Controversia et Confessio, Bd. 4


Fabricius, Bericht vom Gesetz Gottes (1569)

A 2r Dem Christlichen Leser.

Jch hatte bey mir zwar Beschlossen, auff so vielfeltige verleumbdung, damit ich vber etzlichen Gesetzfragen Beschweret, stil zuschweigen, nach dem Sprichwort: Eine offenbarliche Luͤgen ist keiner Antwort wertVgl. . vnd mich in Gedult des Wortes zuhalten, Esa 30:Vgl. Jes 30,15 Wenn jr stille bleibet so wuͤrd ichB: gestrichen.
A 2v euch geholffen, durch stille sein vnd hoffen wuͤrdet jr Starck sein.
Weil aber mein Stilschweigen zum Ergernis viler frommen Christen gereichen wil vnd noch Newlich etliche Gottes lesterische Positiones, auch etzlichen vnserer Herrschaft vnd Obrigkeit, mit verwarnunge, sich fuͤr vns wol fuͤr zusehen, zugeschickt worden,Vgl. . wil ich in Gottes Furcht vom Gesetz
Gottes vnd von den vmblauffenden A 3r Propositionibus mein offentlich Bekentnis thun, welches ich auch zuuor Schrifftlich fuͤr einem Erbarn Rath in vnd hernach fuͤr dem Ehrwirdigen Ministerio der Manßfeldischen Kirchen auff Erforderung muͤndlich gethan,Richter geht lediglich auf die Verhandlungen vor dem Nordhäuser Rat wegen der von wohl im Frühjahr 1565 aufgestellten Thesen ein, nicht jedoch auf die von hier offensichtlich gemeinten Diskussionen wegen der anonymen Weitergabe der unten abgedruckten 30 Thesen im Jahr 1568. Vgl. . damit gemelte Diener Gottes zufrieden vnd mich als einen Bruder willig vnd gerne erkennet.

Weil ich nue zum Bekentnis hochlich Verur-A 3vsacht vnd aus keiner leichtfertigkeit, sondern von Gotte vnd seiner Kirchen beruffenvorgeladen, im Sinne von: zum Reden aufgefordert. Vgl. , 1532; , 1551f. werde, wil ich mein zuuor gethan kurtze vnd einfeltigeunschuldige, redliche. Vgl. , 173f. verantwortung widerholen, darbey ich durch Gottes Gnade bis an mein Ende verharren wil vnd die ChristlicheKonjiziert aus Chriliche; in B: korrekt. Kirche dauon nach Gottes wort richten lassen. Christus Jesus stewre
vnd wehre aller Luͤgen vnd Falschen Zungen. Amen.

A 4r Bericht Vom Gesetze Gottes vnd seinem Brauch vnd Mißbrauch.

Zum Ersten.

Jst das Gesetze der zehen Gebot Gottes vnwandelbares Wort, darinne er Ernstlich gebeut vnd Verbeut, was er von allen Menschen wil gethan vnd
gelassen haben, mit volkomenem eusserlichem vnd jnnerlichem Gehorsam, nach dem Spruch Deute. 6:Deut 6,5. Du solt Gott deinen Herrn lieben von gantzem Hertzen, von gantzer Seele, von gantzem Gemuͤte vnd aus allen Krefften.1 A 4v Der auch nach seinem EiuerEifer. vnd Gerichte Ewiglich alle vbertretter desselben Verdammen will, wie geschrieben stehet, Deuteron. 27:Deut 27,26. Ver
flucht sey, wer nicht alle Wort dieses Gesetzes erfuͤllet, das er darnach thue, vnd alles Volck sol sagen: Amen.

Zum andern.

Es sollen und muͤssen auch im heiligen Predigampte, beide Predigten des Gesetzes vnd Euangelij, neben einander vnd keine ohne die ander geleret
vnd fleissig getrieben werden, nach dem Befehl Gottes, Luce 24,Vgl. Lk 24,46f. Actor. 17,Vgl. Act 17,3. vnd nach dem Exempel aller rechten Lehrer von anbegin der Welt, auch nicht A 5r einen ausgenomen. VndB: Uud. muͤssen vnd sollen doch widerumb beide Predigten so ferne von einander gescheiden sein als Himmel vnd Erden, ja man kan sie Practice, das ist, wens zum treffen gehet,wenn es ernst wird, in dem entscheidenden Moment. Vgl. , 1662. nimmer
mehr genugsam von einander scheiden, wenn ein armes Gewissen nicht weis, wo es fur Gottes Gerichte vnd Maiestet, der sein Gesetze also strenge biss auff den geringsten Tittel wil erfuͤllet haben, bleiben sol.

Zum Dritten.

Was sein Ampt belanget, wie es vber alle Menschen Herschet vnd Regiret,
leren alle rechte Bekenner dasselbige:

A 5v 1. Politice: Weltlich vnd Eusserlich, auff das Zucht, Erbarkeit, Friede, Ordenung, Disciplin erhalten werde in dieser Welt, welche des TeuffelsB: Teuffes. Reich ist, das einer fuͤr dem andern bleiben kan vnd vnser alter AdamEine auch von häufiger verwendete Bezeichnung für den unerlösten sündigen (Teil des) Menschen. Vgl. ; vgl. auch . in Zwanck vnd Furcht, als ein boͤser Hund an der Ketten, bezwungen werde,
darzu denn auch die Weltliche Obrigkeit, Vater vnd Mutter vnd alle Stende, auch alle Plagen vnd Straffen Gottes geordnet sein, also das auch die blinden Heiden den selben Brauch des Gesetzes predigen helffen, vnd ein Heide offtmals, nach dem eusserlichen Schein, froͤmer ist, denn Hundert Christen. Wiewol A 6r nue solches eine Zucker vnd Rute froͤmigkeit ist, wie spricht,Wenn die Rute auffhoͤret und der zucker alle ist, so hoͤret die froͤmkeit auch auff.. vnd nicht eine Gerechtigkeit, sondern ein anzeigung, das wir boͤse vnd vnartig sein, so ist doch das Gesetze in dem stuͤck eine gabe Gottes zum teglichen Brot vnd zeitlichem Leben. Denn wer koͤnte oder wolte doch in der welt eine Stunde leben, wenn nicht Gesetze vnd Obrigkeit weren. Von diesem Gesetzampt redet die Schrifft also:

1. Tim. 1:Vgl. I Tim 1,9. Das Gesetz ist gegeben den Vngerechten vnd Vngehorsamen, den Gotlosen vnd Suͤndern etc.

Rom. 13:Röm 13,3. Die Gewaltigen sind nicht den guten Wercken, sondern den boͤsen zufuͤrchten.

Psal. 32:Vgl. Ps 32,9. Seid nicht wie Roß vnd Meuler,Maultiere. Vgl. , 1795f. welchen man Zaum A 6v
vndA, B: nur in Kustode. Gebiß mus ins Maul legen, wen sie nicht zu dir wollen.

2. TheologiceKonjiziert aus: Theologce; B: korrigiert. oder Spiritualiter: Dieses ist sein rechtes, eigentliches vnd Fuͤrnemliches Ampt in der Kirchen, das es alle menschen fur Gottes Gericht in allen Geboten beschuͤldige, vberzeuge, toͤde vnd Verdamme, vnd das es im Gewissen die Suͤnde, Todt, Helle vnd Fluch Gottes groß, mechtig,
lebendig mache, auff das Werck vnd freyer Wille am menschen dahin falle, zustiebe vnd zuflige,zerstieben und zerfliegen, im Sinne von: null und nichtig werde. Bei als festgefügte Doppelbindung häufiger anzutreffen. Vgl. , 680f. vnd wie Sanct Paulus Rom. 3.Vgl. Röm 3,19f. bezeuget, auff das aller Mund verstopffet werde vnd alle Welt Gott schuldig sey, vnd kein Fleisch durch des Gesetzes Werck fuͤr jhm Gerecht A 7r sein moͤge, von welchem Ampte Sanct Paulus gewaltiglich zeuget:

Rom. 3:Vgl. Röm 3,20. Durch das Gesetze kompt nur Erkentnis der Suͤnden.

Rom. 4:Vgl. Röm 4,15. Das Gesetze richtet nur Zorn an.

Rom 5:Vgl. Röm 5,20. Das Gesetze ist neben einkommen, das die Suͤnde mechtiger wuͤrde.

Rom. 7:Vgl. Röm 7,13. Die Suͤnde wurde vberaus Suͤndig durchs Gebot.

2. Corinth. 3.Vgl. II Kor 3,6.9. nennet ers ein ampt, das den Todt vnd die Verdamnis Prediget. Wie denn auch die feineB: feinen. HerrlichenB: Herrligen. Kirchen gesenge bezeugen, als:

Es war ein falscher Wahn darbey / Gott hett sein Gesetz A 7v drumb geben / als ob wir moͤchten selber frey / nach seinem Willen leben / so ist es
nur ein Spigel zart / der vns zeigt an die Suͤndig Art / in vnserm FleischB: Feisch. verborgen.

Nicht muͤglich war, dieselbig Art / aus eigen Krefften lassen, / wiewol es offt versuchet ward / doch mehrt sich Suͤnd ohn massen / dennB: der. Gleissnerseines Heuchlers, Betrügers; in dem hier vorhandenen religiösen Zusammenhang auch: eines Irrlehrers, Sektierers. Vgl. , 8312. Werck Gott hoch verdampt / vnd je dem Fleisch der Suͤnde schand / allzeit
war angeboren., 31, Nr. 55, Str. 3 u. 4.

Jtem: Es wird die Suͤnde durchs Gesetz erkantVgl. Röm 7,7. / vnd schlegt das Gewissen nider / das Euangelj kompt zuhandsofort, sogleich. Vgl. , 450. / vnd sterckt den Suͤnder wider / Es spricht: nur kreuch zum Creutz herzu / im Gesetz ist weder Rast noch Ruhe / mit allen seinen wercken.Vgl. .

A 8r Jtem: Die Gebot all vns gegeben sind / das du dein Suͤnd, o menschen Kind, / Erkennen solt vnd lernen wol / wie man fuͤr Got leben sol / Kyriel.Abkürzung für: Kyrieleis. Dies stellt wiederum eine gekürzte deutsche Form des griechischen Κύριε ἐλέησον (Herr, erbarme dich) dar.B: Kyri. / Das helff vns der Herre Jhesus Christ / der vnser Mitler worden ist / Es ist mit vnserm thun verlorn / verdienen doch eitel Zorn / KyrieB: Kyrieleis.., 16, Nr. 22, Str. 11 u. 12.

Jtem: Dem Teuffel ich gefangen lag / im tod war ich verloren / mein sund
mich quelet nacht vnd tag / darin ich war geboren / ich fiel auch jmmer tieffer drein / Es war kein guts am leben mein / die suͤnd hat mich besessen. / Mein gute werck, die golten nicht / Es war mit jhn verdorben / der Frey will hasset Gots gericht / er war zumB: zu. guten erstorben / die angst mich zu verzweiffeln treibt / das nichts A 8v denn sterben bey mir bleibt / zur Hellen
must ich sincken.
, 5, Nr. 2, Str. 2 u. 3.

Dieses ampt oder Gebrauch des Gesetzes ist allen welt weisenWeltweise: Allgemein abschätzige Bezeichnung für Philosophen, hier auch als Gegensatz zu einem Gottesgelehrten zu verstehen. Vgl. , 1725. ein Grewel vnd abschew, allen WerckheiligenVon geprägter und häufig verwendeter polemischer Ausdruck, um diejenigen zu charakterisieren, die nicht allein den Glauben, sondern zusätzlich gute Werke und Verdienste als notwendig zur Seligkeit betrachteten. Vgl. . ein Stachel vnd Pfal im Hertzen. Er ist des Gesetzes klarheit vnd das auffgedeckte Andlitz Mosis, welches die Kinder Jsrael nicht ansehen konten, Exod. 34;Vgl. Ex 34,29f. 2. Corinth. 3.Vgl. II Kor 3,7. Vnd ist in der
Kirchen eine offenbarung fuͤr die Auserwelten Gottes, die da wissen vnd gleuben, das sie fuͤr Gottes Gerichte nichts sein vnd Christus alleine sey jhnen von Gotte gemacht, zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung vnd Erloͤsung, 1. Corint. 1.Vgl. I Kor 1,30.

B 1r Zum Vierden.

Sol nu klarer vnd deutlicher Bericht geschehen vom Brauch des Gesetzes, was den gleubigen oder gerechten oder widergebornen oder den Newen Menschen oder Christen belanget, wie er des Gesetzes recht vnd wol gebrauchet vnd was das Gesetze mit jhme zuschaffen habe.

So wird nue dem dritten gebrauchNachdem unter Punkt drei seiner Ausführungen die ersten beiden Anwendungen des Gesetzes (usus politicus, usus theologicus bzw. elenchticus) behandelt hatte, erfolgt hier die kontroverse Beschäftigung mit dem sogenannten dritten Gebrauch (usus paedagogicus). Vgl. zu den usus , 82–90, bes. 86f; , 850–854, bes. 851–853; .B: gebraucht. (wie mans nennet) zweierley zugemes
sen: Erstlich, das das Gesetze die Christen erinnern soll, das sie noch im Fleisch vnd Blute leben vnd jhren alten boͤsen Adam am Halse tragenSprichwörtlich als Last, als Joch zu verstehen, hier im Sinne: ihre Sündhaftigkeit weiterhin besitzen. Vgl. , 251; vgl. die nahezu wortgleiche Formulierung in ,31–1104,1. biß in die gruben,bis zum Tod. Vgl. , 608. welcher vnter dem Ge-B 1vsetze ohne vnterlas bleiben muß.

Dieses Stuͤck ist recht Christlich vnd wol gelehret, wie im Weltlichen vnd
GeistlichenB: Geistlichem. Gebrauch vnd Ampte zuuor vermeldet ist. Denn die Erfarung gibtzeigt. es Leyder, das der Vnbendige Adam sehr offt auch Rechtschaffene Christen, die wol angefangen, in Falsche Lehr vnd Leben also stuͤrtzet, das jhr etzliche im Vnglauben vnd Vnbußfertigkeit Sterben vnd Verderben, etzliche aber wider auffstehen vnd im Glauben an Christum erhalten werden. Der
bekartebekehrte. Dauid wird ein Todschleger, Ehebrecher, vermessener Mensch, 2. Sam. 11Vgl. bes. II Sam 11,2–4.14f. vnd 24.Vgl. II Sam 24,1–10. Der Bekarte Petrus heuchelt weidlichkräftig, leidenschaftlich. Vgl. , 607f. mit Bar­B 2rVerbessert aus: A 2; B: korrekt.naba, Gal. 2.Vgl. Gal 2,11–14. Der Gerechte felt siebenmal vnd stehet wider auff, Prouerbiorum 24.Prov 24,16. Das Hauß, mit BesemenKehrbesen. Vgl. , 1615. schoͤn gekart, wird von sieben boͤsern Geistern eingenomen, Luc 11.Vgl. Lk 11,24–26. Der Sathan koͤmpt vnd
nimpt das Wort vnd den Glauben auß den Hertzen, die es doch beides rechtschaffen hatten, Luc. 8.,Vgl. Lk 8,12. wie solchs alle Heiligen Gottes in der dritten, fuͤnfften vnd sechsten Bitte beichten vnd Gott vmb Gnade vnd vergebung bitten.Vgl. dazu die ,20–1092,28 (Dritte Bitte); .

Zum andern, das das Gesetze sey Norma vnd Regula bonorum operum, ein
Richtschnur, Regel vnd Formular rechter guter wercke, die Gott selbst gebotten hat. Wenn solches ohne SophistereyWortklauberei. Der altgriechischen Philosophenschule der Sophisten wurde nachgesagt, auf argumentativem Wege Tatsachen beliebig zu verdrehen. Vgl. , 339–343 (343f); . vnd Tuͤckische Verkerung, B 2v wie hernach sol vermeldet werden, verstanden wird, ist es auch recht vnd wol gelehret, denn der Gerechte ist darzu erschaffen, erloͤset, geheiliget vnd in Christo eine newe selige Creatur worden, das er aus seinem lebendi
gen, froͤlichen glauben vnd Geiste (Doch in ErstlingenVgl. Röm 8,23. vnd nicht in Volkomenheit) Begeret nur gutes zuthun, was Gotte wolgefellig, also, das wie er nach seinem alten Menschen dem Gesetze Feind vnd zuwider ist, also liebet vnd Ehret er nach dem newen menschen dasselbige von Hertzen.

1. Als Gottes Wort, Gebot vnd Weißheit, wie Sanct Paulus Rom. 2.B: Rom 7. saget:
Jch habe lust an dem Gesetze Gottes B 3r nach dem jnwendigen menschen,Röm 7,22. vnd Tomo 12. Folio 495. A: Oportet etiam piorum exercitia et opera verbo Dei regi.; .

2. Als das aller volkomeste Tefelin aller guten Wercke, welche die gerechten Gotte zupreis vnd dem Nechsten zu dienste, auß froͤlichem Geist vnd
glauben (auß welchem sie, wo er anders rechtschaffen ist, nohtwendig folgen, necessaria et immutabili consequentia) vnd auß kindlichem, willigem gehorsam, nach demselben Fuͤrgeschriebenen Worte Gottes anfahen zuleisten, Ephes. 2:Eph 2,10. Wir sind sein Werck, geschaffen in Christo Jhesu zu guten Wercken, zu welchen vns Gott zuuor bereitet hat, das wir darinnen
wandlen B 3v sollen.
Tit. 2:Tit 2,14. Das er jhm selbst reiniget ein Volck zum Eigenthumb, das fleissig were zu guten wercken. Welche wercke allesampt die heilige Schrifft mit einem Wort die Christliche bruͤderliche liebe nennet, Rom. 13,Vgl. Röm 13,9f. 1. Cor. 13,Vgl. I Kor 13,1–8.13. Gal. 5,Vgl. Gal 5,6.13.22. Ephe. 5,Vgl. Eph 5,21–30. wie denn auch selbst das Christenthumb in Glaube vnd Liebe fasset viel taussent mal, wie in
meiner Haußkirchen weiter vermeldet wird..

3. Als zur Dancksagung, das wir von Menschen Satzungen im Bapstumb erloͤset, nu aber wissen, was die rechten guten Wercke sein, wie das Herrliche Schoͤne Buch Doctor von guten Wercken auß dem Gesetz Gottes im Ersten Jeni-B 4rschen To. gewaltiglich beweiset.Gemeint ist wohl: .

Summa: Gleich wie Gottes Gesetz dem alten Menschen ist actiua lex, das ist, das jhn heisset, treibet, creutziget vnd begrebet, also ist es dem newen Menschen Lex passiua, das ist, das gethan, gehalten, erfuͤllet, recht vnd wol gebraucht wird, wie Doct. diese distinctionKonjiziert aus: dinstnction; B: korrekt. fleissig einbildetvor Augen stellt, verdeutlicht. Vgl. , 149f. in seiner Kirchenpostilla vber die Epist. Gal. 3. am Newen Jahrs Tage.Vgl. .

Zum Fuͤnfften.

Wird Gottes Gesetze schendlich mißbrauchet, verkeret vnd verfelscht, vnd weil man eine lange zeit an den wercken, zur Seligkeit noͤtig, B 4v glosiret hat,Vgl. zu dem Streit um die Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit unsere Edition Bd. 3. wird der dritte gebrauch mit grossem Zettergeschrey also außgeruffen:

Erstlich, das dem Gerechten oder Gleubigen seine Seligkeit, die alleine im blosen Glauben stehet, auff die Erloͤsung, so durch Christum Jhesum geschehen ist, also verknuͤpffet vnd zugesagt wird, wenn er zugleich auch nach dem dritten gebrauch vnd nach der Norma des Gesetzes sich gehalten, vnd wird die HerrschafftKonjiziert aus: Herrchsafft; B: Herschafft, in der Kustode: Herr. vnd Krafft des Gesetzes (wie sie im Theologico
vsu vermeldet)Vgl. oben beginnend Anm. 24; . in sein Gewissen dermassen geschoben,so stark hineingedrängt. Vgl. , 2670f. das Moses vnd Christus, Glaube vnd Wercke in einem Brautbette beisamen vnd fuͤr Gottes Gerichte gebracht werden. Nue wil B 5r das Gesetze Gottes nicht primitias, sondern decimas haben,Nicht die Erstlinge (am Beginn der Ernte), sondern der Zehnte (am Schluss der Ernte) wird erhoben. Vgl. Lev 27,30. nicht stuͤckwerck, sondern volkomenheit. Daruͤmb, wenn es zum Treffen koͤmpt in Todes noͤten, muß
das arme Gewissen, das auff solchen grund neben Christo von solchen Gesetzmeistern gewiesen, nach einem solchen tertio vsu verzweiffeln, denn es befindet in der that, das er Gotte, der ein EyuererEiferer. vnd verzerendes Fewer ist,Vgl. Deut 4,24. den volkomenen Gehorsam nach der Maiestet des Gesetzes nie geleistet. Durch diesen Teufflischen Mißbrauch wird vnsere Seligkeit
zweiffelhafftig gemacht, Christo seine Ehre geraubet, das Brautbette besudelt, die gnade Gottes geschendet, des B 5v Herrn Jhesu Christi Blut mit fuͤssen getretten, das SolaGemeint sind die reformatorischen Ausschließlichkeitsformulierungen: Sola scriptura, sola fide, sola gratia, solus Christus. Vgl. , 318–365. dem Antichrist vbergeben, arme gewissen betruͤbet, Gesetz vnd Euangelium verwirret, alle Kinder Gottes, die je auß gnaden ohne Wercke selig worden, verdampt, Gottes Rahte vnd dem
Heiligen Geiste widersprochen. Denn es heist:

Rom. 4:Vgl. Röm 4,5. Er machet die Gottlosen gerecht.

Luc. 19:Vgl. Lk 19,10. Er suchet das Verlorne

Rom. 4:Vgl. Röm 4,17. Er ruffet dem, das Nicht ist.

Matth. 9:Vgl. Mt 4,13. Er beruffet zur Busse die Suͤnder.

Eph. 2:Vgl. Eph 2,5. Er macht die Todten in Suͤnden lebendig.

Johan. 1:Joh 1,5 Das Liecht scheinet in der Finsternis.

B 6r Rom. 9,Vgl. Röm 9,26 [Hos 2,1]. Ephes. 2:Vgl. Eph 2,2–9. Die nicht sein volck, ohne Gott vnd Christo waren, die machet er zu Kindern des lebendigen Gottes.

Luc. 19,Vgl. Lk 15,4f (Gleichnis vom verlorenen Schaf); 15,8f (Gleichnis vom verlorenen Groschen); 15,22–24 (Gleichnis vom verlorenen Sohn). 1. Pet. 2,Vgl. I Petr 2,24f. Esa. 53:Vgl. Jes 53,4f. Er suchet, findet, tregt das Verlorne Schaff,
den verlornen Groschen, den verlornen Sohn.

Summa: Lest man einen Tittel oder das geringste Wercklin dazu komen, da alleine Christus Jhesus mit seinem heiligen, tewren BluteVgl. I Petr 1,19. vnd mit seinem Vnschuͤldigen Leiden vnd Sterben streitet vnd kempffet wider die Feinde vnserer seligkeit vnd ein tewres, werdes, vnschuͤldiges Opffer wird fuͤr
vnsere suͤnde, so sein wir von der gnade gefallen vnd haben Christum mit seinem gantzen Reiche rein hinweg verloren, Gal. 5.Vgl. Gal 5,4.

B 6v Zum Andern, wird der dritte Gebrauch Felschlich vnd lesterlich mißbrauchet, in deme, das er nicht alleine gutte Wercke gebiete, foͤrdere, heisse, sondern auch gebe, schaffe vnd wircke. Das ist im andern vnd dritten Ar
tickel des Glaubens erlogenVgl. die Ausführungen in seinem Großen Katechismus (1529), in denen er die Erlösung des Menschen allein dem Versöhnungswerk Christi durch dessen Kreuzestod zuschreibt. Vgl. . vnd wider die gantze Schrifft, die da saget, Joh. 1:Vgl. Joh 1,17. Das Gesetze ist durch Mosen gegeben, aber die Gnade vnd Warheit ist durch Jhesum Christum worden. Phil. 1:Vgl. Phil 1,11. Erfuͤllet mit Fruͤchten die Gerechtigkeit, die durch Jhesum Christum in euch geschehen, zum preis vnd Lobe Gottes. Phil. 2:Vgl. Phil 2,13. Gott ists, der in euch wircket das Wollen vnd
das Volbringen.
Es heist vnd treibt zwar das B 7r Gesetz zu guten Wercken, das es vns aber Krafft vnd Vermuͤgen koͤnne geben, das gute zuuolbringen, wer hat das je gehoͤrt? Das Gesetz ohne die gnade vnd Geist Gottes ist vnd bleibet ein Buchstabe, vnd ein Toͤdtender Buchstabe, wie es S. Paulus nennet, 2. Cor. 3,Vgl. II Kor 3,6. vnd ein elementum egenum.Vgl. Gal 4,9 (Vg.). Mehr wird nicht
draus.

Zum Dritten, wird im dritten Gebrauch, oder viel mehr mißbrauch, dem gerechten vnd seinem regenerataeKonjiziert aus regneratae; B: regeneratae. voluntati Widerumb nicht das filiale debitum, der Kindliche Gehorsam vnd liebe schuld, sondern seruilis et mercenaria coactio, ein zwang, wie einem MiedlingeVgl. Joh 10,12f. vnd Knechte, gleich wie
dem Ada-B 7vmischen Willen auffgelegt, vnd wird also von solchen SeulerernSaulehrern. vnd Teuffelspredigern, wie sie recht nennet (T. 5. fo. 316. b.Doch weil ich sehe, das diesen Heubtartikel der Teufel jmer mus lestern durch seine Sewlerer vnd nicht rugen noch auffhoͤren kan, so sage ich Doctor , vnsers Herrn Jhesu Christi vnwirdiger Euangelist, das diesen Artikel (Der Glaub allein, on alle Werck, macht gerecht fuͤr Gott) sol lassen stehen vnd bleiben: Der Roͤmische Keiser, der Tuͤrckische Keiser, der Tatterische Keiser, der Persen Keiser, der Bapst, alle Cardinal, Bischoue, Pfaffen, Muͤnche, Nonnen, Koͤnige, Fuͤrsten, Herrn, alle Welt, sampt allen Teufeln […]. ; . vnd Tom. 6. f. 44. b.)Darumb ists nicht wunder, das es andern schwer wird, den Glauben so rein zu fassen, Sonderlich wenn auch noch dazu schlahen dieselbigen Teufels prediger, von welchen S. Paulus sagt, die dawider schreien vnd auff das Gesetze treiben, durch solche Spruͤch: Thu das, so wirstu leben. Item: Wiltu zum Leben eingehen, so halt die Gebot etc. ; ., von Wercken der Christen vnd jhrem newen leben im Glauben vnd Geiste nichts bessers geleret denn ein Philosophus leret vnter den Heiden, ein Official im Bapstumb,Der Beamte, der dem bischöflichen Ratskollegium (Officialat) vorsteht und dem Jurisdiktionsfragen (Verwaltungs­, Straf­ und Ehesachen) generell übertragen sind. Vgl. , 781f. ein Stadschreiber
vnd Procurator in Gerichtshendeln lehret vnd theidiget.verhandelt. Vgl. .

Das heist widerumb opera legis et gratiae, timorem seruilem et filialem, den alten vnd newen menschen, Fleisch vnd Geist, Gesetz vnd Euangelium, Himel vnd Erden in hauffen werffenvermischen, vermengen. Vgl. , 586f. vnd alles verkeren, wider welche S. Paulus Rom. 8. Schreibet:Röm 8,14f.

B 8r Welche der Geist Gottes treibet, die sein Gottes Kinder, denn jr habt nicht einen Knechtlichen Geist empfangen, das jhr euch abermal fuͤrchten muͤstet, sondern habt einen Kindlichen Geist entpfangen, durch welchen wir ruffen: Abba, lieber Vater. Gal. 4:Vgl. Gal 4,6 Weil jhr denn Kinder seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohns, der schreiet: Abba, lieber Vater.
Rom. 13:Vgl. Röm 13,8. Seid niemand nichts schuͤldig, denn das jhr euch vnter einander liebet. Die Liebe ist nicht Knechtisch, sondern sie ist Kindlich.

Zum Sechsten.

Sejn Newlich im Leipziger Marckt auch etzliche B 8v Propositiones, an der zall dreissig, zu MarckteB: Marcke. komen,Vgl. . welche fuͤrwar auß der Helle
zusammen gelesen sein vnd von deme außgespruͤet,in Umlauf gebracht. der dem Bapst EselEin Monstrum, dass angeblich im Januar 1496 bei abgesunkenem Wasserstand im Tiber gefunden worden sein soll, mit einem Eselskopf, einem weiblichen Torso, mit geschuppten Beinen, einer Adlerkralle und einem Ochsenhuf. Bevor und 1523 ihre Schrift zum Papstesel veröffentlichten, soll bereits ein Kupferstich mit der Darstellung jenes Phantasiewesens kursiert sein. Vgl. ; . (mit zuͤchten)mit Verlaub. am Hindern stehet vnd werden Predigern zu , so sich jetzt von demselben ort haben wenden muͤssen,Auf Initiative , der die Schutzhoheit über ausübte und sich eventuell durch eine Schrift des aus dem Jahr 1567 attackiert sah, wurden sowohl als auch , jedoch auch ihre Gegner und entlassen und aus ausgewiesen. und wurden auf Druck des sächsischen Kurfürsten rehabilitiert und erhielten ihre Pfarrstellen in zurück. Vgl. ; ; vgl. die 1567 erschienene Schrift des : . schuld geben. Was mir darumb bewust, wil ich kuͤrtzlich berichten:

Es sein zwene Meister daran gewesen, einer ,Angeblich ein früherer Teppichmacher und Freund . Er soll bis 1556 in Pfarrer gewesen und dann nach gekommen sein. Vgl. . ein Wider
teuffer vnd Sacramentirer, der jetzund in der Pfaltz vagirt, der hat sie fuͤr zwoͤlff Jahren zusammen gelesen vnd damit D. M. beschuͤldiget, der sie solle gelehret haben, wel-C 1rcher sich zu fuͤr D. muͤndlich vnd zu fuͤr dem Ministerio schrifftlich verantwortet,Von den hier behaupteten Diskussionen mit und dem Ministerium haben sich, laut Richter, keine Zeugnisse erhalten. Allerdings ist das Ministerium in durch den Nordhausener Rat im Frühjahr 1558 über die Streitigkeiten in informiert worden. Die Ratsherren baten das Ministerium und um eine Stellungnahme zu den Thesen. Der Superintendent von , antwortete daraufhin, ohne sich klar für oder gegen die Thesen zu positionieren. Jedoch nahm er an, dass der Verfasser sei und die Thesen mit Absicht so hart formuliert habe, um Streit zu erregen. Vgl. ; das Gutachten von findet sich abgedruckt bei . auch wider alle Antinomische Jrthumb ein
Buͤchlein publiciret, welchs Ratisbone gedruckt ist.Vgl. . Wil jemand von jm selbst bericht haben, wird freilich sich one antwort nit finden lassen, sie gehn mich nichts an.

Der ander meister ist M. , jtziger zeit Pfarherr zu , welcher sie offtmals verendert, darnach sie sich haben schicken wol
len vnd endlich etzliche dauon abgeschnittengetilgt. Vgl. , 349. vnd andere vom dritten gebrauch hinan geflicket,hinzugefügt. vnter welchen er mir die 28. vnd 29. zuschreibet, vnd hat sie in meinem abwesen wider mich fuͤr etzlichen dahin gesanten Theologen zum beweis ein-C 1v Eventuell legte die Thesen der Kommission vor, die im Dezember 1568 nach entstandt hatte, um die aufgeheizte Stimmung in der Stadt nach den Entlassungen der Prediger im Juli 1568 zu beruhigen und die Stellen neu zu besetzen. Vgl. . welche ich de ab vsu vnd nit de vsu legis etwaeinmal. Vgl. . priuatim geschrieben, vnd werden jtzt zur beschoͤnung,
weil wir jetztB: felht. nicht mehr da sein,Vgl. Anm. 107. vmbgetragen.verbreitet. Vgl. , 1218. Weil denn nu alhie mein klarer vnd in Gotts wort gegruͤnter Bericht vom Gesetze Gottes offentlich an tag gegeben, so wollen alle lieben Christen in Gottes furcht erkennen, wie Christlich vnd Redlich man handelt mit solchem ausstrawen, vnd bitte darneben, man woͤlle solchen schendlichen verleumdungen keinen
glauben geben vnd solche Gotslesterische Positiones weisen, da sie hin gehoͤren. Bey welchem aber kein erbietenAnerbieten, Entgegenkommen. Vgl. . noch entschuͤldigen helffen wil, deme laß ich mit der lieben Sara Ge. 16. wissen:Gen 16,5 (Vg.). Iudicet Dominus inter me et te. Gott sey Richter zwischen mir vnd dir. Amen.

C 2r Folgen nue die Grewlichen Positiones, welche wider etzliche gewe
sene Prediger in werden allenhalben ausgestrawet, mit M. kurtzer widerlegung, denn was durffen doch solche Grob Vngeschliffene Luͤgen vnd Lesterung mehr vnd besserKonjiziert aus: hesser; B: besser. Widerlegung.Die folgenden Thesen sind bis auf einen ausgelassenen Satzteil in These 15 identisch mit den bei Seehawer abgedruckten Thesen, die im Jahr 1557 zugeschrieben wurden. Vgl. .

I. Das Gesetze lehret kein Gute Werck, man sol es auch darumb nicht predigen, das man gute Werck thue.

1. Wer sie nicht aus Gottes Geboten lernen wil, der lerne sie aus der Barfusser Moͤnche AlkoranGemeint ist wohl: , zu finden in: ; vgl. dazu auch die Polemik gegen dieses Werk bei : ; im selben Jahr erschien noch eine weitere Auflage (VD 16 A 1477). Darüber hinaus wurde das Werk in den Jahren 1555 (VD 16 A 1478), 1573 (VD 16 A 1479) und 1614 (VD 17 3:604398Y) nachgedruckt. vnd fare mit dem Bapst vnd Mahomet, wo er hin gehoͤret.

C 2v II. Moses vnd das Gesetz koͤnnen vns den rechten, wahren Gott nicht weisen.

III. Moses hat von vnserm Glauben vnd Religion nichts gewust.

2. 3. Warumb beruffen sich denn der Herr Christus vnd die Apostel auff Mosen vnd die Propheten, wie sie sagen, das nue alles erfuͤllet sey, was von Christo vnd seinem Reiche im Alten Testament sey geweissaget, als Johan 5,Vgl. Joh 5,39.46f. Luc. 16,Vgl. Lk 16,16.29–31. 24,Vgl. Lk 24,25f. Act. 3,Vgl. Act 3,20–26. 10,Vgl. Act. 10,43.26.Vgl. Act 26,22f. Aber wer der Warheit nicht
gleuben wil, das er Selig werde, der gleube solchen krefftigen Jrthumen, das er Verdampt werde, 2. Thes. 2.Vgl. II Thess 2,11f.

IIII. Den Christen ist das Gesetze nicht gegeben, so sol man auch die Christen mit dem Gesetz nicht straffen noch schrecken.

V. Euangelische Prediger sol-C 3rlen lauternichts als, ausschließlich. Vgl. ,383. Euangelium predigen vnd
kein Gesetz.

VI. Christus hat nicht gesagt, gehet hin vnd prediget das Gesetze, sondern das Euangelium allen Creaturen.Vgl. Mt 28,19f; Mk 16,15.

VII. Ein Christ der da gleubet, darff gantz vnd gar nichts thun, weder gutes noch boͤses.

4. 5. 6. 7. Daruon lise in diesem Berichte den andern Punct.Vgl. oben S. 330 Sie sein ohne zweiffel felschlich einem gedeutet, der vom vnterscheid Gesetzes vnd Euangelij geprediget.

VIII. Es helffen auch oder schaden weder boͤse noch gute Werck zur Seligkeit.

IX. Der Glaube richtets alles alleine auß, ohn alle gute Wercke, nicht allein des Ver-C 3vdiensts halben, sondern auch ohne alle gegenwart Guter Wercke.

8. 9. Gute Wercke helffen nicht zur Seligkeit, sondern folgen hernach, wenn die Seligkeit empfangen ist. Ob aber Gottlos Wesen vnd Vnbusfertigkeit an
der Seligkeit schadet, mag einer versuchen vnd erfahren, der jhme nicht wil sagen lassen. 1. Cor. 5,Vgl. I Kor 5,6f.11. 6.Vgl. I Kor 6,9f. Ephes. 5.Vgl. Eph 5,3–5.

X. Wir sollen Gott bitten, das wir im Glauben ohn vnsere Werck biß an vnser Ende Bestendig bleiben.

XI. Auch die Wercke, so der heilige Geist wircket, sind nicht noͤtig zum
Glauben, vielweniger zur Seligkeit.

10. 11. Sollen wirFehlt in: B. im Glauben ohne Werck leben, so mus es kein Glaube, sondern Luͤgen vnd Heucheley sein, C 4r das sie aber zur Seligkeit noͤtig, lehret der Bapst vnd Tuͤrcke auch.

XII. Gott hat dir sein Wort nicht gegeben, das du dadurch solt Selig werden,
vnd wer nicht mehr suchet bey Gott denn die Seligkeit, der suchet eben souiel als eine Laus im grinde.Sprichwörtlich vergleichbar mit: wie die Made im Speck, vgl. , 1822–1826; , 351; , 370; hier durch den Verfasser der Thesen in Verballhornung von angeblichen Aussagen und wohl im Sinne von: der sucht nur seinen eigenen Nutzen.

12. Pfui Teuffel dein maulB: mal. an, das dich der Herr mit dem Juͤngsten Tage schelte. Amen.

XIII. Die Christen seind des Teuffels mit allen jhren guten Wercken.

13. Es wird etwa gered sein dauon, wenn die Wercke fuͤr Gottes Gerichte gebracht werden, wie der Phariseer Luc. 18.Vgl. Lk 18,11f. vnd derB: die. Grostheter. Mat. 7.Vgl. Mt 7,21–23.

XIIII. Der Heilige Geist wircket nicht nach der Norma oder Regel des Gesetzes, sondern C 4v durch sich ohne des Gesetzes huͤlffe.

XV. Wenn der Heilige Geist straffet, so ist es nicht sein Ampt, wenn er aber Troͤstet, so ist er allererst rechter Gott, vnd ist sein Ampt allein Troͤsten, von Christo predigen, Suͤnde vergeben vnd sonst nichts mehr.die fünfzehnte These bei Seehawer lautet: Wenn der H. Geist straffet, so ist es nicht sein Ampt, Sondern nur ein schlecht vnd extra ordinarium beneficium. Wenn er trostett, so ist er aller erst rechter Gott, vnd ist sein Ampt allein das Trosten, von Chro (Christo) Predigen, Sünde vergeben vnd sonst nichts mehr. .

14. 15. Der heilige Geist hat ohne Gottes wort mit vns nichts zuschaffen. So fuͤhret er beyde Ampt, des Gesetzes vnd Euangelij, in der Christenheit. Wie
aber gute Wercke von reinem Hertzen geschehen koͤnnen was solt ein blinder operarius dauon wissen.

XVI. Ein Gleubig Christ ist Supra omnem obedientiam, vber alles Gesetz vnd vber allen Gehorsam.

16. Es ist zweierley, was ein Christ C 5r fuͤr Gott ist, durch seinen
Glauben vnd durch die Liebe gegen alle Menschen, dauon in meiner HauskirchenVgl. oben Anm. 63. genugsam Bericht. Das solche Gesetzmeister kein wort dauon verstehen, was ist das wunder.

XVII. Der Propheten straff Predigten gehen vns gar nichts an.

17. Wie so nicht? Hui Sathan, pfeiff auff, die EpicurerLibertinisten, Hedonisten, die gemäß den Lehren des griechischen Philosophen (341–270 v. Chr.) nur nach eigenem Lustgewinn und eigenem Genuss streben, statt nach Erkenntnis der Wahrheit. Vgl. , 1126–1130; , 1130–1140. wollen Tantzen,Vgl. das Sprichwort: Wer sich den Teufel zum Tanz pfeifen lässt, der ist verloren. Vgl. , 1103.
denn der Propheten Straffe Predigten gehen sie gar nichts an.

XVIII. Man sol nicht also reden: Christlich leben, christlichs wesen, christlichs Werck, solchs ist vnrecht. Ein Christ ist jnnerlich im Hertzen vnd Glauben fuͤr Gott. Hans, Peter, Cuntz,Einerseits ist diese Aufzählung von überaus weit verbreiteten Namen wohl dahingehend zu verstehen, dass damit die Allgemeingültigkeit der Aussage legitimiert werden sollte. Andererseits klingt dabei jedoch die polemische Ausrichtung der Thesen an, wurden die genannten Namen damals doch auch häufig genutzt, um mit ihnen bäuerische, unverständige, dumme Menschen zu bezeichnen (dummer, fauler, hölzerner Peter; der Narr Hans, Hanswurst; den Kunz spielen = ihn zum Narren halten, hänseln). Vgl. ; , 458; , 2751. oder wie der Mann heisset, ist ein Weltmann, gehet zum Bier vnd Wein vnd lebet wie C 5v ein ander Welt
mann. Jnnerlich aber ist er ein Christ.Vgl. die Thesen, gegen die sich im Verlauf des (zweiten) Antinomistischen Streits ab 1537 wandte: Bist du ein hure, bube, ehebrecher oder sonst ein sunder, gleubstu, so bistu im wege der seligkeit. Wenn du mitten in der sunden stickestauffs hohest, und bist, Gleubsti, so bistu mitten jnn der seligkeit..

XIX. Man kan die Christen nicht kennen oder sehen an den Fruͤchten oder Wercken.

18.Verbessert aus: 8; B: 18. 19. Jst eine so gut als die ander. Gott richtet das Hertz alleine, den Baum kennet man bey seinen Fruͤchten Matth. 7.Vgl. Mt 7,16.20.

XX. Die Papisten, Widerteuffer vnd Juͤden sollen an vns nichts guts, sondern eitelnur, ausschließlich. Vgl. . boͤses sehen, auff das sie desto mehr geergert werden.

20. De scandalo accepto ist es war, sed non de dato.Gemeint ist der Unterschied zwischen der Außenwahrnehmung (durch Altgäubige, Täufer und Juden vor dem Hintergrund ihrer eigenen, jeweilig von protestantischen Vorstellungen abweichenden Glaubensüberzeugungen) und der Innensicht (die Protestanten geben nicht mutwillig und absichtlich durch ihr abweichendes Verhalten von altgläubigen, täuferischen und jüdischen Positionen Anlass zu deren Ärger, sondern aufgrund ihrer Glaubensüberzeugung). Denn wir sollen also leben, das vnser Schatz nicht verlestert werde. Rom. 14,Vgl. Röm 14,16. Tit. 2.Vgl. Tit 2,5 Aber hie hat der CollectorGemeint ist derjenige, der die Thesen zusammengestellt hat. Nach Meinung von handelt es sich dabei um . Eine wichtige Rolle schreibt allerdings noch zu, der die Thesen verändert und zusätzliche Thesen zum tertius usus legis hinzugefügt haben soll. Vgl. oben B 8v–C 1r, S. 339. geweisaget, denn er selbst hat nichts guts sehen koͤnnen
an trewen Dienern Christi.

XXI. Gesetz, gute Werck, C 6r newer Gehorsam gehoͤren nicht ins reich Christi, sondern in die Welt, wie Moses vnd des Bapsts Obrigkeit.

21. Wie reimen sich der Bapst vnd Moses zusammen? Aber wie Gesetz vnd Euangelium zu scheiden vnd wo ein jedes hingehoͤre, wil forthin bey
solchen Collectoribus ein seltzamKonjiziert aus: setzam; B: seltzam. ding werden.

XXII. Das Reich Christi ist nichts denn Gnade, vergebung der Suͤnden vnd Seligkeit, ohne alle gebot. Denn Christus ist kein Gesetz (Prediger) Geber vnd hat kein Gebot gegeben, daruͤmb sol man allein von seiner Erloͤsung predigen.

22. Es ist eins ins ander Gebrawet. Das erste Stuͤck ist war, das ander ist erlogen.

XXIII.B: XXVIII. Das Erste, 9. vnd 10.Die Ablehnung der Gültigkeit des neunten und zehnten Gebots für die Christen stellt eventuell die Überspitzung einer Aussage dar, der ausgeführt hatte: Diese zwey Gebot sind fast den Jüden sonderlich gegeben, wiewol sie uns dennoch auch zum teil betreffen. . C 6v gebot Gottes (gehoͤrent)Wohl in verstärkendem Sinn gemeint: Hört her, Hört gut zu. gehet vns Christen gar nichts an, denn es gibts die Vorrede: Jch bin der Herr dein Gott, der dich auß Egypten gefuͤret hat.Vgl. Ex 20,2; Dtn 5,6. Wir Christen sind nicht in Egyp
ten gewesen.A, B: These 24 folgt erst nach These 26

XXV. Das Gesetze gehoͤret nicht in die Kirchen, sondern auff das Rathaus vnd nicht auff die Cantzel.Gegen die vergleichbare These: Decalogus gehort auff das Ratthaus, nicht auff den Predigtstuel, hatte sich im (zweiten) Antinomistischen Streit 1538 gewendet. Vgl. ; Jch halt wol, das euch nu langest zukomen sind die Disputationes wider die newen geister, so das Gesetz Gottes oder zehen gebot aus der kirchen zu stossen und auffs Rathaus zu weisen sich unterstanden haben .

XXVI. Christus hat das Gesetz nicht gegeben, denn da das Gesetz gegeben, jst Christus noch nicht Christus gewesen.

23. 25. 26. Hie solte die Oberkeit nach jhrem Ampte drein greiffen vnd solche Gottslesterung straffen. Was wolt jr aber doch Gotte jmermehr antworten, die jr solche Luͤgen ausstrawet wider Vnschuͤldige Diener Christi.

XXIIII. Mit schelten vnd Ge-C 7rsetz predigen kan vnd sol kein Prediger die Leut zur froͤmigkeit vermanen vnd bringen, die Liebe muß es thun,
spontanea obedientia.

24. Die Heilige Schrifft heist vnd thut es beides, Schelten vnd Gesetzpredigen vnd Liebe schuld predigen. Es wird aber etwa also geredt vnd gemeinet sein, das es besser sey, Liebefroͤmigkeit denn Schlegefroͤmigkeit, filialis quam seruilis obedientia.

XXVII. Die Patriarchen Abraham, Jsaac vnd Jacob haben von dem Gesetz nichts gewust, denn es ist erst hernach gegeben vnd Promulgirt worden.

27. Das Gesetze ist Promulgiert am Berge Horeb,Vgl. Dtn 5,1f. aber ohne das allen Menschen ins Hertze geschrieben, vnd ist die Buspredigt von den lieben Vaͤtern mit Fleis getrieben.

XXVIII. Der dritte Brauch C 7v des Gesetzes ist eine Blasphemia vnd lesterung in Theologia vnd ein Portentum in rerum natura.

XXIX. Kein mensch kan Selig werden, wenn Tertius vsus war ist vnd in der Kirchen sol gelehret werden.

28. 29. Dauon liss meinen Bericht vom Brauch vnd Missbrauch des Gesetzes
vnd vrteile, woher so viel praeiudicia wider mich vnd andere bissher ausgangen sein in causa tertij vsus.

XXX. Der Geist im Menschen weis nichts vom Gesetze, das Fleisch aber bedarff bißweilen des Gesetzes.

30. Diese laut eben wie jene, das man Gute Werck fuͤr die lange weil thun
sol, wie man fuͤr die lange weile ins Badt gehet.Gegen diese, von vorgebrachte These, hatten sich 1559 die Mansfelder Prediger verteidigt, als man ihnen vorgeworfen hatte, eben solches zu lehren. Vgl. .

Das sein nu die Dreissig Silberlinge die jetzund in den Tempel geworffen werden.Vgl. Mt 27,5

C 8r Mit solchen Vnerhoͤrten Luͤgen schleppet vnd traget euch weidlich,stattlich, tüchtig. Vgl. . weil jhr die Warheit nicht hoͤren wolt, so seid jhr auch eines
bessern nicht wird.

Letzlich Bekenne ich mich fuͤr Gott vnd der Kirchen mit Hertzen vnd Munde, mit Glauben vnd Bekentnis zu allen Aussgegangenen Schrifften wider alle Antinomische Schwermerey,B: Schmermerey. als da sein:

Die herrlichen, schoͤnen Propositiones .Vgl. Anm. 152.

Beide Bekentnissen der Mansfeldischen Kirchen.Vgl. Anm. 154; .

Die Fuͤrstliche Sechsische Confutation.Vgl. ; im selben Jahr erschienen noch eine weitere deutsche sowie eine lateinische Auflage der Schrift (VD 16 S 1099f).

Die Schoͤnburgische vnd Reussische ConfessionB: Confutation..Vgl.

Das Buͤchlein M. wider die Antinomer zu gedruckt.Vgl. .

Christo soli Gloria.