Controversia et Confessio, Bd. 4


Praetorius, Von der Rechtfertigung und guten Werken (1562) Nr. 7: Praetorius, Von der Rechtfertigung und guten Werken (1562)

A 2r Den Erbaren vnd wolweisen Burgemeistern vnnd Rathmannen zu an der Oder sampt allen Christgleubigen daselbst, meinen guͤnstigen Herrn freunden vnd nachbaren.

Gnade vnnd fried von Gott dem Vater durch Jesum Christum.
Der Heilige Apostel Paulus spricht: Jn den letzten tagen werden grewliche
zeit komen. Dann es werden Menschen sein, die von sich selbs halten, geitzig, rhumretig, hoffertig, lesterer, den Eltern vngehorsam, vndanckbar, vngeistlich, A 2v stoͤrrig, vnuersoͤnlich, schender, vnkeusch, wilde, verrheter, freueler, auffgeblasen, die mehr lieben wollust denn Gott, die da haben den schein eines Gottseligen wesens, aber seine krafft verleugnen sie:
Vnd solche meid.
II Tim 3,1–5. Bald hernach spricht er: Sie werdens die lenge nicht treiben: Denn jhr torheit wird offenbar werden.II Tim 3,9. Diese weissagung des Heiligen Apostels gehet stracks vnd gerade auff vnsere zeit, nicht anders als hette er mit fingern auff dieselbe weisen wollen. Denn es ist fuͤrwar die jetzige Welt an den orten, da man sich des Christlichen namens rhuͤmet, so
voller secten vnd Rotten A 3r wuͤtens vnd tobens, das es zu erbarmen vnd Gott dem Allmechtigen billich vnd hoch zu klagen ist. Jn solchem freuel vnd muthwillen ist es fast dahin gerathen, das beynach das gantze corpus vnser Christlichen lehre angegriffen worden vnd schier kein Artickel des Christlichen glauben sey, dem nicht inn diesen letzten zeiten zugesatzet were
oder noch zugesatzt wuͤrde. Diesem allen gibt zeugnis die tegliche erfarung, also das man in dem frembde vnd weitleufftige exempel nicht darff hin vnd her zusammen suchen, weil sonsten leider, Gott sey es geklagt, mehr als zu nahe fuͤr der A 3v thuͤr sein. Vnd sein hierin Pauli wort vnd beschreibunge fleissig zu betrachten, in welchen er auch die Personen
abmalet, von welchen solches zu befahren vnd geschehen werde. Ob nun wol alhie allerley vonn den angehobenenbegonnenen. Vgl. , 370f. vnd noch werendenandauernden. Vgl. , 796. vnd sonst auch angehendenentstehenden. Vgl. , 342. jrrungen koͤnte angezogen werden sampt wiederlegung vnd warnung, so mag es doch jetzund in seinen terminis beruhen vnd an andere ort, da es hingehoͤret, gestellet sein vnd bleiben. Wir wollen aber in
Gott hoffen, das es gehen werde, wie Paulus spricht: Sie werdens die leng nicht treiben, denn jr tor-A 4rheit wird offenbar werden,II Tim 3,9. wie wir denn solches auch von Gott zu bitten schuͤldig sein vnd bitten wollen.

Nach dem aber vielerley Disputation von der Rechtfertigung vnd Guten wercken fuͤrfallen, habe ich darauff die zeit her etliche Lateinisch schriffte,
darin mein Lehr vnd Bekentnuß gefasset, offentlich vnd frey einem jederen1 zu lesen außgehen lassen.Vgl. , außerdem: ; – . Es sind mir aber in dem fuͤrkommen Christliche vnd guthertzige leute, welche geraten, gebeten vnd vermanet, das ich vmb des gemeinen mannes willen mein lehre vnd meinung auff Deutsch fassen vnd in Druck verfertigen muͤch-A 4vte. Vnd ob mir wol anfenglich
dasselbe bedencklich fuͤrgefallen vnd sonsten meines amptes halben vngelegen gewesen, so befinde ich doch endlich aus vielen vrsachen, das es fast das ansehen habe, als wolte auch mein Schoͤpffer vnd Seligmacher solches von mir haben, wie er mir denn nicht wenig vrsach darzu gibt, ja fast mit gewalt dringt, noͤtigt vnd fordert. Habe also mein einfalt in ein
buͤndlein zusamen gebracht vnd gefast, darin die summa meiner lehre von beiden artickeln getrewlich vnd Christlich angezogen wird.

Vber das habe ich darneben etliche außerlesene Spruͤche A 5r aus den Buͤchern des heiligen mans Doctoris zusamengezogen, damit der gemeine man spuͤren vnd gewisse sein muͤge, das mein meinung vnd lehre
in gegruͤndet vnd mit jhm einhellig stimme vnd gentzlich vbereinkomme.

Solches alles weis ich niemande bessers zuzuschreiben dann ewer gunsten, als meinen lieben Nachbarn vnd Freunden. Bitte darauff, E. G.Ewer Gunsten. wollen dasselbe fleissig lesen oder lesen lassen zu vnterricht desjenigen, was ich bißher
gelehret, verteidigt vnd erhalten habe. Es wollen auch E. G. die rechte warheit bestendig-A 5vklich verteidigen, vber derselben eiuereneifern, mit Eifer daran festhalten. vnd sich anderer suͤnde nicht teilhafftig machen. Denn weil die axt an den baum gesatzt,Vgl. Mt 3,10. wil es nicht mehr Mum, Mum heissen,ist es mit undeutlichem Gemurmel nicht mehr getan. Vgl. , 2660. sondern bekand sein one alles tunckel vnd Mausen.Miauen, undeutliches Reden. Vgl. , 1829.

Befehle euch hiemit in schutz des Allmechtigen, dem sey lob, ehr vnd preiß. Amen.

Zu , 12. Januarij 1562.

E.G.

Williger

.

A 6r Von der Rechtfertigung.

Von der Rechtfertigung habe ich je vnd alwege geleret, wie mir meine vorige zuhoͤrer gestehen werden, vnd lere noch, wie mir die jtzigen gerne gezeugenbezeugen. Vgl. , 7027. werden, vnd wil mit Gottes huͤlffe bis an mein ende wider Teuffel vnd
Teuffelsgenossen one alle ansehen der personen hohes oder nidriges standes also leren: Wenn Adam nicht gefallen were, das er alsdenn durch seine gerechtigkeit oder gehorsam fuͤr Gott gerecht were gewesen. Nach dem er aber seinem Schoͤpffer trewlos geworden, hat er dadurch den zorn Gottes auff sich geladen vnd den Tod leiblich vnd geistlich verdienet;Vgl. Gen 3. A 6v vnd
weil er in demselben wider die hohe Maiestet gehandelt, so hat er auch dadurch verlust aller seiner regalienHoheitsrechte. Vgl. , 493. vnd guͤter verwircket. Solche straff vnd peenpoena = Strafe (lat.). gehoͤret auff alle seine, des Adams, erben vnd nachkommen. Daher wir denn auch dem zorn Gottes vnterworffen, des todes schuͤldig, der gnaden Gottes entsatzt,entledigt, beraubt. Vgl. , 621. der vorigen herrligkeit in den guͤtern des leibes
vnd der seelen beraubet. Vnd ist vns inn dem ergangen wie mit dem, der vnter die moͤrder gefallen, welcher nackt ausgezogen vnd vber das schwerlich verwundet worden.Vgl. Lk 10,30. Welches die Alten also gedeutet haben: der gnade Gottes ist er entsetzt, an guͤtern des leibs vnd der seelen ist er schwerlichschwer, stark, heftig (Adverb auf ­lich). verwundet vnd verderbt worden. Weil es denn mit Adam dahin
geraten, ist es mit seiner gerechtigkeit gar aus gewesen. Vnd weil es durch jhn dieselbe gelegenheit mit vns gewonnen, haben wir vns nichts A 7r bessers von vnserntwegen zu troͤsten, angesehen das wir da nackt vnd blos vnd bis inn den tod verwundet liggen. So doͤrffen wir vns auch nicht auff Priester vnd Leuiten,Vgl. Lk 10,31f. das ist: auff andere, die einen schein der heiligkeit
haben moͤchten, es sey dasselbe, was es wolle, verlassen. Jedoch hat Gott der Allmechtige sich Adams vnd Euae vnd jrer kuͤnfftigen erben erbarmet vnd aus sonderlicher gnade einen mittel vnd weg, dadurch er widerumb zu gnaden koͤnte kommen, gerecht fuͤr Gott vnd seelig werden, fuͤrgeschlagen, also das er jm einen Samen zugesagt, auff den er sich
getrewlich vnd getrost verlassen solt.Vgl. Gen 3,15. Welchen Samen er denn auch inn die Welt zu seiner zeit gesand hat. Das ist nun der eingeborne Son Gottes, welcher vnser fleisch an sich genomen, damit er fuͤr vns in vnserm fleisch, als an dem, das gesuͤndigt hatte vnd buͤssen muste, A 7v bezalet.Vgl. Röm 8,3. Derselbe ist wol vnsers fleisches, ist aber nicht nacket vnd verwundet, so ist
er auch nicht ein Priester vnd Leuit, sondern ein Samariter,Vgl. Lk 10,33–35. anderswo her in das Juͤdische land, das ist: ein Frembdling vom Himmel herunter inn vnser fleisch kommen.Vgl. Röm 8,3; Gal 4,4f. Derselbe gehet zu vns arme, betruͤbte, verwundte vnd verlassene Menschen, verbindet vns, geust Wein vnd oͤl inn vnsere wunden, hebt vns auff sein thier, fuͤret vns in eine herberge, pfleget vnd lesset vnser da
pflegen, also das wir etlichermasseneinigermaßen. Vgl. , 1177. widerumb zu vnser gesundheit kommen.Vgl. die klassische allegorische Auslegung der Parabel vom Barmherzigen Samariter bei . Vgl. auch schon ; . Wiewol die WundzeichenWundmale, Narben. Vgl. , 2013f. nicht gantz vnd gar, weilsolange. wir in der herberge bleiben, abgetahnentfernt, getilgt, ausgelöscht. Vgl. , 138f. werden. Stehet demnach vnser Gerechtigkeit vnd seeligkeit in dieser verderbten natur nicht auff vns, sondern allein auff dem Herrn Christo; der ist der Weg, das Leben vnd die Warheit,Vgl. Joh 14,6. der ist vnser
Erloͤsung, Gerechtig-A 8rkeit vnd Heiligung,Vgl. I Kor 1,30. der ist vnser Opffer,Vgl. Eph 5,2. vnser Bezalung,Vgl. Mk 10,45. der ist der Held, dadurch wir widerumb von Gott geliebet werden. Jedoch ist allhie von vnsernt wegen von noͤten, das wir denselbigen Christum ergreiffen vnd halten, damit wir seiner vnd aller seiner guͤter teilhafftig werden. Dazu gehoͤret ein rechtschaffner vnd vester Glaub, dadurch
der zugesagte Seeligmacher dermassen gefasset, wie man mit henden ein geschenck vnd mit Jnstrumenten ein Corpus nimpt, fasset, helt vnd sich teilhafftig machet. Solchs alles aber kan nicht geschehen, es sey denn, das man erstlich seine suͤnde erkenne, daran kein gefallen trage, sondern viel mehr sich selber straffe, rew vnd leid trage vnd sich fuͤr Gott demuͤtige. Wenn
denn nu auff solch erkendnus der suͤnden, auff solche rew vnd leid, auff solche demuͤtigung fuͤr Gott ein warhafftiger A 8v Glaub an Christum erfolgt, alsdenn ergreiffen wir den zugesagten vnd gegebnen Christum, alsdenn werden wir in demselben Christo, den wir also ergreiffen vnd noch halten, fuͤr Gott gerecht vnd seelig. Werden also, wie geschrieben stehet,
gerecht durch sein Blud, versuͤnet durch seinen Tod vnd angenem durch jhn, dieweil er selbs der liebste Son ist.Vgl. Röm 5,9f. Mit dieser meiner einfalt bin ich, was diesen Articul belangt, zufrieden, auff diesen Fels baw ich,Vgl. Mt 7,24. bey dem bleib ich vnd bitte den Allmechtigen, das er mich dabey erhalte. Es sagen mir Juͤden, Tuͤrcken vnd Heiden, es sagen mir Manes (216–276/7), der Begründer des gnostisch­dualistischen Manichäismus, lehrte, die Welt sei von einem bösen Demiurgen erschaffen, und die göttliche menschliche Seele müsse sich daraus befreien. vnd ,Der aus Britannien gebürtige, vor allem in Rom wirkende Mönch lehrte, der Mensch werde aus Gnade durch Christus erlöst und sei dann nach der Taufe in der Lage, aus eigener Kraft sündlos zu leben. Er lehnte die Erbsündenlehre des ab. es
sagen mir Bapst, ,Zur Theosis­Lehre des vgl. . , geboren 1502 in , hatte in bei und studiert, war 1543 Theologieprofessor in geworden, dann aber durch seine von den Reformatoren abweichende Lehre aufgefallen. Nach ergebnislosen Gesprächen mit , , und wurde er seiner Ämter enthoben. Nach längerem Aufenthalt in ging 1553 nach Italien, wo er zum Katholizismus konvertierte, zum Diakon geweiht und in zum Dr. theol. promoviert wurde. Zurück in war er zunächst Domprediger in , dann Kanonikus und Theologieprofessor in , ab 1566 in , wo er 1569 starb. Veröffentlichungen u. a.: ; . Über Thamer vgl. . oder dergleichen geschmeis, was sie wollen, so bleibe ich doch bey diesem fundament: Christus ist mein seeligkeit, allein durch den Glauben kan vnd mus ich Christum fassen. Dis alles B 1r halte ich so gewis, das ich getrost sagen darff: Die pforten der Hellen werden nicht dawider schaffen.Vgl. Mt 16,18. Es kan keiner kein ander fundament
legen, denn das Christus Jesus geleget hat.Vgl. I Kor 3,11. Wer ein ander Euangelium leret, der sey verflucht, wenn es auch ein Engel vom Himmel were.Vgl. Gal 1,8.

Von Guten Wercken.

Von Guten Wercken habe ich gelehret, wie mir meine vorigen zuhoͤrer gestehen werden, vnd lehre noch, wie mir die jtzigen gerne gezeugen werden,
vnd will mit Gottes huͤlffe bis an mein ende wider Teuffel vnd Teuffelsgenossen one alle ansehen der personen hohes vnd nidriges standes also lehren: das sie sein ein stuͤck der Buss vnd des Christlichen le-B 1vbens, dauon das Euangelium predigt vnd lehret. Wie sie nu sein ein stuͤck der Busse vnd des Christlichen lebens, welches einem Christen von noͤten ist, also ist
auch ein jeder Christ gute Werck zu thun schuͤldig vnd darzu verpflichtet. Denn darumb hat sie Gott im Euangelio geboten, wie denn desselben viel spruͤche verhanden, vnd ist der Mensch darzu von Christo erloͤset, ist von Gott zu gnaden widerumb auffgenomen, vergebung der suͤnden vnd den heiligen Geist entpfangen, nicht das er inn suͤnden fortfare vnd Gottes gebot
zuwider handele, sondern das er anfange, gutes zu thun, ein new leben zu fuͤren vnd sich als ein gehorsamer Son zu uerhalten. Es soll aber solches geschehen, nicht als wolten oder koͤndten wir dadurch seelig werden, sondern also, das Gott dadurch geehret, dem Menschen da-B 2rmit gedienet, der Glaub, Seeligkeit vnd newer Gehorsam dadurch offenbar
werden. Wo nu solche Wercke nicht geschehen, da ist es gewiss, das kein rechtschaffener Glaub verhanden. Wie Paulus deutlich saget: Die das gute gewissen verstossen, leiden Schiffbruch am Glauben.Vgl. I Tim 1,19. Vnd saget noch dazu, das er solche, die die lehre von guten gewissen vnd erhaltung desselben verwerffen, in Bann gethan vnd dem Satan vbergeben,Vgl. I Tim 1,20. I. Timo. I. Es
koͤnnen aber keine gute Wercke geschehen, es sey denn, das der Glaub vorher gehe, das hertz durch denselben Glauben gereiniget, vom heiligen Geist eingenomen vnd der mensch nicht mehr in vngnad bey Gott, sondern widerumb ausgesoͤnet sey worden. Vnd das aus der vrsachen, das one den Glauben kein Werck, es scheine fuͤr der welt so herrlich vnd heilig, als
B 2v es wolle, fuͤr Gott gut, das ist: angenem vnd wolgefellig, sein kan. Welchs aus den Spruͤchen Pauli zu mercken: One Glauben kan Gotte nichts gefallen.Vgl. Hebr 11,6. Was nicht aus dem Glauben ist, das ist suͤnde.Röm 14,23. Es gehoͤret auch zu guten wercken, das sie dem Goͤttlichen worte nicht zuwider oder aus eigen gutduͤncken erdacht sein, sondern mit Gottes wort
stimmen, darauff stehen gegruͤndet vnd gebawet. Auff das man sagen koͤnne, das thu ich aus Gottes mandat vnd befehlich, das wil Gott also von mir haben, das bin ich Gotte als ein Christ vnd geschworner vnterthan,Untertan, der einen Huldigungseid geleistet hat. der jm einen eid in der Tauffe geschworen, laut seines eignen befehlichs schuͤldig. Wenn denn nu die gute Wercke im Glauben vnnd auff
rechtschaffen meinung geschehen, alsdenn haben sie auch jren lohn vnd verdienen etwas bey Gott, so viel B 3r jhnen Gott aus gnaden vermuͤge seiner zusage wil widerfaren lassen, außgenommen vergebung der suͤnden, seeligkeit vnd ewigs leben. Weil aber Gott allein das vertrawen will haben, soll sich ein jeder wissen zu huͤten, das, wenn er ettwas gutes gethan, sich
nicht darauff verlasse oder sein vertrawen darauff setze, angesehen das es nicht allein vnsere, sondern viel mehr des heiligen Geistes wercke sein, also das vns der heilige Geist darzu bewege vnd krafft gebe vnd wir als werckzeuge Gottes sie thun vnd ins werck bringen. Nach dem wir aber in dieser welt allezeit inn schwacheit bleiben vnd teglicher anhaltung wol
beduͤrffen, ist es demnach hoch von noͤten das man alle Christen, sie sein, wie sie sein, semptlich vnd sonderlich offentlich vnd in sonderheit zu guten wercken vermane, anhalte, reitze, lo-B 3vcke, fuͤhre, treibe, wie es ein jede zeit vnd gelegenheit mitbringt. Dauon auch Paul. sagt: Predige das wort, halt an, es sey zu rechter zeit oder zu vnzeit, straffe, drewe, vermane
mit aller gedult vnd lere.
II Tim 4,2. Was aber diese Spruͤche belangt: Gute wercke sind noͤtigGute wercke sind noͤtig zur seeligkeitSpitzensatz im Majoristischen Streit, vgl. . – Gute wercke sein schedlig zur seeligkeitSpitzensatz im Majoristischen Streit, vgl. . – in denselben lasse ich mich genuͤgen an dem, was die Christliche gemeine angenommen hat. Sage demnach mit vnd andern, das gute Wercke noͤtig sein, vnd halte dabey den
gemeinen vnd rechten verstand der rechtgelerten vnd Gottfuͤrchtigen, ongeacht aller vnchristlichen vnd boshafftigen mißdeutungen, Sophisterey vnd verwerffung. Es stehet aber der rechte verstand furnemlich in diesen stuͤcken, das man die wort recht einneme vnd bedencke daneben, wie vnd wozu sie noͤtig B 4r sein. So sein nun gute Wercke noͤtig, das ist: ein
jeder Christ, nach dem er von Gott zu gnaden auffgenomen, ist Gotte schuͤldig vnd dazu verpflichtet, das er Gott vnd seinen Nehesten liebe vnd allerley gute wercke thu vnd beweise. So sein sie auch noͤtig als ein ding, das hernach soll vnd mus folgen als fruͤchte des Glaubens der Gerechtigkeit vnd des heiligen Geists, sein noͤtig darzu, das Gott dadurch geehret, dem
nehesten gedienet, der Glaub, seeligkeit vnd newer gehorsam offenbar werde. Von den andern beiden spruͤchen habe ich gelehret vnd lehre noch vnd wil also in Gott lehren, das dieselben keins wegs bestehen koͤnnen. Noͤtig zur seeligkeit koͤnnen sie nicht sein, weil der mensch one seine werck seelig wird vnd schon seelig ist, ehe denn die werck erfolgen, weil
auch die guten wercke aus der seeligkeit vnd nicht B 4v die seeligkeit aus den wercken erfolgt. So sein sie auch nicht schedlich zur seeligkeit, weil sie aus der seeligkeit erfolgen, derselben gezeugnus geben vnd dermassen anhengen, das sie von jhr als noͤtige vnd stetige fructus nicht koͤnnen gesundert werden. Weil sie dann noͤtig vnd doch zur seeligkeit nicht noͤtig,
so folget je daraus, das ein vnterscheid sey vnter diesen beiden reden Gute werck sind noͤtig vnd Gute werck sind noͤtig zur seeligkeit. Vnd ist also nicht ein ding, nicht einerley sententz vnd meinung, nicht einerley materi, nicht ein Teuffel als der ander, nicht zwo hosen eines tuchszwei Hosen aus demselben Stoff; sprichwörtlich: egal, Jacke wie Hose. oder wie dasselbe moͤcht genennet werden. spielt hier auf Äußerungen von an, vgl.: , darin berichtet er auf S. 7f: Endlich ist er [] am 18. Sontag nach Trinitatis am 9. Octobris jn offentlicher Predigt one aller Leut versehen mit bedachtsamen mut vnd langsamen reden herausgefaren / vnd hat mit diesen worten vmb sich geworfen: Sie sein des Teuffels / die da leren / Noua obedientia est necessaria, Der New gehorsam ist noͤtig / Es ist nicht recht / Noua obedientia est necessaria, Das Mus gehoret nicht darzu: Du sagest / Noua obedientia est necessaria, sed non ad salutem, Der Newe gehorsam ist noͤtig aber nicht zur seligkeit / Ein Teuffel ist so gut als der ander. AaO S. 12f heißt es: Jm fogenden Jar Anno 59. an demselben 18. Sontag nach Trinitatis / do man sichs eben so weinig als zuuor vermutet / Jst er widder herfuͤr gebrochen / vnd vnter andern fuͤr der gemein / welches viele mehr in die Schule gehoͤret / Deutlich gesagt: Bona opera sunt necessaria ad salutem, Bona opera sunt necessaria, non dico ad salutem, Gute Wercke sein noͤtig zur Seligkeit / Gute Wercke sein noͤtig / aber nicht zur seligkeit / Das seind zwo hosen eines tuches. Gleicher gestalt erfolgt auch draus, das
sie die seeligkeit nicht koͤnnen erwerben, auch nicht, wenn sie erlangt ist, aus jhren krefften vnd vermuͤgen erhalten. Bin also mit dieser ein-B 5rfalt vnd meinung zufrieden vnd sondere mich hiemit abe von Papisten, Jnterimisten, Antinomis vnd allem, was entweder den guten Wercken zu viele gibt oder zu uiele nimpt, darunter dann die mittelstrasseder mittlere Weg, insbes. bildlich: eine mittlere Position, die Extreme in jeder Hinsicht vermeidet. Vgl. , 2410f. alle zeit zu
halten ist.

Fuͤr diese vnd andere wolthat der Goͤttlichen lehre bedancke ich mich kegen meinem Schoͤpffer vnd Seeligmacher vnd bitte denselben demuͤtigklich vnd von hertzen, er wolle mich neben allen gleubigen vnd frommen Christen bey der warheit gnedig vnd Veterlich erhalten, schuͤtzen
und handhaben.beschützen. Vgl. , 395f. Amen.

B 5v Die besten Spruͤche des Heiligen Mans
von denselben Artickeln.

[] Von der Rechtfertigung.

Von Guten Wercken.

I. Capitel: Das Gute Wercke NOTJG sein, vnd das ein Christ sie zu thun schuͤldig sey.

G 4r II. Capitel: Das durch Gute Wercke kein Mensch im Druck: Menchse. selig werde, vnd
das sie auch zur seligkeit nicht NOTIG sein.

H 8v III. Capitel: Wie vnd worzu die Gute Werck NOTIG vnd dienlich sein.

K 6r IIII. Capittel: Das man die leute zu guten wercken vermanen vnd anhalten solle vnd muͤsse.

L 1v V. Capittel: Das ein vnterscheid sey vnter diesen beiden reden: Gute wercke im Druck: wereke. sein noͤtig vnd gute wercke im Druck: wer=|e. sein zur Seligkeit noͤtig.

L 4r VI. Capittel: Das der mensch kein freiheit habe in oder von den guten wercken.

L 5v Beschlus.

Aus diesen spruchen ist klar vnd offenbar, ja augenscheinlich,offensichtlich. Vgl. , 811. das man es mit feusten greiffen kan, was von den gemelten artickeln gehalten vnd geleret hat. Was aber von schrifften zu halten sey, das bedarff nicht sonderlicher erjnnerrung. Fuͤr mich vnd mein einfaltSchlichtheit, Arglosigkeit. Vgl. , 173. bekenne ich, das ich von denselben in jrem rechten vorstande je vnd allewege hoch vnd
viel gehalten habe vnd von tage zu tage mer wilL 6rlen dazu gewinne,mehr willen dazu gewinne = mehr Gefallen daran finde. Vgl. , 149. wie sie denn desselben von wegen vnd in der lehre wol werd sein. Sage auch dem almechtigen lob vnd danck, das er solchen schatz der kirchen in diesen letzten zeiten offenbaret hat. Bitte daneben, er wolle denselben also vnuerrucktunverändert. bej vns vnd vnsern nachkommen bleiben lassen.

Demnach thun die nicht Lutherisch, sondern widder­ oder VberLutterisch, welche die helle vnd deutliche spruche verachten oder derselben misbrauchen oder aber vbergehen, vnd fuͤren an stat derselben etzliche andere ein, welche doch auff den verstand von jm nicht geredt sein, vnd sonsten deutung von noͤten haben. Solche leute find man zu zeiten wol, wie
jener,Gemeint ist vermutlich , jedenfalls fügt sich dazu, was Spieker, 51, aus dem Oktober 1558 mitteilt: Die Unterhaltung [mit den Deputierten des akademischen Senats] war ziemlich lebhaft und , als man ihm seine irrige Meinung aus den symbolischen Büchern und Schriften nachwies, vergaß sich so weit, daß er äußerte, er werde sich in seinem Glauben weder durch die einen, noch durch die andern beschränken lassen. Das läugnete er nun freilich in der Folge, gesagt zu haben, doch erklärte er: wenn das Mus zu den guten Werken kommt, dann wird alles ganz und gar verschüttet. do man jm die Augspurgische Confession fuͤrhielt, sagte: Jch habe in die Augspurgische Confession nicht geschworen. Do man weiter fuͤrhielt, sagt er, es were nicht in , er muste es L 6v auch da gelesen haben, er hette wol so fleissig gelesen als ein ander. Do man jm aber den text fuͤr die nasen hielt, gab er die antwort, er
hette in wort auch nicht geschworen. Solche hendelchenZwistigkeiten. Vgl. , 373. Hier evtl. auch: Machenschaften, Ausflüchte, Spiegelfechtereien. finden sich zu zeiten, vnd ist bei denselben das aller ergste, das man dannoch gut Lutherisch wil angesehen, gehalten vnd gerhuͤmet sein, das wirs auch selbst wol von vns dorfen reden, wen es die nachtbarn nicht gleuben oder reden wollen.

Jch zweiffel aber gar nichts, so itzt noch jm leben were, er wurde sie meisterliche auswischenausschimpfen. Vgl. , 1019. vnd also abkeren,misshandeln. Vgl. , 59f. das der hund, wie man sagt, kein brod von jnen nemen wuͤrde.Redensartlich. Vgl. , 893: Zur Bezeichnung eines Menschen, welcher die höchste Verachtung verdient. Die Redensart verdankt ihren Ursprung dem Banne . Denn weil er sich der lehr von notwendigkeit der guten wercken gebraucht vnd sich offentlich dazu bekennet, wuͤrde es jm nicht gelegen sein, das man sein spruche wider in selbst solte
fuͤren. Gott gebe solchen leuten, so anders L 7r fuͤr sie zu bitten ist, das sie jre suͤnde erkennen, rew vnd leid tragen, vmb vergebung bitten, Gott die ehre geben vnd jre leben bessern. Da sie aber in jhrer widersinnigkeitWiderspenstigkeit. Vgl. , 1213. verharren vnd von angefangener vnbilligkeit mit offentlicher bekenntnus nicht abstehen werden, so wird sichs wol finden. Der droben sitzt, wird sein
zeit wol treffen vnd in der musterungin der Prüfung, im Jüngsten Gericht. Vgl. , 2270f. rechtschaffen lehren, was da sey newe vnd vnchristliche lehre wider die offentliche warheit einzufuͤren vnd zu uorthedigen.verteidigen. Jch rathe aber noch, das man busse thue vnd Gott die ehre gebe. Sonst ist die axt on zweifel an baum gesatztVgl. Mt 3,10. vnd wird der spruch Pauli war werden: Sie werden es die lenge nicht treiben, den jhre torheit
wird offenbar werden.
II Tim 3,9. Es hat sonstim übrigen. Vgl. , 1745. Paulus albereidschon, bereits; ohne weiteres, ohne Umschweife. Vgl. , 754. die leut, welche die lehr vom guten gewissen nicht recht treiben, jn Ban gethan, vnd L 7v dem Teuffel vberantwortet, 1. Timoth. 1.Vgl. I Tim 1,20. Andere leut aber muͤgen sich wol fuͤrsehen, das sie bei der erkanten vnd gemeinen lehre verharrenVgl. I Tim 4,16. vnd sich frembder suͤnde nicht theilhafftig machen,Vgl. I Tim 5,22. so jnen anders stehet zu rathen
vnd zu helffen,sofern ihnen denn überhaupt noch zu raten und zu helfen ist. Vgl. , 1654f; , 312f. wie ich dan zu Gott hoffe, vertrawe vnd bitte.

Man beklaget sich zu zeiten, man kan kein friede nicht haben, vnd berumet sich,rühmt sich, brüstet sich. Vgl. , 1535f. das man kein vrsach dazu gebe. Sollichs kan ein jder klagen, vnd ich zwar zum aller meisten. Achab sagt auch zu Elia: Du machst vnrwUnruhe. jn Jsrael.Vgl. I Reg 18,17. Aber Elias bracht die schuld auff jhn, vnd das war nicht allein
klagen, sondern auch die rechte warheit. Jn solchen hendeln mus man allezeit nach dem anstiffter trachten. Der die lauter warheit vnd seine possessionseinen Besitz. Vgl. , 2016f. vortedigt, machet kein auffruhr, vnd were Vnchristlich vnd sonsten auch weltlicher L 8r weise vnbillig, das man einem solchen schuld wolt geben. Den so wuͤrde Achab auch recht widder Eliam gehabt haben, vnd
were es soͤnsten nicht boͤse in der Welt, so solte es wol auff die weise rechtschaffenwirklich, recht, richtiggehend, sehr. Vgl. , 427f. boͤse werden. Aber das sein die gesellen, da vnfried von koͤmpt, die widder alle scribenten etwas newes einfuͤren vnd andere vnschuldige leute aus jrer gerugten possession heraus zu treiben gedencken. Hie vrteile nu, wer vrteilen kan, vnd setze lehre gegen lehre, zeugnus gegen zeugnus, so
wird sichs finden, vnd werden entlich alle klagen auff den rechten man vnd anstiffter kommen. Jch lasse es aber auff dismal dabei bleiben Vnd bin erboͤtig, weiter bericht vnd neben dem auch erklerung zu jeder zeit zu thun.

Was aber die spruche , so vorhin angezogen worden, belangt, die sein aus den deutschen Tomis zu gedruckt, L 8v welche meines
erachtens wol bleiben werden, genommen. Es sein auch dergleichen in den lateinischen Tomis vnd sonsten in andern scribenten gar viel, jdoch habe ich dieselben jtzund vmb des Deutschen lesers willen faren lassen vnd an seine ort stellen wollen.

Der allmechtige vnd Barmhertzige Gott gebe vns allen seinen segen vnd
erhalte vns bei der erkanten warheit vnd behuͤte vns fuͤr newe lehre, Rotten, Secten vnd Ketzereien, Amen.

F I N I S.