Controversia et Confessio, Bd. 4


Sybold, Wahrhaftiger Gegenbericht (1569)

Sybold, Wahrhaftiger Gegenbericht (1569)Nr. 16 ULB Darmstadt info:isil/DE-17 Darmstadt Letzte Änderung: 2022-01-19 Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY)

Es hat kurtz vorschiener zeit M. Andreas Fabricius, jtzt Pfarherr zu Eysleben, daselbst lassen in Druck gehen: Bericht vom gesetz Gottes, seinem brauch vnd mißbrauch, sonderlich, was den gleubigen odder gerechten belangt, wieder etliche Gottslesterige Propositiones,Vgl. unsere Ausgabe Nr. 15, S. 329–346. wieErgänzt, fehlt im Text. der Tittel des Buchs lautet.

So viel nu die Propositiones anlanget, sagt er Erstlich vnter dem Titel zum Sechsten, das sie aus der Helle zusamen gelesen etc., vnd den Predigern zu Northausen, so sich jetzt von demselben ort haben wenden muͤssen, schuld gegeben werden.Fabricius, Bericht vom Gesetz Gottes, B 8v, unsere Ausgabe Nr. 15, S. 338,17f; 338,19–339,1.

Zum Andern setzt er, es sein zween Meister daran gewesen, einer Lucas Bor
neman, der habe sie fur zwelff Jharen zusamen gelesen vnd damit M. AntoniumAnton Otho. beschuͤldiget, der sie solle geleret haben, welcher sich des fuͤr D. Morlino zu Braunschweig muͤndlich vnd fuͤrdem Ministerio zu Halle schrifftlich verantwortet. Der ander Meistersey ich, M. Seyboldus, jetziger zeit Pfarherr zu Northausen, welcher sie offtmals
vorendert vnd endlich etliche dauon abgeschnittengetilgt. Vgl. Art. abschneiden 9), in: Fnhd.Wb. 1, 349. vnd andere vom dritten gebrauch hinan geflicket,hinzugefügt. vnter welchen die 28. 29. jm zugeschrieben.Fabricius, Bericht vom Gesetz Gottes, B 8v–C 1r, unsere Ausagbe Nr. 15, S. 339,12–14.

Wiewol ich nue wuͤndschte, das Lucas Borneman selbst, wie es dieses streits halben zwischen M. Antonio Ottone zugangen, moͤchte bericht thun. Weil ich aber damit eingezogen, so erfordert die notturfft,Notwendigkeit. Vgl. Art. nothdurft 3), in: DWb 13, 927. zu meiner
entschuͤldigung die warheit mit besserm grunde darzuthun, dan sie mit verschwigener erzelung listiglich vnd vorsetzlich von Fabricio hinderhalten.geheim gehalten, verhehlt worden ist. Vgl. Art. hinterhalten, in: DWb 10, 1505f.

Vnd was Lucam Borneman belanget, kan ich mit guten gewissen sagen, das der keine gemeinschafft, die zeit meines Lebens, mit mir gepflogen. Er ist aber vor dreyzehen Jharen vnter Christoff vom HagenBei ihm soll es sich um einen herausragenden Adligen aus dem Eichsfeld gehandelt haben, der ein früher und überzeugter Anhänger Luthers gewesen sei. Vgl. Rademacher, Rüdigershagen, 221. zu Deuna auff dem
Eißfelde Pfarher gewesen, vnd ist hernach mit Antonio in sonderliche kundschafftbesondere Bekanntschaft, Freundschaft. Vgl. Art. Kundschaft II 3 a δ), in: DWb 11, 2639. komen, der jn auff seine Cantzel zu Northausen gestellet, allen andern Predicanten vorgezogen, vnd weil er seines Handwercks ein Teppichmacher gewesen, hat er jn sonderlich admirirt vnd dem heiligen Paulo gleich geachtet.Vgl. Act 18,3. Lucas ward daher mutig vnd kuͤne, vnd ob er wol
vnuorschulter sache einen Erbarn Raht weidlichleidenschaftlich, kräftig. Vgl. Art. weidlich II B 1 d), in: DWb 28, 607f. zum offtermal vesperite, ward jm doch hirinnen von Antonio nicht allein nicht vntersaget, sondern ward dazu noch gelobet vnd dem Propheten Amos vorgliechen,Der alttestamentliche Prophet Amos wandte sich mit Unheilheilsprophezeiungen an das Volk Israel. Sozialkritisch prangerte er darin z.B. die Ausbeutung der Armen und die Korruption unter Richtern an. Vgl. Ludwig Markert, Art. Amos/Amosbuch, in: TRE 2 (1978), S. 471–487. dessen sich etliche frome Rathsvorwandten dazumal nicht wenig beschwerten.

Von Deuna wendet sich Lucas in die stadt Northausen, treib alda sein Hand
werck vnd bleib ein zeitlang one dienst vnd Vocation. Ward aber nichts desto weniger von vielen fuͤr einen sonderlichenaußergewöhnlichen. Lehrer gehalten, auch vielen fuͤrtreflichen Leuten in HoͤhenschulenUniversitäten. Vgl. Art. Hochschule, in: DWb 10, 1631. vnd Kirchen fuͤrgezogen. Antonius gieng mit jm teglich vmb, vnnd auff das er jn ja hoch huͤbe machte er jm viel fuͤrnemer Leute anhengig. Herwider hielt Lucas
auch viel von Antonio, war sein vleissiger, trewer zuhoͤrer, vnd were jm leid gewesen, ein einigeeinzige. Predigt zu uorseumen.

Jn dem er nu Antonium vleissig hoͤret vnd seine Predigt auffschreibet, befindet er seine vnrichtigkeit, so er der Antinomia halben hinder vnd bey jhm stecken hat, vnd beginnet auff zu zeichen die ergerlichen reden, so er
wider das gesetz Gottes in seinen Predigten one schew fuͤrete, beredte jn deshalben Priuatim, vberweisete vnd vberzeugte jnen, was er auff jeden Monat, tag, Predigt, stunde vnd zeit offentlich gepredigt vnd geleret hette vnnd, weil solchs wider die Heilige schrifft, vermanet er jhn dauon abzustehen.

Weil aber Antonius von seinem gefastem [sic] wan nicht wolte lassen, sonder gedachte denselben weiter zu beschoͤnen, citirte in Lucas fuͤr den Herrn D. Morlinum gegen Braunschweig,Über diese mündlichen Verhandlungen im Jahr 1558 finden sich keine weiteren Hinweise neben der Erwähnung bei Fabricius. Vgl. Fabricius, Bericht vom Gesetz Gottes, C 1a, unsere Ausgabe Nr. 15, S. 339,7. vnd wie sich da Antonius entschuͤldigte, das ist dem Ehrwirdigen, hochgelarten Doct. Martino Chemnicio, jetzigen Pfarherrn vnd Superattendenten zu Braunschweig, als
dieselbe zeit dabey vnd daneben gewest, wol bewust, so bezeugen es auch viel frome, gottfuͤrchtige Leute, so es aus D. Morlini eignem munde gehoͤret. Den er diese schedliche Opinion nicht allein mit wehmut beklagt, sondernKonjiziert aus: soudern. auch da keine treuhertzige, christliche erinnerung vnd vermanung hat helffen wollen, ist der herr Doctor bewogen worden, offentlich wider die
Fanaticos zu schreiben.Vgl. DISPVTATIONES || TRES. PRO TERTIO || VSV LEGIS CON= || TRA FANA= || TICOS. || IOACHIMVS MÖR­ || LIN. D. || [s.l., 1566] (VD 16 M 5872). Daraus dan erscheinet, das Antonius deshalben nicht vnschuͤldig zu Braunschwig befunden, wie jn Borneman beklaget, vnd das aus folgenden vrsachen: Den fuͤrs erste sind fuͤrhanden Doctoris Morlini ausgegangen Positiones, die bisher nicht mit dem geringsten Buchstab oder Tittel sind widerlegt worden.

Zum andern seine handschrifft vnd Sendbrieffe an fuͤrneme Person geschriben.

Zum Dritten, das M. Fabricio wol bewust ist die enturlaubungEntlassung. Vgl. Art. Enturlaubung, in: DWb 3, 642. Ern Christiani Topffen, Diaconi Nicolai, welche nur darumb ward fuͤrgenomen, das er seinem PfarherrnAnton Otho war von 1543 bis zu seiner Entlassung 1568 Pfarrer an St. Nicolai. Zu ihm vgl. Koch, Anton Otho. in vnser aller gegenwertigkeit vnter augen sagte:
Tu habes erroneas Opiniones de lege. Es muste der gute Christianus fort, vnd weil er vnbillicher weise ward verstossen, geried er endlich in solche schreckliche schwermut, das er sich selbst Leibloͤset.Christian Topf aus Nordhausen war 1549–1557 Pfarrer in Schönfeld bei Artern, 1557–1560 Diakon an St. Nicolai in Nordhausen, 1560–1563 Pfarrer in Liebenrode, 1560 und 1563 wurde er jeweils abgesetzt, er starb im Hospital seiner Heimatstadt durch Suizid (vgl. Pfb. KPS 8, 585f). Darumb Fabricius mich vnbillich beschweret vnd sich mit der Braunschweigischen Kirchen nicht hat zu behelffen.

Mit dem Ministerio zu Halle hats diese gelegenheit, wie gemelter Otto sich an die Christliche warnung Doct. Morlini nicht wil keren, sonder in seinem fuͤrsatz jmmer fuͤr vnd fuͤr verharret vnnd vnser Kirchen gleichwol geergert, habe ich, Jacobus Syboldus, mich neben noch zweyen damals der Stadt Northausen Pfarherrn vnnd Predigern, Johanne Fues, Pfarherr D.
Petri,Johann Fuß war 1555–1556 Diakon an St. Blasius in Nordhausen und 1556–1565 Oberpfarrer an St. Petri in Nordhausen. Er verstarb dort 1565 an der Pest (vgl. Pfb. KPS 3, 183). vnd Johanne Norico, Pfarherr D. Jacobi,Johannes Noricus wurde am 24. Juni 1516 in Nürnberg geboren. Seine Ordination empfing er durch Johannes Pfeffinger in Leipzig. Um 1544 war er Pfarrer in Oppershausen, bis 1547 Pfarrer in Niederdorla, 1547–1583 Pfarrer in Nordhausen. Er starb dort am 26. September 1583 (vgl. Pfb. KPS 6, 341). zu sampt meinem Diacono M. Liborio StolbergLiborius Stollberg war 1556–1557 Diakon an St. Blasius in Nordhausen, 1558 erlangte er den Magistergrad in Wittenberg, 1560–1567 war er Oberpfarrer in Beichlingen, 1567–1577 Oberpfarrer in Kölleda. Er starb dort am 8. Oktober 1577 an der Pest (vgl. Pfb. KPS 8, 420). solcher M. Antonij Opinion widersetzt, auch etliche ernste Warnungschrifft an einen Erbarn Rath vnser ordentliche Oberkeit dieser Stadt Northausen vbergeben, die dan ferner M. Antonio zu uorantworten von einem Erbarn Rath zugestellet worden, vnd als solchs
geschehen, hat der Rath zu erkuͤndigung der warheit die Acta an die wolberuͤmbte Kirchen der alten Stadt Halle gelangen lassen. Was die nu dorauff erkand, ist aus jrem gesprochenen iudicio zu befinden.Das Gutachten der Hallenser findet sich abgedruckt bei Seehawer, Lehre vom Brauch des Gesetzes, 100–106. Jch kan nicht sehen, das sie Antonium gentzlich entschuͤldigen, welchs sie one zweiffel wuͤrden gethan haben, wan er sich fuͤr jhnen volkoͤmlich
verantwortet hette. Derwegen Fabricius dis sein fuͤrgeben (das Antonius sich fuͤr dem Ministerio zu Halle schrifftlich verantwortet) ja so wenig mit der Hellischen als mit der Braunschweigischen Kirchen kan beschoͤnen.

Das er mich aber fuͤr einen Meister der 30. Propositionen ausschreiet,Vgl. Fabricius, Bericht vom Gesetz Gottes, C 1r, unsere Ausgabe Nr. 15, S. 339,11; vgl. zudem Seehawer, Lehre vom Brauch des Gesetzes, 97–99. darinnen thut er mir gewalt vnd vnrecht, vnd wirdt solche bezichti
gung nimmermehr auff mich mit warheit bringen koͤnnen. Es ist mir solche zusamen tragung, das Gott weis, vnbewust, vnd kan mit guten gewissen sagen, das ich sie dergestalt widerweder. geflicketverändert. Vgl. Art. flicken 3), in: DWb 3, 1775. noch gelappet,zusammengeschustert. Vgl. Art. 1lappen, in: Fnhd.Wb. 9,1, 279f. vilweniger zu Leiptzig noch anderswo Fabricio oder Antonio zuwider ausgestreuet. Jch habe jhn zuuor in seiner gegenwertigkeit beschuͤldiget vnd meinen grund nit
aus frembden, sondern aus seinen selbst mir zugeschickten PositionibusDamit sind wohl nicht die anonymen 30 Thesen gemeint, sondern diejenigen, die Fabricius im Frühjahr 1565 aufstellte. Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 274f. genomen vnnd vnter andern die 6. vnd 17. als falsch vnd ergerlich reijciret.zurückgewiesen. Vgl. Art. reicio, in: Georges I, 2286f. Das ich aber solchs gethan habe, auch nach seinem abzoge,Der Nordhäuser Stadtrat entließ Fabricius am 8. Juli 1568 zusammen mit Anton Otho. Vgl. Silberborth, Höhepunkt, 53. das wird mich niemand verdencken. Vnser Kirche ist mit der Lere wider den dritten gebrauch des Gesetzes noch betruͤbt, vnd hat sich M. Fabricius mit mir deshal
ben gar nicht vorsoͤnet. Er spricht wol, sein schreiben sey Priuatim geschehen vnd sey auff den abusum gericht gewesen,Fabricius blieb bei dieser Darstellung und rechtfertigte sich auch noch 1569 in der Weise, dass seine Thesen 1565 noch vor der eigentlichen Fertigstellung nach Braunschweig zur Begutachtung gesendet worden seinen. Daher seien in den Thesen noch Gemitus priuati et pii de misero statu ecclesiae gewesen. Vgl. Ein Sendbrieff || An die Pfar= || kinder der Gemeine || Christi ad D. Petrum || in Northausen. || Zum zeugnis vnd erin= || nerung einerley Ampt vnd Le= || re bissher durch Gottes gnade be= || stendiglich gefFret / auff den || gegenbericht M. Sybol= || di geschrieben. || Durch || M. Andream Fabricium. || [Eisleben: Andreas Petri 1569] (VD 16 F 274), B 6r; das Erscheiungsjahr 1569 – anders die Datumsangabe 1570 in VD 16 – ergibt sich aus der Antwort von Sybold. Die Vorrede von dessen Gegenschrift ist auf den Bartholomäustag, also den 24. August 1569, datiert. Vgl. Bestendige / || Vnd Richtige antwort auff || M. Andreae Fabritij Send= || brieff/ an die Gemein zu S. || Peter in Northausen ge= || schrieben. || Durch || M. Jacobum || Syboldum Franckenhusanum / Pfar= || herr zu S. Blasius / Anno || 1569. || [s.l. 1569] (VD 16 S 10341), A 4r. aber man lese den Titel seiner Propositionen, so wird sichs anders finden. Er setzet ja ausdruͤcklich contra tertium legis vsum, qui fingitur contra S. Paulum et Lutherum,Vgl. dazu Richter, Gesetz und Heil, 274, bes. Anm. 136. vnd gedenckt des abusus nicht im geringsten. Hat er aber den ab
usum gemeint, warumb gehen den seine Positiones contra tertium vsum, ist nu vsus et abusus einerley? Oder gilt eins so viel als das ander? Gerne mocht ich wissen, wie er doch diß zusamen bringen wolle, den vsus vnd abusus, sind in meiner Theologia widereinander vnnd koͤnnen keines weges vorglichen werden.

Vnd weil ich gleichwol sehe, wie sich Fabricius vordrehet, der da zuuor contra tertium legis usum gestritten, felt er jetzt zuruͤcke vnd wils de abusu verstanden haben. Jtem, er sagt in der Vorrede seines Buͤchleins, er werde vber etlichen Gesetz fragen beschwert,Vgl. Fabricius, Bericht vom Gesetz Gottes, A 2r, unsere Ausgabe Nr. 15, S. 329,1f. wil mir von noͤten sein, hieuon einen gruͤndlichen bericht an tag zu geben. Wil demnach Erstlich anzeigen,
was das fuͤr Gesetz fragen sein gewesen, daruͤberich mit Fabricio gestritten, darnach zum Andern wil ich auch anzeigen, was ich ferner an seinem Buͤchlein fuͤr mangel habe.

Nicht lange nach gepflogener hand­lung, welche bey vns die benachbarten Theologen der vmbligenden Graffschafften Stolberg, Schwartzburg,
Honstein vnd Mansfeld fuͤrnamen,Der Stadtrat hatte sich im März 1561 an die Grafen von Schwarzburg, Stolberg, Hohnstein und Mansfeld um Vermittlung gewendet. Vgl. dazu Koch, Anton Otho, 71f; vgl. die Einleitung zu Nr. 14, S. 303. begunten vnser widerparten vom Gesetz Gottes ergerlich zu reden, gaben fuͤr, der newe gehorsam were dem newen Menschen nicht noͤtig. Der newe mensch lebte in Gott vnd aus Gott, darumb were er dem Gesetz nichts schuldig, brauchten auch daneben etliche vnerhorte absurda de legis abrogatione, vnd trieben das alles ohne vnterlas so
lange, bis sie zu letzt an den Dritten gebrauch des Gesetzes gerieten, den wolten sie aller ding nicht leiden, machten sich derhalben an mich, vnd auff das sie einen haben moͤchten, wider den sie solchen zanck fuͤrten, ward mir ins Haus geschickt ein greulicher Gotslesterlicher Tittel,Sybold gibt selbst an, dass ihm die Schrift samt der Thesenreihe des Fabricius am 15. August 1565 zugegangen sein soll. Vgl. Bestendige / || Vnd Richtige antwort auff || M. Andreae Fabritij Send= || brieff / an die Gemein zu S. || Peter in Northausen ge= || schrieben. || Durch || M. Jacobum || Syboldum Franckenhusanum / Pfar= || herr zu S. Blasius / Anno || 1569. || [s.l. 1569] (VD 16 S 10341), E 1r. welcher von worten zu worten also lautet: Quod duo tantum vsus legis sint, quod lex tantum
damnet, accuset, iram operetur, et id solum officium habeat, nec vllum praeterea aliud, sine vlla exceptione idque ciuiliter, Politice, Phisice, spiritualiter, Theologice et Ecclesiastice. Et quod tertius legis vsus non sit in rerum natura, neque in coelo neque in terra neque in vllis legibus neque diuinis neque humanis, Platonis, Imperatorijs, Turcarum aut Muschorum re
periatur, et quod affirmare ex tertio legis vsu, contra scripturam et Theandrum Lutherum, quod lex videlicet in tertio Vsu doceat renatos, seu nouum hominem bona opera, sit Sathanica Arrianica blasphemia, rapina diuinitatis, et ipse tandem Diabolus, cum sua matre, extollens et constituens se regendo, docendo, formando supra coelum et terram, Deum, Angelos et omnes sanc
tos eius, quod euertat funditus totum Iustificationis articulum, tollat Christum de ecclesia, cum omnibus suis meritis. Vnd summa, das kein mensch selig werden kan, wan tertius usus war vnd in ecclesia sol geduldet vnd geleret werden. Iudicatio simplex ac perspicua testimonijs scripturae, Patrum graecorum et latinorum ac magni Heliae Antichristicidae, pio studio collecta
et conscripta etc.Es handelt sich dabei offensichtlich um eine Schrift von Michael Neander aus dem Jahr 1565. Vgl. zu dessen Autorschaft und der Aufregung über diese Schrift in Nordhausen Richter, Gesetz und Heil, 275f, 294f Dem Tittel folgeten M. Fabricij Positiones, vnd wurden dieselben eben einem meiner zuhoͤrer,Gemeint ist wohl der Nordhäuser Stadtsyndikus Matthias Luder. Vgl. ebd., 294f. dem zuuor der Tittel, mir zu antworten zugestelt, auch gegeben, mit vormeldung, das ich mich am Tittel versucht, solte ich die Positiones auch examiniren. Wiewol ich nu gute vrsach hette, dieselben hie gleicher gestalt wie den Tittel zu setzen,
wil ich doch des Meisters schonen vnd allein die 6. vnd 17. anziehen:

De homine nouo.

VI.

Viuat autem et operetur non quidem contra legem, sed tamen ante, sine extra et vltra legem, sine coactione, debito, necessitate legali ex libertate spiritus,
quasi nulla lex in mundo sit, Rom. 5. 7.Allgemein wird hier auf die Textstellen des 5. und 7. Kapitels des Römerbriefs verwiesen, in denen die den Menschen vom Gesetz befreiende Wirkung der Gerechtigkeit aus Glauben und die Verpflichtung auf den Gehorsam gegenüber Christus hervorgehoben wird.

XVII.

Si Paedagogia tertij pro vetere homine asseritur, et idem cum Primo vsu Politico esse intelligitur, ….. est inanis et nulla controuersia, sin pro nouo homine statuitur, blasphemia est in Theologia et portentum in rerum natura.

Was mir hie wolte zu thun sein, das that ich als bald vnnd, weil sie es ja also haben wolten, beschrieb ich neben dem Pfarherr Jacobi, Er Johan Norico, einen Erbarn Rath vnnd zeigte an, das beyde Tittel vnd Positiones, eins so wol als der ander, falsch, vnrecht vnd schwer­merisch were, solchs schreiben ward gegeben den 4. Sebtemb. des 65. Jhars vnd ist hernach in die
Acta vorleibet worden.Vgl. dazu Richter, Gesetz und Heil, 274f.

Darauff liessen nach etlichen wochen vnser Herrn, die Eltesten, vns auffs Rathaus conuociren, vnd wird sich Fabricius zu erinnern wissen, wo von dazumal der zanck gewesen. Die conuocatio geschach den 22. Nouembris vnd war nur vnd allein zu thun vmb den Dritten gebrauch des Gesetzes. Jch
vberantworte vnser meinung schrifftlich vnd da M. Antonius eine Definition tertij legis usus von mir forderte, ward die in vbergebener schrifft mit diesen worten erkleret: Wan man den dritten gebrauch des Gesetzes leret, so leret man, das ein Christ solle nach Gottes worte leben vnd, das sein gehorsam, den er in der Liebe vbet, nach nichts anders den nach den geboten Gottes sol
gehen vnnd gerichtet werden, wie das er Actis zu ersehen.

Dargegen huben meine widerparten an zu Disputiren, vnd brachten auff die ban das concretum vnd abstractum, dieselben terminos applicirten sie also, das der dritte gebrauch nachzugeben were in concreto aber nicht abstracto, redeten wuͤnderlich vnd seltzam vnd ward nichts geschafft noch
ausgericht.

Den letzten Aprilis anno 66. schreib ich neben Er Norico abermal an einen Erbarn Rath, den es war auffs newe eine boͤse, vnflettige schrifft contra tertium legis vsum ausgestrewet,Gemeint ist damit die Schrift Neanders aus dem Jahr 1565 vgl. Anm. 38. in welcher diese vnd dergleichen absurditates angezogen vnd begriffen waren, das gesetz ist eine lere Politice aber
nicht Theologice. Aller bericht von guten wercken, den die Aposteln nach volgezogenem artickel der rechtfertigung zu lehren pflegen, ist eine Lere, die allein gehoͤre dem alten aber keines weges dem newen menschen. Jch schrib aber nach gelegenheit dieser vngehewren reden etwas hefftiger, refutirte diese vergottete paradoxaKonjiziert aus: paradaxa.: Nouus homo est columna coeli et terrae, maior
coelo et terra. Iustus vt ipse Deus, quem tam lex non potest accusare, quam ipsum Deum, et tandem ipse Deus. Vnd bat einen Erbarn Rath vmb endliche eroͤrterung vnd abschaffung dieses zancks vnd schedlicher Opinion.

Das verdros meine widerparten gar hefftig vnd auff das sie sich an mir vnd
dem Pfarherrn Jacobi rechen mochten, trat einer aus jnen den 17. Maij auff die Cantzel Nicolai,Es handelt sich dabei wohl um Anton Otho, da dieser seit 1543 die Pfarrstellte an St. Nicolai versah und neben Fabricius maßgeblicher Gegner Sybolds im Streit um die Bedeutung des Gesetzes für den gerechtfertigten Menschen war. Vgl. Silberborth, Höhepunkt, 44. vnd was er das guts machte, wissen alle die, so jn gehoͤret haben. Er nante vns mit Namen vnd rieff vberlaut, der Pfarherr BlasijJacob Sybold. Vgl. Silberborth, Höhepunkt, 45. vnd JacobiJohannes Noricus. Vgl. ebd. weren TertianistenVerfechter des dritten Gebrauchs des Gesetzes. vnd falsche, verfuͤrische Lerer, sagte auch daneben, wer da wolte gewarnet sein, der solte sich fuͤr vns vnd vnsern
Predigten huͤten. Das muste recht vnd wolgethan heissen vnnd waswar. ein sonderlich stuͤcke jres eiuersEifers. vnd Christenthumbs.

Zu dieser greulichen bezichtigung konte ich nicht stille schweigen, den es betraff nicht allein mein vnd des Hern Norici Person, sondern fuͤrnemlich vnser ampt. Darumb entnamenentzogen. wir vns zu­gleich solcher aufflage,Vorwurf, Beschuldigung. Vgl. Art. Auflage 3), in: Fnhd.Wb. 2, 516.
erstlich fuͤr vnserer gemeine vnd darnach fur einen Erbarn, wolweisen Rath, vnd baten gantz vnderthenig, ein Erbar Rath wolte denselben Pfarherrn dahin halten, das er das jenig, so er wider alle Billigkeit vber vns ausgeschutverbreitet. Vgl. Art. ausschütten 6), in: Fnhd.Wb. 2, 1342. hette, erweisete vnd darthete. Vnsere gemeinen waren mit vns zu frieden vnnd gaben vns ein gut zeugnis, die Lere vnd das Leben betreffend. So lies sich
ein Erbare Rath auff ansuchen der eltesten Pfarvorwandten auch der billigkeit vornemen, anders wusten wirs nicht zumachen vnd weren lieber dieser muͤhe vnd vnruhe vberhoben gewesen. Der beweiß aber verzog sich etwas lange, vnd wie wir jetzt meineten, es wuͤrde nichts draus werden, wir musten mit dem gegebenen backenstreich fuͤr lieb nehmen, ward an stad des
beweises einem Erbarn Rath eine lange, weitleufftige schrifft zugestellet, derer sich Antonius, Fabricius vnd die andern alle subscribiret.Es handelt sich dabei eventuell um jene Schrift, auf die Sybold und Noricus den Norhäuser Stadtrat am 30. April 1566 aufmerksam machten und die angeblich von Otho und Fabricius stammen sollte. Vgl. Koch, Anton Otho, 72f.

Jn dieser schrifft giengen sie erstlich auff den alten, wolvorgetragenen handel, vnd gedachten denselben freuentlicher weise zu conuelliren,verdrehen. Vgl. Art. convello, in: Georges I, 1651f. thaten wider jr eigen gewissen vnd muste die Regel Christi nicht gelden:
Ewer rede sey ja, ja; nein, nein.Mt 5,37. Wer dis schreiben solte lesen, der wuͤrde von ebentewreAbenteuern. hoͤren. Zum Andern emendirtenberichtigten. Vgl. Art. emendo, in: Georges I, 2399f. sie jren errorem vnd liessen zu, legem esse homini Renato regulam bonorum operum, vnd damit nicht vormarckt wuͤrde, das sie zuuor anders gelert hetten, wurffen sie vmb sich mit mancherley conuitijs.Schmähungen, Lästerungen. Vgl. Art. convicium, in: Georges I, 1670f. Zum Dritten kamen sie wider auff jre
alte geygenalte Leier. Vgl. Art. Geige 3 b β), in: DWb 5, 2571f. vnd fochten das necessarium, debitum vnd oportet, wolten nicht gestatten, das diese Vocabula dem Renato in articulo bonorum operum solten zugeleget werden. Jhre wort lauten also: Wen die gefahr fuͤrvber ist vnd sie wider auff jre mesten komen, da gehet das ewige vnd vnentliche Cantzel geschrey an, das gesetz sol vnd muß nicht allein Iustum ea parte sui,
qua caro est, zu guten wercken anhalten vnnd treiben, sondern ea parte qua spiritus est, credens, Iustus. Dem ist das necessarium, debitum, oportet, wider aufferlegt, vnd mus also wider S. Pauli vnd Lutheri gleichnus der gerechte zum Schuͤler, zum Knechte vnter dem zuchtmeister sein, das Gesetz sein herr vnd treiber sein, vnd der gerechte jmmer knecht, jmmer
vnterthan, jmmer schuͤldiger vnd nimmer zaler. Haec illi.

Vnd hie sihet der Christliche Leser, wie vorwirret sie reden vnd wie felschlich sie genante woͤrter fuͤre vnd vorstehen. Dis gantze schreiben ward von vns auffs sittigste refutiret, vnnd da wir in illa refutatione an diesen Punct kamen, sagten wir, es neme vns gros wunder, das endlich vnser widerparten
zuliessen, das das gesetz regula bonorum operum were vnd gleichwol nicht wolten gestatten, das es solte sein regula necessaria. Wir erklerten vns auch zugleich, das wir das necessarium vnd das debitum verstuͤnden De ordine ab ipso Deo immutabiliter sancito. Jtem, das wir sie gebrauchten in ecclesia Renatorum de obligatione ad obedientiam, prompto et hilari animo praestan
dam, vnnd zeigten daneben zum vberflus an, das obedientia spontanea vnd obedientia necessaria oder debita nicht wider einander weren. Dieselbe refutation schrifft offerirten wir vnsern herrn, einem Erbarn Rath, den 26. SeptembrisSie scheint handschriftlich verfasst gewesen zu sein. Eine Druckschrift konnte nicht ausfindig gemacht werden. mit vndertheniger erinnerung, weil wir so hefftig von vnserm gegentheil beschuͤldiget vnd gleichwol kein gnugsamer beweis darge
than wurde, wolte ein Erbar Raht das mittel treffen vnd den jenigen, der vns so felschlich ausgeruffen hette, andern beweiß nachmals zufuͤren ernstlich aufferlegen. Wer hie nichts schaffte, dz war der Pfarher Blasij vnd Jacobi, den vnser gegenteil war so stoltz vnd vbermutig, dz man den zu keiner ausfuͤrlichen Probation bringen konte. Darumb musten wir haben, wie wir hat
ten, vnd ist die sache biß auff diese jtzige stunde vnerweiset vnd vneroͤrtert blieben.

Das ist der gantze handel, der sich zwischen vns vnd zwischen Fabricio, Antonio vnd jren zugethanen jetziger zeit hat zugetragen. Vnd hie sey Fabricio kuͤnlichklar und deutlich. trotzdie Stirn (geboten). Vgl. Art. Trotz A 1 a β), in: DWb 22, 1092. geboten, das er anders sage oder berichte, weil er aber mit
warheit nicht anders sagen kan vnd doch nichts desto weniger, mich zu beschweren, anders berichtet, sols allen gotfuͤrchtigen Christen heimgesteltüberlassen. Vgl. Art. stellen C 1 c), in: DWb 18, 2211. sein, was von seinem Buͤchlein zu halten. Es sind fuͤrwar nicht vnnoͤttige Gesetz fragen, wen man sich wider die aufflenet, die den Dritten gebrauch des Gesetzes vorwerffen vnnd nicht zulassen
wollen, das das gesetz sol sein ein Regel aller gotwolgefelligen guten wercke in den bekerten, den dadurch sind vnser Pfarkinder auff wuͤnderliche gedancken geraten. Einer hat dis, ein ander ein anders durffen fuͤrgeben. Vnnd war in summa dahin gekomen, das etliche sich hoͤren liessen, der gerechte lebte nach dem Euangelio vnnd nicht nach dem Gesetz. Dahin
wurden gezogen die spruͤche S. Pauli: Dem gerechten ist kein Gesetz gegeben.Vgl. I Tim 1,9. Jr seid nicht vnter dem gesetz, sondern vnter der gnade.Vgl. Röm 6,14. Die der geist Gottes treibet, sind Gottes kinder.Vgl. Röm 8,14. Vnd dis alles ward dahin gerichtet, damit das gesetz gentzlich abgeschafft wuͤrde. Were derwegen schreibens, vermanens, predigens vnnd reuocierens hoch von noͤten.

Bey dieser kurtzen erinnerung wil ichs auff dismal lassen bleiben, wer vnparteylich sein wil, der wird hieraus ab­nemen vnd vorstehen koͤnnen, das ich zur vngebuͤr bin beschuͤldiget worden.

Was ich ferner an Fabricij Buͤchlein fuͤr mangel vnd bedencken habe, wil ich kuͤrtzlich vormelden vnd jn mit keiner Sophisterey beschweren. Ehe ich
aber zum handel greiffe, wil ich mein richtig bekentnus vom Artickel der Rechtfertigung vnd von artickel der guten wercke lassen vorher gehen, der meinung, ein jeder fromer Christ werde daraus erkennen, das ich meine Pfarkinder vnd zuhoͤrer mit reiner, gesunder vnd heilsamer Lere vorsorge vnd das meine widerwertigen mich on alle schuld vnd vrsach calumnijrn.ungerecht kritisieren, schikanieren. Vgl. Art. calumnior, in: Georges I, 939f.

Vom Artickel der Rechtfertigung Lere, gleube vnd bekenne ich zum Ersten, das der Barmhertzige, guͤtige Gott vns armen vnd verdampten Menschen seinen eingebornen Son Jhesum Christum aus lauter gnade geschenckt vnd vns in demselben die ware, seligmachende gerechtigkeit mitgeteilet. Wie folgende spruͤche bezeugen Johan. 3: Also hat Gott die Welt
geliebt etc.Joh 3,16. Gal. 4: Da die zeit erfuͤllet ward, sandte Gott seinen Son etc.Vgl. Gal 4,4. Rom. 3: Wir werden one verdienst gerecht aus seiner gnade etc.Vgl. Röm 3,24.

Zum Andern, das der Son Gottes Jhesus Christus, welchen vns der Vater geschenckt, habe gelidden vnd vns durch solch seim Leiden vnnd sterben solche gerechtigkeit erworben. Esai. 53: Die straffe ligt auff jhm, auff das wir friede
hetten, vnd durch seine wunden sind wir geheilet.Jes 53,5. Rom. 4,Vgl. Röm 4,24f. Ephes. 1.Vgl. Eph 1,7.

Zum Dritten, das diese des Sons Gottes erworbene gerechtigkeit vns aus gnaden zugerechnet werde. Rom. 3: Sie sind alzumal Suͤnder vnd mangeln des rhums, den sie an Gott haben sollten, vnd werden one verdienst gerecht etc.Vgl. Röm 3,23f.

Zum Vierdten, das wir dieser zugerechneten gerechtigkeit allein durch den
glauben geniessen vnd teilhafftig werden. Rom. 3: So halten wir es nu, das der Mensch gerecht werde, one des Gesetzes werck etc.Vgl. Röm 3,28.

Dargegen vorwerffe ich allerley Jrthumb, so wider diesen Artickel sein eingefuͤret, oder noch eingefuͤret werden. Vnd zum Ersten vorwerffe ich den schedlichen Jrthumb der Phariseer vnnd schrifftgelerten, die zur zeit Christi
fuͤrgaben, es keme des Menschen gerechtigkeit aus dem gesetz vnd were der eusserlich gehorsam gegen die gebott oder gesetz Gottes.Vgl. Mt 23.

Zum Andern vorwerffe ich den Jrthumb der falschen Aposteln, so zun zeiten der Apostel aufftraten vnnd lereten, das gesetz gehoͤrte so wol zur gerechtigkeit als das Euangelion vnd muͤsten in ipsa iustificatione Gesetz vnd Euan
geliumKonjiziert aus: Enangelium. vngeteilt beysamen bleiben.Vgl. Gal 2,4f.12; II Kor 11,13

Zum Dritten vorwerffe ich den Jrthumb der Papisten, welche neben das vordienst Christi ihre eigne werck vnnd heiligkeit mit einmengen, geben fuͤr, der In der Custode: A. glaub mache nicht allein gerecht vnnd selig, sondern neben dem glauben werde auch zur seligkeit noͤtig erfordert die liebe.Vgl. Martin Luther, WA 6, 196–276 (Von den guten Werken, 1520).

Zum Vierden vnd letzten verwerffe ich alle Jhthumb, so zu vnsern zeiten erreget sind worden, als Jnterim,Zum Streit um das Augsburger Interim vgl. unsere Edition, Bd. 1. OsiandriAndreas Osiander hatte in Nürnberg maßgeblichen Anteil an der Einführung der Reformation. Bedingt durch seine Opposition gegen das Augsburger Interim verließ er die Stadt und wandte sich nach Königsberg, wo ihm Herzog Albrecht von Preußen eine Professur anbot. Dort entwickelte sich ein heftiger Streit um sein Verständnis der Rechtfertigung. Vgl. Gottfried Seebaß, Art. Osiander, Andreas, in: TRE 25 (2995), 507–515; Stupperich, Osiander in Preussen; unsere Edition, Bd. 7. vnd dergleichen.

Von guten Wercken lere, glaube vnd bekenne ich: Zum Ersten, das die guten werck der Christgleubigen vnd newegebornen in dem Goͤttlichen gesetz der Zehen gebott angezeigt vnnd begriffen werden. Ezech. 20: Jch bin ewer
Gott, nach meinen gebotten solt jr leben, vnnd meine rechte solt jr halten vnd darnach thun, damit jr wisset, das ich der Herr ewer Gott bin.Vgl. Ez 20,19f.

Zum Andern, das sie der heilige Geist in vns schaffet vnd wircket. Zach. 12: Jch wil ausgiessen den geist der gnaden vnd des gebets.Vgl. Sach 12,10. Rom. 8: Die der geist Gottes treibet, sind Gottes kinder.Röm 8,14.

Zum dritten, das sie fruͤchte sein des glaubens vnd demselben gewißlich folgen, Math.Konjiziert aus: Mah. 5: Lasset ewer liechter leuchten etc.Vgl. Mt 5,16.

Zum Vierdten, das die so lange wir hie auff Erden leben, schwach vnd vnuolkoͤmlich bleiben, vnd doch gleichwol von Gott dem Allmechtigen als ein schuldiger gehorsam erfordert werden. Luc. 17: Wen jhr alles gethan habt,
was euch befohlen ist etc.Lk 17,10. Rom. 8: Wir sind schuldener etc.Vgl. Röm 8,12.

Dargegen vorwerffe ich Zum Ersten den Jrthumb der Pelagianer, die nichts gruͤndlichs von vnser vorterbten Natur wissen, sondern vnterstehen sich, das Gesetz Gottes aus eignen krefften zu erfuͤllen vnd gute wercke auch one den heiligen Geist anzufahen vnd zu erfuͤllen.Pelagius († nach 418) und seine Anhänger betonten, dass der Mensch wesenhaft gut und darum der menschliche Wille imstande sei, Gottes Gebote aufgrund seines natürlichen Vermögens einzuhalten. Vgl. Gerald Bonner, Art. Pelagius/Pelagianischer Streit, in: TRE 26 (1996), 176–185.

Zum Andern vorwerffe ich den Jrthumb der Papisten, welche Werck on gottes Gesetz vnd befehl, aus eignen [sic] gutduͤncken Leren, die doch Math. 15Vgl. Mt 15,1–20. vorgeblich vnd vmb sonst sind.

Zum Dritten vorwerffe ich den Jrthumb der Heuchler vnd Werckheiligen, welche aus guten wercken ein vordienst der Gerechtigkeit machen vnd
jhnen das zuschreiben, das Christo allein gehoͤrt vnd gebuͤrt.

Zum Vierdten verwerffe ich die Proposition, das gute Wercke zur Seligkeit noͤtig sein sollen. Den weil die guten werck allein aus der Seligkeit komen als derselben fruͤchte, koͤnnen sie nicht dazu noͤtig sein oder gehoͤren.Vgl. zum Streit über die Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit unsere Edition Bd. 3.

Zum Fuͤnfften vorwerffe ich den jrthumb der Antinomer, die den Papisten
vnd werckheiligen dz widerspiel halten, greiffen aber zu weit. Den was die Papisten auff jrer seiten dem Gesetz zuvil wider Gottes wort geben, dasselbe wird auff dieser seiten von den Antinomern dem Gesetz zuvil entzogen, vnd die sind mancherley. Etliche vorwerffen das Gesetz gantz vnd gar aus der Kirchen vnd weisens auffs Rathauß.Sybold spielt damit auf Johann Agricola an, mit dessen Anschauungen zur Bedeutung des Gesetzes sich Martin Luther im (zweiten) Antinomistischen Streit 1537 auseinandergesetzt hatte. Vgl. WA 50, 461–466; zur Formulierung WA 50, 468,4–8: Jch halt wol, das euch nu langest zukomen sind die Disputationes wider die newen geister, so das Gesetz Gottes oder zehen gebot aus der kirchen zu stossen und auffs Rathaus zu weisen sich unterstanden haben (Wider die Antinomer, 1539). Etliche lassens wol etlicher massen in
der Kirchen bleiben, aber es sol jhnen in Renatis eine freye vnd keine noͤtige Lere sein. Etliche nemen jhm zum theil sein ampt vnd wesen, wollens nicht Normam vitae vnd ein Brun der Goͤttlichen guten wercke sein vnd bleiben lassen etc.

Dis bekentnuß ist Anno 64. den 18. Junij erwas weitleufftiger einem Erbarn
Rath vbergeben vnd folgends von dem loͤblichen Ministerio zu Braunschweig fuͤr recht erkant vnd approbirt worden.Auf eine Anfrage des Rats der Stadt Nordhausen vom 9. Dezember 1564 antwortete das Ministerium in Braunschweig schon sechs Tage später mit der dringenden Mahnung, den Streit durch obrigkeitliche Verfügungen zu beenden Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 253; Koch, Anton Otho, 72. Darumb wil ich es hirbey lassen bleiben vnd jetzt anzeigen, was ich fuͤr mangel an Fabricij Buͤchlein habe.

Jm Fuͤnfften Punct wirfft er vmb sich mit grober, greiflicheroffensichtlicher, deutlicher. Vgl. Art. greiflich 2), in: Fnhd.Wb. 7, 363. vnwarheit.
Den er wil die, so den Dritten gebrauch des Gesetzes leren beschuͤldigen, als lereten sie, das dem gleubigen die Seligkeit zugesagt werde, wan er nach den [sic] Dritten gebrauch oder nach der Regel des gesetzes sich halte etc.Vgl. Fabricius, Bericht vom Gesetz Gottes, B 4v, unsere Ausgabe Nr. 15, S. 335,20–25. Meinet aber mich fur allen andern. Darumb, ob ich wol nicht zweiffel, die jenigen, so mit mir den Dritten gebrauch suo loco leren, werden sich
wol zu uorantworten wissen, wil ich doch fuͤr meine Person diese vnwarhafftige aufflage von mir ablenen. Sage derhalben, das dis zumal ein grober, vngewaschenerderber. Vgl. Art. ungewaschen c), in: DWb 24, 911. Jrthumb sey, den kein mensch, sondern der wuͤthafftige Teuffel auff mich erlogen. Wer meiner Lehre halben bericht wil haben, der lese mein offt vbergebene bekentnus. Jm bekentnus, welchs ich Anno 64
einem Erbarn Rath vbergeben, wirdt neben andern Blasphemis erroribus das verfluchte Jnterim also refutirt. Diese letzte wort im Jnterim (durch den heiligen Geist vernewert)Wer nuhn durch das teur bluet Christi erlöset und ime der verdienst des leidens Christi zugethailt und gegeben, der wirdet alßbaldt gerechtfertigt. Das ist: er findet vergebung seiner sünden, wirdet von der schuldt der ewigen verdammnus erlediget und vernewert durch den heyligen geist, und also auß einem ungerechten wirdet er gerecht. Augsburger Interim, IV (Von der rechtfertigung) 42. zeigen an den betrug vnnd falschheit im Jnterim. Den so wir auch darumb solten gerecht werden, das vns der heilige Geist vernewerte, muste folgen, das vnser gerechtigkeit nicht blos vnd allein auff
Christum, sonder auch auff vnser vom Heiligen Geist eingegebene werck sich gruͤndete, den das Buch Jnterim, durch die wort (vernewert werden), die liebeVgl. Augsburger Interim VII (Von der liebe und gueten wercken). vnd andere folgende wercke, wil verstanden haben. Solchs ist aber in loco iustificationis der heiligen Schrifft vnd dem vordienst Christi auffs hoͤheste zuwider etc. Nu wissen die gelerten sehr wol, wie
spitzigtrügerisch, hinterhältig. Vgl. Art. spitzig 2 e α), in: DWb 16, 2633. vnd vorschlagen dasselbe Buch im Artickel der Rechtfertigung sey gestellet.

Weil aber gleichwol der liebe Gott mir die gnade erzeiget, das ich diese tuͤckische grieffeTricks, Kniffe. Vgl. Art. grif 3), in: Fnhd.Wb. 7, 411 etlicher massen, nach anleitung meiner lieben Praeceptorn ersehen vnd verworffen habe, hoffe ich, er werde mich nimmermehr in
diese Blindheit lassen gerahten, das ich mich eines solchen scheußlichen Jrthumbs solte theilhafftig machen. Jch bleibe bey der Augspurgischen Confession vnd schrifften Lutheri, vnd wie ich die vorstehe, zeuget mein obberuͤrt Bekentnuß. Sage derhalben ohne schew, das mich Fabricius wider gott vnd alle billigkeit beschwere. Jtem, das er das jenige, so er auff mich tichtet,
wieder jetzt noch zu ewigen zeiten koͤnne erweisen.

Zum Ander wil er mich beschuͤldigen, als lerete ich, das in tertio vsu das gesetze die krafft vnd dz vermuͤgen zu guten wercken ge­be, schaffe vnd wircke.Vgl. Fabricius, Bericht vom Gesetz Gottes, B 6v, unsere Ausgabe Nr. 15, S. 337,3–5. Wer jm diese nouitates hat zugetragen, kan ich nicht wissen. Anders hat ers von mir zu Northausen gehort, anders werdens auch vnsere
Acta zeugen. Den in denselben zum offtermal, vnd sonderlich in einem schreiben Anno 66 gegeben, eben diese wort ausdruͤcklich angezogen werden: Wir leren je nicht, das das gesetz oder die guten Wercke zur Seligkeit noͤtig sein solten. Lehren auch nicht, das das Gesetz die krafft vnd das vermuͤgen zu guten wercken geben koͤnte, welchs beydes falsch vnd vnrecht
ist. Darumb Fabricius meiner wol hette moͤgen schonen vnd seinen vnnuͤtzen windGeschwätz; zu denken wäre aber auch an eine polemische Herabsetzung des Fabricius, indem Sybold hier dessen Äußerungen als Blähungen bezeichnet. Vgl. Art. wind II C 1), in: DWb 30, 258f. bey sich behalten.

Zum Dritten wil er mich beschuͤldigen, als entzoͤge ich mit dem Dritten gebrauch des Gesetzes dem gerechten das filiale debitum vnnd vormengete opera gratiae et opera legis. Item, timorem filialem et timorem seruilem.Vgl. Fabricius, Bericht vom Gesetz Gottes, B 7v, unsere Ausgabe Nr. 15, S. 338,4.
Vnd ist hie der Meister fastsehr (hier polemisch). Vgl. Götze, 73. kuͤndig, den er weis, wie er die Tertianisten sol zur Schule fuͤren. Vom debito in tertio legis vsu rede ich nicht me­re legaliter, ratione seruati rigoris, den diese schuld ist den widergebornen vmb Christi willen erlassen, sondern ich rede de debito ratione ordinis siue obedientiae, vnnd thut mir Fabricius abermal vnrecht, das er mir
wil die coactionem legalem auffdringen, da ich doch nur de filiali obligatione vnnd nicht de seruili coactione rede, wan ich in tertio vsu der woͤrter debiti vnd necessarij brauche.

Desgleichen thut er mir auch vnrecht, das er mir schuld gibt, ich werffe in einen hauffen opera legis et gratiae etc.,Vgl. Fabricius, Bericht vom Gesetz Gottes, B 7v, unsere Ausgabe Nr. 15, S. 338,4–7. da ich doch, solchs zu uormeiden.
eben deshalben vber dem tertio vsu so feste gehalten. Den wann der wird abgeschafft, so ist schone aller vnterscheid operum Renatorum et non Renatorum auffgehaben. Vnd weil Fabricius vor dieser zeit den Dritten gebrauch des Gesetzes so hart gestuͤrmet, auch in diesem Punct selbst vsum primum et vsum tertium confundirt, den ich rede in tertio vsu, nicht vom Gesetz one
die gnade, wie er meinet, vnnd mir den Todten buchstab des Gesetzes, zusampt seinem treiben auffdringet, mag derhalben wol selbst zusehen, wie er opera legis et opera gratiae distinguiere.

Mehr wil ich auff dißmal nicht antworten, es sey das iudicium vber Fabricij Buͤchlein denen heimgestelt, die den grund vnnd Rechte vrsachen vnsers
zwispalts wissen. Hertzlich wehe thut mirs, das Fabricius so vbel vnd vorgeßlich mit mir feret vnnd vmbgehet. Wie er zu Northausen war, muste jhm der Dritte gebrauch des Gesetzes sein blasphemia in Theologia et portentum in rerum natura. Nu er von hinnen komen vnd eines bessern berichtet ist worden wirfft, er sich herumb vnd wil mir den Jrthumb zumessen, welchen
ich doch zuuor an jhm befunden vnd gestrafft habe, den der man wil niemals kein Wasser betruͤbt haben. Das Gesetz ist jhm jetzunder, nach anzeigung seines Vierdten Puncts, eine richtschnur, Formular, Norma vnnd regula bonorum operum,Vgl. Fabricius, Bericht vom Gesetz Gottes, B 2 r, unsere Ausgabe Nr. 15, S. 334,7–9. da doch im Braunschweigischen gefeltem iudicio wider jhn vnd seine mitvorwandten diese wort zu befinden: So ist es vns
zumal wuͤnderlich, das man diese rede wil anfechten, legem esse normam vel regulam vitae vel bonorum operum, da doch diese zweierley art recht vnd gegruͤndet ist etc.Auf welches, wohl ungedruckte braunschweigische Gutachten sich diese Aussage bezieht, konnte bislang nicht geklärt werden.

Mag derhalben wol sagen alius fuit Fabricius Northusij, alius est Islebij,Gemeint ist Johann Agricola. Vgl. Anm. 89. one das er mich wil vberschnarckenverwirren. Vgl. Art. überschnarchen 1), in: DWb 23, 511. seine Lere sey allwege gleich vnnd
einerley gewesen.

Der Christliche Leser wird aus diesem kurtzen gegenbericht wol vornemen, das Fabricius sich zu mir vnuorschulter weise genoͤtiget. Jch bitte aber den barmhertzigen, fromen vnd getrewen Gott, er wolle vnser Kirchen Seligen friede bescheren vnd ferner fuͤr aller vnruhe gnediglich behuͤten vnd bewaren. Amen.