Controversia et Confessio, Bd. 4


Pezel, Apologia verae doctrinae (1571) – Einleitung

Einleitung

1. Historische Einleitung

Schon bald nach seinem Antritt der theologischen Professur in im ausgehenden Jahr 1569 musste sich der philippistisch gesinnte mit der Frage nach der rechten Definition des Evangeliums beschäftigen. Denn in der 1570 im Druck erschienenen Schrift Collatio warf den Philippisten vor, antinomistische Positionen eines zu erneuern und die Lehre preiszugeben. Angesichts der Vorwürfe bat , ein in ­Neustadt tätiger Pfarrer, die Wittenberger Fakultät, das philippistische Verständnis des Evangeliums im Sinne der Buße und Vergebung der Sünden etwas ausführlicher zu verteidigen. Bei seiner Anfrage scheint von Anfang an an gedacht zu haben,Vgl. : Cum autem non sine graui contumelia hae voces docentibus in his scholis et ecclesijs obijciantur, non dubium est, necessariam esse harum praestigiarum refutationem, quae cum ab hoc etiam loco non aliena videri debeat, reuerenter oro clariss. et reuerendum virum, doctorem , vt aliqua, quantum temporis huius angustia patitur, quae ad hanc controuersiam pertinent, ad me et alios erudiendos non grauatim exponat copiosius. der tatsächlich alsbald eine solche Verteidigung abfasste und sie zusammen mit der Anfrage des in den Jahren 1570 und 1571 je zweimal im Druck ausgehen ließ. In der Erstauflage des Jahres 1570 erschien die Schrift, die den Gesamttitel Quaestio de definitione evangelii trug, als Beilage zu der von in gedruckten Oratio de politia et hierarchia populi Iudaici des von . Eine Zweitauflage erfuhr sie in dem Sammelband De praecipuis horum temporum controversiis.Vgl. . Im Jahr 1571 wurde die Schrift in einer erweiterten Neuauflage des Sammelbands De praecipuis horum temporum controversiis wie auch in dem sechsten Band der in den vergangegen fünf Jahren an der Leucorea gehaltenen Reden mitabgedruckt.Vgl. ; .
In einer der beiden Auflagen aus dem Jahr 1570 lernte auch die Schrift kennen, gegen die er im Appendix seines 1571 veröffentlichten Werks De antinomia veteri et nova scharf polemisierte. Nun lag es wieder an , die Kritik des Gnesiolutheraners zu entkräften, was er mit seinem Werk Apologia verae doctrinae tat. Weil der Auffasung war, dass seine Argumente aus der Quaestio de definitione evangelii entstellt wiedergegeben habe, flocht er in sein Werk zahlreiche wörtliche Passagen aus jener Schrift ein, um sie dem Leser erneut zugänglich zu machen.Vgl. u., 539,28–540,9, 545,30–546,22, 548,10–37 et passim. Auf diese Art und Weise avancierte die Apologia verae doctrinae in gewissem Sinne zu einer erweiterten Fassung der Quaestio de defi1nitione evangelii, die seitens der Philippisten das Schlusswort in der antinomistischen Debatte darstellte: Mit zahlreichen Bezügen auf die Confessio Augustana variata, auf die gegen die Antinomer gerichteten Thesen und mit expliziter Berufung auf die Loci theologici Vgl. u., 535f, Anm. 25–27, 555, Anm. 71f (Confessio Augustana variata), 537, Anm. 29–32, 550, Anm. 59f, 554f, Anm. 67–70, 559, Anm. 82–84 (erste, zweite, dritte und vierte Thesenreihe gegen die Antinomer) und 538, Anm. 34, 541, Anm. 40f (Loci theologici ). suchte zu beweisen, dass das von ihm und seinen Gesinnungsgenossen verteidigte Evangeliumsverständnis kein anderes war als dasjenige ihrer großen Wittenberger Vorgänger und .
2. Der Autor

Der am 5. März 1539 in geborene absolvierte die dortige Lateinschule.Vgl. zu seiner Person: , 287f; . 1554 immatrikulierte er sich an der Universität Jena, an der ihn der Philologe sowie die Theologen und prägten. Im Jahr 1557 empfahl den jungen Mann an nach , wo er sich allerdings nur wenige Monate aufhielt. 1557 bis 1562 wirkte als Lehrer in . Anschließend war er bis 1564 an der Schule von tätig. 1564 kehrte zurück nach , um sein Studium fortzusetzen. 1567 zum Professor der Artes liberales an die Leucorea berufen, wurde er am 23. Oktober 1569 durch zum Nachfolger als Prediger an der Schlosskirche ordiniert. Im Dezember 1569 erfolgte seine Aufnahme in die Theologische Fakultät, woran sich am 11. Mai 1570 die Promotion zum Doktor der Theologie anschloss.
Der von 1571 im Namen der Wittenberger theologischen Fakultät herausgebrachte lateinische Katechismus setzte die Debatte um die Wittenberger Abendmahlslehre und Christologie in Gang.Vgl. . Parallel hierzu focht eine Kontroverse mit über das philippistische Verständnis des Evangeliums aus. Infolge der Ablehnung der als Definition des kursächsischen Bekenntnisstandes konzipierten Torgauer ArtikelVgl. . wurde Ende 1574 von seinen Ämtern abgesetzt und im November 1576 auch aus ausgewiesen. Nach einem Aufenthalt in folgte er dem Ruf des zur Einrichtung einer Hohen Schule in . 1578 nahm an der reformierten Synode in teil. Während dieser Zeit vollzog er den Schritt vom Philippismus hin zum Reformiertentum und wurde Prediger in . Im Frühjahr 1581 wechselte nach , wo er mit seinem 1582 verfassten Bremer Katechismus das Brotbrechen beim Abendmahl einführte. Ab 1584 wirkte als Professor für Theologie, Ethik und Geschichte an dem von ihm mitgegründeten Bremer Gymnasium illustre. Er starb am 25. Februar 1604.
3. Inhalt

In der Apologia verae doctrinae wird das philippistische Verständnis des Evangeliums als Predigt von Buße und Vergebung der Sünden gegen die Angriffe verteidigt. Christus selbst nenne die Evangeliumspredigt eine Bußpredigt, die zur Vergebung der Sünden führe aͤLk 24,46f). Der Unterschied zwischen Mose und Christus, zwischen Gesetz und Evangelium, bestehe darin, dass das Gesetz den Menschen verklage und die Sünde groß mache, nicht aber wie das Evangelium zur Buße rufe. Christus sei nicht gekommen, um das Gesetz aufzulösen, noch wolle er, dass die Sünder, die er zur Buße rufe, in ihren Sünden verharrten. Biblische Aussagen wie Act 5,31 würden Buße und Sündenvergebung eng mit der Geschichte Christi verknüpfen. Würde die These zutreffen, dass die Buße mit dem Gesetz verbunden sei, dann hätten die Apostel nicht wie an der zitierten Stelle dem jüdischen Volk von einer neuen Buße erzählen müssen: Das jüdische Volk hätte diese Möglichkeit schon gekannt.
Auch Petrus predige in seiner Pfingstpredigt vor den versammelten Zuhörern, dass sie Buße tun und sich taufen lassen sollten zur Vergebung der Sünden, damit sie die Gabe des Heiligen Geistes empfingen (Act 2,37f). Jene Predigt sei keine Gesetzespredigt, sondern die eigentliche Verkündigung des Evangeliums. Das widerlege den Vorwurf , dass die Philippisten mit ihrem Evangeliumsverständnis eine neuantinomistische Lehre in die Kirche einführen würden. Seine Beweisführung stützt mit der Auflistung von Zitaten aus der Confesio Augustana variata und der Apologia Confessionis Augustanae, denen sich Belege aus erster und vierter Antinomerdisputation anschließen, gefolgt von Definition in den Loci theologici: Est igitur euangelium praedicatio poenitentiae et promissio, quam ratio non tenet naturaliter, sed reuelata diuinitus, in qua Deus pollicetur se propter Christum Filium suum remittere peccata et nos pronunciat iustos..
Des Weiteren geht auf Kritik an der philippistischen Auffassung ein, nach der das Evangelium nicht nur Verheißungen, sondern auch Drohungen enthalte. Doch sei die biblische Aussage, dass wer nicht glaube, verdammt werde (Mk 16,16), nicht anders als eben so zu verstehen. Das Evangelium enthalte tatsächlich derartige Drohungen gegen diejenigen, die den Sohn Gottes verachten und nicht Buße tun. Auch habe die philippistische Auffassung kritisiert, das Evangelium klage die Menschen an. Dagegen hält fest, dass der Heilige Geist die Welt wegen ihrer Sünde des Unglaubens nicht durch das Gesetz, sondern durch das Evangelium anklage.
4. Ausgaben

Der Druck kann nur in einer Ausgabe nachgewiesen werden, die dieser Edition zugrunde liegt:
A:APOLOGIA || VERAE DOCTRI­ || NÆ DE DEFINITIO= || NE EVANGELII. || OPPOSITA THRASONICIS || præstigijs & indignis Theologo lusibus || Iohannis VVigandj. || AVTHORE || CHRISTOPHORO PEZELIO || Sacræ Theologiæ Doctore & Professore || in Academia Vvitebergensi. || VVITEBERGÆ || Excudebat Clemens Schleich || & Antonius Schöne. || ANNO M.D.LXXI. [24] Blatt 4° (VD 16 P 2087)

Vorhanden:
Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dm 2890, 12 in: Dg 3
Gotha, Forschungsbibliothek: Th 8° 01653 (23), Th 8° 03356 (05), Theol 4° 00520d (02)

Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: Pon Vg 1651, QK, Ung VI 63 (10)

Rostock, Universitätsbibliothek Rostock: Fg-1529.2, Fg-1154.2
Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek: G 102.4° Helmst. (6), A: 110 Theol. (6) [benutztes Exemplar], A: 251.29 Theol. (10), A: 298.1 Theol. (8), A: 202.26 Quod. (22), A: 393.10 Theol. (16), A: 418.7 Theol. (17)