84 In diesem Jahr wurde der Begriff Feminismus in Oposición nicht mehr in Anführungszeichen geschrieben, jedoch auch nicht inhaltlich erörtert.

In der Oposición -Ausgabe zum Internationalen Frauentag am 8. März erhielt die Comisión Nacional Femenil viel Raum, um ihre Positionen darzulegen, und die PCM zählte die Verbesserung der Situation von Frauen in den Bereichen Gesundheit, Arbeit und Bildung sowie die Organisierung von Frauen nun zu ihren dringenden Aufgaben.85 Dies war bestimmt auch eine Wirkung der Organisierung der Frauen innerhalb der Partei, die Diskussionen anstieß. Für die Frauen in der PCM brachte das eine zweiseitige Bewusst-seinsarbeit mit sich: Zum einen setzten sie sich mit feministischen Positionen auseinander, zum anderen versuchten sie parteiintern unter den Genossen für die Gleichberechtigung zu werben. Amalia García gab dazu an:

„En los partidos políticos y en los sindicatos son pocas las mujeres que participan a nivel de dirección porque los compañeros las excluyen.

Las mujeres son circunscritas a funciones secundarios como preparar

83 Vgl. o. A.: Los problemas de las mujeres de la ciudad y del campo, Oposición 08.–14.03.1979.

84 Vgl. Altamira: Tres enfoques, Oposición 26.04.–02.05.1979.

85 Vgl. o. A.: En el día international de la mujer, Oposición 08.–14.03.1979.

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café, escribir en máquina, distribuir volantes. Por fortuna las cosas van cambiando. Los compañeros ya se están dando cuenta que la falta de capacidad política de la mujer se da en las medidas de las propias con-diciones a que es sometida. Y que de las oportunidades que ésta tenga para hacerlo surgirá precisamente esa capacidad.[…] Hacemos una doble labor: el Partido penetrará más en el problema femenino y las mujeres se acercarán al Partido.“86

Eine doppelte Annäherung solle stattfinden: die Partei solle sich den Frauenproblemen annehmen und die Frauen sollten auf die PCM zugehen. Garcia nahm bereits erste positive Veränderungen in der Partei wahr, die sich zum Beispiel in der Aufnahme des „Kampfes um Frauenrechte“ (als Punkt 15 von 19 inhaltlichen Schwerpunkten) im Parteiwahlprogramm zeigte. Dort versprach die PCM unter anderem, sich für die Gleichberechtigung der Frau einzusetzen, durch Weiterbildungen im Beruf eine Chancengleichheit zu er-wirken und für die Legalisierung der Abtreibung zu streiten.87

Der Bewusstseinswandel in der PCM fand parallel zur Öffnung des mexika-nischen Neofeminismus statt, wo sich die Strömung des „Feminismo Popular“ durchzusetzen begann, die auf breite Allianzen – auch mit den politischen Parteien – setzte und die Diskriminierung von Frauen aus den armen Schichten stärker thematisierte.88 Eli Barta beschrieb die Wende zum 86 Explizit kritisierte Amalia García die PCM-nahe Gewerkschaft Central Indepen-diente de Obreros Agricolas y Campesinos (CIOAC) für ihr fehlendes Engagement für Frauen. o. A.: En el día internacional de la mujer, lucha por la igualdad y por sus derechos. Entrevista con Amalia García, Oposición 08.–14.03.1979.

87 Als Teil der Coalición de Izquierda wollte die PCM sich für den Mutterschutz, den Bau von Kindertagesstätten und Kantinen sowie für höhere Strafen für Vergewalti-gungen und Gewalt gegenüber Frauen einsetzen. Vgl. o. A.: Coalición de Izquierda: para la Renovación democrática de México, Oposición 22.–28.03.1979.

88 Der Feminismo Popular legte den inhaltlichen Fokus auf die konkrete Verbesse-rung der Lebensbedingungen von armen und arbeitenden Frauen. Diese Strömung erreichte ihren Höhepunkt Mitte der achtziger Jahre zusammen mit der Stadtteil-bewegung Movimiento Urbano Popular. Vgl. Sánchez Olvera: El feminismo mexi-cano ante el movimiento urbano popular, 2002: 126; Estela Serret: El feminismo mexicano de cara al siglo XXI. In: El Cotidiano, Mexico D. F., 16/03-04/2000, 42–51, 48, digital https://www.redalyc.org/articulo.oa?id=32510006&iCveNum=1968, gesehen am 09.05.2020.

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Feminismo Popula r als Folge des linken Selbstverständnisses der Neofeminist/innen:

„El hecho de ser un movimiento de la clase media, por un lado, y de estar fuertemente influido por el anarquismo, el marxismo y el socia-lismo, por el otro, llevaba consigo, en muchos casos, un sentimiento de culpa de clase que había que remediar. De ahí que se buscara el acerca-miento con mujeres de las clases sociales más bajas de que surgiera el feminismo popular que dominó la escena durante la década de los años ochenta.“89

Die Wende der Neofeminist/innen zum Feminismo Popular sowie die Organisierung der PCM-Frauen und die parteiinternen Debatten erleich-terten die Kooperation zwischen feministischen Gruppen und der PCM, da beide ihren Fokus auf die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen aus populären Schichten legten. Die PCM arbeitete nun in Bündnissen mit Frauenorganisationen und Neofeminist/innen zusammen, zum Beispiel in der Frente Nacional de Lucha por la Liberación y los Derechos de la Mujer (FNALIDM), die etwa einen Monat vor dem dritten Festival entstand.90 In der FNALIDM kooperierten neofeministische und homosexuelle Gruppen, die Frauensektionen der politischen Parteien PRT und PCM sowie der universi-tären Gewerkschaften in einer Kampagne zur Legalisierung der Abtreibung und erarbeiteten eine „Gesetzesinitiative zur freien und freiwilligen Mutterschaft“.

In der breiten Allianz der FNALIDM trafen Frauen mit unterschiedlichen Vorstellungen aufeinander: akademische Neofeminist/innen, die sich für die juristische Gleichberechtigung einsetzten, kamen mit Gewerkschaftlerinnen in Kontakt, die die Diskriminierung im Arbeitsleben thematisierten; Mütter von politischen Gefangenen und Verschwundenen trafen auf Migrant/innen (Colonas) aus den armen Stadtteilen, Lesben-Gruppen begegneten Frauen 89 Barta: El movimiento feminista. In: La Ventana, 1999: 217.

90 Vgl. o. A.: La opresión de la mujer es uno más de los problemas sociales, Oposición 15.–21.03.1979.

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aus parteinahen Gruppen, die feministische Themen innerhalb ihrer Organisationen verankern wollten.91

Die FNALIDM schrieb in ihrem Aufruf zum ersten Treffen, dass sie dem Kampf für den Sozialismus eine feministische Orientierung geben und sozi-alistische Positionen in feministische Kämpfe integrieren wolle.92 Das Politikverständnis der einzelnen Gruppen erwies sich zum Teil als unver-einbar, was sich am Austritt der UNMM zeigte, die sich nicht zusammen mit lesbischen Frauen für ihre Gleichberechtigung einsetzen wollte.93 Die Zusammenarbeit dieser heterogenen Organisationen führte jedoch auch dazu, dass sich die Parteien und Gewerkschaften nun mit feministischen Positionen auseinandersetzten. In der PCM-Presse wurde die Kooperation mit neofeministischen Gruppen jetzt als Erfolg bezeichnet und die Rolle der Frauensektion der PCM bei Gründung der FNALIDM hervorgehoben.94

Insgesamt konkretisierte sich 1979 zum einen die Zusammenarbeit zwischen Neofeminist/innen und PCM, zum anderen organisierten sich die Frauen in der Partei und traten erstmals bei Festivaldebatten auf. Zwar blieben die inhaltlichen Analysen der Comisión Nacional Femenil der PCM noch auf die Betrachtung ökonomischer Abhängigkeit und Diskriminierung in der Arbeitswelt beschränkt, jedoch zeigte sich der zunehmende Einfluss der Frauenkommission darin, dass der „Kampf für Frauenrechte“ ins Parteiprogramm aufgenommen und ihm in den Parteimedien Raum gegeben wurde.

91 Vgl. Chávez Carapia: Perspectivas de género, 2004: 42f.

92 Vgl. Tamayo: Ciudadanía civil, 2000: 67, digital http://www.jstor.org/stab-le/3541179?seq=1&cid=pdf-reference#references_tab_contents, gesehen am 12.05. 2020.

93 Vgl. Lau: La Unión Nacional de Mujeres Mexicanas, digital http://www.redalyc.org/articulo.oa?id=88435817007, gesehen am 15.05.2020; o. A.: La opresión de la mujer es uno más de los problemas sociales, Oposición 15.–21.03.1979.

94 O. A.: Frente Nacional de Lucha para los derechos de las mujeres, Oposición 08.–14.03.1979.

180

3.1.4 Teilhabe, Abtreibung und Homosexualität – drei Diskussionsrunden auf dem IV. Festival de Oposición

Beim IV. Festival de Oposición im Jahr 1980 waren die Diskussionsrunden um die Frauenbefreiung bereits fester Bestandteil des Programms. Erstmals fanden drei Podiumsgespräche statt. Die Präsenz des Frauenthemas hatte sicherlich mit der Arbeit der Frauenkommission und mit der steigenden Partizipation von Frauen in Parteigremien zu tun. Erstmals waren drei Frauen auch im Planungsgremium des Festivals vertreten, unter ihnen Martha Recaséns, die Ehefrau des PCM-Generalsekretärs Arnoldo Martinez Verdugo.95 Das Wirken der Parteifrauen und die Zusammenarbeit mit den Neofeminist/innen spiegelte sich in einer neuen Sensibilität für Frauenthemen in der Parteipresse und es gab Überlegungen, bei Oposición eine kontinuierliche Kolumne zu Frauenbelangen einzurichten.96 Die neue Parteizeitschrift El Machete veröffentlichte in ihrer ersten Nummer bereits zu den Themen Feminismus, Abtreibung und Homosexualität, wobei das Interview mit dem Intellektuellen Monsiváis den Nerv der Zeit traf, da es wichtige Kontroversen innerhalb der Linken ansprach.97

Beim IV. Festival de Oposición wurde über Abtreibung, Gleichberechtigung von Homosexuellen und Frauen diskutiert. Das Thema Abtreibung gehörte, wie der PCM-Abgeordnete Gilberto Rincón Gallardo angab, zu den „poli-tischen Kernthemen“ der Mexikanischen Kommunistischen Partei, über die sie sich im Parlament zu profilieren suchte.98 Die Festivaldiskussion über Homosexualität wird hier in die Analyse einbezogen, da die Lesben-Bewegung sich als Teil der Frauenbewegung verstand und die „Akzeptanz für die Forderungen der Homosexuellen-Bewegung definitiv auf den Einfluss des Feminismus“ zurückging.99 Teil des gemeinsamen Kampfes um die 95 Vgl. o. A.: El IV Festival será un acto de convivencia con el pueblo trabajador, Opo-sición, 17.02.1980.

96 Vgl. Eduardo Montes Manzano: Algunas ideas sobre „Oposición“, Dokumente des CEMOS, México D. F., o. D., caja 145, clave 139, exp. 27, 7314–7321.

97 Vgl. Enriquez: Carlos Monsiváis. In: El Machete, Nr. 1, 05/1980,15–24.

98 Vgl. Susana Rodríguez: El Aborto. In: El Machete, Nr. 4, 08/1980, 11–12.

99 Enriquez: Carlos Monsiváis. In: El Machete, Nr. 1, 05/1980,15–24. Trotzdem war

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Gleichberechtigung war es, traditionelle Rollenmuster zu sprengen. So gelang es mexikanischen Neofeminist/innen, die noch vor wenigen Jahren positive Konnotation des Begriffs „Macho“ in eine negative zu verwandeln, was die Homosexuellen-Bewegung unterstützte.100

Alle drei Debatten fanden am Sonntagmittag statt: Die Diskussionen zu „Moral und Abtreibung“ und „Sexuelle Repression und mexikanische Linke“ wurden parallel veranstaltet und nachmittags wurde über die „Rolle der Frau in den politischen Parteien“ diskutiert. Bei diesen öffentlichen Erörterungen stellte sich die Partei nicht nur der Kritik von Aktivist/innen außerhalb der Partei, sondern war auch mit der eigenen Basis konfrontiert. Die Diskussionsrunde „Moral und Abtreibung“ war gut besucht und bildete die gegensätzlichen Positionen von Abtreibungsbefürworter/innen und Abtreibungsgegner/innen auch innerhalb der PCM ab.101 Auf der Podiumsdiskussion traten die Akademikerin Marie Claire Acosta, die bereits in den siebziger Jahren ein Buch über Abtreibungen veröffentlicht hatte,102die Feminist/innen Carmen Vázquez und Antonieta Rascón (von der Gruppe MAS), der Priester Enrique Maza und die Vorsitzende der PCM-Frauenkommission Amalia García sowie der PCM-Abgeordnete Fernando Peraza in den Dialog.103 Somit sprachen in diesem Jahr erstmals Männer auf einer Podiumsdebatte über ein frauenspezifisches Thema, nachdem 1977 die Redebeteiligung von Männern verhindert worden war.

Bei der Debatte zu „Moral und Abtreibung“ wiesen die Befürworter/innen des Vorschlags zunächst die Argumentation der Abtreibungsgegner zurück, Abtreibung würde zur Geburtenkontrolle oder Familienplanung eingesetzt die „Allianz zwischen feministischer Bewegung und lesbischer Bewegung nicht frei von Reibung und Schwierigkeiten“. Claudia Hinojosa: Gritos y susurros. Una historia sobre la presencia pública de las feministas lesbianas. In: Desacatos, Nr. 6, Primavera/Verano 2001, 177–186, 182, digital http://www.scielo.org.mx/pdf/desacatos/n6/n6a10.pdf, gesehen am 08.05.2020.

100 Interview mit Leonor Lara am 23.09.2011 in der Condesa, Mexiko-Stadt.

101 Vgl. María Elena Sánchez: Hay que abatir los problemas físicos y psicológicos que ocasiona el aborto, Oposición 22.06.1980.

102 Vgl. Marie Claire Acosta et al.: El aborto en México, Fondo de Cultura Económico: México D. F. 1976.

103 Statt Amalia Garcia und Fernando Peraza war Tania Álvarez angekündigt. Vgl. o. A.: Programa del IV. Festival de Oposición, Oposición 18.05.1980.

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werden.104 Dies zeigt, dass sich die Befürworter/innen in der Defensive be-fanden und ihr Anliegen vermitteln mussten. Auch die Positionen der PCM-Mitglieder waren nicht einheitlich: Während die PCM-Abgeordneten einen Gesetzesentwurf zur Legalisierung der Abtreibung ins Parlament ein-brachten, sprach sich das Parteimitglied Fernando Peraza auf dem IV. Festival de Oposición öffentlich gegen die Legalisierung der Abtreibung aus, da sie der „bürgerlichen und proletarischen Moral“ widerspreche. Auch das Selbst-bestimmungsrecht der Frau über ihren Körper hielt er für in der Partei umstritten.105

Parteidokumente belegen, dass Perazas Argumente von der Parteizelle „26. Juli“ unterstützt wurde, die bereits im Januar 1980 ein Pamphlet gegen den Gesetzesentwurf zur freiwilligen Mutterschaft verfasst hatte.106 Diese Parteizelle vermutete in der Legalisierung der Abtreibung ein Projekt der politischen Rechten und des Imperialismus, um die Linke zu entvölkern.107Gegen die Argumentation der „26. Juli“ wandte sich die Frauenkommission der PCM. In Oposición warf Marcela Lagarde der Parteizelle „26. Juli“ vor, sie nutze stalinistische Argumentationsmethoden und stimme inhaltlich mit den Positionen der rechtsextremen Pro-Vida -Gruppen überein.108

In ihrer Augustausgabe nahm El Machete das Thema Abtreibung auf und stellte gängige Argumentationsmuster durch sechs Interviews dar. Ein Kirchenvertreter, ein PCM-Abgeordneter, eine Vertreterin der 104 Susana Rodríguez: No hacemos un llamado para abortar. In: El Machete, Nr. 4, 08/1980, 14.

105 Vgl. Sánchez: Hay que abatir, Oposición 22.06.1980.

106 Vgl. PCM: Publicación de la célula 26 de julio del PCM, Dokumente des CEMOS, México D. F., o. D., caja 131, clave 126, exp.09, 1980, 7345.

107 Die Parteizelle war nach den kubanischen Bewegung „26. Juli“ benannt. Zu ihren Mitgliedern gehörten Mario Rivera Ortiz und Carlota Guzmán, die in den sechziger Jahren wegen ihrer Kritik an der Allianz von PCM und MLN aus der Partei aus-geschlossen worden waren, 1978 kehrten sie zurück und stimmten 1981 gegen die Fusion und Gründung der PSUM. Vgl. Mario Rivera Ortiz; Carlota Guzmán: Las fusiones, In: Arturo Martínez Nateras; Joel Ortega (Hgg.): La izquierda mexicana del siglo XX, Bd. 2. Movimientos sociales, UNAM: México D. F. 2016, (Kapitel Las fusiones/Ebook).

108 Vgl. Marcela Lagarde: Maternidad voluntaria y moral revolucionaria, Oposición 02.03.1980.

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PCM-Frauensektion, eine Feministin, eine Ärztin und eine Betroffene kamen zu Wort, um aus unterschiedlichen Perspektiven die Notwendigkeit von Abtreibungen aufzuzeigen. Über die Diskriminierung und Unterordnung der Frauen gelte es, so die Autorin der Interviews Susana Rodríguez, auch in der Partei ein politisches Bewusstsein zu schaffen.109 Marcela Lagarde schloss in ihrem Artikel zur „freiwilligen Mutterschaft und revolutionärer Moral“ mit dem Aufruf zum ehrlichen Austausch innerhalb der Parteireihen:

„Entendemos que no es fácil para los comunistas liberarnos de la do-minación ideológica burguesa ni de nuestro pasado estalinista.

Discutir honestamente y con profundidad problemas como éste, en que se cuestionan hábitos y actitudes de la vida íntima y cotidiana […] nos permitirá avanzar en la consolidación de nuestra conciencia; este avance debe basarse en el combate contra la doble moral y en la cons-trucción de un nueva moral revolucionaria.“110

In der Debatte „Moral und Abtreibung“ wurde offenbar, wie uneins die PCM bei diesem Thema war und wie emotional die internen Auseinandersetzungen geführt wurden. Inhaltlich begründete die PCM die Legalisierung von Abtreibungen mit den gesundheitlichen Risiken, die durch illegale Abtreibung entstünden, wohl auch, um parteiintern zu einem Konsens zu gelangen. Dabei betonte die Partei, dass lediglich eine von zwölf in der Hauptstadt durchgeführten Abtreibungen durch einen Arzt oder eine Ärztin vorgenommen würden. Die Illegalisierung der Abtreibung verringere 109 Vgl. Susana Rodríguez: El Aborto. In: El Machete 04/08/1980, 11–17; in ei-nem ähnlichen Interviewformat veröffentlichte El Machete fünf Interviews über das Thema Vergewaltigung. Zudem stellte ein „roter Fotoroman“ (Rojonovela) die gewalttätigen Reaktionen des Ehemanns und die anschließende Behandlung der Frau bei den Behörden dar. Die Geschichte endete mit dem Aufruf an die Frauen, Vergewaltigungen zur Anzeige zu bringen, um das gesellschaftliche Schweigen zu brechen. Bemerkenswert an Fotoroman und Interviews ist, dass Vergewaltigungen als soziale Realität gezeigt und auch gängige Rechtfertigungen unter Genoss/in-nen thematisiert wurden. Vgl. Rosa Marta Fernández: La violación en México. In: El Machete, Nr. 2, 06/1980, 26–34; o. A.: Rojonovela. In: El Machete, Nr. 2, 06/1980, 57–59.

110 Marcela Lagarde: Maternidad voluntaria, Oposición 02.03.1980.

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nicht ihre Anzahl, sondern treibe die Preise für den Eingriff in die Höhe. Carlos Monsiváis kritisiert diese Argumentation:

„Para defender la despenalización [del aborto] se arguyen razones económicas y sociales pero casi nadie acepta como válida que una mujer decida abortar en pleno derechos de sus recurso corporales. El derecho al cuerpo se maneja con mucha tibieza o de modo muy retórico, pero pocos creen en él como un derecho civil que debe ser constitucional.“111

Statt des Selbstbestimmungsrechts über den eigenen Körper betonte die PCM, dass die Legalisierung von Abtreibung eine gesundheitspolitische Maßnahme sei, ein unnötiges soziales Problem, das klar in die Verantwortung der Regierung falle.112 Diese Sichtweise teilte auch der befreiungstheologisch orientierte Jesuit Enrique Maza. Pater Maza argumentierte bei der Festivaldiskussionsrunde, dass es auch in der Kirche Gegenstimmen zur Anti-Abtreibungskampagne gebe und das Abtreibungsverbot schließlich nicht zur Verringerung ihrer Anzahl geführt habe.113 Das IV. Festival de Oposición fand zudem in der Hochphase der Diskussionen über die Gesetzesvorlage zur freiwilligen Mutterschaft statt, da die Entscheidung im Parlament nur drei Monate später gefällt werden sollte.

Im Frühjahr 1980 zeichnete sich bereits ab, dass die größte Abgeordnetengruppe von PRI und PARM in dieser Frage gespalten blieb. Die Abtreibungsgegner/innen waren nicht ausschließlich in den rechten Parteien zu finden, auch die linken Parteien PST, PPS und PRT unterstützten die Gesetzesinitiative nicht. Dabei versuchte der PCM-Abgeordnete Rincón Gallardo in den Parlamentsdebatten über Abtreibungen sowohl die 111 Enriquez: Carlos Monsiváis. In: El Machete, Nr. 1, 05/1980,16.

112 Vgl. Susana Rodríguez: Entrevista con Amalia García. In: El Machete, Nr. 4, 08/1980, 14.

113 Vgl. Susana Rodríguez: La iglesia no debe imponer su moral a la sociedad ci-vil, Entrevista a Enrique Maza, sacerdote jesuita y periodista. In: El Machete, Nr. 4, 08/1980, 13.

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184gesundheitlichen Risiken und sozioökonomischen Aspekte als auch die strukturelle Unterdrückung von Frauen anzusprechen.114

Neu war, dass die PCM die internen Meinungsverschiedenheiten in den ei-genen Reihen öffentlich auf einem Podium der Festivales de Oposición zur Schau stellte. Einerseits zeigte dies, dass es Meinungsfreiheit in der Partei gab, jedoch verdeutlicht diese Kontroverse auch, dass einige Parteimitglieder von der politischen Linie der Parteiführung nicht überzeugt waren. Eine denkbar schlechte Voraussetzung für die Überzeugungsarbeit gegenüber den Massen der Nicht-Parteimitglieder.

Eine weitere Auseinandersetzung, die 1980 auf dem Festival de Oposición verhandelt wurde, war das Verhältnis der Linken zur „sexuellen Repression“, womit der Kampf der Homosexuellen für Gleichberechtigung gemeint war. An diesem Podium nahmen zwei Mitbegründer/innen der homosexuellen 114 Vgl. Susana Rodríguez: El aborto en la Camara, Entrevista con Gilberto Rincón Gallardo, Diputado Comunista. In: El Machete, Nr. 4, 08/1980, 16.

Abb. 4. 5 Wir sind keine Ware! Frauenproteste in den siebziger Jahren in Mexiko-Stadt. Foto: Ana Victoria Jiménez. Quelle: Animal Político,

Francisco Sandoval: CISEN espiaba a feministas.

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Organisation Lambda teil, Claudia Hinojosa und Max Mejía. Ferner waren der Schriftsteller und 1968er-Aktivist Luis González de Alba, das PCM-Mitglied José Ramón Enríquez, und die Initiatorin der Frente de Liberación Homosexual (FLH) und ersten Gay-Pride-Demonstration, Nancy Cárdenas, bei der Debatte dabei.115 Dass bekannte Vertreter/innen der Homosexuellen-Bewegung an dem PCM-Fest teilnahmen, ergab sich aus der Öffnung der Partei, was Carlos Monsiváis als „unbestreitbaren Fortschritt“ bezeichnete.116

1980 erlebte die Lesben- und Schwulen-Bewegung in Mexiko einen ihrer Mobilisierungshöhepunkte. Einen Monat nach dem Festival nahmen circa 5 700 Personen an der zweiten Gay-Pride-Demonstration teil.117 Zwar stellte die PCM im Gegensatz zur PRT keinen eigenen Block auf der Demonstration,118jedoch wurde eine Grußbotschaft der PCM verlesen und Flugblätter verteilt, in denen die Partei eine klare Stellung zur Homosexualität vertrat. Die Annäherung zwischen PCM und Homosexuellen-Bewegung konnte auch des-halb stattfinden, da sich diese an linken Mobilisierungen, wie der 115 José Ramón Enríquez war als Verteidiger der Rechte von Homosexuellen und als Anhänger der Befreiungstheologie bekannt. Nancy Cárdenas war die erste Frau, die ihre sexuelle Orientierung in einer TV-Talk-Show öffentlich machte. Vgl. Carlos Monsiváis: Envío a Nancy Cárdenas, activista ejemplar. In: Debate Feminsta, Vol. 10, Año 5., 1994, 257–263, digital https://doi.org/https://doi.org/10.22201/cieg.2594066xe.1994.10.1810, gesehen am 11.05.2020.

116 Enriquez: Carlos Monsiváis. In: El Machete, 1, 05/1980, 15. (eigene Überset-zung)

117 Vgl. Norma Mogrovejo: Un amor que se atrevió a decir su nombre: la lucha de las lesbianas y su relación con los movimientos homosexual y feminista en América Latina, Plaza y Valdés: México D. F. 2000, 126f.

118 Die PRT unterstützte den Kampf der Homosexuellen-Bewegung und 1982 bil-dete sich das Unterstützungskomitee für die Präsidentschaftskandidaten der PRT, Rosario Ibarra, Comité de Lesbianas y Homosexuales en Apoyo a Rosario Ibarra (CLHARI). Die PRT stellte sechs homosexuelle Kandidat/innen in Mexiko-Stadt und Guadalajara auf. Zwar wurde keine/r der Kandidat/innen gewählt, jedoch gab dies der Homosexuellen-Bewegung eine große Sichtbarkeit, zu einer Zeit, in der in vie-len lateinamerikanischen Ländern Homosexualität verboten war. Vgl. Rafael de la Dehesa: Global Communities and Hybrid Cultures. In: Javier Corrales; Mario Peche-ny (Hg.): The Politics of Sexuality in Latin America, A reader on lesbian, gay, bisexu-al, and transgender rights, Pittsburg: University of Pittsburg 2010, 175–196, 179; Jordi Diez: El movimiento lésbico-gay 1978–2010. In: Ana Maria Tepichin, Karina Tinat y Luz Elena Gutiérrez de Velasco (Hgg.): Los grandes problemas de México, VIII Relaciones de Género, Colegio de México: México D. F. 2010, 135–154, 143f.

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Gedenkdemonstration zum 2. Oktober 1968, beteiligte. Obwohl ihre Teil-nahme von den Linken „zunächst belächelt“ wurde, bildete ihr Zusammenschluss auf der Demonstration einen „radikalen Umschwung“ im Verhältnis zwischen Homosexuellen und Linken.119

Das PCM-Mitglied Mario Eduardo Rivas bezeichnete die Sexualpolitik der PCM in El Machete als einzigartig in Lateinamerika.120 Die neue Haltung der PCM wurde vom Geheimdienst registriert.121 Im Programmentwurf aus dem Jahr 1980 gab die PCM zum Thema sexuelle Präferenzen an:

„No existe una sexualidad proletaria o revolucionara, ni una sexua-lidad burguesa o reaccionaria. No existen formas de sexualidad normales, aceptables o morales, ni otras anormales o inmorales. Cada individuo debe tener el derecho de realizar su sexualidad como mejor la entienda, de hacer libre uso de su cuerpo y de reivindicar el placer como atributo humano […] El Partido Comunista Mexicano se solida-riza con las luchas y movimientos dirigidos contra cualquier forma de discriminación, represión o opresión social, ideológico o político (in-cluyendo el sexismo) basado en algún comportamiento o una norma sexual.“122

Das Zitat aus dem Programmentwurf zeigt ferner, dass die PCM in Bezug auf Homosexualität mit der Selbstbestimmung jedes einzelnen über seinen/ihren Körper argumentierte, was sie in Bezug auf Abtreibung vermied. Dies könnte die Abgrenzungen in Bezug auf die Körperpolitik zwischen feministi-scher und lesbischer Bewegung widerspiegeln, denn während „die feministischen Lesben argumentierten, dass die Freiheit zur Reproduktion 119 Enriquez: Carlos Monsiváis. In: El Machete, Nr. 1, 05/1980, 24. (eigene Überset-zung)

120 Vgl. Mario Eduardo Rivas: Marcha-Homosexual. In: El Machete, Nr. 4, 08/198, 30.121 Zur Demonstration entsandte die PCM eigene Redner/innen, die für die PCM warben. Vgl. Grupo I: Itinerario a que se sujetará la II. Gran Marcha Nacional del Orgullo Homosexual, Dokument der DFS im AGN, DIPyS, Galeria 1, 17.06.1980, 09-228-77, 6318; Grupo I: Marcha Homosexual-lesbianas, Dokumente der DFS im AGN, DIPyS, Galeria 1, 28.07.1980, 09-118-77, 6341–6351.

122 Comisión Redactora : El Partido y la sexualidad, Oposición 01.06.1980.

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nur dann möglich sei, wenn die Wahl der Sexualität frei entschieden“ werde, erinnerte sich Claudia Hinojosa, „waren die heterosexuellen Feminist/innen scheinbar damit beschäftigt, der Welt zu beweisen, dass sie NICHT lesbisch waren“.123 In der Diskussionsrunde „Sexuelle Repression und die mexikani-sche Linke“ diskutierten die Redner/innen über die Bedeutung von Homosexualität. Waren sexuelle Präferenzen, wie der Gründer von Lambda Max Mejía befand, eine „Subversion der kapitalistischen Norm“ oder, wie Luis González de Alba vertrat, reine Privatsache?124

Die Redner/innen lobten die PCM dafür, sich eines Tabuthemas anzu-nehmen und zur Verbesserung der schwierigen Beziehungen zwischen Homosexuellen und Linken beizutragen.125 Zwei Stunden nach diesen Debatten diskutierten am Sonntagnachmittag Neofeminist/innen und Frauen aus Gewerkschaften und Parteien angeregt und harmonisch über die „Rolle der Frau in den politischen Parteien“. An dieser Diskussion nahmen Amalia García und Marcela Lagarde von der PCM-Frauenkommission, Lucinda Nava Alegria als Frauenbeauftragte der STUNAM und die Feminist/innen Dora Canoussi, Marta Acevedo von MAS und Debate Feminista und Pilar Calvo von Cine-Mujer teil. Allein der Titel der Debatte zeigt, dass das Engagement von Frauen innerhalb politischer Organisationen nicht mehr in-frage gestellt wurde, sondern das Podium eine Austauschplattform über Erfahrungen und Schwierigkeiten war.

Neben dem Oposición -Artikel zur Diskussionsrunde, kritisierte die Rednerin Dora Canoussi im Vorfeld des Festivals in der PCM-Zeitung die Fokussierung des Feminismo Popular auf arme Frauen und nannte es einen Verdienst des Neofeminismus, die Unterdrückung der Frau im Bereich der Reproduktion zu thematisieren.126 Diese Artikel in der Parteipresse zeigen, 123 Hinojosa: Gritos y susurros, 2001: 182. (eigene Übersetzung)

124 Vgl. Fernando Villafuerte: La represión sexual y la izquierda, Oposición 15.06.1980.

125 Vgl. Villafuerte: La represión sexual y la izquierda, Oposición 15.06.1980.

126 Vgl. Héctor Delgado: 10 de mayo por la maternidad voluntaria y contra las mani-pulaciones machistas, Oposición 18. 05.1980.

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dass der Austausch über die Positionen kontrovers geführt wurde und inner-halb der Partei selbstverständlicher geworden war.

1980 zählte die PCM die Frauenbefreiung zu ihren wichtigsten Zielen, da sie „ohne am Kampf für Frauenbefreiung teilzunehmen keine revolutionäre Massenpartei“ sein könne.127 Im Parteiprogramm hieß es nun, alle Frauen litten unter der Unterdrückung im Patriarchat, jedoch komme bei einigen noch die Ausbeutung der Klassen hinzu. Der Kampf um die Gleichberechtigung müsse in der Gegenwart geführt und in folgenden Schritten umgesetzt werden:

„Es necesario emprender desde ahora la lucha por resolver las sigu-ientes cuestiones: 1) la integración de las mujeres al trabajo social productivo; 2) la socialización y tecnificación del trabajo doméstico mediante la creación de servicios, como estancias infantiles, come-dores, lavanderías populares etcétera, que tiendan a eliminar la doble jornada; 3) la promulgación de leyes que las liberen de su condición subordinada, y 4) la destrucción de la moral dominante y las costum-bres ancestrales que las condicionan a situaciones de inferioridad también desde el punto de vista cultural.“128

Marcela Lagarde schrieb in El Machete, dass eine Öffnung gegenüber den Konzepten des Feminismus notwendig sei, um die Interessen der Frau ver-treten zu können: Der Feminismus bereichere den Marxismus und sei als „natürliche Weiterentwicklung“ des Kampfes um Gleichberechtigung und Gerechtigkeit zu sehen. Nach dieser Argumentation reihten sich die feminis-tischen Forderungen in die lange Tradition linker Kämpfe ein und wurde zum Teil ihres „sozialemanzipatorischen Zukunftsbezug“.129 Als Lagarde kri-tisch hinterfragte, warum Carlos Monsiváis in El Machete zum Thema Feminismus interviewt wurde und keine Frau, widersprach ihr die Feministin Marta Lamas mit dem Argument, dass „der Feminismus eine Praxis und 127 Vgl. o. A.: La mujer como combatiente, Oposición 16.03.1980.

128 PCM: Tesis 20. In: El Machete, 1980: 47.

129 Vgl. David Mayer: Contrahistorias, 2009: 125–148.

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Vision der Welt“ sei, „die auch Männer betreffe“.130 Lagarde veröffentlichte weiterhin eine Chronologie feministischer Kämpfe, die sich im Kapitalismus entwickelt hatten und sowohl von bürgerlichen als auch von proletarischen Frauen vorangetrieben worden waren. Sie führte Feminismus und Marxismus zusammen, indem sie für einen klassenbewussten Feminismus plädierte:

„El feminismo revolucionario es, directa y explícitamente, una concep-ción clasista del mundo que parte de la conciencia específica de las mujeres. [El feminismo] constituye pues una síntesis ideológica que enriquece al marxismo en las condiciones actuales; […] Hoy el

FNALIDM esta constituyéndose en expresión orgánica […] del femi-nismo revolucionario en México.“131

Die positive Sichtweise des Feminismus basierte auf der Auseinandersetzung der PCM-Frauenkommission mit der feministischen Strömung des „sozialistischen Feminismus“, die für die Synthese zwischen feministischer und marxistischer Theorie eintrat. Vertreter/innen dieser Strömung wie Sheila Rowbotham oder Zillah Eisenstein bezogen sich explizit auf marxistische Kategorien und Theoretiker/innen wie Alexandra Kollontai, Rosa Luxemburg oder Friedrich Engels. So besprach die stellvertretende Vorsitzende der PCM-Frauenkommission Leticia Montes Rodríguez Eisensteins Sammelband „Capitalist Patriarchy and the Case for Socialist Feminism“ ausführlich und positiv.132 Der „sozialistische Feminismus“ sah die spezifische Unterdrückung der Frau sowohl in der öffentlichen als auch in der privaten Sphäre angesiedelt, wobei der Kampf gegen etablierte 130 Marta Lamas: Marta Lamas defiende a Monsiváis. In: El Machete, Nr. 3, 03/061/1980, 5–6. (eigene Übersetzung)

131 Marcela Lagarde: Hace una memoria feminista. In: El Machete, Nr. 5, 1980: 45.132 Vgl. Zillah Eisenstein: Capitalist Patriarchy and the Case for Socialist Feminism, Monthly Review Press: New York 1978; Leticia Montes Rodríguez: Comentario en torno al libro „Patriarcado capitalista y feminismo socialista“, Dokumente des CE-MOS, México D. F., 12.03.1980, caja 128, clave 123, exp. 6, 7113–7118.

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Moralvorstellungen der Schwerste sei, da selbst in den realsozialistischen Staaten noch Formen von Diskriminierung der Frauen existierten.

Montes Rodríguez plädierte für die Schaffung einer großen Frauenbewegung in Mexiko, die eine effektive Frauenbefreiung möglich mache, indem sie den Kampf für Gleichberechtigung vor, während und nach der Revolution führe. Abgesehen von der ökonomischen Unabhängigkeit sei es notwendig, die Familienstrukturen in Mexiko zu revolutionieren, die eine „Brutstätte der schädlichen männlichen Vorherrschaft“ seien. Dazu müssten Frauen auch innerhalb der Partei und anderer linker Organisationen kämpfen, da diese keine herrschaftsfreien „Inseln“ darstellten, sondern „die Widersprüche der Gesellschaft reflektierten und den Kampf für Frauenrechte immer noch als zweitrangig, individualistisch oder bürgerlich“ ansahen.133133 Montes Rodríguez: Comentario, CEMOS, 12.03.1980, 7115.

Abb. 4.6 Frauenproteste der Coalición de Mujeres vor dem Senat in

Mexiko-Stadt. „Wir fordern frei und kostenlose Abtreibung“, Foto Ana

Victoria Jímenz. Francisco Sandoval: CISEN espiaba a feministas. In:

Animal Político 2011.

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Einige PCM-Mitglieder erkannten das patriarchale Verhalten in den eigenen Reihen, das ein doppeltes Engagement der Parteifrauen als Frauen und als Sozialistinnen notwendig machte. Im Parteiprogramm hieß es dazu:

„Asimismo, es necesario combatir en el seno del partido las relaciones en las que se den la discriminación y la subordinación. Esas relaciones deben dejar su lugar a una mayor participación de las mujeres, y a que la cooperación, el compañerismo y la solidaridad sean los principios sobre los cuales se finquen las relaciones entre los comunistas. […] Las comunistas están llamadas a tener una militancia múltiple; cómo co-munistas y cómo mujeres. Pero también se requiere que el partido cree los instrumentos que impulsen y auxilien en todas sus organiza-ciones a desarrollar el trabajo femenil: las comisiones de trabajo entre las mujeres las cuales deben contribuir, asimismo, a la elaboración de la política del PCM sobre esta cuestión, entendiendo que todo el par-tido, no sólo las mujeres, sean responsable de su desarrollo.134

Nicht nur die Frauen, sondern die gesamte Partei sei für Veränderungen der Beziehungen zwischen den Geschlechtern in die Pflicht zu nehmen. 1980 war eine linke Partei, die die Forderungen der Frauenbewegung nicht in ihr Programm aufnahm, kaum mehr denkbar, da dies zum Schwund weiblicher Mitglieder geführt hätte.135 Die PCM baute auf die Organisierung der Parteifrauen, die ihre Interessen in die Parteipolitik einfließen lassen woll-ten.136 Die drei Debatten auf dem IV. Festival de Oposición fanden unter großer Publikumsbeteiligung statt. Es zeigte sich, dass die PCM eine nachhaltige Zusammenarbeit mit den neofeministischen und homosexuellen Gruppen einging und sich gegenüber ihren Forderungen öffnete. Die PCM befürwor-tete zwar das Recht auf die Wahl der Sexualpartner/innen, bei Abtreibungen verwies sie jedoch auf Gesundheitsrisiken statt auf die körperliche Selbstbestimmung. 1980 stellte die PCM sich nicht mehr als monolithische Einheit dar und die Parteilinie wurde nun auch mit den Mitgliedern 134 PCM: Tesis 20. In: El Machete, Nr. 7,1980: 48.

135 Vgl. PCM: Tesis 20. In: El Machete, Nr. 7, 1980: 48.

136 Vgl. PLL: La Comisión Nacional Femenil del PCM, DFS im AGN, DIPyS, Galeria 1, 30.06.1980, 09-118-51, 6352.

193

diskutieren. Beim vierten Festival de Oposición scheute sich die PCM weder vor öffentlichen Diskussion mit Mitgliedern, noch vor Allianzen mit Feminist/innen und Homosexuellen. 3.1.5 „Proletarier aller Länder, wer wäscht eure Socken?“ Diskussionsrunde auf dem V. Festival de Oposición

Das V. Festival fand unter dem Vorzeichen der Parteiauflösung und Fusion der PCM zur PSUM statt. Debatten um die politische Ausrichtung, interne Fraktionierung und der Fusionsprozess prägten das Jahr 1981 und ließen wenig Kapazitäten für ein politisches Festival mit internationalen Gästen. Erst nach dem Beschluss zur Vereinigung fand das V. Festival de Oposición vom 18. bis 20. Dezember 1981 im Palacio de Deportes statt. Es war von der Anzahl der Aktivitäten, der Gäste und Zuschauer/innen wesentlich kleiner als die PCM-Feste der Vorjahre. An der Eröffnung nahmen lediglich 3 500 Personen teil.137 Da die Parteizeitung Oposición nach der Parteifusion den neuen Namen ¡Así es! erhielt, wurde auch das Festival de Oposición in Festival de la Unidad (Festival der Einheit) umbenannt.138 Zu den zentralen Themen der Festivales de la Unidad sollte weiterhin der Feminismus gehören.139

Obwohl das erste Festival der PSUM kleiner ausfiel als die vorangegan-genen, wurde 1981 ein Frauenforum eingerichtet, das nach dem Forum zu internationaler Solidarität das zweitgrößte Forum des Festivals war. In diesem Frauenforum wurde neben Theaterstücken, Kinovorführungen und Ausstellungen auch eine Hommage für die Mitbegründerin der feministi-schen Zeitschrift FEM, Alaide Foppa, veranstaltet.140 Auf dem Festival wurden 137 O. A.: PSUM, Dokument des DFS im AGN, Departamento de Información e Inves-tigación Local, Galería 1, 18.12.1981, 009-037-005, 58, 5067.

138 Zunächst war der Titel Unidad für die PSUM-Parteizeitung im Gespräch, letzt-endlich wurde sie jedoch ¡Así Es! genannt. Vgl. o. A.: Un nuevo Periódico para el PSUM, Oposición 13.12.1981.

139 Vgl. Polo Gasca: El hueco de la cultura. Al propósito del Festival, Oposición 20.12.1981.

140 Die Schriftstellerin Alaíde Foppa lebte in Mexiko im Exil, wo sie bedeutende

Teile ihres Werkes schuf. Sie arbeitete an der UNAM als Professorin und gründete

194

Beratungsgespräche zu Themen wie Gesundheit, Vergewaltigung und Abtreibung, Kindertagesstätten, Sexualität oder Hausarbeit und Vorträge zur „Situation von Frauen im Film“, zu den Mobilisierungen der Krankenschwestern im Hospital de México und zur Verbindungen zwischen „Familie und Sexualität“ angeboten.141 Trotz der Diversifizierung der Aktivitäten war auf-fällig, dass 1981 keine Veranstaltung zur Gleichberechtigung von Homosexuellen stattfand.

Das breite Angebot des Frauenforums verdeutlichte das vielfältige En-gagement von Frauen und zeigte, dass die PCM ihnen einen eigenen Raum für ihre Organisierung gab und dies nicht mehr als Bedrohung empfand. Wie bereits im Vorjahr, stand das erste Festival de la Unidad unter dem Zeichen der Akzeptanz und Kooperation mit den neofeministischen Gruppen. El Machete berichtete über das US-amerikanische feministische Kollektiv aus Boston und das Centro de Documentación e Intercambio para el Desarrollo Histórico de América Latina (CIDHAL) aus Cuernavaca.142

Eine der vier großen Podiumsdebatten des Festival de Unidad behandelte das Thema Gleichberechtigung der Frau. Die Diskussionsrunde fand unter dem ironischen Titel „Proletarier aller Länder, wer wäscht eure Socken?“ statt, der auf die Doppelbelastung von Frauen in der Linken hinwies. An der Debatte nahmen die Feministin Marta Acevedo, die Journalistin María Guerra Tejada, die Gewerkschaftsaktivistin Dulce Marta Pascual Moncayo und die PSUM-Mitglieder Amalia García und Leticia Montes Rodríguez teil. Laut Geheimdienstberichten besuchten circa 100 Personen die Debatte, weit mehr als bei den anderen runden Tischen bei diesem Festival.143 Neu und belebend für die Debatte wirkte die Begleitung durch die Darbietungen und die feministische Zeitschrift FEM mit. Nachdem ihr Sohn als Kämpfer der guate-maltekischen Guerilla umgekommen war, reiste sie 1980 nach Guatemala, wo sie wahrscheinlich durch Regierungstruppen entführt wurde und verschwand. Vgl. Elena Poniatowska: Alaíde Foppa: 31 años después. In: La Jornada 21.10.2012, di-gital https://www.jornada.com.mx/2012/10/21/cultura/a03a1cul, gesehen am 02.03.2020.

141 Vgl. o. A.: Programación de los Foros, Oposición 20.12.1981.

142 Vgl. Margarita Dalton: Nosotras, nuestro Cuerpo. In: El Machete, Nr. 11, 03/1981 48-50; G.G.: La condición Feminina. In: El Machete , Nr.11, 03/1981, 55.

143 Sección I.: V. Festival Popular de Oposición, AGN, D. I. E. E. Ll, Galería 1, 19.12.1981, 62, 009-037-005, 5251–5252.

195

Musik der universitären Frauengruppe Las Leonas , die die Diskussion ein-rahmte. Die Diskussionsrunde dauerte zweieinhalb Stunden und es wurden diverse Aspekte der Diskriminierung von Frauen auf dem Land und in der Fabrik besprochen sowie die Doppelbelastung der Frau in Familie und Beruf thematisiert. „Erst wenn die Frauenrolle sich verändere“, resümierte Dulce María Pascual, „könne von Gleichberechtigung gesprochen werden“.144

Die Frauen aus linken Organisationen erachteten eine Analyse des Machismo in den eigenen Reihen als notwendig. Bereits im März 1981 hatte Blanca Acedo in einem Artikel in Oposición kritisiert, dass es der Mexikanischen Kommunistischen Partei vor allem an der Umsetzung in der Frauenpolitik fehle:

„Es reciente la incorporación de la cuestión femenil al discurso del

PCM y todavía nuestro planteamiento es muy general. No hemos dado prioridad a nuestra afirmación de que existe la opresión de la mujer, llevándola al plano de una política femenil y consecuentemente a una estrategia en ese sentido, incorporada a nuestro programa de revolu-ción […] Los comunistas debemos buscar e impulsar una plataforma de lucha que reivindique los derechos de la mujer y en términos con-cretos, de acuerdo con cada sector de actividad […] Y asimismo promover la organización autónoma de ellas [las mujeres] en torno a sus derechos como clase y como sexo.“145

Die theoretische Grundlage hatte die PCM geschaffen, indem sie aner-kannte, dass die ökonomische Chancengleichheit ohne tiefgreifende Veränderungen des traditionellen Rollenbildes nicht automatisch zur Gleichberechtigung führen würde und deshalb der Kampf um Gleichberechtigung parallel zum Klassenkampf stattfinden müsse. Die PCM wollte die politische Organisierung von Frauen fördern und nahm dies auf dem 19. Parteikongress in ihre Parteistatuten auf.146 Barry Carr kam in 144 O. A.: Foro de la Cultura y la Política: No se critíca a la familia se cuestiona su estructura opresiva, Unomásuno 20.12.1981. (eigene Übersetzung)

145 Blanca Acedo: Qué significa el ascenso de la mujer al trabajo? Oposición 01.03.1981.

146 Carr: Mexican Communism 1968–1981, 1985: 225f.

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diesem Zusammenhang zu dem Schluss, dass die PCM zwar langsam darin gewesen war, ihre Praxis zu verändern, jedoch im Vergleich zu ihren neuen politischen Partnern in der PSUM zu „schnelleren“ und „drastischeren“ Veränderungen bereit gewesen war. So waren die neuen PSUM-Mitstreiter PPM, MAUS und PSR nicht bereit, die feministische Politik und eine Diskussion über Gleichberechtigung mitzutragen, die über die traditionellen Arbeitskämpfe hinauswies. Daraus ergab sich, dass die PSUM 1983 den Antrag, der sie als feministische Partei beschrieb und ferner ihre Unterstützung der Homosexuellenbewegung im Programm festgeschrieben hätte, ablehnte.147

Betrachten wir die Diskussionsrunden zum Thema Feminismus, Abtreibung und Homosexualität vom ersten Festival de Oposición bis zum ersten Festival de la Unidad aus der Ameisenperspektive (Latour), bilden sich die Veränderungen in der PCM-Politik zwischen 1977–1982 deutlich ab. Die Einstellung der Partei zur Frauenpolitik veränderte sich in diesen fünf Jahren radikal: von der Ablehnung des Feminismus als kapitalistisch und überflüssig über gemeinsame Kampagnenarbeit mit neofeministischen Gruppen hin zur Legalisierung der Abtreibung und der Aufnahme dieser Forderungen ins Parteiprogramm. Die anfängliche Skepsis gegenüber einem Erstarken des Feminismus in vielen westlichen Ländern entwickelte sich zu dem Gefühl, dass eine Partei ohne Frauengremien politisch nicht mehr haltbar sei. Die Kooperation mit den neofeministischen Gruppen führte zur parteiinternen Auseinandersetzung mit feministischen Positionen und zur Organisierung der Frauen innerhalb der PCM. Sie erreichten, dass die Partei ihre patriarchalen Strukturen erkannte und den Kampf um die Gleich-berechtigung nicht mehr als Nebenwiderspruch ansah, sondern ihn gleichzeitig mit dem Klassenkampf führen wollte. Allerdings bemängelten die Frauen aus der Partei, dass es der PCM an der konkreten Umsetzung dieser Erkenntnis gemangelt habe und gerade das Privatleben zu wenig als politisch wahrgenommen wurde. Im nächsten Kapitel wird untersucht, wie sich das Verhältnis der PCM zu Glaube und Kirche auf den jährlichen Festivaldebatten entwickelte.

147 Vgl. Carr: Mexican Communism 1968–1981, 1985: 226; de la Dehesa: Queering the public sphere in Mexico and Brazil, 2010: 76.

197

3.2 Der Glaube als revolutionäres Werkzeug – Die Befreiungstheologie und die PCM

¿Para qué nos ponemos a pelear nosotros los católicos con los comunistas, con quienes podemos decir que tenemos más antagonismos sobre si el alma es mortal o inmortal, en lugar de ponernos de acuerdo en que el hambre sí es mortal? Camilo Torres 148

Die Frage des kolumbianischen Priester Camilo Torres, warum zwischen Katholik/innen und Kommunist/innen mehr über die Sterblichkeit der Seele debattiert werde, als gemeinsam gegen den Hunger zu kämpfen, stellte sich den Christ/innen, die sich in den siebziger Jahren mit einer innerkirchlichen Reformbewegung, der „Befreiungstheologie“, identifizierten.149 Damals entstand ein inhaltlicher Austausch zwischen Marxist/innen und Christ/innen, der sich auch auf den Festivales de Oposición widerspiegelte. Jedes Jahr diskutierte dort die PCM sowohl mit mexikanischen Geistlichen als auch mit der eigenen Basis über die Beziehung von Glauben und Sozialismus. Dies war für die PCM ein erstaunlicher Schritt.

Zuvor war die Haltung der Partei klar gegen die Religionen gerichtet gewe-sen, was sie über lange Jahre mit dem Anti-Klerikalismus der PRI verband. Durch die mexikanische Revolution war der Ausspruch „Religion ist Opium 148 Camilo Torres: Por la Revolución Columbiana. In: Pensamiento Crítica, Habana, Nr. 12, 01/1968, 40–78, 56, digital http://www.filosofia.org/rev/pch/1968/pdf/n12p040.pdf, gesehen am 24.05.2020.

149 Camilo Torres schloss sich 1965 dem bewaffneten Kampf der linken Guerilla Ejército de Liberación Nacional (ELN) an. Vgl. Carlos Medina Gallego: Camilo Torres Restrepo. La sonrisa de al esperanza, Universidad Nacional de Colombia: Bogotá 2017.

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fürs Volk“ in der mexikanischen sozialistischen Linken wohl verbreiteter als in Europa.150

Bevor die Diskussionen zwischen PCM und Befreiungstheologen auf den Festivales de Oposició n vorgestellt werden,151 ist es notwendig, kurz auf die Grundlagen der Befreiungstheologie, insbesondere in der katholischen Kirche in Mexiko, einzugehen sowie die Berührungspunkte zwischen Kirche und PCM zu benennen. Die Befreiungstheologie ist eine theologische Strömung, die bis heute innerhalb der christlichen Kirchen existiert und sich besonders für die Armen engagiert („Option für die Armen“). Sie kämpft dafür, Ungerechtigkeit, Hunger und fehlende Bildung zu beseitigen.152 Diese Strömung entstand in Lateinamerika und ging von der dortigen Lebenswirklichkeit aus. Befreiungstheologische Schriften benannten die politischen Ursachen für Armut und Hunger im Trikont und sahen die Armen als Träger gesellschaftlicher Veränderung und als Subjekte ihres Glaubens und ihrer Befreiung an.153 Einer der Begründer der Befreiungstheologie, der 150 Vgl. Interview mit Marcos Leonel Posadas in Tlalpan, Mexiko-Stadt am 21.02.2014. Die populäre Deutung des Ausspruchs geht auf Lenin zurück. „Die Re-ligion ist das Opium des Volks. Die Religion ist eine Art geistigen Fusels, in dem die Sklaven des Kapitals ihr Menschenantlitz und ihre Ansprüche auf ein halbwegs menschenwürdiges Leben ersäufen.“ Vgl. Lenin: Über die Religion: eine Auswahl, Dietz: Berlin [1905] 1981, 39–44, d i gital https://www.marxists.org/deutsch/ar-chiv/lenin/1905/12/religion.html, gesehen am 14.06.2020. Ursprünglich stammt das Zitat von Marx, war jedoch Teil einer etwas differenzierteren Religionskritik und sein Bezug auf Opium war wahrscheinlich dem zeitpolitischen Kontext des ersten Opiumkrieges geschuldet. Vgl. Joachim Eberhardt: Religion als „das Opium des Volkes“. In: Deutsche Vierteljahrschrift Literaturwissenschaft und Geistesge-schichte, Vol. 93, 3. September 2019, 263–286, digital: https://doi.org/10.1007/s41245-019-00080-4, gesehen am 15.05.2020.

151 Sicherlich gab es auch weibliche Befreiungstheologinnen, die mit der PCM im Kontakt standen, jedoch traten diese nicht auf den Festivals auf. Da diese Runden ausschließlich von männlichen Rednern gestaltet wurden, verwende ich in diesem Zusammenhang die männliche Form.

152 Befreiungstheologische Ansätze gab es sowohl in der katholischen als auch der evangelischen Kirche. Für einen Überblick zu den Entwicklungen in der evangeli-schen Kirche vgl. Reinhard Frieling: Befreiungstheologien. Studien zur Theologie in Lateinamerika, Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 1984.

153 Vgl. Gustavo Gutiérrez: Teología de liberación, perspectivas, CEP: Lima 1971; Enrique Dussel: Herrschaft und Befreiung: Ansatz, Stationen und Themen einer lateinamerikanischen Theologie der Befreiung, Exodus: Freiburg 1985; Ernesto

199

Dominikaner Gustavo Gutiérrez, definierte den Kernbegriff „ Liberación “ (Befreiung) als Befreiung von einem ungerechten sozioökonomischen System, als Bewusstwerdung auf persönlicher und theologischer Ebene: „1. Befreiung bedeutet erstens die Bestrebung sozialer Klassen und unterdrückter Völker. Sie betont den konfliktgeladenen Charakter des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Prozesses, in dem diese den unterdrückten Klassen und wohlhabenden Völkern gegenüberstehen. Angesichts dieser Zusammenhänge machen der Begriff Entwicklung und vor allem die sogenannte Entwicklungspolitik einen aseptischen Eindruck und verfälschen demnach eine tragische und konfliktgela-dene Situation. […] 2. Wenn wir sodann auf einer tieferen Ebene Geschichte als einen Befreiungsprozess vom Menschen verstehen, in dem dieser sein Geschick selbst in die Hand nimmt, dann erweitern wir den Horizont der erwünschten sozialen Veränderungen und stellen ihn in den Zusammenhang eines dynamischen Prozesses.[…] Die allmähliche Eroberung einer wirklichen und schöpferischen Freiheit führt zu einer permanenten Kulturrevolution, zur Schaffung eines neuen Menschen und in die Richtung einer qualitativ anderen Gesellschaft. 3. […] Wenn man […] von Befreiung spricht, dann wird ein anderer Ansatz möglich, der uns bis an die biblischen Quellen bringt, die Gegenwart und Tätigkeit des Menschen inspirieren.“154

Vor allem die politische Ebene, der Wunsch nach Befreiung der Unterdrückten sowie die Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung rückten die Befreiungstheologie in die Nähe der marxistischen Linken. Wie der sprachliche Duktus bereits verrät, nahmen die Vertreter/innen der Befreiungstheologie Bezug auf die Dependenz-Analyse, die wiederum mar-xistische Kategorien nutzte. Dependenztheoretiker/innen wie André Gunder Frank, Samir Amin oder Theotino dos Santos sahen die fehlende wirtschaft-liche Entwicklung der „Dritten Welt“ in den ungleichen Handelsbeziehungen Cardenal (Hg.): Das Evangelium der Bauern von Solentiname, Peter Hammer: Wup-pertal 1991; Leonardo Boff: Die Neuentdeckung der Kirche. Basisgemeinden in La-teinamerika, Grünewald: Mainz 1980.

154 Gustavo Gutiérrez: Theologie der Befreiung, Grünewald: Mainz: 1992, 104f.

200

auf dem Weltmarkt begründet und begriffen die historische Entwicklung von Abhängigkeit und Unterentwicklung als konstitutive Merkmale des Kapitalismus.155 In ihren Schriften plädierten sie für eine Abwendung vom Weltmarkt (Dissoziation) beziehungsweise für einen Bruch mit dem System.156

Die Befreiungstheologie übernahm durch ihre Rezeption marxistische Kategorien und entwickelte mit ihrem Fokus auf Lateinamerika sozialistische Imperialismus-Theorien weiter, grenzte sich jedoch vom historischen Materialismus, dem Primat der Ökonomie und dem Stalinismus ab. Die Befreiungstheologie rezipierte die sozialen und kulturellen Analysen des jungen Marx sowie von Gramsci, Lukcás und Althusser. Enrique Dussel nannte die Offenheit der Befreiungstheologie eine „epistemologische Revolution“, da zum ersten Mal kritische politische und sozialwissenschaft-liche Theorien Eingang in die Theologie fanden.157

Grundlage für die Entwicklung der Befreiungstheologie innerhalb der katholischen Kirche war das Zweite Vatikanische Konzil sowie die Richtungsdiskussionen auf der Zweiten und Dritten Lateinamerikanischen Bischofskonferenz. Das Zweite Vatikanische Konzil fand vom 11. Oktober 1962 bis zum 8. Dezember 1965 im Petersdom in Rom statt und rief zur 155 Für einen Überblick über die Vertreter/innen der Dependenz-Theorie und ihren Bezug zum Marxismus vgl. Bruno Kern: Theologie der Befreiung, Narr Franke Verlag: Tübingen 2013, 97–107.

156 Der Neoliberalismus, die Schuldenkrise der Drittweltländer in den achtziger Jahren und der Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten machten die Lö-sungsvorschläge der Dependenz-Theorie unmöglich. Kritisiert wurde die Depen-denz-Theorie, da sie die endogenen wirtschaftlichen Faktoren zu wenig in die Ana-lyse einbezog und so die Unterschiede der Entwicklung in verschiedenen Ländern der Dritten Welt vernachlässigte. Zur Kritik an der Dependenz-Theorie und ihrer Weiterentwicklung der System- und Post-Development-Theorie vgl. Martin Schulz (Hg.): Entwicklung: Die Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Springer: Wies-baden 1997; Vincent Ferraro: Dependance Theory: an introduction. In: Giorgio Secondi (Hg.): The Development Economics Reader, Routledge: New York 2010, 58–65; Immanuel Wallerstein; Samir Amin; Giobanni Arrighi; André Gunder Frank: Dynamics of global crisis, Monthly Review Press: New York 1982; Arturo Escobar: Encountering Development: The Making and Unmaking of the Third World, Prince-ton University Press: Princeton 1995.

157 Enrique Dussel: Teología de liberación y marxismo. In: Cuadernos Americanos, Nr. 12, 1988, México D. F., 138–159, 140f.

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Erneuerung ( aggiornamento ) der Kirche auf. An ihm beteiligten sich mehr als 3000 Kirchenmitglieder und Laien aus vielen Teilen der Welt.

Es brachte der katholischen Kirche sowohl inhaltliche als auch struktu-relle Veränderungen: Demokratie und Religionsfreiheit sollten nun als Wert anerkannt und eine offenere Einstellung sollte gegenüber anderen Religionen, nicht zuletzt gegenüber dem Judentum, praktiziert werden.158 Auf dem Konzil wurde das Verhältnis zwischen Klerikern und Laien weniger hierarchisch bewertet und die Getauften nicht mehr als Unmündige, sondern als Subjekte der Seelsorge angesehen.159

Über die Wirkung und Bedeutung des Konzils wird bis heute debattiert.160Für die Konzilteilnehmer aus der „Dritten Welt“ war vor allem die Hinwendung der Kirche zu den Armen von großer Bedeutung. Während des Zweiten Konzils unterzeichneten einige Bischöfe den sogenannten „Katakomben-Pakt“, der sie zu einem einfachen Leben und zum Dienst an den Armen verpflichtete.161

In Lateinamerika erfuhr das Zweite Vatikanische Konzil eine eigenständige Rezeption durch die lokale Bischofskonferenz (CELAM – Consejo Episcopal Latinoamericano ), die vom 26. August bis zum 6. September 1968 in Medellín stattfand.162 Die zweite CELAM war inspiriert von der Pastoralkonstitution 158 Vgl. August Franzen: Kleine Kirchengeschichte, Herder: Freiburg 2014, 384ff; Silke Hensel; Hubert Wolf: Einleitung. In: Silke Hensel; Hubert Wolf (Hrsg.): Die katholische Kirche und die Gewalt, Europa und Lateinamerika im 20. Jahrhundert, Böhlau: Köln 2012, 11–30.

159 Die Bischöfe führten ihr Amt von da an im Namen Christi und nicht im Auftrag des Papstes aus. Vgl. Kern: Theologie der Befreiung, 2013: 7f.

160 Vgl. Franz-Xaver Kaufmann; Arnold Zingerle (Hgg.): Vatikanum II und Moderni-sierung, Schöningh: Paderborn 1996; Alfred E. Hierold (Hg.): Zweites Vatikanisches Konzil – Ende oder Anfang, Lit Verlag: Münster 2004; Christoph Böttigheimer (Hg.): Zweites Vatikanisches Konzil. Programmatik – Rezeption – Vision, Herder: Freiburg 2014; Giuseppe Alberigo; Günther Wassilowsky: Geschichte des Zweiten Vatikani-schen Konzils (1959–1965), Band IV, Kirche als Gemeinschaft, Günewald: Mainz 2006.

161 Vgl. Kern: Theologie der Befreiung, 2013: 11.

162 Die Konferenz von Medellin war die Zweite Lateinamerikanische Bischofskon-ferenz, die erste CELAM fand bereits 1955 in Rio de Janeiro statt. Vgl. José Ignacio Saranyana; Carmen-José Alejos-Grau (Hgg.): Teología en América Latina. El siglo de las teologías latinoamericanistas (1899–2001), Vol. III, Iberoamericana/Vervuert:

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„gaudium et spes“ (Freude und Hoffnung, 1965) des Zweiten Vatikanischen Konzils, die die Position der Kirche in der Welt bestimmte und eine politische Ordnung befürwortete, die ein würdiges Leben für den Einzelnen wie für Gruppen herstellte.163 Ferner war die Enzyklika „populorum progressio“ (Fortschritt der Völker, 1967) von Bedeutung, in welcher Papst Paulus VI. die Überwindung der Spannungen zwischen armen und reichen Ländern als eine Grundvoraussetzung für den weltweiten Frieden interpretierte und das Eigentumsrecht als weniger bedeutsam als Gerechtigkeit und Frieden einstufte.164

Die zweite CELAM bekräftigte ihre „Präferenz für die Armen“ und befür-wortete die „evangelische Armut“, was ihren Beschlüssen einen eigenständigen Charakter verlieh und sie von theologischen Denkern in Europa abhob.165 Die Befreiungstheologie war auch deshalb ein Novum für die katholische Kirche, da sie sich außerhalb des Vatikans entwickelte und als Subjekte des Glaubens nicht die professionellen Theolog/innen, sondern die gläubigen Armen ansah.166

Praktisch fanden sich die Anhänger/innen der Befreiungstheologie in lateinamerikanischen Basisgemeinden zusammen, die sich unabhängig von der kirchlichen Hierarchie organisierten. Viele der Basisgemeinden, die auf dem Land oder in den Armenvierteln entstanden, wurden zu Keimzellen der Organisierung der Bevölkerung, die sich später politisch engagierten (zum Madrid/Frankfurt a. M. 2002, 115f; Tania Hernández Vicencio: Sergio Méndez Ar-ceo y su visión internacionalista. In: Politica y Cultura, Otoño 2012, Nr. 38, 89–117, 94f, digital https://www.redalyc.org/articulo.oa?id=26725009006, gesehen am 11.05.2020.

163 Vgl. II. Vatikanisches Konzil: Gaudium et spes, digital http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19651207_gau-dium-et-spes_sp.html, gesehen am 26.05.2020.

164 Vgl. Enzyklika Papst Paul VI: Populorum Progressio: digital http://w2.vatican.va/content/paul-vi/de/encyclicals/documents/hf_pvi_enc_26031967_popu-lorum.html, gesehen am 18.05.2020.

165 Vgl. Martha María Pacheco: Panorama de la Iglesia Católica Mexicana (1955–1973). In: Estudios, Vol. 3, Nr. 72, Primavera 2005, Itam: México D. F., 65–99, 81f, digital https://nanopdf.com/download/http-bibliotecaitammx-estu-dios-60-89-72-mamarthapachecopanoramadelaiglesiapdf_pdf, gesehen am 18.05.2020.

166 Vgl. Bruno Kern: Theologie der Befreiung, 2013: 7.

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Beispiel im Widerstand gegen die Militärdiktaturen in Brasilien und Chile oder für den Sturz Somozas in Nicaragua). Allerdings vertraten diese Gemeinden keine „christliche Politik“, sondern unterstützten die Kräfte, die universale Geschwisterlichkeit, Partizipation aller und die Option für die Armen vertraten.167

Der Aufschwung befreiungstheologischer Ideen währte nur kurze Zeit. Als in den siebziger Jahren Militärs und autoritäre Regime in Lateinamerika die Macht ergriffen, wurden Kleriker und Laien, die der Befreiungstheologie anhingen, verfolgt, eingesperrt oder getötet. Parallel dazu gewannen die Kritiker/innen der Befreiungstheologie innerhalb der Kirche an Gewicht, was sich beispielsweise in der Wahl von Alfonso López Trujillo zum CELAM-Generalsekretär und Karl Josef Kloppenburg zum CELAM-Berater zeigte, die beide entschiedene Gegner der Befreiungstheologie waren.168

Die dritte CELAM fand 1979 in der mexikanischen Stadt Puebla statt und offenbarte den Richtungskampf innerhalb der lateinamerikanischen Kirche. Sie wurde von Papst Johannes Paul II. am 27. Januar 1979 eingeweiht. Dabei verurteilte der Papst zwar den Marxismus als nicht vereinbar mit dem katho-lischen Glauben, jedoch unterstrich er auch die positiven Effekte der Befreiungstheologie und warb für die Einheit der Kirche. Die Ergebnisse der Konferenz von Puebla waren ein Kompromiss für beide Seiten.169

Zwar blieb die Verurteilung der Befreiungstheologie aus, jedoch wurden ihre prominenten Vertreter ihrer Funktionen entbunden oder versetzt.170 Die 167 Vgl. Bruno Kern: Theologie im Horizont des Marxismus, M. Grünewald: Mainz 1992, 45–49.

168 Josef Kloppenburg war Franziskaner und vertrat die These, es existiere eine marxistische Verschwörung innerhalb der Kirche, die durch die Theologie der Be-freiung angeführt werde. Vgl. José Comblin: Kurze Geschichte der Theologie der Befreiung. In: Hans-Jürgen Priem (Hg.): Lateinamerika: Der Streit um die Theologie der Befreiung, Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 1981, 13–39, 35ff.

169 Vgl. Franz Weber: Gutes Leben – auch für die Armen? Erinnerungen und Anfra-gen an die Basisgemeinden in Lateinamerika. In: Anna Findl-Ludescher; Elke Lang-hammer; Johannes Panhofer (Hgg.): Gutes Leben – für alle? Theologisch-kritische Perspektiven auf einen aktuellen Sehnsuchtsbegriff, Lit Verlag: Wien/Berlin 2012, 53–64, 60; Enrique Dussel: De Medellín a Puebla. Una década de sangre y espe-ranza, Edicol: México D. F. 1979, 539.

170 Ein bekanntes Beispiel ist das einjährige Rede- und Lehrverbot, das der Papst dem brasilianischen Befreiungstheologen Leonardo Boff im Jahre 1985 auferlegte.

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Verbreitung der Befreiungstheologie wirkte in den lateinamerikanischen Ländern unterschiedlich.171 Während die Befreiungstheologie im Klerus und unter den Gläubigen in Brasilien, Chile und Nicaragua breite Zustimmung fand, hatte diese Strömung in Mexiko weniger Zulauf.

In Mexiko entstanden lediglich in einigen Regionen Basisgemeinden und die Mehrheit des mexikanischen Klerus vertrat konservative bis antikommu-nistische Positionen.172 Die konservative Grundhaltung der mexikanischen Kirche lag in ihrer Gegnerschaft gegenüber der mexikanischen Revolution und dem daraus entstandenen laizistischen Staat begründet. Diese Gegnerschaft drückte sich zeitweise sogar im bewaffneten Widerstand der Gläubigen gegenüber dem Staat ( Guerra de los Cristeros 1926–1929 und 1932–1938) aus. 173

Bis zum Ende der fünfziger Jahre blieb das Verhältnis zwischen der mexi-kanischen Kirche und der Staatspartei PRI gespannt, da diese als antiklerikal wahrgenommen wurde.174 Erst nach der kubanischen Revolution begann eine Annäherung zwischen Kirche und PRI, da nun beide eine antikommu-nistische Politik verfolgten.175

Der Antikommunismus war fest in der mexikanischen Kirche verankert und zeigte sich zum Beispiel in einer Kampagne, die von Klerikern und Laien gemeinsam getragen wurde, und unter dem Motto „¡ Cristianismo si, 1986 erhielt er die Lehrerlaubnis zurück. Für eine Darstellung der Kirchenrefor-mer Lemercier und Ivan Illich sowie die gescheiterten Strukturreformen der Unión de Mutua Ayuda Episcopal , die die finanziellen und personellen Ressourcen der mexikanischen Diözesen gerechter verteilen wollte, vgl. Martin de la Rosa M.: La ig-lesia católica en México: Del Vaticano II a la CELAM III (1965–1979). In: Cuadernos Políticos, Nr. 19, Era: México D. F., 01-03/1979, 88–104, 95ff.

171 Ein Ländervergleich bei vgl. Dussel: Teología de liberación, 1988: 142–151.

172 Dussel setzte den Reichtum der Kirche zu ihren ideologischen Positionen in Be-zug. Vgl. Dussel: De Medellín a Puebla, 1979: 532.

173 Vgl. Jean Meyer: La Cristiada. Guerra de los Cristeros, Siglo XXI: México D. F. 1973; Roberto Blancarte: Historia de la iglesia católica en México 1929–1982, Fon-do de Cultura Económica: México D. F. 1992, 203ff.

174 Roderic A. Camp ging auf die persönlichen Freundschaften der Präsidenten Díaz Ordaz und Echeverría mit mexikanischen Klerikern ein. Vgl. Roderic A. Camp: Cruces de espadas: política y religion en México, Siglo XXI: México D. F. 1998, 327f; Braig; Müller: Das politische System in Mexiko, 2008: 405.

175 Vgl. Blancarte: Historia de la iglesia católica, 1992: 198.

205

204 Comunismo no !“ zu Gewalt gegen Kommunist/innen aufrief.176 Die mexi-kanische Kirchenhierarchie wurde von der ideologischen Öffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils und seiner Abwendung von der bipolaren Logik des Kalten Krieges überrascht. Nach der Zweiten Lateinamerikanischen Bischofskonferenz von Medellín 1968 starteten die kirchliche Hierarchie und die konservativen Teile des Klerus im Vatikan eine „rechte Gegenoffensive“, die in einer „Polarisierung der Kirche“ in zwei Flügel mündete und auch auf der Dritten Lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Puebla sichtbar wurde.177 1979 beschrieb Martín de la Rosa sie als „Kirche in der Krise“, die sich „in den letzten drei Jahren mehr verändert hatte als in den vorangegan-genen vier Jahrhunderten“.178

Neben den neuen theologischen Botschaften der Bischofskonferenz von Medellín war es vor allem die Repression gegenüber der mexikanischen Studierendenbewegung, die die Haltung innerhalb der mexikanischen Kirche veränderte.179 Zwar positionierte sich die mexikanische katholische Kirche 176 Vgl. María Martha Pacheco: ¡Cristianismo sí, Comunismo no! Anticomunismo eclesiásitco en México. In: Estudios de Historia Moderna y Contemporánea de México, Vol. 24/2002, Doc. 296, 143–170, digital http://www.historicas.unam.mx/moderna/ehmc/ehmc24/296.html, gesehen am 04.05.2020.

177 Vgl. Miguel Concha Malo et al.: La participación de los cristianos en el proceso popular de liberación en México, Siglo XXI: México D. F. 1986, 115ff.178 de la Rosa M.: La iglesia católica en México, 1979: 88.179 Die ersten Basisgemeinden entstanden 1967. 2004 existierten in 53 mexika-

Abb. 4.7 Der Kommunismus der

Bibel, José Porfirio Miranda: El comunismo en la biblia. In El

Machete, Nr. 11 1981, 27.

206

offiziell nicht zum staatlichen Massaker von 1968, jedoch erregten gerade die Kleriker große Aufmerksamkeit, die das Schweigen brachen und sich für die Inhaftierten einsetzten.180 „Medellín und Tlatelolco“, so folgert der Politologe Miguel Concha, zwangen die kirchliche Hierarchie in Mexiko, „sich gegenüber den Entwicklungen in Lateinamerika und verschiedenen theolo-gischen Auffassungen zu öffnen.“181 Nach 1968 entstanden Basisgemeinden in Mexiko-Stadt, Cuernavaca und Guanajuato und einige bestehende katholische Institutionen näherten sich befreiungstheologischen Positionen an. Zu ihnen ge-hörte die Priestervereinigung Sacerdotes para el Pueblo , das mexikanische Sozialsekretariat (SSM – Secretariado Social Mexicano), das Nationale Zentrum für Soziale Kommunikation (CENCOS – Centro Nacional de Comunicación Social ) und die katholische Arbeiterjugend (JOC – Juventud Obrera Católica ), die die mexikanische 1968er-Bewegung unterstützten.182

Wichtige Vertreter der Befreiungstheologie waren der Bischof von Cuerna-vaca, Sergio Méndez Arceo, und der Bischof von San Cristóbal de las Casas, Samuel Ruiz. Beide hatten dem Zweiten Vatikanischen Konzil beigewohnt und unterhielten später Kontakte zu linken Gruppen, Guerillas und kommu-nistischen Parteien, unter ihnen auch der PCM, identifizierten sich jedoch nicht speziell mit einer bestimmten linken Partei.183 Die Kontakte zwischen Vertreter/innen der Befreiungstheologie und linken Organisationen blieben nischen Diözesen Basisgemeinden. Vgl. Carlos Fazio: Don Sergio Méndez Arceo: Patriarca de la solidaridad liberadora, digital http://www.sicsal.net/articulos/node/347, gesehen am 26.05.2020.

180 Vgl. Carlos Fazio: Méndez Arceo y el 68. In: La Jornada Semanal, 06/01/2008, Nr. 670, http://www.jornada.unam.mx/2008/01/06/sem-carlos.html, gesehen am 26.05.2020.

181 Concha Malo: La participación de los cristianos, 1986: 87f.

182 Ferner entstanden das Centro de Estudios Ecuménicos (Zentrum für Ökumeni-sche Studien), das Centro de Reflexión Teológica (Zentrum für Theologische Refle-xion) und der von Samuel Ruiz 1969 gegründete Verein für die ökonomische und soziale Entwicklung der indigenen Mexikaner (Desarrollo Económico y Social de los Mexicanos Indígenas). Vgl. Hugo Armando Escontrilla Valdés: El catolicismo social en la Iglesia mexicana. In: Política y Cultura 2009, Nr. 31/2009 México D. F. 139–159, digital http://www.scielo.org.mx/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S0188-77422009000100008&lng=es&nrm=iso, gesehen am 02.05.2020.

183 Vgl. de la Rosa: La iglesia católica en México, 1979: 101.

207

in der mexikanischen Kirche umstritten, da sie mit ihren „linken Positionen mit den Traditionen der Kirche brachen“.184

Für die Kommunistische Partei Mexikos hatte bis dahin die Aussage von Karl Marx, Religion sei „das Opium des Volkes“, die Religions- und Kirchenkritik bestimmt.185 Nun erkannten sowohl die eurokommunistischen Parteien als auch die PCM die Befreiungstheologie als revolutionäre Strömung innerhalb der Kirche an, die sich für Gerechtigkeit und Teilhabe einsetzte. Damit wurde die Verbindung zwischen Christ/innen und Marxist/innen möglich, die beide Kapitalismus und Kirche kritisierten und die mora-lischen Werte der Christ/innen wurden nun als Bereicherung des Marxismus angesehen.

Die Tageszeitung El País zitierte den Vorsitzenden der Spanischen Kommunistischen Partei, Santiago Carrillo, mit folgender Aussage:

„A los comunistas nos ha costado un gran esfuerzo autocrítico llegar a comprender que hoy ya no podemos ver la religión como el opio de los pueblos, sino que en amplios sectores del cristianismo ha habido acti-tudes muy favorables a las clases oprimidas. Hemos asumido que en el partido puede haber una corriente marxista de origen cristiano que aporta unos valores morales, políticos e ideológicos importantes, que enriquecen al partido y al marxismo. Al reconocerlo, evitamos que el marxismo se convierta en otra Iglesia, con sus santos, sus vaticanos y sus dogmas.“186

Eindrücklich belegt dieses Zitat, dass die Kritik am internen Dogmatismus die Haltung der eurokommunistischen Parteien in Bezug auf die Religion prägte. In Lateinamerika setzten sich bekannte Vertreter der Befreiungstheologie wie Camilo Torres in Kolumbien, Ernesto Cardenal in 184 Vgl. Fazio: Patriarca de la solidaridad, digital http://www.sicsal.net/articulos/node/347, gesehen am 26.05.2020.

185 Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. In: Karl Marx; Fried-rich Engels: Werke, Bd. 1, Dietz: Ostberlin 1976, 378–391, 378.

186 O. A.: Santiago Carrillo – Hoy no podemos ver la religión como el opio de los pueblos, El País 26.07.1979, digital https://elpais.com/diario/1979/06/26/ulti-ma/299196002_850215.html, gesehen am 02.05.2020.

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Nicaragua oder Oscar Romero in El Salvador für die Armen und für den poli-tischen Wechsel ein. Der revolutionäre Anspruch der Befreiungstheologie, die Rezeption marxistischer Grundsätze und der große persönliche Einsatz des befreiungstheologisch orientierten Klerus (und die harsche Repression gegenüber ihnen) veränderten die Haltung der lateinamerikanischen kom-munistischen Parteien und auch der PCM gegenüber der Befreiungstheologie. Zu Beginn der achtziger Jahre äußerte sich neben der Parteiführung in Nicaragua auch Fidel Castro positiv zur Befreiungstheologie.187

Die PCM verfolgte seit Mitte der siebziger Jahre einen Annäherungskurs an die Gläubigen, indem sie ihren Respekt gegenüber der Religion zum Ausdruck brachte und die Partei für Gläubige öffnete. Bereits 1976 hatte der damalige PCM-Präsidentschaftskandidat Valentín Campa gläubige Menschen aufgefor-dert, in die Partei einzutreten, sofern sie die Parteiziele teilten. Vier Jahre später schrieb die PCM den Respekt vor der Religion in im Programm fest und sah keinen Widerspruch mehr zwischen Religion und PCM-Mitgliedschaft. Die 30. These des Parteiprogramms lautete:

„Los creyentes que ingresan al Partido pueden hacerlo sin romper con su Iglesia, con su comunidad religiosa. El PCM es una organización política que lucha por la transformación revolucionaria de la sociedad; no es una Iglesia, ni una secta filosófica, del mismo modo que la Iglesia no es un partido político.“188

Die PCM sah Religion und Politik nun als Aktivitäten an, die auf unter-schiedlichen gesellschaftlichen Ebenen stattfanden. Motiviert war die Öffnung der PCM gegenüber der Befreiungstheologie durch den Austausch mit internationalen und mexikanischen Befreiungstheolog/innen sowie po-litisierten Christ/innen, die die PCM als Mitstreiter/innen zu gewinnen hoffte. Der Generalsekretär der PCM, Arnoldo Martínez Verdugo, erinnerte 187 Das Direktorium der FSLN bezog sich positiv auf die Religion und Fidel Castro erkannte 1985 die Befreiungstheologie an. Vgl. Frei Betto: Fidel y la religión. Siglo XXI: México D. F. 1986.

188 PCM: Proyecto de tesis presentado al Comité Central del PCM por la comisión de tesis, Dokumente des CEMOS, México D. F., o. T. 03.1981, caja 137, clave 132, exp. 05, 7177.

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sich, dass der Kontakt zu Bischof Méndez Arceo über die Künstlerin Raquel Tibol hergestellt wurde, und bezeichnete den Austausch mit dem Geistlichen als äußerst fruchtbar für die Partei.189 Die PCM knüpfte im Verlauf der sieb-ziger Jahre Beziehungen zu Basisgemeinden und befreiungstheologischen Organisationen, die sich ebenso an den Debatten der Festivales de Oposición beteiligten wie der Bischof von Cuernavaca und internationale Befreiungstheologen.

Enge Kontakte zum mexikanischen Klerus, der nicht der Befreiungstheologie anhing, entwickelten sich jedoch nicht. Die meisten mexikanischen Geistlichen betrachteten die PCM mit Argwohn und reagierten mit Misstrauen auf die Parteiinitiative, den mexikanischen Geistlichen das aktive und pas-sive Wahlrecht zuzugestehen.190 Die Aufforderung der PCM an die Gläubigen, sich „einer atheistischen Organi-sation […]“ anzuschließen, „erschienen vielen als politische Demagogie.“191 Da die PCM als Massenpartei den Anspruch hatte, auch gläubige Menschen zu vertreten, war es wichtig für sie, ihre Kontakte in diesen Sektor zu vertiefen. In den siebziger Jahren politi-sierten sich viele junge Gläubige und wandten sich im Umfeld der Universitäten nun auch linken Organisationen zu. Gabriel Zaid beschrieb die Radikalisierung der Christ/innen in den siebziger Jahren wie folgt:

„Muchos universitarios católicos se impacientaron ante el fraude elec-toral, los abusos, la corrupción y la represión. Empezaron por las buenas obras, y se les hizo poco, pasaron a los partidos demócra-ta-cristiano o socialdemócrata, y se les hizo poco; pasaron a los partidos comunistas, y se les hizo poco: pasaron a las armas.“192

Natürlich durchliefen nicht alle „ungeduldigen Christ/innen“ diese Schritte, jedoch setzten sich die politisierten Christ/innen bewusst für den 189 Vgl. Armando Ponce: Martínez Verdugo primer dirigente anti-estalinista. In: Proceso, 27.05.2013, digital http://www.proceso.com.mx/343172/martinez-ver-dugo-primer-dirigente-antiestalinista-en-al-raquel-tibol, gesehen am 26.05.2020.190 Vgl. Blancarte: Historia de la iglesia católica en México, 1992: 361f.

191 Enrique Condés Lara: Los últimos años del Partido Comunista Mexicano (1969–1981), BUAP: Puebla 2000, 151.

192 Gabriel Zaid: De los libros al poder, Debolsillo: México D. F. 2011, 314. Barry Carr

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Sozialismus ein. Die PCM hoffte, ähnlich wie die Kommunistische Partei Spaniens, sich mit den progressiven Teilen der Gläubigen organisieren zu können. In der PCM bildete sich eine „christliche“ Parteizelle, die nach dem spanischen Christen und Kommunisten Alfonso Comín benannt war.193

Die Präsenz der christlichen Parteimitglieder manifestierte sich auf den

Festivales de Oposición, darin, dass einige Redner in der „Doppelfunktion“ als Christen und PCM-Mitglieder auf dem Podium saßen. Abgesehen vom letzten Jahr des Bestehens der PCM diskutierten auf allen Festivales de Oposición Partei mit Befreiungstheologen orga-nisiert. Im Folgenden werden die Debatten über die Beziehung zwischen Christentum und Marxismus, die Folgen der

193 Alfonso Comín war ein bekannter Vertreter Cristianos para el Socialismo, stand der PCE nahe und war Abgeordneter der Partito Socilalista Unificat de Catalunya (PSUC). Vgl. Alberto Marzà: Alfonso Comín: cristianismo de esperanza y liberación, digital http://www.fdacomin.org/media/20110905122426_MarzaAlbert-SalTer-rae-juny1998.pdf, gesehen am 29.05.2020; Blancarte: Historia de la iglesia católica en México, 1992: 399.

Abb. 4.8 Jesus ein Arbeiter wie alle ande- ren. Grafik Design: Rafael López Castro:

Titelbild von El Machete, Nr. 5, 09/1980. nennt Ignacio Salas Obregon von der Liga 23 de Septiembre und die Brüder Daniel und Pedro Aguirre als Beispiele für Christen, die zur Guerilla gingen. Vgl. Carr: Mar-xism and Communism, 1992: 231f.

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Dritten Lateinamerikanischen Bischofskonferenz und die Entwicklungen in-nerhalb der Kirche untersucht. 3.2.1 Der „Pluralismus der Ideologien“ – Christen und Marxisten auf dem I. Festival de Oposición

Dass die PCM dem Dialog mit den Christen große Bedeutung beimaß, zeigte sich sowohl darin, dass die Teilnahme des Bischofs von Cuernavaca in der Parteipressekonferenz zum Festival besondere Erwähnung fand, als auch in den detaillierten Berichten des mexikanischen Geheimdienstes über Sergio Méndez Arceo auf dem Festival.194 1977 fand auf dem ersten Festival de Oposición eine Diskussionsrunde mit dem Titel „ Pluralismos ideológico cristi- anismo, marxismo y cambio social “ (Ideologischer Pluralismus Christentum, Marxismus und sozialer Wandel) statt. An ihr nahmen Bischof Méndez Arceo, der Jesuit und Proceso -Mitbegründer Enrique Maza, der Journalist Froylán López Narváez sowie die PCM-Mitglieder Gilberto Rincón Gallardo und Samuel Meléndez teil. Obwohl der Termin der Diskussionsrunde vom 23. auf den 24. April verschoben wurde und die Debatte erst von 20.40 Uhr bis 22.20 Uhr stattfand, war sie mit circa 450 Personen die größte Debatte des ersten Festivals.195 Der Grund mag vor allem die Teilnahme von Bischof Méndez Arceo gewesen sein, der einer der prominenten Vertreter der Befreiungs-theologie in Mexiko war.

Bereits 1970 hatte sich der Bischof öffentlich zum Sozialismus bekannt, da er für ihn das System war, das „die Entwicklung Lateinamerikas ermöglichte“ und „den christlichen Prinzipien der Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit und des Friedens“ am meisten entsprach.196 Bischof Méndez Arceo hatte ferner 194 Vgl. Javier García Paniagua: Partido Comunista Mexicano: Coctel por el periódico Oposición, Dokument der DFS im AGN, Galeria 1, II-220, L-23, 19.04.1977, 140–141, 4807–4808; I. P. S.; A. L. B.; I. N. P.: La conferencia que iba a sostener Sergio Mendez Arceo dentro del I Festival cultural del periódico Oposición; Dokument der DFS im AGN, Galeria 1, II-228, L-25, 23.04.1977, 7, 6392.

195 Vgl. Javier García Paniagua: I. Festival artístico y cultural, AGN, Galeria 1, II-220, L-23, 24.04.1977, 163–175, 4792.

196 Vortrag des Bischofs Méndez Arceo, vgl. Gutiérrez: Teología, 1990: 163.

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im April 1972 als einziger Bischof am ersten lateinamerikanischen Treffen der „Christen für den Sozialismus“ in Chile teilgenommen und reiste 1978 nach Kuba, wo er sich mit Fidel Castro traf.197 Der Bischof verteidigte die re-volutionären Bewegungen in Zentralamerika und unterhielt Verbindungen zur FSLN, der er als Vermittler bei den Gesprächen mit der nicaraguanischen katholischen Kirche half.198 Seine Position zum Sozialismus beschrieb der Bischof während der Debatte wie folgt:

„Estoy por el socialismo, precisamente por la situación de México.

Primero porque lo creo así, segundo, porque es aquí en donde el slogan más terrible, más enajenante, tiene dedicación: ‚¡Cristianismo sí, co-munismo no!‘ Aquí (en México) tiene lugar esa manera ciega de expresar un entusiasmo religioso y por eso creo que es necesario rea-firmar las posiciones frente al socialismo, frente al marxismo, ¡claro!

[ … ] La lucha de clases está metida dentro de la Iglesia, dentro de los grupos cristianos. No (debemos) pretender un cristianismo marxista, ni un marxismo cristiano. Están en planos distintos“199

Der Bischof von Cuernavaca warnte vor der starken antikommunistischen Bewegung im Umfeld der mexikanischen Kirche, deren Potenzial er sicher-lich gut einschätzen konnte, da er bis in die 1950er-Jahre selbst an ihr mitgewirkt hatte.200 Er richtete sich auf dem ersten PCM-Festival vor allem 197 Vgl. Miguel Angel Ferrando: El primer encuentro latinoamericano „cristianos por el socialismo“. In: Teología y Vida, 1972, Vol. 13, 118–123, 121 digital https://repositorio.uc.cl/bitstream/handle/11534/15296/000421971.pdf?sequence=1, gesehen am 26.05.2020; Monsiváis: Amor Perdido, 2010: 197–211.

198 Vgl. Fazio: Don Sergio Méndez Arceo: Patriarca, digital http://www.sicsal.net/articulos/node/347, gesehen am 26.05.2020; Hernández: Sergio Méndez Arceo y su visión. In: Política y Cultura 38/2012, 89–117.

199 Carlos Fazio: Cuando la conversión de Mendez Arceo se hizo palabra, la iglesia mexicana salio de su mudez. In: Proceso, 08.01.1983, digital http://www.proceso.com.mx/135137/cuando-la-conversion-de-mendez-arceo-se-hizo-palabra-la-igle-sia-mexicana-salio-de-su-mudez, gesehen am 26.03.2020.

200 Zur Beziehung zwischen mexikanischer katholischer Kirche und ultrarechten, antikommunistischen Gruppierungen wie der Frente Universitario Anticomunis-ta, MURO oder Unión Nacional Sinarquista vgl. Edgar González Ruiz: La derecha anticomunista: el MURO (1961–1981), 2014, digital http://www.voltairenet.org/

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an die Gläubigen seiner Kirche und rief sie zur Toleranz auf. Er betonte, dass Kirche und Parteien auf unterschiedlichen Ebenen agierten und warb unter den Gläubigen für eine Annäherung an linke Positionen. Der Geheim-dienstmitschrift der Festivaldebatte zufolge ging er ferner auf die aktuellen Veränderungen in der Kirche und unter den Gläubigen ein, wobei er unter-strich, dass sowohl das Christentum als auch die Philosophie des Sozialismus nach der Gleichheit der Menschen strebe.201

Die Parteizeitung Oposición ging in der Festivalrückschau auch auf den Beitrag des Jesuiten Enrique Maza ein, der die mexikanische Kirche als Institution beschrieb, die in der Vergangenheit häufig im Dienst der Herrschenden agiert habe. Die Zusammenarbeit von Christ/innen und Sozialist/innen könne jedoch dazu führen, bestehende Strukturen zu verän-dern und eine neue Gesellschaft entstehen zu lassen.202 Die Vertreter der PCM unterstrichen ebenfalls die Gemeinsamkeiten zwischen Christ/innen und Sozialist/innen. Gilberto Rincón Gallardo, der für den Kontakt der PCM zu Kirche und Gläubigen zuständig war, sprach von der großen Bedeutung der Christen in Mexiko und betonte, dass die PCM Gläubige in ihre Reihe auf-nehme, die sich für den Sozialismus engagierten.203 Er hob hervor, dass die PCM die Religion als Privatangelegenheit der Menschen ansehe und bereits einige Christ/innen Mitglieder der PCM geworden seien:

„Hoy nada impide, […] la militancia cristiana en los partidos revoluci-onarios. Más aún se destacó la necesidad de acelerar ese proceso, pues article181791.html, gesehen am 26.05.2020. Allerdings existierten innerhalb der Kirche heterogene Positionen und innerhalb des antikommunistischen Lagers wiederum verschiedene Haltungen zu den rechtsextremen Gruppierungen. Vgl. Pacheco: Cristianismo si, comunismo no, digital http://www.historicas.unam.mx/moderna/ehmc/ehmc24/296.html, gesehen am 04.10.2019.

201 Vgl. Javier García Paniagua: Festival artístico y cultural, AGN, Galeria 1, II-220, L-23, 19.04.1977, 4793.

202 Vgl. o. A.: Nada impide a los cristianos militar en partidos revolucionarios, Opo-sición 30.04.1977.

203 Vgl. Jesús Michel Narvaez: Propone el PCM una „vía Mexicana“ para el socialismo sin dictadura, Sol de México 07.05.1977.

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[…] ningún cambio de fondo será posible sin la participación de los cristianos de México.“ 204

Der Verlauf der Debatte war von einer „undogmatischen Haltung und ge-genseitigem Respekt“ geprägt und auch Fragen aus dem Publikum wurden zugelassen.205 Ein weiterer Punkt bei der Debatte war, dass der PCM-Delegierte Rincón Gallardo sich positiv auf den Brief des Bischofs Méndez Arceo an Luis Echeverría aus dem Jahr 1969 (Carta de Anenecuilco) bezog, in dem Mèndez Arceo um die Aufhebung der Beschränkungen der Rechte der mexikanischen Kirche gebeten hatte.206 Es ist möglich, dass Gilberto Rincón Gallardo auf dem Festival bereits über die PCM-Forderung sprach, dem Klerus das aktive und passive Wahlrecht zuzugestehen, das die Partei circa sechs Wochen später bei der mexikanischen Wahlbehörde einreichte.207

Die PCM setzte sich deshalb für das Wahlrecht der Kirchen- und Armeeangehörigen ein, die davon seit der Verfassung von 1917 ausgenommen waren, da die Partei selbst lange von der politischen Partizipation ausgeschlossen war. Eine Geheimdienstmitschrift eines Auftritts des Generalsekretärs der PCM, Martínez Verdugo, belegt, dass er die politische Partizipation der Kleriker mit dem Argument befürwortete, dass in einem 204 O. A.: Nada impide a los cristianos, Oposición 30.04.1977.

205 Vom Publikum wurde nach den Auseinandersetzungen zwischen dem Gewerk-schafter Fidel Vázquez Sánchez und dem Bischof Méndez Arceo gefragt, bei denen der Bischof sich für die Arbeiter/innen und gegen die Gewerkschaft CTM positi-oniert hatte. Der CTM-Führer Vázquez protestierte gegen die Intervention des Bischofs mit dem Argument, dieser habe sich in die Politik eingemischt, was den Geistlichen in Mexiko verboten war. Vgl. Paniagua: I. Festival artístico y cultural, AGN, Galeria 1, II-220, L-23, 24.04.1977, 4793; Zum Einschreiten Méndez Arceo vgl. Agustín: Tragicomedia Mexicana, 1993: 45f.; Daniel Molina: Notas sobre el Estado y el movimiento obrero. In: Cuadernos Políticos, Nr. 12, 04-06/1977, 69–88.

206 Javier García Paniagua: I. Festival artistico y cultural, AGN, Galeria 1, II-220, L-23, 24.04.1977, 4793; zur Carta von Cuicuilvo vgl. Gabriela Videla: Sergio Méndez Ar-ceo un señor Obispo, Juan Pablo Editor: México D. F. 2010, 97f.

207 Die Abordnung der PCM verlangte im Zuge der politischen Reformen ihre Wahl-zulassung und die Zulassung anderer linker Parteien sowie eine Amnestie für die politischen Gefangenen und mexikanischen Exilant/innen, die Versammlungsfreit-heit, das Ende der staatlichen Repression gegenüber der Opposition und die Unab-hängigkeit der Gewerkschaften. Vgl. Montes Manzano: Los últimos años, 1985: 366.

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demokratischen Land alle Bürgerinnen und Bürger ohne Ausnahme das Recht auf politische Partizipation besitzen sollten.208

Diese Positionierung war politisch brisant, da der Vorschlag eine Änderung der Verfassung notwendig gemacht hätte. Diese Verfassung von 1917 ge-hörte jedoch zu den Grundfesten der mexikanischen Revolution und begründete den Laizismus des mexikanischen Staates. Der Vorschlag brachte die PCM in Frontalopposition zur PRI, da die Staatspartei die mexikanische Revolution als „revolutionären Wendepunkt in der Geschichte Latein-amerikas“ ansah und ihre politische Legitimität über die Wahrung dieser revolutionären Ideale zu gewinnen glaubte.209 Gegenüber diesem Vorschlag waren sich die Linken wie die Rechten, die „politischen Funktionäre der Staatspartei, religiöse Reaktionäre, Liberale und dogmatische Marxisten“ in ihrer Ablehnung einig.210 Vertreter/innen aus den linken Parteien der Partido Popular Socialista und Partido Mexicano de los Trabajadores kritisierten den Vorschlag der PCM, da er die politische Einflussnahme der Kirche begüns-tige, die die Interessen der Herrschenden vertrete und den Status Quo stütze. Die PAN und die rechte Gewerkschaft Unión Nacional Sinarquista hingegen lehnten die Initiative als unnötig ab.211

Nicht nur rechte und linke Parteien missbilligten den Vorschlag, auch in-nerhalb der mexikanischen Kirche blieb er umstritten. Die Mehrheit des Klerus reagierte zunächst negativ oder wollte den Geistlichen zwar das Wahlrecht zugestehen, jedoch verhindern, dass sie sich zur Wahl stellten. Die mexikanische Kirche, schrieb Oscar Hinojos in der Zeitschrift Proceso, sei eher darin interessiert, ihre Rechte als Institution zurückzuerhalten, als die Rechte der Kleriker zu vertreten.212 Demgegenüber befürworteten die befrei-ungstheologisch orientierten Kleriker die PCM-Initiative. So hielt der Jesuit Enrique Maza das Ansuchen zwar für utopisch, wies jedoch darauf hin, dass 208 Vgl. Grupo Politecnico: Mitin en el cine Internacional del PCM., Dokument der DFS im AGN Galeria 1, II-220, L-23, 15.10.1977, 250–259, 4678.

209 Stefan Rinke: Geschichte Lateinamerikas. Vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, Quellenband, J. B. Metzler: Stuttgart 2009, 140.

210 Vgl. Montes Manzano: Los últimos años, 1985: 367.

211 Vgl. Blancarte: Historia de la iglesia católica, 1992: 362ff.

212 Vgl. Oscar Hinojosa: ¿Las sotanas al poder? In: Proceso, 11.06.1977, digital http://www.proceso.com.mx/4305/las-sotanas-al-poder, gesehen am 16.04.2020.

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die Kirche durch die Ablehnung ihren Angehörigen die Rechte abspreche und nicht der Staat.213

Letztendlich unterstützte der mexikanische Klerus doch die Forderung der PCM mit der Argumentation, dass der Staat den Kirchenangehörigen das Wahlrecht nicht verweigern dürfe und eine Verbesserung der Beziehung zwischen mexikanischem Staat und Kirche positiv für beide Institutionen sei. Roberto Blancarte beschrieb die Reaktionen der Kirche:

„La proposición del PCM en la Comisión Federal Electoral sorprendió tanto a dirigentes eclesiales como políticos. La mayor parte de éstos la rechazó por principio y por temor. Sin embargo, sirvió para abrir un debate en el seno de la iglesia y en la sociedad mexicana acerca del papal político y social de la Iglesia en el México contemporáneo.“214

Ziel der PCM war nicht, über die soziale Rolle der Kirche zu diskutieren, sondern vielmehr eine Debatte über die Gleichheit aller Bürger/innen vor dem Gesetz anzustoßen. Zwar war die PCM-Initiative zur Verfassungsänderung nicht erfolgreich, jedoch erreichte sie eine Debatte über politische Gleichheit in Mexiko. Das Forum auf dem Festival de Oposición diente dazu, solche Parteipositionen öffentlich vorzustellen und zu diskutieren. Insgesamt war die Diskussionsrunde zum „Pluralismus der Ideologien“ ein Erfolg, da sie mit 450 Personen sehr gut besucht war. Die PCM trat für die Öffnung gegenüber den Gläubigen ein, da Religion und Politik auf unterschiedlichen gesellschaft-lichen Ebenen stattfänden. Diese Position machte den argumentativen Wandel innerhalb der Partei sichtbar, die die Kirche nicht mehr ausschließ-lich als Instrument der herrschenden Eliten ansah.

Es ist wahrscheinlich, dass die PCM-Delegierten die kontroverse Initiative der Verfassungsänderung vorstellten, die den Geistlichen das passive und aktive Wahlrecht zugestehen sollte. Der respektvolle Umgang der Redner un-tereinander sowie die Adressierung an ihre jeweilige Bezugsgruppe (der PCM-Vertreter wandte sich an die Parteimitglieder, der Kleriker an die 213 Enrique Maza: Derecho del Clero, reto para la iglesia. In: Proceso, 11.06.1977, digital https://www.proceso.com.mx/4327/derechos-del-clero-reto-a-la-iglesia, gesehen am 30.04.2020.

214 Blancarte: Historia de la iglesia católica, 1992: 362.

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Gläubigen) legt nahe, dass die Podiumsredner ihre Basis noch von den neuen Positionen überzeugen mussten. 3.2.2 Christlich-marxistischer Dialog auf dem II. Festival de Oposición

Im Vorfeld des PCM-Festivals von 1978 entbrannte eine heftige Debatte zwischen Klerikern und Laien über die positiven Äußerungen des Bischofs Sergio Méndez Arceo zu sozialistischen Revolutionen.215 Im Februar 1978 hatte Méndez Arceo zusammen mit Ernesto Cardenal von der Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN) und dem spanischen Kommunisten Alfonso Comín, das Kommuniqué „Reflexión cristiana en Cuba“ geschrieben, in dem sie die sozialistischen Revolutionen als Herausforderung für die Kirche beschrieben und der „marxistische Diskurs als Vehikel für die Evangelisierung und den Katechismus in heutiger Zeit“ verstanden wurde.216

Diese Auseinandersetzung wurde auch deshalb polemisch geführt, da es im Vorfeld der Dritten Lateinamerikanischen Bischofskonferenz (CELAM) um eine Positionierung der Kirche gegenüber der Befreiungstheologie ging. Im Verlauf des Jahres 1978 wurde deutlich, dass sich das Kräfteverhältnis innerhalb der Kirche verschoben hatte und die konservativen Gegner/innen der Befreiungstheologie sich im Umfeld des Vatikans konsolidiert hatten.217Dieses innerkirchliche Ringen um die Positionen zur Befreiungstheologie blieb in der mexikanischen Linken nicht unbeobachtet. Zwar erkannte ein Teil der mexikanischen Linken die progressiven Inhalte der Be-freiungstheologie an, jedoch existierten auch weiterhin linke Publikationen, welche die Kirche als Verbündete des Kapitals und Wegbereiterin des 215 Vgl. Concha Malo: La participación de los cristianos, 1986: 167ff.

216 Redacción: Documento de Méndez Arceo, Cardenal y Comín. In: Proceso, 11.02.1978, digital http://www.proceso.com.mx/122452/documento-de-men-dez-arceo-cardenal-y-comin, gesehen am 20.05.2020.

217 Die III. CELAM sollte eigentlich bereits im Herbst 1978 stattfinden, wurde je-doch durch den neuen Papst Johannes Paul II. auf 1979 verschoben. Vgl. Hernández Vicencio: Sergio Méndez Arceo y su visión internacionalista, In: Política y Cultura, Otoño 2012, Nr. 38, 111.

218

Antikommunismus beschrieben.218 In Veröffentlichungen der PCM wurde die Kirche differenzierter geschildert, auf die revolutionären Ansichten der be-freiungstheologischen Strömung hingewiesen sowie der Parteiwille unterstrichen, mit den Gläubigen zusammenzuarbeiten.219 Die Kontakte der PCM zu den christlich-progressiven Organisationen waren 1978 bereits so weit etabliert, dass christliche Organisationen, wie zum Beispiel die christ-liche Gewerkschaft Frente Auténtico de Trabajo (FAT) oder die katholische Laienorganisation Centro Nacional de Comunicación Social (CENCOS), der PCM zur Wahlzulassung gratulierten.220

Diese Verbindungen waren auch auf dem zweiten Festival de Oposición bei der Diskussionsrunde „Christentum und Marxismus“ sichtbar. An ihr nahmen die Befreiungstheologen Porfirio Miranda, Erwin Aguilar und Raúl Macín teil.221 Für die PCM beteiligten sich Gilberto Rincón Gallardo und Pablo Gómez als Moderator. Porfirio Miranda hatte ein Buch über Marx und die Bibel verfasst und war bereits 1971 aus dem Jesuiten-Orden ausgeschieden.222Erwin Aguilar wurde in Oposición als Befreiungstheologe vorgestellt, der eine Ausrichtung der Theologie auf die Basis forderte.223 Erstmals nahm im Jahr 1978 auch der methodistische Geistliche Raúl Macín an der Festivaldebatte teil, der 1977 der PCM beigetreten war.

Wie im vorangegangen Jahr stieß die Debatte auf großes Interesse und das Publikum, das laut Zeitungsberichten den Saal „gut ausfüllte“, hörte „auf-merksam und begierig“ der Debatte zu.224 Rincón Gallardo warb dafür, den Dogmatismus auf beiden Seiten hinter sich zu lassen und die Kirche als he-terogene Institution wahrzunehmen, in der reaktionäre und progressive Strömungen existierten. Er sprach über den innerkirchlichen Richtungskampf und sah die „marxistischen Ideen als Werkzeug, mit denen sich das 218 Vgl. Jorge Carrión: Los modos del anticomunismo. In: Estrategia, Año IV, Vol. 4, Nr. 24 11-12/1978, 62–75, 70.

219 Vgl. Eduardo Montes: Los últimos años, 1985: 385.

220 O. A.: Saludos Fraternales, Oposición 18.–24.05.1978.

221 O. A.: Anuncio del programa del Festivals, Unomásuno 11.05.1978.

222 Vgl. Porfirio Miranda: Marx y la biblia. Critica a la filosofia de la oppression, Sí-gueme: Salamanca 1971.

223 O. A.: Marxistas y cristianos. Diálogo posible, Oposición 4.–10.05.1978.

224 Ebenda.

219

Christentum den Weg bahnen“ könnte, um dem kapitalistischen System etwas entgegenzusetzen.225 Leider zeigen weder Partei- noch Geheim-dienstdokumente, ob die Redner auf dem Festivalforum auf die gemeinsame Initiative der PCM und anderer linker Parteien eingingen, die Forderung des mexikanischen Bischofsrates Consejo Episcopal Mexicano (CEM) nach politi-scher Mitbestimmung zurückzuweisen.

In einem Artikel in Unomásuno , der einen Tag vor Beginn des II. Festivals erschien, stellten Vertreter der PCM klar, dass es ihnen um die demokrati-schen Rechte der Geistlichen und nicht um die Ausweitung des Einflusses von Institutionen ginge.226 In der Festivaldebatte gingen Porfirio Miranda und Raúl Macín auf das schwierige Verhältnis zwischen mexikanischer Kirche und PCM ein. Porfirio Miranda gab an, dass „die Beziehungen zwischen Marxisten und Christen aktuell schmerzhaft, aber notwendig seien“ und Raúl Macín unterstrich im Hinblick auf die III. CELAM, dass eine Positionierung der Kirche notwendig sei, da es eine „Neutralität zwischen Unterdrückten und Unterdrückern“ nicht geben könne.227

Zum Schluss der Diskussionsrunde formulierte das christliche Partei-mitglied Macín, die gemeinsamen Aufgaben von Christ/innen und Sozialist/innen seien die Unterstützung der Organisation der III. CELAM in Puebla sowie die Bündelung aller gemeinsamen Kräfte für die PCM bei den nächsten Wahlen im Jahr 1979, da „nicht die Wahlzulassung, sondern das Schicksal des revolutionären Kampfes auf dem Spiel stehe“.228Auf dem II. Festival de Oposición tauschten sich Parteivertreter mit Befreiungstheologen über die Annäherung zwischen Christ/innen und Marxist/innen aus. Statt inhaltli-cher Kontroversen appellierten die Redner an Kirche und Partei, sich vollständig zu öffnen. Eine Veränderung der mexikanischen katholischen Kirche sei ein Ziel der Zukunft. An der Debatte im Jahr 1978 nahm erstmals auch ein evangelischer Gläubiger teil, der darüber hinaus auch PCM-Mitglied 225 Armando A. Escayola Garduzo: Asunto Festival de Oposición del PCM, Dokument der DFS im AGN, Galeria 1, II-220, L-27, 106, 13.05.1978, 4703.

226 Vgl. o. A.: Rechazan los partidos de izquierda la demanda del CEM para hacer reforma a la Constitución, Unomásuno 13.05.1978.

227 Escayola Garduzo: Asunto Festival de Oposición del PCM, AGN, 13.05.1978, 4704.

228 O. A.: Marxistas y cristianos, Oposición 4.–10.05.1978.

220

war. In seiner Doppelfunktion hielt er das Schlusswort, indem er die nach seiner Meinung anstehenden Aufgaben festlegte, die sowohl Kirchen- als auch Parteiinteressen ansprachen. 3.2.3 Diskussion zur III. CELAM auf dem III. Festival de Oposición

Auf dem dritten Festival de Oposición wurde aus aktuellem Anlass unter dem Titel „ Tercera CELAM: teología de la liberación ?“ (Dritte Lateinamerikanische Bischofskonferenz: Theologie der Befreiung?) diskutiert. Das Fragezeichen hinter dem Titel deutet den innerkirchlichen Richtungskampf bereits an. Die III. CELAM fand zwei Monate vor dem dritten Festival de Oposición in Puebla statt und offenbarte die Spaltung innerhalb der lateinamerikanischen katholischen Kirche. Ihre Ergebnisse waren „weder ein Schritt nach vorn, noch ein Schritt zurück“, denn die Kirchenhierarchie verhinderte eine positive Positionierung zur Befreiungstheologie und den Befürworter/innen der Befreiungstheologie gelang es, ihre Verurteilung zu verhindern.229 Für die mexikanische Bevölkerung war jedoch viel bedeutender, dass der Papst das Land erstmals in seiner Geschichte besuchte, was „die katholische Identität reaktivierte“ und „den Einfluss der katholischen Kirche erstarken“ ließ.230

An der Diskussionsrunde auf dem dritten Festival de Oposición nahmen zwei internationale Vertreter der Befreiungstheologie teil: der holländische Missionar Francisco Vanderhoff, der aus Chile nach Mexiko geflohen war, sowie der brasilianische Priester Francisco Lage Pessoa, der sich ebenfalls in Mexiko im Exil befand.231 Gerade durch die Präsenz der beiden Exilanten aus 229 Vgl. de la Rosa: La iglesia católica en México. In: Cuadernos Políticos, 1979: 103.230 Papst Paul VI. (1963–1978) war der erste Papst, der auf Auslandsreisen ging, nachdem seine Vorgänger ca. 150 Jahre Italien nicht verlassen hatten. Zuerst reiste er ins Heilige Land (1964) und sein erster Besuch in Lateinamerika hatte den Papst 1968 nach Kolumbien geführt, wo er die II. CELAM eröffnete. 1979 besuchte der Papst Mexiko. Vgl. Agustín: Tragicomedia Mexicana, 1993. 182;184.

231 Frans Vanderhoff (oder: van der Hoff) engagierte sich in den armen Regionen im Süden Mexikos. 1986 gründete er die erste Fair-Trade-Gesellschaft mit mexi-

221

Chile und Brasilien dürfte bei der Diskussionsrunde wohl angesprochen worden sein, dass die Lateinamerikanische Bischofskonferenz von Puebla sich jeglicher Äußerung zu den Ereignissen in Nicaragua oder El Salvador enthalten hatte, was Kontroversen in der lateinamerikanischen Kirche aus-löste.232 Neben dem PCM-Mitglied Samuel Mélendez nahm an der Debatte ebenfalls der Priester Miguel Concha Malo teil, ein enger Vertrauter des Bischofs von Cuernavaca, Baltasar López Bucio. Dass an der Diskussionsrunde nur ein PCM-Mitglied teilnahm, zeigt wie einvernehmlich das Verhältnis zwischen PCM und den befreiungstheologisch orientierten Organisationen und Klerikern war.

Aus diesem Jahr sind keine DFS-Mitschriften der Festivaldebatten archi-viert und auch in der Berichterstattung der Parteipresse hatten die III. CELAM weit weniger Gewicht als die Artikel zum 60-jährigen Bestehen der Partei oder die Teilnahme der PCM an Wahlen von 1979. Es ist wahrschein-lich, dass die internationalen Befreiungstheologen ihre Erfahrungen sowie die Ereignisse der III. CELAM auswerteten.

Zwar gab Eduardo Montes in seinem Beitrag zur Geschichte der PCM an, dass gerade die III. CELAM die Parteiführung in ihrer Öffnung gegenüber den Christ/innen bestärkt habe, jedoch erschienen 1979 relativ wenige Artikel über die Befreiungstheologie. Die Parteiberichterstattung war auf die Wahlbeteiligung der PCM fokussiert, die kaum zwei Monate nach dem kanischen Kaffeebauern. Vgl. Rubén Aguilar: Frans van der Hoff: el pionero del comercio justo, Animal Político, 10.06.2013, digital https://www.animalpolitico.com/blogueros-lo-que-quiso-decir/2013/07/16/frans-van-der-hoff-el-pione-ro-del-comercio-justo/, gesehen am 30.05.2020; Francisco Lage Pessoa gehört zur ersten Generation von brasilianischen Exilant/innen und engagierte sich im Sprachzentrum der UNAM. Vgl. Mario Antonio Villanueva Velasco: Brasil. Ámelo o déjelo. El caso del exilio de académicos brasileños en México y sus aportes, digital https://repositoriosdigitales.mincyt.gob.ar/vufind/Record/MemAca_13f04745c-15767f6ec9978590385b8ed, gesehen am 29.04.2020.

232 Vgl. Concha Malo: La participación de los cristinanos, 1986: 179ff. Positiver ge-genüber dem Papst ist Dussel: De Medellín a Puebla, 1979: 551ff.

222

Festival als Teil des Bündnisses Coalición de Izquierda an den Wahlen teil-nehmen sollte. 3.2.4 Christen in der aktuellen Konjunktur – Debatte auf dem IV. Festival de Oposición

Beim vierten und größten Festival de Oposición 1980 fand eine Diskussionsrunde mit dem Titel „Christen in der aktuellen Konjunktur“ statt. Die Entwicklungen innerhalb der katholischen Kirche zum Thema auf den PCM-Festivals zu machen, hatte 1980 den Hintergrund, dass der innerkirch-liche Richtungskampf besonders virulent war und befreiungstheologisch orientierte Kleriker in Lateinamerika unter Repressionen litten. Lediglich drei Wochen vor Beginn des IV. Festival de Oposición war der Be-freiungstheologe und Erzbischof von San Salvador, Óscar Arnulfo Romero y Galdámez, von in den USA ausgebildeten Auftragskillern der rechten Todesschwadronen ermordet worden, was den Beginn des Bürgerkriegs in El Salvador markierte. Der Mord machte deutlich, wie Gilberto Meza in Oposición kommentierte, wie viel Angst die Befreiungstheologie in rechten Kreisen erzeugte und wie weit diese bereit waren zu gehen, um ihre Verbreitung zu verhindern.233

In Mexiko fanden ein Gedenkmarsch und eine Messe für Erzbischof Rome-ro statt, an der sich auch hochrangige Vertreter der PCM, wie Valentín Cam-pa, beteiligten. Dabei betrat erstmals eine Gruppe von PCM-Mitgliedern mit erhobenen Fäusten und einer roten Fahne die Basilika von Mexiko-Stadt.234In der PCM-Presse wurde diese vereint zelebrierte Messe als bedeutsame Solidaritätsaktion dargestellt, die zeige, dass „ein gemeinsames Vorgehen 233 Gilberto Meza: Les suplico, les ruego, les ordeno en nombre de Dios que cese la represión, Oposición 30.03.1980.

234 Vgl. Redacción: La bandera del PC ondeó en la Villa. In: Proceso, 05.04.1980, di-gital http://www.proceso.com.mx/128276/la-bandera-del-pc-ondeo-en-la-villa, gesehen am 23.04.2020.

223

von Christen und Kommunisten problemlos möglich sei, wenn es um die höchsten Interessen des Volkes gehe“.235

In der PRI-nahen Presse hingegen wurde die Teilnahme der PCM an der Messe skandalisiert und als Versuch der Spaltung der Linken bewertet. Gil-berto Rincón Gallardo beschrieb die Gedenkmesse in seiner Replik wie folgt:„El 2 de Abril en la Basílica se ofició una misa, los creyentes rezaron, los no creyentes acompañaron respetuosamente a los primeros en un sentimiento de solidaridad compartida. El hecho escandalizó a reacci-onarios y jacobinos. No es la primera vez, pero sí una de las más demostrativas de que el diálogo entre marxistas y cristianos encarna ya en una realidad promisoria.“236

Der PCM-Beauftragte für die Kontakte zur Kirche deutete die Gedenkdemonstration als Teil einer „vielversprechenden Wirklichkeit“, die die Öffnung der PCM gegenüber der Religion konkret werden lasse. Dass die Parteilinie bereits umgesetzt wurde, zeigte sich in dem regen, inhaltlichen Austausch zwischen PCM und der christlichen Organisation CENCOS, deren Treffen vom mexikanischen Geheimdienst beobachtet wurden.237

Weiterhin belegen Artikel in der PCM-Presse über gemeinsame Aktionen von Christ/innen und Marxist/innen und über antikommunistische Kampagnen konservativer Kleriker, dass die Öffnung der Partei gegenüber den Gläubigen bereits real war.238 In El Machete bezeichnete Victor Ramos 235 Vgl. o. A.: Cristianos y marxistas: un paso adelante, Oposición 13.04.1980.

236 Gilberto Rincón Gallardo: Encarnó ya el diálogo cristianos y marxistas, Oposi-ción 20.04.1980.

237 So fand beispielsweise ein Treffen zwischen den Mitgliedern der 7. Sektion der PCM und den Mitgliedern des CENCOS im März 1980 in Mexiko-Stadt statt, an dem laut Geheimdienstberichten ca. 70 Personen teilnahmen. Vgl. Evg.: En el Auditorio del CENCOS, Dokument der DFS im AGN, Galeria 1, 778, 01.03.1980, 009-037-005, 4909; Grupo I.: Manifestación-Mitin organizado por el Comité de Solidaridad con el pueblo salvadoreño, Dokument der DFS im AGN, Galeria 1, 778, 19.06.1980, 009-048-213, 6320– 6338, 6337; Ansh: El PCM hizo algunos planteamientos de criti-ca al tema del reparto de utilidades, Dokument der DFS im AGN, Galeria 1, 778, 07.03.1980, 009-037-005, 4910–4911.

238 Vgl. o. A.: Cristianos y marxistas, Oposición 13.04.1980; o. A.: Don Gorgonio de-testa a los comunistas guadalupanos. In: El Machete, Nr. 5, 09/1980, 9.

224

den Annäherungsprozess zwischen Christ/innen und Marxist/innen als „ge-genseitige Notwendigkeit“:

„Muchos sectores de la Iglesia han adoptado el análisis marxista de la sociedad porque la Iglesia, en cuanto tal, no tiene un proyecto viable para la construcción de la sociedad. Y los marxistas necesitan de la compresión y vivencia de fe del pueblo para cimentar en roca su proy-ecto. Necesidad mutua – estrategia u orgánica – es el fundamento de nuevos caminos duraderos, auténticamente revolucionarios.“239

El Machete veröffentlichte einige Beiträge über Religion und Sozialismus und bot den Leser/innen auch Buchbesprechungen und Künstlerinterviews zum Thema an. So wurde dort beispielsweise der Schriftsteller Vicente Leñero in einem Interview mit den Worten zitiert, „ein Kommunismus mit christlicher Färbung sei die perfekte Lösung“.240 Ferner wurde in der Zeitschrift El Machete die „organische Verbindung“ zwischen Glauben und Sozialismus auch visuell sichtbar: In einem Artikel über die Inhalte des XIX. Kongress der PCM suggerierten sowohl Überschriften wie „Die Partei am Kreuzweg“ oder „Die heiligen Prinzipien der Arbeiter Avantgarde“ als auch die Bebilderung des Parteikongresses mit kirchlichen Motiven einen Vergleich zwischen beiden Organisationen.241

Das neue Verhältnis zwischen Marxist/innen und Christ/innen fand auch Eingang in das Parteiprogramm von 1980, in dem das Verständnis zwischen beiden als Grundlage für eine sozialistische Revolution bezeichnet und als Langzeitprojekt beschrieben wurde.

„En la relación entre marxistas y cristianos empieza a darse un im-portante cambio. Esta nueva realidad tiene una proyección de largo

239 Victor Ramos: La iglesia mexicana en 1968. In: El Machete, Nr. 5, 09/1980, 20–24, 24.

240 José Ramón Enriquez: Entrevista a Vicente Leñero: Jesuscristo Gómez y el Evan-gelico Socialista. In: El Machete, Nr. 5, 09/1980, 25–28, 27; J. R. S: La iglesia ante la homosexualidad. In: El Machete, Nr. 4, 08/1980, 60.

241 Vgl. Roberto Borja, Fernando Daniel: ¿Qué pasará en el XIX Congreso? In: El Ma-chete, Nr.5, 09/1980, 29–32.

225

plazo, porque en México las grandes tareas de la revolución socialista no pueden llevarse a cabo sin el entendimiento de cristianos y mar-xistas. […] el desarrollo de la relación entre cristianos y marxistas, exige el reconocimiento franco por parte de los comunistas de la capa-cidad de transformación socialista de la sociedad y ha originado que numerosos creyentes ingresen al Partido Comunista Mexicano seguro de encontrar absoluto respeto a sus creencias religiosas. En el PCM participan libremente quienes profesan una religión. Se trata de cristi-anos que han decidido luchar por la democracia y el socialismo.“242

Im zitierten Parteiprogramm wurde auf die „zahlreichen Gläubigen, die in die PCM eingetreten sind“ verwiesen, was erklärt, warum nun nicht mehr das Verhältnis zwischen Christ/innen und Marxist/innen, sondern die Situation der Befreiungstheologie Thema auf dem IV. Festival de Oposición war. Auf dem PCM-Festival im Jahr 1980 fand in Saal 1 die Diskussionsrunde „Christen in der aktuellen Konjunktur“ statt. In diesem Jahr diskutierten gleich zwei gläubige PCM-Mitglieder, Raúl Macín und Ramón Kuri Camacho, mit dem mexikanischen Befreiungstheologen Raúl S. Vidales, der eng mit Gustavo Gutiérrez zusammenarbeitete.

Ferner nahmen der ehemalige Jesuit José Porfirio Miranda und der Direktor des CENCOS, José Àlvarez Icaza, an der Debatte teil. Ramón Kuri Camacho fungierte auf diesem Podium als Moderator. Sowohl Porfirio Mirando als auch Raúl Macín waren bereits zum zweiten Mal als Redner beim Festival de Oposición zu Gast.243 Alle Redner bezogen sich auf den Mord an Erzbischof Romero und nahmen diesen zum Anlass, über die Repression gegenüber den Befreiungstheologen zu sprechen. Kuri Camacho zählte unterschiedliche politische Positionen innerhalb des Klerus auf und sprach über die aktuellen 242 Proyecto para el XIX Congreso: Tesis 30. El PCM y los cristianos. In: El Machete, Nr. 7, 11/1980, 62–63.

243 Beide hatten sich bereits 1978 am runden Tisch „Christentum und Marxismus“ beteiligt.

226

Perspektiven der Gläubigen. Bereits einen Monat vor dem Festival de Oposición hatte Kuri Camacho seine Position in Oposición dargelegt:

„La llamada ‚problemática cristiana‘ no constituye desde este punto de vista solo la práctica religiosa en México (como fenómeno religioso) sino que se vincule en el desarrollo mismo de un objetivo a alcanzar, de la liberación latinoamericana. Y es que en unos años más, quizás 5 o 6 – más de la mitad de la Iglesia Católica constará de latinoameri-canos. […] Por otra parte, en los partidos revolucionarios militan creyentes que están bajo la dirección de los partidos marxistas. […] Es decir que un sector cada vez más creciente de creyentes descubre la convergencia entre la radicalidad de su fe y la radicalidad de su com-promiso político y la vigencia de su fe a partir de su acción política de la lucha por el socialismo.“244

Für Ramón Kuri Camacho verband sich die Befreiungstheologie mit den revolutionären Bewegungen in Lateinamerika und eine potentiell anstei-gende Anzahl politisierter Christ/innen unterstützte den Kampf für den Sozialismus. Raúl Macín nahm ebenfalls Bezug auf den Prozess der Radikalisierung der Christ/innen in Lateinamerika und analysierte die Entwicklung des Christentums in Lateinamerika seit den 1960er-Jahren.245 Der dritte Redner, José Alvarez Icaza, appellierte an die Christen, auf dem Weg zum Sozialismus eine „strategische Allianz mit den Marxisten einzu-gehen und eine tief reichende Arbeit innerhalb der Kirche zu leisten“. Gleichzeitig rief er die Kommunist/innen auf, eine weitreichende Bewusstseinsarbeit und Politisierung durchzuführen.246 Noch ein Jahr nach der III. CELAM prognostizierten die Redner auf dem Festivalpodium ein Erstarken der Befreiungstheologie in Lateinamerika, das große Auswirkungen auf die Linke haben werde, was in den achtziger Jahren 244 Ramón Kuri Camacho: Monseñor Romero en la lucha y en la historia, Oposición 13.04.1980.

245 P. L. L.; F. V. T.; R. F. G.: En el segundo día del trabajo del IV. Festival de Oposición, Dokument der DFS im AGN, Galeria 1, 778, 17.05.1980, 009-037-005, 6272–6284, 6276.

246 P. L. L.; F. V. T.; R.F.G.: En el segundo día del trabajo del IV. Festival, AGN, 17.05.1980, 6276.

227

jedoch nicht eintrat.247 Die Mitschrift des Geheimdienstes zu dieser Debatte war 1980 sehr ausführlich und registrierte diesmal nicht nur die Reden, sondern auch das anschließende Publikumsgespräch. Grund dafür könnte das große Aufsehen gewesen sein, das die gemeinsame Gedenkmesse für Erzbischof Romero erregt hatte. Die Podiumsredner beantworteten Publikumsfragen (der Bericht gibt nicht an, wer antwortete) und äußerten sich im Gespräch kritisch über die Diktatoren Pinochet und Videla, die sich selbst als Christen bezeichneten, jedoch unmenschlich handeln würden. Sie befürworteten die Initiative der PCM, Abtreibungen zu legalisieren, damit Frauen nicht weiterhin nach unprofessionellen Abtreibungen starben.248

Die PCM unterhielt gute Kontakte zu christlichen Organisationen und die Parteipresse berichtete ausführlich über innerkirchliche Entwicklungen. Die Repressalien gegenüber den Befreiungstheolog/innen und ihre Unter-stützung beschäftigten die PCM und so war auch die Festivaldebatte auf dem IV. Festival de Oposición diesem Thema gewidmet. 1980 war die Öffnung der PCM gegenüber gläubigen Menschen auch auf den Festivals sichtbar, da gleich zwei christliche PCM-Mitglieder an der Debatte teilnahmen und sie in ihrer „Doppelfunktion“ strukturierten. 3.2.5 Christ/innen und Marxist/innen – 1981 kein Thema mehr?!

Das letzte PCM-Festival fand vom 18. bis 20. Dezember 1981 in reduzierter Form statt, da die PCM sich zu diesem Zeitpunkt mitten im Fusionsprozess 247 Mit dem Zusammenbruch der Ostblock-Staaten wurde häufig auch das Ende der Befreiungstheologie konstatiert. Gustavo Gutiérrez argumentierte dagegen, die Option für die Armen sei unsterblich. Vgl. Gustavo Gutiérrez: Labor y contenido de la teología de la liberación. In: Christopher Rowland: La teología de la liberación, University Press: Cambridge/New York/Madrid 2000, 41–63; Leonardo Boff: Op-ción por los pobres y teología de la liberación. In: José María Vigil: Sobre la opción de los pobres, Abya-yala: Quito 1998, 115–128; Giulio Girardi: Optar por los pobres después de la cri'is del /sociali'mo real/. In: José María Vigil: Sobre la opción de los pobres, Quito: Abya-yala 1998, 103–114.

248 P. L. L.; F. V. T.; R.F.G.: En el segundo día del trabajo del IV. Festival, AGN, 17.05.1980, 6279.

228

227zur Partido Socialista Unificado de México befand. In diesem Jahr fand keine Diskussionsrunde zu Religion oder Glaube statt. Allerdings wurde das Thema „Christentum und Sozialismus“ in einem evaluierenden Kommentar der Festivales de Oposición als eines der wichtigen Themen bezeichnet, die auch das neue Festival de Unidad beibehalten und behandeln sollte.249Nichtsdestotrotz nahm auch im letzten Jahr vor der Fusion der PCM zur PSUM die Sichtbarkeit der Gläubigen in der Partei zu: 1981 gründete sich die PCM-Parteizelle „Alfonso Comín“, nach dem bekennenden Christen und ZK-Mitglied der Spanischen Kommunistischen Partei Alfonso Comín benannt, in der sich Christ/innen organisierten. Dies gab den Christ/innen in der Partei mehr Ausdrucksmöglichkeiten, da sie sich eigenständig zu Wort melden konnten. Nach Angaben von Victor Ramos schrieben christliche PCM-Mitglieder dieser Parteizelle in El Machete und ein Zellenmitglied ge-hörte dem Zentralrat der PCM an.250Nach der Fusion zur PSUM bestand die 249 Vgl. Polo Gasca: El hueco de la cultura, Oposición 20.12.1981.

250 Roberto Blancarte erhielt seine Informationen über die christliche Parteizel- Abb. 4.9 Die Mysterien der PCM. Was passiert auf dem XIX.

Parteikongress? Grafik Design: Rafael López Castro; Marisela Bracho;

Alberto Castro Leñero; Germán Montalva. In: Roberto Borja; Fernando

Danel: ¿Qué pasará en el XIX congreso? El Machete Nr.5, 09/1980, 29.

229

Parteizelle Alfonso Comín weiter und die neue Partei übernahm in Bezug auf die Religion weitgehend die Positionen der PCM. Auch die PSUM erkannte den Glauben als Privatsache jeder/s einzelnen an und lud religiöse Menschen ein, gleichberechtigte Mitglieder der PSUM zu werden. Die Parteizelle Alfonso Comín publizierte ein Flugblatt, das die PSUM-Positionen darlegte und die Christ/innen dazu aufforderte, bei den Wahlen für die PSUM zu stimmen.251

Festzuhalten bleibt: Obwohl beim letzten Festival de Oposición keine Diskussionsrunde über die Befreiungstheologie stattfand, hielt die PCM bis zum Ende ihres Bestehens an der Integration von gläubigen Menschen in der Partei fest und stand im engen Austausch mit den befreiungstheologisch ori-entierten Organisationen und Klerikern. Innerhalb der PCM organisierte sich eine christliche Parteizelle, die es den Christ/innen vereinfachte, ihre Positionen in das Parteileben einzubringen. Die Parteizelle Alfonso Comín bestand auch nach der Fusion zur PCM weiter und die PSUM übernahm die PCM-Positionen zur Religion.

In der Betrachtung der fünf Festivaljahre zeigt die Detailanalyse der Diskussionsrunden zum Verhältnis von Glaube und Sozialismus, dass die Beziehungen zu den befreiungstheologisch orientierten Organisationen le von Victor Ramos. Wer die Mitglieder der Zelle Alfonso Comín waren, wird bei Blancarte aus „offensichtlichen Gründen“ nicht angegeben. Vgl. Blancarte: Historia de la iglesia católica, 1992: 399; Víctor Manuel Reynoso: Presencia del pensamiento católico en los partidos políticos del México contemporáneo. In: Roberto Blancarte: El pensamiento social de los católicos mexicanos, Fondo de la Cultura Económica: México D. F. 1996, 142–168, 158f.

251 So verlangten die Christ/innen in der PCM, dass die Kritik der Marxist/innen an der Institution Kirche unter Gläubigen diskutiert und anerkannt werde. In dem Flugblatt wurden selbst Äußerungen des konservativen Kardinals Ernesto Corri-pio Ahumada zitiert, um ihre Positionen zu belegen. Der Kardinal dementierte dies vehement und warnte in einer eigenen Publikation vor der Stimmenabgabe für die PSUM, da diese den Glauben in Gefahr bringe. Vgl. Blancarte: Historia de la iglesia católica en México (1929–1982), 1992: 368.

230

stetig enger wurden und die PCM sich für die Christ/innen öffnete, da der Glaube als Privatsache jenseits der Politik verstanden wurde. Resümee

Im dritten Kapitel konnte gezeigt werden, dass sowohl die Thesen der Befreiungstheologie als auch die Forderungen nach Gleichberechtigung von Frauen und Homosexuellen auf den Festivals kontrovers und vor einem großen Publikum diskutiert wurden. Es gelang der PCM, gute Kontakte zu den neuen politischen Bewegungen aufzubauen und sie für eine Teilnahme an ihren Festivals sowie eine Kooperation mit der Partei zu gewinnen. So zum Beispiel in gemeinsamen Veranstaltungen mit befreiungstheologisch orientierten Institutionen oder in gemeinschaftlichen Kampagnen mit den Neofeminist/innen zur Legalisierung der Abtreibung.

Der von den neuen Bewegungen intendierte gesellschaftliche Wandel rührte auch an bis dahin feste Moralvorstellungen der Partei und regte Diskussionen um Ungleichbehandlung, Selbstbestimmung und Demo-kratiedefizite an. Hierbei zeigte sich, dass die PCM nun zwischen der politischen Einstellung und dem Privatleben der Parteimitglieder unter-schied. Ablehnung von Religion als „Opium fürs Volk“ und Feminismus als bürgerlicher Bewegung wurden durch differenzierte Analysen ersetzt.

Die PCM veränderte sich durch den Austausch mit den neuen Bewegungen, wie in der Akteur-Netzwerk-Theorie von Latour beschrieben. Ihre Vernetzung mit den Bewegungen war konkret und lokal; die Auswirkungen dieses Austausches jedoch reichten weiter und beeinflussen das theoretische Verständnis der Partei. Die PCM wurde durch neue inhaltliche Anregungen und daraus resultierenden parteiinternen Debatten zu einer reformorien-tierten kommunistischen Partei.

Ab 1980 zeigt die PCM auch öffentlich bei den Festivals, dass unterschied-liche Meinungen innerhalb der Partei existierten. Sie überwand damit zumindest punktuell die fehlende parteiinterne Demokratie und die Unterordnung der eigenen Meinung unter Parteivorgaben. Die Mexikanische

231

Kommunistische Partei wagte es neue und ungewöhnliche Positionen zu be-ziehen, um sich als autonome politische Kraft zu präsentieren.

Die Öffnung der PCM gegenüber der Befreiungstheologie ergab sich aus dem revolutionären Gehalt der christlichen Strömung, die in Lateinamerika durch den Einsatz von Befreiungstheologen wie Camilo Torres oder Ernesto Cardenal verkörpert wurde. Als originär lateinamerikanische Bewegung war ein positiver Bezug der PCM schlüssig und eine Solidarisierung beinahe un-umgänglich. Da die Befreiungstheologie Teil der originären revolutionären Entwicklungen war, die in der lateinamerikanischen Linken das Vertrauen auf weitere Revolutionen auf dem Kontinent nährten und erreichten, dass lateinamerikanische (und europäische) kommunistische Parteien ihren Diskurs zu Glauben und Kirche veränderten. Der Eintritt von Christ/innen in die Partei veränderte ihr Verhalten von innen heraus, was sich an der „christ-lichen“ Zelle in der PCM zeigte und bei den Festivaldebatten in der Doppelrolle von Podiumsredner/innen als PCM-Mitglied und Gläubige/r zeigte.

Demgegenüber war die Öffnung der PCM gegenüber den global vernetzten Neofeminist/innen und der Homosexuellen-Bewegung, die sich im Nachklang der 1968er-Bewegung entwickelten und auf die Schwesternbewegungen in den USA und Europa bezogen, unter kommunistischen Parteien in Lateinamerika ungewöhnlich. Im Bezug auf die Homosexuellen-Bewegungen stand die PCM den Positionen der eurokommunistischen Parteien näher, die öffentlich über Liebe und Homosexualität debattierten, als den sozia-listischen Parteien im Ostblock und auf Kuba, die Homosexualität noch als Straftatbestand sahen. Den Feminismus lehnte die PCM zunächst als bürger-liche Bewegung ab, veränderte jedoch im Dialog mit den Neofeminist/innen und den Frauen in der Partei langsam diese Position. Die Frauen in der PCM organisierten sich im Frauenkomittee eigenständig und zu Beginn der acht-ziger Jahre wäre eine linke Partei ohne autonome Frauenorganisierung in der mexikanischen Linken kaum mehr denkbar gewesen. Ähnlich wie ihre italienischen Genossinnen, berichteten Frauen aus der PCM vom außerge-wöhnlichen Kampf des „doppelten Aktivismus“ der notwendig war, um Veränderungen zu erreichen.

So existierten feine Unterschiede in der Parteiargumentation im Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper. Während die PCM die Forderung der Homosexuellenbewegung nach freier Wahl der Sexualität

232

anerkannte und die Wahl der Sexualpartner/innen als Privatsache ansah, be-gründete die Partei die Legalisierung der Abtreibung nicht mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen über ihren Körper, sondern mit der hohen Sterberate von Frauen. Die militanten Attacken der Pro-Vida -Gruppen gegenüber Parteimitgliedern, die sich für die Legalisierung der Abtreibung engagierten, war zudem für die Mitglieder gefährlich.

Wie breit und nachhaltig diese Positionsveränderungen in die PCM hineinwirkten, kann hier nicht abschließend untersucht werden. In den letzten zwei Untersuchungsjahren existierten immer noch Kontroversen zu den Themen Gleichberechtigung und Abtreibung in der Partei, während die Vereinbarkeit von Glauben und Marxismus nur noch in geringem Maße ein Diskussionsthema war. In der neu gegründeten PSUM wurden die politischen Positionen zu Religion und Feminismus erneut verhandelt: So waren die PSUM-Mitglieder zwar weiterhin bereit, gläubige Menschen in die Partei aufzunehmen, sie verstanden ihre Partei jedoch nicht als „feministisch“ und lehnten eine Anfrage, die das Recht auf freie Sexualpartnerwahl in den Parteistatuten festgeschrieben hätte, ab. Im nächsten Kapitel wird die auf den PCM-Festen präsentierte Kunst und Kulturpolitik der Partei im Fokus der Untersuchung stehen. Ähnlich wie bei der Untersuchung der politischen Debatten interessieren sowohl die inhaltlichen Richtungsdebatten als auch die konkrete Praxis der Partei. Dabei bietet sich die Untersuchung der Musikkonzerte als größte Veranstaltungen der Festivals an, um darüber die internationalen Vernetzungen der PCM und ihre Beziehung zu den Teil-nehmenden in den Blick zu rücken.

233

232

4 „Primero la música!“ – Die Festivales de Oposición als kulturelles Happening

Bei allen befragten Zeitzeug/innen sind die Festivales de Oposición vor allem wegen ihrer Konzerte in Erinnerung geblieben. Zwar variierte die Motivation, an den PCM-Festen teilzunehmen, von der Freude an der Parteiveranstaltung über die Liebe zur politischen Musik bis hin zur Lust am Happening, jedoch waren für alle die Konzerte von großer Bedeutung. So unterstrich der Abb. 5.1 Schallplatte des zweiten Festival de Oposición.

Compilation: Segundo Festival de Oposición, Discos Fotón,

México 1978.

234

Direktor der PCM-Zeitung Oposición , Marcos Leonel Posadas, dass sie für ihn ein Barometer des Erfolgs der Veranstaltung waren:

„Las primeras funciones [de los conciertos] fueron con la sala medio llena, pero la última se llenó totalmente. […] Cuando el concierto fina-lizó se juntaron todos los artistas y empezaron aventar claveles rojos a la gente. Todos estábamos felices – 6 o 7 mil personas. Allí se vio si salió bien […] haciendo un festival.“1

Auch Sol Mejía sah die Festivals der PCM als politische Veranstaltung und nahm als Teil des mexikanischen Solidaritätskomitees für Nicaragua ( Comité Mexicano de Solidaridad con el pueblo de Nicaragua ) teil. Für sie boten die Festivales de Oposición eine der seltenen Gelegenheiten, ihre Musik auf der Bühne zu sehen.

„De los festivales recuerdo primero la música. […] Yo no fui nada de los

Beatles, ni nada me gustaba la música inglesa […] se me hacia tibia. En cambio toda la música latinoamericana, la música de protesta me gustaba. […] No sé, de que tanto pudiera levantar la música la con-ciencia, pero sí, […] era un momento importante donde la izquierda se manifestaba.“2

Für Maria Eugenia Pulido hingegen, Radiosprecherin und Moderatorin des ersten Festivals de Oposición , ging es darum „dabei gewesen zu sein“. Für sie waren die Musik das „Herzstück der Festivals“, bei dem Kunst und Politik verschmolzen. Ihre Teilnahme hatte weniger mit politischen Positionen als mit der „Lust an Happening und Protest“ zu tun.3 Es ist interessant, dass obwohl die Besucher/innen der politischen Linken zuzuordnen ist und die angebotenen Debatten sicherlich mit Interesse verfolgten, es nicht die Diskussionsrunden, sondern die Konzerte des Canto Nuevo sind, die sich auf den Festivals als Publikumsmagnet erwiesen.

1 Interview mit Marcos Leonel Posadas am 21.02.2014 in Tlalpan, Mexiko-Stadt.

2 Interview mit Sol Mejía am 24.02.2014 in San Rafael, Mexiko-Stadt.

3 Interview mit Maria Eugenia Pulido am 19.05.2011 in Álvaro Obregón, Mexi-ko-Stadt. (eigene Übersetzung)

235

Die Musik schuf schein Gemeinschaftsgefühl zwischen Künstler/innen, Publikum und Partei. Auf den Live-Mitschnitten der Konzerte sind die Interaktionen zwischen Publikum und Künstler/innen festgehalten: Gruppen wurden stürmisch beklatscht, gemeinsam Sprechchöre gerufen oder Refrains gesungen.4 Die Kampflieder, Balladen und Volksweisen vermittelten poli-tische Überzeugungen, zumindest temporär überwand das Gemeinschaftsgefühl ideologische und reale Unterschiede verschiedener re-volutionärer Gruppen.

In den Begegnungen auf den Festivals entstand eine besondere „Synchronizität von Lied und Zeitgeschichte“, wenn kubanische Gruppen vom Alltag der Revolution, chilenische Bands über das Exil und nicaraguanische Künstler/innen von Revolutionsetappen sangen.5 Die Musik der Festivals war nicht nur ein „kulturelles Nebenprodukt“ politischer Verbindungen, sondern fungierte als Übersetzungsleistung oder das „Movens“, das Menschen bewegte und motivierte. Latour führte hierzu die Kategorie des „Mittlers“ als Ereignisse ein, der Bedeutungen oder Elemente übersetzt, modifiziert und transformiert. Mittler sind spezifisch, komplex und konstituieren und reproduzieren Gruppen.6

Die Musik der Canto Nuevo- Festivalkonzerte war ein „Mittler“ im internationalen Austausch, der Menschen zusammenbrachten und ein Gefühl der Kollektivität schuf. Aus Vielfalt, Synchronizität und der Ausrichtung auf Veränderung, entstand ein temporäres Gemeinschaftsgefühl zwischen Menschen aus unterschiedlichen Erdteilen. Dabei erinnerte das Verhältnis von Künstler/innen und Fans gegenüber der Musik an die Beziehung von Spieler/innen beim Ballspiel: ohne Ball kein Spiel, nur wenn der Ball zirkuliert, kommt es zum Ballspiel. Der oder die Spieler/in folgt und bedient den Ball, weit davon entfernt, sich seiner zu bedienen. Der Ball ist für Latour ein „Mittler“ oder „Quasi-Objekt“, dass über seine Objektfunktion Ver-bindungen und soziale Interaktionen innerhalb der Gruppe hervorbringt. „Quasi-Objekte“ zirkulieren im Netz, knüpfen und stabilisieren die Gruppe.74 Hörbar zum Beispiel auf den Langspielplatten der Festivales: Primer, Segundo y tercer Festival de Oposición, Discos Fotón, México aus den Jahren 1978 und 1979.5 Kirchenwitz: Folk, Chanson und Liedermacher in der DDR, 1993: 69f.

6 Vgl. Latour: Eine neue Soziologie 2007: 70f.

7 Vgl. Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen

236

Die Musik bringt Künstler/innen und Fans in Bewegung und konstituiert Gemeinschaft zwischen Menschen über Raum und Sprachbarrieren hinweg. Ausgehend von der großen Bedeutung der Festivalkonzerte und der ge-fühlten Kollektivität der Teilnehmenden widmet sich das vierte Kapitel den Festivales de Oposición als Kulturveranstaltung. Dazu ist es zunächst not-wendig zu bestimmen, welche Art von Kunst auf den Festivalbühnen präsentiert wurde. Aus dem vielfältigen kulturellen Angebot der Festivals wurde hier für die Analyse die Konzertmusik ausgewählt, da diese Veranstaltungen der PCM-Feste am meisten besucht waren. Das vierte Kapitel unterteilt sich in zwei Teile:

Im ersten Abschnitt „Gefährlicher als ein Guerillero“ werden Inhalte, Organisationsformen und Performance der Festivalkunst untersucht, denn ihr politischer Gehalt hatte Folgen für die Verbreitung und Produktion. Im zweiten Abschnitt wird die Beziehung zwischen der PCM und Musiker/innen des Canto Nuevo Mexicano nachgezeichnet und die Motivation beider für eine Zusammenarbeit auf den Festivals erforscht. Dies ist sinnvoll, um die Ergebnisse in der Detailanalyse von Repertoire und der Performance ein-zelner mexikanischer und internationale Musikgruppen in Kapitel fünf einordnen zu können. 4.1 Gefährlicher als ein Guerillero – Die Gegenkultur des Canto Nuevo Latinoamericano

„Ein Guerillero stirbt nicht, um an die Wand gehängt zu werden“ – dieser provokante Titel von Roberto Jacoby verdeutlicht die Politisierung der Kunst in den siebziger Jahren. Diese politisierte Kunst wollte kein Genuss mehr sein, sondern die ungeschönte Realität zeigen. In den siebziger Jahren er-reichten die Werke politisierter Künstler/innen wie Janis Joplin, Joseph Beuys oder Yoko Ono große Popularität, da ihre Provokationen etwas Neues waren. Ebenso wie die jugendlichen Revolutionäre waren die angesagten Anthropologie, Suhrkamp: Frankfurt a. M. 2008, 70ff.

237

236

Künstler/innen jung, lebten ungewöhnliche Lebensentwürfe und vertraten ihre Kritik nicht als politische Analyse, sondern als authentischen Teil des Lebensgefühls.

Die politisierte Kunst entstand im Zuge der weltweiten 1968er-Proteste und grenzte sich deshalb sowohl von den bürgerlichen Normen als auch Dogmen der traditionellen Arbeiterbewegungen ab. Sie experimentierte mit neuen Themen und Protestformen und entwickelte neue Entwürfe von Emanzipation. Die politisierte Kunst wollte nicht Dekoration sein, sondern zum Handeln inspirieren, neue Formen kreieren und sich gesellschaftliche Räume aneignen.8

Diese Kunst bezog politisch Position, stellte vergangene und aktuelle Kämpfe dar. Sie vermittelte Kritik und Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Den positiven „sozial emanzipatorischen Zukunfts-bezug“9 hatte die politische Kunst mit der Linken gemein. Trotz inhaltlicher Übereinstimmung war das Verhältnis zwischen politisierten Künstler/innen in Mexiko und PCM nicht einfach. Die politisierten Künstler/innen sahen sich als Teil der „Neuen Linken“, die die tra-ditionellen Arbeiterbewegungen zwar kritisierten, sich jedoch weiterhin im Umfeld der marxistischen Linken und damit auch der kommunistischen Parteien bewegten. Sie kritisierten nicht nur die politischen Dogmen der PCM, sondern auch ihr Kunst-verständnis, das die Kunst stets unter den Zweck der Politik untergeordnet

8 Vgl. Jacques Rancière: Die Aufteilung des Sinnlichen. Die Politik der Kunst und ihre Paradoxien, b_books: Berlin 2006, 86.

9 David Mayer: Contrahistorias, 2009: 132.

Abb. 5.2 Einen Guerrillero hängt man nicht an die Wand. Roberto

Jacoby: Guerillero, Buenos Aires

1968.

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hatte. Die Künstler/innen in Mexiko stritten für die Unabhängigkeit der Kunst, sie sollte sich keinerlei Parteikonventionen beugen und frei über ihre Form bestimmen. Die PCM war mit einer radikalen politisierten Kunstszene konfrontiert, die ihr Kunstverständnis hinterfragte, deren politische Ansätze sie jedoch teilte.

Ähnlich wie bei der „Konzeptkunst“ aus dem globalen Norden,10 standen bei der „politischen Kunst“ in Mexiko die Partizipation der Bevölkerung und die Aktion im öffentlichen Raum im Vordergrund: So entstanden in Zusammenarbeit mit den Bewohner/innen der Armenbezirke von Mexiko-Stadt Wandgemälde und Theateraufführungen. Dabei verstanden sich die Künstler/innen nicht als politische Avantgarde, die Ideologien vermittelten, sondern als Kulturarbeiter/innen ( trabajadores culturales), deren Ziel es war, der „kapitalistisch-individualistischen Moral eine revolutionäre Ethik entgegenzusetzen“.11 Dazu bildeten die politisierten Künstler/innen unab-hängige Interessenverbände, in denen sie Gemeinschaftswerke kreierten, statt den Individualismus im Kunstbetrieb zu fördern. Diese Zusam-menschlüsse definierten sich explizit als links oder waren „einer marxistischen Weltsicht“ verpflichtet, woraus sich politische Gemein-samkeiten mit der PCM ergaben.12

Im Bereich der Bildenden Künste war das die Frente Mexicano de Trabajadores de Cultura (FMTC) und im Theater entwickelte sich das Centro 10 Inwiefern der Begriff der Konzeptkunst auf die politisierte Kunst in Lateiname-rika anwendbar ist, bleibt umstritten. Während Mari Carmen Ramírez den Begriff „no-objectualism“ vorzieht, setzen sich Luis Camnitzer, Aracelo Zúñiga und César Espinosa für die Verwendung ein. Vgl. Mari Carmen Ramirez: Taktiken um in Wid-rigkeiten zu gedeihen: Konzeptkunst in Lateinamerika 1960–1980. In: Breitwieser, Sabine: Vivencias, Lebenserfahrungen, Life experience, Generali Foundation: Wien 2000, 97; Luis Camnitzer: Conceptualism in Latin America: Didactis of Liberation, University of Texas: Austin 2007, 16; César Espinosa, Araceli Zúñiga: La Perra Bra-va. Arte, crisis y políticas culturales, UNAM: Mexico D. F. 2002, 4 f.

11 Shifra Goldman: Elite artists and popular audiences: The Mexican Front of Cultu-ral Workers. In: Dies.: Dimensions of the Americas: Art and social change in Latin America and the United States, University of Chicago Press: Chicago 1994, 123–146, 126.

12 Vgl. Gründungspapier der FMTC, abgedruckt in: Espinosa; Zúñiga: La Perra Brava, 2002: 22; Die Resolution der Folklore-Musiker/innen im Centro de Estudios del Folklore ( CEFOL) befindet sich als Matrizdokument im Privatarchiv von Prof. Pérez

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de Libre Experimentación Teatral y Artística (CLETA). Die Musiker/innen gründeten sogar zwei Organisationen: die Liga Independiente de Músicos y Artistas Revolucionarios (LIMAR) und die Frente para la Libre Expresión de la Cultura (FLEC), was ihren hohen Politisierungs- und Organisationsgrad an-zeigt.13 Beispielsweise illustrierten die Künstler/innen die FMTC Parteipublikationen und entwarfen PCM-Plakate, Kunstschaffende von CLETA spielten Theater auf PCM-Veranstaltungen und Musiker/innen von LIMAR spielten auf den Festivales de Oposición .14

Gerade die Musik hatte für die politischen Bewegungen und Parteien der Linken bei der Agitation eine besondere Bedeutung. Ihr wird eine besonders mobilisierende Wirkung zugeschrieben, da sich in ihr gemeinsame Themen und Gefühle ausdrücken lassen, sie Gemeinschaft schafft und den „Einstieg“ in Bewegungen ermöglicht.15 Zwar kann Musik sowohl zur Stärkung der je-weiligen Regierungsform als auch für die Zwecke der Opposition eingesetzt werden, im Umfeld sozialer und linker Bewegungen haben politische Lieder wegen ihrer Mobilisierungskraft jedoch eine besonders lange Tradition. In verschiedenen Epochen wurden Lieder wie die „Marseillaise“ (1792), die Montfort. o. A.: A la Asamblea. Resolución tomada por el Círculo de Estudios del CEFOL, Dokument im Privatbesitz von Ricardo Pérez Montfort, Dokumentos FLEC 2165.

13 Die FMTC wurde von 13 Gruppen aus Mexiko-Stadt, Michoacán, Morelos, Nuevo Leon, Monterrey, Oaxaca und Guanajuato gegründet und bestand zwischen 1978 und 1983. Vgl. Cristina Hijar: Siete grupos de artistas visuales en los años setenta, Fondo de Cultura Económica: México D. F. 2008, 153ff. Die LIMAR gründete sich 1978 und bestand bis 1981 und wurde vom Comité de la Nueva Canción abgelöst. Vgl. Sr. González: 60 años del Rock Mexicano, 1956–1979, Vol. 1, Ediciones B.: Bar-celona; México D. F. 2017, 216. Die FLEC wurde von den Gruppen Los Folkloristas, La Nopalera und La Peña Movil sowie den Künstler/innen Amparo Ochoa und Gabi-no Palomares ins Leben gerufen. Zur Entstehungsgeschichte von CLETA vgl. López: C.L.E.T.A, 2012.

14 FMTC, FLEC und LIMAR nahmen aktiv an den PCM-Festen teil. Vgl. Araceli Zuñi-ga: El segundo Festival de Oposición y el Partido Comunista de Masas, Oposición 11.03.1978; o. A: Concurso de Carteles, Oposición 11.03.1978; Cesar H. Espinosa: La crisis y los trabajadores de la cultura, Oposición 13.04.1980.

15 Stefan Michael Newerkla, Fedor B. Poljakov, Oliver Jens Schmitt: Einleitung, in:

Dies. (Hgg.): Das politische Lied in Süd- und Osteuropa, Lit Verlag: Wien 2011, 7–8.

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„Internationale“ (1871) oder das anarchistische „A las Barricadas“ (1936) als Hymnen politischer Bewegungen eingesetzt.

Das Musikgenre der Festivalkonzerte, dass das erlebte Zeitgefühl ( struc- ture of feelings ) der sechziger und siebziger Jahre mit Liedern wie „Times are Changin“ (Bob Dylan), „Little Boxes“ (Malvina Reynolds) oder „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ (Franz Joseph Degenhardt) verkörperte, war der New Folk .

Der New Folk verband die traditionelle Folklore (Folk = engl. für „Volk“ und „lore“ für „überliefertes Wissen“) mit zeitgenössischen, politischen Inhalten. Es ging um eine „Authentizität“ des Ausdrucks, die im Gegensatz zur kom-merziellen Musikindustrie nicht auf Unterhaltung ausgerichtet war, sondern soziale Erfahrungen und individuelle Lebensgeschichten reflektierte. Ver-breitung fand der New Folk in Nordamerika und Europa als soziale (Jugend-)Kultur über selbstorganisierte Konzerte in Wohnzimmern, Garagen oder kleinen Kaffeehäusern, bei denen jede und jeder auf die Bühne steigen und singen konnte. Zentral bei diesen Auftritten war die politische Aussage der Liedtexte und weniger das musikalische Können.

„Everyone, it seemed, was learning to play simple chords of the new urban folk music.“16

Die Themen des New Folk waren global und vermittelten internationale Solidarität. Ob Wolf Biermann in der DDR („Wann ist denn endlich Frieden“) oder Victor Jara in Chile („El derecho de vivir in paz“), alle sangen über den Vietnam-Krieg und solidarisierten sich mit Vietnames/innen. Da die neue Folkmusik ohne aufwendige Arrangements auskam und sich wegen ihrer eingängigen Rhythmen auch während Demonstrationen spielen ließ, wurde sie zu einem Soundtrack der sozialen Bewegungen.17 Teil dieses linken 16 Ron Eyermann; Andrew Jamisson: Social Movements and cultural transformati-on: popular music in the 1960s. In: Media, Culture & Society, Vol.17/1995, 449–468, 460.

17 Sicherlich gab es auch andere Musikstile, die Protest vertonten, zum Beispiel in der Popmusik, durch Künstler/innen wie Nina Simone ( „Ain’t got no“), Gill Scott Heron („The Revolution will not be televised“) und James Brown („Say it loud, I’m black and proud“).

241

Liedkanons waren die lateinamerikanischen Rhythmen und Lieder, die von Revolutionen in Kuba, Chile oder Nicaragua handelten und Hoffnung auf Veränderung verbreiteten.18

Die neue Folkmusik aus Lateinamerika nannte sich Canto Nuevo Latinoamericano oder Canción Nueva Latinoamericana und entstand zeitgleich in Lateinamerika und Spanien . 19 Canción Nueva verband wie der New Folk aktuelle politische Texte mit Rhythmen populärer Volkslieder. In allen lateinamerikanischen Ländern entstanden spezifische Ausprägungen des Canto Nuevo , diean regionale Traditionen anknüpften: In Chile begleitete die Canción Nueva Chilena die Mobilisierung der Unidad Popular und besang die Hoffnung des Volkes auf den politischen Wechsel („El Pueblo Unido jamás será vencido“); im revolutionären Kuba besangen Musiker/innen der Nueva Trova Cubana wie Silvio Rodríguez und Pablo Milanés die Veränderungen in der revolutionären Gesellschaft und in Mexiko verschafften sich die Künstler/innen des Canto Nuevo Mexicano wie Judith Reyes oder Oscar Chávez Gehör, die trotz staatlicher Repression über die 1968er-Studierendenbewegung sangen. Weiterhin gehörten Ali Primera in Venezuela, Carlos Mejía Godoy in Nicaragua oder Mercedes Sosa in Argentinien zu den bekannten Künstler/innen des Canto Nuevo .

Inspiriert von den Revolutionen wollten die Künstler/innen des Canto Nuevo als „Interpreten des Wandels“ einen Beitrag zu den politischen Kämpfen leisten.20 Der Canto Nuevo Latinoamericano war sowohl Ausdruck der internationalen Protestkultur der sechziger Jahre als auch eine Wiederbelebung und Fusion regionaler Musiktraditionen, die auf Spanisch 18 Vgl. Pablo Vila (Hg.): The militant song movement in Latin America: Chile, Uru-guay and Argentina, Lexinton: Lanham 2014, 1; Jan Fairley: There is no revolu-tion without song: new song in Latin America. In: Beate Kuschke; Barley Norton (Hgg.): Music and Protest in 1968, Cambridge University Press: Cambridge 2013, 119–1936, 119f.

19 Im Folgenden verwende ich die Begriffe Canto Nuevo und Nueva Canción, wenn es um die lateinamerikanische Musikrichtung im Allgemeinen geht. Wenn ich mich auf die spezifischen Bewegungen in einzelnen Ländern beziehe, bezeichne ich sie mit ihrem vollständigen Namen, also Nueva Canción Chilena, Nueva Trova Cubana oder Canto Nuevo Mexicano etc. (siehe Einleitung).

20 Eduardo Carrasco Pirard: Quilapayún: la revolución y las estrellas, Editores RIL: Santiago de Chile 2003, 46.

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und in indigenen Sprachen vorgetragen wurden. Ihm gelang die Popularisierung der musikalischen Vielfalt Lateinamerikas weit über die Grenzen des Kontinents hinaus.

Pionier/innen des lateinamerikanischen Folk waren Atahualpa Yupanqui in Argentinien, Concha Michel in Mexiko und Violeta Parra in Chile. Sie hatten bereits in den fünfziger Jahren nach Melodien der Volkskultur ( cultura popular ) gesucht und grenzten sich von den Trends des internationalen Musikmarktes ab. Der Canto Nuevo wurde auch im Ausland populär, da dieser sowohl internationale Themen, wie die Kritik am Vietnamkrieg, aufgriff, als auch originär lateinamerikanische Erfahrungen von revolu-tionären Kämpfen in Kuba, Chile oder Nicaragua vermittelte.21

Besonders in linken Kreisen und in den Solidaritätsbewegungen gegen die lateinamerikanischen Diktaturen galt die Verbreitung der Nueva Canción als politischer Akt der Solidarität und die Lieder waren auch in Europa oder den USA auf linken Demonstrationen zu hören. Hinzu kam ein breites Interesse an lateinamerikanischen Kulturen, was sich auch im Boom lateinamerikani-scher Autor/innen, des neuen lateinamerikanischen Kinos und eben in der Nueva Canción ausdrückte und einen Kulturtransfer aus der Peripherie in die kapitalistischen Zentren hinein ermöglichte.

Innerhalb Lateinamerikas hatte die Sympathie der Bewegung des Canto Nuevo für Umwälzungen und Revolutionen zur Folge, dass sie marginalisiert und/oder zensiert wurde. Die Musikrichtung wandte sich gegen Ausbeutung und Kapitalismus, da alles, sogar die Kunst, der kapitalistischen Ver-wertungslogik untergeordnet und die Kunst zur Ware degradiert wurde.22Politisierte Liedermacher/innen wurden in einigen lateinamerikanischen Staaten ins Exil getrieben, so dass sich ihre Musik durch Auslandstourneen weit über ihre Ursprungsländer hinaus verbreitete. Ab Mitte der siebziger Jahre erschienen deshalb viele Musikstücke der Nueva Canción zunächst als französische, spanische oder osteuropäische Pressungen. In Europa wurde 21 Vgl. Jan Fairley: There is no revolution without song, 2013: 119f.

22 Zur Kulturindustrie und kapitalistischen Verwertungslogik vgl. Max Horkheimer; Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung, Philosophische Fragmente, Fischer: Frankfurt a. M. 1988, 128ff. Zur Kritik Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öf-fentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Suhrkamp: Frankfurt a. M. 2001.

243

242der Canto Nuevo ferner durch seine Verwendung in Spiel-filmen und später als Hintergrundmusik in Super-märkten bekannt.23

Mit dieser internationalen Rezeption schrieben sich lateinamerikanische Stimmen in die westlichen Diskurse um Kriege, Ausbeutung und Ent-wicklung ein. Im Gegensatz zu den gängigen eurozentristi-schen Modellen von kulturellem Austausch, nach denen sich Trends aus den Industrie-nationen heraus global verbreiten, ist die Nueva Canción ein Beispiel für einen Kulturtransfer, der an der „Peripherie“ entstand und dann Menschen in den Industrie-nationen erreichte und prägte. „Lateinamerika importiert nicht, sondern exportiert Musik“, sagte der kubanische Musiker José Antonio Méndez zur Nueva Canción .24 Der Kommunikationswissenschaftler Fernando Reyes Matte erinnerte sich, dass der Solidaritätsgedanke Einheit in der Linken vermittelte:

23 Vgl. Jan Fairley: La Nueva Canción latinoamericana. In: Bulletin of Latin American Research, Vol. 3, 2/1984, 107–115, 108.

24 Fernando Belmonte: Latinoamérica exporta música no la importa, Unomásuno 21.04.1979. (eigene Übersetzung)

Abb. 5.3 LP-Cover eines Canto-Nuevo-

Samplers mit Interpret/innen aus verschiedenen Ländern Lateinamerikas.

Complitation: El Canto de un pueblo, Radio

Education, México 1977

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„But that solidarity held an even deeper meaning, because the artist who joined hands in Nicaragua have earned wide recognition in spite of persecution and boycotts by the industrial system's mass media.

Their strength is born of music that does not shun confrontation but, on the contrary, works to denounce the social and political contradic-tions of Latin America. This music and poetry are inserted into the popular culture at precisely those points where we find the forms and language of folklore excluded form the ‚cultural industry‘ controlled by the transnational capitalist system.“25

Für Reyes Matta nahmen Kunst und Musik eine besondere Rolle bei den Solidaritätsaktionen ein, da sie den Einheitsgedanken und Stärke vermit-telten und international zum Bestandteil der contracultura in der Linken wurden. Diese Musik wollte nicht unterhalten, sondern politisches Bewusstsein und Mut zur Veränderung schaffen.26 Die zwei zentralen Merkmale der Nueva Canción waren ihr „Protest“ und ihr Bezug auf Lateinamerika, ihr „Lateinamerikanismus“. Der Protest gegen bestehende Verhältnisse zeigte sich darin, dass die Lieder im Gegensatz zur kommerzi-ellen Unterhaltungsmusik eine authentische Beschreibung der Realität lieferten. Die Musiker/innen des Canto Nuevo engagierten sich in unter-schiedlichen Strömungen der Linken, was sich in ihren Liedtexten 25 Fernando Reyes Matta: The „New Song“ and its confrontation in Latin America. In: Carry Nelson; Lawrence Grossberg (Hgg.) Marxism and the interpretation of culture, University of Illionoise: Illionoise 1988, 447–460, 447.

26 So kritisierten die Musiker/innen der Nueva Canción die kapitalistische Konsum-gesellschaft, die Nachwirkungen des Kolonialismus in Lateinamerika und übten in Kuba eine „systemimmanente“ Kritik, vgl. hierzu Stefanie Engeroff: Sprachkulturen der Systemgegnerschaft und die systemimmanente Kritik in der DDR. Von der mar-xistischen Dissidenz bis zur Szene vom Prenzlauer Berg, Weißensee Verlag: Berlin 2013.

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widerspiegelte. Darüber hinaus entstand ein gemeinsames Repertoire, das in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern gespielt wurde.27

Der regionale Fokus oder „Lateinamerikanismus“ basierte auf der gemein-samen Geschichte europäischer Kolonisierung und des Widerstandes sowie auf dem konjunkturellen Erstarken der „Dritte Welt“-Bewegung als Alternative zu den Blöcken des Kalten Krieges. Viele Lieder der Canción Nueva nahmen Bezug auf die nationalen Unabhängigkeitsbewegungen und die lateinamerikanischen Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts oder setzten ihren Kämpfer/innen wie Emilano Zapata oder Camilo Torres ein musikalisches Denkmal. Dabei bevorzugte die Bewegung des Canto Nuevo , wie die lateinamerikanische Linke, den Begriff des „ Latinoamericanismo “ statt des Terminus „ Panamericanismo “, da der Begriff des Panamerikanismus für sie für eine amerikanische Föderation unter US-Vorherrschaft stand.28

Zu einem wiederkehrenden Motiv des Canto Nuevo gehörte die Ablehnung der Dominanz von US-Kulturprodukten in Lateinamerika, was der Canto Nuevo-Bewegung Sympathien in nationalen und linken Kreisen einbrachte. Da Lateinamerika lange als „Hinterhof“ der USA galt und politische Einmischung sowie wirtschaftliche Dominanz zur alltäglichen Erfahrung der Lateinamerikaner/innen gehörten, verfügte die Argumentationsfigur der US-Kritik weit verbreitet und quasi historisch.29 Die Hegemonie von US-Produkten in der Medien- und Kulturlandschaft wurde in Lateinamerika als nordamerikanischer „Kulturimperialismus“ wahrgenommen.

27 So unterstützten die zwei der bekanntesten Canto-Nuevo-Sänger Uruguays un-terschiedliche linke Parteien: Daniel Viglietti nahm in seinen Liedern Argumente der MLN auf und Alfredo Zitarrosa die der kommunistischen Partei. Vgl. Vila: Mili-tant Song Movement in Latin America, 2014: 116ff.

28 Vgl. Fidel Castro: Latinoamericanismo vs. panamericanismo. In Ders.: Latinoame-ricanismo vs. imperialismo, Oceano: Mexiko-Stadt 2009, 23–53.

29 Zu Verhältnis und Wahrnehmung der USA in Lateinamerika vgl. Stefan Rinke: Be-gegnung mit dem Yankee. Nordamerikanisierung und sozio-kultureller Wandel in Chile (1989–1990), Böhlau: Köln 2004; Zu antiamerikanischen Ressentiment vgl. Michael Hahn (Hg.): Linker Antiamerikanismus und seine lange Geschichte, Kon-kret Verlag: Hamburg 2003, 12; Dan Diner: Feindbild Amerika. Über die Beständig-keit eines Ressentiments, Propyläen: München 2003.

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La Maldición de la Malinche

Y en ese error entregamosla grandeza del pasado,y en ese error nos quedamostrescientos años de esclavos.

Se nos quedó el maleficiode brindar al extranjeronuestra fe, nuestra cultura,nuestro pan, nuestro dinero.

Y les seguimos cambiandooro por cuentas de vidrioy damos nuestra riquezapor sus espejos con brillo.Hoy en pleno siglo XXnos siguen llegando rubiosy les abrimos la casay los llamamos amigos.Pero si llega cansadoun indio de andar la sierra,lo humillamos y lo vemoscomo extraño por su tierra.

Tú, hipócrita que te muestrashumilde ante el extranjeropero te vuelves soberbiocon tus hermanos del pueblo.

Oh, Maldición de Malinche,enfermedad del presente

¿Cuándo dejarás mi tierracuando harás libre a mi gente?

Gabino Palomares: Maldición de la Malinche, Album: Maldición de la

Malinche, Discos Pueblo: México D. F. 1975

Die Abgrenzung von den US-Trends machte bei einigen Künstler/innen der Canción Nueva auch vor dem US-kritischen New Folk nicht halt. So betonte der mexikanische Musiker René Villanueva die eigenständige Entwicklung

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des Canto Nuevo in Lateinamerika und bestritt jegliche Anleihen beim New Folk . Schließlich würde nicht jeder musikalische Trend in den USA entstehen und „nicht alle Musikrichtungen sind eine Kopie US-amerikanischer Entwicklungen“.30 In der Linken diente diese Haltung gegenüber den USA häufig der eigenen Aufwertung und blieb meist undifferenziert oder pau-schalisierend.31 Ein musikalisches Beispiel ist das Lied von Carlos Puebla „Yanqui go home“, das die Nordamerikaner/innen auffordert, nach Hause zu gehen und dies als gemeinsame Forderung aller Völker darstellt, die von der Dominanz der USA betroffen sind. „Yanqui go home“ sei der einzige notwen-dige englische Satz und stelle eine nationale und anti-imperialistische Überzeugung dar, heißt es in dem Lied.32

Ein weiterer zentraler Topos der Nueva Canción war die Fortsetzung des europäischen Kolonialismus in Lateinamerika durch die wirtschaftliche Dominanz der USA.33 Ein bekanntes musikalisches Beispiel ist die Ballade „La Maldición de la Malinche“ der mexikanischen Musiker/innen Gabino Palomares und Amparo Ochoa. In der Ballade werden der europäische Kolonialismus und die US-Dominanz in Lateinamerika als kontinuierliche Abfolge von Ausbeutung beschrieben. In dem Lied „Maldición de la Malinche“ wird das Verhalten der Lateinamerikaner/innen gegenüber Fremden als „demütig“ und gegenüber den Indigenen als „überheblich“ beschrieben und 30 René Villanueva: Cantares de la memoria, 25 años de historia del grupo de Los Folkloristas, alma y tradición de la música popular mexicana, Planeta: México D. F. 1994, 133. (eigene Übersetzung)

31 Raymond William wies darauf hin, dass der Begriff Kulturimperialismus kon-träre Konzepte umfasst und im historischen Kontext betrachtet werden muss. So wird US-Kulturimperialismus als wirtschaftliche Dominanz und sowjetischer Kul-turimperialismus als politische Hegemonie verstanden. Vgl. Raymond Williams: Keywords, 1983 Fontana: London, 90. Folgt man John Tomlinson, so ist Kultu-rimperialismus stets als These oder Diskurs zu verstehen. Vgl. John Tomlinson: Cultural Imperialism: A Critical Introduction, 1991 Pinter: London. Als Kritik der US-Dominanz auf dem lateinamerikanischen Markt, vgl. Ariel Dorfman; Armand Mattelart: How to read Donald Duck. Imperialist Ideology in the Disney Comics, 1975 I. G Editions: New York.

32 Vgl. Carlos Puebla: Yanqui go home. Album: Y diez años van, DICAP Chile 1969.

33 Vgl. Guillermo Barzuna: Cantores que reflexionan. Las nuevas trovas en América Latina, Editorial de la Universidad de Costa Rica: San José 1997, 105 ff.

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als „Fluch der Malinche“ bezeichnet.34 Die Kritik richtete sich jedoch nicht nur gegen fremde Mächte, sondern thematisierte auch den Rassismus der lateinamerikanischen Gesellschaften selbst, indem sie die Kontinuität rassis-tischer und kolonialer Ausgrenzung aufzeigte.

Das Innovative der Bewegung des Nueva Canción bestand darin, das Augenmerk auf die eigene Region zu richten, statt Trends aus Europa oder den USA nachzuahmen. Deshalb betonten die Künstler/innen in ihren Liedern die lateinamerikanische Einheit, da sie mehr regionale Gemein-samkeiten als nationalstaatliche Unterschiede sahen. Lieder wie „Los pueblos americanos“ (Violeta Parra), „Canción por la unidad latinoamericano“ (Pablo Milanés) oder „Abrazo latinoamericano“ von Nicomedes Santa Cruz appel-lierten an die lateinamerikanische Einheit oder besangen das Wirken von Kämpfern der Unabhängigkeitsbewegungen wie Simón Bolivar oder José Martí.35

Der Canto Nuevo wollte der Vielfalt der lateinamerikanischen Kultur zur Anerkennung verhelfen, in der Rhythmen und Klänge aus Europa, Afrika und Amerika verschmolzen. Lange war die Vielfalt der lateinamerikanischen Musikgeschichte als „konstantes Wirrwarr […] zwischen Eigenem und Fremden, dem Einheimischen und dem Importierten“ beschrieben worden.36Im Canto Nuevo Latinoamericano manifestierte sich nun bewusst sowohl die 34 „Tú, hipócrita que te muestras humilde ante el extranjero pero te vuelves sober-bio con tus hermanos del pueblo“ Gabino Palomares: Maldición de la Malinche, Al-bum: Maldición de la Malinche, Discos Pueblo: México D. F. 1975. Malinche gilt als Urmutter der Mestizaje, da sie als Indigene die Übersetzerin, Geliebte und Vermitt-lerin von Hernán Cortés wurde. Ihre Figur steht für den interkulturellen Kontakt, aber auch für den Verrat des eigenen Volkes. Vgl. Barbara Dröscher, Carlos Rincón: La Malinche, Übersetzung, Interkulturalität und Geschlecht, Edition Tranvía Sur: Berlin 2001.

35 Vgl. Amaury Pérez: Album: Poemas de José Martí, Centro de Estudios Martianos/Egrem: La Habana 1978; Inti Illimani: Simon Bolivar Album: Viva Chile, Pläne: Ost-berlin 1973; Los Olimarenos: A Simon Bolivar, Album: Che Vive, Ediciones Frente: Montevidedo 1968.

36 Vgl. Carlos Fuentes: El espejo enterrado. Reflexiones sobre España y América, Al-faguara: México D. F. [1992] 2010, 10f.; Alejo Carpentier: América Latina en la con-fluencia de coordenadas históricas y su repercusión en la música. In: Isabel Aretz (Hg.): América Latina en su música, Siglo XXI: México D. F. [1977] 2004, 7–19, 8. (eigene Übersetzung)

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„Vielfalt als auch die Einheit des Kontinents“.37 Die Musiker/innen des Canto Nuevo bezogen sich auf eine Vielzahl von erfundenen Traditionen, die einen „rituellen oder symbolischen Charakter haben und die darauf abzielen […] eine Kontinuität mit einer geeigneten historischen Vergangenheit herzustel-len.“38 In Mexiko machte das Zusammenleben mit den lateinamerikanischen Exilant/innen, die ihre Lebensweise mitbrachten und Solidaritätsbewegungen initiierten, den Lateinamerikanismus täglich erlebbar.39

Die Musiker/innen des Canto Nuevo wollten Mut erzeugen, um mit den ko-lonialen und aktuellen Stereotypen zu brechen. Für Eduardo Carrasco, Mitbegründer der chilenischen Band Quilapayún, war dies mit der Frage nach der eignen Identität verbunden:

„Sentíamos una necesidad enorme de encontrar nuestras raíces, de saber de nuestros orígenes, de conocer lo que éramos y lo que habíamos sido; y esto no lo entendíamos únicamente como una solida-ridad romántica hacia las ruinas del pueblo que habían encontrado los españoles a su llegada al continente, sino como una verdadera respu-esta a nuestra propia inconsistencia cultural.¿Qué éramos nosotros en definitiva?

¿En qué tradiciones podíamos verdaderamente reconocernos? ¿Cuál era en definitiva nuestra música?“40

Die Suche nach der eigenen Musik und Identität führte die Künstler/innen zu den indigenen Kulturen des Kontinents. Explizit traten die Liedtexte der Nueva Canción für eine Annäherung zwischen den Nachbarländern sowie zwischen Indigenen und Mestiz/innen als „Brüdervölker Amerikas“ ein.4137 Barzuna: Cantor que reflexiona, 1997: 10.

38 Eric Hobsbawm, Terence Ranger: The Invention of Tradition, University Press of Cambridge: Cambridge 2000, 1. (eigene Übersetzung)

39 Im Bezug auf die kulturelle Umsetzung vgl. José Manuel Pintado: La subcultura musical de México. In: Juan S. Garrido, Ricardo Pérez Montfort: ¿Qué onda con la música popular mexicana? 1983, Ediciones del Museo Nacional de Culturas Popu-lares: México D. F. 101–105, 104.

40 Carrasco: Quilapayún, 2003: 24.

41 Zum Beispiel in Daniel Vigliettis „Canción para mi América“ sollen sich Mestiz/in-

250

249

Viele Lieder des Canto Nuevo erträumten einen neuen Bezug zur Natur, wünschten ein friedliches Zusammenleben und suchten das Wissen über in-digene Kulturen und Musik wiederzubeleben, das vielerorts ausgelöscht oder unterdrückt worden war.

Die Musiker/innen der Nueva Canción interessierten sich für präkoloniale Musikinstrumente, Rhythmen und Lieder der indigenen Völker: Sie forschten über originäre Instrumente aus vorkolonialer Zeit wie die Quena -Flöte oder die Cabasa -Rassel oder entdeckten lokale Adaptationen europäischer Instrumente wieder. So popularisierten die chilenischen Gruppen Inti Illimani und Quilapayún die Charango- Gitarre, ein Instrument, das der europäischen Mandoline ähnelte und wie diese im 16. Jahrhundert entstanden war und in Lateinamerika aus dem Panzer des Gürteltiers gefertigt wurde.42 Um der Kunst ihre regionale Bedeutung zurückzugeben, nen und Indigene die Hand reichen, um einen gemeinsamen Weg in die Zukunft zu finden. Daniel Viglietti: Canción para mi América, Album: Canción para mi América, Le nouveau chansonnier internacional, France 1973.

42 Vgl. Jan Fairley: La Nueva Canción latinoamericana, 1984: 107–115; Villanueva:

Cantares de la memoria, 1994: 133; Zur expliziten Verwendung indigener Instru- Abb 5.4 „Was ist die ‚Canción de Protesta‘? Eine Sache, die man nie im Radio hört! Wann hört man schon Folklore-Musik aus Amerika?

Nur US-Zeug wird gespielt.“ Comic: Los Agachados: La canción de protesta, Nr. 123, Editiorial Posadas: México D.F. 1973, o. S.

251

sangen die Künstler/innen des Canto Nuevo deshalb oft in indigenen Sprachen oder spielten präkoloniale Instrumente und Rhythmen.

Die Bewegung des Canto Nuevo schöpfte ihr Repertoire aus der Volks- oder „Populärkultur“ ( cultura popular ), zu der das Kunsthandwerk und die Folklore der indigenen Völker gehören.43 Für die Musiker/innen der Nueva Canción waren die musikalischen Traditionen nicht „vergangene Zeugnisse […], sondern lebendige Quellen, die die Gegenwart belebten“ und „Überbringerin eines alternativen Zivilisationsprojekts“ sein könnten.44 Sie brachten die kulturelle Vielfalt Lateinamerikas auf die urbanen Bühnen und zeigten auf, wie wenig diese Teil des nationalen kulturellen Selbstverständnisses war.

Darüber hinaus bezogen sie sich auf die Cultura Popular , auf die Kultur der Bevölkerung, die sich von der meist importierten Kultur der Eliten absetzte. Als Teil der Linken bezogen sich die Künstler/innen des Canto Nuevo auf die Mehrheit der Bevölkerung und der musikalische Rückgriff auf traditionelle Volksweisen sollte eine Nähe zu den Armen, und damit zu den potentiell re-volutionären Subjekten, herstellen.

Als populäre Lieder besang die Nueva Canción auch die Liebe. Dort stand nicht die individuelle Gefühlswelt von Verlangen, Glück und Schmerz im Vordergrund, sondern die sozialen Dimensionen der Liebe in Familien-beziehungen und Freundschaften.45 In diesen Liebesliedern verband sich Politisches mit Privatem, so sang beispielsweise Victor Jaras in „Te recuerdo Amanda“ über die Liebe Amandas zum Fabrikarbeiter Manuel, die durch die Schichtarbeit bestimmt wurde und bis zu dem Tag währte, als sich Manuel mente und Rhythmen in der Bewegung des Canto Nuevo in Chile vgl. Eichin: Der Klang der Utopie. In: Karl-Heinz Dellwo; Willi Bär: Salvador Allende und die Unidad Popular, 2013: 292f.

43 Vgl. hierzu Rudolfo Stavenhagen: La cultura popular y la creación intelectual. In: Adolfo Colombres (Hg.): La cultura popular, Premia Editores: Puebla 1983, 21-39, 26.

44 Alejo Carpentier: América Latina en la confluencia, 2004: 7; Guillermo Bonfil Batalla: Pensar nuestra cultura, Alianza Editoriol: México D. F. 1991, 71. (eigene Übersetzung)

45 Zitarrosas Liebeslieder behandelten nicht nur Paarbeziehungen, sondern auch Freundschaften etc., vgl. Zitarrosa im Interview Blanche Petrich: La canción testi-monial dice al hombre que no está solo en su lucha, Unomásuno, 17.05.1978.

252

dem Guerilla-Kampf in den Bergen anschloss.46 Einige Komponist/innen der Nueva Canción hinterfragten die traditionellen Geschlechterrollen, andere Künstler/innen hingegen kritisierten den Feminismus als bürgerliche Bewegung, die sich für die Frauen der Mittelschicht einsetze.47

Obwohl Frauen zu den Mitbegründer/innen der Bewegung des Canto Nuevo gehörten, zählte sie mehr Sänger als Sängerinnen. Der Canto Nuevo verband den politischen Protest mit dem latinoamericanismo . Diese Folklore-Bewegung brachte die traditionellen Rhythmen der cultura popular auf die Bühnen und engagierte sich gegen Kolonialismus und setzte sich für die Würdigung indigener Kulturen ein. Der Canto Nuevo Latinoamericano ist ein Beispiel für einen Kulturtransfer, in dem kulturelle Produkte aus der „Peripherie“ die Menschen in den Industrienationen prägten. Innerhalb der Linken vermittelte die Canción Nueva Latinoamericana das Gefühl von Einheit sowie Bestandteil einer internationalen Bewegung zu sein. Im Folgenden werden die spezifischen Ausdrucksformen und Produktions-bedingungen des Canto Nuevo Mexicano untersucht und sein Verhältnis zur PCM beleuchtet. 4.2 Wir besingen das andere Mexiko – Der Canto Nuevo Mexicano und die PCM

Auch in Mexiko sahen die Musiker/innen des Canto Nuevo Mexicano ihre Kunst als Teil des politischen Kampfes der Linken und ihre Musik als 46 Victor Jara: Te recuerdo Amanda, [DICAP 1969] Album: Te recuerdo Amanda, Plä-ne: Ostberlin 1978.

47 Zur Darstellung der Frauenrollen in den Liedern als Rückzugsort im Kampf vgl. Illa Carrillo Rodríguez: The Revolutionary Patria and Its New (Wo)Man: Gender Tropes of Politcal Agency and Popular Identigy in Argentine Folk Musik of the Long 1960s. In: Vila: The militant song movement in Latin America, 2014: 240ff. Zur selbstbestimmten Frauenrolle in den Liedern von Silvio Rodríguez vgl. Victor Casaus; Luis Rogelio Noguera: Silvio: Que levante la mano la guitarra, Letras Cu-banas: Havana [1984] 2006, 12. Ein Beispiel für die Kritik am Feminismus ist das Lied „Liberación Feminina“ von Oscar Chávez, in dem er die feministische Bewe-gung Mexikos als von feinen Damen dominiert beschreibt, die bereits befreit seien, während die einfachen Frauen nicht zur Konferenz im internationalen Frauenjahr

253

mobilisierendes Element, das auch bei Veranstaltungen von unabhängigen Gewerkschaften oder linken Parteien zum Einsatz kam, zum Beispiel auch bei den Festivales de Oposición .48 Anders als in den lateinamerikanischen Ländern mit Militärdiktaturen gewann das kulturelle Feld in Mexiko in den siebziger Jahren an Bedeutung, da es Raum für gesellschaftliche Kritik bot.

Die Aussagen der „politischen Kunst“ wurden dort nicht zwangsläufig als politische Dissidenz verstanden, so dass nicht automatisch Repression drohte. Zwar waren die Gruppen des Canto Nuevo Mexicano vom Programm der staatlichen Kulturinstitutionen ausgeschlossen, jedoch mussten die Künstler/innen in Mexiko weder ins Exil gehen noch erhielten sie Auftrittsverbote, sie litten eher unter der Marginalisierung oder Zensur ihrer Werke.49 Julio César López schildert die Politisierung der Kunst in Mexiko wie folgt:

„Mientras la política institucionalizada pertenecía al dominio exclu-sivo de los grupos dentro del partido único – la política era solo un ritual público entre tradiciones privadas – el campo del arte se pres-tigió. Los intelectuales y los artistas abarcaron la interpretación de la

época, ejercieron la crítica y ganaron autoridad. La disidencia cultural se colocó justo entre un estado monopolizado por el PRI y la sociedad civil que venía de la derrota del 68. Las batallas en los años setentas

1975 zugelassen seien. Vgl. Oscar Chávez: Liberación Femenina, Album Liberación Femenina, Polydor México 1975.

48 Vgl. Jorge Velasco García: El Canto de la Tribu. Un ensayo sobre la historia del movimiento alternativo de música popular en México, Conaculta: México D. F. 2004, 66.

49 Nach der Repression gegenüber der 1968er-Bewegung verließen in den siebziger Jahren einige mexikanische Künstler/innen das Land. Die PRI wies diese Künstler/innen offiziell jedoch nicht aus. Zum Beispiel verließ die bekannte Sängerin des Canto Nuevo Judith Reyes, die enge Verbindungen zu den mexikanischen Guerillas unterhielt, Mexiko aus politischen Gründen zwei Mal für längere Zeit. Vgl. Liliana García Sánchez: Judith Reyes, Una mujer de canto revolucionario, 1924–1988, 2007 Ed. RedeZ: México D. F.

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también se dieron desde la cultura, porque el momento político era justo de lo ‚cultural‘. Y lo cultural se tornó ‚político‘.“50

Die kritische Musik der Canto Nuevo Mexicano wollte eine Alternative zur offiziellen, von der PRI geförderten Kultur sein, sie verstand sich als Gegenkultur oder Contracultura zum offiziellen Kulturbetrieb. Die Künstler/innen der Nueva Canción übten Kritik an der PRI-Kulturpolitik, die sich am Kulturverständnis der Eliten und am US-amerikanischen Kulturmodell ori-entiere, die mexikanische Volkskunst „kommerzialisiere“ und somit zur touristischen Attraktion oder „hübschen Ansichtskarte“ degradiere.51 Die Musikströmung des Canto Nuevo Mexicano stellte sich der Dominanz US-amerikanischer Produkte im mexikanischen Kulturbetrieb durch den Rückgriff auf lokale Musiktraditionen entgegen, was die urbane Linke und junge politisierte Menschen in den Städten ansprach.

Die Künstler/innen des Canto Nuevo thematisierten die Kontrolle der PRI in den Kulturinstitutionen und der Medienlandschaft in Form der Satire oder Parodie. So parodierte der mexikanische Sänger und Festivalteilnehmer Oscar Chávez in seinem Lied „La opinión“ die Weisung von Präsident Echeverría, die zur Entlassung der kritischen Journalist/innen der Zeitung Excélsior geführt hatte.52

Seine Systemkritik machte den Canto Nuevo Mexicano zur Contracultura und er trug gleichzeitig zur Internationalisierung der nationalen Kultur bei 50 López: C.L.E.T.A., 2012: 14.

51 Vgl. Espinosa: La crisis, Oposición 13.04.1980; René Aviles Fabila: La politica cultural de la izquierda mexicana, Oposición 24.02.1980, 1274; René Villanueva: Cantares de la memoria, 1994: 96; Néstor García Canclini: Hybrid Cultures: Strate-gies for entering and leaving modernity, University of Minnesota Press: Minnesota 2005, 146f.

52 Vgl. Oscar Chávez: La opinión, Album: Parodias políticas Vol. III, Polydor México 1977. Zum Fall Scherer vgl. Miguel Àngel Granados Chapas: Excélsior y otros te-mas de comunicación, Ediciones El Caballito: México D. F. 1980; Manuel Becerra: Dos poderes, Grijalbo: México D. F. 1984; Vicente Leñero: Los periodistas, Grijalbo: México D. F. 1991; Rafael Rodríguez Castañeda: Prensa Vendida, Grijalbo: Méxi-co D. F. 1993; Héctor Aguilar: La guerra de Galio, Cal y Arena: México D. F. 2001; Carlos Monsiváis; Julio Scherer: Tiempos de saber, 2003 Nuevo Siglo/Aguilar: Méxi-co; Jacinto Rodríguez Munguía: La otra guerra secreta, Debate: México D. F. 2007.

255

und belebte das Eigene wieder.53 Die Fusion mit lateinamerikanischen Melodien und Traditionen fand zu dieser Zeit in Mexiko vorrangig über das Zusammenleben mit den lateinamerikanischen Geflüchteten statt. Wie der eingewanderte Philosoph Bolívar Echeverría sich erinnerte, führte die Präsenz der lateinamerikanischen Exilant/innen in Mexiko zum aktiven Erleben von kultureller Vielfalt und kulturellen Gemeinsamkeiten und schuf ein Einheitsgefühl.54

Dies spiegelte sich im mexikanischen Canto Nuevo Mexicano durch die Fusion mit lateinamerikanischen Rhythmen. Dabei beeinflussten den mexi-kanischen Canto Nuevo besonders die Nueva Trova Cubana und die Nueva Canción Chilena , da diese mit dem revolutionären Kampf verbunden waren. Neben den regionalen Elementen bewahrte der Canto Nuevo jedoch auch das spezifisch Mexikanische, indem er bewusst auf lokale Musikformen wie zum Beispiel die Rancheras und die Corridos zurückgriff. Der Canto Nuevo Mexicano entwickelte seinen politischen Protest vor allem in Form der Satire und der Parodie, da so eine Kritik des PRI-Systems möglich war, wie wir im fünften Kapitel sehen werden.

Die Corridos gelten in breiten Bevölkerungsschichten als „musikalische Nachrichtenvermittlung“ und darüber hinaus gehören sie zur nationalen Identitätskonstruktion, sie werden als „typisch mexikanisch“ angesehen.55Mit einfachen Melodien und populären Rhythmen besangen die Corridos des Canto Nuevo bedeutende Ereignisse, die aus lokaler Perspektive dargestellt wurden und stark von der offiziellen Lesart abwichen. So sang Judith Reyes 53 Vgl. Debroise; Vázquez Mantecón: La era de la discrepancia, 2007: 58.

54 Vgl. Bolívar Echeverría: Vueltas de un siglo, Era: México D. F. 2006, 196.

55 Corridos sind lyrisch-epische Balladen im Walzer- oder Polkarhythmus, die der Nachrichtenvermittlung dienen und während der mexikanischen Revolution Ver-breitung fanden. Es existieren Corridos über linke Guerillagruppen, korrupte Po-litiker/innen und aktuell über die Taten der Drogenkartelle (narco-corridos). Vgl. M. Scruggs: Socially Conscious Music Forming social conscience. In: Walter Aaron Clark (Hg.): From Tejano to Tango, Routhledge: New York 2002, 41–70, 44; Sven Kirschlager: El espacio, lo local y la música en autobuses foráneos en México. In: Ingrid Kummels (Hg.): Espacios mediáticos: Cultura y representación en México, Tranvía: Berlin 2012, 295–314. Vgl. Ricardo Pérez Montfort: Expresiones populares y estereotipos culturales en México Siglo XIX y XX. Diez Ensayos, CIESAS: Méxi-co D. F. 2007, 9–11.

256

beispielsweise über das staatliche Massaker in Tlatelolco und konterkarierte so das staatlich verordnete Schweigen.56 Politischer Inhalt und populäre Form ermöglichten es den Musiker/innen des Canto Nuevo Mexicano, ihre Nähe zur Bevölkerung sowie ihre politische Haltung auszudrücken. Ricardo Pérez Montfort beschrieb die politischen Positionen der Musiker/innen wie folgt:

„Si bien la mayoría de estos corridos provenían de compositores un tanto marginales o clase medieros, cierta pretensión de impregnarles un tinte popular se mantuvo en la lírica y en la simpleza musical. De esta manera se pretendía mantener una referencia popular aunque fuera sólo una máscara del mismo género, quizás como un elemento más que confrontara las modas extranjerizantes y elitistas que pob-laban los medios de comunicación masiva durante prácticamente todos los años sesenta y setenta.“57

Der mexikanische Musikmarkt teilte sich damals in zwei große Segmente: die traditionellen mexikanischen Kulturprodukte einerseits und die impor-tierten US-amerikanischen Produktionen sowie deren spanische Adaptation andererseits.58 Gerade im Bereich von Kultur und Medien existieren zahl-reiche Beispiele, in denen die PRI Einfluss auf das Programm der Kulturinstitutionen oder die Berichterstattung nahm und es ihr gelang, kriti-sche Stimmen zu bannen.59

Der Einfluss der Staatspartei war so groß, dass er auch bei Veranstaltungen zum Tragen kam, bei denen die PRI mit anderen Organisationen kooperierte, 56 Judith Reyes: Corrido del 2 de octubre, Album: México oprimido, I dischi del Sole: Milano 1970.

57 Ricardo Pérez Montfort: Expresiones populares y esterotipos, 2007: 83.

58 Vgl. Ricardo Pérez Montfort: Cultura musical y resistencia en México 1968–1988. In: Ignacio Sosa; Antoine Rodríguez (Hgg.): Cultura y resistencia en México, Nostro-mo Editores: México D. F. 2013, 55–78.

59 Die Kontrolle der PRI führte gerade im Bereich von Kultur und Medien auch zur „Selbstzensur“, so dass vor dem realen Eingreifen der Staatspartei die Ange-stellten selbst ihre Beiträge zensierten. Zu den verschiedenen Mechanismen von Zensur im Bereich des mexikanischen Films vgl. Nimbe Montserrat Algarabel Rut-ter: Cine y Poder. Reconstrucción de los discursos de la censuray el escándalo en

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wie zum Beispiel bei den Aktivitäten der Solidaritätsgruppen gegen die lateinamerikanischen Militär-diktaturen. Bei diesen Veranstaltungen wurde häufig Musik der Nueva Canción dargeboten, was die PRI zwar nicht verhin-derte, sie versuchte jedoch Einfluss auf die Interpret/innen und ihre Darbietungen zu nehmen.60 Der Musiker René Villanueva erinnerte sich an die strikten staatlichen Vorgaben und die daraus resultierende Ablehnung der Kulturpolitik durch die Künstler/innen des Canto Nuevo .

„El rígido control y cerrazón de la radio comercial y la televisión que encontramos nos hizo conciencia de la naturaleza del sistema que no sólo dosifica homeopáticamente la cultura, sino que reproduce una concepción colonial de la mismas, negando validez a las expresiones nacionales y copiando el modelo norteamericano en formas y contenidos.“61

In den siebziger Jahren erreichte das Radio ein Massenpublikum, entspre-chend war es für die Verbreitung von Musik bedeutend.62 In den mexikanischen Radiostationen wurden aktuelle Titel vorgestellt und nach dem Prinzip der „Pay-ola“ ausgewählt. Die Zahlungen der Schallplattenfirmen an die México (1968–2002), 2012 Tesis de Doctorado, Ciesas México D. F., 1–14. Für die Entlassung kritischer Journalist/innen gibt es in Mexiko historische und aktuel-le Beispiele. 2015 führte ein Bericht über die Korruption der Präsidentenfamilie zur Entlassung der bekannten Fernsehreporterin Carmen Aristegui. Im Bezug auf die Pressefreiheit führt Reporter ohne Grenzen Mexiko im Jahr 2015 auf Rangplatz 144 von 180 Plätzen auf. Vgl. Reporter ohne Grenzen: Länderreport: Mexiko, digital https://www.reporter-ohne-grenzen.de/mexiko/, gesehen am 18.07.2019.

60 Ein Beispiel hierfür ist ein Solidaritätskonzert für die nicaraguanischen Sandi-nist/innen, auf dem Judith Reyes auftrat, jedoch von PRI-Veranstaltern gebeten wurde, spezielle Lieder nicht zu singen. Die Sängerin ließ sich darauf nicht ein. Vgl. García Sánchez: Judith Reyes, 2007: 121ff.

61 Ebenda.

62 Seit den fünfziger Jahren konkurrierte das Fernsehen mit dem Radio, das zu-nächst wegen der hohen Kosten von Fernsehgeräten das beliebtere Medium blieb. Vgl. Gabriel Sosa; Perla Olivia Rodríguez: La radio en México. In: Arturo Merayo (Hg.): La radio en Iberoamerica. Evolución, diagnósitco y prospectiva, 2007 Comu-nicación Social: Sevilla, 245–288, 253.

258

Radiostationen garantierten, dass ihre Titel oft gespielt wurden.63 Die Alternativmusik der Hippies, der Canto Nuevo und später der mexikanische Rock wurden kaum von Schallplattenfirmen veröffentlicht, die solche Zahlungen leisten konnten, so dass ihre Musik nicht oder lediglich in spezi-ellen Radiosendungen gespielt wurde.64

Abgesehen von den Veranstaltungen linker politischer Organisationen oder den Festivales de Oposición , die dem Canto Nuevo Mexicano einmal im Jahr die großen Bühnen des Auditorio Nacional oder des Palacio de Deportes öffneten, war diese Musik lediglich in speziellen Sendungen von Radio Educación und Radio UNAM zu hören.65

Der Einsatz von Radio Educación und Radio UNAM basierte auf dem Engagement einiger Musikredakteur/innen, die ein Interesse an der Verbreitung des Canto Nuevo und der Folkloremusik hatten und nicht selten selbst Canto Nuevo spielten. Dies erklärt, warum Radio Educación Auszüge der Festivals live übertrug und in Verbindung mit Interviews ausstrahlte und eine seiner Mitarbeiterinnen beim ersten Festival de Oposición als Mo-deratorin fungierte.66 Der Geheimdienst registrierte die Aus-sagen der Radiosprecher/innen, die Werbung für die Festivales de Oposición machten.67

Zu Beginn der achtziger Jahre, wohl auch durch den Einfluss der Mitarbeiter der staatlichen Kulturinstitutionen, wurde die Mitwirkung von Künstler/63 Das Wort Pay-Ola ergibt sich aus dem englischen to pay und spanischen Ola für Welle. Diese Bezahlung für die Erschaffung von Trends war laut dem Sänger Jai-me López in vielen Radios üblich. Vgl. Hugo Galván: Rock impop: El Rock Mexica-no en la Radio Top 40, Mexico 2013, digital: https://atonalatono.files.wordpress.com/2013/08/rock-impop-el-rock-mexicano-en-la-radio-top-40.pdf, gesehen am 20.06.2019.

64 Vgl. Ricardo Pérez Montfort: Cultura musical y resistencia, 2013: 63.

65 Ein Beispiel war die Radiosendung des exilierten Canto Nuevo Sängers Alfre-do Zitarrosa, „Casi en Privado“, in der er dem mexikanischen Publikum die uru-guayische Folklore vorstellte. Vgl. Radio Educación: Alfredo Zitarrosa en Radio Educación – Cantautores uruguayos que vivieron la dictadura de 1973 a 1985. Di-gital: https://e-radio.edu.mx/Alfredo-Zitarrosa-en-Radio-Educacion, gesehen am 29.06.2019.

66 Vgl. Interview mit Maria Eugenia Pullido am 19.05.2011 in Coyoacán, Mexico; Au-dio: Radiomitschnitt des ersten Festival de Oposición, 23. April 1977, Tonaufnahme im Privatbesitz von Ricardo Pérez Montfort, 3477–3480.

67 So wurden die Radiosprecher/innen Veronica Rascón Cordova, Emilio Evergenyi,

259

innen des Canto Nuevo am staatlichen Kultur-programm sporadisch möglich, was den Kunstschaffenden zumindest kleine Verdienste verschaffte.68

Generell blieb der Canto Nuevo in den mexikanischen Medien- und Kulturinstitutionen jedoch marginalisiert, was dazu führte, dass sich diese Strömung alternative Produktionsmöglichkeiten suchte. Die meisten Tonträger mit Canto Nuevo wurden im europäischen Ausland produziert, da viele Künstler/innen ins Exil gingen und ihre Musik dort bekannt machten. Daraus entstand ein Mangel an Tonträgern, der die Fans dazu brachte, Schall-platten und Kassetten zu verleihen und zu tauschen. Der Historiker Fernando Reyes Matta erinnerte sich:

„Thanks of the circulation of tapes, records passed form hand to hand, of festival registers, and the artist's tours themselves, these

[Latinamerican New Song] songs swiftly cross national frontiers. More than any other expression of the liberation or revolutionary struggle in every country (theater, poetry, novels, films, magazines, etc.), the song being created is distinctively and universally Latina American, moreover, it is ubiquitous.“69

In Lateinamerika produzierten lediglich einige Vertriebsfirmen auf Kuba und fünf kleine unabhängige Schallplattenfirmen in Mexiko den Canto Nuevo , dazu gehörte auch das Plattenlabel Fotón , das von Mitgliedern der PCM betrieben wurde.70 In vielen lateinamerikanischen Ländern existierten Christina Chavez, Pilar García und Eugenia Pulido vom Geheimdienst registriert. Vgl. Javier Garcia Paniagua: Partido Comunista Mexicano, Dokumente der DFS im AGN, D.P.S., Galerie 1, 11.05.1978/II-220/L27/58, 4689.

68 Vgl. Fernando Morán: La Flor y Nata de René Villanueva, digital http://lanueva-cancionmexicana.blogspot.de/2014/03/la-flor-y-nata-de-rene-villanueva.html, gesehen am 05.09.2019.

69 Fernando Reyes Matta: The „New Song“ and its confrontation in Latin America. In: Carry Nelson; Lawrence Grossberg (Hgg.): Marxism and the interpretation of culture, University Press of Illinois: Chicago 1988, 448.

70 Für Kuba vgl. Cornelius Schlicke: Tonträgerindustrie und Vermittlung von Live-musik in Kuba, Populäre Musik im Kontext ökonomischer Organisationsformen und kulturpolitischer Ideen, Lit-Verlag: Berlin 2007. Zu den Alternativlabels in Me-xiko gehörten Disco Pueblos der Band Los Folkloristas, Nueva Voz Latinamericana von José Molina, Nueva Cultura Latinoameriacana von Julio Solórzano und Disco

260

Verbindungen zwischen der Bewegung des Canto Nuevo und den kommunistischen Parteien. Einigen kommunistischen Parteien brachten diese Beziehungen sogar finanzielle Erfolge ein, so unterstützte beispielsweise die Kommunistische Partei Chiles (PCCH – Partido Comunista de Chile ) die Band Quilapayún , deren Langspielplatte (LP) „Por Vietnam“ zum unerwarteten Verkaufsschlager wurde. Daraufhin gründete die PCCH das Plattenlabel Discoteca de Canto Popular (DICAP), das während seines fünfjährigen Bestehens 240 000 Schallplatten heraus brachte.71

Der Mexikanischen Kommunistischen Partei gelang dies nicht. Zwar veröffentlichte Fotón die Konzertmitschnitte der ersten drei Festivales de Oposición , jedoch waren die Geschäfte nicht lukrativ genug, um der PCM Geld zuführen zu können.72 Verbreitung fand der Canto Nuevo in Mexiko über selbstverwaltete Konzert- und Proberäume, die sogenannten Peñas . In den kleinen angemieteten Räumen oder Garagen wurde geprobt, Musikunterricht und Konzerte für wenig Geld gegeben und neue Musikgruppen gegründet. Diese stets überfüllten Räume der Peñas funktionierten ohne die Beschränkungen des offiziellen Kulturbetriebs. Sie erreichten zwar kein Massenpublikum, wurden jedoch zu Treffpunkten für ein linkes, jugendliches Publikum aus Musikinteressierten, Exilant/innen, Studierenden und Mitgliedern politischer Gruppen.73 Im Verlauf der siebziger Jahre entstanden Cóndor Pasa von Ángel Cervantes und ab 1981 auch Discos Pentagrama von Mo-desto López. Vgl. Marian Alonso Bolaños: La invención de la música indígena de México: antropología e historia de las políticas culturales del siglo XX, Editorial SB: Buenos Aires 2008, 58; Fernando Morán: La flor y nata de René Villanueva http://lanuevacancionmexicana.blogspot.de/2014/03/la-flor-y-nata-de-rene-villanueva.html, gesehen am 11.08.2019.

71 Vgl. Juan Pablo González; Jan Fairley: Recording: Record Labels/Companies: DI-CAP (Chile). In: David Horn; Dave Laing et al.: Continuum Encyclopedia of Popu-lar Music of the World, Volume 1, Continuum Publisher: London/New York 2003, 683–784, 709.

72 Vgl. Interview mit Luciano Concheiro am 06.11.2013 in Alvaro Obregón, Mexi-ko-Stadt. Die Auswahl der Interpret/innen auf den LPs der Festivals der PCM ergab sich vermutlich aus den Kontakten zu den Künstler/innen und auch deren Lizenz-rechten. Vgl. Compilation: Primer Festival de Oposición, Discos Fotón, México 1978; Compilation: Segundo Festival de Oposición, Discos Fotón, México 1978; Tercer Festival de Oposición, Discos Fotón, México 1979.

73 Vgl.Interview mit Leonor Lara am 23.09.2011 in der Condesa, Mexiko-Stadt.

261

260in Mexiko-Stadt Peñas mit unterschiedlicher politischer Aus-richtung. Während einige Lokale schon bald gewinnorientiert wirt-schafteten, stand bei anderen Peñas das Erforschen und Verbreiten der lateinamerikanischen Folklore im

Vordergrund.

Beispiele hierfür waren die Peña der Band Los Folkloristas, die Peña

Tecuicanime des Gesangduos Anthar y Margarita oder das Centro de

Estudios del Folclor Latinoamericano

(CEFOL), das gemeinschaftlich von den Künstler/innen und Musik-gruppen betrieben wurde. Die

Organisator/innen verstanden sich als Teil der mexikanischen Oppo-sition und beispielsweise das CEFOL legte seinem Handeln „eine marxistische Anschauung“ zugrunde, ohne sich auf eine politische Gruppe festzulegen.74

Bekannte Musiker/innen der Nueva Canción aus dem In- und Ausland traten dort auf. So spielten beispielsweise in der Peña de los Folkloristas im Stadtteil Del Valle Victor Jara, Angel Parra, die Gruppe Inti-Illimani, Mercedes Sosa, Atahualpa Yupanqui, Silvio Rodríguez, Pablo Milanés und Soledad Bravo.75 Im Repertoire des mexikanischen Canto Nuevo fanden sich Lieder über Armut und Unterdrückung der Landbevölkerung, der Arbeiter/innen und Indigenen sowie über Gewerkschaftskämpfe und die Kämpfe der 74 Zur politischen Grundhaltung siehe das Gründungspapier der FMTC, abgedruckt in Espinosa; Zúñiga: La Perra Brava, 2002, 22. Für das CEFOL o. A.: A la Asamblea. Resolución tomada por el circulo de estudios del Círculo de Estudios del CEFOL, Dokument im Privatbesitz von Ricardo PérezMontfort, Fotoarchiv der Autorin, Do-kumentos FLEC 2165. Die Konzerte der Peñas wurden ebenfalls von Geheimdienst-mitarbeitern überwacht. Vgl. Miguel Nazar Haro: II Encuentro Nacional de la Can-ción, Dokument der DFS im AGN, Galerie 1, 11.04.1978, II-118-L 456, 4727, 4859.

75 Vgl. Los Folkloristas: Semblanza digital: http://www.losfolkloristas.com/, gese-hen am 10.07.2019.

Abb. 5.5 LP-Cover von Rini

Tempelton, Los Folkloristas: Album:

Nuevo Canto, Disco Pueblos: México

1976.

262

261

Besetzer/innen an den Stadträndern, die die Affinität gegenüber Populär-kultur und den Marginalisierten aufzeigten.

Den Strömungen der Nueva Canción und der marxistischen Linken in Mexiko war gemeinsam, dass sie mit ihrem Volksbezug nicht die „Roman-tisierung der Vergangenheit“, sondern die „Kontinuität der Kämpfe“ aufzeigen wollten.76 Grundlage für das Verhältnis zwischen PCM und politisierten Künstler/innen war ihre politische Übereinstimmung. Die PCM profitierte vom Kontakt zu den populären politi-sierten Künstler/innen und die Musiker/innen, die sich dem Canto Nuevo Mexicano verschrieben hatten, waren bereit, sich mit dem Partei-apparat der PCM auseinanderzusetzen, da die Partei wegen ihrer konstanten Aktivitäten, ihrer weitreichenden natio-nalen und internationalen Vernetzung eine bedeutende Stellung in der mexikanischen Linken inne hatte. Gleichzeitig barg die Zusammenarbeit die Gefahr der Vereinnahmung.77

Ferner hatte die PCM schon seit den zwanziger Jahren gute und enge Kontakte zu den politisierten Künstler/innen unterhalten, was die Partei auch für die politisierten Künstler/innen der siebziger Jahre zur prädesti-nierten Bündnispartner/in werden ließ, da sich PCM und politische Kunst als Alternative zum PRI-System verstanden. Allerdings wollten die Künstler/innen des Canto Nuevo Mexicano Beziehungen auf Augenhöhe mit der PCM 76 Rodríguez: The Revolutionary Patria and ist New (Wo)Men. In: Vila: The Militant Song Movement in Latin America, 2014: 230. (eigene Übersetzung)

77 Vgl. Interview mit Sol Mejía am 24.02.2014 in San Rafael, Mexiko-Stadt, Interview mit Alberto Pulido am 23.05.2011 in Coyoacán, Mexiko-Stadt.

Abb. 5.6 Rini Templeton:

Los músicos. In: Centro de

Documentación Gráfica Rini

Templeton: El arte de Rini

Templeton. Donde hay vida y lucha,

1987 Real Comet Press. Seattle,

Washington, 249.

263

pflegen und ihre Kunst unabhängig von den Parteiinteressen gestalten. Die politisierten Kunstschaffenden in Mexiko sahen sich in der Tradition voran-gegangener mexikanischer Kunstströmungen, wie zum Beispiel den Muralistas , die enge Verbindungen zur PCM unterhalten hatten. Die Wandbilder des Muralismo von Diego Rivera und Alfaro Siqueiros zeigen die Verzahnung von Kunst und Politik, da sie in ihrer Darstellung die Werte der mexikanischen Revolution (1910–1917) und die Schaffung der nationalen Identität mit der Idee sozialer Transformationen verbanden.

Der Muralismo prägte und verbreitete eine kommunistische Symbolik in Mexiko und verlieh der PCM weit über die eigenen Reihen hinaus Prestige. So ist Mexiko eines der wenigen kapitalistischen Länder, in dem ein Bild von Hammer und Sichel im Präsidentenpalast zu finden ist. Neben den Muralistas knüpften die Künstler/innen der siebziger Jahre ebenfalls an die Traditionen des revolutionären Künstler- und Schriftstellerbunds Liga de Escritores y Artistas Revolucionarios (LEAR) und die bekannten Grafiken des Taller de Gráfica Popular (TGM) an, deren Kunst sich explizit ans Volk gerichtet hatte.

Bedeutende mexikanische Künstler/innen des 20. Jahrhunderts wie Diego Rivera, Juan de la Cabada, Pablo O’ Higgins oder José Revueltas waren zeit-weise PCM-Mitglieder. Hochrangige Mitglieder des Zentralkomitees der PCM, wie Hernán Laborde oder Arnoldo Martínez, interessierten sich für Kunst und Kultur und unterhielten enge Beziehungen mit Kunstkreisen.78 Trotzdem waren die Beziehungen zwischen Partei und Künstler/innen von Aus-einandersetzungen geprägt. Parteiaustritte oder Ausschlüsse kamen selbst bei renommierten Künstler/innen wie Rivera oder Revueltas vor.79 Hierbei 78 Umfassende Biografien über das Leben bekannter mexikanischer Kommunis-ten wie Hernán Labordes und Arnoldo Martínez Verdugo fehlen noch. Vgl. Elvira Concheiro; Carlos Payán: Los congresos comunistas. México 1919–1981, Bd. 1, CE-MOS/Secretaría de Cultura: México D. F. 2014, 19; Carr: Escribiendo la historia de los comunismos en las Américas: retos y nuevas oportunidades. In: Patricio Herre-ra González: El comunismo en América Latina. Experiencias militantes, intelectua-les y transnacionales (1917–1955), Universidad de Valparaiso: Chile 2017, 13–34.

79 Zu den Ein- und Austritten in die PCM in den zwanziger Jahren vgl: Stephanie l. Smith: The power and politics of Art in postrevolutionary Mexico, 2017: North Ca-rolina Press: Chapel Hill, 36ff; zum Verhältnis von José Revueltas zur PCM John Kra-niauskas: Capitalism and its Discontents: Power and Accumulation in Latin-Ameri-can Culture, University of Wales: Cardiff 2017, 136ff.

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spielte die Kritik an der Kulturnormierung durch die Partei (Diego Riveras „Manifest für die Unabhängigkeit der revolutionären Kunst“) eine ebenso große Rolle wie die inhaltliche Kritik der Künstler/innen an der PCM-Politik (José Revueltas: „Ensayo sobre el proletariado sin cabeza“).80

Nach 1968 stellte die neue politisierte Kunst das PRI-System generell in-frage und benannte offene Widersprüche wie die fehlende Transparenz und Demokratie. Dies führte zu ihrer Marginalisierung im offiziellen Kulturbetrieb und machte den Canto Nuevo Mexicano zur Gegenkultur oder Contracultura . Es brachte ihr aber auch die Anerkennung der unzufriedenen urbanen Mittelschicht ein, die sich einer „kulturellen Dissidenz“ verschrieb, die nicht zwangsläufig in offene, politische Opposition mündete, sondern sich gerade im Kulturbereich äußerte. Für die jungen Künstler/innen vertrat die PRI nicht mehr die Ideale der mexikanischen Revolution.81 Diese Ansicht blieb in der PCM lange umstritten und begann sich erst zu Beginn der siebziger Jahre durchzusetzen.82

Die PCM und die neue Künstlergeneration teilten in den siebziger Jahren viele politische Positionen, zum Beispiel engagierten sich sowohl die PCM als auch die Bewegung des Canto Nuevo für die Verbesserung der Lebens-bedingungen der Landbevölkerung. Die Musiker/innen der mexikanischen Nueva Canción, die meist in den Städten lebten , kamen mit der Landbevölkerung in Kontakt, da sie in die Dörfer reisten, um von lokalen Musiker/innen Rhythmen und Instrumente zu lernen. Sie erforschten vorko-loniale Instrumente und entdeckten lokale Adaptation europäischer Instrumente wieder. Gleichzeitig sahen sie, wie schwer es war, auf dem Land zu überleben.83 Den jungen Parteimitgliedern erging es ähnlich. Die PCM ent-80 Für das Manifest von Diego Rivera und das Essay von José Revueltas vgl. Diego Rivera, André Breton: „Manifiesto por un arte revolucionario independiente“ aus dem Jahr 1938, digital http://sgpwe.izt.uam.mx/files/users/uami/nivon/BRE-TON_manifiestopdf.pdf, gesehen am 21.07.2019; José Revueltas: Ensayo sobre un proletariado sin cabeza, Obras completas 12, 1980 Era: México D. F.

81 Vlg. Hijar: Siete grupos 2008:18 und 60.

82 Vgl. Concheiro: En la lucha por la democracia, 1985: 324ff.

83 Vgl. Jan Fairley: La nueva canción latinoamericana, 1984: 107–115. Diese Erfah-rungen fanden ihren Widerhall in der politisierten Kunst: Junge Filmemacher/in-nen des Nuevo Cine dokumentierten die Armut auf dem Land und deckten neoko-lonial Verhältnisse auf. Bekannte Beispiele sind die Filme „Etnocidio: Notas sobre

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sandte sie zur Organisations- und Schulungsarbeit aufs Land, da sich die Partei verstärkt an Landkämpfen beteiligte.

In den siebziger Jahren gingen die Landbesetzungen in die Zehntausende, circa 4 500 wurden von der PCM organisiert.84 Die Virulenz der Landkämpfe sowie internationale Theorien zum revolutionären Potenzial der Bauern-schaft verstärkten das Interesse der PCM an der Landbevölkerung.85 Im Richtungsstreit innerhalb der marxistischen Strömung, ob das Proletariat der Fabriken (Lenin) oder die einfachen Bauern auf dem Lande (Mao) das bedeutsamere revolutionäre Subjekt seien, blieb die PCM zwar ihrer „leni-nistischen“ Ausrichtung treu, sie verfügte jedoch über eine starke Lobby unter den Bauern und Bäuerinnen.86

Der Kontakt der jungen Parteimitglieder und der Musiker/innen des Canto Nuevo zur Landbevölkerung führte zu ihrer Sensibilisierung und ihrem Engagement. Für beide implizierten enge Beziehungen zur armen Bevölkerung die Nähe zur ausgebeuteten Klasse, was ihrem politischen Engagement Glaubwürdigkeit verlieh und der Musik der Canto Nuevo Mexicano Authentizität gab.

Attraktiv war der Canto Nuevo für die PCM auch deshalb, da viele latein-amerikanische Interpret/innen sich politisch engagierten oder den kommunistischen Parteien nahe standen. Besonders gefragt waren die Musiker/innen der Nueva Canción Latinoamericana , die aus latein-amerikanischen Ländern mit sozialistischen Regierungen wie Kuba, Chile el Mezquital“ von Paul Leduc und „La Casta Divina“ von Julián Pastor, die beide auf dem ersten Festival de Oposición gezeigt wurden.

84 Vgl. Stephan Scheuzger: Der Andere in der ideologischen Vorstellungskraft. Die Linke und die indigene Frage in Mexiko, Veruvert/Iberoamericana: Frankfurt a. M. 2009, 546f.; 578f.; Dolores Trevisos Zeitzeugeninterviews ergaben, dass PCM-Mit-glieder bereits zu Beginn der siebziger Jahre bei der Organisierung der Bauern und Bäuerinnen aktiv waren, jedoch zum Teil ihre Parteizugehörigkeit verheimlichten. Vgl. Trevizo: Rural Protest and the Making of Democracy in Mexico 2011: 111f.

85 Vgl. Eric Wolf: Peasant Wars of the Twentieth Century, Harpercollins College, New York 1969; Hobsbawm: Die Banditen. Räuber als Sozialrebellen, Hanser, München [1972] 2007; Sidney Mintz: The Rural Proletariat and the Problem of Rural Proleta-rian Consciousness. In: Journal of Peasant Studies. 1(3) 1974, 291–325; Immanuel Wallerstein: The Modern World-System, Vol. I, 1974 Academic Press: New York/London.

86 Vgl. Interview mit Luciano Concheiro am 06.11. 2013 in Coyoacán, Mexiko-Stadt.

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oder Nicaragua kamen und über „sich verändernde Menschen einer revoluti-onären Epoche“ sangen.87 Das Verhältnis dieser Künstler/innen zu den sozialistischen Staatsparteien war jedoch nicht immer konfliktfrei, so irri-tierte zum Beispiel die Kommunistische Partei Kubas an der Nueva Trova Cubana zunächst die Verwendung westlicher Stilelemente und die Zweideutigkeit der Texte.88 Dennoch wurde diese Musikrichtung später kon-tinuierlich durch die kubanische Partei unterstützt, was ein weiteres Argument für die PCM war, den mexikanischen Canto Nuevo zu fördern.89 Die PCM präsentierte auf den Festivales de Oposición die „politische“ Kunstrichtung des Canto Nuevo , da diese Musikrichtung auch von anderen sozialistischen Parteien unterstützt wurde und der Kontakt zu den internati-onalen und sozialistisch orientierten Künstler/innen der PCM Prestige verlieh.

Ferner waren die musikalischen Anleihen des Canto Nuevo Mexicano bei der Folkmusik für die PCM eingängig, da die Lieder der mexikanischen Revolution in weiten Teilen der Bevölkerung geschätzt wurden, was diese Musik potentiell für ein breites Publikum interessant machte. Diese Gemeinsamkeiten machten den Canto Nuevo Latinoamericano für die PCM zur politischen Musik, die es zu fördern galt. Die Mexikanische Kommunistische Partei unterstützte die Gruppen des Canto Nuevo , da sie 87 Ciro Bianchi Ross: Silvio Rodríguez: del pasado al porvenir. Entrevista con Sil-vio Rodríguez. In: Revista Cuba Internacional, Año 5 (52), 12/1973 24–25. (eigene Übersetzung)

88 Die Kommunistische Partei Kubas schloss deshalb die Musiker Silvio Rodríguez und Pablos Milanés vom ersten Treffen des Canto Nuevo in Havanna aus, revidierte jedoch später ihre Meinung und Rodríguez und Milanés wurden zu den bekannten kubanischen Trovadores. Ein Beispiel für die Zweideutigkeit ist die Ballade „Playa Giron“ von Silvio Rodríguez, die trotz des programmatischen Titels eben nicht von der ersten US-amerikanische Niederlage in Lateinamerika, sondern vom Leben der lokalen Fischer in Playa Giron handelt. Vgl. Silvio Rodríguez: Playa Giron, Album: Dias y Flores, Hannibal: La Habana 1975.

89 Vgl. Interview mit Marcos Leonel Posadas am 21.02.2014 in Tlalpan, Mexi-ko-Stadt.

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linke Argumente verbreiteten, neue Mitglieder für ihre Partei warben und den PCM-Veranstaltungen ein großes Publikum bescherten.90

Die Verbindungen mit den Künstler/innen des Canto Nuevo brachte der Partei die Nähe zu einem jungen, universitären Publikum ein, das sozia-listischen Ideen aufgeschlossen gegenüber stand. Die PCM unterstützte die Künstler/innen, indem sie ihnen Auftrittsmöglichkeiten wie die Festivales de Oposición bot, die Aufnahme ihrer Musik unterstützte oder ihre Kontakte nutzte, um sie auf internationale Festivals zu schicken. So fuhren einige me-xikanische Musikgruppen zu den Festivals des politischen Liedes in der DDR, wobei die PCM als Kontaktvermittlerin und Reiseorganisatorin fungierte, ohne jedoch die Reisen zu finanzieren, da ihr hierzu die Mittel fehlten.91

Der mexikanische Rock war für die PCM hingegen eine kommerzielle, un-politische Musikrichtung und eine Kopie der US-Mode. Diese Bewertung war in den fünfziger und sechziger Jahren nicht falsch gewesen, hatte der mexi-kanische Rock 'n' Roll sich doch durch spanische Übersetzungen kommerzieller US-Hits ausgezeichnet und sich an Verkaufszahlen orientiert.92So wurde aus dem „Jailhouse Blues“ der „Rock de la Cárcel“ und aus dem Hit „Grease“ das Lied „Vaselina“. Die Musikwissenschaftlerin Yolanda Morena Rivas resümierte:

„La juventud mexicana acogió el rock ’n’ rol y pretendió asumirlo como propio, pero de él captó solamente el comercialismo, dejando de lado

90 Auf dem ersten Festival führte die PCM eine erfolgreiche Kampagne zur Mitglie-derwerbung durch, da im Zuge von politischen Reformen ihre Zulassung zu den mexikanischen Wahlen möglich wurde, deren Vorausbedingung der Nachweis von 100 000 Parteimitgliedern war. Vgl. Montes Manzano: Los últimos años,1985: 370.

91 Unter anderen gehörten Los Folkloristas, Gabino Palomares oder Anthar y Mar-garita zu den mexikanischenTeilnehmer/innen der Festivals des politischen Lie-des. Vgl. O. A.: Festivalteilnehmer von 1970–1990, digital http://www.musikund-politik.de/archive/festivalteilnehmer-1970-1990/, gesehen am 07.04.2019; Vgl. Interview mit Ilán Semo am 17.12.2013 in Coyoacán, Mexiko-Stadt.

92 Vgl. Velasco García: El Canto de la Tribu, 2004: 61.

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el carácter de rebelión que se suponía implícito en la música e imagen de sus interpretes origínales.“93

Im Verlauf der siebziger Jahre veränderte sich der mexikanische Rock und fand eigene Ausdrucksformen. Eine neue Generation von Rockmusiker/innen wie Rockdrigo, Rafael Catano, Nina Galindo oder Jaime López besangen in ihren Texten kritisch die mexikanische Realität.94 Zunächst fand dieser Umstand in der PCM kaum Resonanz. Ein Machete- Artikel fasste die Parteiwahrnehmung der „unpolitischen“ Haltung der mexikanischen Rockgruppe Three Souls on My Mind als Anti-Haltung ohne politische Alternative, zusammen:

„Los integrantes de Three Souls on My Mind son apolíticos. […] ‚Los chavos que van a vernos nos escuchan y se enojan en el momento y comparten nuestra opinión, pero ten la seguridad de que, al salir del concierto, no se van a convertir en guerrilleros‘.“95

Die PCM lehnte sowohl das mexikanische Hippie-Festival Avándaro als „entpolitisierendes Komplott“ als auch die mexikanische Rock-Bewegung als Teil eines intellektuellen „US-Kulturimperialismus“ ab, was die Fokussierung der Festivalmusik auf die Musik des Canto Nuevo Latinoamericano erklärt.96Darüber hinaus war die Musikauswahl wohl auch regional begründet, da in der Hauptstadt viele Gruppen des Canto Nuevo spielten, während in anderen Bundesstaaten durchaus andere Musikstile boomten.97 Erst 1981, beim letzten Festival de Oposición , wurde auch Rock-Musik auf den Bühnen 93 Yolanda Moreno Rivas: Historia de la música popular mexicana, SEP: México D. F. 1989, 257.

94 Vgl. García Sánchez: Judith Reyes, 2007: 111.

95 Victor Roura: De popotitos a tlatelolco. In: El Machete 1/05/1980, 53–56, 56.

96 Carlos Monsiváis: Amor Perdido, 2010: 251; Reyes Matta: The „New Song“ and its confrontation, 1988: 454. (eigene Übersetzung)

97 Der mexikanische Bundesstaat Puebla entwickelte sich zu einem Zentrum des mexikanischen Rock und dementsprechend hatte die lokale PCM-Gruppe weniger Berührungsängste mit dieser Musikrichtung als die Parteigruppen der Hauptstadt. Vgl. Interview mit Antonio Ibarra am 21.01.2014 in San Geronimo, Mexiko-Stadt.

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präsentiert.98 Zwar schlug das Herz einiger PCM-Mitglieder schon davor für den Rock, dies verstanden sie jedoch als Privatvergnügen.99

Generell wollte die PCM eine nach ihren Kriterien definierte „oppositionelle Kunst“ auf den Festivalbühnen präsentieren. Darum behielt sich die Partei vor, das musikalische Programm der Festivals zu gestalten und zu bestimmen, welche Bands des Canto Nuevo spielen durften. So unterstützte die Partei besonders jene Musikgruppen, deren Mitglieder zur PCM gehörten oder die sich positiv auf sie bezogen. Die PCM unterhielt exzellente Beziehungen zum mexikanisch-chilenischen Duo Anthar y Margarita, das für das erste Festival de Oposición die Hommage an die Partei „Al partido Comunista“ komponierte, in der es die Partei als „sauber“ und ihre Einstellung als „pur, einfach und optimistisch“ beschrieb.100 Musiker/innen wie Judith Reyes oder José de Molinas, die die PCM explizit kritisierten oder anderen linken Organisationen nahe standen, nahmen entweder nicht an den Festivals teil oder traten zumindest nicht geplant auf.

Ein Zeitzeuge erinnerte sich, dass José de Molina beim zweiten Festival de Oposición zwischen den Infoständen auf einem Tisch sang, um seine Platten anzupreisen. Während sich eine begeisterte Menge um ihn sammelte, ver-suchten Parteimitglieder das improvisierte Konzert zu beenden.101Auch die Künstlerkollektive debattierten darüber, wie eng das Verhältnis zur PCM sein dürfe ohne die künstlerische Unabhängigkeit zu gefährden.102 Einerseits ver-98 Vgl. Festivalprogramme in Oposición o. A.: Programa General del Primer Festival de Oposición, Oposición 23.04.1977; o. A.: Programa del III. Festival de Oposición, Oposición 09.04.1979; o. A.: Programa del IV. Festivalprograma de Oposición, Opo-sición 18.05.1980, o. A.: Programación de los Foros, Oposición 20.12.1981.

99 Vgl. Interview mit Alberto Pulido am 23.05.2011 in Coyoacán, Mexiko-Stadt und Antonio Ibarra am 21.04.2014 in San Jerónimo Lidice, Mexiko-Stadt.

100 Ihr Lied wurde später auch von anderen kommunistischen Parteien genutzt und weiterverbreitet. Vgl. Anthar y Margarita: Canción al partido Comunista, Album: Anthar y Margarita, Foton: México D. F. 1976.

101 Vgl. Fernando Morán: La Flor y Nata de René Villanueva, digital http://lanue-vacancionmexicana.blogspot.de/2014/03/la-flor-y-nata-de-rene-villanueva.html, gesehen am 05.09.2019.

102 Exemplarisch für die Auseinandersetzungen in Kunstkreisen kann der Streit zwischen den CLETA-Theatergruppen Zambón und Zopilote gelten. Während die Erstgenannte sich der PCM annäherte und auf Parteiveranstaltungen spielte, be-harrte die Zweite auf ihrer künstlerischen Unabhängigkeit und lehnte eine „Partei-

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fügte die PCM über gute Beziehungen zu Institutionen, was den Musiker/innen Vernetzung und Auftrittschancen bescherte. Andererseits bestand die Angst, dass die Partei politischen Einfluss auf das Repertoire nehmen oder die Künstler/innen für Parteizwecke einspannen könnte. In einer Rezension des dritten Festivals de Oposición bezeichnete man das Fest als „künstleri-schen Marathon“, bei dem die Parteiinteressen stets im Vordergrund gestanden und sich die mexikanischen Musikgruppen mehr als „Partei-mitglieder mit Auftrag“ denn als „Musiker/innen in Kommunikation mit dem Publikum“ verstanden hätten.103

Ein weiterer Streitpunkt war der positive Bezug des Canto Nuevo auf die indigenen Kulturen. Die Künstler/innen kritisierten koloniale Strukturen und Hierarchien, die weiterhin in den lateinamerikanischen Gesellschaften existierten und zur Ausgrenzung der indigenen Völker führten.104 Wie auch die kritische Anthropologie, die sich in den siebziger Jahren an mexika-nischen Universitäten formierte, traten die Musiker/innen für eine „Neubegegnung mit den indigenen Kulturen des Kontinents“ ein und ver-traten das „Recht auf Differenz“ und Selbstbestimmung der indigenen Völker.105 Das PCM-Mitglied Roger Bartra warnte vor einer Idealisierung der Indigenen und einer Fokussierung auf die Kultur ohne Klassenanalyse, die nur der kapitalistischen Herrschaftssicherung diene.106 Zu dieser Zeit er-kannte die PCM die spezifisch ethnisch-kulturelle Ausgrenzung der Indigenen nicht an, sondern subsumierte sie unter die Ausbeutung der Armen.107 Im Diskurs der PCM war selten von Indigenen und viel vom Kampf für die Rechte kunst“ als Bevormundung ab. Die Gruppe Zambón warf Zopilote hingegen vor, sich zu entpolitisieren und nur noch ihre eigenen Karrieren zu verfolgen. Vgl. López: C.L.E.T.A, 2012: 136ff.

103 Fernando de Ita: Se inauguró el tercer Festival de Oposición con un maratón de 4 horas de espectáculo, Unomásuno, 22.04.1979. (eigene Übersetzung)

104 Vgl. Bolivar Echeverría: Modernidad y blanquitud, Era: México D. F. 2010, 57ff.105 Vgl. Guillermo Bonfil Batalla: El concepto del indio en América: una categoría co-lonial. In: Ders.; Anales de Antropología, Vol. IX, UNAM: México D. F, 1972 105–124, 110.

106 Vgl. Scheuzger: Der Andere 2009: 601–603.

107 Vgl. Scheuzger: Der Andere, 2009: 546f., 578f.

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270der Bauern und Bäuerinnen die Rede.108 Von den Auseinandersetzungen zwischen der PCM und den Gruppen des Canto Nuevo Mexicano , die sich in-haltlich oder visuell durch ihr Auftreten in traditionellen Gewändern positiv auf die indigenen Kulturen bezogen, zeugt das Fallbeispiel der Band Los Folkloristas, das in Kapitel 5 untersucht wird.

Die Künstler/innen des Canto Nuevo , die der PCM beigetreten waren, be-klagten ferner das Fehlen der Parteiarbeit im Bereich der Musik. So weist ein internes Analysepapier der PCM auf neue Parteiaufgaben hin, die sich aus den schlechten Lebensbedingungen der Musiker/innen, der Korruption der 108 Vgl. Interview mit Luciano Concheiro in Alvaro Obregón, Mexiko-Stadt am 06.11.2013.

Abb 5.7 „Aber die Canción de Protesta ist nicht nur eine schöne

Form, die Folklore zu nutzen, sondern auch um das Bewusstsein zu erweitern. Es ist eine notwendige Form des Nationalismus, die zeigte, dass die Jugend aufgehört hat, ihre Ohren auf Produkte aus

Chicago oder San Francisco auszurichten. Das ist purer Kulturko- lonialismus.“ „Rock mag ja sehr schön sein, aber was sagt er aus?“

Comic: Los Agachados: La canción de protesta, Nr. 123, Editorial

Posadas: México D. F. 1973, o. S.

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Gewerkschaften im Kunstbereich und der Ausrichtung der staatlichen Musikausbildung ergeben würden, die auf die europäische „Hochkultur“ der Klassik oder nationale Musikstücke ausgerichtet sei und einen „chauvinisti-schen beziehungsweise „einen Status quo erhaltenden Charakter“ habe.109

Der Autor der Untersuchung, Roberto Kolb, war nach eigener Aussage erst vor kurzem PCM-Mitglied geworden. Er beklagte die fehlende Kulturpolitik der Partei: Die PCM verfüge über zu wenig Einfluss im Künstlerdachverband LIMAR ( Liga Independiente de Músicos y Artistas Revolucionarios ), in dem sich PCM-nahe und parteiskeptische linke Künstler/innen organisierten.110 In der LIMAR zeichnete sich eine Teilung der Strömung des Canto Nuevo ab – in die Musikgruppen, die aus dem reicheren Bezirken im Süden von Mexiko-Stadt stammten und meist gute Beziehungen zu linken politischen Parteien unterhielten, und die Bands aus den ärmeren nördlichen Bezirken von Mexiko-Stadt, die sich eher parteikritisch positionierten.111 Diese LIMAR-Gruppen teilten die Kritik der PCM am offiziellen Kulturbetrieb, kritisierten sie jedoch dafür, die Parteiziele über die Unabhängigkeit der Kunst zu stellen. Maylo Colmenares beschrieb diese Haltung als „eine Kritik der Kritik“.112

Generell, so berichtete Kolb, verfügten die Künstler/innen des Canto Nuevo über einen hohen Politisierungsgrad, jedoch sei ihr Miteinander von 109 Vgl. Roberto Kolb: Por una Politica Cultural de los sectores musicales, Dokumen-te des CEMOS México D. F., o. D., c. 144, cl. 138, exp. 2, 7283–7294.

110 LIMAR verstand sich als demokratische Organisation, die allen links-politisch engagierten Kunstschaffenden offenstand. Sie bestand bis 1980 und zu ihren Mit-gliedern zählten u. a.: Amparo Ochoa, Gabino Palomares, Julio Sólorzano, Anthrar y Margarita, Judith Reyes, Los Nakos, Los Folkloristas, Nopalera, On’ta, Papalote, Sanampay, Grupo Victor Jara, Vientos para una Nuevo Día. Vgl. Velasco: Canto de la Tribu: 92–95; Alberto Hijar: Tesis para los centenarios, digital http://textoyo-pinion.blogspot.de/p/alberto-hijar.html, gesehen am 12.08.2019; César Horacio Espinosa V.: La Perra Brava. Arte, crisis y política Culturales, 110f.; Roberto Kolb er-wähnte die LIMAR, die sich 1979 gründete, so dass davon auszugehen ist, dass sein Papier aus den Jahren 1980 oder 1981 stammt. Vgl. Roberto Kolb: Por una Política Cultural de los sectores musicales, CEMOS México o. D., C144/138, exp. 2, 7293

111 Vgl. Morán: La flor y nata, digital http://lanuevacancionmexicana.blogspot.de/2014/03/la-flor-y-nata-de-rene-villanueva.html, gesehen am 11.08.2019.

112 Interview Maylo Colmenares am 09.02.2012 in Ciudad Universitaria, Mexi-ko-Stadt. (eigene Übersetzung)

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Fraktionierungen, Streitigkeiten und Neid geprägt und verhindere die „für uns Militante doch obligatorische Einheit“.113 Die Streitigkeiten basierten sowohl auf persönlichen Animositäten als auch auf dem unklaren Verhältnis von Partei und Kunst, da auch unter Parteikünstler/innen die Einmischung der PCM in ihr Schaffen umstritten war. Die mexikanischen Musiker/innen des Canto Nuevo verfügten ferner über zu wenig Ausbildung und ihre Suche nach musikalischen Alternativen zur offiziellen, kommerziell ausgerichteten Kulturpolitik „glich eher einem Tappen im Dunklen“ als einem gezielten Aufbruch zu einer sozialistischen Musik.114 Zur Verbesserung dieser Situation solle die PCM über die Arbeitsperspektiven der Künstler/innen informieren und den Austausch zwischen den Parteiinstitutionen und den Musiker/innen in der PCM erweitern. An die Partei appellierte der Autor, eine strin-gente Kulturpolitik zu erarbeiten, die Musiker/innen ernst zu nehmen und sich ihnen gegenüber „flexibel“ zu zeigen, um die „vorherrschende, arrogante Ablehnung von Parteien unter den Künstler/innen“ brechen zu können.115

Die Existenz dieses internen Berichts der PCM legt nahe, dass die Partei ein Interesse an der Kulturarbeit hatte und ihr Wirken in diesem Bereich aus-weiten und verbessern wollte. Die PCM könnte die Organisation der politischen Kulturfeste als Versuch gesehen haben, sich Klarheit über die Positionen und das Engagement der Mitglieder zu verschaffen. Dies galt be-sonders für die Musikrichtung des Canto Nuevo Mexicano , da unter diesen Musiker/innen ein hoher Politisierungsgrad herrschte, der zu einer engen Kooperation mit der Partei führte. Die reale Einflussnahme der Partei auf die Künstler/innen des Canto Nuevo scheint jedoch begrenzt gewesen zu sein, da die Parteimitglieder unterschiedliche Auffassungen vertraten, klare Direktiven fehlten und selbst die Künstler/innen, die der PCM nahe standen, die Einmischung der Partei in die Kunst kritisch sahen.

In Bezug auf die Parteikulturpolitik beklagten vor allem Parteimitglieder, die in diesem Bereich arbeiteten, dass es einigen PCM-Mitgliedern am Verständnis für die „Bedeutung der Kunst im politischen Kampf“ mangele, 113 Kolb: Por una Politica Cultural de los sectores musicales, CEMOS México o. D., C144/138, exp. 2, 7290. (eigene Übersetzung)

114 Ebenda. (eigene Übersetzung)

115 Ebenda. (eigene Übersetzung)

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die von zentraler Bedeutung für die Erlangung von Hegemonie sei.116 In den siebziger Jahren wurden die marxistischen Kulturtheorien von Antonio Gramsci, Luis Althusser oder Michel Foucault in linken Kreisen und inner-halb der Mexikanischen Kommunistischen Partei verstärkt rezipiert. Gramsci hatte sich, geprägt durch seine Erfahrungen bei den Turiner Fabrik-besetzungen, für die Schaffung einer „neuen Arbeiterkultur“ oder „Gegenkultur“ eingesetzt, die er als bedeutendes „Kampfterrain“ sah, um die Vormacht in der Gesellschaft zu erreichen und die Massen zu sensibilisieren. Revolutionäre Kunst, so paraphrasierte Peter Weiss diese Gedanken, sei mehr als nur der „Versuch zur Überwindung einer klassenbedingten Aus-sperrung von den ästhetischen Gütern“ der bürgerlichen Hochkultur oder eine neue Interpretation von Kunst, sondern stelle die „Eröffnung eines kul-turellen und politischen Handlungsraums dar“.117

Anders als in anderen lateinamerikanischen Ländern beeinflusste nicht Althusser, sondern die Kulturtheorie von Sánchez Vázquez die mexikanische marxistische Linke. In seinen Schriften über Ästhetik definierte er Kunst als „konstanten und originären Prozess der Kreation und des Wandels“, der sich frei von den Parteilinien entwickeln solle, und übte Kritik an der Doktrin des sozialistischen Realismus.118 Inwieweit sich die PCM-Mitglieder die Werke Gramscis und die Theorien Sánchez Vázquez aneigneten, kann jedoch schwer abschließend geklärt werden. Einerseits wurde die Terminologie Gramscis häufig in Parteikreisen zitiert und in den PCM-Schulungen weitervermittelt, andererseits überforderte der Mitgliederzuwachs der PCM die Parteistruktur und nur wenige junge Mitglieder standen im kontinuierlichen Austausch mit 116 Vgl. Unzueta: Puntos de partida, CEMOS, 23.05.1980, 7159.

117 Peter Weiss: Notizbücher 1970–1981, Bd. 1, Suhrkamp: Frankfurt a. M. 1981, 419.

118 Sánchez Vázquez kam als spanischer Exilant nach Mexiko und verbrachte dort sein Leben. Er war Mitglied der spanischen PC, lehrte an der UNAM und wurde zum einem der bekanntesten marxistischen Intellektuellen Lateinamerikas mit einer ei-genen Theorieproduktion (Philosophie der Praxis). Vgl. Adolfo Sànchez Vázquez: La definición del arte. In: Maria Rosa Palazón Mayoral (Hg.): Antología de la estética en México, Siglo XX, UNAM: México D. F. 2006, 122. Adolfo Sánchez Vázquez: Estéti-ca y marxismo, Bd. 1–2, Era: México D. F. 1969/1970. (eigene Übersetzung)

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den Älteren, was eine beiderseitige Annäherung und Fusion aus politischen Erfahrungen und neuen Konzepten erschwerte.119

Einige junge Mitglieder der PCM, wie Luciano Conchereiro, sahen die Festivales de Oposición als Versuch der Umsetzung von Gramscis kulturtheo-retischen Ansätzen an, da die PCM die Verbindung von Kultur und Politik bewusst einsetzte, um mehr Menschen einen spielerisch-kulturellen Zugang zu komplexen Themen zu ermöglichen. So ging das Zusammenwirken von Kunst und Politik beim letzten Festival de Oposición so weit, dass die poli-tischen Diskussionsrunden von jeweils einer künstlerischen Darbietung, sei es Musik oder Theater, begleitet oder eingeführt wurden.120

Weiterhin versuchte die Partei über die politisierte Kunst mehr Menschen an die Parteipositionen heranzuführen.121 Auch das Festival-Organisations-komitee des Jahres 1978 hob die zentrale Bedeutung von Kunst im antikapitalistischen Kampf um Hegemonie hervor.122 Die Förderung des Canto Nuevo Latinoamericano , der Musik des „kleinen Mannes“, die als „Welt- oder Lebenskonzeption von breiten Schichten“ verstanden wurde, lag dabei voll im Trend.123 Antonio Gramsci selbst hatte sich für den Bezug der kommu-nistischen Parteien auf die Folklore als volksnaher Musik eingesetzt.124Demgegenüber gab es jedoch auch kritische Stimmen, die in Diskussionen unter Kunstschaffenden und Parteimitgliedern hinterfragten, inwiefern der 119 Vgl. Interview mit Enrique Semo am 03.03.2014 in Àlvaro Obregrón, Mexi-ko-Stadt.

120 So begleitete und belebte die Theater- und Musikgruppe „Las Leonas“ die Podi-umsdiskussion „Proletarier aller Länder, wer wäscht eure Socken?“. Vgl. o. A.: Pro-gramación de los Foros, Oposición 20.12.1981; Sección I.: V. Festival Popular de Oposición, Dokumente des DFS im AGN, Dep. I. E. I. L, Galería 1, 19.12.1981, L-062, 5251-5253.

121 Vgl. Interview mit Luciano Concheiro am 06.11.2013 in Coyoacán, Mexiko-Stadt.122 Vgl. Zuñiga: II. Festival Entrevista con René Villanueva, Oposición 15.04.1978.

123 Vgl. Carlo Ginzburg: El queso y los gusanos. El cosmos, según un molinero del siglo XVI, Muchnik Editores: Barcelona 1981, 10ff.

124 Vgl. Antonio Gramsci: Folclore e senso comune, Editori Riuniti: Roma [1932] 1992, 6.

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Canto Nuevo mit seinem Rückbezug auf die Folklore tatsächlich zentral für das kulturelle Konzept einer Avantgardepartei stehen könne.125

Die „gramscianische“ Deutung des Festivals und der dort präsentierten Kunst blieb jedoch in der Partei umstritten. So kritisierte Mario Orozco die Kulturpolitik der Partei als „wahllosen Populismus ohne künstlerische Qualität“ und forderte die Ehrung älterer Künstler/innen, während jüngere Parteimitglieder und Künstler/innen die Notwendigkeit des Pluralismus in der Kunst betonten.126 Bereits auf dem zweiten Festival hatte der Kulturbeauftragte Jorge Meléndez die Annäherung zwischen politisierten Künstler/innen und Partei als „notwendig für den gemeinsamen Kampf“ be-zeichnet und betont, dass gerade die in Parteikreisen umstrittenen Künstlerkollektive über ein für die PCM wichtiges Mobilisierungspotenzial verfügten.127 Dieser Streit um die Öffnung der Festivals für politische Künstler/innen, die der Partei kritisch gegenüberstanden, und die Debatte um die Bedeutung der Kunst im politischen Kampf blieb während der ge-samten Festivaljahre bestehen. Da es keine klare PCM-Kulturpolitik gab, wurden die Debatten darüber sowohl parteiintern als auch mit der vielfäl-tigen Künstlerszene geführt, die sich als politisch verstand.

Die PCM präsentierte auf ihren Festivals nur die Kunst, die sie selbst als oppositionell und progressiv befand. Sie unterstützte sowohl die Strömung des Canto Nuevo Latinoamericano, da sie ihr durch die internationalen Kontakte Prestige einbrachte, als auch den Canto Nuevo Mexicano , der als politische oppositionelle Musikströmung und Contracultura weitgehend vom staatlichen Kulturbetrieb ausgeschlossen war. Für die mexikanischen Musiker/innen des Canto Nuevo blieb die PCM sowohl ein positiver als auch negativer Bezugspunkt: Sie teilten die Opposition zu Kapitalismus und PRI, 125 Vgl. Kolb: Por una Política Cultural, CEMOS o. D., c. 144, cl. 138, exp. 2, 7291.

126 Auf dem IV. Festival nahmen am runden Tisch zum Thema Parteikulturpolitik Vertreter/innen des ZK, der Zeitschrift Machete und PCM-Künstler/innen ver-schiedener Generationen teil. Vgl. Amado Silvetti; Marie-Jeanne Silvetti: La política cultural del PCM, Oposición 15.06.1980; Amado Silvetti: El PCM requiere urgente-mente de una política cultural: Mario Orozco Rivera, Oposición 23.03.1980; Zuñiga: Punta de lanza de la nueva cultura, Oposición 08.04.1978; Kolb: Por una política cultural , CEMOS, o. D., c. 144, cl. 138, exp. 02, 7823.

127 Zuñiga: Entrevista con Jorge Meléndez, Oposición 08.04.1978. (eigene Überset-zung)

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sie kooperierten in der Praxis, lehnten jedoch die Vereinnahmungsversuche der PCM gegenüber ihrer Kunst ab. Die Vielfalt an Gruppen und Aktionen dieser politisierten Musikströmung zeigt, dass die PCM in der Organisation ihrer Feste auf selbstbewusste und gut organisierte Künstler/innen traf, die zur Diversifizierung der mexikanischen Kulturlandschaft beitrugen und ihre eigenen Inhalte vertraten. Wie sich das Verhältnis zwischen PCM und teil-nehmenden Kunstschaffenden aus dem In- und Ausland konkret auf den Festivals gestaltete, wird im fünften Kapitel analysiert. Resümee

In der Organisation der Festivals war die PCM mit einer vielfältigen Szene von politisierten Künstler/innen konfrontiert, deren politische Positionen sie weitgehend teilte und deren Kunst sie auf ihren Festen präsentierte. Diese Strömung verstand ihre Kunst als Werkzeug im politischen Kampf und als Contracultura zum existierenden Kulturbetrieb. Diese Künstler/innen sahen sich als Teil der neuen Linken und einige waren Mitglieder in sozialistischen Organisationen.

Auf den größten Veranstaltungen der Festivals, den Musikkonzerten, wurde bis zum Jahr 1980 ausschließlich die politisierte Musikströmung des internationalen New Folk und des Canto Nuevo Latinamericano gespielt. Diese Musikrichtung wurde von der PCM massiv unterstützt, da die Partei nicht den unpolitischen Rock oder die Hippies unterstützten wollte, sondern eine politische Musik fördern wollte, mit deren Ideen sie übereinstimmte, die sich in Inhalt und Form an das Volk richtete und die wegen ihres poli-tischen Gehalts im offiziellen Kulturbetrieb marginalisiert wurde.

Der Canto Nuevo Latinamericano entstand zeitgleich in verschiedenen Regionen Lateinamerikas und verband lokale Folkloreelemente mit poli-tischen Texten. Diese Musikströmung bezog sich auf internationale Proteste und popularisierte die lateinamerikanische Volksmusik, womit sie gleich-zeitig eine globale und lokale Identifikation möglich machte. Den Canto Nuevo Latinoamericano zeichnete sowohl der Protest gegen Kapitalismus als auch der Bezug auf die gemeinsame Geschichte der europäischen

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Kolonisierung und des regionalen Widerstands aus. Diese Musikrichtung war verbunden mit der Suche nach der lateinamerikanischen Identität und führte die Künstler/innen zur Wiederentdeckung lokaler und indigener Musikkulturen. Der Canto Nuevo Latinoamericano wurde auch außerhalb Lateinamerikas populär und brachte die Rhythmen lateinamerikanischer Revolutionen in die kapitalistischen Zentren des globalen Nordens.

Die mexikanische Richtung des Canto Nuevo Latinoamericano , der Canto Nuevo Mexicano , bewahrte auch das spezifisch Mexikanische, indem er be-wusst auf lokale Musikformen wie zum Beispiel die Corridos zurückgriff. In Mexiko-Stadt entstand im Verlauf der siebziger Jahre eine Vielzahl von Musikgruppen des Canto Nuevo Mexicano , die selbstorganisierte Konzertorte, die sogenannten Peñas, und eigene Vertriebsfirmen gründeten, um die Musik in Mexiko spielen, hören und weiterentwickeln zu können. Die PCM war wegen ihrer langjährigen Kontakte zu Kunstkreisen und die kontinuierliche Opposition zur PRI eine prädestinierte Verbündete der politisierten Künstler/innen. Jedoch blieb das Verhältnis zwischen PCM und den Musiker/innen des Canto Nuevo Mexicano ambivalent, da die Provokationen und Autonomiebestrebungen der politisierten Künstler/innen bei einigen Parteimitgliedern Irritationen auslösten. Andere PCM-Mitglieder, die an der Organisation der Festivals beteiligt waren, wollten gerade die kritische Kunst dabei haben, um sich als offene politische Kraft zu etablieren. Sie sahen die Festivales de Oposición als Versuch der PCM an, die herausragende Bedeutung der Kunst im politischen Kampf zu würdigen, was jedoch parteiintern um-stritten blieb. Auch unter den Musiker/innen des Canto Nuevo Mexicano war man sich in Bezug auf die Beziehungen zur PCM nicht einig, da die Künstler/innen Sorge hatten, von den Parteiinteressen vereinnahmt zu werden. Sie kritisierten weiterhin die nicht existente Kulturpolitik der PCM, die die Bedeutung der Kunst im Kampf um Hegemonie verkenne.

Die detaillierte Untersuchung dieser Auseinandersetzungen lässt die Schlussfolgerung zu, die mexikanische Partei habe die Organisation ihrer Festivals als Versuchsfeld für ihre Kulturpolitik gesehen, die sie gemeinsam mit den Mitgliedern zu erarbeiten suchte. Die jungen politisierten Künstler/innen trugen zur Diversifizierung der Kulturlandschaft in Mexiko bei und nutzten die Festivals de Oposición , um ihre Musik weiter zu verbreiten. In der Debatte mit ihnen erhielt die PCM entscheidende Impulse zur Öffnung

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gegenüber provokanter Kunst und neuen, politischen Bewegungen, ohne über eine stringente politische Kulturkonzeption zu verfügen. Die auf den Festivals erlebbare künstlerische Vielfalt der internationalen Gäste machte neben dem Happeningcharakter und dem „unendlichen Fest der Solidarität“ die Attraktivität der Festivals de Oposición aus.128 Die Musik des Canto Nuevo diente hierbei als Mittler, um Gemeinschaft zu schaffen, die über die politischen Gemeinsamkeiten hinausreichte und temporär über Sprach-barrieren hinweg entstand. Im folgenden fünften Kapitel werden die Beziehungen der PCM zu mexikanischen und internationalen Künstler/innen und ihre Performance bei den Festivales de Oposición im Detail untersucht.

128 Woldenberg: Memorias de izquierda, 1998:133.

280

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5 „Lieder sind Brüder der Revolution“ – Mexikanische und internationale Musiker/innen auf den Festivals

Oben Abb. 6.1 Abschlusskonzert auf dem ersten Festival de Oposición,

Festivalmitschnitt, México 1978. Unten Abb 6.2 Publikum des ersten

Festivals, AGN Fotoarchiv 1977.

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Auf den Fotografien der Festivales de Oposición aus Mexiko-Stadt sind junge Menschen auf und vor der Bühne zu sehen, die mit Elan die Fäuste recken oder klatschen. Die Künstler/innen halten Instrumente oder rote Nelken. Die Menschen auf den Aufnahmen sind unterschiedlich gekleidet, einige in Anzug und Krawatte, andere in bequemer Kleidung. Auf der Bühne tragen die Frauen meist lange Kleider, Ponchos oder Huipiles. In der Zuschauermenge weht eine Fahne mit dem Emblem der Festivals, dessen Pfeil nach links zeigt und die politische Richtung der Zukunft angeben soll.

Die Hauptattraktionen der Festivales de Oposición waren für viele Besu-cher/innen nicht die politischen Debatten, sondern die Konzerte, bei denen lateinamerikanischer Canto Nuevo und internationaler New Folk gespielt wurden. Im Untersuchungszeitraum erhöhte sich die Anzahl der Konzerte von einem Konzert pro Festivaltag auf bis zu drei parallele Konzerte, die morgens, mittags oder abends stattfanden und gut besucht waren.1

Dieses letzte Kapitel widmet sich der Detailanalyse von Repertoire und Performance ausgewählter Musiker/innen, um den inhaltlichen Austausch zwischen Musikströmung und Bands nachzuzeichnen und ihr Verhältnis zu bestimmen. Zunächst werden zwei Gruppen aus Mexiko vorgestellt, da circa zwei Drittel der Darbietungen von mexikanischen Gruppen bestritten wurden und sie somit die größte Künstlergruppe bildeten. Obwohl die mexi-kanischen Bands keine Gage erhielten, war der Andrang der Gruppen, die an den Festivals mitwirken wollten, groß und überraschte die Partei.2 Aus der Vielzahl mitwirkender mexikanischer Bands habe ich Los Folkloristas und Los Nakos für eine Detailuntersuchung ausgewählt, da beide Gruppen kons-tant an den Festivals teilnahmen. Die Unterschiede in Stil und Repertoire beider Gruppen illustrieren die Diversität des mexikanischen Canto Nuevo Mexicano und werden Aufschluss geben, wie offen die PCM gegenüber den Musiker/innen war . Als Quellenmaterial ziehe ich neben Presseerzeugnissen und schriftlichen Reflexionen der Bandmitglieder auch die LPs der Festivales 1 Der Geheimdienst registrierte bei einem Morgenkonzert im Jahre 1978 mehr als 400 Menschen und 1980 bei einem Nachmittagskonzert beinahe tausend Perso-nen. Vgl. Grupo Lenin: Partido Comunista Mexicano, Dokument der DFS im AGN; Galeria 1, 13.05.1978, II-220 50/H 104, 4699; Gerardo Unzueta: Puntos de Partida, Dokumente des CEMOS, Mexico D. F., 23.05.1980, c.129, cl. 124, exp. 01, 7141–7155.2 Vgl. Interview mit Marcos Leonel Posadas am 21.02.2014 in Tlalpan, Mexiko-Stadt.

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de Oposición und Interviews heran, die ich mit jeweils einem Bandmitglied führen durfte.

Die Untersuchung der Auftritte von Los Folkloristas und Los Nakos ist jedoch auch deshalb von Interesse, da beide Bands unterschiedliche Beziehungen zur PCM pflegten: Während Los Folkloristas der Partei nahe standen, unterhielten Los Nakos ein distanziertes Verhältnis zu ihr. Eine Auseinandersetzung mit Repertoire und Performance der Musikgruppen wird thematische Übereinstimmungen und Konfliktlinien mit der PCM offen-legen. Ob und wenn in welchem Sinne sich die Parteikontakte auf die Mitwirkungen bei den Festivales auswirkten, wird in den Abschnitten „Con Poncho y Guitarra“ und „Soy naco y qué“ untersucht.

Eine Besonderheit der mexikanischen Festivales de Oposición war die Teilnahme internationaler Künstler/innen aus Ost und West, die im Durchschnitt ein Drittel der Festivaldarbietungen stellten. Beim größten Festival de Oposición war es sogar mehr als die Hälfte der Darbietungen.3 Die internationalen Gäste zogen nicht nur ein breites Publikum an und verliehen den PCM-Festen Attraktivität, ihre Partizipation dokumentierte ferner die vielfältigen unterschiedlichen internationalen Beziehungen der Mexi-kanischen Kommunistischen Partei. In diesem Kapitel wird nach den Beziehungen und dem Kulturtransfer, der beide Seiten veränderte, gefragt.

Im Abschnitt „Hombro con Hombro“ werden die Lieder und die Performance der DDR-Delegationen sowie ihre Beziehung zur PCM untersucht und im fol-genden Teil „Cantar opinando“ werden Repertoire und Performance des uruguayischen Musikers Alfredo Zitarrosa und sein Verhältnis zur PCM ana-lysiert. Da die PCM nur über begrenzte finanzielle Mittel verfügte, war es für sie zentral, die Kosten für die internationalen Gäste möglichst gering zu halten. Dies zeigt sich bei den hier ausgewählten Fallbeispielen: Für Alfredo Zitarrosa waren keine Reisekosten notwendig, da er in Mexiko-Stadt im Exil lebte, und die Reise der DDR-Delegationen zahlte die SED im Zuge der „pro-letarischen Solidarität“ unter kommunistischen Parteien selbst. Die PCM war lediglich für die Unterbringungs- und Verpflegungskosten zuständig.4

3 Damals traten etwa 160 internationale und 152 mexikanische Künstler/innen aus verschiedenen Landesteilen auf. Vgl. PCM: Asistentes al IV. Festival de Oposición, Dokumente des CEMOS, Mexico D. F., 17.09.1980, c. 130, cl. 125, exp. 01, 7152.

4 Interview mit Marcos Leonel Posadas am 21.02.2014 in Tlalpan, Mexiko-Stadt.

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Ausgewählt wurden diese internationalen Künstler/innen, da sie über mehrere Jahre konstant an den Festivals mitwirkten und ihre Lieder auf min-destens einem der drei von der PCM herausgebrachten Festival-Sampler erschienen. Hier ziehe ich als Quellenmaterial neben Presseerzeugnissen die schriftlichen Reflexionen der Künstler/innen heran. Ferner zeigt die Auswahl der Künstler/innen die Vielfalt der neuen Folklore-Musik und verdeutlicht die Unterschiedlichkeit der internationalen Kontakte der PCM, die vom Netzwerk der sozialistischen oder kommunistischen Parteien bis zu spon-tanen Kontakten zu neuen Bewegungen und Künstler/innen reichten. In der folgenden Detailuntersuchung wird es darum gehen, das Verhältnis der PCM zu den internationalen Gästen in Theorie und Praxis zu untersuchen. 5.1 „Poncho y Guitarra“ – Die Festivalperformance von Los Folkloristas

Die Musikgruppe Los Folkloristas besteht bis heute und ist eine international bekannte mexikanische Band, die sich 1966 aus dem gemeinsamen Interes-se an Folklore-Rhythmen und traditionellen Instrumenten in Mexiko-Stadt gründete. Die Gruppe kam spontan im Umfeld des Musikers Salvador „Ne-gro“ Ojeda zusammen, der mit seinem Café „Chez Negro“ einen Ort für die neue lateinamerikanische Folklore in Mexiko-Stadt geschaffen hatte und in den ersten zwei Jahren am Musikprojekt mitwirkte. Los Folkloristas ver-standen sich als offene Gruppe, in der auch nicht-professionelle Musiker/innen spielen konnten. Trotz wechselnder Gruppenzusammensetzung trat die Band unter demselben Namen auf, um statt individueller Karrieren die Bedeutung des Kollektivs zu betonen.5

Entscheidungen wurden bei diesem Ensemble gemeinsam getroffen und das Ziel war es, durch vielfältige Aktivitäten zur Popularisierung des Can- to Nuevo Mexicano beizutragen.6 Trotz ihrer Offenheit zeichnete sich die 5 Während der 45 Jahre ihres Bestehens haben 48 Personen an diesem Projekt mit-gewirkt und ihren Teil beigetragen. Vgl. Ricardo Jacob: 45 años de Los Folkloristas, Proceso 13.10.2011.

6 Die Anzahl der Gruppenmitglieder pendelte sich seit Ende der sechziger Jahre auf

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Gruppe durch eine große musikalische Bildung und Professionalität aus. Im Durchschnitt spielte jedes Mitglied neun Instrumente und ihr Repertoire umfasste schon bald mehr als 140 mexikanische und 17 lateinamerikanische Musikstile.7 Los Folkloristas bestanden aus einer heterogenen Gruppe von Musiker/innen unter-schiedlichen Alters, Werdegangs und politischen En-gagements. Im Untersuchungszeitraum gehörten nur zwei der sieben Mit-glieder der PCM an.

Koonex Koonex

Koonex koonex, palexen

Xik tu bin, xik tu bin, yokol k›in

¡Eya! ¡Eya! Tin uok›ol

Bey in uok´ol chichán pal

(Vámonos, vámonos jóvenes ¡ya!

Se va, se va ocultando el sol

Ay! Ay! Estoy llorando

Así como llora un niño)

Los Folkloristas: Koonex, Koonex,

Album Mexiko, Discos Pueblo, Mexico 1988

Wie die meisten Musiker/innen des Canto Nuevo verstanden Los Folkloristas ihre Kunst nicht als Unterhaltung, sondern als Mittel zur gesell-schaftlichen Veränderung. Bekannt wurde die Bandjedoch nicht für ihre Protestlieder, sondern über die Popularisierung vorkolonialer Instrumente verschiedener lateinamerikanischer Völker und ihre Lieder in indigenen Sprachen. Mit ihrer Suche nach den musikalischen Wurzeln Lateinamerikas wollten sie eine kontinentale lateinamerikanische Kultur fördern und der Dominanz von US-Kulturgütern auf dem mexikanischen Markt etwas entge-gensetzen.8Sie traten dafür ein, das Zugehörigkeitsgefühl zum lateinamerikanischen Kulturraum in Mexiko zu stärken, und wollten die in-sieben Personen ein. Vgl. Maluza de Silveira: Los Folkloristas, Cuadernos del Tercer Mundo 13, Año 2, 06/1977, 76–79, 77.

7 Vgl. Villanueva: Cantares, 1994: 133; siehe die Webseite von Los Folkloristas: Sem-blanza, digital http://www.losfolkloristas.com/, gesehen am 10.07.2020.

8 Vgl. Ricardo Pérez Montfort: Cultura musical y resistencia, 2013: 55–78.

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digenen Traditionen als bedeutenden, integralen Teil der eigenen Kultur verstanden wissen.9 Die Darbietung der präkolonialen Musik war innovativ und Los Folkloristas erreichten in der Szene des Canto Nuevo einen hohen Bekanntheitsgrad. Der Folklorista René Villanueva erinnerte sich, dass die Band den Begriff „Folklore“ mit neuen Inhalten füllen wollte:

„El folclore en la televisión está ausente y si aparece, es maquillado, adecentado y falseado por el comercialismo o las promociones turí-sticas de tarjeta postal. De ahí que nuestro esfuerzo se centró en lograr mayor difusión, sea en escenarios masivos, como el Auditorio Nacional, o la grabación de discos para preservar por este medio nuestro trabajo por lo que representa.“10

Zu Beginn der siebziger Jahre erhielten Los Folkloristas Angebote, in renommierten Konzertsälen zu spielen, wie zum Beispiel in Bellas Artes oder dem Auditorium, was ihnen Beachtung in kommerziellen und sogar einigen PRI-nahen Medien einbrachte.11 Zwar wurden die Auftritte der Los Folkloristas in einigen Kreisen des Canto Nuevo als „Kommerzialisierung“ kritisiert, das nahm die Gruppe jedoch in Kauf, da zu ihren zentralen Zielen die Popularisierung der neuen mexikanischen Folkloremusik gehörte.12 Die Gagen der großen Konzerthäuser nutzte die Musikgruppe, um ihre eigene Aufnahme- und Vertriebsfirma Discos Pueblo zu gründen. Discos Pueblo veröffentlichte im Jahr 1977 14 Langspielplatten und diente vielen mexikanischen Musiker/innen des Canto Nuevo als Aufnahme- und Produktionsstudio. Die Finanzierung des Labels bestritt die Gruppe jedoch maßgeblich selbst.13

Weiterhin gründete die Band den Konzertraum Peña de los Folkloristas , in dem Konzerte stattfanden oder Musikunterricht und der zum Treffpunkt für internationale und nationale Künstler/innen des Canto Nuevo wurde. Die 9 Interview mit Leonor Lara am 23.09.2011 in der Condesa, Mexiko-Stadt.

10 Villanueva: Cantares, 1994: 95.

11 Vgl. de Silveira: Los Folkloristas, Cuadernos del Tercer Mundo, 06/1977, 78f.

12 Vgl. Villanueva: Cantares, 1994: 95.

13 Ebenda.

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Kontakte zu mexikanischen Folklore-Musiker/innen entstanden bei den langen Reisen durch die mexikanischen Provinzen, die Los Folkloristas unter-nahmen, um ansässige Musiker/innen aufzusuchen, von ihnen zu lernen und mit ihnen gemeinsam zu musizieren. Los Folkloristas luden diese Musiker/innen hiernach häufig nach Mexiko-Stadt ein, wo sie in ihrer Peña traditio-nelle Lieder und Rhythmen vorstellten.14 Dass die Erforschung und Wiederbelebung der Vielfalt der musikalischen Traditionen in der Vision von Los Folkloristas zentral war, schildert das Bandmitglied Leonor Lara:

„Mi felicidad [en el grupo] era el trabajo de investigación. Así conocí las maravillas de este país. Hay ‚otro México‘ de lo que ves en la cotidi-anidad, un México casi invisible y apartado. México es un país lleno de artistas extraordinarios […] sobre todo en la música. ¡Fui muy afortu-nada! Fuimos a buscar los viejitos en los pueblos o sea fueron muchos viajes para investigar. De eso soy muy feliz, cosa que más gusto me da

– hasta la actualidad.“15

Durch den Kontakt mit internationalen und lokalen Musiker/innen erwei-terten Los Folkloristas ihr Wissen und die Band verfügte bald über eine große Anzahl von präkolonialen und traditionellen Instrumenten. Bei ihren Konzerten kamen bis zu 70 Instrumente zum Einsatz. Ferner gründete René Villanueva eine Sammlung indigener Volksmusik und leitete in den achtziger Jahren die Phonothek des Nationalen Instituts für Anthropologie und Geschichte.16

Da es in Mexiko an alternativen Konzertorten und Vertriebsfirmen man-gelte, garantierten die Peña de los Folkloristas und Discos Pueblo der Band, dass sie unabhängig vom offiziellen Kulturbetrieb Konzerte spielen und ihre Musik veröffentlichen konnte. Die Selbstorganisation verhalf der Band nicht nur zu einer limitierten Eigenständigkeit gegenüber dem offiziellen Kulturbetrieb, sondern auch zur größeren Unabhängigkeit von der PCM. 14 Vgl. Villanueva: Cantares, 1994: 96.

15 Interview mit Leonor Lara am 23.09.2011 in der Condesa, Mexiko-Stadt.

16 Vgl. zur Geschichte der Sammlung von Villanueva in der Phonothek vgl. INAH: Semblanza histórica de la Fonotéca del INAH, digital https://www.fonoteca.inah.gob.mx/index.php/quienes-somos/1-historia, gesehen am 20.07.2019.

287

Denn anders als die meisten mexikanischen Bands des Canto Nuevo , für die der Auftritt auf den Festivals eine erste Chance bedeutete, die improvisierten Auftritte in kleinen Peñas hinter sich zu lassen und vor einem Massenpublikum zu spielen, traten Los Folkloristas vereinzelt auf Großbühnen auf.

Zwei der sieben Bandmitgliedervon Los Folkloristas , René Villanueva und Leonor Lara, waren Mitglieder der PCM, so dass die Mitwirkung der Gruppe an den Festivales de Oposición eine Selbstverständlichkeit war. Der enge Kontakt zur PCM brachte dieser Musikgruppe Auftrittsangebote bei poli-tischen Veranstaltungen und internationale Vernetzung ein. Wie eng die Beziehung zwischen Los Folkloristas und der PCM war, zeigte sich bereits in der Vorbereitung zum ersten Festival de Oposición . Dort wirkte René Villanueva als Kunst- und Kulturverantwortlicher an der Organisation mit.17In dieser Position, die er einige Jahre innehatte, war er für das Bühnen-programm verantwortlich und sicherte seiner Band gute Auftrittszeiten.

Darüber hinaus vereinfachte die Doppelmitgliedschaft den Dialog zwischen Band und Partei. In der Zeitung Oposición schaltete Villanueva sich in die Parteidiskussion zur Kulturpolitik ein, in der es um den politischen Gehalt der Kunst sowie ihre Bedeutung in der Parteipolitik ging. In einem Oposición- Interview stellte er den Canto Nuevo Mexicano als „sozialistische“ Musikströmung dar. Er argumentierte, dass die Strömung die Unterstützung der PCM erwarten könne, da sie in ihren Texten klare anti-imperialistische Positionen beziehe und darüber hinaus exzellente Beziehungen zu internati-onalen Vertreter/innen des Canto Nuevo Latinoamericano , auch aus den sozialistischen Staaten, unterhalte. Der Canto Nuevo solle wegen seiner poli-tischen Orientierung zum zentralen Musikstil auf den Festivales de Oposición werden, forderte Villanueva, was auch geschah.18

Die Beziehung zwischen der PCM und Los Folkloristas war für beide Seiten von Vorteil: Die PCM versprach sich durch die Auftritte der Band bei 17 Belegt ist die Mitwirkung Villanuevas an der künstlerischen Gestaltung für 1977, 1978 und 1981. Ob Villanueva auch 1979 und 1980 an der Planungskommission mitwirkte, konnte nicht ermittelt werden. Mögliche Gründe für seine Abwesenheit könnten die Reisen von Los Folkloristas gewesen sein. In internen Parteidokumen-ten wurde die personelle Diskontinuität bei der Organisation der Festivals beklagt. Vgl. Comisión Coordinadora: El IV. Festival de Oposición, Dokumente des CEMOS, México D. F., o. T. u. M. 1980, 7170.

18 Vgl. Araceli Zuñiga: Un espectáculo, Oposición 15.04.1978.

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Parteiveranstaltungen ein größeres und junges Publikum. Los Folkloristas nutzten die guten Parteibeziehungen, um Einladungen ins sozialistische Ausland zu erlangen.19 So schrieben Los Folkloristas beispielsweise die Veranstalter/innen des Festivals des politischen Liedes in der DDR oder die Organisator/innen des kubanischen Festivals de los Estudiantes an, um ihre Teilnahme anzubieten, und beriefen sich in ihren Briefen auf die engen Be-ziehungen zur PCM.20 Zwar gelang ein Dialog zwischen Band und Partei, jedoch zeigten sich bei der Bühnenperformance und im Bandrepertoire von Los Folkloristas auch Abweichungen vom Partei-Diskurs.

Um die Diskrepanzen aufzuspüren, unterziehe ich im Folgenden sowohl die Inszenierung der Band auf den Festivalbühnen als auch ihre Lieder „Raiz Viva“ und „Canto al Trabajador“ einer detaillierten Untersuchung. Diese Stücke wurden aus dem vielfältigen Repertoire von Los Folkloristas ausgewählt, da „Raiz Viva“ bis heute ein fester Bestandteil ihres musikalischen Programms ist und die Vision der Band verdeutlicht. Demgegenüber ist das Lied „Canto al Trabajador“ dem Zeitgeist verbunden und als Beitrag von Los Folkloristas auf den LPs der Livemitschnitte der Festivales de Oposición enthalten.

Los Folkloristas präsentierten sich, wie viele Folklore-Künstler/innen der Zeit, auf Gruppenfotos und bei Konzerten stets in Trachten und mit ihren Instrumenten.21 In den Erinnerungen René Villanuevas, gründete sich die „Tradition“, in Trachten aufzutreten, darauf, dass es gut ankam.22 Ihre bewusste Bekleidung war jedoch nicht nur Zierde, sondern drückte ihre Ablehnung gegenüber der kommerziellen Mode aus, machte indigene Bekleidung sichtbar und betonte ihre lateinamerikanische Identität. Die Bandinszenierung sollte, so das Mitglied von Los Folkloristas Leonor Lara, 19 Vgl. Nazar Haro: Partido Comunistas Mexicano, Dokument der DFS, 10.11.1979, 009-037.005.

20 Vgl. René Villanueva: Carta a C. Luciano López Zamundio del Comité Nacional Preparatorio del 11. Festival de los Estudiantes en Cuba, Dokumente des CEMOS, Mexico D. F., 26.08.1977, c. 101, cl. 95, exp. 29, 6838.

21 In den siebziger Jahren existierte eine sogenannte Ethno-Mode, die auf indige-ne und volkstümliche Muster und Schnitte zurückgriff. Vgl. García Canclini: Hybrid Cultures, 2005: 146f. Ferner traten renommierte Canto Nuevo-Künstler/innen wie Mercedes Sosa oder Judith Reyes in Trachten auf.

22 Villanueva: Cantares 1994: 93. (eigene Übersetzung)

289

288ein Zeichen gegen den „grausamen Rassismus dieser Jahre“ setzen und neue Beziehungen zur indigenen Landbevölkerung etablieren helfen.23

Los Folkloristas kombinierten hierbei die Kleidung unterschiedlicher indi-gener Völker, so trugen die Frauen häufig den mexikanischen Huipil und die Männer Ponchos aus verschiedenen Regionen, was die kulturelle Vielfalt des amerikanischen Kontinents widerspiegeln sollte.24 Zunächst war der posi-tive Bezug auf die indigenen Kulturen etwas Neues und schockierte das urbane Publikum, das die indigenen Völker meist als „entwicklungsbe-dürftig“ oder „unmodern“ ansah. Zwar war in Mexiko, anders als in weiten Teilen Lateinamerikas, die indigene Bevölkerung bereits seit der Unabhängigkeit im politischen Diskurs präsent und weniger drastisch ausgeschlossen.

Im 20. Jahrhundert wurde sie sogar als bedeu-tender Teil des Widerstands gegenüber der kolonialen Unterdrückung darge-stellt.25 Jedoch galt diese positive Darstellung der Indigenen nach Außen. Innerhalb Mexikos, im Diskurs des nationalen „Wir“, blieben „die“ Indigenen stets die „Anderen“ oder die „Rückständigen“. Die ver-schiedenen Völker auf dem Territorium Mexikos blieben eine undifferen-zierte Masse von „Indios“, deren Leistungen nicht 23 Interview mit Leonor Lara am 23.09.2011 in der Condesa, Mexiko-Stadt.

24 Vgl. René Villanueva: Cantares, 1994: 95.

25 Vgl. Scheuzger: Der Andere, 2009: 502.

Abb. 6.3 Plattencover vom Album: Los

Folkloristas, eine in der DDR erschienene

Pressung bei Amiga. Ostberlin 1976.

290

wahrgenommen wurden.26 Im kulturellen Bereich galt die indigene Kunst zwar seit den fünfziger Jahren als „typisch mexikanisch“ und wurde im Tourismus eingesetzt. Dieses führte jedoch nicht zur Akzeptanz der kultu-rellen Vielfalt oder zu gleichberechtigten Beziehungen mit den indigenen Völkern.27

In der Auseinandersetzung mit der Musik indigener Völker schärfte sich im Umfeld des Canto Nuevo das Bewusstsein für Ausgrenzung und Rassismus innerhalb der mexikanischen Gesellschaft, die auf kolonialen Strukturen und Hierarchien beruhen.28 Junge Musiker/innen wie Los Folkloristas traten in den traditionellen Trachten auf und setzten spielerisch die Gegensätze „Moderne/Tradition“ oder „jung/alt“ in Szene, dabei verdeutlichten sie den konstruierten Charakter der Kategorien „traditionell“, „populär“ oder „volkstümlich“.29

Durch ihr Auftreten produzierten Los Folkloristas und andere Folkloreinterpret/innen eine „Politik des Dissens“30, da sie die indigenen Kulturen ohne Gedanken an eine touristische Vermarktung auf die urbanen Bühnen brachten. Ihre Inszenierung in Ponchos und Huarache-Sandalen war zugleich eine farbenfrohe Modeerscheinung und ein politisches Statement, dass eine gewünschte Nähe zur armen, meist indigen Landbevölkerung herstellte. Im linken, universitären Umfeld des Canto Nuevo galten die bunten, indigenen Gewänder als „chic“. Diese Mode wurde in der Zeitung Unomásuno beim letzten Festival de Oposición wie folgt beschrieben:

„La izquierda ahora tiende a su tianguis. El ajuar del perfecto izquier-dista debe contar con botones y cartelones sobre FMLN y la reconstrucción de Nicaragua, los perfiles y cuerpos de Fidel y Che;

26 Zur In- und Exklusion der Indigenen in Mexiko vergleiche die Diskursanalyse: Teresa Carbo: Who are they? The Rhetorics of Institutional Policies Towards Indigenous Population in Postrevolutionary Mexico. In: S. H. Riggins (Hg.): The Language and Politics of Exclusion: Others in Discourse, Sage: California1997, 88–108.

27 Vgl. García Canclini: Hybrid Cultures, 2005: 146f.

28 Vgl. Echeverría: Modernidad y blanquitud, 2010: 57ff.

29 Vgl. García Canclini: Hybrid Cultures, 2005: 147f.

30 Vgl. Rancière Rancière: Die Aufteilung des Sinnlichen, 2006.

291

jarritos purépechas o zapotecos, huipiles, rebozos, fajitas, cinturones, bufandas, gorras, chaquiras, morrales y demás bonetería a imitación de la ropa indígena o por lo menos con la sigla y el escudo del PSUM.“31

Die PCM hingegen tat sich mit der positiven Sicht auf die indigene Bevölkerung und ihre spezifische Unterdrückung schwer (siehe Kapitel 4). Leonor Lara erinnerte sich an gruppeninterne Debatten, in denen vor allem die Bandmitglieder, die nicht der PCM angehörten, die Übernahme von Parteipositionen problematisierten.32 Auseinandersetzungen zwischen Band und PCM über diese inhaltlichen Diskrepanzen sind jedoch nicht öffentlich geworden.

Die Anhänger dieser Ethno-Mode gehörten in ein linkes, universitäres Umfeld und/oder waren Fans der Bewegung des Canto Nuevo . Sie stammten häufig aus der urbanen Mittelschicht und eigneten sich Gewänder und Traditionen indigener Völker an. Anders als bei den Empowerment-Bewegungen von Schwarzen, Frauen oder Homosexuellen gehörten weder das Publikum noch die Musiker/innen des Canto Nuevo selbst zur diskrimi-nierten Gruppe, sondern machten sich zu Fürsprecher/innen der Indigenen. Dass sie damit wieder eine weitere Interpretation indigener Lebensrealität lieferten und es an einem authentischen Austausch noch fehlte, reflektierten diese Gruppen nicht oder zumindest nicht öffentlich. In Mexiko sollte es bis in die neunziger Jahre dauern, dass sich die indigenen Gemeinden selbst Gehör verschafften und ihre Stimmen erhoben.33

Im Umfeld der Bewegung des Canto Nuevo existierten sicherlich unter-schiedliche Motivationen, sich in farbenfrohe, traditionelle Gewänder zu kleiden: Diese reichten von der Teilnahme an der alternativen „Ethno-Mode“ 31 José Joaquín Blanco: Festival del PSUM: la izquierda tiende su tianguis, Unomásu-no 23.12.1981.

32 Vgl. Villanueva: Cantares 1994: 41; Interview mit Leonor Lara am 23.09.2011 in der Condesa, Mexiko-Stadt.

33 Durch den Aufstand der EZLN 1994 gelang es einer indigenen Organisation, ihre Forderungen auch international bekannt zu machen und ihre Stimme nachhaltig im mexikanischen Diskurs zu verankern. Die Literaturfülle dazu ist groß, vgl. Anne Huffschmid: Subcomandante Marcos. Ein maskierter Mythos, Elefanten Press: Ber-lin 1995; Luz Kerkeling: La lucha sigue. Der Kampf geht weiter! Unrast: Münster 2008.

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bis hin zum realen Austausch mit den indigenen Bevölkerungen. Im Falle von Los Folkloristas belegen ihre Reisen in die ländlichen Regionen Mexikos sowie die Einladung der Musiker/innen in ihre Peña , dass sie kontinuierliche und gute Kontakte pflegten.

Ferner zeigt ihr Engagement bei der Sammlung und Erforschung der mexi-kanischen Musikgeschichte, dass sie die vorkoloniale und indigene Musik als bedeutsamen Teil der lateinamerikanischen Musikgeschichte begriffen. Aus dieser Perspektive ist ihr Engagement für die Anerkennung indigener Kulturen folgerichtig und glaubwürdig.

Die Auftritte von Los Folkloristas waren jedoch nicht nur visuell unge-wohnt, sondern auch musikalisch innovativ. Ihr vielfältiges Repertoire umfasste Protestsongs sowie Volkslieder, denen Los Folkloristas zu neuer Popularität verhalfen. Dabei legten sie Wert auf das freie Urheberrecht, da ein Volkslied „allen“ gehöre und es „sich aus der Erinnerung gesungen in einen Teil von uns“ verwandle.34 Bekannt wurden Los Folkloristas durch Kompositionen wie „Tierra Mestiza“ (1976) von Gerado Tamez und „Raíz Viva“ (1977) von José Ávila.35

„Raiz Viva“ war das Titelstück und der Namensgeber der LP, die Los Folkloristas 1977 veröffentlichten. Es machte die Band bekannt und wurde bald auf jedem Konzert gespielt. Deshalb ist davon auszugehen, dass es auch auf den Festivales de Oposición gespielt wurde. Musikalisch aufwendig ge-staltet, stellte das Instrumentalstück „Raíz Viva“ die vorkoloniale Maya-Musik mit ihren Klängen und Rhythmen vor und ermöglichte eine musikalische Reise zu den Wurzeln lateinamerikanischer Musikgeschichte. José Ávila komponierte das Stück, als er Gelegenheit erhielt, im anthropologischen Museum von Jalapa vorkoloniale Instrumente zu klassifizieren.

Bei diesem Stück von beinahe sieben Minuten Dauer kommen circa zwanzig Blas- und Schlaginstrumente zum Einsatz. Einige davon waren Nachbauten vorkolonialer Instrumente, wie zum Beispiel die Dreifachflöte aus Veracruz ( flauta triple de Tenenexpan ) oder die Flöten der Tolteken 34 Elena Poniatowska: Quena, guitarra y tambor. In: Villanueva: Cantares, 1994: 13–18, 16.

35 Vgl. Los Folkloristas: Raíz Viva, Album: Raíz Viva de México, Discos Pueblo: Méxi-co 1978; Los Folkloristas: Tierra Mestiza, Album: México, Discos Pueblo: México 1976.

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( flautas toltecas ). Andere Instrumente wie die Zeremonientrommel Huéhuetl, die Wassertrommel der Yakis oder die Huesos de Fraile (eine Fuß- oder Armrassel aus Nüssen des Ayoyote-Baumes) werden bis heute in der Folkloremusik benutzt. Hinzu kam der Einsatz von Ocarina -Tonflöten, des Schelleninstruments Sistro und der Charango- Gitarre.36 Das Instrumentalstück „Raíz Viva“ vertonte das Verständnis von Los Folkloristas der latein-amerikanischen Geschichte und Musik.

Während „Raiz Viva“ bis heute zum Musikprogramm von Los Folkloristas gehört, wird das Stück „Canto al Trabajador“, das auf den Langspielplatten der Festivales de Oposición enthalten ist, in den letzten Jahren nicht mehr bei Konzerten gespielt.37 Das Stück gehörte zum politischen Repertoire der Gruppe und ist eine Komposition des Bandmitglieds Adrian Nieto.

„Canto al Trabajador“ thematisiert einen klassischen Aspekt der sozia-listischen Linken: die große Bedeutung der Organisierung für die Revolution. Nieto komponierte das Lied nach einer Kubareise, auf der ihn die Theorie des „neuen Menschen“ von Che Guevara inspiriert hatte, nach welcher der Mensch die Geschichte durch seinen Willen und die kollektive Organisation verändern werde.38 Das Stück „Canto al Trabajador“ beginnt mit einem langen Instrumentalteil, in dem Gitarren, Violine und eine Binsen-Flöte aus dem mexikanischen Bundesstaat Tabasco ( flauta de carrizo ) zu hören sind. Eine Bariton-Stimme singt die erste Strophe, beim zweiten Teil der Strophe und dem Refrain wird sie von einem Chor begleitet.

Eine Metapher der Hoffnung, „der Sonnenaufgang am Horizont“, steht am Anfang des Liedes: Gemeinsam sollen Männer, Frauen und Kinder für ihre 36 Vgl. Gabriela Rodríguez Ochoa: Organología musical: Los Folkloristas y la música sinfónica, digital http://www.conservatorianos.com.mx/5rodriguezochoa.htm, ge-sehen am 20.06.2018.

37 Trotz mehrmaliger Teilnahme und der guten Beziehung zur PCM ist die Band le-diglich auf einer der drei Festival-LPs aus dem Jahr 1978 vertreten. Vgl. Los Folklo-ristas: Canto al Trabajador, Album:Segundo Festival de Oposición , Discos Fotón, México 1978.

38 Der neue Mensch wäre sich der Notwendigkeit bewusst, sich in die Gemein-schaft einzubringen und sähe sich gleichzeitig als Motor der Veränderungen. Vgl. Che Guevara: El socialismo y el hombre en Cuba, In: Marcha, Uruguay 12.03.1965, digital https://www.marxists.org/espanol/guevara/65-socyh.html, gesehen am 20.07.2019.

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Rechte und eine bessere Zukunft streiten, da sie geeint mehr Stärke besitzen. Der Refrain ist ein Aufruf, sich zu organisieren, um für das Recht auf Arbeit zu kämpfen. Nach einem Instrumentalzwischenspiel folgt die zweite Strophe, die sich an Bäuerinnen und Bauern, Arbeiter/innen und Intellektuelle richtet und sie auffordert, gemeinsam, bewusst und organisiert die Geschichte zu verändern, wobei der „neue Mensch“ sichtbar werde. Es folgt der Refrain, der zweimal und in der Wiederholung a capella gesungen wird, um den Worten Nachdruck zu verleihen.

Das Lied bedient einerseits die klassischen sozialistischen Appelle an die Bevölkerung, sich zu organisieren und gemeinsam die Verhältnisse zu verän-dern. Andererseits adressiert es neben der Arbeiter- und Bauernschaft auch die Intellektuellen als potenzielle Akteur/innen der Revolution und spiegelt so die Diskursveränderungen der Linken nach den studentischen Rebellionen von 1968 und der erneuten Rezeption der Theorien von Antonio Gramsci wider (siehe Kapitel 1.1). Der Refrain verdeutlicht die Wichtigkeit, die der Komponist der kollektiven Organisation beimaß. „Arbeit“ beschrieb er nicht als entfremdete Tätigkeit, sondern als Recht, das es zu erkämpfen gelte. „Canto al Trabajador“ erschien 1977 auf dem Label von Los Folkloristas auf der LP „Raiz Viva“, im Folgejahr als Beitrag der Musikgruppe bei den Mitschnitten der Festivales de Oposición und 1979 auch als spanische Nachpressung bei Movieplay .

Canto al Trabajador

Se ven el horizonte/ señales de amanecer/ son muchos brazos que unidos/más fuerza van a tener/ hombres, mujer y niños/ dejarán de padecer/luchando por su derechopara crecer y crecer/

|: A organizar compañeros, a organizar!

Por el derecho al trabajo/ hay que luchar :|

El campesino, el obrero/ también el intelectual/abrirán caminos nuevos/ van juntos a luchar/

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organizados y conscientes/cumpliendo con su deber/ modificarán la historia/que un hombre nuevo ha de ver.

|: A organizar compañeros, a organizar!

Por el derecho al trabajo/ hay que luchar :|

Los Folkloristas: Canto al Trabajador, Album: Segundo Festival de

Oposición, Discos Fotón, México 1978.

Das Lied „Canto al trabajador“ ist zweifellos deshalb auf dem Festivalmitschnitt vertreten, da die Partei die inhaltliche Aussage unter-stützte. Es gehört zu den Liedern von Los Folkloristas , die weniger auf musikalische Feinheiten als auf die politische Aussage Wert legten und die Politisierung der Zeit verdeutlichten. Inhalt und Appellcharakter des Liedes führten dazu, dass mexikanische Gewerkschaften das Lied bei Voll-versammlungen und Mobilisierungen einsetzten.39 Das Stück passt zur politischen Ausrichtung der Festival-Samplers. Sein mobilisierender Charakter zeigt sich auch auf den Livemitschnitten, wo der Beifall zu Beginn und am Schluss auf die Begeisterung des Publikums schließen lässt.

Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Teilnahme von Los Folkloristas an den PCM-Festen aus politischer Übereinstimmung mit der Partei erfolgte. Ihre enge Kooperation mit der PCM zeigte sich in der Mitwirkung bei der Festivalorganisation und durch die Beteiligung an Debatten der PCM über die Funktion von Kunst. Da lediglich zwei der sieben Bandmitgliederauch Mitglieder der PCM waren, entstanden interne Debatten über die Gefahr der Vereinnahmung ihrer Kunst für Parteizwecke. Los Folkloristas gestalteten ihre Auftritte eigenständig und konnten durch die Mitwirkung von René Villanueva zu besten Konzertzeiten spielen. Ihre Bekanntheit, die eigene Peña und das eigene Plattenlabel ermöglichten es Los Folkloristas, unab-hängig von der PCM zu agieren. Ihr Repertoire umfasste neben politischen Liedern auch Musik, die sich positiv auf indigene Traditionen bezog: Sie the-matisierten die Ausgrenzung der indigenen Bevölkerung und forderten die 39 Villanueva benannte in seinen Erinnerungen die Gewerkschaft nicht namentlich. Vgl. Villanueva: Cantares, 1994: 94.

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Anerkennung indigener Traditionen. Die engen Beziehungen zwischen Los Folkloristas und der PCM waren dem Umstand geschuldet, dass sie für beide Seiten nützlich waren: Die Band profitierte von der internationalen Vernetzung der PCM; die PCM profilierte sich durch die Nähe zu der erfolg-reichen Band. Der Dialog, der sich zwischen der Mexikanischen Kommunistischen Partei und Los Folkloristas entspann, zeigt, dass die propa-gierte Offenheit der PCM in der Kulturarbeit der Festivals, zumindest gegenüber parteinahen Musikgruppen, real war. 5.2 „¿Soy naco y qué?“ – Die Festivalperformance von Los Nakos

Ebenso wie Los Folkloristas gehört die Musikgruppe Los Nakos zu den Pionier/innen des Canto Nuevo in Mexiko. Die Gruppe besteht ebenfalls bis heute und tritt aktuell in der Besetzung Ismael (Maylo) Colmenares (Gitarre und Gesang), Mayra Cebreros (Gesang) und Jorge Silva (Perkussion) auf.40 Los Nakos gründeten sich 1968 und gehörten von Beginn an zu den Musiker/innen, die Texte gegen die politischen Eliten vortrugen und bewusst Bühnen jenseits der etablierten Kulturinstitutionen suchten.41 Die Band entstand aus einer Brigade der mexikanischen Studierendenbewegung, die in Nah-verkehrsmitteln und auf öffentlichen Plätzen auftrat und die Forderungen der Studierendenbewegung vertonte.42 Kritik an den politischen Ver-hältnissen zu üben, war 1968 nicht ungefährlich. „Durch die Brigade lernten wir die Realität kennen“, erinnerte sich Maylo Colmenares im Interview, „wir 40 Maylo Colmenares und Elia Crotte begründeten die Gruppe, 1976 kam Francisco Barrios Martínez hinzu, der später mit der Band Botellita de Jerez erfolgreich wur-de. Nachdem Elia Crotte ausschied, trat die Band als Duo auf, bis Mayra Cebreros 41 Lopéz: C.L.E.T.A, 2012: 49.

42 An dieser Brigade wirkten auch Studierende mit, die nicht musizierten, sondern durch politische Reden agitierten, wie der Schriftsteller Paco Ignacio Taibo. Vgl. Monica Vázquez Delgado: El canto del 68: Los Nakos, digital http://vivirtlatelolco.blogspot.de/2013/11/el-canto-del-68-los-nakos.html, gesehen am 08.08.2019.

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lernten den Menschen und auch den Granaderos aus den Polizeieinheiten zuzuhören.“43

Wie auch andere Gruppen des Canto Nuevo wollten Los Nakos mit ihren Texten aufklären und Bewusstsein bei einem möglichst breiten Publikum schaffen. Explizit wollten sie die verschwiegenen Dinge thematisieren. So heißt es im Lied „Somos los Nakos“ (Wir sind Los Nakos ), mit dem sie sich oft vorstellten: „Uns gefällt es, denen, die uns zuhören wollen, viele Wahrheiten zu erzählen […] um uns zum Schweigen zu bringen, müssten sie uns zuerst die Zunge herausschneiden“.44

Mit ihrem Namen Los Nakos deutete die Musikgruppe den negativ konno-tierten Begriff „ naco “ neu.45 Die Band setzte sich durch die Schreibweise mit „k“ von dem gebräuchlichen naco ab. In Lexika und Wörterbücher bezeichnet dieses Wort Indigene und Menschen, die vom Land in die Stadt kommen, sich schlecht kleiden, wenig gebildet und arm sind.46 Naco war ein abwertender Begriff der Oberschicht für die arme Bevölkerung. Carlos Monsiváis schrieb dazu:

43 Interview mit Maylo Colmenares am 11.11.2010 in Ciudad Universitaria, Mexi-ko-Stadt. (eigene Übersetzung)

44 Somos Los Nakos | y que nos gusta decir | Muchas verdades | A los que las quieren oir | Para que a nosotros nos hagan callar | Primero Lengua nos han cortar | Por eso yo del sistema me vengo a burlar | Gritan hey hey. Vgl. Los Nakos: Somos los Nakos, Album: Los Nakos 68–98, Pentagrama Mexico 1998.

45 Eine bewusste Aneignung von Begriffen liegt vor, wenn Worte mit rassistischer oder klassistischer Konnotation durch viele Menschen diesem Gebrauch entrissen und positiv gedeutet und genutzt werden. Je aufgeladener der Begriff ist, umso kontroverser wird dieses Unterfangen. Vgl. Randall Kennedy: Nigger. The Strange Career of a Troublesome Word, Pantheon Books: New York 2002 .

46 Ob der Wortursprung der Nahuatl- oder Otomí-Sprache entlehnt ist, bleibt un-klar. Während das Diccionario de la Real Academia de la Lengua Española den Be-griff „Naco“ als Synonym für „Indio“ nennt, definiert das Diccionario del Español de México „Naco“ als eine „ungeschickte Person ohne Geschmack und Bildung“. Das Wörterbuch der Mexikanismen fügt der letzten Definition noch das Attribut „arm“ hinzu. Vgl. Diccionario de la Real Academia de la Lengua Española: naco, digital http://dle.rae.es/?id=QC8g3PD|QC9Aryd, gesehen am 01.06.2019; Diccionario del Español de México: naco, digital https://dem.colmex.mx/moduls/Default.as-px?id=8, gesehen am 01.06.2019; Academia Mexicana de la Lengua: naco, digital https://www.academia.org.mx/aml_static/dm2/index.html#p=1033, gesehen am 01.06.2019.

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„Naco, dentro de este lenguaje de discriminación a la mexicana, equi-vale a proletario, lumpenproletario, pobre, sudoroso, el pelo grasiento y el copete alto, el perfil de cabeza de Palenque, vestido a la moda de hace seis meses, vestido fuera de moda o simplemente cubierto con cruces al cuello o manos de doscientos pesos. […] Naco es el insulto que una clase dirige a otra y que […] los mismos ofendidos aceptan y esgrimen como insulto, pudiendo perfectamente hacerlo como auto elogio, del mismo modo en que los estudiantes alemanes se auto cali-fican como ‚cerdos‘ para recoger con sarcasmo la agresión burguesa.“47

Der Aussage von Carlos Monsiváis, dass die Nacos den Begriff selbst als Beschimpfung benutzten und nicht positiv deuteten, traten Los Nakos ent-gegen. Bei ihrer Namenswahl ging es ihnen just darum, ein neues Verständnis zu erzeugen und den ausgrenzenden Begriff Naco positiv zu besetzten. Vom Land zu kommen, arm zu sein oder sich unmodern zu kleiden, sollte kein Stigma mehr sein, sondern als realer Teil der mexikanischen Identität akzep-tiert werden. Wie Maylo Colmenares bei einem Konzert erklärte, bezeichnet Naco stets „die anderen“, den angeblich schlechten Teil der Mexikaner/innen, man meine sich damit jedoch nie selbst.48

Mit diesem Bandnamen bekannte sich die Band zu den Armen und Ausgegrenzten der Gesellschaft, deren Existenz im Alltag stets präsent war, die jedoch nicht in das nationale Bild einbezogen wurden. Die Band warb durch ihren Namen für ein heterogenes, vielfältiges Verständnis von mexika-nischer Identität. In ihrem Lied „Soy naco y qué?“ appellierten Los Nakos an ihre Hörer/innen, das Nachahmen anderer Identitäten zu unterlassen, sich als Mexikaner/innen wohlzufühlen und die Diversität dieser Identität zu genießen.49

47 Carlos Monsiváis: Días de guardar, Era: México D. F. 1970, 120.

48 Vgl. Minavecibernetica00 : Los Nakos: Soy Nako y qué? Livemitschnitt Auftritt Canal 11, 1987, digital https://www.youtube.com/watch?v=86-HYBnCFQ8, gese-hen am 20.08.2019.

49 Vgl. Los Nakos: Somos los Nakos, Album: Los Nakos 68–98, Pentagrama Mexico D. F. 1998.

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Soy Nako y qué?

En la prepa y en la universidad

Con los obreros y en el café,

En el mercado

¡Oiga usted!siempre habrá un nakoque cantará porque amamos la libertady aunque me ataquen soy nako y qué?

La mera verdad o sea la neta de ser nacoen este país parece ser pecado

Más que somos?

Aztecas, Españoles, Rubios de ojos azules?

Nel, nana.

Somos raza de bronze

Del guarrache y del mural al portafolio y la nave

De que hay que tener pena?

Asimilan su identidad

Si ser de matrice nacional es ser nako

Soy naco y qué?

Los Nakos: Soy Nako y qué?,

Livemitschnitt Auftritt Canal 11, 1987.

Anders als der positive politische Kampfbegriff „Proletarier“, den die PCM für die Unterdrückten verwandte, thematisiert der Begriff naco den weniger heroischen Teil der Armen, das „Lumpenproletariat“50 und ihren „Misfit“ in 50 Der Begriff wurde von Karl Marx geprägt und bezeichnet passive Teile des Pro-letariats im Klassenkampf. Vgl. Karl Marx, Friedrich Engels: Das 18. Brumaire des Louis Bonaparte, MEW Bd. 8, II, Diez: Ostberlin 1960, 194–207. Peter Bescherer:

300

der Gesellschaft. Der programmatische Bandname verdeutlicht die unter-schiedlichen Perspektiven von Band und PCM gegenüber „den“ Ausgegrenzten.

Das Repertoire der Band umfasste lateinamerikanische Protestlieder. Bekannt wurden Los Nakos für ihre politischen Parodien und Satiren, die ak-tuelle Ereignisse kommentierten, kritisierten und überspitzt darstellten. Die Parodien von Los Nakos richteten sich gegen die mexikanischen Eliten aus den politischen Parteien und aus der Medien- und Kulturlandschaft. Sie knüpften an Bekanntes an oder dichteten neue politische Texte zu bekannten Melodien aus der Werbung oder dem Schlagerrepertoire. Damit setzten sie der sinnentleerten Werbung konkrete Inhalte entgegen, wie zum Beispiel bei dem Lied „Droga-Cola“.51 Politische Satire und Parodien erfreuen sich vor allem in jenen Ländern großer Beliebtheit, in denen der Staat das Kulturleben reglementiert, um Kritik an der Regierung zu unterdrücken. Die PRI unter-band Kritik an ihrer Regierung meist über die Kooptation der Künstler/innen durch Auftrittsmöglichkeiten oder durch die Marginalisierung der op-positionellen Künstler/innen.

El Diputado (Auzug)

Terminé mi carrera y ya soy todo licenciado y estoy en el RIM, terminé mi carrera, ya soy todo licenciado y estoy en el PIR,

Compré mi escopeta para que cuando llegue mi jefe limpiarle el trasero para que cuando se siente no se vaya a ensuciar … el asiento

Ahora que soy licenciadome sonríe el porvenir, claro se fue a la gira

Lumpenproletariat. In: Historisch-krititisches Wörterbuch des Marxismus Bd 8/II, Spalten 1379–1339, Argument: Hamburg 2015.

51 Die Parodie „Droga-Cola“ basiert auf dem Lied aus der Coca-Cola-Werbung „I'd Like to Teach the World to Sing – In Perfect Harmony“ der Gruppe Hillside Singer. Das Original ist von The New Seekers. Los Nakos: Droga-Cola, Album: Los Nakos, Nueva Voz Latino Americana, México 1979; Shelly Kiss: Coca Cola Commercial – I ' d Like to Teach the World to Sing (In Perfect Harmony) 1971, digital: https://www.youtube.com/watch?v=ib-Qiyklq-Q, gesehen am 20.07.2020.

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Uso calzones rayados y soy hijo yo del PIR

Padre nuestras que estas en los Pinos un hueso será mi premiopara el próximo sexeniouna fiesta organizado para el señor tapadohe que sentido que en todo mis puestos he mordidomis bigotes me dejado, apenas se te notanmis pistolas me compréya soy todo un diputado y muy pronto ascenderésoy diputado y estoy paradohe votado para el PIR, ¡claro !

Los Nakos. El Diputado, Album: Los Nakos, Nueva Voz Latinoamericana Mexico o. J.

In diesem Zusammenhang zeugt das Bekenntnis von Los Nakos, tabuisierte Themen zu besingen, vom Mut der Bandmitglieder. „Oftmals sind Spott und Lachen in Mexiko die einzigen Optionen, um der politischen Aggression etwas entgegenzusetzen“, gab die Sängerin Mayra Cebreros im Interview an.52Mit der politischen Satire erreichten Los Nakos viele Menschen unterschied-licher Schichten. Das Publikum amüsierte sich über die neuen Texte und kam so mit linken Argumenten in Berührung. Da einige Bandmitglieder an den Hochschulen arbeiteten, wirkten sie in diesem Umfeld und erfreuten sich dort einer großen Beliebtheit. Im Ausland war die Gruppe jedoch weniger bekannt, weil Witz und Doppeldeutigkeiten ihrer Parodien sich nur über die Kenntnis der mexikanischen Gesellschaft entfalteten. Bekannt waren Los Nakos vor allem in oppositionellen Kreisen der urbanen und studentischen Zentren Mexikos.

Wie alle Bands, die sich jenseits des Kulturbetriebs zu etablieren suchten, nutzten auch Los Nakos jede Möglichkeit aufzutreten. Sei es spontan auf 52 Allerdings haben Spott und Satire für Los Nakos eine Grenze, wenn es sich um Katastrophen handelt, wie das staatliche Massaker am 2. Oktober 1968 oder das Erdbeben, das 1985 Mexiko-Stadt erschütterte. Roberto Ponce: Quinto Elepe de Los Nakos, Parodia Politica y Cuidado en la Forma, Proceso digital http://www.proceso.com.mx/145061/quinto-elepe-de-los-nakos-parodia-politica-y-cuida-do-en-la-forma, gesehen am 01.06. 2019. (eigene Übersetzung)

302

Plätzen oder in Parks, auf Straßenfesten, Demonstrationen oder bei den Festivales de Oposición . Die Band hatte keine Berührungsängste gegenüber städtischen Veranstalter/innen, Gewerkschaften oder linken Parteien und sie fragte auch spontan an, ob sie bei Konzerten auftreten könne.53 Ihre Teilnahme an den Festivales de Oposición , die in großen Konzertsälen statt-fanden, stellte damit einen besonderen Anreiz für die Band dar.

Los Nakos verfügten weder über ein eigenes Tonstudio noch über eine Vertriebsfirma. Sie veröffentlichten weniger Schallplatten als Los Folkloristas und taten dies bei kleinen, alternativen Labels wie Nueva Voz Latinoamericana und Pentagrama . Anders als Los Folkloristas wirkten sie an keiner der drei LPs der Festivales de Oposición mit. Die Darbietungen der politischen Satire von Los Nakos hätten den Rahmen der Festivalplatten überschritten, die in-ternationalen New Folk und Canto Nuevo Latinoamericano präsentierten. Auf dem dritten Festival-Sampler ist zwar eine satirische Darbietung des be-kannten Interpreten der mexikanischen Volkskultur Salvador Flores Rivas (bekannt als Chava Flores) vertreten, dieser war jedoch weit bekannter als Los Nakos und gehörte in den siebziger Jahren bereits zu den nationalen Größen des mexikanischen Kulturbetriebs. Die Bandmitglieder von Los Nakos arbeiteten neben der Musik zusätzlich in anderen Berufen, da die poli-tische Satire ihnen wenig Geld einbrachte. Weit mehr als der Geldmangel störte Maylo Colmenares jedoch, dass es auch in einigen linken Organisationen am „Bewusstsein für die Bedeutung von Kulturarbeit fehlte“. So wurden Los Nakos häufig während der politischen Mobilisierungen für ein geringes Entgelt engagiert, wenn jedoch nach erfolgreichem Abschluss der Kampagnen eventuell genug finanzielle Mittel vorhanden waren, kamen diese leider nicht der Band zugute, sondern es wurden meist bekanntere Musikgruppen engagiert.54

Obwohl Los Nakos seit 1968 zu den politischen Musikgruppen des Canto Nuevo gehörten, unterhielt die Band keine engen Verbindungen zur PCM. Sie kritisierte in ihren Texten die Korruption der politischen Parteien und machte dabei auch vor der linken Oppositionspartei nicht halt. Zwar trat die 53 Interview mit Maylo Colmenares am 09.02.2012 in Ciudad Universitaria, Mexi-ko-Stadt.

54 Vgl. Interview mit Maylo Colmenares am 11.11.2010 in Ciudad Universitaria, Mexiko-Stadt.

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Gruppe auf Veranstaltungen der PCM auf und erkannte an, dass die Festivales de Oposición wichtige Gelegenheiten zur Darstellung politischer Kunst waren, jedoch war es Los Nakos stets wichtig, ihre Autonomie zu wahren und ihre Kritik nicht durch Verpflichtungen gegenüber politischen Organisationen verwässert zu sehen.55

Ihre Distanz zur Mexikanischen Kommunistischen Partei verhinderte jedoch nicht, dass Los Nakos enge Beziehungen zu Musikgruppen unter-hielten, die der PCM nahestanden. Los Nakos gehörten dem unabhängigen Zusammenschluss revolutionärer Musiker/innen und Künstler/innen LIMAR an, in dem sich sowohl linke Künstler/innen organisierten, die der PCM nahestanden als auch Musiker/innen, die den Parteien skeptisch gegen-über standen. Die LIMAR-Gruppen kritisierten an der PCM, dass sie die Vielfalt der Stile unterschätze und alles dem politischen Zweck unterordne.56 Los Nakos traten laut Festivalprogramm 1978 und 1979 auf den Nebenbühnen der Festivales de Oposición auf. Es ist dennoch anzunehmen, dass sie auch in den anderen Jahren a auftraten, da die Konzertprogramme der Nebenbühnen nicht alle teilnehmenden Interpret/innen namentlich verzeichneten.

Maylo Colmenares erinnerte sich eindrücklich an die Partizipation von Los Nakos beim ersten Festival im Auditorio Nacional , obwohl die Band nicht im Festivalprogramm steht.57 Ferner gestalteten die LIMAR-Gruppen im Jahr 1981 das gesamte Tagesprogramm einer Nebenbühne, was auch die Partizipation von Los Nakos wahrscheinlich macht.58 Dass Los Nakos trotz kontinuierlicher Partizipation nie auf der Hauptbühne der Festivals auf-traten, lag laut Maylo Colmenares an der „Selektion der PCM“.59 Zwar traten auf den Nebenbühnen der Festivales de Oposición einige parteikritische 55 Ebenda.

56 Vgl. Interview Maylo Colmenares am 09.02.2012 in Ciudad Universitaria, Mexiko-Stadt.

57 Vgl. Interview Maylo Colmenares am 11.11.2010 in Ciudad Universitaria, Mexiko-Stadt.

58 Die LIMAR-Gruppen stellten das Programm von 10 bis 20 Uhr. Vgl. o. A. : Progra-mación de los Foros, Oposición 20.12.1981.

59 Interview Maylo Colmenares am 09.02.2012 in Ciudad Universitaria, Mexiko-Stadt.

304

303

Bands auf, jedoch schaffte es trotz wiederholter Teilnahme keine von ihnen auf die Hauptbühnen.60

Der Direktor von Oposición , Marcos Leonel Posadas, bestritt im Interview eine „politische Auswahl“ der Bands auf den Festivals und begründete die Auswahl der Bühnenbeiträge mit der Zeit der Anmeldung und dem Bekanntheitsgrad der Gruppen.61 Immerhin wurde im Festivalprogramm von 60 In der Parteizeitung wurde zum Beispiel gegen die „parteifeindlich“ genannte Musikgruppe Vientos para un Nuevo Día polemisiert. Vgl. Guillermo Krause: Foro Abierto: Invaluable Contribución de 34 Grupos y Solistas, Oposición 30.04.1977.

61 Marcos Leonel Posadas wirkte an den ersten beiden Festivals als Direktor von Oposición, danach als Parteifunktionär für internationale Kontakte mit. Interview mit Marcos Leonel Posadas am 21.02.2014 in Tlalpan, Mexiko-Stadt.

Abb. 6.4 Plattencover von Los Nakos: Album: Hippie. Escarones: México

1969.

305

1979 speziell auf die Forum-Bühne und ihre Künstler/innen hingewiesen und daneben ein Foto von Los Nakos abgedruckt.62 Gerade beim Bühnenprogramm zeigte sich der Mangel an Organisation, der dazu führte, dass Auswahl und Auftrittsreihenfolge der Bands häufig kurzfristig geändert wurden, was von den Festivalbesucher/innen und auch PCM-Mitgliedern kritisiert wurde.63

Eine genauere Analyse der Festivalprogramme stützt die Aussage von Maylo Colmenares, sie belegt, dass parteinahe Künstler/innen mehrmals auf den Hauptbühnen auftraten und die Darbietungen der PCM-kritischen Gruppen, beispielsweise der LIMAR-Gruppen, stets auf die Nebenbühnen und auf die Vormittage des letzten Festivaltags beschränkt blieben.64 Die Vielfalt auf den Festivalbühnen war bei der Zusammenstellung des Bühnenprogramms also kein Kriterium für die PCM. Auf den Festivales de Oposición traten zwar auch PCM-kritische Künstler/innen auf, jedoch sorgte die Mexikanische Kommunistische Partei dafür, dass ihre Kunst an weniger exponierten Stellen gezeigt und die inhaltliche Ausrichtung der Festivals nicht beeinflusst wurde. Dies erklärt ebenfalls, warum die Lieder von Los Nakos nicht auf den Langspielplatten der Festivales de Oposición enthalten sind. Anders als Los Folkloristas inszenierten sich Los Nakos nicht mit einer spezifischen Kleidung und nur selten im einheitlichen Design.65 Die Konzert-ankündigungen wurden meist von den Veranstalter/innen und nicht von der Band entworfen, so dass die Inhalte der Veranstaltung im Vordergrund der Plakate standen.66 Die Schallplattencovers zierten keine Fotos der Bands, 62 Vgl. o. A.: Foro Silvestre Revueltas, Oposición 5.–11.04.1979.

63 Vgl. Comisión Coordinadora: El IV. Festival de Oposición, Dokumente des CEMOS, México D. F., o. T. u. M. 1980, caja 133, clave 128, expediente 10, 7170; Rogelio Hernández: 339 personas enjuician el IV Festival, Oposición 01.06.1980.

64 Vgl. Festivalprogramme in Oposición: o. A.: 2. Festival Popular de Oposición, Opo-sición 11.–17.05.1978; o. A.: Programa del III. Festival de Oposición, Oposición 19.–25.04.1979.

65 Vgl. o. A.: Foro Silvestre Revueltas, Oposición 05.–11.03.1979.

66 Eine Auswahl der Plakate und Ankündigungen findet sich auf Youtube. Vgl. Fran-cisco Barrios: Los Nakos Varias Rolas, digital https://www.youtube.com/watch?-v=MC6uT2skXbg&list=PLEMHvCS2pHpQY_PIAN12DOoRS6Ye_uwOB&index=3, gesehen am 04.09.2019.

306

sondern Muster oder politische Drucke der 1968er-Bewegung.

Bei den Liveauftritten der Los Nakos zeigte sich ihre Nähe zum Darstellenden Spiel, sodass sie in ihren Liedern beispielsweise Mono- und Dialoge mit ver-stellter Stimme verwendeten, wie in der „Balada del Granadero“.67 Diese Ballade thematisiert die exzessive und unverhältnismäßige Gewalt, die die Polizeieinheit der Granaderos gegenüber der Bevölkerung anwandte.68 Los Nakos vertonten eine Forderung der mexikanischen 1968er-Studierenden-bewegung, die eine Auflösung der Einheit forderte. Die PCM unterstützte die Forderungen der Studierendenbewegung, konnte sie jedoch nicht beein-flussen (siehe Kapitel 1).69

Im Folgenden habe ich aus dem Repertoire von Los Nakos zwei Lieder, die „Balada del Granadero“ und „El Diputado“, ausgesucht, um anhand dieser Inhalt und Performance der Gruppe zu untersuchen. Beide Lieder gehörten zu ihrem festen Repertoire, charakterisieren die Inhalte und Stilmittel der Band und entstanden einige Jahre vor den Festivales de Oposición , was es wahrscheinlich macht, dass sie auf den PCM-Festen vorgetragen wurden. Die „Balada del Granadero“ ist eine Parodie der „Balada del Vagabundo“ von José Guardiola, einem katalanischen Schlagersänger, der durch die spanischen Coverversionen englischer Hits wie „Mackie Navaja“ (Mackie The Knive) oder „Diezyseis toneladas“ (Sixteen Tons) bekannt wurde.

Balada del Granadero

Papá, papá ayer cuando estudiaba, le pregunté a un hombre que golpeaba, ¿Quién es usted? me dijo un granadero … Papá ¿qué cosa es un granadero?

Un granadero es un hombre analfabestia, que va golpeando a todo el estudiante,

67 Dies erklärt auch ihre kurzzeitige Mitgliedschaft im Zusammenschluss linker Schauspieler/innen und Theaterkünstler/innen CLETA. Vgl. López: C.L.E.T.A, 2012: 52; Zu den verschiedenen Stilelementen von Los Nakos 1968 vgl. ferner Maylo Col-menares: Palabras cerca del color, calor y olor, o 1969 menos 1, Ediciones Quinto Sol: México D. F. 2011.

68 Vgl. Los Nakos: Balada del Granadero, Album: Los Nakos, Intersón Mexiko 1968.69 Vgl. Ramón Ramírez: El movimiento estudiantil de México, Julio–Diciembre de 1968, Vol II, Era: México D. F. 1969, 37–39; Concheiro: En la lucha por la democra-cia, 1983: 330.

307

sin esperanza de amor a un semejante

Papá qué malo es ser granadero. ay, ay, ay, ay, ay …

Jamás nosotros seremos granaderos, vivimos del cantar y del estudio ni tú, ni yo iremos por el mundo golpeando a estudiantes como aquel hombre. ay, ay, ay, ay, ay …

Papá, papá, ¿por qué dios nos ha dado, un mal sistema a todo el mexicano?

Papá, ¿por qué hay tanta corrupción, también prostitución en el gobierno? ay, ay, ay, ay, ay …

Miren hijitos no canten esas cosas (¿tu porque?)

Porque el gobierno tiene muchas orejas (huy huy huy)

Sus policías y también sus halcones

Por eso el gobierno (fufufifufu). ay, ay, ay, ay …

Jamás nosotros seremos granaderos, vivimos del cantar y del estudio, ni tú ni yo, iremos por el mundo golpeando a estudiantes como aquel hombre. ay, ay, ay, ay … ay, ay, ay, ay.

Los Nakos. Balada del Granadero,

Album: Los Nakos, Intersón Mexiko 1968

In Lateinamerika gehört die „Balada del Vagabundo“, die Guardiola mit seiner Tochter Rosa Mary vortrug, zu seinen großen Erfolgen. In diesem Lied beantwortet der Vater die Frage seiner Tochter, was ein Vagabund sei, indem er sie als Menschen ohne Ehrgeiz, Hoffnung und Liebe charakterisiert. Im Refrain schwören Vater und Tochter niemals zu Vagabunden zu werden, da diese keine guten Menschen seien. Kernaussage des Liedes ist, dass die Unterschiede zwischen Reich und Arm „naturgegeben“ seien, so wie es schöne und welke Blumen gebe.70

70 Vgl. José Guardiola, Rosa Mary, La Balada del Vagabundo, Album: La Balada del Vagabundo, Vergara Spain 1963.

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Die bekannte Melodie Guardiolas wurde von Los Nakos mit einem neuen Text versehen und die Aussage des Originaltextes karikiert. Die Band machte sich die Bekanntheit der Melodie zunutze, um die Forderungen der mexika-nischen 1968er-Bewegung zu verbreiten. In der Version von Los Nakos fragt ein Kind, nachdem es einen prügelnden Polizisten in der Universität gesehen hatte, was denn ein Granadero sei. Der Vater antwortet, dass der Granader o stets Studierende schlage und wohl eine Mischung aus „Analphabet“ und „Monster“ („analphabestia“) sei. Die Granaderos werden in dem Lied von Los Nakos als Menschen ohne Hoffnung und Liebe beschrieben. Im Refrain grenzen sich Vater und Kind von den Granaderos ab, da sie nicht prügelnd durch die Welt gehen wollen. Durch die Nutzung der bekannten Melodie setzten Los Nakos die Vagabunden und die Granaderos gleich, beide Gruppen seien brutal und hoffnungslos und besäßen ausschließlich schlechte Eigenschaften. Die Gleichsetzung beider Gruppen impliziert, dass die Granaderos , die als Staatsangestellte zum Wohle der Gemeinschaft wirken sollten, nicht im Dienste der Gesellschaft stehen.

Im Lied fragt das Kind weiter, warum Mexiko eine schlechte Regierung habe, in der Korruption und Prostitution vorkämen. Diese Frage wird mit dem Verweis auf die Bespitzelung („Die Regierung habe viele Ohren“) und die Repression durch Polizei und paramilitärische Einheiten explizit nicht beantwortet. Stattdessen wird als vielsagende Pause gepfiffen und damit deutlich gemacht, dass die Kritik an der Regierung gefährlich sei. Das Pfeifen und die Antwort des Vaters, besser nicht mehr nachzufragen, thematisieren das Fehlen der Meinungsfreiheit und die Existenz von Zensur in Mexiko. Abgesehen von den Granaderos wird in dem Lied auch die staatlich finan-zierte Schlägereinheit „ Halcones “ als Repressionsorgan benannt.71 Die Argumentationskette von Los Nakos zeigt, dass sie zur linken Opposition ge-hörten, da sie die Verantwortung der Regierung für die Repression gegenüber 71 Die Halcones waren eine paramilitärische Gruppe, die durch ihren Angriff auf eine studentische Demonstration 1971 bekannt geworden waren. Obwohl die Re-gierung jegliche Verbindung zu ihnen abstritt, konnte später durch Dokumente der US-Behörden belegt werden, dass die Regierung diese Einheit gegründet hatte und enge Verbindungen zu ihr unterhielt. Diese Dokumente sind online einsehbar, vgl. Kate Doyle: The corpus christi massacre, digital http://nsarchive.gwu.edu/NSAEBB/NSAEBB91/, gesehen am 10.08.2019.

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studentischen Mobilisierungen betonten und die paramilitärischen Einheiten als Teil der staatlichen Repressionspolitik bezeichneten.

Die „Balada del Granadero“ machte Los Nakos bekannt.72 Ihre Analyse staatlicher Repressionspolitik, und ihre Skepsis gegenüber den Reformen der PRI-Regierung teilte auch die PCM, da sie selbst häufig Ziel der Regierungsrepressalien geworden war. Noch pointierter persiflierten Los Nakos den Klientelismus und die fehlende Demokratie des mexikanischen politischen Systems in dem Lied „El Diputado“ (Der Abgeordnete), in dem das PRI-System beschrieben wird ohne das Wort „PRI“ zu verwenden. Das Lied beginnt, indem ein Abgeordneter sich selbst als Schuft, als vom Staat eingesetzt und als dumm beschreibt. Ferner werden die Abgeordneten „blö-kend wie Schafe“ beschrieben, was sich auf die Ereignisse von 1968 bezieht, als die Regierung den Beamt/innen verordnete, an einer Demonstration gegen die 1968er-Bewegung teilzunehmen. Dass sie zur Partizipation ge-zwungen worden waren, zeigten die Beamt/innen durch ihre Selbstbezeichnung als Schafe und durch Blöken.73

In „El Diputado“ wird beispielhaft die Kindheit und Jugend eines Ab-geordneten nachgezeichnet, dessen Träume um Macht, Einfluss und Sex kreisen. Es entsteht das Bild eines machtbesessenen, allein auf den eigenen Vorteil bedachten Menschen, der Regeln (und später Gesetze) für andere macht, sich selbst jedoch über diese stellt. Es wird eine politische Kultur be-schrieben, in der das Einschmeicheln bei den Vorgesetzten eine Vorbedingung zum Aufstieg ist, und der mexikanische Präsident in seiner Allmacht mit Gott verglichen wird. Um ein „klassischer Parlamentarier“ zu werden, muss man die „Universität abgeschlossen, einen Nadelstreifenanzug angezogen und eine Pistole gekauft haben sowie regelmäßig Schmiergeldzahlungen ange-nommen oder vergeben“ haben.74

Beide hier vorgestellten Songs formulierten ihre Kritik sowohl durch die

72 Oscar Chávez,veränderte den Text leicht: dort sieht das Kind den Granadero mor-den. Vgl. Oscar Chávez: Balada de un granadero, Album: México Vol. 1, Colonize Media: California 1995.

73 Vgl. Pablo Gómez: 1968 la historia también está hecho de derrotas, Miguel Ángel Porrúa: México D. F. 2008, 185.

74 Los Nakos: El Diputado, Album: Los Nakos, Nueva Voz Latinoamericana Mexico o. J.

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Texte als auch, indem sie Bekanntes geschickt parodierten. Um die Zensur zu umgehen, wurden vielsagende Pausen gemacht oder Namen verändert. Los Nakos ließen sich von etwaigen Repressalien gegenüber der Opposition nicht einschüchtern und kritisierten die PRI-Regierungen offen. Diese Kritik kon-vergierte in einigen Fällen mit der politischen Linie der PCM, zum Beispiel bei der Kritik an Granaderos und Halcones . Die Kritik von Los Nakos am par-lamentarischen System und der Korruption der politischen Parteien war jedoch ab dem Moment, da die PCM an den Wahlen teilnehmen durfte, poli-tisch nicht mehr opportun. Das Repertoire von Los Nakos war also trotz geteilter Opposition gegenüber der Staatspartei PRI nicht immer deckungs-gleich mit der politischen Akzentsetzung der PCM.

In der Gesamtbetrachtung von Performance und Inhalte von Los Folkoristas und Los Nakos auf den Festivales de Oposición zeigte sich, dass sowohl PCM-nahe als auch parteikritische mexikanische Künstler/innen auf den Festivales de Oposición auftraten. Sie wurden von der Partei unterschiedlich behandelt: So konnten Los Folkloristas stets auf der Hauptbühne und bei den Abendkonzerten spielen, da einige der Bandmitglieder auch Mitglieder der PCM waren und sich in der Organisation der Festivals engagierten. Los Nakos hingegen durften trotz mehrjähriger Teilnahme nicht auf den Hauptbühnen der Festivals auftreten und spielten stets zu ungünstigen Zeiten.

Los Folkloristas unterhielten ein enges Verhältnis zur PCM, bewahrten sich jedoch ihre Autonomie, da sie über eigene Konzertorte und Vertriebswege verfügten und nicht auf die Auftrittsangebote der PCM angewiesen waren. Die PCM profitierte vom Kontakt zur bekannten Band Los Folkloristas und erhoffte sich, dass sie den Parteiveranstaltungen mehr Publikum zuführen würden. Die Parteimitgliedschaft einiger Bandmitglieder, ihre Popularität sowie ihre infrastrukturelle Unabhängigkeit ermöglichten es Los Folkloristas , mit der PCM in einen kritischen Dialog zu treten. Los Folkloristas diskutierten über die Kulturpolitik der Partei und legten ihre Positionen in der Parteizeitung dar. Die PCM erwies sich als offen für die abweichenden Positionen der Band, die ihren Stil nicht nach Parteiwünschen veränderte, was zeigt, dass der Einfluss der Partei auf die Band begrenzt blieb.

Anders als Los Folkloristas verfügten Los Nakos weder über eigene Konzerträume noch über selbstorganisierte Vertriebsfirmen, weshalb die Festivales de Oposición für sie eine willkommene Gelegenheit boten, vor

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einem Großpublikum aufzutreten. Auf den Festivales de Oposición fühlte sich die Band Los Nakos von der PCM benachteiligt, da sie trotz mehrmaliger Teilnahme lediglich auf der Nebenbühne und zu relativ ungünstigen Zeiten auftreten durfte. Zwar teilte die Musikgruppe die politischen Grundwerte der PCM, jedoch zeigt schon der Bandname, dass ihre Affinität zum Proletariat nicht politisch, sondern eher liebevoll und auf Selbstermächtigung des Lumpenproletariats bedacht war.

Ihre Teilnahme verdeutlicht, dass die PCM auf ihren Festivals zwar partei-kritische Künstler/innen mitwirken ließ, ihre Entscheidungsgewalt über das Festivalprogramm jedoch stets beibehielt. Ob und wie sich das auf die Beziehung der PCM zu den internationalen Festivalgästen auswirkte, wird im Folgenden untersucht.

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5.3 „Hombro con Hombro“ – Die Festivalperformance der DDR-Delegationen

Die Musikdelegationen aus den sozialistischen Staaten bildeten in den fünf Untersuchungsjahren nach den lateinamerikanischen Künstler/innen die zweitgrößte internationale Teilnehmergruppe auf den Festivales de Oposición . Die Beiträge der DDR-Delegationen waren Teil der SED-Kulturpolitik und sollten die Außenpolitik ihres Landes positiv unterstützen, die bis Mitte der siebziger Jahre auf internationale Anerkennung ausgerichtet war, was die SED auch durch kulturelle Kooperationen erreichen wollte. Der Kontakt zwischen SED und PCM war trotz geografischer Entfernung eng und zeich-nete sich durch personellen Austausch sowie die Entsendung von Delegationen zu Parteitagen und Kulturveranstaltungen aus. Allein im Jahr 1977 wurden drei SED-Mitglieder mit unterschiedlichen Aufträgen nach Mexiko entsandt und zwölf PCM-Mitglieder zu Ausbildungs- und Studien-zwecken in die DDR eingeladen.75

Im Juni 1973, als die DDR und Mexiko offiziell diplomatische Beziehungen aufnahmen, begannen auch die Beziehungen zwischen SED und PRI.76 Die 75 Vgl. die Liste der ausländischen Gäste beim XVIII. Parteikongress der PCM: Lis-ta de invitados extranjeros al XVIII Congreso del Partido Comunista Mexico 1977, Dokumente des CEMOS, México D. F., o. D., caja 99, clave 93 exp. 07, 6801. Zu den Austauschvereinbarungen zwischen SED und PCM vgl. Comité Central: Acuerdos para el intercambio entre los PCUA y el PCM durante el año 1977, Dokumente des CEMOS, México D. F., o. D. caja 105, clave 99 exp. 01, 6841.

76 An Lateinamerika entwickelte die SED seit der kubanischen Revolution Interesse. Dabei trat die DDR in den siebziger Jahren als eigenständige Akteurin in Latein-amerika auf und unterhielt bekannte Solidaritätsprojekte. Sie konzentrierte ihre Beziehungen einerseits auf die Länder, die Revolutionen hervorbrachten, wie Kuba, Chile oder Nicaragua, und andererseits auf solche, die ihre diplomatischen Bezie-hungen zu Kuba nicht abgebrochen hatten, wozu auch Mexiko gehörte. Vgl. hierzu den auf den Unterlagen der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, Zentrales Parteiarchiv (SAPMO, BArch.-ZP), basierenden Artikel von Raimund Krämer: Zwischen politischem Kalkül und revolutionärer Ro-mantik. Zu den Beziehungen der DDR mit Süd- und Mittelamerika. In: Lateinameri-ka Nachrichten (LN), Nr. 287, Mai 1998, digital https://lateinamerika-nachrichten.de/artikel/zwischen-politischem-kalkuel-und-revolutionaerer-romantik/, gese-hen am 30.08.2019; Raimund Krämer: De una diplomacia desaparecida. La política

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SED unterhielt insgesamt ausgezeichnete Kontakte nach Lateinamerika und gewährte verfolgten lateinamerikanischen Kommunist/innen Asyl, darunter der chilenischen Musikgruppe Aparcoa , die sowohl auf dem ersten Festival de Oposición spielte als auch im DDR-Fernsehen auftrat.77 1977, zur Amtseinführung von Präsident López Portillo, reiste der stellvertretende Staatsratsvorsitzende Horst Sindermann nach Mexiko und 1981 besuchte Erich Honecker das Land. Austausch und Handel zwischen beiden Staaten blieben jedoch im Untersuchungszeitraum gering.78

Zwar galt die Diplomatie der DDR als unabhängig von der Vernetzung der SED mit den lokalen kommunistischen Parteien, in der Praxis kam es jedoch durch die intensiven und parallel geführten Beziehungen sowohl zur Staatspartei PRI als auch zur PCM zu Schwierigkeiten und Miss-verständnissen. Die SED war an guten Beziehungen zur Massenpartei PRI interessiert, blendete jedoch aus, dass die PCM sich in der Opposition und Konkurrenz zur PRI befand. So lud zum Beispiel die SED zwei mexikanische Delegationen zu den 10. Weltfestspielen der Jugend in Ostberlin ein: eine Gruppe, die von der PCM zusammengestellt worden war, und eine Gruppe der PRI. Bereits auf der gemeinsamen Schiffsüberfahrt kam es dabei zu Handgreiflichkeiten zwischen den mexikanischen Delegationen.79exterior de la República Democrática Alemana y sus relaciones con América Latina. In: Estudios Internacionales , Año 28, Nr. 110, 4-6/1995, 174–197, 186ff; 193.

77 Vgl. Inga Emmerling: Die DDR und Chile. Außenhandel, Außenpolitik und Solida-rität, Ch. Links: Berlin 2013, 413f.

78 Vgl. Siegfried Bock; Ingrid Muth; Hermann Schiesau (Hgg.): DDR-Außenpolitik. Ein Überblick Daten, Fakten, Personen (III), Lit Verlag Berlin 2010, 166; 173; 191. Obwohl das Handelsvolumen kontinuierlich anstieg, umfasste es Mitte der acht-ziger Jahre lediglich zwei Prozent des DDR-Außenhandels. Das DDR-Handelsvo-lumen mit den Drittweltländern umfasste bis 1989 immerhin 34,2 Prozent. Vgl. Krämer: Diplomacia desaparecida, 1995: 193.

79 Luciano Concheiro erinnerte sich, dass die PCM-Delegation auf der Schiffsreise nach Rostock ein Mitglied der PRI wiedererkannte, das am Mord eines PCM-Mit-glieds bei Landbesetzungen in Sinaloa beteiligt war. In Rostock angekommen, mussten die mexikanischen Delegationen räumlich voneinander getrennt unterge-bracht werden, was jedoch nicht verhinderte, dass der Mann von der PRI „bekam, was er verdiente“. Interview mit Luciano Concheiro am 06.11.2013 in Coyoacán, Mexiko-Stadt.

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Mitglieder der PCM empfanden die Einladung von zwei mexikanischen Delegationen als Zurücksetzung. Denn sie machte deutlich, dass die sozia-listischen Staatsparteien zunächst ihre staatliche Politik verfolgten und die Beziehungen zu den „Bruderparteien“ als nachrangig ansahen. Da die PRI weiterhin als linke Partei galt, wurde die PRI-Politik international stets posi-tiver eingeschätzt, als es der PCM recht war. Diese positive Sicht auf die PRI belastete, so erinnerte sich Valentín Campa, auch das Verhältnis der PCM zur KPdSU und zur Kubanischen Kommunistischen Partei.80

Prinzipiell sollte das Verhältnis zwischen SED und PCM vom „proletari-schen Internationalismus“ geleitet sein, der die solidarischen Beziehungen zwischen den sozialistischen Parteien aus dem Ostblock und den kommunis-tischen Parteien in der „Dritten Welt“ regelte. Der „Internationalismus“ war in der DDR-Verfassung verankert, er basierte auf dem gemeinsamen Verständnis von „Solidarität“ als „gegenseitige geistige und materielle Hilfsleistungen im Kampf für den Sozialismus und Kommunismus“ und drückte sich in materiellen und ideellen Hilfeleistungen der DDR-Solidaritätsprojekte, zum Beispiel im sozialistischen Chile und später dem sandinistischen Nicaragua, aus.81

Die lateinamerikanische Musik des Canto Nuevo erfreute sich in der DDR-Bevölkerung und auch in der Parteispitze großer Beliebtheit und wurde im DDR-Rundfunk und Fernsehen verbreitet.82 Obwohl die Kontakte mit 80 Valentín Campa Salazar: Mi testimonio. Experiencias de un comunista mexicano, Ediciones de cultura popular: México D. F. 1978, 316.

81 Vgl. Verfassung der DDR, digital http://www.documentarchiv.de/ddr/verfd-dr1968.html, gesehen am 22.08.2019; o. A: Stichwort: proletarischer Internationa-lismus. In: Waltraut Böhme et al.: Kleines politisches Wörterbuch, Dietz: Ost-Berlin 1973, 685–689. Die staatliche Chile-Solidarität ist bis heute in den Straßen- und Gebäudenamen der ostdeutschen Städte sichtbar. Vgl. Ehrhart Neubert: Geschich-te der Opposition in der DDR, 1949–1989, Ch. Links: Berlin 1998, 455–457; Gott-hold Schramm: Die DDR und Chile während und nach dem Putsch. In: Bär; Dellwo: Widerstand und Diktatur in Chile, BdW. 29, Laika: Hamburg 2013, 223–230, Karl-Heinz Möbius: Chilenische Emigranten in der DDR. In: Bär; Dellwo: Widerstand und Diktatur in Chile, BdW. 29, Laika: Hamburg 2013, 231–242.

82 Vgl. Edward Larkey: Von Basar zu Rund: Die Inszenierung der Jugendkultur im DDR-Fernsehen. In: Sascha Trülzsch; Thomas Wilke: Heißer Sommer – Coole Be-ats. Zur populären Musik und ihren medialen Repräsentationen in der DDR, Peter Lang Verlag: Frankfurt am Main 2010, 35–66, 54ff. Es entstanden sogar einige So-

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Lateinamerika zum „Fluchtpunkt revolutionärer Ideen und romantischer Utopien“ wurden, förderte die SED den Kulturtransfer aus Lateinamerika in die DDR, wie sich noch heute an Straßennamen belegen lässt.83 Die DDR-Regierung unterstützte die lateinamerikanischen kommunistischen Parteien, unter ihnen auch die PCM. So erhielt die PCM eine Druckmaschine geschenkt und die SED veranlasste zwischen 1977 und 1980 die Ausbildung von circa zwanzig PCM-Mitgliedern in der DDR.84

Diese Leistungen verstärkten sicherlich die Motivation der finanzschwa-chen Mexikanischen Kommunistischen Partei, ihre Beziehungen zur SED und den sozialistischen Parteien des Ostblocks zu pflegen. Es ist kaum davon auszugehen, dass die SED viel Energie auf die ideologische Beeinflussung der PCM verwandte, da diese weder politisch noch ökonomisch bedeutsam für sie war. Die Mexikanische Kommunistische Partei profitierte somit von der Unterstützung der SED und die kontinuierlichen Kontakte in den Ostblock brachten der Partei Prestige ein, ihre inhaltliche Positionierung wurde jedoch kaum beeinflusst. lidaritätskomitees, die nicht von der Partei, sondern auf Initiative der Bevölkerung gegründet worden waren, was zur Verunsicherung der Partei beitrug. Vgl. Beiträge Willi Volks: Befreiung aus der Enge. In: Erika Harzer; Willi Volks (Hgg.): Aufbruch nach Nicaragua. Deutsch-deutsche Solidarität im Systemwettstreit, Ch. Links: Ber-lin 2009, 68–72.

83 Christoph Links erinnerte sich, dass die nicaraguanische Revolution von DDR-Bürger/innen als Modell eines „Dritten Weges“ angesehen wurde. Wie beliebt und bekannt lateinamerikanische Lieder und Parolen in der DDR gewesen waren, zeigte sich 1989, als eine Parole aus der nicaraguanischen Revolution, die Gerhard Schöne in seinem Lied „de cara al pueblo“ (Mit dem Gesicht zum Volke) populär gemacht hatte, auf Hauswänden und Transparenten zur Kritik an den politischen Funktionären der Wendezeit genutzt wurde. Vgl. Christoph Links: Mit dem Ge-sicht zum Volke. In: Lateinamerika Nachrichten 301/302, Juli/August 1999, digital http://www.lateinamerikanachrichten.de/index.php?/artikel/1918.html, gesehen am 08.08.2019.

84 Nach Angaben von Ramón Costa Ayube wurde die DDR-Maschine später bei der Tageszeitung La Jornada benutzt. Er gab ferner an, die PCM habe selten die offiziell angestrebte Austauschquote erfüllt und es hätte noch mehr Austauschkapazität in der DDR bestanden. Vgl. Comité Central: Acuerdos para el intercambio entre los PCUA y el PCM durante el año 1977, Dokumente des CEMOS México D. F., o. D., caja 105, clave 99 exp. 01, 6841; Interview mit Ramón Costa Ayube am 23.11.2013 in Xochimilco, Mexiko-Stadt.

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Die Mexikanische Kommunistische Partei orientierte sich inhaltlich am Eurokommunismus, die SED hatte sich dagegen eng an Moskau angegliedert und unterhielt vorrangig aus taktischen Gründen Beziehungen zu den euro-kommunistischen Parteien.85 In der PCM-Zeitung El Machete wurde der ideologische Gegensatz sichtbar: Während die SED den Eurokommunismus, auch wegen seiner Nähe zu den Positionen von DDR-Oppositionellen wie Rudolf Bahro oder Robert Havemann, strikt ablehnte, veröffentlichte die El Machete Beiträge von DDR-Dissidenten wie Bahro und machte seine Positionen in Mexiko bekannt.86

Auf den Festivales de Oposición trafen die mexikanischen PCM-Mitglieder nun auf die ostdeutschen Delegationen, die aus Musikgruppen, politischen Funktionär/innen der Freundschaftsgesellschaft DDR-Lateinamerika, der Parteizeitung Neues Deutschland (ND) sowie einem Mitglied der Kultur-abteilung der SED und einem Übersetzer bestanden.87 Die Größe der Delegationen hing von der Anzahl der Bandmitglieder ab und variierte zwischen sechs und fünfzehn Personen. Die mitreisenden politischen Delegierten blieben dagegen personell konstant.88

85 Vgl. Nikolas R. Dörr: Die Beziehungen zwischen der SED und den kommunisti-schen Parteien in West- und Südeuropa. Handlungsfelder, Akteure und Probleme. In: Arno Bauernkämper; Franceso Di Palma: Bruderparteien jenseits des Eisernen Vorhangs, Ch. Links: Berlin 2011: 59–65.

86 Bahro bezog sich positiv auf den Sozialismus mit menschlicherem Antlitz. Er ver-fasste das Buch „Die Alternative“, in dem er die Verhältnisse in der DDR und der Sowjetunion kritisierte, da dort die Klassengesellschaft noch nicht überwunden sei und ergo kein Sozialismus herrsche. 1977 veröffentlichte er Auszüge seines Buches im westdeutschen Spiegel, daraufhin wurde er inhaftiert. Am 11.10.1979 wurde Bahro in die BRD abgeschoben und ein halbes Jahr später veröffentlichte die PCM-Zeitschrift Machete Artikel von ihm. Vgl. Rudolfo Bahro: La hora de Afganis-tan. In: El Machete 05/1980, 46–48; Ders.: Perdona nuestro socialismo y dejanos caer en la ecología. In: El Machete 07/1981, 28–37.

87 Die DDR-Freundschaftsgesellschaften hatten die Aufgabe, die deutsche Kultur und die DDR zu repräsentieren und Auslandskontakte zu knüpfen. Vgl. Emmerling: Die DDR und Chile. Außenhandel, Außenpolitik und Solidarität, 2013: 80ff.; PCM: Programa General para los delegados extranjeros del primer Festival de Oposición, Dokumente des CEMOS México, o. D. [1977], C.147 cl. 141, exp. 19, 6890.

88 Als Übersetzer reiste Johnny Norden zu den Festivales de Oposición. Er hatte für die SED mehrere Jahre in Kuba und Chile gearbeitet. Ferner fuhren die General-sekretärin der Freundschaftsgesellschaft DDR-Lateinamerika Ilse Jahnke, das Mit-

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In den siebziger Jahren reisten nicht nur DDR-Delegationen zu den Festivales de Oposición , sondern PCM-Funktionär/innen und mexikanische Musikgruppen kamen auch zu Parteiveranstaltungen und Festen in der DDR, zum Beispiel zu den Festivals des politischen Liedes. 89Für die PCM- und SED-Mitglieder war der internationale Austausch attraktiv, konnten dadurch beide Seiten Fernreisen unternehmen und die Welt kennenlernen. Den DDR-Bürger/innen waren Auslandsreisen nur über die SED möglich und deshalb sehr begehrt. Mexiko bot sicherlich den besonderen Reiz, ein Land zu sein, was eine Revolution durchlebt hatte und gleichzeitig ein sicheres Reiseland war.

Für die PCM-Mitglieder war eine Reise in die DDR eine Reise nach Europa und bot Einblicke in die Realität der osteuropäischen Staaten. Ramón Costa Ayube beschrieb seine Erwartungen bei der Einreise in die DDR als Betreten „eines entwickelten Kulturlands, in dem das Konsumniveau hoch war und bekannte Sozialist/innen wie Karl Marx und Rosa Luxemburg gewirkt hat-ten“.90 Es ist folglich davon auszugehen, dass die Folk-Künstler/innen über glied der Kulturabteilung der SED Karin Gruner und der stellvertretende Chefre-dakteur des ND Harald Wessel mehrmals zu den PCM-Festen. Im Jahr 1982 wurde notiert, dass der ND-Redakteur Walter Newman nach Mexiko fuhr, wahrscheinlich handelte es sich dabei um den Chefredakteur des ND Herbert Neumann. Deutsche Namen scheinen in den Dokumenten der PCM und der DFS nach Gehör notiert worden zu sein, wobei mehr Fehler in den DFS-Berichten auftauchen als in den PCM-Unterlagen. Vgl. PCM: Programa General para los delegados extranjeros del primer Festival de Oposición, Dokumente des CEMOS México, o. D. [1977], C.147 cl. 141, exp. 19, 6890; PCM: Lista de delegados extranjeros que han arribado para participar en el IV Festival de Oposición. Dokument des CEMOS, o. D. 1980, einge-ordnet 1978, c. 112, cl. 106, exp. 16, 6865; Jamm: Delegados políticos extranjeros, Dokument der DFS im AGN, Galerie 1, 08.12.1982, 009-037-005, 5154–5155.

89 Es nahmen folgende mexikanische Künstler/innen teil: Elma (1973), Mario Grosso Rivera (1973), Los Nakos (1973), Silvia Maria (1973), Anthar y Margarita (1973), Gabino Palomares (1974), Los Folkloristas (1975), Amparo Ochoa (1979, 1988), Grupo Victor Jara (1980), Grupo Sur (1982) und Oscar Chávez (1984). Vgl. o. A.: Teilnehmer – Festival des politischen Liedes 1970 bis 1990, digital http://www.musikundpolitik.de/archive/festivalteilnehmer-1970-1990/, gesehen am 12.08.2019.

90 Ramón Costa Ayube in Xochimilco, Mexiko-Stadt am 23.11.1013. (eigene Über-setzung)

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die Reise zu verschiedenen Festivals der kommunistischen Parteien in einen kontinuierlichen Austausch treten konnten.

Für die Begleitung der internationalen Gäste setzte die PCM die Mitglieder ein, die soweit wie möglich die Heimatsprache der Gäste beherrschten.91 Im Mittelpunkt des Austauschs sollte für die Parteimitglieder jedoch nicht die individuelle Erfahrung, sondern die Erfüllung des Parteiauftrags stehen. Per-sönliche Kontakte über den geplanten Programmablauf hinaus waren von den Parteien nicht vorgesehen, wenn nicht sogar untersagt. In den Er-innerungen der mexikanischen Parteimitglieder war die „Umgehung dieser Richtlinie“ Teil der Festivalkultur.92 Auch der Geheimdienst registrierte, dass nach den Konzerten bis in die Nacht hinein in internationaler Besetzung ge-feiert wurde.93 In Interviews gaben mexikanische Parteimitglieder an, die Atmosphäre der Begegnungen sei ungezwungen gewesen.94

Sicherlich förderten das gemeinsame Feiern und die personelle Kontinuität der Teilnehmenden das Vertrauen auf beiden Seiten. Ilán Semo gab an, es sei offen über politische Unterschiede und voneinander abweichende Einschätzungen gesprochen worden.95 Das würde bedeuten, dass in den per-sönlichen Zusammenkünften das offizielle Verschweigen ideologische Unterschiede umgangen wurde und statt über mythische Gemeinsamkeiten über reale Unterschiede gesprochen wurde.

91 So kümmerte sich zum Beispiel Ilán Semo, der an der Humboldt-Universität in Berlin studierte, um die ostdeutsche Delegation. Vgl. PCM: Lista de delegados ext-ranjeros que han arribado para participar en el IV Festival de Oposición. Dokument des CEMOS, o. D. 1980, eingeordnet 1978, c. 112, cl. 106, exp. 16, 6865.

92 Interview mit Ilán Semo am 17.12.2013 in Coyoacán, Mexiko-Stadt.

93 „Während dieses Tanzes wurden Bier und jegliche Art von berauschenden Ge-tränken in großen Mengen ausgegeben, was dazu führte, dass sich kleine Streitig-keiten zwischen den Anwesenden ergaben, die sich jedoch nicht zu Schlimmeren ausweiteten. Dabei waren ca. 100 Personen anwesend.“ Festival PSUM 82 en el pa-lacio de los deportes, Dokument der DFS im AGN, Dep. Información e Investigación LocaL (Dep. I. E. I. L ), Galeria 1, 11.12.1982, II- 936, L-036, 5212.

94 Interview mit Ilán Semo am 17.12.2013 in Coyoacán, Mexiko-Stadt; Interview mit Malva Mejía am 18.02.14 in Coyoacán, Mexiko-Stadt; Interview mit Ramón Costa Ayube am 23.11.2013 in Xochimilco, Mexiko-Stadt.

95 Interview mit Ilán Semo am 17.12.2013 in Coyoacán, Mexiko-Stadt.

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Die PCM-Mitglieder, die in der DDR gewesen waren, beschrieben ihr Verhältnis zur DDR als Mischung aus Loyalität, abnehmender Begeisterung und wachsender Kritik. Sie kritisierten den Dogmatismus und die fehlende Mitbestimmung und wollten die Fehler der sozialistischen Parteien des Ostblocks keinesfalls in ihre Vision von Sozialismus übernehmen. Jedoch äu-ßerten sich alle Befragten positiv über das hohe Konsum- und Bildungsniveau in der DDR.96 Ilán Semo beschrieb die Begegnung mit den DDR-Delegationen auf den Festivales de Oposición wie folgt:

„Festejamos y bailamos juntos. Se hacía muchas fiestas con ellos. La diversidad y la coexistencia les sorprendió bastante. Pienso que querían aprender de nosotros. En el fondo estaban sorprendidos como se hacían las cosas aquí.“97

Diese Aussage zeigt nicht nur politische Unterschiede zwischen den Parteien auf, sondern zeugt ferner vom politischen Selbstvertrauen Ilán Semos, der die Entwicklungen seiner Partei schätzte und sie an die DDR-Delegationen vermitteln wollte. Es liegt nahe, dass die Mitglieder der DDR-Delegationen von dem Meinungspluralismus überrascht waren, obwohl sie diese Freizügigkeit von den Festivals des politischen Liedes und anderen roten Woodstocks kannten oder davon gehört hatten (siehe Kapitel 2.3). Die Aussage von Ilán Semo kann ferner zeitpolitisch eingeordnet werden, sie zeugt vom Selbstvertrauen einer lateinamerikanischen Linken, die sich als „Gravitationszentrum der revolutionären Kämpfe“ sah.98 Ob den internatio-nalen Delegationen gewahr wurde, dass die Offenheit der PCM gegenüber den mexikanischen Künstler/innen auf die Festivals beschränkt blieb (siehe Kapitel 5), darf bezweifelt werden.

Die Künstler/innen, die von der SED für Auftritte auf den mexikanischen Festivals ausgewählt wurden, waren die DDR-Musikgruppen Jahrgang '49 96 Interview mit Enrique Semo am 03.03.2014 in Àlavro Obregón, Mexiko-Stadt; In-terview mit Ilán Semo in Coyoacán, Mexiko-Stadt am 17.12.2013; Interview mit Malva Mejía am 18.02.2014 in Coyoacán, Mexiko-Stadt; Ramón Costa Ayube am 23.11.1013 und 01.03.2014 in Xochimilco, Mexiko-Stadt.

97 Interview mit Ilán Semo am 17.12.2013 in Coyoacán, Mexiko-Stadt.

98 Vgl. Elbaum: Revolution in the Air, 2002: 87.

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(1977) und Oktoberklub (1978) sowie das Musik-Duo Hermann und Inge (1979), der Schauspieler Hans Peter Minetti, die sorbische Folkgruppe Judahej (1980) und die Gruppe Werkbank (1981).99 Dem Wunsch der PCM, doch „moderne Musikgruppen wie

Karat “ nach Mexiko zu entsenden, konnte letztendlich nicht entspro-chen werden, da die geplante

Teilnahme der Band kurzfristig ab-gesagt wurde. Eine Woche vor dem

Festival de Oposición wurde ange-kündigt, dass anstelle von Karat das

Duo Herman und Inge teilnehmen werde.100

Die Musikgruppen Jahrgang '49,

Oktoberklub und Werkbank ge-hörten zur DDR-Singebewegung und verstanden ihre Kunst als

Mittel zur gesellschaftlichen Be-wusstwerdung und Veränderung.101

99 Das Duo Hermann Hähnel und Inge Kochan und auch der Schauspieler Minetti boten Friedens- und Solidaritätslieder dar. Hans Peter Minetti war Kandidat des ZK der SED und Präsident des Verbandes der Theaterschaffenden. Zur sorbischen Folkgruppe Judahei vgl. B. Eichler: Über bestimmte Eigentümlichkeiten im Umgang mit der deutschen Cister innerhalb des DDR-geprägten Spannungsfeldes von staat-lich-administrativen, musikantisch-praktischen und akademisch-wissenschaftleri-schen Bestrebungen, digital http://www.bhje.de/2012_Eigentuemlich.html, gese-hen am 14.08.2019.

100 Der Grund, warum Karat nicht nach Mexiko reiste, ist nicht bekannt. 1979 war für die DDR-Band zweifellos ein produktives Jahr: Ihre LP „Über sieben Brücken“ erschien, sie trat das erste Mal in Westdeutschland auf und wurde mit dem Natio-nalpreis ausgezeichnet. Zur Anfrage der PCM: Marcos Leonoel Posadas: Al Partido Socialista Unificado de Alemania, Comite Central, Dokumente des CEMOS Mexico D. F., 05.12.1978, c. 110, cl. 104, exp. 39, 6864.

101 Aus der Singebewegung ging später die Liedermacherbewegung hervor, zu der Wolf Biermann, Stephan Krawczyk, Barbara Thalheimer, Bettina Wegner, Kurt Demmler, Gerhard Schöne, Gerulf Pannach und viele mehr gehörten. Die Bezeich-nung „Liedermacher“ stammt von Biermann und sollte angelehnt an Brecht den handwerklichen, erlernbaren Aspekt der Musik betonen. Die Liedermacher ver-

Abb. 6.5 Oktoberklub beim Festival des politischen Liedes, Ostberlin 1977.

321

Volker Braun sah diese Musikbewegung als „eine modellhafte Gemeinschaft“ an, da sie sich mit dem Anspruch gegründet hatte, eine kollektive „Mit- statt einer Vorsingebewegung“ zu sein.102 Wie bei Los Folkloristas trat auch der Oktoberklub trotz wechselnder Gruppenbesetzung stets unter einem Namen auf.103 Die Singebewegung bezog sich positiv auf den New Folk und sang zu-nächst in englischer Sprache, was bei der SED jedoch den Verdacht ideologischer Untreue erweckte und deshalb unterbunden wurde. Auch musste der ursprünglich englische Name des Oktoberklubs (Hootenanny Club) abgelegt werden. 1978 trat der Oktoberklub bereits unter diesem Namen auf dem Festival de Oposición in Mexiko-Stadt auf.

Linker Marsch

Entrollt euren Marsch, Burschen von Bord!

Schluss mit dem Zank und Gezauder.

Still da, ihr Redner! Du hast das Wort,

Rede, Genosse Mauser!

Brecht das Gesetz aus Adams Zeiten.

Gaul Geschichte, du hinkst …

Wolln den Schinder zu Schanden reiten.

Links! Links! Links!

Blaujacken, he! Wann greift ihr an?

Fürchtet ihr Ozeanstürme?!

Wurden im Hafen euch eurem Kahnrostig die Panzertürme?

Lasst den britischen Löwen brüllen –

Zahnlos fletschende Sphinx.standen sich als Teil der Folkbewegung und Biermann nahm in seiner Definition expliziten Bezug auf die Protestlieder aus Lateinamerika. Vgl. Kirchenwitz: Folk, Chanson und Liedermacher in der DDR, 1993: 23.

102 Volker Braun: Es genügt nicht die einfache Wahrheit, Notate, Reclam: Leipzig 1972, 55.

103 Die Gruppe Oktoberklub existierte von 1966 bis 1990, im Laufe der Jahre hatte sie ca. 180 Mitglieder, zeitweise bis zu 40 Mitglieder gleichzeitig. Aus dem Okto-berklub ging die professionelle Musikgruppe Jahrgang ’49 hervor, an der bekannte Liedermacher/innen wie Barbara Thalheim, Gina Pietsch oder Tamara Danz mit-wirkten.

322

Keiner zwingt die Kommune zu Willen.

Links! Links! Links!

Dort hinter finster schwerem Gebirg liegt das Land der Sonne brach.

Quer durch die Not und Elendsbezirkstampft euren Schritt millionenfach!

Droht die gemietete Bande

Mit stählerner Brandung rings,

Russland trotzt der Entente

Links! Links! Links!

Es que se apaga el ojo del águila

Quieren volver al pasado?

Aprieta la garganta del mundo

Los del los proletariado

Adelante Pechos bravos

Pongan banderas al cielo !

Quien marcha hacia la derecha

Izquierda! Izquierda! Izquierda!

Text: Wladimir Majakowski; Musik: Hanns Eisler,

Jahrgang 49: Marcha de la izquierda,

Primer Festival de Oposición, Discos Fotón, México 1978.

Die Inhalte der Singebewegung sollten politisch kanalisiert werden, des-halb wurde sie der FDJ unterstellt. Die Singebewegung sollte nun Agitprop-Lieder, also mitreißende, orchestrale Marschmusik für die Massen, produzieren.104 Das wohl bekannteste Lied der DDR-Singebewegung „Sag 104 Agitprop ist ein Kunstwort, dass sich aus Agitation und Propaganda zusam-mensetzt und die Meinung einer Zielgruppe beeinflussen will. Die bekannten Agit-prop-Lieder von Berthold Brecht und Hanns Eisler stammen aus den zwanziger Jahren. An die Erfolge des „Solidaritätsliedes“ oder des „Liedes der Einheitsfront“ konnte jedoch nach dem Nationalsozialismus in Deutschland – auch in der DDR – nicht unbeschwert angeknüpft werden. Vgl. John Eckhard: Musikbolschewismus. Die Politisierung der Musik in Deutschland 1918–1938, Metzler: Stuttgart/Weimar 1994, 311f.; Andrea Maria Fellner: Politische Botschaft in der Musik am Beispiel Hanns Eisler, Diplomarbeit Universität Wien 2009, 35, digital http://othes.univie.ac.at/5845/1/2009-07-19_9822254.pdf, gesehen am 30.08.2019.

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mir wo du stehst“ von Hartmut König knüpfte an diese Tradition an und for-derte ein eindeutiges Bekenntnis zum Sozialismus.105 Charakteristisch für DDR-Musiker/innen waren zum einen ihre große Professionalität und zum anderen die Darbietung in deutscher Sprache.106 Innerhalb der Singe-bewegung entwickelten sich zahlreiche Gruppen, deren künstlerisches Niveau und inhaltliches Repertoire stark divergierten: Neben den Partei-Singegruppen, deren Programm politische Lieder wie „Spaniens Himmel“ und einfache Volksweisen wie „Auf der Mauer, auf der Lauer“ umfassten, existierten auch Gruppen, die kritisch den DDR-Alltag besangen. Die Singegruppen Oktoberklub und Jahrgang ’49, die bei den Festivales de Oposición auftraten,äußerten sich zum Leben in der DDR sowohl systembe-jahend als auch nachdenklich-kritisch.107

Ihre systemimmanente Kritik thematisierte Missstände in der DDR, ohne die politische Ordnung insgesamt infrage zu stellen. Dabei wurden zwar auch tabuisierte Themen besungen, wie im Lied „ Jahrgang 49 “, das von der Einmischung der Partei in die Familie und die fehlende Möglichkeit zur Abtreibung in der DDR handelte. Insgesamt bewegte sich die DDR-Singebewegung zwischen Kritik an alltäglichen Missständen und Vereinnahmung durch die SED.108

105 Sag mir wo du stehst (x 3) | und welchen Weg du gehst (insgesamt x 2). | Zurück oder vorwärts | du musst dich entschließen. | Wir bringen die Zeit | nach vorn Stück um Stück. | Du kannst nicht bei uns | und bei ihnen genießen, | denn wenn du im Kreis gehst, | dann bleibst du zurück. Oktoberklub: Sag mir wo du stehst, Album: Der Oktoberklub singt, Amiga Berlin 1967.

106 Vgl. Interviews mit DDR-Künstler/innen: Blauhemd, Bluejeans, Beatmusik. Ju-gend und Musik in der DDR, DVD Icestorm: Berlin 2008.

107 Zum Verhalten der Gruppen Oktoberklub und Jahrgang ’49 bei der Ausbürge-rung Wolf Biermanns vgl. David Robb: Zwei Clowns im Lande des verlorenen La-chens. Das Liedertheater Wenzel und Mensching, Ch. Links. Berlin 1998,16f.

108 Vgl. Jahrgang ’49: Jahrgang ’49, Album: Jahrgang ’49, Amiga: Berlin 1979; Die Singebewegung trat häufig auf Parteiveranstaltungen auf, was ihr dann doch den Charakter einer Vor- statt einer Mitsingebewegung gab. Ferner ließ die Partei nach dem sowjetischen Einmarsch in der Tschechoslowakei gern das Lied „Sag mir wo du stehst“ aufführen, das im Zeitkontext einem Aufruf gleichkam, die Kritik an der SU zu unterlassen. Vgl. Robb: Zwei Clowns, 1998: 14.

324

Hombro con Hombro

Hombro con Hombro ,Mano con Mano|:

RDA y pueblo Mexicano

:|Wie einen Frieden

Braucht diese Erde Kampf,

Dass die Erde menschlicher werde

Wer macht die Freiheit im Kampf der Klassen?

Wer macht Geschichte?

Immer die Massen

|: Hombro con hombro, Mano con Mano

RDA y pueblo Mexicano

:|Viva el partido comunista mexicana! Viva! |:

Hombro con hombro, Mano con Mano

RDA y pueblo Mexicano

:|Viva la fiesta de la prensa de oposición! Viva!

Oktoberclub: Hombro al Hombro,

Segundo Festival de Oposición, Discos Fotón, México 1978.

Bei den Gastspielen der DDR-Künstler/innen im Ausland entwickelten sich die internationalen Protestlieder zum bevorzugten, weil unstrittigen Repertoire der Aufführungen.109 Auf den Festival-LPs sind die DDR-Musiker/innen jedes Jahr vertreten. Auf den Festivalaufnahmen ist zu hören, dass die ostdeutschen Gruppen deutsche Volks- und Arbeiterlieder auf Spanisch sangen und so versuchten, die Geschichte der Lieder dem Publikum zu ver-mitteln. Künstlerische Darbietungen in der Sprache des Gastgeberlandes waren unter den Künstler/innen des Canto Nuevo üblich und betonten den Solidaritätsgedanken. So bot Jahrgang '49 eine spanische Textfassung des Liedes „Linker Marsch“ auf dem ersten Festival de Oposición dar, Hermann und Inge trugen 1979 die „Moorsoldaten“ vor und die Gruppe Werkbank 109 Vgl. Hagen Jahn: Jugend, Musik und Ideologie. Zur Geschichte der FDJ-Singebe-wegung, in: Hallische Beiträge zur Zeitgeschichte, Halle 2002, 5–28, 18.

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erntete 1981 für ihre auf Spanisch vorgetragenen Friedens- und Solidaritätslieder stürmischen Beifall.110

Der Oktoberklub sang auf dem zweiten Festival de Oposición das Lied „Hombro con Hombro“ (Schulter an Schulter) des chilenischen Musikers Patricio Castillo. Der einfache Liedtext besang die Einheit des chilenischen und des kubanischen Volkes im Kampf und betonte durch einen vielstim-migen Kanon den Schulterschluss zwischen den Völkern Chiles und Kubas.111Die „Hombro con Hombro“-Version von Oktoberklub ist auf der LP des zweiten Festivals enthalten. In dieser Version hatten die beiden Musiktexter Gerd Kern und Erwin Burkert eine Strophe auf Deutsch eingefügt und den Refrain auf den Anlass zugeschnitten, um mit Hochrufen auf die Mexikanische Kommunistische Partei, das Festival und den Internationalismus zu enden.112Damit übermittelte das eingängige Solidaritätslied nicht nur Grüße an die Festivalorganisator/innen, sondern drückte auch den Internationalismus der DDR-Delegationen aus.

Oktoberklub nutzte jedoch keine traditionell lateinamerikanischen Instrumente und spielte das Stück insgesamt etwas schneller. Kernteil des Liedes war die deutsche Strophe, in der die Notwendigkeit von Frieden und einer menschlicheren Welt besungen und gefragt wird, wer die Freiheit im 110 Vgl. Live-Mitschnitte der Festivales de Oposición, Compilation:Primer Festival de Oposición, Discos Fotón, México 1978, Compilation:Segundo Festival de Oposi-ción, Discos Fotón, México 1978, Compilation:Tercer Festival de Oposición, Discos Fotón, México 1979; Ulrich Kohls: Pressefest der Oposición – Erfolg der Mexikani-schen Kommunistischen Partei, Neues Deutschland 26.04.1977, 3; ders.: Festival der Einheit in Mexiko. Neues Deutschland 03.12.1981, 6.

111 Patrico Castillo gehört zu den bedeutenden Musikern der Nueva Canción Chile-na, der mit Violeta und Àngel Parra sowie Victor Jara zusammenarbeitete. Er war ferner Mitglied der Gruppe Quilapáyun. Das Lied Hombro con Hombro wurde 1975 auf einem gleichnamigen Solidaritässampler für Chile in Spanien veröffentlicht. Pa-trico Castillo: Hombro con Hombro, Album: Giorno di Solidarietà con la Lotta del Popolo Cileno, Orrizonte: Italy o. J. Der Text lautete: Hombro con hombro | Mano con mano | Pueblo chileno | pueblo cubano (Schulter an Schulter | Hand in Hand | das chilenische Volk | das kubanische Volk).

112 Gerd Kern und Erwin Burkert gehörten zu den Textschreibern des Okto-berklubs. Im Liedblattarchiv ist Kern mit 18 Liedern und Erwin Burkert mit drei Liedern für den Oktoberklub verzeichnet. Vgl. Liedblattarchiv: Eine Quelle für Mu-siker, digital https://www.musikundpolitik.de/archive/liedblattarchiv/, gesehen am 09.09.2019.

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Klassenkampf und wer Geschichte produziere. Beide Fragen werden in einem vielstimmigen Kanon mit „die Massen“ beantwortet, die Massen er-halten Freiheit also als Ergebnis der Klassenkämpfe und machen Geschichte.

Der Inhalt richtete sich, da er auf Deutsch gesungen wurde, wohl nicht an das mexikanische Publikum. Der Liedtext passte durch die Betonung des Willens der Mehrheit der Menschen zum sozialistischen Selbstverständnis, eine bessere Welt für die Mehrheit der Bevölkerung zu schaffen und solida-risch den Kampf der Bruderparteien zu unterstützen. Andererseits kann die Frage nach der Freiheit im Klassenkampf, kurz nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann, zumindest als inopportun gelten.113 Der Text lässt sich im Rahmen der Kulturpolitik der Partei interpretieren, die den Internationalismus betonen wollte. Eine Einmischung der PCM in das Programm der DDR-Delegationen auf den Festivals ist weder bekannt noch wahrscheinlich, da die PCM gute Beziehungen zur SED pflegte und die internationale Beteiligung an den Festivales de Oposición das Prestige der PCM mehrte. Im folgenden Kapitel wird die Beschaffenheit der Beziehung zwischen PCM und dem Künstler Alfredo Zitarrosa und der Solidaritätsbewegung mit Uruguay unter-sucht, um die Vernetzung der PCM jenseits des traditionellen Netzwerks zwischen Parteien in den Blick zu nehmen.

113 Neben Wolf Biermann wurden viele Künstler wie Reiner Kunze, Klaus Renft und Jurek Becker ausgebürgert. Bei Klaus Renft geschah dies wegen seines Liedes „DDR-Konkret“. Es bezieht sich auf den Ausspruch von Walter Ulbricht, den Kapita-lismus [in der Produktion von Konsumgütern] einzuholen und dann zu überholen und lautet wie folgt: Überholen, ohne einzuholen | Das ist DDR konkret | Idioten macht man zu Idioten | Wenn sie loben, was besteht (x2 ) | Sehr geehrter Volksver-treter | Bist du wirklich unser Mann? | Wenn du loslegst vom Katheder | Ist’s, als legst du auf uns an | Mit der Zeigefingersprache | Von der Leibwache beschützt | Ist es eine klare Sache | Wessen Sache du vertrittst. (Pannach: DDR-Konkret, Original geschrieben 1973. Die Live-Mitschnitte von Konzerten sind wiederveröffentlicht bei: Pannach, Kuhnert, Fuchs: Für uns, die wir noch hoffen, 3 CDs, Martkram: Berlin 2013.

327

5.4 „Cantar opinando“ – Die Festivalperformance von Alfredo Zitarrosa

Neben den langjährigen Beziehungen zu sozialistischen Parteien zeigte sich auf den PCM-Festen, dass die Partei auch eng mit neuen politischen Beweg-ungen kooperierte. Hierzu gehörten die zahlreichen Solidaritätsgruppen in Mexiko, die sich für politische Veränderungen und die Einhaltung der Men-schenrechte in dem spezifischen Land einsetzten, in dem, meist durch einen Staatsstreich, eine Diktatur eingesetzt worden war. Die Aktivitäten der Soli-daritätsgruppen reichten von Informationskampagnen und Lobbyarbeit über internationale Kampagnen für die Freilassung von Regimegegner/innen bis hin zu materiellen Hilfsleistungen oder Freiwilligen-Brigaden, die den Kampf unterstützten.

In den Solidaritätsgruppen in Mexiko organisierten sich Exilant/innen und Mexikaner/innen gemeinsam. Sie erfuhren Unterstützung sowohl von linken Parteien, Vereinen und Gewerkschaften als auch von der PRI.114 Dabei war die Koopration mit der Staatspartei PRI für die Exilant/innen aus den Solidaritätsbewegungen vorrangig, da sie durch sie Asyl erhalten hatten. Für die PCM hingegen war die internationale Solidarität ein zentrales politisches Anliegen bei den Festivales de Oposición .115 Die PCM wollte ihre Solidarität 114 Dies zeigte sich besonders bei der „Tagung der uruguayischen Kultur im Exil“ (Jornadas de la Cultura Uruguaya en Exilio ) des Solidaritätskomitees mit Uruguay, an der politische Parteien, soziale Organisationen aus Mexiko und uruguayische Aktivist/innen und Künstler/innen im Exil mitwirkten. Vgl. Eduardo Erro: Alfredo Zitarrosa, su historia „casi“ oficial, Arca: Montevideo 1996, 100; Fernando Serrano Migallón: El exilio uruguayo en México. In: Silvia Dutrénit Bielous; Dies: El exilio uruguayo en México, Edición Porrúa, México D. F. 2008, 39–51, 49; Saúl Ibargoyen: El Exilio una dramática experiencia cultural. In: Silvia Dutrénit Bielous; Fernando Serrano Migallon: El exilio uruguayo en México, Edición Porrúa, México D. F. 2008: 97–114, 109; Silvia Dutrénit Bielous: Encrucijadas del exilio Uruguay: una obser-vación badas en los agostos mexicanos de 1977 y 1978. In: Projeto História, São Paulo, Nr. 53, Mai.–Ago. 2015, 57–84.

115 O. A.: Entrañables Huéspedes, Oposición 23.04.1977; o. A.: Un compromiso del Tercer Festival: Solidaridad, Oposición 19.–25.04.1979; Comisión Ejecutiva del PCM: Bienvenidos a un foro de solidaridad y lucha, Oposición 18.05.1980; o. A.: V Festival de Oposición: La fiesta de la unidad, Oposición 04.10.1981.

328

und ihre weitreichenden internationalen Verbindungen präsentieren und weiter ausbauen. Sie profitierte vom engen Kontakt zu diesen Gruppen, da sie so an mehr Informationen herankam und die Solidaritätsbewegungen viele Menschen mobilisieren konnten.

Die PCM unterstützte die Solidaritätsgruppen, indem sie sich ihren Petitionen anschloss und an ihren Aktivitäten teilnahm.116 Sie verschaffte den Solidaritätsgruppen mehr Kontakte und ließ sie bei ihren Partei-veranstaltungen, zum Beispiel bei den Festivales de Oposición , auftreten und Geld verdienendurch den Verkauf von Informationsmaterial, Kunsthandwerk oder Lebensmittel. Sol Mejía, von der 1979 entstandenen Solidaritätsgruppe Comité Mexicano de Solidaridad con el pueblo de Nicaragua , erinnerte sich an die Stände ihrer Gruppe auf den Festivals:

„Fue un momento de solidaridad. ¿Pues, que hacías en los Festivales?

Éramos muchos grupos de solidaridad. En mi caso aportamos comida que se vendía en los actos o los festivales, para financiar nuestros eventos.“117

Für die PCM waren die Beziehungen mit den Solidaritätsbewegungen auch ein neues, schwieriges Handlungsterrain. Zum einen deshalb, da die Solidaritätsgruppen viel Wert auf Kontakte zur Staatspartei legten und sich kaum auf die mexikanische Opposition oder die PCM-Positionen bezogen. Zum anderen trafen beim Austausch zwischen PCM und Soli-daritätsbewegungen unterschiedliche Organisationsstrukturen aufeinander, da die Mitglieder der Solidaritätsgruppen verschiedene politische Einstellungen vertraten und sich lediglich in Bezug auf die Solidarität einig waren. Ferner spalteten sich die Solidaritätskomitees und -gruppen häufig oder grenzten sich voneinander ab.118 Die PCM war deshalb gezwungen, 116 Vgl. PCM: Información para la prensa solidaria de los comunista de México con los perseguidos políticos de Chile y Argentina, Dokument des CEMOS, Mexico D. F., 29.05.1978, c. 108, cl.102, exp. 49, 6898. Ferner ist die Beteiligung der PCM an den Solidaritätsveranstaltungen der Exilanten im Fotoarchiv des AGN dokumentiert.

117 Interview mit Sol Mejía am 24.02.2014 in San Rafael, Mexiko-Stadt.

118 Zu den Verwerfungen unter den argentinischen Exilgruppierungen vgl. Pablo

Yankelevich: La Comisión Argentina de Solidaridad. Notas para el estudio de un

329

immer wieder neue Kooperationsgespräche und politische Diskussionen mit verschiedenen Partner/innen zu führen. Besonders die PCM-Kooperationen mit den nicaraguanischen und guatemaltekischen Gruppen verliefen wech-selhaft, erinnerte sich der Parteibeauftragte für internationale Beziehungen.119

Auf den Festivales de Oposición war von diesen Schwierigkeiten nichts zu spüren, sie zeichneten sich vielmehr durch die Vielfalt der teilnehmenden Solidaritätsorganisationen und internationalen Kunstschaffende aus. Die Künstler/innen informierten das Publikum über die Situation in ihrem Heimatland und ihre Darbietungen sowie die Teilnahme der Solidaritätsgruppen bezeugten die internationale Solidarität der PCM.

Die Solidaritätsbewegung mit Uruguay vermittelte der Mexikanischen Kommunistischen Partei Kontakt zum bekannten uruguayischen Künstler Alfredo Zitarrosa. Zitarrosa gehörte zu den innovativen Kunstschaffenden der Kommunistischen Partei Uruguays (PCU – Partido Comunista de Uruguay ) und war Mitglied der Frente Amplio (FA), die vor dem Putsch drittstärkste Kraft in Uruguay gewesen war. Sein Lied „Adagio para mi país“ (1973) ver-wendeten PCU und FA als Kampagnensong.120 Zitarrosa unterhielt in Uruguay einen Kulturclub und bezahlte die dort auftretenden Künstler/innen gut, was keinesfalls üblich war. Er schätzte die Wirkung der Kunst als gesell-schaftlich bedeutsam ein und verglich ihren gesellschaftlichen Beitrag mit dem der zwei größten Industrien Uruguays.121

Alfredo Zitarrosa gehörte bereits Mitte der sechziger Jahre zu den be-kannten Musiker/innen der lateinamerikanischen Folklore und entwickelte den Canto Nuevo Uruguayo entscheidend mit. Gemeinsam mit Daniel Viglietti oder der Gruppe Los Olimareños prägte Zitarrosa in den sechziger Jahren einen eigenen folkloristischen Stil. Dabei nahmen die Texte, zum Teil als Sprechgesang, eine prominente Rolle ein. Er thematisierte politische sector de exilio argentino en México. In: Ders. (Hg.): México, país refugio. La experi-encia de los exilios en el siglo XX, Plaza y Valdes: México D. F. 2002, 281–302: 284.119 Interview mit Marcos Leonel Posadas am 21.02.2014 in Tlalpan, Mexiko-Stadt.120 Vgl. Erro: Alfredo Zitarrosa, 1996: 74f; Zitarrosa im Interview vgl. Blanche Pe-trich: La canción testimonial dice al hombre que no está solo en su lucha, Unomásu-no, 17.05.1978.

121 Vgl. Guillermo Pellegrino: Alfredo Zitarrosa. La biografía, Estuario Editora: Mon-tevideo 2013, 68f.

330

Begebenheiten oder vertonte Werke der Dichter Nicolás Guillén, Frederico Lorca García oder Rafael Alberto. Zitarrosa sah die neue uruguayische Folklore als Musikströmung mit sozialer Funktion, in der die Musiker/innen singend ihre Meinung ( cantar opinando ) zum Ausdruck brachten.122

Adagio a mi País

En mi país, que tristeza, La pobreza y el rencor.

Dice mi padre que ya llegará

Desde el fondo del tiempo otro tiempo

Y me dice que el sol brillará

Sobre un pueblo que él sueña

Labrando su verde solar.

En mi país que tristeza,

La pobreza y el rencor.

Tú no pediste la guerra, Madre tierra, yo lo sé.

Dice mi padre que un solo traidor

Puede con mil valientes;

Él siente que el pueblo, en su inmenso dolor,

Hoy se niega a beber en la fuente

Clara del honor.

Tú no pediste la guerra,

Madre tierra, yo lo sé.

En mi país somos duros: El futuro lo dirá.

Canta mi pueblo una canción de paz.

Detrás de cada puerta

Está alerta mi pueblo;

Y ya nadie podrá

Silenciar su canción

Y mañana también cantará.

En mi país somos duros:

El futuro lo dirá.

En mi país, que tibieza, Cuando empieza a amanecer.

122 Vgl. Alfredo Zitarrosa: El oficio del cantor y canciones, Banda Oriental: Monte-video 2001, 29f.

331

Dice mi pueblo que puede leer

En su mano de obrero el destino

Y que no hay adivino ni rey

Que le pueda marcar el camino

Qué va a recorrer.

En mi país, que tibieza,

Cuando empieza a amanecer.

Coro: En mi país somos miles y miles

De lágrimas y de fusiles,

Un puño y un canto vibrante,

Una llama encendida, un gigante

Qué grita: ¡adelante … adelante!

Alfredo Zitarrosa: Desde el exilio, Album: Textos Políticos - 20 años de compromiso 1960–1980, Fotón México 1980.

Der Canto Nuevo Uruguayo legte den Fokus auf poetische Texte und verband diese mit traditionellen Folklorerhythmen wie der Milonga und fusionierte ihre Musik mit Rhythmen von Candombe oder Murga , die auf die Traditionen afrikanischer Sklav/innen zurückgingen. Ferner belebte der Canto Nuevo Uruguayo beinah vergessene Musikformen wie die Chimarrita oder die Coplas und erfand neue Musikformen wie die Litoreña .123 Auch in Uruguay trat der Canto Nuevo den dominanten Musikströmungen des uruguayischen Marktes entgegen und wollte statt englischsprachiger Popmusik, mexikanischen Rancheras oder argentinischen Tangos „nationale“ Musikformen wiederbeleben.124

Es gelang den Folk-Künstler/innen, das uruguayische Publikum für die ei-genen musikalischen Wurzeln zu interessieren und einen Markt für ihre Musik zu schaffen, wodurch in Uruguay ab Mitte der sechziger Jahre bis zu 123 Maria L. Figueredo: The Rhythm of Values: Poetry and Music in Uruguay, 1960–1985. In: Pablo Vila: The militant song movement in Latin America: Chile, Uruguay and Argentina, Lexington Books: Lanham 2014, 141–162, 149.

124 Vgl. Abril Trigo: Modern Foundations of Uruguayan Popular Music. In: Pablo Vila: The militant song movement in Latin America: Chile, Uruguay and Argentina, Lexington Books: Lanham 2014, 97–140, 98.

332

30 000 Schallplatten des Canto Nuevo Uruguayo verkauft wurden.125 In ihren Texten spiegelten sich zeitweise auch die unterschiedlichen politischen Strömungen der uruguayischen Linken wider. Während Daniel Viglietti den Positionen der Guerillagruppe Tupamaros nahe stand und ihrem radikalen Aufruf zur Landbesetzung in seinem Lied „A Desalambrar“ ein Denkmal setzte, teilte Alfredo Zitarrosa die Positionen der PCU und sang meist für ein urbanes Arbeiter/innenpublikum.126 Angesichts des Militärputsches 1973 und der Zensur verloren diese politischen Unterschiede an Bedeutung.

Während der Militärdiktatur erhielt Zitarrosa wegen seiner kritischen Texte zunächst Auftrittsverbot und später wurde auch die Aufführung seiner Lieder verboten. Er ging ins Exil zuerst nach Argentinien, später nach Spanien und schließlich 1979 nach Mexiko, wo er seine Schaffenskrise überwand und bis zu seiner Rückkehr nach Uruguay 1984 blieb.127 Der Musiker unterhielt während seiner Exilzeit sowohl Kontakte zu den kommunistischen Parteien in Uruguay, Spanien und Mexiko als auch zu Linken im Exil. Er unterstützte das Comité de Solidaridad con Uruguay (COSUR) und war Teil des Netz-werkes der Solidaritätsgruppen, das nicht nur Landsleute über Kontinente hinweg verband, sondern auch Gemeinschaft unter den Exilant/innen aus verschiedenen Ländern schuf. Alfredo Zitarrosa wollte im Exil dem „anderen Uruguay, dem Uruguay von José Artigas“ Ausdruck verleihen.128

Zitarrosas Mitgliedschaft in der PCU legte seine Teilnahme an den PCM-Festen nahe, sie ergab sich durch persönliche Beziehungen zur uruguayischen Solidaritätsbewegung, zum PCM-Mitglied und Musiker Julio Solórzano sowie zu den Mitarbeiter/innen der Plattenfirma Fotón.129 Bereits vor seiner Übersiedlung war Zitarrosa in Mexiko aufgetreten und hatte an Solidaritätsveranstaltungen teilgenommen. Vermittelt durch Solórzano hatte ihn das mexikanische Kulturinstitut Instituto de Bellas Artes 1977 nach Mexiko eingeladen, um sein Werk Guitarra Negra vorzutragen.

125 Vgl. Trigo: Modern Fondations, 2014: 101.

126 Vgl. Trigo: Modern Fondations, 2014: 103.

127 Vgl. Saúl Ibargoyen: Alfredo Zitarrosa. La voz de adentro, Fundación Zitarrosa: Montevideo 2005, 59.

128 Vgl. Alfredo Zitarrosa: Desde el exilio, Album: Textos Políticos – 20 años de com-promiso 1960–1980, Fotón México 1980.

129 Vgl. Pellegrino: Alfredo Zitarrosa. La Biografía, 2013:124ff.

333

332

Sein Konzert war ein großer Erfolg und Zitarrosa nutzte seinen Auftritt, um die Verbrechen des Militärregimes in Uruguay zu the-matisieren.130 Während seines Mexikoaufenthalts nahm Zitarrosa an den Jornadas de la Cultura Uruguaya en Exilio teil, wo sich der Kontakt zur PCM vertiefte und zur Einladung auf die Festivales de Oposición führte.131 1978 reiste Zitarrosa erneut für einige Konzerte nach Mexiko und nahm bei dieser Gelegenheit am Festival de Oposición teil.132 1979 übersie-delte er nach Mexiko, was es der PCM, die kaum über Geldmittel verfügte, ermöglichte, ihn ab 1978 konstant zu den Festivales de Oposición einzuladen. Die PCM profitierte von diesem Kontakt zur uruguayi-schen Solidaritätsbewegung und konnte damit international renommierte Künstler/innen für ihre Festivals gewinnen.

Zum Repertoire Zitarrosas auf den Festivals gehörte „Adagio a mi país“, eine populäre politische Hymne der uruguayischen Linken.133 Das Lied nahm die Unterdrückung durch die Militärregierungen vorweg und handelte von 130 José Enrique Gorlero: No se puede separar mi canto de mi política: Alfredo Zi-tarrosa, El Día 17.05.1978.

131 Vgl. Carlos Palleiro: Zitarrosa en México, http://brecha.com.uy/zitarrosaneme-xico/, gesehen am 20.04.16.

132 Zitarrosas spielte einige Konzert, deren Auftraggeber/innen wahrscheinlich sei-ne Mexikoreise finanzierten.

133 Vgl. Pablo Vila: Introduction. In: Ders. (Hg.): The Militant Song Movement in La-tin America. Chile, Uruguay and Argentina, Lexington Books: New York 2014, 1–18, 7.

Abb. 6.6 Grafik von Carlos Palleiro.

Alfredo Zitarrosa: Desde el exilio,

Album: Textos Políticos – 20 años de compromiso 1960–1980, Fotón México

1980.

334

der Hoffnung auf eine bessere Zukunft.134 Er veröffentlichte dieses Stück be-reits 1978 auf seinem Album Guitarra Negra , das, ebenso wie seine nachfolgenden mexikanischen Schallplatten bei Fotón, ein großer Erfolg in Mexiko wurde.135 Auf den LPs der Festivales de Oposición ist Zitarrosa im Jahr 1978 mit dem Lied „Coplas al Compadre Juan Miguel“ (Verse über den Freund Juan Miguel) vertreten.136 Das Versmaß geht auf die spanische Versform der Copla zurück, die in Lateinamerika eigene Inhalte erhielt und meist in der ersten Person erzählt.137

Der Canto Nuevo Uruguayo erfreute sich in Mexiko großer Popularität und die Bevölkerung nahm regen Anteil an den Ereignissen in dem kleinen süd-amerikanischen Land.138 Das zeigte sich auch daran, dass Zitarrosa seine eigene Sendung in Radio Educación bekam, in der er den Canto Nuevo Uruguayo und die Geschichte des Canto Nuevo Latinoamericano vorstellte.139 Coplas al compadre Juan Miguel (Auszug)

Al compadre Juan Miguel, no le pagan el jornal y aunque no haiga de comerlo mismo hay que trabajar.

Pobre compadre Miguel, la vida que le ha toca’o.

134 Vgl. Barzuna: Cantores que reflexionan, 1997: 116.

135 Vgl. Interview mit Luciano Concheiro in Alvaro Obregón, Mexiko-Stadt am 06.11.2013; Alfredo Zitarrosa: Guitarra Negra, Album: Guitarra Negra, Nuevo Canto Latinoamericano: Mexico 1978.

136 Alfredo Zitarrosa: Coplas al compadre Miguel, Album: Segundo Festival de Opo-sición, Fotón, México 1978.

137 Zur Geschichte der Copla in Lateinamerika vgl. Andrey Kofman: La copla españo-la en América Latina. In: La Colmena Nr. 79, 07-09/2013, 65-78, digital http://web.uaemex.mx/plin/colmena/Colmena_79/Aguijon/8_La_copla_espanola.pdf, gese-hen am 30.08.2019.

138 Ibargoyen: El Exilio una dramática experiencia cultural, 2008: 105ff.

139 Zitarrosa erreichte durch seine Sendung „Casi en privado“ (Beinahe privat) bei Radio Educación ein breites mexikanisches Publikum und brachte ihm lateinameri-kanische Musiktraditionen nahe. Vgl. Erro: Alfredo Zitarros, 1996: 100ff.; Radio Educación: Alfredo Zitarrosa en Radio Educación – Cantautores uruguayos que vi-vieron la dictadura de 1973 a 1985, digital https://e-radio.edu.mx/Alfredo-Zitar-rosa-en-Radio-Educacion, gesehen am 29.06.2019.

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Todo el día lo ha pasa’o, trabajando y sin chistar, por unos tragos de caña, el pobre compadre Juan.

Pobre compadre Miguel, la vida que le ha toca’o.

El doctor y el comisario, siempre le hablan de la ley,que hay que respetar lo ajeno, aunque no haiga de comer.

Pobre compadre Miguel, la vida que le ha toca’o.

Juan Miguel se ha resigna’o, a vivir entre el arroz,mientras haiga caña y mate, hay que agradecerle a Dios.

Pobre compadre Miguel, la vida que le ha toca’o.

Pero un día habrá de ser, que esto se ha de terminar,y la suerte del compadre, pa’ su bien ha de cambiar,

¡cuándo canten estas coplas /los peones del arrozal!

Alfredo Zitarrosa: Coplas al compadre Juan Miguel, Album: Segundo

Festival de Oposición, Discos Fotón, México 1978.

Musikalisch ist „Coplas al compadre Juan Miguel“ eine uruguayische Chamarrita , ein Volkstanz, dessen Rhythmus in Argentinien, Uruguay, Paraguay und Brasilien verbreitet ist und wahrscheinlich von den Azoren oder aus Portugal stammt.140 Die Verse über Juan Miguel beschreiben dessen Leben als Bauer, das von Arbeit und Armut gekennzeichnet ist. Es scheint, dass sich Juan Miguel mit seinem Schicksal abgefunden hat, die letzte Strophe verkündet jedoch, dass das Leid enden werde, wenn die Menschen sich der Ausbeutung bewusst würden und diese Verse rezitierten. Das Lied ist Zitarrosas Hommage an die „kleinen Leute“, denen sonst kaum ein Lied ge-widmet wird.

Der Text stammte von seinem Freund Yamandú Palacio, die Musik von Óscar del Monte. Es entstand auf einer Reise Palacios zu den Zuckerrohrarbeiter/innen im Norden Uruguays, in Bella Unión. Die Geschichte von Juan Miguel basierte auf den Erzählungen über das Leben eines Gewerkschaftsvertreters in Bella Unión, der mit seinen acht Kindern in extremer Armut lebte. Zitarrosa spielte das Lied gemeinsam mit Yamandú 140 Zur Geschichte der Chamarrita vgl. Rubén Pérez Bugallo: El chamamé, Ediciones Del Sol: Buenos Aires 2008, 235–237.

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Palacio ein, der ihn auf der Gitarre begleitete. Bereits auf seiner ersten LP aus dem Jahr 1966 veröffentlichte Zitarrosa „Coplas al Compadre Juan Miguel“ und von da an spielte er das Lied bei fast allen Konzerten.141

„Coplas al Compadre Juan Miguel“ gehört zu den Liedern des Canto Nuevo , die soziale Gerechtigkeit und Freiheit fordern und das Land in die Hände derer geben wollten, die es bearbeiten.142 Damit lag Zitarrosa auf der inhalt-lichen Linie der PCM, die sich gerade durch ihre Teilnahme an Landbesetzungen mit den Lebensbedingungen der Bauern auseinander-setzte und ihre Ausbeutung thematisierte. In Zitarrosas Lied wird die konstante Ausbeutung der Bauern aufgelöst, indem sie sich ihrer Unterdrückung bewusst werden. Das Lied bedient sich damit eines linken Paradigmas, Geschichte als etwas anzusehen, das durch Menschen verändert werden kann. Die Lieder Zitarrosas deckten sich mit der politischen Linie der PCM, was eine politische Einflussnahme der Partei auf sein Bühnenprogramm unnötig machte. In der Begegnung zwischen PCM und Solidaritätsbewegung trafen eine zentralistisch und hierarchisch organi-sierte Parteistruktur auf die politisch heterogenen Solidaritätsgruppen und traten in gegenseitigen Austausch, indem sie sich, soweit möglich, bei ihren Aktionen und Kampagnen unterstützten. Der kulturelle Transfer des Canto Nuevo Uruguayo nach Mexiko war durch die gut besuchten Konzerte Zitarrosas, die gut verkauften mexikanischen Pressungen seiner Langspielplatten sowie die eigene Radiosendung bei Radio Educación gegeben. Resümee

Wie im fünften Kapitel gezeigt werden konnte, war das Verhältnis der PCM zu den mexikanischen Musiker/innen des Canto Nuevo Mexicano unter-schiedlich eng. So konnte auf den Festivales de Oposición die parteinahe Gruppe Los Folkloristas auf den Hauptbühnen und bei Abendkonzerten 141 Juan Marra; Cecilia Arregui: Zitarrosa antes de Zitarrosa, digital http://especia-les.elobservador.com.uy/zitarrosa/, gesehen am 21.04.2019.

142 Vgl. Barzuna: Cantores que reflexionan, 1996: 153.

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spielen, während die parteikritische Gruppe Los Nakos nur auf den Nebenbühnen und zu ungünstigen Zeiten auftreten durfte.

Die Gruppe Los Folkloristas stand der PCM nahe, da zwei Bandmitglieder auch Mitglieder der PCM waren und an der Organisation der Festivals mit-wirkten. Los Folkloristas sind eine bekannte Folklore-Gruppe, die über eine eigene Bühne und zudem ein eigenes Plattenlabel verfügten und deshalb un-abhängig von den Konzertangeboten der PCM agieren konnten. Die Mexikanische Kommunistische Partei versprach sich von dem engen Kontakt mit den international bekannten Los Folkloristas einen Zuwachs an Popularität. Die Parteimitglieder bei Los Folkloristas wirkten darüber hinaus an der Organisation der PCM-Festivals mit und konnten sogar in einen kriti-schen Dialog mit der Partei über ihr Kunstverständnis treten. Die Kritik der PCM an der positiven oder idealistischen Sicht auf die indigenen Kulturen von Los Folkloristas führte zu keiner Programmänderung bei den Festivalauftritten, was zeigt, dass der Einfluss der PCM auf das Repertoire dieser Gruppe relativ begrenzt blieb.

Anders gestaltete sich der Kontakt der PCM zur parteikritischen Gruppe Los Nakos , die über keine autonomen Vertriebswege verfügte und deshalb die Festivales de Oposición als willkommene Gelegenheit sah, vor einem Großpublikum auftreten zu können. Zwischen Los Nakos und der PCM ent-stand trotz kontinuierlicher Teilnahme an den Festen kaum Austausch und die Musikgruppe fühlte sich durch den Veranstalter benachteiligt. Das lag sicherlich auch daran, dass Los Nakos zu ungünstigen Zeiten auftreten mussten und nicht wie Los Folkloristas an den Festival-Samplern mitwirkten. Die Festival-Sampler der ersten drei Festivales de Oposición erschienen in der parteinahen Produktionsfirma Fotón und präsentierten New Folk und Canto Nuevo von mexikanischen und internationalen Musiker/innen. Das Re-pertoire umfasste vor allem sozialistische und parteifreundliche Lieder der ausgewählten Interpret/innen, die Diversität der mexikanischen Musiker/innen wurde nicht abgebildet.

Die Partizipation der parteikritischen Künstler/innen wie Los Nakos zeigte jedoch, dass die PCM vielfältige politische Positionen auf ihren Festivals zuließ und sich zumindest auf den Bühnen der Festivales de Oposición das Spektrum linker mexikanischer Protestkunst abbildete. Weder durch Interviews noch aus den Quellen lässt sich eine Zensur der Musikdarbietungen

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durch die PCM belegen. Lediglich von Künstler/innen, die spontan auf dem Festival auftraten, ist dokumentiert, dass die PCM versuchte, dies zu unter-binden. Insgesamt legte die PCM weniger Wert auf die Vielfalt der Darbietungen als auf die politische Gewichtung des Festivalprogramms. Die Partei definierte auf ihren Festen, was auf den Hauptbühnen gezeigt wurde und welche Kunst für sie oppositionell war.

Die Verbindungen der PCM zu den hier untersuchten internationalen Festivalmitwirkenden waren gut. Es gelang der Mexikanischen Kom-munistischen Partei, einige internationale Interpret/innen für ihre Feste zu gewinnen, obwohl sie den Künstler/innen weder die Reise noch eine Gage zahlen konnte. Die internationalen Gäste machten die Festivales de Oposición attraktiv und trugen maßgeblich zur Vielfalt des künstlerischen Ausdrucks bei. Diese Künstler/innen traten stets auf den Hauptbühnen der Festivales de Oposición auf und die Partei nahm keinen Einfluss auf das künstlerische Programm. Die PCM konnte über die internationalen Gäste ihre vielfältige internationale Vernetzung demonstrieren, wobei die Kontakte auf verschie-dene Art und Weise entstanden: Die Beziehungen zu den Delegationen aus der DDR basierten auf langjährigen Parteikontakten und waren Teil der in-ternationalen, kommunistischen Vernetzung zwischen Parteiapparaten.

Trotz unterschiedlicher ideologischer Standpunkte und dem offiziellen Beschweigen der Unterschiede trug der konstante Austausch auf den Festivals zum beidseitigen Kulturtransfer bei. Die DDR-Gruppen ver-mittelten mit New Folk und Singebewegung ihre Volkskultur und der Canto Nuevo Latinoamericano hatte bereits viele Fans in der DDR gefunden. In den Erinnerungen der Zeitzeug/innen wurde deutlich, dass sie den DDR-Delegationen mit einem neuen Selbstvertrauen begegneten und trotz der materiellen Hilfsleistungen aus dem Ostblock einen eigenen Weg wollten, einen Sozialismus „a la mexicana“. Der Kontakt zum exilierten uruguayischen Musiker Alfredo Zitarrosa entstand über die Vermittlung befreundeter Künstler/innen aus dem Comité de Solidaridad con Uruguay in Mexiko, die mit der PCM zusammenarbeiteten. Alfredo Zitarrosa emigrierte im Untersuchungszeitraum nach Mexiko und war bei der Popularisierung des Canto Nuevo Latinoamericano in Mexiko aktiv. Er trug zur Internationalisierung der mexikanischen Kultur bei und förderte den Kulturtransfer zwischen Uruguay und Mexiko.

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In der Untersuchung der internationalen Vernetzung der PCM nach der Akteur-Netzwerk-Theorie von Bruno Latour ergibt sich, dass sich auf den Festivals heterogene Akteur/innen mit unterschiedlichen Handlungs-potential verbanden. Die PCM musste stets aktiv an den verschiedenen Netzwerken arbeiten, um die Beziehungen zu pflegen und die Vernetzung zu fixieren und zu stärken.143 Sie nahm innerhalb ihres internationalen Netzwerkes verschiedene Stellungen ein: Während sie als kleine latein-amerikanische Partei von den Hilfeleistungen der Bruderparteien aus dem Ostblock profitierte, unterstützte die PCM die Solidaritätsgruppen, indem sie ihnen Kontakte und Infrastruktur zur Verfügung stellte. Insgesamt gelang es der PCM, verschiedene internationale und nationale Musiker/innen für ihre Feste zu gewinnen, die die Festivales de Oposición attraktiv machten und der PCM die Gelegenheit boten, sich als alternative und offene politische Kraft mit diversen internationalen Beziehungen in Szene zu setzen.

143 Zur Beschaffenheit von Netzwerken und der Aufrechterhaltung ihrer Internatio-nalität Vgl. Latour: Pasteurization, 1993: 206; Latour: Neue Soziologie, 2007: 350f.

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Fazit

Die Untersuchung der Festivales de Oposición ist aufschlussreich im Bezug auf die Vernetzung, politische Positionierung und vor allem die politische Praxis der PCM in den letzten fünf Jahren ihres Bestehens. Die PCM-Feste entwickelten sich zu bedeutenden Veranstaltungen für die Partei, da sie ihr bereits während des Prozesses der Wahlregistrierung zu mehr Sichtbarkeit in der mexikanischen Bevölkerung verhalfen und ihre Offenheit gegenüber den neuen Bewegungen und der politisierten Kunst demonstrierten. Als be-sonders nützlich erweist sich in der Untersuchung der Festivales de Oposición die Akteur-Netzwerk-Theorie von Bruno Latour, da sie aus der Ameisen-perspektive die Vernetzung, die Akteure und ihre Handlungen in den Blick nimmt. Latour interessierten die Zwischenräume oder Verbindungen der Vernetzung, über die eine neuer, unverstellter Blick auf die Akteur/innen und die Dynamik der Situation möglich wird.

Die Festivales de Oposición wurden zu einer Plattform der Vernetzung, die in drei Richtungen wirkte. So tauschte sich auf den Parteifesten die PCM mit sozialistischen Bewegungen und internationalen Gästen aus Ost und West sowie dem globalen Süden aus, was in Zeiten der Blockkonfrontation der politischen Systeme außergewöhnlich war. Die Festivals wurden weiterhin zu einem Treffpunkt für die neue und alte mexikanische Linke, da sich Aktivist/innen aus verschiedenen linken Bewegungen beteiligten, die zu neuen Themen, wie Homosexualität und Patriarchat, mobilisierten, die zuvor jenseits der Perspektive der sozialistischen Parteien gelegen und als Neben-widerspruch gegolten hatten.

Wie in dieser Untersuchung gezeigt werden konnte, bildet sich die Vernetzung der PCM auf unterschiedlichen regionalen bis internationalen Ebene ab und fand parallel dazu auch im Bereich des Kulturtransfers statt. Ferner traf die PCM bei ihren politisch-kulturellen Festen auf die politisierten Künstler/innen der siebziger Jahre und es entstand ein fruchtbarer Austausch, der auch die PCM veränderte. Für das Festivalpublikum bedeu-teten die Festivals politisches Engagement und ausgelassenes Feiern zugleich. Die Festivals waren ein Kristallisationspunkt, an dem sich ständiger

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Wandel, Austausch und die Entwicklung der PCM zeigte; „ein Moment, in dem die Linke sich manifestierte“.1

Die Feste fanden zu einem Zeitpunkt statt, als die Linke sich im Aufschwung befand und die Reformen der mexikanischen Regierung das Klima dafür schufen. Zu Beginn des Untersuchungszeitraums war Mexiko und auch die PCM von den Folgen der mexikanischen 1968er-Bewegung geprägt, die die Notwendigkeit einer staatlichen Demokratisierung und einer internen Reformorientierung der PCM deutlich werden ließen. Die politischen Kulturfeste der PCM waren ein Ausdruck ihres neu gewonnenen politischen Spielraums als zugelassene Oppositionspartei, die nun auch im Parlament agierte. Sie waren etwas Neues in Mexiko, da die linke Opposition mit ihnen nun die großen Bühnen erobern konnte, die zuvor der Staatspartei vorbe-halten gewesen waren. Dass die PCM bereits im ersten Jahr eine Veranstaltung mit circa 10 000 Zuschauer/innen organisieren konnte, beweist, dass ein re-ales Bedürfnis nach Kulturveranstaltungen jenseits des staatlichen Kulturbetriebs bestand. Die Parteifeste boten die Gelegenheit zum persönli-chen Austausch und für Informationen aus erster Hand von Bewegungen, Organisationen und Kampagnen aus allen Welten, was in Zeiten des Kalten Krieges eine Besonderheit war.

Ein halbes Jahrhundert ist seit den siebziger Jahren vergangen und doch beschäftigen uns die damals geführten Debatten, wie der Umgang mit der Natur, mit Demokratie oder Gleichberechtigung, noch heute. Die siebziger Jahre erwiesen sich als spannende Dekade von Protesten und Krisen, in der die Blockkonfrontation noch nicht entschieden war und neue Bewegungen und Politikfelder entstanden, auf die die traditionellen sozialistischen Parteien erst reagieren mussten. In der mexikanischen Linken begegnete die PCM diesen Umbrüchen mit dem Streben nach innerlinker Einheit und ihrer Fusion mit anderen linken Gruppierungen. Jedoch verstand es die globale Linke weder, den Vormarsch des Neoliberalismus zu stoppen, noch gelang es der Mexikanischen Kommunistischen Partei, die Kräfte unterschiedlicher linker Strömungen für einen Synergieeffekt zusammenzubringen und, wie 1 Interview mit Sol Mejía in San Rafael (Mexiko-Stadt) am 24.02.2014. [eigene Über-setzung]

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ihre Bruderparteien in Südeuropa, über das parlamentarische System lokale Machtzentren aufzubauen.

Die mexikanischen Festivales de Oposición waren inspiriert von den poli-tischen Kulturevents der eurokommunistischen Parteien aus Italien und Frankreich, an denen sich bekannte Künstler/innen und Kämpfer/innen aus aller Welt beteiligten. Die Tradition von Parteifesten stammte aus den drei-ßiger Jahren und Größe und Freizügigkeit der politischen Kulturfeste der kommunistischen Parteien in Ost und West brachte ihnen den Namen „rote Woodstock“-Feste ein, wobei das Adjektiv „rot“ als Abgrenzung gegenüber dem „unpolitischen“ US-amerikanischen Kultur-Event gemeint war. Die Analyse der mexikanischen Festivales de Oposición zeigte, dass sie zwar nicht die Größe der Feste der südeuropäischen Bruderparteien erreichten, ihnen aber in Internationalität, Vielfalt des Programms und im Happening-Charakter ähnelten.

Die Festivales de Oposición waren eine Plattform für Vernetzung zwischen internationalen Akteur/innen, deren Austausch die Akteure veränderte und Auswirkungen auf ihre Handlungen und Beziehungen hatte. Durch die Detailanalyse aus der Ameisenperspektive werden die unterschiedlichen Vernetzungsebenen (national, international, innerhalb der Linken und in den kulturellen Opposition) ebenso sichtbar wie auch die Akteur/innen der Festivals. Hierbei rückt durch den Ansatz von Latour auch die zentrale Akteurin PRI in den Blick, die verdeckt agierte, ohne die jedoch eine Durchführung der Festivales de Oposición nicht möglich gewesen wäre.

Im Netzwerk unterhielten die Akteure/innen nicht nur unterschiedliche Beziehungen, sondern auch ihre Stellung variierte. Während die PCM die Solidaritätsgruppen lateinamerikanischer linker Bewegungen unterstützte, erhielt sie selbst Hilfe von den Bruderparteien, die über die Staatsmacht und die Staatsfinanzen verfügten. Ihr Verhältnis zu den kommunistischen Parteien aus Osteuropa veränderte sich auch, da ihr sich verbesserndes Verhältnis zu den Neofeminist/innen in einer Kooperation mündete, was wiederum Auswirkungen auf ihre Positionierung innerhalb der mexi-kanischen Linken und im internationalen Netzwerk der kommunistischen Parteien als reformorientierte Partei hatte. Wie in der Akteur-Netzwerk- Theorie beschrieben, werden die Veränderungen in der Positionierung und Stellung im Netzwerk bei den Akteur/innen selbst offensichtlich.

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Die PCM lud politische Bewegungen aus dem globalen Süden ein, da für sie die Solidarität mit ihrem Kampf im Vordergrund stand – die Gäste, zum Beispiel Delegierte der nationalen Befreiungsbewegungen, mussten nicht mit der politischen Linie der PCM übereinstimmen. Es gelang der PCM, sich auf den Festivales de Oposición als neue politische Kraft mit weitverzweigten internationalen Kontakten zu präsentieren, die für die mexikanischen Aktivist/innen attraktiv wurde, da sie für eine kontinuierliche PRI-Opposition sowie eine Reformorientierung und Öffnung gegenüber den neuen Be-wegungen stand. Die internationale Solidarität und Reformorientierung verlieh der Partei ein neues Selbstvertrauen und Mut zur eigenständigen Vernetzung auf den Festivals.

Eine Leitidee bei der Durchführung dieser Festivals war die internationale Solidarität, die das Selbstverständnis der Linken der siebziger Jahre prägte, da sie sich als Teil eines weltweiten Kampfes für eine gerechtere Welt ver-standen. Die PCM wollte ihre Solidarität mit den lokalen und internationalen kämpfenden Bewegungen präsentieren, neue Kontakte knüpfen oder beste-hende vertiefen. Deshalb waren die Feste nicht kommerziell ausgerichtet, sondern basierten auf dem solidarischen Umgang aller Mitwirkenden: Die Partei zeigte sich solidarisch mit den teilnehmenden Initiativen, die ihre Einnahmen für ihre Kämpfe und Kampagnen einsetzen konnten. Die Parteimitglieder verhielten sich solidarisch mit ihrer Partei, da sie unentgelt-lich arbeiteten und auch die meisten Künstler/innen erhielten keine Gage oder spendeten diese an teilnehmende politische Bewegungen.

Allerdings gab es bei der Organisation der Festivales de Oposición auch Schwierigkeiten: So blieb die Mexikanische Kommunistische Partei von der Kooperation der Staatspartei PRI abhängig, da diese weiterhin den Kulturbetrieb dominierte sowie die Einladung internationaler Gäste und die Nutzung großer Veranstaltungsräume genehmigte. Darüber hinaus fehlte es den Festivals an einer permanenten Organisationsstruktur, um Fehler be-richtigen, Fehlkalkulationen vermeiden und die Finanzierung der Parteizeitung Oposición mittragen zu können. Die PCM betrieb einen hohen Organisationsaufwand, indem sie einen Großteil ihrer Parteizellen für die Feste aktivierte. Sie übersah jedoch häufig, dass die freiwilligen Helfer/innen sich nicht nur zum Arbeiten, sondern auch zum Feiern gemeldet hatten.

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Die große Popularität der Festivals führte trotzdem dazu, dass die Partei die Festivales de Oposición über fünf Jahre in Folge durchführte. Die Feste brachten der PCM mediale Aufmerksamkeit, stärkten ihre internationalen Kontakte und informierten die mexikanische Bevölkerung über ihre Parteipolitik. Bereits vor ihrer Wahlzulassung nutzte die Partei das erste Festival de Oposición , um neue Mitglieder zu werben und notwendige Unterschriften für die Wahlzulassung zu sammeln. Eine parteiinterne Evaluation ergab, dass sich die Besucherzahl beständig vergrößerte und die Festivalaktivitäten mit den Jahren immer diverser wurden. Nur im letzten Untersuchungsjahr fiel das Festival kleiner als in den Vorjahren aus, da die PCM mit der Fusion zur PSUM und ihrer Teilnahme an den Wahlen beschäf-tigt war. Die PCM-Feste waren eine Aktion der Partei, die verdeutlichen, dass die registrierte Oppositionspartei ihre neu gewonnenen Freiheiten als legale Partei nutzte.

Die Mexikanische Kommunistische Partei erlebte in den letzten Jahren ihres Bestehens eine Blütezeit, da sie zu innerparteilichen Neugestaltungen bereit war und sich auch international der reformorientierten Strömung in-nerhalb der kommunistischen Parteien anschloss. Die PCM gestand sich ein, dass sie auf die demokratischen Forderungen und Aktionsformen der 1968er-Bewegung nicht vorbereitet gewesen war. Angesichts der vielfäl-tigen Kämpfe und Revolutionen im globalen Süden sowie der Streiks und Proteste neuer politischer Bewegungen stellte die Partei ihre hierarchischen Parteistrukturen und ihre politische Unterordnung unter die Sowjetunion infrage. 1968 kritisierte die PCM öffentlich den sowjetischen Einmarsch in Prag und setzte den unter dem Generalsekretär Arnoldo Martínez Verdugo begonnenen internen Reformprozess weiter fort. Nach der staatlichen Repression gegenüber neuen Protestbewegungen und Guerillas bot die ge-wachsene Organisation und langjährige PRI-Opposition der PCM vielen Aktivist/innen mehr Verbindlichkeit und Sicherheit als die sich spontan bil-denden Bewegungen. Diese Kontinuität und ihr gleichzeitiger interner Reformprozess, der Veränderungen im Parteiapparat möglich erscheinen ließ, machte die Mexikanische Kommunistische Partei nun für die politi-sierten linken Aktivist/innen attraktiv.

Die Mitgliederzahlen der PCM wuchsen beträchtlich an und gaben der Partei neue innovative Impulse: So ähnelte die politische Linie der PCM den

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Positionen der eurokommunistischen Parteien aus Italien, Frankreich und Spanien. Diese Parteien lehnten den Führungsanspruch der KPdSU über die Geschicke anderer kommunistischer Parteien ab, suchten nach einem au-thentischen Weg zum Sozialismus und beteiligten sich am Parlamentarismus, um kurzfristig mehr Demokratie für die Bevölkerung möglich zu machen. Ein Ergebnis des „Eurokommunismus à la Mexicana“ der PCM war jedoch, dass sie sich der Grenzen der Übertragbarkeit bewusst wurde. So lehnte die PCM unter Verweis auf die Geografie nicht nur den Begriff „Eurokommunismus“ für sich ab, sondern benannte auch die Unterschiede zwischen dem mexika-nischen politischen System, das von der PRI dominiert wurde, und den parlamentarischen Demokratien in Südeuropa. Die Mexikanische Kom-munistische Partei scheiterte in der realpolitischen Umsetzung eurokommunistischer Strategien an der Eroberung lokaler Machtpositionen. Lediglich in zwei Fällen gelang es der PCM, lokale politische Positionen zu erkämpfen und sie war weit entfernt von dem regionalen Einfluss einer Italienischen oder Französischen Kommunistischen Partei.

Die Reformorientierung der PCM veränderte auch ihre internationalen Beziehungen. Ihr gelang der Spagat zwischen der Nähe zu den eurokommu-nistischen Parteien und der Wahrung der gewachsenen Beziehungen zu den sozialistischen Parteien des Ostblocks, die ihr materielle Vergünstigungen, Solidarität unter Bruderparteien und Einblicke in die Realität sozialistischer Staatsparteien verschafften. Die Neuorientierung der PCM beinhaltete das Schweigen über ideologische Unterschiede in der Begegnung mit den Bruderparteien aus dem Osten. Wie in den Artikeln der reformorientierten Parteizeitung Machete deutlich wurde, wollte zumindest der Reformer-Flügel der PCM nicht die Fehler der sozialistischen Staaten im Ostblock wiederholen und einen Staat ohne Freiheiten und Partizipation der Bürger/innen installieren.

Nach 1968 erwies sich die PCM als Teil der „modernen“ mexikanischen Linken, die zwischen den Werten und Organisationsformen der alten und neuen Linken hin und her pendelte. So nahm die PCM zwar neue Ideen auf und war zu parteiinternen Reformen bereit, es gelang der Partei jedoch nicht, die eigene Basis zu schulen und von ihrer reformorientierten politischen Linie zu überzeugen. Im Zuge der internen Reformbestrebungen orientierte sich die PCM ideologisch von einer Arbeiterpartei hin zu einer Massenpartei,

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die die Interessen der Bevölkerung vertreten wollte und sich deshalb gegen-über den neuen politischen Bewegungen öffnete. Eine Massenpartei wurde sie in den fünf Jahren des Parlamentarismus zwar nicht, es gelang ihr aber durchaus, enge Verbindungen zu neuen politischen Bewegungen zu knüpfen. Zwar waren ihre Initiativen kaum erfolgreich, die PCM wurde jedoch bekannt durch ihre unkonventionellen Vorschläge, die auch an etablierte Dogmen rührten. Der PCM gelang es, sich als unabhängige politische Kraft zu etab-lieren, durch ungewöhnliche Initiativen auf sich aufmerksam zu machen und ihren Wirkungskreis zu erweitern, jedoch wurde sie keine Massenpartei und die Fokussierung auf die Parlamentsarbeit blieb innerhalb der Partei umstritten.

Das Wirken der Mexikanischen Kommunistischen Partei innerhalb der parlamentarischen Arena blieb beschränkt, zum einen, da der ersehnte Wahlerfolg der PCM (und später auch der anderer linker Parteien) ausblieb, und zum anderen, da die Parlamente in Mexiko relativ wenig Machtbefugnisse hatten und die Reform des Wahlgesetzes so beschaffen war, dass durch die Mischung von Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht die kleinen Parteien be-nachteiligt waren. Ferner fiel es der PCM schwer, sich klar von den progressiven Positionen der PRI abzugrenzen und gleichzeitig in den meisten praktischen Belangen, wie der Organisation der Festivals, auf die Kooperation der Staatspartei angewiesen zu bleiben. Dies zeigte sich sowohl bei der PRI-Unterstützung der Sandinist/innen in Nicaragua oder der Förderung von lateinamerikanischen Exilant/innen in Mexiko, an deren Solidaritäts-veranstaltungen häufig PRI und PCM mitwirkten, als auch bei der Organisation der Festivals, die ohne eine Zusammenarbeit mit der PRI nicht möglich ge-wesen wären.

Darüber hinaus fehlte es an Einigkeit innerhalb der PCM. Während des ge-samten Untersuchungszeitraums wurde immer wieder über Sinn und Nutzen der Partizipation am Parlamentarismus debattiert, was sich in der Formel „wollt ihr eine Partei der Meinungen oder eine Aktionspartei sein“ zusam-menfassen lässt und auch bei den internen Flügelkämpfen in der PCM zwischen Renos und Dinos eine Rolle spielte. Die Partizipation der PCM im Abgeordnetenhaus war weniger effektiv als erhofft, da der große Wunsch der PCM, die linke PRI-Opposition zu bündeln, um gegen die Regierung vor-zugehen, nicht in Erfüllung ging. Die Fusion der PCM mit anderen kleinen

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Parteien zur PSUM geschah im Schnellverfahren und war keine Vereinigung unterschiedlicher linker Strömungen, die einen Bündelungs- und Synergie-effekt innerhalb der PRI-Opposition hätte auslösen können. Es gelang der PCM lediglich, mit jenen Gruppen zu fusionieren, die sich vorher von ihr ab-gespalten hatten und inhaltlich weniger reformorientiert und offen waren als die PCM selbst.

Die Analyse der politischen Debatten auf den Festivales de Oposición zeigten jedoch, dass die PCM sich den neuartigen Themen stellte und mit den neuen Bewegungen in Kontakt trat, auch wenn die Kooperation und Vernetzung anders verlief als die Beziehungen zu den sozialistischen Bruderparteien. In dieser Arbeit wurden zum einen die inhaltlichen Auseinandersetzungen mit den Neofeminist/innen (die Fragen um die Gleichberechtigung von Frauen und Homosexuellen sowie das Recht auf Abtreibung) und zum anderen die Diskussionen mit der mexikanischen Befreiungstheologie (das Verhältnis von Glaube und Sozialismus) analysiert. Die hier durchgeführte Untersuchung verdeutlicht, dass die PCM sich eigen-ständige Positionen und Beziehungen zu den neuen politischen Bewegungen erarbeitete. Dazu musste die Mexikanische Kommunistische Partei beim Thema Feminismus eine radikale Wende von der Ablehnung der Bewegung hin zur Zusammenarbeit auch gegen interne Parteiwiderstände vollziehen. In Bezug auf die Befreiungstheologie musste die Partei alte Dogmen, wie „Glaube ist Opium fürs Volk“ ablegen, um als fortschrittliche Kraft mit der Entwicklung innerhalb der Kirchen Schritt halten zu können.

Der von den beiden Bewegungen intendierte gesellschaftliche Wandel rührte an bis dahin feste Moralvorstellungen der Partei und regte Diskussionen um Ungleichbehandlung, Selbstbestimmung und Demokratie-defizite in Mexiko an. Diese neuen Bewegungen brachten Inhalte jenseits der klassischen Klassenkampf-Themen auf die Agenda der Partei und konfron-tierten die PCM mit einem neuen politischen Feld: dem Privatleben. Es ging den neuen Bewegungen um gesellschaftliche Anerkennung und sie stellten die PCM vor die Frage, wie sie sich in Bezug auf Gleichberechtigung, Sexualität und Glauben positionieren sollte.

Die Detailanalyse zeigte, dass die PCM begann, ihren Mitgliedern mehr Freiheit in den Entscheidungen über ihre Privatsphäre zuzugestehen. Hatte die Mexikanische Kommunistische Partei zuvor den Glauben für

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Parteimitglieder verboten, so befand sie nun sowohl in Bezug auf den Glauben als auch auf die Sexualität, dass dies „Privatangelegenheiten“ und als von der Parteiarbeit getrennte Sphären zu betrachten seien. Das Bild des Parteimitglieds wandelte sich vom der/dem stets bereiten Berufs-revolutionär/in hin zu einem Parteimitglied und/oder Abgeordneten, die nach getaner Arbeit ihren eigenen Vorlieben und Vorstellungen folgten, die nichts mit dem Parteileben zu tun hatten.

So unterstützte die PCM die Homosexuellen in ihrem Kampf um Gleichberechtigung und setzte sich damit deutlich von den homophoben Positionen der sozialistischen Parteien im Ostblock ab. Die Mexikanische Kommunistische Partei teilte diese Position mit den reformorientierten kommunistischen Parteien. Nach harten parteiinternen Diskussionen über die Gleichberechtigung der Frau, den Nebenwiderspruch Sexismus und das Recht der Frauen, sich eigenständig zu organisieren, wurden diese Auseinandersetzungen durch die Gründung der Nationalen Frauen-kommission der PCM quasi beendet. In der Kommission diskutierten die Frauen in der Partei untereinander, bereiteten sich auf die Diskussionen mit ihren Genoss/innen vor und entsandten Delegierte, die sich an feministi-schen Kampagnen beteiligten. Die Nähe zum Feminismus war nur temporär gegeben und die Parteigenoss/innen der PSUM lehnten das Attribut „femi-nistisch“ für ihre Partei ab.

Starke Kontroversen entstanden innerhalb der Partei um die mit den Neofeminist/innen gemeinsam geführte Kampagne zur Legalisierung der Abtreibung. Deshalb blieb die Begründung für die Legalisierung der Abtreibungen der PCM hinter den Forderungen der Neofeminist/innen zu-rück, da sie nicht auf der körperlichen Selbstbestimmung basierten, sondern auf der Kostenersparnis für das Gesundheitssystem und der Verminderung der gesundheitlichen Risiken für Frauen. Selbst nachdem die PCM einen Gesetzesentwurf ins Parlament eingebracht hatte, sprachen sich Parteizellen öffentlich, zum Beispiel auf den Debatten der Festivals, gegen die Legalisierung der Abtreibung aus. Hinzu kam ein enormer Druck von Außen, denn die PCM stieß nicht nur im Parlament, zum Beispiel bei den anderen linken Parteien, auf Ablehnung, sondern war auch mit einer gewalttätigen Kampagne von Abtreibungsbefürworter/innen konfrontiert, die einige Todesopfer unter den Parteimitgliedern forderte. Es gehört zu den erstaunlichen Ergebnissen

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dieser Arbeit, dass die PCM bei dieser wichtigen Kampagne nicht alle Mitglieder erreichte.

Nicht weniger konfliktiv war die ungewöhnliche Entscheidung der PCM, das Wahlrecht für mexikanische Priester zu fordern, was nur vor dem Hintergrund der Geschichte der mexikanischen Revolution und dem Wunsch der PCM, allen Bürger/innen die gleichen Rechte und Pflichten zu geben, verständlich wird. In Lateinamerika war ferner der Einfluss der Befreiungstheologie auf die Linke so groß, dass sich kaum eine (sozialistische) Partei dieser Tatsache entziehen konnte. Die Analyse der Festivaldebatten über Glauben und Marxismus sowie das Verhältnis der PCM zur katholischen Kirche ergaben, dass die PCM die Befreiungstheologie als lateinamerikanische Strömung wahr- und aufnahm und hoffte, über sie auch gläubige Menschen für die Partei zu gewinnen. Die Zusammenarbeit der PCM mit der mexikanischen katholischen Kirche blieb auf befreiungstheologische Kreise beschränkt, deren Resonanz im lateinamerikanischen Vergleich recht schwach war. Trotzdem veränderte die Aufnahme christlicher Menschen in die PCM die Partei, was sich in der Formierung einer „christlichen“ Parteizelle und in den respektvollen Beschreibungen von Glaube und Ritus in Parteipublikationen zeigte sowie sich in der Doppelrolle mancher Podiums-referenten als Gläubige und Parteimitglieder widerspiegelte.

Die Untersuchung der Festivaldebatten um das Wahlrecht der Priester und die Legalisierung der Abtreibung zeigte, das die PCM ihren neu gewonnenen Spielraum im Parlament nutzte und Gesetzesinitiativen einbrachte, die aller-dings beide nicht umgesetzt wurden, da sie bei den anderen Parteien nicht auf Zuspruch stießen. In der Auswertung der Festivaldiskussionen wurde ferner deutlich, dass ab 1980 auch die Parteimitglieder ihre unterschiedli-chen Positionen öffentlich vertraten. Überhaupt stellte die Mexikanische Kommunistische Partei ihr Parteiprogramm bereits im Vorfeld vor, befragte die Mitglieder nach ihren Meinungen und wollte die Inhalte diskutieren. Diese interne Demokratisierung und das Recht der Mitglieder, sich gemäß ihrer Meinung bestimmten Fraktionen anzuschließen, spiegelte sich in den Parteiauseinandersetzungen zwischen Renos und Dinos wieder, bei denen es auch um die prinzipielle Legitimität von Strömungen innerhalb der Partei und ihrer ideologischen Ausrichtung ging.

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Die PCM zeigte sich in der Detailanalyse der politischen Diskussionsrunden als offene, reformorientierte Partei, die eigenständige Entscheidungen aus den nationalen Begebenheiten heraus fällte. Der inhaltliche Wandel inner-halb der Partei wurde auch durch die Organisierung und Vernetzung der weiblichen und homosexuellen PCM-Mitglieder sowie die zugelassenen christlichen Parteimitglieder getragen. In Bezug auf die globale Bewegung des Feminismus vollzog die PCM einen radikalen Wandel ihrer Position, um schließlich zu einer Kooperation mit den Neofeminist/innen zu gelangen. Ihre positive Haltung gegenüber den Befreiungstheologen, die sich überall in Lateinamerika am revolutionären Kampf beteiligten, war in der latein-amerikanischen Linken beinahe obligatorisch.

In Bezug auf die Ausgangsfrage der Nachhaltigkeit der neuen Positionen innerhalb der PCM ergab sich ein ambivalentes Bild. In diesem Zusammenhang waren die Zeitzeugeninterviews hilfreich, um sich der Stimmung zu Homosexualität und der Wirkung feministischer Themen oder der Ko-operation mit Gläubigen besser nähern zu können. Auffällig war jedoch, dass es leichter war, männliche Parteimitglieder zum Interview zu bewegen, als die Frauen aus der Partei. Über die Homosexualität von Genoss/innen der Partei wurde von den Interviewpartnern offen gesprochen und die Be-freiungstheologie als originär lateinamerikanische Vision hervorgehoben.

In der Betrachtung der Festivaldebatten und ihres Wandels über die fünf Festivaljahre ergaben sich nur vereinzelte Unterschiede zwischen dem Parteidiskurs und den Handlungen der Parteiführung, allerdings zeigte sich, dass es der Führung nicht immer gelang, die Basis von ihrer Politik zu über-zeugen. Diese interne Spaltung durch neue Parteipositionen wurde durch die Fusion zur PSUM noch weiter akzentuiert. So lehnte die neue Parteibasis be-reits auf dem PSUM-Parteitag 1983 sowohl die Verankerung der freien Sexualpartnerwahl als auch den Feminismus als Grundposition für die PSUM ab. Bei diesen Themen zeigte sich also, dass die inhaltlichen Debatten der PCM wenig nachhaltig wirkten.

Ein ähnlich ambivalentes Bild zeigt sich bei der Analyse des Verhältnisses der PCM zur politischen Kunst und den contraculturas der siebziger Jahre auf den Festivales de Oposición . Die PCM-Feste boten einen Anlass für die PCM, mit einer politisierten, kritischen Kunstbewegung in Kontakt zu treten, deren Kunst und Musik zu den Hauptattraktionen der Festivals wurden. Die neue

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politische Kunst provozierte mit Aktionen im öffentlichen Raum und wollte politisches Bewusstsein schaffen, statt dem Genuss der Eliten zu dienen. Die politisierten Künstler/innen verstanden sich als Teil der Linken, sahen ihre Kunst jedoch als parteiunabhängige und autonome Intervention an. Aus den geteilten gesellschaftlichen Visionen ergaben sich wechselhafte Koope-rationen zwischen politisierten Künstler/innen und linken Organisationen, unter ihnen die PCM. Für die PCM war diese Musikströmung eine politische Alternative zum kommerziellen Kulturbetrieb und zu den von der Partei als „unpolitisch“ oder als „Import“ angesehenen Musikrichtungen wie zum Beispiel der Rockmusik.

Ein konstanter Publikumsmagnet der Festivals waren ihre Konzerte, auf denen bis 1980 ausschließlich die Musikrichtungen des Canto Nuevo Latinoamericano und des internationalen New Folk gespielt wurden. In diesen beiden Musikrichtungen verbanden sich die globale Protestkultur mit der Wiederbelebung regionaler Melodien, Rhythmen, Lieder und Instrumente und ihr mobilisierender Charakter trug zur Verbreitung linker Ideen bei und erleichterte einen Einstieg in die Bewegungen. Als Teil der Protestbewegungen entwickelte sich diese Musik jenseits des kommerziellen Musikmarktes und der offiziellen Kulturlandschaft als Gegenkultur ( contracultura ). Die Musiker/innen des Canto Nuevo Latinoamericano brachten traditionelle Rhythmen der Landbevölkerung, der cultura popular, sowie vorkoloniale Instrumente zurück auf die Bühnen. Viele Musiker/innen des Canto Nuevo trugen mit ihrem Engagement zur Bewahrung der cultura popular bei. Statt Moden und Trends aus dem Ausland zu kopieren und die Dominanz von US-amerikanischen Kulturgütern in Lateinamerika zu akzeptieren, setzte sich der Canto Nuevo Latinoamericano für die Auseinandersetzung mit Kolonialismus und Rassismus und die Würdigung indigener Kulturen ein.

Der Canto Nuevo Latinoamericano war ein Beispiel für einen Kulturtransfer, der im Gegensatz zu den eurozentristischen Modellen, in denen „Kultur“ aus den Zentren in die Peripherie exportiert wird, aus der Peripherie auf die Zentren wirkte und die Menschen dort prägte. Bald gehörten neben den klas-sischen Protestsongs von Bob Dylan („Times are Changing“) oder Joan Baez („Donna Donna“) auch lateinamerikanische Lieder von Victor Jara („El Pueblo unido“) oder Silvio Rodriguez („Ojalá“) zur Populärkultur und zum gefühlten Zeiterleben, dem structure of feelings, in der Linken. Diese

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gegenkulturelle Strömung verbreitete sich auch durch das Exil ihrer Künstler/innen weit über die Grenzen des Kontinents hinaus und erfreute sich bald auch in den kapitalistischen Zentren einer großen Beliebtheit. In den siebziger Jahren entwickelten die Linken in den Zentren ein verstärktes Interesse an den Kämpfen, Debatten und der Kultur aus Lateinamerika, da dort Versuche sozialistischer Gesellschaftsmodelle unternommen wurden und sich eigene Theorien entwickelten. So vermittelte die Musik des Canto Nuevo Latinoamericano seinen Hörer/innen das Gefühl, Bestandteil einer in-ternationalen Bewegung zu sein, die die bestehenden Verhältnisse verändern wollte.

Die Musik des Canto Nuevo Latinoamericano auf den F estivales de Oposición stiftete eigene Verbindungen zwischen Hörer/innen und Musiker/innen, die sich wohl nicht jenseits, aber parallel zu den politisch Netzwerken konstitu-ierten. Die Konzerte zogen auch Menschen jenseits der Parteizirkel an, die nicht notwendigerweise den KPs nahe standen. Auslandstourneen trugen zur Verbreitung von Musikstilen bei und Musikliebhaber/innen verfolgten die Entwicklungen bestimmter Bands und Musik-Stile und bildeten Fangemeinden. So fand der lateinamerikanische Canto Nuevo auch in an-deren Teilen der Welt seine Liebhaber/innen, die Einstellung, Lebensgefühl oder Rhythmus teilen. Die Musik wurde zum „Mittler“ (Latour), der Verbindungen und soziale Interaktion innerhalb der Gruppe oder Musikfangemeinde hervorbringt. Diese Objekte, in unserem Fall die Musik, zirkulierte im Netz der globalen Linken und half, die sozialen Bande dieser Gruppe zu knüpfen und zu stabilisieren.2

In Mexiko entwickelte sich die mexikanische Strömung des Canto Nuevo Latinoamericano als contracultura , da seine politische Kritik am politischen System eine Mitwirkung am staatlich gelenkten Kulturbetrieb unmöglich machte. Zwar wurden die Künstler/innen des Canto Nuevo Mexicano nicht wegen ihrer Kunst verfolgt oder mussten ins Exil gehen, wie in anderen lateinamerikanischen Ländern, da sich in den siebziger Jahren in der mexikanischen Kulturlandschaft ein Freiraum für kritische Kunst entwickelt. Die kritischen Künstler/innen wurden jedoch im Kulturbetrieb marginalisiert 2 Vgl. Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2008, 70ff.

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und gründeten eigene Konzertorte ( Peñas ) und Plattenfirmen, um ihre Musik zu verbreiten. Zu den Charakteristika des Canto Nuevo Mexicano gehört ebenso die Popularisierung präkolonialer Instrumente und latein-amerikanischer Musiktraditionen und die Wiederbelebung der cultura popular der Rancheras und Corridos wie der Einsatz von Parodien und Satiren, um Kritik am PRI-System auf die Bühnen zu bringen.

Die PCM war wegen ihrer langjährigen Kontakte mit Kunstkreisen und der politischen Übereinstimmungen eine prädestinierte Verbündete dieser op-positionellen, gegenkulturellen Kunst. Die PCM unterstützte die Künstler/innen des Canto Nuevo Mexicano , indem sie Auftritte im In- und Ausland ver-mittelte. Der Kontakt zu international bekannten Musiker/innen brachte der PCM Ansehen ein, da die Künstler/innen zum Teil aus lateinamerikanischen Ländern mit sozialistischen Regierungen oder aus konkreten sozialistischen Kämpfen kamen, die sie besangen. Die Partei förderte die Bewegung des Canto Nuevo Mexicano , da ihre Künstler/innen politische Themen vertonten, sich in Opposition zur PRI befanden und als links verstanden. Allerdings waren die Beziehungen von beiden Seiten mit Ängsten verbunden, die einen schreckte die Abhängigkeit von einer Partei und die anderen fühlten sich ge-stört von der demonstrativen Unabhängigkeit der Künstler/innen, die sich keiner politischen Organisation unterordnen wollten.

Die Detailanalyse der Beziehungen der PCM zu den zwei mexikanischen Musikgruppen Los Folkloristas und Los Nakos war deshalb interessant, da Los Folkloristas enge Kontakte zur PCM pflegten und zwei ihrer Mitglieder selbst Parteigenoss/innen waren und bei der Organisation der Festivales de Oposición mithalfen, während die Haltung der Band Los Nakos als parteikri-tisch gelten kann. Beide Bands stehen für unterschiedliche Stile innerhalb des Canto Nuevo Mexicano : Während Los Folkloristas wegen ihres positiven Bezugs auf die indigenen Kulturen, die Wiederbelebung vorkolonialer Instrumente Lateinamerikas und die Popularisierung indigener Kleidungs-stücke bekannt wurden, verkörperten Los Nakos die Protestkultur der sechziger und siebziger Jahre und gehörten bereits 1968 zu den Regime-Kritiker/innen. Dies wurde auch bei der Analyse der Liedtexte und der Inszenierung beider Gruppen deutlich: Los Folkloristas entdeckten bei Forschungsreisen auf dem Land traditionelle musikalische Rhythmen und Instrumente wieder und Los Nakos nutzten Satire oder Parodie, um ihr

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Anliegen nicht selten in einer theaterähnlichen Performance auf den ur-banen Bühnen zu vermitteln.

Das Verhältnis zur PCM gestaltete sich ebenfalls unterschiedlich. Die par-teinahe Gruppe Los Folkloristas verfügte über eigene Vertriebswege und Konzerträume, was ihr zur Unabhängigkeit von den Angeboten der PCM ver-half. Ihr großer Bekanntheitsgrad machte es für die Mexikanische Kommunistische Partei attraktiv, enge Kontakte zu ihr zu knüpfen. Es gelang den Musiker/innen von Los Folkloristas , ihre Autonomie zu wahren und über ihre Mitarbeit bei der Organisation der Festivals mit der Partei über ihre Kulturpolitik und die künstlerische Ausrichtung der Festivals in Dialog zu treten. Für die Gruppe Los Nakos dagegen boten die Festivals willkommene Gelegenheiten, ihre Musik vor einem großen Publikum zu spielen und sie nahmen, obwohl sie nicht auf der Hauptbühne auftraten, mehrmals an den PCM-Festen teil.

Der Einfluss der PCM auf das Repertoire der Musiker/innen scheint jedoch relativ begrenzt geblieben zu sein: So sah die PCM die positive Vision der in-digenen Kultur von Los Folkloristas kritisch und warnte vor einer Idealisierung des Indigenen, ohne dass das zu einer Veränderung im Programm der Musikgruppe führte. Ebenso schwer tat sich die Partei mit den Persiflagen und der Satire von Los Nakos , die das gesamte politische Establishment und damit auch die Oppositionsparteien aufs Korn nahmen. Da der Kontakt zu Los Nakos als lose zu bezeichnen ist, spielte die Band weiterhin ihr kritisches Repertoire und verstand sich darüber hinaus als Gruppe, die die PCM-Politik von links kritisierte. Weder durch die Interviews noch aus den Quellen lässt sich ein Verbot von Liedern durch die PCM belegen. Lediglich bei Künstler/innen, die spontan auf dem Festival auftraten, ist belegt, dass die PCM dies zu unterbinden versuchte.

Als Ergebnis der Untersuchungsfrage nach dem Verhältnis zur Partei und einer etwaigen Reglementierung der mexikanischen Kunstschaffenden er-gibt sich, dass die PCM ein unterschiedliches Verhältnis zu parteinahen und parteikritischen Künstler/innen unterhielt. So konnten Los Folkloristas auf den Hauptbühnen und zu beliebten Zeiten, also vor einem großen Publikum, spielen, während Los Nakos nur auf den Nebenbühnen und zu weniger güns-tigen Zeiten spielten. Des Weiteren waren sie im vorab veröffentlichten Programm in der Zeitung Oposición nicht immer namentlich erwähnt. Die

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drei Langspielplatten mit den Livemitschnitten der ersten drei Festivales de Oposición bilden dieses Verhältnis auch ab: Während Los Folkloristas mit einem ihrer politischen Lieder, „Canto al Trabajador“, vertreten sind, sind die Songs von Los Nakos auf keiner der drei Schallplatten enthalten.

Das Verhältnis zwischen den mexikanischen Musiker/innen des Canto Nuevo und der PCM ist als ambivalent zu charakterisieren: Einerseits fürch-teten sich die Künstler/innen vor einer Vereinnahmung für Parteiinteressen, andererseits befürworteten nicht alle Parteimitglieder eine Öffnung gegen-über dieser provokanten Gegenkultur. Die von dieser Strömung geforderte Autonomie der Kunst irritierte einige Parteigenossen, während andere Mitglieder die Festivales de Oposición als Versuch ansahen, ein gramsciani-sches Kulturverständnis in der PCM zu etablieren, das von der großen Bedeutung der Kunst im Kampf um Hegemonie ausging. Ähnlich wie die Feste der eurokommunistischen Parteien sollten die Festivales de Oposición breite Allianzen ermöglichen und das Programm sollte möglichst vielfältig und plural sein. Die gramscianische Ausrichtung der Festivals blieb jedoch in der Partei umstritten und dieser Streit wurde zum Teil öffentlich bei den Festivaldiskussionsrunden zur Kunst ausgetragen, was die Einschätzung verstärkt, dass die PCM kein kulturpolitisches Konzept vorzuweisen hatte. Die Spontaneität in der Organisation und die andauernden parteiinternen Auseinandersetzungen um Funktion und Verhältnis zur politischen Kunst zeigten in dieser Untersuchung, dass die Festivales de Oposición keiner strin-genten Kulturpolitik folgten.

Die Partizipation von parteikritischen Künstler/innen belegt, dass die PCM vielfältige politische Positionen auf ihren Festivals zuließ und sich so auf den Bühnen der Festivales de Oposición das Spektrum linker mexikanischer Protestkunst abbildete. Es ist wahrscheinlich, dass die PCM entscheidende Impulse und Anregung für ihre Kunstpolitik aus der Kritik der Künstler/innen zog, da sie mit vielen Musiker/innern über die Feste in Kontakt kam. Ihre Öffnung gegenüber der neuen Kunstszene wurde dadurch begünstigt, dass auch ihre Vorbilder ein vielfältiges Programm ohne politische Zensur vorführten.

Auch die Verbindungen der PCM zu den hier untersuchten internationalen Festivalmitwirkenden waren von unterschiedlicher Beschaffenheit und Stabilität. Die Beziehungen zu den Delegationen aus der DDR basierten auf

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langjährigen Parteikontakten und die Verbindung zum uruguayischen Musiker Alfredo Zitarrosa ergab sich über neue, informellere Kanäle zu den Solidaritätsgruppen in Mexiko. In der Untersuchung der Beziehungen zu den Festivalgästen aus der DDR war die konstante Beteiligung der DDR-Delegationen an den Festivales de Oposición wegen der unterschiedlichen ideologischen Standpunkte von SED und PCM bemerkenswert. Im offiziellen Diskurs rekurrierten PCM und SED beide auf die „internationale Solidarität“ als Grundprinzip, füllten den Begriff jedoch unterschiedlich. In den Begegnungen zwischen Parteimitgliedern aus der DDR und Mexiko, die außerhalb des offiziellen Parteiprogramms stattfanden, wurde offen über Unterschiede gesprochen und klar die Fehler der sozialistischen Staaten in Osteuropa benannt.

Der Kontakt der PCM zuAlfredo Zitarrosa, dem Sänger des Canto Nuevo aus Uruguay, wurde über das Solidaritätskomitee mit Uruguay, eine der zahl-reichen Solidaritätsbewegungen in Mexiko, hergestellt. Alfredo Zitarrosa verbrachte einen Teil seines Exils in Mexiko und trug zum kulturellen Transfer des Canto Nuevo Uruguayo nach Mexiko durch die zahlreichen Konzerte und Schallplatten sowie seine Radiosendung über die Geschichte des Canto Nuevo Latinoamericano bei. Da er in Mexiko-Stadt wohnte, verur-sachte er keine Reisekosten und war als exilierter lateinamerikanischer Künstler gleichzeitig ein wichtiger Kontakt der PCM, mit dem sie ihre inter-nationale Solidarität demonstrieren konnte.

Die Mexikanische Kommunistische Partei unterhielt verschiedene Beziehungen zu den internationalen Gästen und hatte verschiedene Rollen als Unterstützerin und Hilfeempfängerin inne. Als kleine lateinamerika-nische Partei profitierte sie von den Hilfeleistungen der Bruderparteien aus dem Ostblock und als einheimische „Netzwerkerin“ konnte die PCM die Solidaritätsgruppen unterstützen, indem sie ihnen Kontakte und Infrastruktur zur Verfügung stellte. Die PCM profitierte von den internatio-nalen Musiker/innen aus allen „drei“ Welten, die sich als Publikumsmagnet bei den Festivales de Oposición erwiesen. Die internationalen Gäste durften stets auf den Hauptbühnen auftreten und die PCM versuchte nicht, ihr

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Programm zu beeinflussen. Wohl auch deswegen, da sie den Künstler/innen weder die Reise noch eine große Gage bezahlen konnte.

Allerdings legte die Partei weniger Wert auf Vielfalt als auf politische Gewichtung und Steuerung des Festivalprogramms. Sie definierte, welche Kunst oppositionell war und somit auf den Hauptbühnen gezeigt wurde. Um der Vielfalt der mexikanischen Gegenkulturen gewahr werden zu können, mussten die Besucher/innen auch die Konzerte auf den Nebenbühnen und zu ungünstigeren Zeiten besuchen. Durch diese Selektion der Darbietungen wurde die PCM beiden Fraktionen innerhalb der Partei gerecht, da sie ein vielfältiges Festivalprogramm anbot, die parteinahen Gruppen jedoch pro-minenter in Szene setzte. Die PCM mit ihrem ambivalenten Verhältnis zur mexikanischen Gegenkultur gab ihre Definitionshoheit darüber, was als „op-positionelle“ Kunst auf die Festivalbühnen kam, zu keiner Zeit ab.

Das Ziel dieser Arbeit war es einen Beitrag zur Erforschung der PCM und damit der mexikanischen Linken zu leisten, da diese als Ideengeber lange in der mexikanischen Gesellschaft wirkten, ohne je ihre Ideen umsetzen zu können. 2018, ein Jahr vor dem 100. Geburtstag der Gründung der PCM, wurde mit Manuel López Obrador erstmals ein linker Politiker zum mexika-nischen Präsident gewählt. Obrador war Gründungsmitglied der PRD (Partido de la Revolución Democrática), einer weiteren Fusion der PSUM mit anderen linken Gruppierungen, die sich nach dem Zusammenschluss mit einem linken dissidenten Flügel der PRI 1989 formiert hatte. Manuel López Obrador sieht sich in seiner Amtszeit vor allem mit dem zunehmenden Machtverlust des Staates konfrontiert, der die Reformpakete der Regierung wenig wirksam werden lässt, und mit der steigenden Politikverdrossenheit der Bevölkerung gegenüber dem parlamentarischen System. Gerade in solch einer Zeit ist es sinnvoll, Debatten und Niederlagen der parlamentarischen Linken genauer zu betrachten, da die Debatten um die Aufweichung der Ziele (als Meinungs- oder Aktionspartei) weiterhin aktuell bleiben. Auch heute stellen sich weiterhin die Frage, die sich wohl viele Mitglieder der PCM zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Parteifusionen gestellt haben, ob es über-haupt möglich für eine Partei ist sich nicht vom Machtspiel der etablierten Parteien korrumpieren zu lassen.

Als Ergebnis dieser Arbeit lässt sich Folgendes festhalten: Es gelang der PCM, eine Vielzahl internationaler und nationaler Musiker/innen für ihre

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Feste zu gewinnen, die die Festivales de Oposición attraktiv machten und der PCM die Gelegenheit boten, sich als reformorientierte und offene politische Kraft in Szene zu setzen. Die Festivals zeugten von der Aufbruchsstimmung in der Linken der siebziger Jahre und vom Mut und Elan der PCM, die sich aus der Semi-Klandestinität in eine legale politische Akteurin verwandelte.

Die PCM schuf mit den Festivales de Oposición einen Raum der Begegnung und Vernetzung, der auf unterschiedlichen Ebenen, international, regional und kulturell stattfand und alle Akteur/innen bereicherte und veränderte. Dabei nahm die PCM in ihrer Vernetzung auf den Festivals verschiedene Stellungen als Empfängerin von Hilfsleistungen und als Unterstützerin von Engagement ein. Ihr Kontakt mit neuen Bewegungen wandelte ihre poli-tischen Analysen, was ihre Stellung innerhalb der mexikanischen PRI-Opposition verändert, wo sie als Akteurin, die aus den Anregungen von 1968 gelernt hatte, galt und gleichzeitig auch ihre Positionierung innerhalb des Verbundes kommunistischer Parteien als reformorientierte Partei manifestierte.

Die Mexikanische Kommunistische Partei diskutierte auf ihren Festivals über viele neue Themen, die sich auf ihre internen Reformen bezogen oder neue Politikfelder für sie darstellten. Sie trat auf den Festivals mit linken Aktivist/innen und internationalen Gästen in den Austausch, die im weiteren Sinne der Linken zuzurechnen waren, jedoch die politischen Vorstellungen der PCM nicht teilen mussten. Die Beziehungen zu den Bewegungen der neuen Linken, hier in Form des Verhältnisses von PCM und Neofeminist/innen bzw. zur mexikanischen Befreiungstheologie untersucht, veränderten sich über die Zeit und wurden in beiden Fällen immer enger. Jedoch war die Nachhaltigkeit dieser Kooperationen nur hinsichtlich der Öffnung gegenüber den links orientierten Gläubigen und der Unterstützung der Befreiungstheologie gegeben. Im Bezug auf die Verankerung des Feminismus in der Partei, des Rechtes auf legale Abtreibung oder die Unterstützung der Gleichberechtigung der Homosexuellen veränderte sich das politische Verständnis erneut mit der Fusion der PCM zur PSUM.

Die Debatten auf den Festivales de Oposición bezeugen die Öffnung gegenüber den neuen Bewegungen und Reformorientierungen der PCM. Der erlebte intensive Austausch mit internationalen Aktivist/innen und politisierten Künstler/innen gab den Parteimitgliedern Selbstvertrauen, da

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sie Gelegenheit hatten, unterschiedliche sozialistische Theorien und Kulturen kennenzulernen und eigene Positionen zu entwickeln, statt fertige Konzepte zu übernehmen. So erinnerten sich die Mitglieder der PCM an die Feste als bewegte Zeit und „Höhepunkte“ im Parteileben, bei denen meist jenseits des offiziellen Programms ein ehrlicher Austausch zustande gekommen war.

Die PCM-Feste waren ein Anlass für die PCM, sich mit einer politisierten, kritischen Kunstbewegung zu konfrontieren, deren Kunst und Musik die Festivals ausmachten. Auf den Festivalbühnen wurde bis 1980 neben dem internationalen New Folk ausschließlich die Musikrichtung des Canto Nuevo Latinoamericano präsentiert, in der sich lokale Folklore-Elemente mit poli-tischen Texten verbanden. Für die PCM war diese Musikströmung eine politische Alternative zum kommerziellen Kulturbetrieb und zu den von der Partei als „unpolitisch“ angesehenen Musikrichtungen wie der mexika-nischen Rockmusik. Die politisierten Künstler/innen sahen ihre Kunst als Werkzeug im politischen Kampf und als Contracultura an, weshalb sie von der PCM unterstützt wurden, obwohl es auch innerhalb der Partei Bedenken gegenüber der neuen politisierten Kunst gab, die sich nicht den Partei-interessen unterwerfen wollte.

Über die Ausrichtung des künstlerischen Programms der Festivals wurde bis zur Auflösung der PCM zwischen den „politischen Generationen“ inner-halb der Partei debattiert, die sich weniger in Jahren bemessen, sondern auf unterschiedliche Politisierungsmomente zurückgehen. Während die lang-jährigen Parteimitglieder die Festivals als Bühne für eine sozialistische Kunst im Sinne der Parteiinteressen verstanden, wollten die nach 1968 politi-sierten Parteimitglieder die Festivales de Oposición , angelehnt an die Theorien Antonio Gramscis, als offene Plattform für die politische Kunst verstanden wissen, da die Kunst für sie eine große Bedeutung im politischen Kampf um eine linke Hegemonie hatte.

Im Bezug auf die Kulturpolitik der PCM auf ihren Festivales de Oposición zeigte sich einerseits ein pragmatischer Umgang der Partei mit den Künstler/innen, da die PCM alle zuließ, sie jedoch regulierte, wie prominent die Beiträge der Kunstschaffenden platziert wurden und bestimmte, wer und was „Opposition“ war. Andererseits wurde in den Festivaldebatten zur Kulturpolitik der Partei klar, dass die PCM keiner Kulturpolitik folgte,

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sondern die Festivales de Oposición als Experimentierfeld für eine mögliche Kulturpolitik nutzte.

Im Austausch mit den diversen Bewegungen aus Politik und Kunst zeigte sich, dass die PCM mit den Festivales de Oposición einen Raum für Transferleistungen in alle Richtungen bot, insbesondere bei der Festivalmusik des Canto Nuevo Latinoamericano . Diese Musikströmung aus dem globalen Süden wirkte auch im globalen Norden und brachte revolutionäre Lieder aus der Peripherie in die Zentren. Die Musik war für viele Besucher/innen die Motivation zu den Festivals zu kommen und wurde, wie Latour beschrieb, zu einem „Mittler“ der Gemeinschaft erzeugte und über unterschiedliche Lebensbedingungen hinweg vermittelte. Über die internationalen Protest-themen und regionalen Rhythmen bot der Canto Nuevo Latinoamericano seinen Hörer/innen sowohl globale als auch lokale Identifikation an und gehörte in linken Kreisen schon bald zur Populär-Kultur und zum Zeitgefühl. Die Erforschung eines solchen Kulturtransfers ist nicht nur wichtig, um sich dem historischen Zeitgefühl nähern zu können, sondern vor allem auch, um das noch immer vorherrschende eurozentristische Modell der kulturellen Homogenisierung aus den kapitalistischen Zentren heraus zu erweitern und davon abweichende Realität wahrzunehmen und darzustellen.

Die PCM-Feste waren eine Plattform für den Austausch auf regionaler und internationaler Ebene und boten eine Bühne für den Kulturtransfer, der sich vor allem in der Musik des Canto Nuevo Latinoamericano ausdrückte und aus der Peripherie auch die Linken in den kapitalistischen Zentren prägte. Die Festivales de Oposición sind ein Beispiel für das Gefühl von Solidarität und den Internationalismus, die die Attraktivität der Linken ausmachen und noch zu wenig erforscht sind.

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1.1 Publikum beim ersten Festival de Oposición in Mexiko-Stadt. Foto AGN Foto-archiv, o. A.: Primer Festival del Periódico „Oposición“ del PCM, 32/242 AB R I L 1977.

Abb. 1.2 Menschenmenge beim ersten Festival de Oposición. Foto AGN Fotoarchiv, o. A.: Primer Festival del Periódico „Oposición“ del PCM, 32/243 A B R I L 1977.

Abb. 1.3 Der Direktor von Oposición, Marcos Leonel Posada, eröffnet das erste Festi-val. Foto AGN Fotoarchiv, 32/243 A B R I L 1977.

Abb.1.4 Felipe Ehrenberg: „El Arte según yo“, Chapultepec 1979. Juan Caloca, Felipe Ehrenberg; Waysatta Fernández; Sofia Olascoaga: In: Search of a Model for Life, di-gital https://www.canopycanopycanopy.com/contents/in-search-of-a-model-for-life gesehen am 24.09.2020.

Abb. 1.5 Plakat des letzten Festival de Oposición. Grafik: o. A.: Festival de Unidad, 1981. In: Victor Soler Claudín: La gráfica política en México, Disgrafsol: México D. F. 2012, 45.

Abb. 2.1 Wahlplakat der PCM „Dale Fuerza a la izquierda“, Plakat: Miguel Ángel Guz-man; Nicolás Severino: PCM, 1979. In: Victor Soler Claudín: La gráfica política en México, Disgrafsol: México D.F. 2012, 35.

Abb. 2.2 Plakat der PCM zu, XIX. Parteikongress. Plakat: Fernando Rodríguez: Reno-vación, 1981. In: Victor Soler Claudín: La gráfica política en México, Disgrafsol: México D.F. 2012, 49.

Abb. 2.3 Wahlplakat der PCM„Ahora sí hay candidatos del pueblo“ Plakat: o. A.: PCM – Ahora sí hay candidatos del pueblo, 1979. In: Victor Soler Claudín: La gráfica política en México, Disgrafsol: México D.F. 2012, 36.

Abb. 2.4 LP-Cover vom ersten Festival-Mittschnitt. La estrella roja, 1978. LP-Sampler: Primer Festival de Oposición, Discos Fotón México D. F. 1978.

Abb. 2.5 Einweihung des XVIII. PCM-Kongress im Polyforum Siqueiros, 22.–25.05.1977, Bildarchiv AGN, –32/292,– M A Y O 1977.

Abb. 2.6 Demonstration für die Unabhängigkeit der Gewerkschaften.Foto von Pedro Valtierra, o. J.. Olga Aragón: PCM 100 años: raíz roja de ayer, hoy, digital: http://www.4vientos.net/2019/11/24/pcm-100-anos-raiz-roja-de-ayer-hoy/, gesehen am 20.07.2020.

Abb. 2.7 Arnoldo Martínez Verdugo und Valentín Campa während einer Veranstal-tung im Rahmen der Wahlkampagne von Campa, Foto: Genaro Rodríguez Navarre-te, CEMOS 6/08/10/1976.

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Abb. 2.8 Der Koch Stalin und der gebratene Truthahn des Dogmatismus. Grafik De-sign: Rafael López Castro; Marisela Bracho; Alberto Castro Leñero; Germán Montal-va. In: Enrique Semo: El cocinero Stalin y el pavo asado del dogmatismo. In: El Ma-chete, Nr. 1, 05/1980, 31–33, 31.

Abb. 2.9 Vision von El Machete zu den Notwendigkeiten beim XIX. Parteikongress: Karl Marx, Che Guevara, John Lennon und vier Gläser Wein. Grafik Design: Rafael López Castro: Titelbild von El Machete, Nr. 12, 04/1981.

Abb. 3.1. Eingang des Auditorio Nacional während des III. Festivals, Foto des AGN

Bildarchiv, o. A.: III. Festival de Oposición, AGN Bildarchiv, 33/573, A B R I L 1979.

Abb. 3.2 Festivalplakat des V. Festival de Oposición 1980. Grafik: Carlos Palleiro: Ya viene tel festival, 1980. In: Cámera de Diputados: La gráfica política en México, Dis-grafsol: México D. F. 2012, 44.

Abb. 3.3 Fotos des Abschlusskonzertes des ersten Festival der PCM, Foto-Collage in Oposición 30.04.1977.

Abb. 3.4 Eingangshalle mit einem Banner der teilnehmenden sozialistischen Zeitun-gen beim ersten Festival, Foto AGN Bildarchiv, o. A.: Primer Festival del Periódico „Oposición“ del PCM, 32/246 A B R I L 1977.

Abb 4.1 Christ/innen und Marxist/innen im sozialistischen Kampf, Wahlplakt der PCM 1979. Plakat: Miguel Ángel Guzman: Wahlplakat Cristianos y Marxistas en la lucha socialista, 1979. In: Cámera de Diputados: La gráfica política en México, Dis-grafsol: México D. F. 2012, 35.

Abb. 4.2 Frauenkommission der PCM: Für einen kommunistschen Feminismus, für einen feministischen Kommunismus ohne Jahr. Comisión de las Mujeres del PCM: Por un Feminismus comunista y un comunismo feminista, Plakat Fernando Rodrí-guez, o. D. In: Cámera de Diputados: La gráfica política en México, Disgrafsol: Méxi-co D. F. 2012, 41.

Abb. 4.3 Im Comic Los Agachados erläutert Rius die Argumentation der PCM, dass Abtreibung vor allem aus gesundheitlichen Gründen sowie wegen der Kostener-sparnis legalisiert werden sollte, da das viele Menschenleben retten würde. Comic: Rius: Los Agachados: Al Aborto y la Pildora, Nr. 149, Editorial Posadas: México D. F. 1974.

Abb. 4.4 „Das sind die Tatsachen. Sag Ja zum Gesetz für freiwillige Mutterschaft!“ PCM 1979. In: Cámera de Diputados: La gráfica política en México, Disgrafsol: Méxi-co D. F. 2012, 41.

Abb. 4.5 Wir sind keine Ware! Frauenproteste in den siebziger Jahren in Mexi-ko-Stadt. Foto von Ana Victoria Jiménez. In: Animal Político, 2011. Francisco Sando-val: CISEN espiaba a feministas, digital: https://www.animalpolitico.com/2011/06/el-cisen-espiaba-a-feministas-ana-victoria-jimenez/, gesehen am 15.05.2020.

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Abb. 4.6 Frauenproteste der Coalición de Mujeres vor dem Senat in Mexiko-Stadt. „Wir fordern frei und kostenlose Abtreibung“, Foto Ana Victoria Jímenz. In: Animal Político 2011.Francisco Sandoval: CISEN espiaba a feministas, digital: https://www.animalpolitico.com/2011/06/el-cisen-espiaba-a-feministas-ana-victoria-ji-menez/, gesehen am 15.05.2020.

Abb. 4.7 Der Kommunismus der Bibel, Grafik Design: Alberto Castro Leñero; Germán Montalva In: José Porfirio Miranda: El comunismo en la biblia. In El Machete, Nr. 11 1981, 27–29, 27.

Abb. 4.8 Jesus ein Arbeiter wie alle anderen. Grafik Design: Rafael López Castro: Ti-telbild von El Machete, , Nr. 5, 09/1980.

Abb. 4.9 Die Mysterien der PCM. Was passiert auf dem XIX. Parteikongress? Grafik Design: Rafael López Castro; Marisela Bracho; Alberto Castro Leñero; Germán Mon-talva. In: Roberto Borja; Fernando Danel: ¿ Qué pasará en el XIX congreso? In: El Machete Nr.5, 09/1980, 29-31, 29.

Abb. 5.1 Schallplatte des zweiten Festival de Oposición. Compilation: Segundo Festi-val de Oposición, Discos Fotón, México 1978.

Abb. 5.2 Einen Guerrillero hängt man nicht an die Wand. Roberto Jacoby: un gueril-lero, Buenos Aires 1968, abgedruckt in Luis Camnitzer: Conceptualism in Latin America. Didactics of Liberation, 2007 University of Texas Press: Austin, 183.

Abb. 5.3 LP-Cover eines Canto Nuevo Samplers mit Interpret/innen aus verschiede-nen Ländern Lateinamerikas. Complitation: El Canto de un pueblo, Radio Educati-on, México 1977.

Abb. 5.4 „Was ist die ‚Canción de Protesta‘? Eine Sache, die man nie im Radio hört! Wann hört man schon Folklore-Musik aus Amerika? Nur US-Zeug wird gespielt.“ Comic: Los Agachados: La canción de protesta, Nr. 123, Editiorial Posadas: México D.F. 1973, o. S.

Abb. 5.5 LP-Cover von Rini Tempelton, Los Folkloristas: Album: Nuevo Canto, Disco Pueblos: México 1976.

Abb. 5.6 Rini Templeton: Los músicos. In: Centro de Documentación Gráfica Rini Templeton: El arte de Rini Templeton. Donde hay vida y lucha, 1987 Real Comet Press. Seattle, Washington, 249.

Abb. 5.7 „Aber die Canción de Protesta ist nicht nur eine schöne Form die Folklore zu nutzen, sondern auch um das Bewusstsein zu erweitern. Es ist eine notwendige Form des Nationalismus, die zeigte, das die Jugend aufgehört hat, ihre Ohren auf Produkte aus Chicago oder San Francisco auszurichten. Das ist purer Kulturkoloni-alismus.“ „Weil der Rock mag ja sehr schön sein, aber was sagt er aus?“ Comic: Los Agachados: La canción de protesta, Nr. 123, Editorial Posadas: México D.F. 1973, o. S.

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Abb. 6.1 Abschlusskonzert auf dem ersten Festival de Oposición, Festivalmitschnitt. Foto auf LP-Cover Musiksampler: Primer Festival de Oposición, Discos Fotón, Méxi-co 1978.

Abb. 6.2 Publikum des ersten Festivals, Foto AGN Fotoarchiv, 32/244 A B R I L 1977. Abb. 6.3 Plattencover vom Album: Los Folkloristas, eine in der DDR erschienene Pressung bei Amiga. Ostberlin 1976.

Abb. 6.4 Plattencover von Los Nakos: Album: Hippie. Escarones: México 1969.

Abb. 6.5 Oktoberklub beim Festival des politischen Liedes, Ostberlin 1977. Musiker-portrait Oktoberklub digital http://www.deutsche-mugge.de/portraits/4347-ok-toberklub.html, gesehen am 05.08.2020.

Abb. 6.6 Grafik von Carlos Palleiro. LP-Cover Alfredo Zitarrosa: Desde el exilio, Al-bum: Textos Políticos – 20 años de compromiso 1960-1980, Fotón México 1980.

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Interviews

Mit Marianne Braig in Dahlem, Berlin am 09.05.2014.

Mit Luciano Concheiro in Alvaro Obregón (Mexiko-Stadt) am 06.11.2013.

Mit Ramón Costa Ayube in Xochimilco (Mexiko-Stadt) am 23.11.1013 und 01.03.2014.Mit Ismael ‚Mailo‘ Colmenares in Ciudad Universitaria (Mexiko-Stadt) am 11.11.2010 und 09.02.2012.

Mit Leonor Lara in der Condesa (Mexiko-Stadt) am 23.09.2011.

Mit Malva Mejía in Coyoacán (Mexiko-Stadt) am 18.02.2014.

Mit Sol Mejía in San Rafael (Mexiko-Stadt) am 24.02.2014.

Mit Felipe Galván im Zentrum (Mexiko-Stadt) am 12.02.2014 und 25.02.2014.

Mit Joel Ortega in Álvaro Obregón (Mexiko-Stadt) am 11.02.2014.

Mit Hugo Ponce de León in Doctores (Mexiko-Stadt) am 30.11.2014.

Mit Marcos Leonel Posadas in Tlalpan (Mexiko-Stadt) am 21.02.2014.

Mit Alberto Pulido in Coyoacán (Mexiko-Stadt) am 23.05.2011.

Mit María Eugenia Pulido Pulido in Álvaro Obregón (Mexiko-Stadt) am 19.05.2011.

Mit Enrique Semo in Àlavro Obregón (Mexiko-Stadt) am 03.03.2014.

Mit Ilán Semo in Coyoacán (Mexiko-Stadt) am 17.12.2013.

Mit Antonio Ibarra am 21.01.2014 in San Geronimo, Mexiko-Stadt.

Anthar y Margarita : Canción al partido Comunista, Album: Anthar y Margarita , Fotón: México D. F. 1976.

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Dies.: Album: Los Folkloristas , Amiga. Ostberlin 1976.

Dies.: Koonex, Koonex, Album: México , Discos Pueblo, México 1988

Dies .: Raíz Viva, Album: Raíz Viva de México, Discos Pueblo: México 1978.

Dies .: Tierra Mestiza, Album: México, Discos Pueblo: México 1976.

Los Nakos : Album: Hippie , Ecaros: México 1969.

Dies.: Somos los Nakos, Album: Los Nakos 68–98 , Pentagrama México 1998.

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Los Olimarenos : A Simón Bolívar, Album: Che Vive , Ediciones Frente: Montevidedo 1968.

Musik-Sampler: Hombro con Hombro , Areito Movieplay, España 1975.

Musik-Sampler: Primer Festival de Oposición , Discos Fotón, México 1978.

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Musik-Sampler : Tercer Festival de Oposición , Discos Fotón, México 1979.

Musik-CD: Chilenisches Metall. Album: Solidaritätslieder , Sechzehn Musikprodukti-on, Berlin 2008

Oktoberklub: Hombro con Hombro, Album: Segundo Festival de Oposición , Discos Fotón, México 1978.

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Palomares , Gabino: Maldición de la Malinche, Album: Maldición dela Malinche , Dis-cos Pueblo: México D. F. 1975 .

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Danksagung

Ohne die Unterstützung von vielen lieben Menschen hätte ich diese Arbeit nicht schreiben und noch weniger beenden können. Zuerst möchte ich mich bei meinem Doktorvater Prof. Stefan Rinke für die kontinuierliche Unterstützung und das Vertrauen bedanken. Die Unterhaltungen mit Prof. Ricardo Pérez Montfort bilden nicht nur die Grundlage für diese Unter-suchungen, sondern brachten mir noch etwas Mexikos näher. In Berlin hat mich der Austausch mit meiner Betreuerin Prof. Marianne Braig und die Anregungen von Prof. Debora Gerstenberger ebenso weitergebracht wie Dr. Anne Huffschmids Liebe und „encanto profundo“ mit Mexiko, mit der alles begann. Mein Dank gilt meinen Interviewpartner/innen, die mir ihre Aufmerksamkeit und Geduld schenkten und deren leuchtende Augen für mich fest mit den Festivales de Oposición verbunden sind. Ferner möchte ich mich bei allen mexikanischen Lehrenden des Internationalen Gra-duiertenkollegs „Entre Espacios“ bedanken, ihr Wissen und ihr Lachen waren mir eine wertvolle Hilfe.

Besonders möchte ich Prof. Guiomar Rovirar, Dr. Héctor Jiménez Guzman, Dr. José Alberto Chávez Moreno und Prof. Bernd Hausberger für radikale Offenheit und Lust an der Kontroverse danken. Mein Dank gilt ferner den mexikanischen Archiven: dem Archivo de la Nación, dem Zeitungsarchiven der UNAM, der Bibliothek Miguel Lerdo de Tejada , dem Centro de Estudios del Movimento Obrero y Socialista (CEMOS), deren Dokumentenschätze ich sichten durfte. Beenden konnte ich die Arbeit nur mit der Unterstützung von Freund*innen: ich danke Maja für das Insistieren, Tanja und Ronny für Freundschaft und Motivation, Anja für Zeit und Café, Nayeli für das Glück ihrer Nähe und Gisela für den letzten Ruck mit einem Lachen. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern.