Praetorius, Von der Rechtfertigung und guten Werken (1562) – Einleitung
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1. Historische Einleitung
Mit dem hier edierten Text, dessen Widmungsvorrede auf den 12. Januar 1562 datiert ist, werden die Argumente, die bisher schriftlich anscheinend vorwiegend in lateinischer Sprache gewechselt wurden, Interessierten auch in deutscher Sprache zugänglich gemacht, verbunden mit einer Ausweitung der Belegstellen. Die Gemeinde in hatte freilich zuvor bereits hinlänglich Gelegenheit, den verbalen Schlagabtausch der Kontrahenten in der Volkssprache zu verfolgen. Der hier edierte Text ist die vorläufig letzte Veröffentlichung von , ehe er im Februar 1562 die Mark verließ, weil er seine Sache für verloren hielt; allerdings machte sich der Berliner Propst sehr stark für die Theologie und konnte Einfluss bei Hofe so schwächen, dass der Kurfürst für eine Weile dieser Richtung den Vorzug gab. So konnte , der sich selbst als Philippicus bezeichnete, im April 1562 triumphierend nach zurückkehren. Ein Jahr später allerdings unterlag der Philippismus endgültig. Vgl. ; HansPeter Hasse, Art. Praetorius, Abdias, in: RGG4 6 (2003), 1573.
2. Der Autor
Zum Lebensgang des Praetorius vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, Einleitung, Abschnitt 2.
3. Inhalt
In der einleitenden Widmung an die Bürgerschaft von Frankfurt an der Oder beklagt Praetorius die endzeitliche Zersplitterung der Christenheit in Rotten und Sekten. Es seien Streitigkeiten zum Themenfeld Rechtfertigung und gute Werke entstanden, und Praetorius habe sich dazu zunächst in lateinischen Schriften geäußert, nun habe er sich entschlossen, seine Auffassung auch in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Ergänzend und zur Stützung seiner Glaubwürdigkeit hat er zahlreiche einschlägige Belegstellen aus Luthers Schriften beigefügt.
Im ersten Abschnitt, überschrieben Von der Rechtfertigung, betont Praetorius, dass er an seiner bisherigen Lehre festhalte: Adam wäre vor dem Fall durch seinen Gehorsam vor Gott gerecht gewesen. Durch seine Untreue gegenüber Gott habe er dessen Zorn auf sich geladen und den Tod verdient, und dieser Strafe seien auch alle seine Nachkommen unterworfen. Gott habe aber Hilfe verheißen durch seinen Sohn, der unser Fleisch an sich genommen und für uns gebüßt und bezahlt hat. Praetorius rekurriert in diesem Zusammenhang2 auf eine traditionelle Auslegung der Parabel vom barmherzigen Samariter. Unsere Gerechtigkeit bleibe abhängig von der Beziehung zu Christus, die der Glaube konstituiere. Dazu bedürfe es zunächst der Erkenntnis der eigenen Sünde und der Reue darüber. Wenn dann der Glaube an Christus komme, würden wir in diesem Glauben gerecht und selig. Auf diesem Fundament bekundet Praetorius beharren zu wollen.
Im zweiten Abschnitt, Von guten Werken überschrieben, legt Praetorius dar, gute Werke seien ein Teil der Buße und des christlichen Lebens. Deshalb sei jeder Christ gute Werke zu tun verpflichtet. Dies solle jedoch nicht geschehen, um die Seligkeit damit zu verdienen, sondern um Gott zu ehren, um den Mitmenschen zu dienen und um den Glauben, die Seligkeit und den neuen Gehorsam zu bezeugen. Wo keine guten Werke geschehen, fehlt nach Auffassung des Praetorius auch der rechte Glaube. Dieser muss jedoch vorausgehen und das Herz reinigen. Wirklich gute Werke sind dem Wort Gottes nicht entgegen und nicht selbst erdacht, sondern stimmen mit dem Wort Gottes überein. Die Taufe verpflichtet zum Gehorsam gegen Gott. Wenn die guten Werke im Glauben und in rechter Absicht geschehen, werden sie belohnt, allerdings nicht mit Vergebung der Sünden, Seligkeit und ewigem Leben. Wir sollen auf Gott vertrauen, nicht auf eigene Werke, zumal es sich eigentlich um Werke des Heiligen Geistes handelt, der uns dazu befähigt und bewegt. Wir bleiben in dieser Welt schwach und bedürfen deshalb der Ermahnung zu guten Werken.
Im Streit um die Aussagen gute Werke sind nötig, gute Werke sind nötig zur Seligkeit und gute Werke sind schädlich zur Seligkeit will Praetorius sich an das halten, was die christliche Gemeinde angenommen habe, und sagt mit Luther, gute Werke seien nötig, d. h. jeder Christ, von Gott in Gnaden aufgenommen, sei verpflichtet, Gott und seinen Nächsten zu lieben. Nötig zur Seligkeit seien sie allerdings nicht, weil der Mensch selig werde ohne Werke und zuvor selig sei, ehe er gute Werke tun könne. Gute Werke sind nicht schädlich zur Seligkeit, weil sie von ihr zeugen und als Früchte aus ihr hervorgehen. Gute Werke können die Seligkeit weder erwerben noch absichern.
Praetorius distanziert sich von Papisten, Interimisten, Antinomern und allen, die die guten Werke über oder unterschätzen. Er dankt seinem Schöpfer für die göttliche Lehre und bittet ihn, ihn samt allen frommen Christen dabei zu erhalten.
Im Anschluss an die Belegstellen aus Luthers Schriften bringt Praetorius seine Hochschätzung der Lehre Luthers zum Ausdruck und nennt diejenigen wider und überlutherisch, die sich von Lutherzitaten nicht überzeugen lassen und doch als lutherisch gelten wollen. Luther hätte nach Meinung des Praetorius jenen Zeitgenossen deutlich widersprochen, die seine Texte entgegen seinen Absichten einsetzen.
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Bei Streitigkeiten weise es gemeinhin jeder von sich, deren Verursacher zu sein. Wer – wie Praetorius – die Wahrheit verteidige, dürfe billigerweise nicht als Aufrührer angesehen werden. Der Verfasser schließt mit dem Wunsch, Gott möge uns vor neuer Lehre, Rotten, Sekten und Ketzereien bewahren.
4. Ausgaben
Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:
A:
Vonn der || Rechtfertigung || Vnd || Guten Wercken || Bericht vnd bekend= || nus || Abdiae Praetorij. || Vnd || Die besten Spruͤche des || Heiligen mans || D. Martini Lutheri || von denselbigen Ar= || tickeln. || Zu Franckfurt an der Oder || durch Johan Eichorn || Anno 1562. 88 Bl. 8° (VD 16 P 4630)
Vorhanden:
Berlin, Bibliothek der St. Nikolai Kirche Spandau: 4/1065: 2. angeb. Buch
Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 50 MA 29358
München, Bayerische Staatsbibliothek: Dogm. 1242 c [benutztes Exemplar]
Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 917.15 Theol.(3); 919.160 Theol.(3); G 345.8° Helmst.(2)
Die umfängliche Sammlung von Belegstellen aus Luthers Werken wird nicht mit abgedruckt, weil der Erkenntniswert in keinem angemessenen Verhältnis zum Aufwand steht; lediglich die Gliederung der Belege wird mitgeteilt.