Musculus, Antwort auf Praetorii Büchlein (1564) – Einleitung
1. Historische Einleitung
hatte auch nach seiner Übersiedelung nach 1563 die Auseinandersetzung mit noch fortgeführt (unsere Ausgabe Nr. 12), und mit der vorliegenden Schrift legte dieser – wenn möglich abschließend – seine Sicht der Dinge noch einmal dar.
2. Der Autor
Zu seiner Vita vgl. . wurde 1514 im sächsischen Schneeberg als Sohn des Ratsherrn Johann Meusel geboren. Er besuchte die Lateinschule seiner Heimatstadt und bezog im Sommersemester 1531 die Universität Leipzig. Am 21. Februar 1534 wurde er Baccalaureus und bestritt seinen Unterhalt als Lehrer junger Adliger in Amberg. Zum Sommersemester 1538 ging er an die Leucorea, wo er bei Luther und Melanchthon studierte und am 18. September 1538 zum Magister promoviert wurde. Er verheiratete sich mit der Schwester der Ehefrau Johann Agricolas, durch dessen Vermittlung er im Wintersemester 1541 in Frankfurt/Oder eine Anstellung an der Viadrina erhielt und zugleich zum Prediger an der dortigen Franziskanerkirche (Unterkirche) berufen wurde. Da von den drei planmäßigen Lehrstühlen der theologischen Fakultät nur zwei besetzt waren, und zwar mit den Pfarrern Johannes Ludecus und Andreas Musculus, die beide keinen theologischen Doktorgrad hatten, forderte Kurfürst Joachim II. zu Beginn des Jahres 1546 den Wittenberger Doktor Konrad Cordatus in Stendal auf, nach Frankfurt zu fahren und die beiden Lehrstuhlinhaber zu promovieren. Melanchthon unterstützte den Plan und setzte die Thesen auf, über die die Doktoranden disputieren sollten. Da Cordatus auf der Reise erkrankte und bald darauf starb, musste der Zerbster Superintendent Theodor Fabricius, gleichfalls ein Wittenberger Doktor, für ihn einspringen. Zwischenzeitlich war Musculus wegen selbstverfasster Thesen über das Fasten, die Johannestaufe und die Buße mit seinem Kollegen Ludecus in Streit geraten und hatte damit zugleich auch Melanchthon und die Wittenberger Theologie angegriffen. Das Verhältnis zu Melanchthon blieb fortan getrübt. Ludecus wurde als Nachfolger des Cordatus nach Stendal berufen. Musculus rückte in dessen Ämter als Pfarrer an der Oberkirche und als Ordinarius der theologischen Fakultät nach, und er wurde zum Rektor der Universität gewählt. Bis zur Berufung von Christoph Körner (Cornerus) 1564 blieb Musculus der einzige theologische Dozent an der Viadrina. In der Folgezeit bekleidete er weitere wichtige Ämter in der Universitätsverwaltung und im Kirchenwesen. So folgte er 1566 dem verstorbenen Johann Agricola im Amt des Generalsuperintendenten der Mark Brandenburg nach. Musculus engagierte sich zeitlebens in verschiedenen theologischen1 Kontroversen, so gegen das Interim, gegen Andreas Osiander, gegen Francesco Stancaro, gegen Friedrich Staphylus, gegen Abdias Praetorius und später gegen den Philippismus bzw. Kryptocalvinismus; er entfaltete eine rege Publikationstätigkeit auch volkstümlicher und praktischtheologischer Schriften. Musculus starb am 29. September 1581 in Frankfurt an der Oder.
3. Inhalt
Nach etwa sechsjährigen Auseinandersetzungen und nach dem Wechsel zahlreicher Streitschriften wertet Musculus das angekündigte Stillschweigen des Praetorius als Eingeständnis seiner Niederlage.
Die Veränderung im Titel – Von nötiger Gottseligkeit gegenüber früheren Variationen zur Nötigkeit der guten Werke – weise darauf hin, dass Praetorius die Unhaltbarkeit seiner bisherigen Position erkannt habe.
Das neue Büchlein bringe keine wirklich neuen Argumente, sondern wiederhole alte Unterstellungen, als lehre Musculus, dass es gleichgültig sei, ob man Gutes oder Böses tue, als hebe er die zehn Gebote auf, und auch die CA relativiere Musculus.
Musculus stellt fest, dass der Streit mit Praetorius nicht eigentlich die guten Werke als solche zum Gegenstand habe, sondern die Frage von deren Notwendigkeit (necessitas). Bei den Wiedergeborenen sei diese Vokabel fehl am Platz, sie bedeute eine Verunreinigung des Artikels von der Rechtfertigung. Musculus lasse aber sehr wohl auch dem Gesetz seinen ihm angemessenen Ort in der Kirche, und er halte an der Augsburger Konfession fest.
Das jüngste Büchlein des Praetorius enthalte zahlreiche neue Irrtümer bezüglich der Rechtfertigung, doch ist Musculus zuversichtlich, dass sich Leute finden werden, die sie widerlegen. Musculus selbst verzichtet für diesmal darauf.
Praetorius rücke in seiner jüngsten Schrift auch von seiner These ab, es sei der unwandelbare Wille Gottes, dass die vernünftige Natur Gott gehorsam sei. Jetzt formuliere er, es sei der Wille Gottes, dass der Mensch an Christus glaube. Außerdem vermische er Christus und Moses.
Den Begriff der Necessitas lasse Praetorius de facto fallen und rede stattdessen von Sollen und Müssen. Allerdings komme dem Muss ein ähnlicher Stellenwert zu wie der Necessitas, doch will Musculus auch dies bis auf Weiteres auf sich beruhen lassen.
Christen sollten selbst beurteilen, ob das Postulat der Notwendigkeit der guten Werke vor Gott nicht der Rechtfertigungslehre entgegen sei, die doch für künftige Generationen unbedingt erhalten werden müsse. Praetorius beabsichtige die Errichtung eines neuen Papsttums, das belegt Musculus mit Zitaten. Die Inhaber kirchlicher Lehrämter müssten sich dagegen zur Wehr setzen.
Schließlich hält Musculus dem Praetorius vor, dass er nicht nur für die Zerrüttung von Kirche und Universität durch Streitigkeiten verantwortlich sei, sondern dass er auch seit etwa drei Jahren seine Amtspflichten in Frankfurt/Oder vernachlässige, bei vollen Bezügen, und Studenten abgeworben habe zum Schaden der Universität.
Auch Musculus will die Auseinandersetzungen nun einstellen.
4. Ausgaben
Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:
A:
Antwort || Auff M. Gotschalcks || Abdiae Praetorij leztes Deudsch Buͤch= || lein / Von der Noͤtigkeit der guten || Werck. || Durch || Andream Musculum. || Anno 1 5 6 4. || Psalm xij. || HJlff HERR / die Heiligen haben abgenomen / vnd || der Gleubigen ist wenig vnter den Menschen Kin= || dern. || Gedruckt zu Franckfurt an der Oder / || durch Johan. Eichorn. || [14]
Bl. 4° (VD 16 M 7119).