Controversia et Confessio, Bd. 4


Otho, Gütlicher Bericht (1559) Nr. 5: Otho, Gütlicher Bericht (1559)

A 2r Wie die Juden staͤts wider die Propheten vnnd Apostel vnnd die Papisten wider getobet vnd geschrien haben, wenn sie gehoͤret den Glauben predigen zu Gott vnnd die Werck straffen als vnnoͤtig zur seligkeit – Eben also thun vns jetzo etliche Heuchler auch, schelten vns feindlich, wir verwerffen das Gesetz, verbieten gute Werck, sind Antinomer,
ergern das Volck, machen die zuhoͤrer rohe etc. Vnnd wenn es muͤglich were, das wir einen tag hundertmal antworten vnnd beweiseten, wir lereten nichts wider das Gesetz noch gute wercke, sondern allein dawider, das gute Werck sollen noͤtig sein zur seligkeit, so hilffts vns doch nicht, wir thun denn wie derselben etliche, keren wider zum schos der Kirchen vnnd helffen
die werck zur seligkeit loben, glosirn vnnd vertedigen, sonst halte ich wol, wirt des scheltens vnd liegensLügens. wider vns kein auffhoͤren sein. Schadet auch nicht, warumb schweigen wir nicht stille?

Vnter disen nun, so solcher zusammengekerter stanckzusammengefegter stinkender Unrat. Vgl. , 827. mit der Antinomia fuͤr die Thuͤr gegossen A 2v wird, bin Jch vnwirdiger auch einer vnnd
habe, Gott lob, zweenzwei (maskulin). Vgl. , 972f. scharffe wider mich. Jch wil aber jetzo keinem antworten, sondern zur not vmb deren willen, fuͤr welche solch jhr luͤgengeschrey von der Antinomia kompt, guͤtlich vnd kurtz berichten von den Antinomern, wer die eygentlich vnd wie mancherley sie sind, sonnderlich weil Antinomus ein wort ist, das offt gebraucht hat,
vnd hart wider die Antinomer gestritten.Zu den Antinomistischen Streitigkeiten vgl. die .

Erstlich ist zu wissen, daß das wort Antinomus oder Antinomer ein Griechisch wort sey vnd nicht Teutsch, heisset eygentlich einer, der sich wider das gesetz oder Gottes gebot setzt – Es sey nun mit lehre oder leben oder mit allen beyden zugleich, so heist er auff Griechisch ein Antinomus.ἀντίνομος – Neologismus 1537 gegen , aus νόμος (Gesetz) und der Präposition ἀντί, die in Zusammensetzungen einen Gegensatz oder ein feindliches Widerstreben ausdrücken kann (vgl. ), soll so viel heißen wie Gesetzesgegner. Vgl. auch , 549. Das griechische Wort ἀντινομία bezeichnet eigtl. die Selbstwidersprüchlichkeit eines Gesetzes (vgl. ). Vnd wir
Teutschen haben der wort mehr, die der art sind. Als Antichristus oder Antichrist, das ist: einer, der sich wider Christum, den Sohn Gottes, setzt mit lehren, leben, verfolgen etc., wie der Bapst thut vnd der Antichrist oder Widerchrist ist fuͤrvor, vorrangig vor, an erster Stelle vor (allen anderen). allen Feinden Christi auff erden, wie wir wissen.

Hie mercke aber, das gleich wie mancherley Antichristen oder Widerchristen
sind, wie inn der A 3r Epistel stehetVgl. I Joh 2,18. vnd die historien neben der erfarung zeugen, das etliche vnter jhnen Christus Gotheit, etliche seine Menscheyt, etliche sein Ampt vnnd lehre widerfochten haben. Also1 sind auch vil vnnd mancherley Antinomer, die sich wider Gottes gebott setzen, wie das Alte Testament sonderlich zeuget. Aber wie vil vnd mancherley
von Anfang der Sathan Rotten vnd ketzereyen erwecket hat, sollen wir doch wissen, das keine ketzerey nie so lange gestanden, so zeitlichfrühzeitig. Vgl. , 589. keine angefangen, noch so gemein,allgemein üblich, verbreitet. Vgl. , 3170. so schoͤne, so weitleuftigweit verbreitet. Vgl. , 1302. vnnd heylig gewesen ist als die Werckketzerey wider den armen, eynigen glauben an Christum.

Denn der Glaube ist der eynigeeinzige, alleinige. Vgl. , 210. Wirt,Gastgeber. Vgl. , 632f. bey welchem Christus einzeugeteinzieht.
vnd wonet. Disem Christo vnd Glauben, Wirt vnd Gast, gilt es alles allein, was der Sathan kan vnd vermag. Vnnd warnet vns die Schrifft, das sonderlich am ende der Welt (Welchs wir erlebet haben)Die perfektische Formulierung in der Klammer bezieht sich höchstwahrscheinlich nicht auf das davor erwähnte Weltende, sondern auf den hinter der Klammer erwähnten Zorn etc. der letzte vnnd groͤste zorn vnter dem aller schoͤnesten vnd heyligsten Namen kommen werde, als da ist Gottes wort, Christus Name, der Engel heiligkeit, Christliche Kirch,
gute Wercke, Gottes gesetz, Predigamt, Sacramenta, Wunderzeichen, grosse thaten im Namen Christi etc. Wie wir denn teglich erfaren, das nicht A 3v zu sagen ist, wie geschwindeheftig. Vgl. , 3994–3996. vnd auff gar mancherley weise der glaube an Christum angefallen, gemartert vnd zerrissen wird, daruon wir ein andermal in eim sonderlichen Buͤchlein sagen woͤllen,Sofern es sich nicht lediglich um einen allgemeinen schriftstellerischen Topos bzw. eine bloße Façon de parler handelt, könnte an VD 16 O 1482 (Gantz kurtze summa Biblischer vnd Lutherischer Lere ; gedruckt 1560 in bei ) oder VD 16 O 1495 () gedacht haben. so Gott hilfft. Amen.

Die erste Art der Antinomer.

Die ersten sind der grosse hauffe auff Erden, so wider Gottes gebot vnd jhr eigen hertz in Suͤnden dahinleben offentlich, leugnen es auch so gar nicht, sonderlich die etwas gewaltig mit sein,die eine gewisse Machtstellung innehaben. das sie vil mehr noch darzu woͤllen geruͤmet sein, wenn sie es auff das ergste, wie die Schrifft sagt,Vgl. Lk 22,25. gemacht
haben: Vnd diß gehet nicht allein bey den Heyden vnnd andern verechtern Gottes worts, sondern auch vnter denen, welchen man teglich das Euangelion, Busse vnd vergebung der suͤnden prediget, das man mit keinem Bann noch zeitlicher straffe auch genugsam weren kan so vilen grossen suͤnden vnd lastern, vnnd man greiffenbegreifen. Vgl. , 25f. muß, es sey solche grausame boßheit etwas
weit mehr denn schlecht menschen blut vnd fleisch.

Disen Hauffen, der groß ist stets inn aller A 4r Welt, heisset die Schrifft nicht Antinomer, die Vaͤtter vnnd auch nicht, denn diser Name ist jhn zu geringe. Die Heyden haben sie Atheosἄθεος = gottlos. Vgl. , 45[a]. vnnd EpicurerEpikureer, Anhänger der Lehre des altgriechischen Philosophen , der als Hedonist und Gottesleugner galt. genant. Wir heissen sie nach der Schrifft Gottlose vnnd ruchlose Leute. Vnd sind doch
im grunde Antinomer, die weder zorn noch verheissung des gesetzes achten, sondern leben dahin, als were kein Gott, der straffen wuͤrde oder den Armen betruͤbten Suͤndern gnade zusagte, es gilt jhn gesetz vnnd Euangelion eines so vil als das ander, sind wie das vnuernuͤnfftige Vihe, das gefangen vnnd geschlacht wird, spricht S. Petrus.Vgl. II Petr 2,12. Wie man denn offt Exempel sihet, das
sie dahinsterben schroͤcklich vnnd grausam. Aber wie Gottes gerichte wunderbar vnnd seine Barmhertzigkeit vnaußsprechlich ist, werden der noch bißweilen etliche bekeret, als der Schecher am Creutz vnd dergleichen.Vgl. Lk 23,40–43.

Die andere Art

Sind das LaruenuolckLarvenvolk = Menge derjenigen, die sich hinter einer Maske der Wohlanständigkeit verbergen. Vgl. , 208. mit dem eusserlichen schein der heiligkeit, auch ein
sehr grosser hauffe von anfang her. Bey den Juden waren es die A 4v BaalspriesterVgl. II Reg 18. vnnd Phariseer.Vgl. Mt 23,2–7.23–28. Jm Bapstumb sind es die vnzeliche Orden, das grosse geschwuͤrme vnd gewuͤrmeGeschwärm und Gewürm etwa im Sinne von Gewusel, Vielzahl von in Bewegung befindlichen Elementen, die nicht einzeln wahrgenommen werden können, sondern nur als diffuse Masse, auch die damit verbundenen Geräusche. Vgl. , 4014. der Muͤnche, Stiffte vnd Meßpfaffen. So ist der Tuͤrcke durch vnnd durch, wie sie schreiben,Hier wäre wohl insbesondere zu denken an: . schreibt dort in seiner Vorrede: Also sehen mir yn disem Buͤchlin der Türckenn / oder Mahometi Religionem / mit jhren ceremonien (Het auch schier gesagt sittenn) vil schoͤner / dann vnserer Geystlichen vnnd aller Clerick / Dann ein solche bescheidenheyt / messigkeit / vnnd einfalt yn speyß / tranck / kleidung / behausung / v] aller ding / wie diß BGch anzeigt. Item ein solch fasten / gmein gebet / conuent / vnd versamlung deß volcks / sihet m$ nynder bey den vnsern / Ja es ist onmoͤglich / das vnser poͤfel vnd gemein volck dohin beredt werde. (). ein solcher ernster, grosser, schoͤner heiligeHeiliger. mit Gottesdienst vnd leben, das
jm der Babst nicht das Wasser reichen kan mit seinen Heiligen. Vnnd jetzt bey vnnd neben vns die Widerteuffer,Gruppen, die die Säuglingstaufe für ungültig hielten, weil den Täuflingen der persönliche Glaube fehle, und die darum die Erwachsenentaufe praktizierten. Da ihre Anhänger bereits als Säuglinge getauft worden waren, wurde ihre Erwachsenentaufe von Außenstehenden als Wiedertaufe abgelehnt. Jnterimsschmide,Man darf vermuten, dass hier mehr noch als an die Verfasser des Augsburger Interims (, und ) gedacht ist an die Mitverfasser und Propagandisten des sogenannten Leipziger Interims, der Leipziger Landtagsvorlage von Weihnachten 1548/49, vgl. . Jesuiter,Jesuiten, Mitglieder der Gesellschaft Jesu, gegründet 1534 von , 1540 von anerkannt. AdiaphoraVermeintlich heilsirrelevante Mitteldinge, insbesondere altgläubige Zeremonien, die ein Teil der protestantischen Theologenschaft meinte um der Bewahrung des Friedens willen aufgrund der kaiserlichen Forderungen im Augsburger Interim von 1548 zugestehen zu können, ohne damit die evangelische Wahrheit zu verraten oder in Frage zu stellen. vnd was mehr gerne mit den sehr nuͤtzlichen scheinhendeln,imponierenden Handlungen, die Glanz verbreiten, doch ohne eigentlichen Wert sind. , 2452: contractus simulatus [= fingierter Vertrag]. Ceremonien, Libris conformitatumLiber Conformitatum vitae beati Francisci ad vitam domini Jesu ist der Titel eines Werkes des , entstanden etwa um 1380, in dem Leben und Wirken des mit dem Leben und Wirken Jesu in Parallele gesetzt werden und als ein alter Christus erscheint (vgl. ). Dagegen polemisiert etwa in seiner Schrift Der Barfüßermönche Eulenspiegel und Alkoran (VD 16 A 1476 u. ö.). vnnd dergleichen Heucheley zu thun hat, wider welche Leute die gantze ernste Predigt Christi gehet, Math. v. vj.
vij.Bergpredigt Jesu, Mt 5–7; vgl. bes. Mt 5,16.20; 6,33; 7,12–23. Vbertuͤnchte greberVgl. Mt 23,27. vnd Heuchler, die Aniß,Im griechischen Bibeltext ist von (Garten­)Minze die Rede (ἡδύοσμον). Vgl. die folgende Anmerkung. TillDill (ἄνηθον, davon auch das deutsche Fremdwort Anis; Dill und Anis wurden häufiger verwechselt). vnnd khoͤlKölle = Pfefferkraut, Bohnenkraut (?); im griechischen Original ist von Kümmel (κύμινον) die Rede. Auch in der Übersetzung verlangt der Zusammenhang etwas, das in kleinen Mengen genutzt wird, also am ehesten ein Gewürz, allenfalls vielleicht noch Mangold (als färbende Zutat zu Kohlgemüse), aber wohl kein normaler Kohl. Vgl. . Pfefferkraut ist bei Grimm als Satureja (Bohnenkraut) identifiziert; unter dem Namen ist aber auch Lepidum latifolium bekannt, eine Kressenart; und auch Basilikum wird als Pfefferkraut bezeichnet. fleissig vnnd ernstlich verzehendverzehntet. nemen vnnd das schwerest am gesetz – als gerichte, Barmhertzigkeyt vnd den glauben – anstehen oder loͤßlichschlaff, nachlässig. Vgl. , 271. lassen einhergehen,Vgl. Mt 23,23. newe Abgoͤtterey anrichten, die lehre verfelschen, die bekentnuß tilgen, vnschuldige vnd reine Lehrer verfolgen, des Babsts luͤgen
vnd mord wider schmucken vnd loben helffen, vnd seine lehre jetzt loben vnd bald nach gelegenheit der zeit vnd Person Philonikian,Streitlust. Vgl. Bemerkungen über in seinem Brief an vom 28. April 1548 (CR 7, 879–885, Nr. 4217 [MBW 5139]): Tuli etiam antea servitutem paene deformem, cum saepe magis suae naturae, in qua φιλονεικίαν erat non exigua, quam vel personae suae, vel utilitati communi serviret (). Stoische vnnd Cyclopische grausamkeyt heissen, vnnd was dergleichen suͤnde wider die ersten tafel sindSünde gegen die erste Tafel des Dekalogs, deren Gebote die wahre Gottesverehrung betreffen (nach traditioneller Einteilung). etc. B 1r Dise sind Antinomer, auff der ander seiten den ersten (dauon droben gesagt ist) entgegen. Denn wie jene
kein gesetz noch gebot Gottes achten, so sind dise nichts denn eitel gesetz vnnd gebott, gute werck vnd verdienst, Statuten vnd Satzungen, Ordenung vnd Ceremonien, Reformation vnnd Disciplin, da man mit etlich tausent nicht zukommenauskommen, hinreichen. Etliche Tausend Gesetze und Bestimmungen reichen nicht, es sind noch mehr. Vgl. , 470. kan in einem Closter, in einer Kirchen, ja inn einer Messe, wie man in des Babsts buͤchern liset vnd in den Concilijs. Solche
vnendliche sindflut wirdts, wenn man die Suͤnden der ersten Tafel nicht achtet vnd darnach der sachen mit Gesetzen vnd Geboten helffen wil, da wird das Land vol Abgoͤtterey vnd heucheley, koͤnnen Mosen nicht recht ansehen, sondern hengen mit augen vnd hertzen nur außwendig auff der decke fuͤr dem Angesicht Mosi,Vgl. Ex 34,29–35; II Kor 3 ,14f. daher sie jhm denn feind werden vnd
woͤllen jn offt steinigen vnd toͤdten. Denn ein heuchelvolck ist gewis auch ein mordvolck, wie der Tuͤrcke ist vnnd der Babst, die rote Bluthure im purpur, Apocal. xvij.Vgl. Apk 17, bes. V. 5f.; 18,24. Die Hure Babylon stand schon in neutestamentlicher Zeit als Chriffre für die (moralisch verkommene) Metropole Rom. In Septembertestament von 1522 ist die Hure Babylon auf den Holzschnitten von mit einer dreifachen Krone, der päpstlichen Tiara, dargestellt. Also auch Christliche Bruͤder fuͤr ,Bei wurde das Heer der aufständischen Bauern, als deren Feldprediger auftrat, am 15. Mai 1525 durch die vereinigten Söldnertruppen mehrerer Fürsten (unter Führung und ) vernichtend geschlagen. Ablehnung des gewalttätigen Aufstandes der Bauern äußerte sich etwa in seiner Schrift Wider die mordischen und räubischen Rotten der Bauern von 1525 (VD 16 L 7478 u. ö.). die Widerteuffer zu Muͤnster.Während der Herrschaft der Täufer in unter Ihrem Anführer bzw. kam es zu drastischen Gewaltmaßnahmen gegen Oppositionelle; nach der Eroberung am 24. Juni 1535 wurden die Verteidiger der Stadt hingerichtet, soweit sie nicht schon im Kampf gefallen waren, die Anführer wurden gefoltert und in der Region als Gefangene zur Schau gestellt, dann hingerichtet und ihre Leichen schließlich in Metallkäfigen am Turm der Lambertikirche aufgehängt. Jtem, die noch erleben woͤllen, das man vns bey hauffenbei Haufen = in großer Zahl. Vgl. , 588. soll zu Tod schlahen.schlagen.

Die dritten.

B 1v Diß sind die Weisen vnd leisen Prediger vnnd Christen, die staͤts auff Eiern gehen koͤnnen,ungemein vorsichtig und zurückhaltend agieren. Vgl. , 76f. wenn auch der Teuffel fuͤr dem hohen Altar stuͤnde. Man sol, sprechen sie, die Suͤnde straffen, aber die Stende mit jhren Personen darumb nicht verdechtlich machen, das auch vil meinen, man
solte den Babst, Cardinel etc. nicht so angesprochen haben vnnd verhasset gemacht bey dem gemeinen Mann. Denn das Dauid, Petrus etc. genant werden, habe eine besondere meinung.

Gantz fuͤrsichtige vnnd besonnene leute sind diß, vnd sind jhr vnter Predigern vnnd sonst nicht wenig. Summa es ist Meister Leisentrit mit den
sameten schuen.ein exemplarischer Leisetreter, die samtenen Sohlen seiner Schuhe erlauben es ihm, geräuschlos aufzutreten. Vgl. ähnliche Bildungen: Meister Hans (= Henker, Scharfrichter), Meister Klügel (= Besserwisser), Meister Streckebein (= Tod). Darmit man sie aber nicht ohrenkrawerSchmeichler. Vgl. , 1256f. oder stumme HundeVgl. Jes 56,10. nennen moͤge, so fassen sie bißweilen dennoch ein hertz vnd reissen außreißen aus = geben ihre Zurückhaltung auf und werden ausfallend (gegenüber ). Vgl. , 933f; , 1234. vnter die Baweren, wie sie sich so vol sauffen.Ein häufig anzutreffender Kritikpunkt in Predigten war das übermäßige Trinken. Die Burger tragen bluderhosen,Ein weiterer beliebter Kritikpunkt war die üppige Kleiderpracht. Knie­ bis knöchellange Pluderhosen waren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in der Herrenmode verbreitet, insbesondere in der zerschnittenen Form, bei der der buntseidene Unterstoff sichtbar hervortrat. klagt 1561 (VD 16 W 1012): Wer itzt nicht Pluderhosen hat, die schier zur Erden hangen mit Zotten wie des Teufels Wat [= Kleidung], der kann nicht höflich prangen. Es ist solchs so ein schnöde Tracht, der Teufel hat’s gewiß erdacht, wird selbst sein also gangen. (Vgl. ). predigte , und öfter; man vergleiche auch die jeweiligen Titelholzschnitte). Die Landsknechtsmode verschlang erhebliche Summen, die die Kritiker besser angewandt wissen wollten. haben den Judenspiß.betreiben Wucher. Vgl. , 2357. Oder kommen zuletst an den todten wolff,d. h. von der einst gefürchteten Bestie geht de facto keine Gefahr mehr aus, die Angriffe sind wohlfeil. den Babst, den zerschelten sie denn so Gotsiemerlich,jämmerlich, durch den Zusatz gotts­ gesteigert. Vgl. , 1085. das
ein hund nicht ein stuck brot von jm neme.Redensartlich, Zeichen äußerster Verachtung. Etliche, wenn sie sich zu weit verlauffen, das sie ein hart woͤrtlein ins Buch geschriben haben, kratzen sie es bald wider auß oder sprechen gar Nein zum Buch.Wenn sie sich so weit vergessen haben, tatsächlich etwas deutlich Kritisches zu schreiben, tilgen sie es alsbald oder verleugnen ihre Urheberschaft. B 2r Oder wie jener SuperattendensDienstrang eines höheren Geistlicher mit Aufsichtsfunktionen in der lutherischen Kirche. Vgl. , 1195f. antwortet, da er gefragt ward, warumb er in der außlegung Jesaie die Fuͤrsten von Sodom, Jesa. j,Vgl. Jes 1,10; der Prophet spricht so die Führungsschicht seines eigenen Volkes an. hette außgelassen, sprach er, das
Volck moͤchte dardurch lernen die Oberkeit verachten.

Diß sind sehr nuͤtzliche Hirten vnd Wechter, sonderlich wenn ein Jnterim kompt oder sonst ein beuelh. Da hebt sich das bulen mit der Roͤmischen Hurn,Vgl. Apk 17; schon im biblischen Text steht Babylon als Chiffre für , vgl. Apk 17,18. vnd schmucken sich derselben also grob zu gefallen, das auch die kinder auff der gassen verstehen vnnd mercken. Darnach wil man auch das
Sola nicht mehr streiten,Der auch von und in ihrer kommentierten Ausgabe des Leipziger Interims und von gegenüber und erhobene Vorwurf (vgl. ; ) basiert wohl auf einem Gutachten, das im Mai 1548 mit , und für erstellt hatte. Darin weisen die Wittenberger den Vorwurf zurück, ihre Kritik am Rechtfertigungsartikel des Augsburger Interims sei nicht sachlich begründet, sondern lediglich Wortklauberei. In diesem Zusammenhang formulieren sie: Wir streiten nicht vom Wörtlein sola, sondern sagen und bekennen: es müssen in uns die andern Tugenden und guter Vorsatz angefangen seyn und bleiben; dennoch über dieselbigen Tugenden muß das Vertrauen auf den Sohn Gottes seyn, wie gesagt ist, und muß die andern Tugenden alle überschatten. Denn alle Tugenden sind doch schwach in uns, und bleibt noch viel Unreinigkeit im menschlichen Herzen und in diesem Leben. Darum müssen wir uns an den Mittler hängen, und Gnade suchen durch diesen Mittler, und durch Barmherzigkeit, die uns von desselben wegen zugesagt ist Also sollen wir auch vor Gott treten, und dieses Vertrauen auf den Sohn Gottes mit uns bringen, und wissen, daß, obgleich Liebe und andere Tugenden in uns sind und seyn müssen, daß sie dennoch zu schwach sind, und daß das Vertrauen auf den Sohn Gottes allein stehen soll. Es kann auch Liebe im Herzen nicht seyn oder bleiben, wo nicht dieser Glaube und dieses Vertrauen vorgehet (; vgl. ). man sol auch nicht streiten, der Babst sey der oberste Bischoff. Die es thun, sind zenckische koͤpffe vnd haben mitiora studiadie milderen Studien, d.h. die feine Lebensart, das höfliche Benehmen. nicht gelernet. Wer auch den grossen Junckern sagt, sie sollen dem Babst nicht so die fuͤsse kuͤssen,Der Fußkuss war bis ins 20. Jahrhundert eine Ehrenbezeigung gegenüber dem Papst, die auch von weltlichen Herrschern verlangt wurde. Vgl. , 2143–2145. pallium loͤsen,Das Pallium, ein mit Kreuzen verziertes Band, ist seit dem Hochmittelalter Amtszeichen aller Erzbischöfe. Es wird vom Papst verliehen und als Zeichen der Verbundenheit mit dem römischen Stuhl getragen. Mit der Verleihung wurde die Zahlung von Gebühren an den römischen Stuhl fällig. Diese Taxen waren allmälig zu einer nicht unbeträchtlichen Höhe gestiegen und gaben daher zu manchen Beschwerden Veranlassung (so zahlte z. B. der Erzbischof von Mainz, allerdings der reichste Kirchenfürst im deutschen Reiche, 20 000 Gulden, ja bisweilen 37 000 Gulden Palliengelder) [, 1312–1317, hier 1317]. schwelgen, rauben, schinden etc., der muß stampen,außer Landes gehen, fliehen. Vgl. , 680. wie sie reden, oder ins lochGefängnis. Vgl. , 1094. vnd seine
Grammatica erst lernen.

Aber dise Antinomia wird auch Haußhalten bey vns wie bey den Juden, das man die Armen, wie der Prophet sagt, vmb ein alt par Schue verkeuffetVgl. Am 2,6; 8,6. vnnd schwere buͤrden auff jhren hals leget.Vgl. Mt 23,4. B 2v Wir woͤllen sie aber selber mit einem finger nicht ruͤren.Vgl. Mt 23,4. Sondern sind Diebe vnnd
Diebsgesellen vmb einer handuol gersten vnd kannen weins willen, wie die Schrifft redet.Vgl. Jes 1,23; Ez 13,19; Hos 3,1f (Luther 1545). Diß ist der Laststein, der am seiden faden vber dem kopffe henget:Die Szene erinnert an das Schwert, das an einem Pferdehaar über dem Haupt des Damokles hing (vgl. ). Lehre verderben, schwartz weiß heissen vnd nach dem winde gehenSich nach dem Wind drehen (wie eine Wetterfahne), sein Mäntelchen nach dem Wind hängen: opportunistisch handeln bzw. nicht handeln, sich prinzipienlos allein mit Rücksicht auf den eigenen Vorteil den aktuellen Verhältnissen anpassen. vngestrafft, oder herschreyen: Schweig! Diese Prediger werden vns zum Lande hinauß predigen etcr.Vorwurf, den man gegenüber den Interimsgegnern erhob.

Die vierte Art.

Hie kommen wir nun an die Antinomer, die der Man Gottes erstlich vnd allein hat Antinomer genant: DiserDeren. Anfenger ist M. ,. Zur ersten und zweiten Phase des Antinomistischen Streits vgl. die . dem volgen jetzt vil nach, auch da du dichs am wenigsten versehest.versähest; da du es am wenigsten erwartetest. Die Summa aber jhrer Lehre ist, das man inn der Kirchen die Contrition, das ist:
Rewe vnnd leid vber die suͤnde, nicht auß dem gesetz, sondern auß dem Euangelio leren solte. Moses gehoͤre der Weltlichen Oberkeit, lehre auch keine gute wercke vnd dergleichen, wie denn keine ketzerey allein bey einem stuͤck endlich bleibet.

Fragest du aber sie, warumb das Gesetz nicht B 3r in die Kirche auch
gehoͤre, die Contrition oder rewe vnd Busse daraus zu leren, antworten sie: Man kan die Contrition oder Busse vil stercker vnd besser auß dem Euangelio haben vnd lernen denn auß dem Gesetz. Ex violatione filij (wie sie reden), non ex violatione Serui. So habe Christus beuolhen in seinem Namen, Luce vltimo,Vgl. Lk 24,47. (nicht in Moses namen) Busse vnnd vergebung der Suͤnden zu pre
digen. Vnnd Rom. j stehe geschrieben, Gottes zorn von Himel werde offenbart.Vgl. Röm 1,18. Das Gesetz aber sey natuͤrlich vns bekant vnd sey keine offenbarung. So koͤnne die erkentnus des zorns Gottes vnd vnser Suͤnden nicht auß dem Gesetz kommen, sondern muß auß dem Euangelio kommen. Denn das selbige sey eine offenbarung vnnd lehre die offenbarungen Gottes. Jtem sprechen
sie: Die hoͤchste Suͤnde, als der Vnglaube wider Christum, wird durchs Euangelium vnd nicht durchs Gesetz offenbaret vnd geleret, Joh. xvj. Darnach haben sie vil vrsachen mehr genommen Ex loco causarum, welcher solchen FladergeisternVgl. , Marginalie zu Ps 119,113: Fladdergeister heissen hie die vnbestendigen Geister / die jmer etwas newes finden vnd fürnemen / Wie Ketzer pflegen zu thun. (). Vgl. , 1730. das rechte refugium miserorum ist, da einem wenig spitzenscharfsinnigen. Vgl. , 2565. kopffe ein ding wol zehen­, zwentzigmal muß warwahr. vnnd recht
sein, das sein tage noch nie einmal halbes theils war oder recht worden ist noch werden kan.

B 3v Dise ist nun die rechte, schoͤne, Engelischeengelsgemäße, engelsgleiche. Vgl. II Kor 11,14. vnd Euangelische Antinomia, die Suͤnde straffet, aber nit auß dem gesetz, sondern durch das Euangelion, vnd stuͤrtzet doch beides auff einen hauffen. Darumb muste sie noch
bey leben herfuͤr kommen, der kund jr auch allein widerstehen, were sonst wol bliben, wie Maiorismus bleibet. Darumb hat der lieben Teutschen Elias, Doctor ,Vgl. . offt vnd auffs aller fleissigst geleret, Gesetz vnnd Euangelion ja wol zu vnterscheiden, das wo wir zulassen, ein TuͤtelPünktchen, Tüpfel, Kleinigkeit. In Mt 5,18 eigentlich der Buchstabe Jod als der kleinste im hebräischen bzw. Iota im griechischen Alphabet. Vgl. , 1949f. trost vnd seligkeit auß dem Gesetz oder widerumb
einen buchstaben rewe oder suͤndenerkentnuß auß dem Euangelio, so sey Gesetz vnd Euangelion beides verderbet vnd verlorn. Denn solch Gesetz vnnd Euangelion sind inn der Kirchen Gottes vnnd Christi nie gehoͤret worden, sein auch nicht in rerum natura, nach dem fahl Adam, wenn man von eines jegklichem ampt redet.

Darumb ist diß die Summa hieuon wider die Antinomer: Gesetz sol die Suͤnde mit jhrer krafft vnd fruͤchten leren, das alle welt Got schuldig werde; Euangelion aber sol Christum, den gnadenstul,Luthers Übersetzung für ἱλαστήριον (Sühnmal), Röm 3,25. Nach Lev 16 handelt es sich um die goldene Platte oberhalb der Bundeslade im Allerheiligsten des israelitischen Tempels, die als Ort der Gottespräsenz am Versöhnungstag mit dem Opferblut besprengt wurde, um die durch die Sünde zerstörte Verbindung zwischen Gott und seinem Volk (und letztlich der gesamten Menschheit) wiederherzustellen. Paulus überträgt die Vorstellung bildhaft auf Jesus Christus. allen armen Suͤndern fuͤrtragen durch den B 4r glauben. Diß ist die gantze sache, vnterscheid vnnd wesen der Heiligen Schrifft inn der Kirchen Christi.
Darumb alles, was suͤnde vnnd schrecken fuͤr Gottes zorn prediget, es sey wenig oder vil, es predige solchs Moses oder S. Paulus. Es geschehe auch vor oder nach der Tauffe Vnd neme diselbige Predigt auß dem Alten oder Newen Testament. Es sey auch die Suͤnde in der lehre oder im leben, heisse vnglaube oder vnliebe, so ist solche predigt ein Gesetzpredigt. Widerumb,Andererseits, dagegen, hinwiederum. Vgl. , 1352f.
was Christum, den Gnadenstul, zeiget, es gehe starck oder schwach zu, es thuͤ es Caiphas oder Johannes der Teuffer, vor oder nach der Tauffe, man predige den Beschnittenen Juden oder Gottlosen Heiden, aus den Buͤchern des Alten oder Newen Testaments, einer Maria Magdalena allein oder offentlich einem gantzen Volck, so ists eine Euangelische predigt.Zur Argumentationsfigur vgl. : Was Christum nicht leret, das ist nicht Apostolisch, wens gleich Petrus odder Paulus leret, Widerumb, was Christum predigt, das ist Apostolisch, wens gleych Judas, Annas, Pilatus vnd Herodes thett. (). On dise
vnterscheid des Gesetzes vnd Euangelions ist alles lesen der Schrifft vergeblich vnnd kan der geringsten Ketzerey nicht widerstanden werden.

Hie haben vnser vernunfft vnd der Sathan nun zu arbeiten ewiglich, wie sie dise beide mengenvermischen. Vgl. , 2016f. vnd in einen Brey kochen moͤgen. Vom gesetz B 4v dunckt sie es grausam vnrecht gelehret sein, das den gerechten kein Gesetz
sol gegeben sein. Vnd wie Pater redet, das Lex sol sein extra Populum Dei. Vnd Summa ars Christianorum est, nescire legem et totam Iustitiam actiuam.Vgl. : Summa igitur ars et sapientia Christianorum est nescire legem, ignorare opera et totam iustitiam activam, sicut extra populum Dei summa sapientia est, nosse et inspicere legem, opera et activam iustitiam. (Galaterkommentar, 1535). Diß heissen sie vocem Cyclopum jetzt. Vnd wider die Antinomer spricht er Quod Lex neque ad iustificationem, neque ad vlla bona opera vtilis, et necessaria sit.Vgl. : Summa: Lex non est utilis nec necessaria neque ad iustificationem, neque ad ulla opera bona, multo minus ad salutem. (Vierte Thesenreihe gegen die Antinomer, 1538, These 38). Sondern Lex sol nur zorn anrichten vnd mit eitel
Suͤnde, Tod vnd Helle vmbgehen. Da haben sie tausent vnnd aber tausent glosen, wie das Gesetz oder gute wercke noͤtig sind zur seligkeit, vnd darnach, daß das Euangelion nichts sol lehren vnnd sein denn nur ein gnedige, froͤliche bottschafft von Christo, der alle vnsere vnd seine Feinde also getoͤdtet vnd zu nichte gemacht habe, als da sind Suͤnde, Gottes zorn, Tod,
schrecken des Gesetzes, Helle etc., als weren sie nie etwas gewesen, daruon denn ein hertz nur on vnterlaß froͤlich sey vnd in spruͤngen gehet, wenn es recht glaubet etc. Da haben sie abermal nicht weniger glosen denn im Gesetz, wie das Euangelium auch rewe vnnd Busse predige, Christus auch Gesetz vnd gebot gegeben habe, toͤdte vnd erschrecke die hertzen auch wie
Moses. Vnd die solchs jetzt lehren sind wol die besten Prediger, die die andern koͤnnen Antinomer schelten, so die werck nicht woͤllen lassen noͤtig sein zur seligkeit.

C 1r Aber sagt recht im Buͤchlein von den Juden, es sey gar ein hoher Prophetischer verstand, das Gesetz recht verstehen, vnd setzt das
Exempel Mosi selber hinzu; der habe das Gesetz verstanden, da er Exodi xxxiiij. spricht: Du, Herr, vergibst suͤnde vnnd missethat,Vgl. Ex 34,7. sonst helt noch verstehet niemand das Gesetz.Vgl. : Es ist gar ein hoher Prophetisscher verstand, wissen, was Gottes gebot sey, und wie es zu halten sey. Moses verstunds wol, da er sprach, Exo. xxxiiij: Du bist der Gott, der sunde vergibt, und ist niemand fur dir unschuͤldig. Das ist soviel gesagt: Niemand hellt deine Gebot, on wem du die sunde vergibst. (Von den Juden und ihren Lügen, 1543). Das Euangelion aber ist noch ein hoͤhere weißheit denn das Gesetz. Was ists denn wunder, das Rotten vnnd Secten auffstehen, die zween Herren sind da, die keinen augenblick feyren
noch schlaffen: des Weibes same vnnd die Schlange mit jrem hohen list;Vgl. Gen 3,14f. vnter der beider Herren einem muß ein jeglicher Mensch sein, vnd den meisten teil behelt die Schlange. Das die nun Gesetz vnnd Euangelion solten rein lassen gehen, das kan nicht sein, on das Got solcher Babel vmb der außerwelten willen noch jmmer stewret vnnd wehret, das sie den Thurn nicht
biß in himel bawen,Vgl. Gen 11,1–9. wie wir, Gott lob, dies viertzig Jar erfaren haben, das so manchen boͤsen Rotten vnd Ketzereyen ist gestewret worden, die es freilich alle boͤse im sinn gehabt haben vnnd zum theil noch glimmenverborgen und schwach brennen. Vgl. , 92f. vnnd schmollenverdrießlich das Gesicht verziehen. Vgl. , 1106f. an etlichen orten.

Was aber die spruͤch belanget, so die Anti-C 1vnomer anziehen, Luce
vlti., Johan. xvj., Rom. j., das die rewe vnd busse aus dem Euangelio sol gelehret werden, were zu lange, alles zu erkleren, woͤllen nur einen oder zween besehen kuͤrtzlich: Der Spruch Luce vltimo stimmet mit allen dreien Euangelisten vnd S. Paulus vocation, das Christus darmit das Predigampt einsetzt, dardurch nach Christus himelfart solt das Euangelion außgebreitet
werden durch die Apostel in Christus namen inn der gantzen Welt,Vgl. Lk 24,47. nicht wie Moses in der Wuͤsten predigte einem geringen Volck (wie Moses selber bekent)Vgl. Dtn 7,7. gegen andern Voͤlckern auff Erden.

Diß ist aus den Euangelisten vnd S. Paulus Beruff so klar als die Sonne am hohen Himel, das alles vom ampt zu lehren vnd Predigen geredt sey. Was
ists nun fuͤr eine rede, Christus will vnnd beuilcht inn seinem Namen zu predigen, als Predigete er selber gegenwertig, wie er im Juͤdischen lande gethan hat, darumb volge, das Busse vnd vergebung der Suͤnde beide aus dem Euangelio sollen gelehret werden? Dise Compositio vnd diuisio gestehe den Antinomern der leidige Henger! Christus redet vnd lehret, was man von
einem rechten Christlichen Euangelischen Prediger C 2r lernen sol, vnd setzt S. LucasVgl. Lk 24,47. klar zwey stuͤcke (wie Christus in dem beruff S. Pauli Acto. xxvj diselbigen widerholet),Vgl. Act 26,18. die sollen sein Busse vnnd vergebung der suͤnde, so colligirn die Antinomer heraus, was das Euangelion lehren vnnd wir von demselbigen gewertig sein sollen, da doch die frage nicht von
ist, wiewol es S. Lucas klar genug setzt: Es sol eine Predigt von der vergebung der Suͤnden sein. Vnd Acto. xxvj noch klerer, wens sonst helfen solt wider den Teuffel, der jmmer, wie gesagt, beides inn einander brawen wil. Durch die Papisten vnnd Werckheiligen lehret er die Seligkeit auß dem Gesetz, bey etlichen fuͤr vol, bey etlichen zum theil; durch die Antinomer
lehret er die Suͤnde vnnd Tod auß dem Euangelio, bey etlichen fuͤr vol, bey etlichen aber auch zum theil.

Darumb muß man dise vnterscheid wol mercken: Es ist vil ein andere rede, wenn ich sage, was ein rechter Prediger inn der Summa leren vnd Predigen sol – Vnd was in Summa das Gesetz vnnd in Summa das Euangelion lehren
sollen: Ein Prediger sol lehren Busse vnnd vergebung der Suͤnden, oder (welches gleich so vil ist) Er sol Predigen das Gesetz vnnd Euangelion. C 2v Das Gesetz an jm selber sol lehren erkentnus der suͤnde; darzu ist das Gesetz von Gott fuͤrnemlich vnd eigentlich geben, Rom. iij, iiij, vij, Gal. iij.Vgl. Röm 3,20; 4,15; 7,7. Das Euangelion aber sol an jm selber leren vergebung der suͤnde vnd
ewige seligkeit vmb Christus willen allein durch den glauben, on alle vnser verdienst, on Gottes Gesetz vnd aller menschen wercke vnd zuthun; noch koͤnnen die Antinomer das Euangelion ins Gesetz mengen, welchs nicht geringer ketzerey ist denn Gesetzes wercke ins Euangelion Christi mengen.

Vnnd solcher schoͤnen Antinomer wird jetzt die welt vol vnd sind fast die
besten lehrer. Wo sie zwey ding in der Schrifft beisamen finden gesetzt, so kochen sie es in einander zu einem brey. Als wenn sie lesen, Christus habe das Gesetz außgeleget, wie er Mathei am v.vj.vij.Vgl. Mt 5,17–7,20. getrost thut vnd sonst offt. Darnach prediget er auch das Euangelion. Dise beide lehren gehen durch einen mund Christi. So volget ja, sprechen sie, das Christus auch ein
Gesetzgeber sey, der die hertzen erschrecke vnnd toͤdte. Wenn man jn nun sagt, Christus habe das predigamt gemein gefuͤret mit den Propheten, Aposteln vnd allen rechten Predigern, in welchem ampt vil C 3r Propheten vnd Apostel mehr gethan haben denn er selbs, wie er spricht Johan. xiiij.Vgl. Joh 14,12. Jtem Er hat auch zu seinem Predigampt nicht bedoͤrfft, das er warer Gottes
Son were, wie die Propheten vnd Apostel auch nicht bedoͤrfft haben, vnd haben doch recht geprediget. Aber das Christus der gantzen welt Heiland vnd Seligmacher sey durch sein leiden, Tod vnd aufferstehen, diß Ampt hat er alleine, vnd hat es mit keiner Creatur nie getheilet. Von disem werck vnd ampt heisset er eigentlich Messias oder Christus, darzu must er warer,
ewiger Gottes Son sein, ein HERR vnnd GOTT vber alles, vnd auch ein warer, natuͤrlicher mensch, sonst hetten jn vnsere suͤnde vnd der Tod in der Helle gehalten ewiglich. Darumb wird Christus auch vnser Herr vnd Heiland bleiben, wenn Predigampt vnd alle Empter ein ende haben werden, j. Corin. xiij. xv.Vgl. I Kor 13,8; 15,24.

Solch Antinomisch geflicke ist die elende Maioristerey oder wercklere auch. Denn wenn sie hoͤrn, das in einem waren, rechten Christen Menschen gewis bey einander sein vnd sein muͤssen, nemlich der Glaube vnnd die Liebe, als inn welchen zweien stuͤcken das gantze Christliche wesen stehet, so sind sie mit jhrer folge flugs bereit vnd sprechen: Muß C 3v es denn sein vnnd
kan nicht anders sein, das glaube vnnd gute wercke staͤts beieinander sind, was sperret man sich denn, das gute Wercke nicht solten auch zum Himelreich noͤtig sein?
Hilfft nicht, wenn wir auch mit Fingern zeigen, der Glaube allein fasse Christum, das reine, vnschuldige Lemblein Gottes, die liebe aber gehe mit eitel Suͤndern vnd vnheiligen Leuten vmb inn disem
leben.

Der ander Spruch Rom. j: Gottes zorn von Himel wird offenbaret,Vgl. Röm 1,18. sprechen die Antinomer, so muß er ja durchs Euangelion offenbaret werden, denn das Gesetz ist von natur vns bekannt vnnd angeborn; das verstehen sie den Himel dort, weit ferne von vns, wie die Sacramentirer, da Christus hin
gefaren ist zur rechten Gottes. Aber die Schuler wissen das inn der Schule, welche schwache beweisung, ja nerrische rede das ist: A dicto secundum quid. Wenn ich sage, der kan das Abc, darumb kan er die gantze Grammatica, die er wol in sechtzig jaren noch nicht sol auslernen, ja sein lebenlang nicht.

Also ists war, das ABC vom Gesetz ist vns C 4r von natur bekannt, ists sonst noch so vil. Aber der rechte Prophetische vnd Apostolische verstand vnd erkentnus des Gesetzes, das es den inwendigen, geistlichen menschen haben woͤlle, der alles rein vnd volkommen, von gantzem hertzen, mit lust vnd freuden thun sol gegen Got vnd allen menschen, vnd dz frey aus der
liebe, on alles gesuche von konjiziert aus v]. eigenem nutz, sondern nur zur danckbarkeit gegen Gott vnd den leuten, seinen lieben bruͤdern vnd nechsten, zu gunst vnd dienste, als were kein himel noch helle etc. Hie wissen die weisesten vnd heiligesten im Gesetz nichts von, wie S. Paulus von jm bekent Rom. vij.Vgl. Röm 7,15. Vnd zum andern dz solch liecht vnd himlische Sonne des Gesetzes nur
darzu geben sey, dz sie in allen menschen – inn den heiligesten am ersten – die Suͤnde, den Tod vnd verdamnis anzeige vnd lebendig mache, das ist eine solche himlische vnd heimliche offenbarung des Gesetzes, das auch wol zimliche Christen vnd grosse Lerer schwerlich gleuben koͤnnen, denn da kompt vnser vernunfft (wie gehoͤret), die heilige reine Jungkfraw, der
deucht es vber alle masse vnrecht sein, dz das rechte, gute vnd heilige Gesetz, wie es S. Paulus nennet,Vgl. Röm 7,12. solt erst vnseren Suͤnden, Todt vnnd verdamnuß dienen, vnnd diß solt sein bestes werck vnnd Ampt sein, das es nur zorn anrichte, da C 4v segnen sich Christen vnnd vnchristen mit henden vnd fuͤssen vnd heissen dise lehre die ergste ketzerey, so auff Erden
je kommen ist, denn sie wissen Christum nicht oder auch wol nicht das ABC von jhm.

Die liebe Kirche Christi ist der Himel, da GOTT inne wonet vnd von welchem Himel er seines worts rechten verstand sendet, was Gesetz vnd Euangelion fuͤr zwo lehre sind. Wer inn dem Himel nicht Burger vnnd
Haußgenoß Gottes mit ist,Vgl. Eph 2,19; Phil 3,20. der verstehet weder Gesetz noch Euangelion recht. Es gehoͤren ander Leut darzu denn Philosophi vnnd die Vilwescher,Schwätzer. Vgl. , 213. so auß jrem refugio miserorumZuflucht der Armen, ironische Bezeichnung für ein Scheinargument, das alles und nichts beweist (eigentlich hymnische Benennung der Gottesmutter Maria). alles recht oder vnrecht sprechen koͤnnen pro tempore et persona. Ein rechter Lehrer, der ein Christ selber mit sein wil, der muß die Suͤnde mit der krafft des Gesetzes versucht haben
etlichmal. Jnn derselben Schule redet vnd schreibet man vil anders vom Gesetz vnd Euangelio, denn ein sicherer Antinomer, Adiaphorist, Papist, Maiorist aus dem Gesetz die seligkeit oder auß dem Euangelio die suͤnde zimmern kan kuͤnstlich, denn es sind nit alle Jsraeliten, die von Jsrael sind.Vgl. Röm 9,6. Also auch nicht alle Christen, die den Namen Christi tragen.

D 1r Darumb verstehen die Antinomer disen feinen spruch zun Romern nicht recht. Es mus freilich durch Gottes offenbarung gelernet werden, das alle menschen fuͤr Got nichts denn verlorne vnd verdampte Suͤnder sind, vnd denn am meisten, wenn sie mit wercken des Gesetzes am embsigesten gen Himel fechten. Vber dise kompt der zorn Gottes von Himel am
schweresten, denn was aus dem glauben nicht gehet, das ist doch suͤnde, wie S. Paulus Rom. j. vnd j. Corin. ij. schreibet,Vgl. Röm 1,16–18; I Kor 2,6–8. das die klugesten vnd heiligesten im erkentnis Gottes ausser Christo die schrecklichsten suͤnden vnd Abgoͤttereien gestifft haben, biß sie zu letzt den Herren der herrligkeit fuͤr eitel grossem Gottesdienst aus vnd nach dem Gesetz gecreutziget vnd
getoͤdtet haben etc. Das aber darumb volgen solte, dz diß des Euangelij lere erkentnus oder offenbarung were, das ist falsch, sondern ist ein gesetzpredigt vnd offenbarung, vnangesehen das sie in der Epistel zu den Roͤmern stehet. Denn Busse oder erkentnus der suͤnden sollen auch die Apostel Christi Predigen.

Die fuͤnffte Art.

Dise sind, so das Gesetz vnd Euangelion zimlich treiben alle beide Vnd das volck auch ger-D 1vne hoͤret. Wenn aber die Vesperder Nachmittagsgottesdienst. am Sontag aus ist vnd darnach die wochen vber nur eine Predigt oder auch wol gar keine zu thun noch zu hoͤren ist – Was volget nun den Sontag abent vnd die gantzen
Wochen vber? Nemlich im Kretzschmerin der Schenke. Vgl. , 2175. mit den Bawern vnten vnnd oben gelegen,im Rausch durcheinander gelegen. mit den Burgern vnd Junckern auff der kartenbeim Kartenspiel. geprasset, gewuchert, gefaulentzt vnd gebubet,gehurt, Ehebruch getrieben. Vgl. , 462. das wenn du von disen Antinomern scheiden soltest der Thumherren vnnd Pfaffen leben, du soltest zu thun haben.Du hättest Schwierigkeiten, das Lotterleben dieser Antinomer von dem der Domherren und Pfaffen zu unterscheiden. Ja, gruͤne Hechtefrische Hechte. Der europäische Hecht (esox lucius) ist ein Raubfisch von grün­bräunlicher Farbe. Vgl. , 739: Rücksichtlich des hechtes als speise wird unterschieden frischer oder grüner, gesalzner, gesottner, gebratner hecht; durch das sieden werden die schuppen des fisches blau. die schmecken besser denn ein rostriger Hering.geräucherter Salzhering; eine sehr haltbare, billige, geschmacklich allerdings auch wenig attraktive Speise.
Summa: es ist Bauch­ vnd nicht Buchuolck, seufft, dopelt,spielt mit Würfeln. Vgl. , 1268; , 962f. Hurt nun der Juncker mit oder sonst grosse Hanse,einflussreiche Leute. Vgl. , 456f. so hat es deste geringer fahr, sonderlich vmb den vrlaub.die Erlaubnis. Vgl. , 2467. Wenn denn der Abt also wuͤrffel auflegt, so spielen die Bruͤder mit.Sprichwörtlich, vgl. , 17, Nr. 12: So der Abt Würfel auflegt, mögen die andern Brüder küenlich mitspielen. Ähnliche Sprichwörter unter den Nrn. 7, 17, 20, 21. Denn wie solt das einem armen Mann eine suͤnde sein, wie man offt hoͤret, das den reichen keine suͤnde, ja eitel Ablas
ist?Wie sollte für einen armen Mann etwas Sünde sein, was ein reicher ohne Skrupel tut und mit der Attitüde, als handle es sich um ein verdienstliches Werk.

Ja, sagen sie, Du wirdst aus einem gantzen Dorff oder Statt kein Closter nit machen. Antwort: Mache du SodomaVgl. Gen 18,20; 19,13. draus. Man sagt hie von Antinomern, das ist, die wider Gottes gebot vnd jr eigen hertz leben. Nun frage dise D 2r beide zeugen, obs recht vnnd nach Gottes gebot gelebet sey mit sol
cher vndanckbarkeit, sicherheit,Selbstzufriedenheit, Vermessenheit. fuͤllerey,Völlerei. heucheln, dellerlecken,Schmarotzen. Vgl. , 240f. Geitz, Hoffart, vnzucht, faulheit? Die Schrifft sagt aber, das die solchs thun, das Reich Gottes nicht besitzen werden vnnd haben kein theil mit Gott noch Christo.Vgl. I Kor 6,9f; Eph 5,3–5. Ja, der Glaube macht allein selig. Freilich allein! Warumb hengst du denn solchen scheußlichen hauffen vnflatDreck, ekelerregender Müll. von suͤnden, laster vnnd
schand hinan? Sol der Glaub on alle gute werck selig machen, alswie. denn warwahr. ist, vnd du meinest, es koͤnne mit solchen hauffen Suͤnden geschehen, die jederman an dir sehen kan, da harre du auff.darauf kannst du lange (vergeblich) warten!

Nein, Gesell. Ein gut gewissen, spricht S. Paulus, fuͤr GOTT vnnd ALLEN Menschen zu haben, das sol der fleiß eines Christen sein,Vgl. II Kor 1,12; Hebr 13,18. oder wie er an
einem andern orth saget: Der Glaube, der durch die Liebe thetig ist, darinn stehet das Christliche wesen, das fuͤr Gott gilt.Vgl. Gal 5,6. Nun hat vnser Volck durchs Euangelion augen, ohren vnd Zungen gekrieget, die sie im Babstumb nicht hatten. Schreien sie dir nicht nach, wie ein Prediger inn der Kirchen Papisten, Widerteuffer, Antinomer, Maioristen offentlich nennet, so
gedencken sie es inn jhren hertzen, du seiest ein D 2v rechter Heuchler, Antinomer, Bauchdiener etc. StraffetTadelt, weist zurecht. Vgl. , 712–715. dich auch dein Pfarrer, Caplan, Heubtman, Burgermeister nicht, sondern sie hussenhetzen. Vgl. , 1976. alle gerne mit. Gut, laß dir aber die zeit nit lang duncken. Es ist noch ein Pfarrer vnd Herr vorhanden, der es sagen vnd straffen wird. Denn wir sind geschaffen vnd
zubereitet in Christo Jhesu zu guten wercken, das wir darin wandeln sollen, Ephe: ij.Vgl. Eph 2,10.

Die sechste Art.

Sind die Expectanten,die Abwartenden, Unentschlossenen; zu lat. exspectare = erwarten, abwarten. die woͤllen sehen, wo es zuuor mit der vnnd der lehre hinaus wil, wer denn recht behelt, bey dem woͤllen sie auch gantz feste
halten. Vnter disen sind etliche so eingezogenezurückgezogene. stille leute, das sie dieweilunterdessen, bis auf Weiteres. Vgl. , 1148f. Predigt vnd Sacrament anstehen lassen, oder komen jrgentirgendwo. Vgl. , 2157. jr etliche zusamen, doch nicht im holtzWald, Gehölz. Vgl. , 1765. oder felde, denn das were Widerteufferisch, da ist denn eitel liecht, Geist vnd hitze.(ironisch).

Solcher Antinomer wird jetzt das land vol, das macht, sie haben nie mit hert
zen auff das wort acht gegeben vnd gelernet. Darumb weil sie die Geister nicht bruͤffen koͤnnen,Vgl. I Joh 4,1. vil auch nicht woͤllen, meinen sie, es sey recht vnd weißlich gethan, das sie einen wie den andern meiden oder lesen es daheime, D 3r so bleiben sie vnuerdachtunverdächtig. Vgl. , 2014. vnnd vnbekuͤmmertunbehelligt. Vgl. , 307. darzu, so doch Christus spricht, es muͤssen ergernus kommen.Vgl. Mt 18,7; Lk 17,1. Vnd S. Paulus
setzt hinzu, sie muͤssen darumb kommen, das dardurch, die rechtschaffen sind, offenbar werden.Vgl. I Kor 11,19.

Es ist darmit nicht außgericht, zu winckel krauchensich in einen Winkel zu verkriechen. Vgl. , 359f. oder daruon droben,davontraben, sich aus dem Staub machen. wenn Rotten vnnd Ergernus sich heben in der lehre. Denn ob du wol den leuten kanst eine Nase machen,etwas vorspiegeln. Vgl. , 408f. warumb du es mit dem vnd dem zugleich,
mit jenem vnd jenem auch zugleich, oder heimlich mit keinen wilt halten, wie sie pflegen zu reden, so ist noch vorhanden der mit der spitzen schwefelichen zunge,der Teufel. der wird nicht so hin vnd her schlottern, sondern nach dem gewisen grunde fuͤlen deines hertzen. Denn wirdst du sehen, obs wird gelten, zu winckel krauchen mit Gottes wort vnnd deinem bekentnus, oder
ob es Gottes wille sey, das seine Christen wackere, bereite vnd offentlicheaufrichtige, rückhaltlos offene. Vgl. , 1180. leute sein sollen, weil er sein wort so thewer, als billich,wie es recht ist. wil gehalten haben, das, ehe ein Tuͤtel vom Gesetz vergehen solt, ehe muͤst Himel vnd Erden vergehen.Vgl. Mt 5,18.

Darumb ein Antinomer, oder die warheit D 3v bekant vnnd die falschen
Propheten hinfaren lassen, des vnd kein anders. Denn ist Baal Gott, so wandel man jm nach. Jst aber der HERR Got, so lasse man Baal faren.Vgl. I Reg 18,21 Liecht vnnd Finsternus, Christus vnnd Belial stimmen nicht zusammen.Vgl. II Kor 6,15. Es ist eine lautter Abgoͤtterey, damit dise Leute vmbgehen, woͤllen den Glauben an Christum im hertzen gewis vnnd feste behalten, ob sie schon die Pfaffen
sich zancken woͤllen lassen on sie. Jtem, es gehe sie nichts an, so doch ein Christ nichts anders ist noch sein sol, denn ein solch Liecht inn dem reich Gottes, das nur Gott seinem Herzen zu ehren vnnd liebe vnnd den Menschen mit allem vermoͤgen diene in lauterkeit vnd warheit. Denn das reich Gottes stehet nicht in worten, sondern in der krafft, spricht S. Paulus j. Corin. iiij.I Kor 4,20.
Amen.

Woͤllen es hie bleiben lassen bey disen sechserley art der Antinomer. Denn was ist die Welt anders denn eine lautere Antinomia. Ein Volck, welchs entfengnus, geburt, leben vnd Gottesdienst stracks wider Gottes gebot vnnd willen streben, wie Genesis vj. vnd viij. stehet.Vgl. Gen 6,5; 8,21. Jn den Summarien des andern
vnd vierundneuntzigsten Psalmen,Vgl. ; . da stehen sie abgemalet vnnd recht beschriben, die D 4r Heubtantinomer in Gottes volck sonderlich. Hie solt man die Posaun erheben, wie der Prophet Jesaias spricht.Vgl. Jes 58,1. Erheben, sage ich, heisset er stimme, nicht hie vnten auff der Erden wißpelnwispern, säuseln, flüstern. Vgl. , 737f. oder allein vnter die Bawern stuͤrmen,poltern, schelten. Vgl. , 619. dort oben sitzen die Knaben,Burschen, Kerle, Leute (mit ironischem od. bitterem Nebensinn). Vgl. , 1319. die es thun
vnnd die rechten Antinomer sind. Aber vil Antinomer schreien wider die, so das Gesetz von der Justification scheiden vnd der Prelaten jrrige lehre von guten wercken straffen, darmit das arme Volck nicht vom Glauben vnnd trost gefuͤret werde, welchs gewis geschicht, wenn das stehen sol, das vnsere wercke tuͤchtig vnnd noͤtig sein sollen zur seligkeit. Dise, sage ich,
noch darzu Antinomer schelten, vnd jene fein loben vnd schmucken helffen – Diß ist ein zeichen, du seist nicht allein ein grober, starcker Antinomer, sondern ein rechter grosser AntieuangelianerGegner des Evangeliums (vmtl. spontane Wortbildung analog zu Antinomer). darzu.

Aber daruon weitter inn meiner verantwortung, so ich lebe.Bislang war die von anscheinend geplante Verantwortung nicht eindeutig zu ermitteln, vgl. jedoch oben Anm. 16. Jetzt sey es an dem genug, was Antinomer sein, wenn man das Wort so weit ziehen wil, wie
die KerlesKerle. Zur Wortform vgl. , 572. angefangen haben, ausser dem gebrauch, so es erstlich gebraucht hat wider M. ,. da doch selber inn den Disputationibus wider die D 4v Antinomer offt bekent vnd setzt, das zu der Justification oder seligkeit kein ander wort, gedancke noch werck sol gedacht werden, denn nur eytel gnadenwort des Euangelij.Vgl. z. B. : Et nihil docendum, dicendum, cogitandum in re iustificationis, nisi solum verbum gratiae in Christo exhibitae. (Zweite Thesenreihe gegen die Antinomer, 1537, These 9). Vnd das wol mehr ist,
so sey auch das Gesetz ad nulla bona opera vtilis et necessaria. Sed econtra, fides et bona opera sunt necessaria ad legem, vt impleatur,Vgl. : 38. Summa: Lex non est utilis nec necessaria neque ad iustificationem, neque ad ulla opera bona, multo minus ad salutem. 39. Sed econtra iustificatio, bona opera et salus sunt necessaria ad legis impletionem. (Vierte Thesenreihe gegen die Antinomer, 1538, Thesen 38–39). vnd also offentlich nach willen gehen vnnd geschehen. Denn welche wercke GOT nicht beuolhen hat, sind keine gute werck.

FJNJS.