Controversia et Confessio, Bd. 4


Fabricius, Bericht vom Gesetz Gottes (1569) – Einleitung Nr. 15: Fabricius, Bericht vom Gesetz Gottes (1569) – Einleitung

Einleitung

1. Historische Einleitung

Seit den 1550er Jahren gab es unter der Pfarrerschaft der Reichsstadt Kontroversen über die These von der Notwendigkeit guter Werke und die Bedeutung des Gesetzes für den gerechtfertigten Menschen.Vgl. die . Der Konflikt zwischen den Pfarrern der Reichsstadt gewann an neuer Dynamik als 1564 Pfarrer an St. Petri wurde und sich umgehend durch eigene, handschriftliche Darlegungen und Thesenreihen an der Kontroverse beteiligte. Da es dem Nordhäuser Stadtrat nicht gelang, einen Ausgleich zwischen und herzustellen,Vgl. . wurden Thesen zur Begutachtung an in gesendet. Dieser antwortete darauf im Laufe des Jahres 1566 mit drei eigenen Thesenreihen.Vgl. .

Der Streit war in bislang vornehmlich von der Kanzel herab und vor dem Stadtrat geführt worden. Fortan wurde er durch Publikationen in der Öffentlichkeit ausgetragen. fühlte sich zu einer Verteidigung seiner Lehre genötigt,; weitere Ausgabe der Schrift vgl. VD 16 F 269. da seine Gegner seine Lehre eine lange zeit als Schwermerisch, auffruͤrisch, antinomisch, mameluckisch, vnd [mit] andern mehr grossen Ehrtitteln […] ausgeruffen hätten.. Dagegen erhob er deutlichen Widerspruch. Der Streit begann insofern weitere Kreise zu ziehen, als in Schrift nicht nur einen Angriff auf die Lehre seiner Theologen an den Universitäten Wittenberg und Leipzig erkannte, sondern sich auch persönlich angegriffen wähnte. Er glaubte nämlich, durch die Darstellung des Teufels auf der Titelseite der Schrift selbst attackiert worden zu sein.Vgl. . Veranlasst durch diese Vermutung und die Angriffe und auf den Kurfürsten von der Kanzel herab, intervenierte August seit Ende Juni 1567 direkt beim Nordhäuser Stadtrat. Das Ergebnis dieser Intervention war die Entlassung von und am 8. Juli 1568. Der Stadtrat entließ allerdings auch und am 9. Juli, worauf diese beim sächsischen Kurfürsten protestierten und schließlich erreichten, wieder in ihre Ämter eingesetzt zu werden.Vgl. die sehr detaillierte Beschreibung des Gangs der Ereignisse 1567/68 bei ; zur Entlassung der Pfarrer: .

Durch die Entlassungen war der Streit zwischen und keineswegs beendet, vielmehr wurde er nun publizistisch ausgetragen. Ein1 Hauptgrund dafür war, dass noch Ende des Jahres 1568 oder zu Beginn des Jahres 1569 die 30 deutschen Thesen aus dem Jahr 1557Vgl. dazu die . anonym und unter veränderter Gestalt angeblich auf dem Leipziger Marckterschienen seien.Vgl. unten B 8r, S. 338. Auf welche Veröffentlichung sich hier genau bezieht, konnte bisher nicht geklärt werden. wurde von seinen Gegnern die Mitautorschaft unterstellt. Er wiederum vermutete, dass die Thesen verändert herausgegeben habe und und ihm die Verfasserschaft unterstelle, um sie beide zu verunglimpfen.Vgl. unten B 8v–C 1v, S. 339. Die hier edierte Schrift des , Bericht vom Gesetze, stellt somit einerseits eine Reaktion auf seine Entlassung und andererseits eine Rechtfertigung vor seiner ehemaligen Kirchengemeinde in Später im Jahr 1569 veröffentliche : ; diese Schrift zeigt bereits im Titel die noch enge Bindung von zu seiner ehemaligen Pfarrgemeinde in . aufgrund der anonym kursierenden Thesen dar, die er in seiner Schrift vollständig wiedergibt und mit knappen Widerlegungen versieht.

2. Der Autor

Zu ihm vgl. ; ; . wurde im Januar 1530 in geboren. Nach dem frühen Tod seiner Eltern lag die Sorge für seine Ausbildung in den Händen seines älteren Bruders .Zu ihm vgl. , 510–514; , 734f. Nach dem Besuch der Schule in , ging von 1544 bis 1549Zu der abweichenden Darstellung, dass von 1546 bis 1551 Schüler in gewesen sei vgl. . als Schüler an die Schule St. Afra in unter dem Rektorat seines Bruders. Im Juni 1550 schrieb er sich angeblich an der Universität Wittenberg ein. Ab 1552 unterrichtete er ein knappes Jahr den gleichnamigen Sohn des Nordhäuser Bürgermeisters . Zu Ostern 1553 kehrte er an die Universität Wittenberg zurück. Am 31. Juli 1554 bestand er dort gemeinsam mit die Magisterprüfung.

Schon im April 1554 war auf Empfehlung an die Nordhäuser Nicolai­Schule berufen worden. Dort bekleidete er das Amt des Rektors für die nächsten zehn Jahre. 1557 heiratete er , die Tochter des Quedlinburger Pfarrers . Im April 1560 übernahm er neben seiner Schultätigkeit das Amt eines Diakons an der Nicolai­Kirche; und zwei Jahre später wurde ihm zusätzlich noch das Diakonat an der St. Petri­Kirche in übertragen. An dieser Kirche wurde er 1564 Pfarrer, worauf er sein Rektorat an der Nicolai­Schule aufgab. Von diesem Zeitpunkt an engagierte er sich deutlich mehr in den Streitigkeiten zwischen den Nordhäuser Pfarrern. Es waren seine Assertiones sowie seine Thesenreihen, die 1564/65 die Kontroverse verschärften. Dabei scheint er die gelehrte Auseinandersetzung gesucht zu haben, da er nach Angaben von zu Verhandlungen vor dem Stadtrat gleich einen Tragkorb vol Bücher mitgebracht habe.. Um welche Bücher es sich handelte, ob Schriften mitbrachte, ließ sich bisher nicht eruieren.

Durch sein Engagement in Predigten und Veröffentlichungen im Zuge der Streitigkeiten, wurde er 1568 seines Pfarramtes in enthoben. Am 29. Juli 1568 verließ die Stadt. Um sich zu rechtfertigen publizierte er die hier edierte Schrift. Von dieser Intention zeugt auch die Publizierung einer Predigtsammlung unter dem Titel Hauskirche. aus dem Jahr 1569, die er als sein Valete. an seine ehemalige Gemeinde in verstand.

Nach seiner Entlassung am 8. Juli 1568 in wurde er am 23. September 1568 in sein neues Pfarramt an der Nicolai­Kirche in eingeführt. In den folgenden Jahren mischte er sich besonders in die Kontroverse um das Verständnis der Erbsünde ein, wobei er mit seinen ehemaligen Streitgenossen , und brach und sich dezidiert gegen sie stellte.Zum Erbsündenstreit vgl. . Die Grafen von Mansfeld wollten ihn im November 1573 daher entlassen, doch auf Druck konnte er sein Amt bis zu seinem Tod im Jahr 1577 behalten.

3. Inhalt

Die hier edierte Schrift zerfällt in zwei Teile. Im ersten Teil legt seine Ansicht über den Gebrauch des Gesetzes Gottes dar. Dabei belegt er seine Position mit zahlreichen Bibelzitaten sowie mit Verweisen auf Schriften . Im zweiten Teil gibt er die 1568 anonym erschienenen 30 Thesen wider und widerlegt sie kurz.

Der erste Teil der Schrift ist von in sechs Abschnitte unterteilt. Zunächst betont er erstens, dass die Zehn Gebote Gottes unwandelbare Weisungen für den Menschen seien, die dieser in Gehorsam zu befolgen habe.

Daraus folgt für ihn in einem zweiten Punkt die Notwendigkeit zur Predigt des Gesetzes neben der des Evangeliums. Dabei sei aber die Gesetzespredigt klar von der Evangeliumspredigt zu trennen und auf die Verfassung und Lebenslage der Zuhörer zu achten.

In einem dritten Abschnitt unterscheidet den usus politicus vom usus theologicus des Gesetzes. Das Gesetz habe in einem weltlich­politischen Kontext die Aufgabe, Zucht, Erbarkeit, Friede, Ordenung, DisciplinVgl. unten A 5v, S. 330,19f. zu erhalten. Der theologische Gebrauch des Gesetzes bestehe darin, den Menschen ihre Sündhaftigkeit vor Augen zu führen, damit diese nicht auf ihre eigenen Werke und das Vermögen ihres freien Willens vertrauten, was ihnen im Gericht Gottes nichts helfen würde. Allein durch Christus könnten sie Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung vnd ErloͤsungVgl. unten A 8v, S. 333,4f. finden.

Im darauffolgenden vierten Abschnitt erläutert seine Lehre vom tertius usus legis, des usus paedagogicus. So solle die Gesetzespredigt auch den gerechtfertigten Menschen stets daran erinnern, dass er weiterhin ein Sünder sei. Überdies stelle das Gesetz die Richtschnur für das Tun guter Werke dar. Wenn dies in der rechten Weise gelehrt würde, dann wäre es eine gute Lehre. Unter dieser Prämisse würde der Gerechte nämlich das Gesetz ebenso intensiv lieben, wie er es zuvor in seinem ungerechtfertigten Zustand gehasst habe. Denn er erkenne darin nun zum einen Gottes Wort und Weisheit. Zum anderen erblicke er im Gesetz jetzt eine Darlegung der guten Werke, die er fröhlich zur Ehre Gottes und zum Dienst an seinem Nächsten verrichten würde. Schließlich könne er es drittens dankbar zur Kenntnis nehmen, von den Menschensatzungen des Papsttums erlöst zu sein. Als Schlussfolgerung stellt die den alten Menschen betreffende lex activa, d.h. was den Menschen heisset, treibet, creutziget vnd begrebet, der lex passiva gegenüber. Sie zeigte an, was gethan, gehalten, erfuͤllet, recht vnd wol gebraucht wird.Vgl. unten B 4r, S. 335,13f.

Wie der tertius usus legis seiner Ansicht nach gegenwärtig missbraucht werde, stellt anhand von drei Punkten im fünften Abschnitt dar. So werde erstens die Rechtfertigung allein aus Glauben mit dem dritten Gebrauch des Gesetzes unzulässig vermischt, indem die Erlösung des Menschen untrennbar mit der Einhaltung des Gesetzes verbunden werde. Zweitens heisse es, dass der dritte Gebrauch des Gesetzes keineswegs nur gute Werke gebiete, foͤrdere, heisse, sondern auch gebe, schaffe und wircke.Vgl. unten B 6v, S. 337,4f. So werde schließlich drittens aus dem eigentlich als kindlichem Gehorsam gegenüber Gottes Geboten zu verstehenden dritten Gebrauch ein Zwang gemacht.

Im sechsten und letzten Abschnitt des ersten Teils erläutert seine Beweggründe zur Abfassung der Schrift damit, dass er auf die Veröffentlichung und Verbreitung von 30 Thesen verweist. habe diese 1557 zusammengestellt und beschuldigt, diese Thesen gelehrt zu haben. Dagegen habe sich aber zur Wehr gesetzt. Die Thesen seien dann von teils mehrfach verändert, teils vollständig durch andere Thesen ersetzt worden. Sinnentstellend beschuldige nun ihn, , die 28. und 29. These aufgestellt zu haben. Tatsächlich habe er 1565 Thesen über den tertius usus legis verfasst, doch hätten diese auf den Missbrauch des Gesetzes (abusus) gezielt und nicht, wie behaupte, auf den rechten Gebrauch des Gesetzes (usus). bittet die Leser daher, den Verleumdungen durch keinen Glauben zu schenken.

Im zweiten Teil der Schrift präsentiert daraufhin zu seiner Verteidigung jene erstmals 1557 erschienenen 30 ThesenSie sind fast vollständig identisch mit den Thesen, die 1557 zugeschrieben wurden. Vgl. ; vgl. zudem unten S. 342, Anm. 137. und widerlegt jede, indem er entweder Bibelzitate gegen die jeweilige These anführt oder indem er auf seine Ausführungen im ersten Teil der Schrift verweist. Zum Schluss beruft er sich auf die Thesenreihen gegen die Antinomer aus den dreißiger Jahren, die Bekenntnisse der Mansfelder Kirchen, das Weimarer Konfutationsbuch, das schönburgische und reußische Bekenntnis sowie Gründlichen BerichtVgl. unsere Ausgabe Nr. 5, S. 117–134. als Ausdruck seiner Überzeugungen.

4. Ausgabe

Nachgewiesen werden können zwei Ausgaben:
A: Bericht || Vom Gesetze || Gottes / seinem Brauch || vnd Missbrauch / sonderlich || was den Gleubigen oder Ge= || rechten belanget. || Wider etzliche Gotsleste= || rische Propositiones / die jetzt || allenthalben ausgestra= || wet werden. || M. Andreas Fabricius || Chemnicensis. || Gedruckt zu Eisleben || durch Andream Petri. || MDLXIX. || [24] Blatt 8° (VD 16 F 261)

Vorhanden in:

Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dm 2490

Wittenberg, Evangelisches Predigerseminar: LC 602/8

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: J 78.8 Helmst.(2) [benutztes Exemplar]

Vorhanden in:

Rudolstadt, Historische Bibliothek: Db II 4 Nr. 22(11)

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 1197.11 Theol.(4), 1222.6 Theol.(9)