Controversia et Confessio, Bd. 4


Wigand, De antinomia veteri et nova (1571) – Einleitung

Einleitung

1. Historische Einleitung

Die Abfassung und Veröffentlichung der Schrift De antinomia veteri et nova fiel in die zweite Hälfte der zweiten Jenaer Wirkungsperiode . Sie entstand im Kontext der intensiven Auseinandersetzung mit der philippistischen Entschlüsselung des Begriffs Evangelium im Sinne der Buße und Vergebung der Sünden, die seit dem Erscheinen seiner Collatio im Jahr 1570 führte und in die er auch die Studenten in involvierte: Als gnesiolutherisch gesinnter Theologieprofessor ließ etwa im Jahr 1571 über die von ihm als antinomistisch gebrandmarkten Ansichten der Philippisten disputieren, die er im Rahmen der nicht näher datierten Thesenreihe Propositiones de legibus divinis et de evangelio thematisierte.Vgl. ; . Dabei ging in der Collatio wie auch in den Propositiones noch nicht personenbezogen vor, und er verzichtete in den genannten Drucken darauf, seine Gegner namentlich zu benennen.
Dies änderte sich mit dem Eintreten und in die Kontroverse. Nachdem sich mit der gegen Ende des Jahres 1570 verfassten Schrift Spongia und mit der um dieselbe Zeit veröffentlichen Quaestio de definitione evangelii gegen Collatio gewandt hatten, griff der streitbare Gnesiolutheraner seine Gegner frontal an. Das tat er mit dem hier vorliegenden Werk De antinomia veteri et nova, in dem er, außer und , gegen einen weiteren Autor eines anonymen Drucks polemisierte.Vgl. u., 451,35–462,13, bes. 452,17–22 und 462,4–9. Insbesondere bei dem aus stammenden war sich sicher, dass er die alten antinomistischen Lehren von erneuere, der seinerzeit ebenfalls in der Geburtsstadt gewirkt hatte. Dementsprechend ordnete in die vermeintliche Eislebener Tradition der antinomistischen Verfälscher der wahren Lehre , gegen die es mit aller Entschiedenheit vorzugehen galt. Seine im Laufe des Jahres 1571 in erschienene Schrift De antinomia veteri et nova widmete der streitenden Kirche Christi, die er zu Wachsamkeit und Bewahrung des rechten Erbes aufrief.Vgl. u., bes. 423,2–12, 437,7–15 und 462,18–23.
2. Der Autor

Der 1523 in geborene studierte ab 1538 in , wo , , , u. a. zu seinen Lehrern zählten.Vgl. zum Folgenden: , 33–38; . Nach einer 1541–1544 erfolgten Tätigkeit als Lehrer an der Schule zu St. Lorenz in beendete er 1545 in sein Studium. Vor den Wirren des Schmalkaldischen Kriegs wich nach aus, wo er die Nachfolge des 1548 verstorbenen Stadtpfarrers antrat. In dem bald daraufhin ausgebrochenen Adiaphoristischen Streit (1548– 1560) distanzierte sich von , indem er zusammen mit die Wiedereinführung altgläubiger Riten ablehnte. Gegen die Philippisten bezog er, der 1553 nach berufen wurde, auch im Majoristischen Streit (1552– 1570) mit seiner Verneinung der von bejahten Frage der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit Stellung.
Seit 1560 Professor in , wurde bereits im Folgejahr entlassen, als es zu Reibungen wegen dem im Juli 1561 von errichteten Konsistorium gekommen war. In diese Zeit fiel auch der Bruch mit , nachdem dieser auf der Weimarer Disputation vom 2.–8. August 1560 gegen die These vertreten hatte, die Erbsünde sein kein Akzidenz, sondern die Substanz des Menschen. 1562 wurde von und als Superintendent in installiert. 1563 verlieh ihm die Rostocker Universität die Doktorwürde. 1568–1573 wirkte erneut in , wobei er diesmal neben der theologischen Professur auch das Amt des Superintendenten versah. In den 1570er Jahren kooperierte eng mit , der ihm nach ihrer beider 1573 erfolgten Ausweisung durch die erste Professur an der Königsberger Universität und das Pomesanische Bistum verschaffen konnte. Im Jahr 1579 unterschrieb die Konkordienformel. Er starb am 21. Oktober 1587.
3. Inhalt

Sieht man von der einleitenden Vorrede an die streitende Kirche Christi ab, zerfällt die Schrift De antinomia veteri et nova in struktureller Hinsicht in drei Teile. Im ersten Schritt bietet eine Rekonstruktion der alten Antinomie, bei der er sich der gegen die Antinomer gerichteten Werke , des Catalogus haeresium von (1557), der Confession von (1540) und des Bekenntnisses der Prediger der Grafschaft (1559) bedient.Vgl. etwa u., 449, Anm. 33, 430, Anm. 35–37 et passim (sechs Thesenreihen gegen die Antinomer), 442, Anm. 81 (Wider den Eisleben ), 446, Anm. 94 (Catalogus haeresium des ), 444, Anm. 84 und 86 (Confession des ) und 434, Anm. 47 und 50 (Bekentnis der Prediger in der Graffschafft Mansfelt). Als zweites nimmt die Zusammenfassung und Widerlegung der neuen Antinomie vor, die anhand von Spongia erfolgen und bei denen, nebst der Bibel und den einschlägigen Werken , vielfach aus der Apologia Confessionis Augustanae zitiert wird.Vgl. exemplarisch u., 495–497, Anm. 247–256 (sechs Thesenreihen gegen die Antinomer sowie seine Schriften . Die Schrift schließt mit einem Appendix, in dem sich mit der Quaestio de definitione evangelii polemisch auseinandersetzt.
Inhaltlich wendet sich gegen die philippistische Definition des Evangeliums, die er als antinomistisch bzw. neuantinomistisch bezeichnet. Der Antinomismus raube dem Gesetz Gottes seine eigentliche Aufgabe und forme das Evangelium zu einem neuen Gesetz um. Aus diesem Grund habe mit seiner Unterscheidung von Gesetz und Evangelium den Antinomismus aktiv bekämpft. Dass kurz nach seinem Tod die Antinomisten sich wieder in der Kirche etablieren würden, könne nicht hingenommen werden. Gegen die antinomistische Lehrverfälschung sei festzuhalten, dass das Gesetz eine Vorschrift Gottes für die Menschen darstelle, die anzeige, was er tun solle und was nicht. Es verlange den vollständigen inneren und äußeren Gehorsam, verheiße das Leben unter der Bedingung der vollständigen Erfüllung. Nach dem Sündenfall sei das Gesetz Gottes dem Menschen mit dem Griffel Gottes in sein Herz eingeschrieben, am Berg Sinai wiederholt und in schriftliche Form gebracht worden. Die Summe des Gesetzes sei im Dekalog zu finden. Falsch sei auch die Ansicht der altgläubigen Theologen, dass das Gesetz nichts mehr verlange, als was die menschliche Natur leisten könne. Nicht einmal die Wiedergeborenen könnten mit ihrem anfänglichen Gehorsam alle Forderungen des Gesetzes erfüllen. Drei Gebräuche des Gesetzes seien voneinander zu unterscheiden: 1. Der Gebrauch des Gesetzes als Norm des inneren und äußeren Gehorsams; 2. den Menschen seiner Sünde überführender Gebrauch; 3. der Gebrauch für die Wiedergeborenen als Norm des neuen Gehorsams, den der Heilige Geist in ihnen wirke. Dieser neue Gehorsam fange in diesem Leben an, werde aber erst im ewigen Leben vollendet.
Das Evangelium sei die frohe Botschaft von Christus als Retter bzw. von der geschenkten Vergebung der Sünden, die der Glaube ergreife. Das Evangelium sei schon im Paradies durch den Sohn Gottes offenbart (Gen 3,15), durch die Väter, Patriarchen, Mose und die Propheten wiederholt worden und dann als erfüllte Verheißung der Kirche anvertraut worden. Doch sei das Herz des Menschen nach dem Fall verfinstert gewesen, so dass er das Evangelium nicht verstanden habe. Christus habe das Gesetz nicht abgeschafft, sondern erfüllt. Daher widerspreche das Gesetz nicht dem Evangelium, sondern bestätige die Lehre von Christus, der das Gesetz erfüllt habe. Das Evangelium als Botschaft von der Gesetzeserfüllung Christi verdamme nicht, sondern segne, klage nicht an, sondern befreie, töte nicht, sondern mache lebendig. Das Gesetz sei das Wort des Zorns und des Todes, während das Evangelium das Wort der Gnade, des Heils und des Lebens darstelle. Gesetz und Evangelium müssten daher in der Kirche in ihrem spezifischen Gebrauch verkündigt werden. Durch das Gesetz sei der Mensch zuerst zur Erkenntnis seiner Sünde zu führen (Röm 3,20; 7,7). Danach müsse ihm durch das Evangelium Christus als der Retter gezeigt werden, damit er im Glauben stehen, die Gnade und die Sündenvergebung empfangen könne. Da sowohl die Buße als auch der Glaube notwendig seien zum Heil, könne die Kirche keinesfalls auf eines der beiden Worte Gottes verzichten.
Im Besonderen wendet sich der umstrittenen Unterscheidung von Gesetz und Evangelium zu, bei der er drei wichtige Differenzen geltend macht: 1. Das Gesetz sei dem Menschen von Natur aus bekannt, während das Evangelium als ein Geheimnis Gottes erst nach dem Fall geoffenbart worden sei. 2. Das Gesetz habe unter der Voraussetzung seiner Erfüllung die Verheißung des Lebens. Das Evangelium habe hingegen Verheißungen, die umsonst aus dem Erbarmen Gottes hervorgingen aufgrund des Verdienstes Christi. 3. Das Gesetz offenbare die Sünden des Menschen, verdamme und erschrecke die Gewissen, während das Evangelium Christus offenbare, von der Sünde freispreche und lebendig mache. Die Aussagen des Alten Testamentes, die das Gesetz loben (Ps 1,1f), seien auf das ganze Wort Gottes, d.h. das Evangelium, zu beziehen. Im Neuen Testament werde der Begriff Evangelium manchmal als Sammelbegriff für Gottes Wort, das in Gesetz und Evangelium ergehe, verwendet. Diesen Sachverhalt hätten vor allem und für ihre falsche Definition des Evangeliums als Predigt der Buße und der Sündenvergebung gebraucht. Als Generaldefinition sei das zu tolerieren, nicht aber als eigentliche und ausschließliche Definition des Evangeliums, da ansonsten Mose und Christus miteinander vermischt würden.
4. Ausgaben

Der Druck kann nur in einer Ausgabe nachgewiesen werden, die dieser Edition zugrunde liegt:
A:DE || ANTINO= || MIA VETERI ET NO= || VA, COLLATIO ET || COMMONEFACTIO. || D. IOHANNIS VVI= || GANDI. || IENAE || Anno Christi, || 1571. [102] Bl. 8° (VD 16 W 2710)

Vorhanden:
Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dm 2874

Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: AB 29105 (6), Alv.: Ab 310 (8)
Jena, Universitätsbibliothek: 8 Alch. 125 (2)
München, Bayerische Staatsbibliothek: 037/Th H 2233
Wien, Österreichische Nationalbibliothek: 79.Aa.89
Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek: D 101.8° Helmst. (1), 919.103 Theol. (6), 1040.3 Theol. (3), 1165.11 Theol. (2) [benutztes Exemplar]