Im Zuge des Augsburger Interims und den sich daran entzündenden Kontroversen kam es in der Reichsstadt Nordhausen zu heftigen Konflikten unter der dortigen Pfarrerschaft. Es war anscheinend , der 1551 , dem Pfarrer an der Kirche St. Blasius in , vorwarf, ein Schüler zu sein und den Locus iustificationis zu verderben.Vgl. . Der Wittenberger Professor wandte sich seinerseits am 29. August 1554 an den Nordhäuser Bürgermeister und teilte ihm mit, dass er in einem Schreiben aufgefordert habe, die Heilsnotwendigkeit guter Werke nicht länger zu vertreten. Vielleicht hoffte auch, dass verlassen würde.Vgl. . Doch es war keineswegs allein Sybold, der Majors These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit verteidigte. Vielmehr hatte der Majoristische Streit unter der Nordhäuser Pfarrerschaft dazu geführt, dass sich zwei rivalisierende Parteien gegenüberstanden: auf der einen Seite Jakob Sybold, dessen Diakon Laurentius Tunger und Johann Noricus als Verteidiger Majors, auf der anderen Seite deren Gegner Anton Otho, dessen Diakon Lampert Faust, Johann Wirth, dessen Diakon Martin Hartkese und Andreas Weber.Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 115; Koch, Anton Otho, 70. Deren Auseinandersetzungen blieben zu dieser Zeit weitestgehend auf gegenseitige Angriffe von der Kanzel und auf Eingaben beim Rat der Stadt beschränkt.Abgesehen von ΠΑΡΑΛΟΓΙΣΜΟΙ. || HOC EST, || ARGV= || menta noua & || INSIGNIA IMPIAE SA || GACITATIS, ET PERVERSI STV || dij Carnis, Rationisque humanae, in tuendis proprijs || inuentis ac erroribus salutis, contra Scriptu || ram et manifestam ueritatem. || CONFVTATA PER || Ioannem Wirt Francum. || || [Frankfurt/Main: Peter Braubach, 1556] (VD 16 W 3617); als Anhang zu einer Schrift Amsdorfs gegen Menius wurde 1557 auch noch ein Werk Othos publiziert, das auf die Streitigkeiten innerhalb Nordhausens zurückgeht: Kurtze Antwort M. || Anthonij Otthonis / auff das || Lesterbuch Menij. (VD 16 O 1485) [Das Justus Meni= || us sein Vocation vnd Kirche || heimlich verlassen / vnd von || der reinen Lere des || Euangelij abge= || fallen sey. || Niclas von Amsdorff. || || [s.l. 1557] (VD 16 A 2345), Bl. C 3v – D 3v].
Wie konfliktträchtig die Lage in der Stadt war, zeigte sich Ende des Jahres 1554, als der Stadtrat eine dieser Eingaben der Pfarrer an die Theologen der Universitäten Wittenberg, Jena und Leipzig sowie an die Magdeburger Theologen sandte, damit diese Gutachten zur Lage in Nordhausen verfassten.Vgl. Koch, Anton Otho, 70. Melanchthon antwortete darauf am 12. Januar 1555, dass Sybold und andere Nordhäuser Theologen nicht länger Majors These verteidigen sollten. Allerdings meinte er hinter Othos Kritik an Sybold antinomistische Tendenzen erkennen zu können.Vgl. Melanchthons Gutachten an den Rat der Stadt Nordhausen. 12. Januar 1555, in: CR 8, Nr. 5718, Sp. 410–413 = MBW 7385. Die ernestinischen Theologen Erhard Schnepff, 2Johann Stoltz und Justus Menius teilten ebenfalls im Januar ihre Meinung über den modus loquendi in Sachen der Notwendigkeit guter Werke zum HeilKoch, Anton Otho, 70. Menius gab ein separates Gutachten ab. Vgl. dazu unsere Ausgabe Nr. 1, Einleitung, S. 19, Anm. 5. mit. Auch Johannes Wigand griff aus Magdeburg mit einer Publikation in den Streit in Nordhausen ein, da er aufgrund von Majors These um die Verkündigung der rechten Lehre fürchtete.Vgl. ARGVMEN= || TA DE NECESSITATE || BONORVM OPERVM AD || salutem, ex ipsis autoribus & defen= || soribus huius dogmatis, pio || studio collecta, & || perspicue re= || futata. || PER IOHANNEM VVI / || gandum Pastorem ad D. || Huldericum Mag / || deburgae. || [Magdeburg: Michael Lotther, 1555] (VD 16 W 2714).
Da dem Stadtrat von Nordhausen an einer zügigen Beilegung des Streits unter der Pfarrerschaft der Stadt gelegen war, Melanchthon jedoch nicht für Schlichtungsverhandlungen anreisen konnte, erbaten die Ratsherrn im Februar 1555 von den ernestinischen Herzögen die Entsendung von Erhard Schnepff und Justus Menius nach Nordhausen. Im März desselben Jahres erschienen Schnepf, Erasmus Sarcerius und Alexander Alesius in Nordhausen. Ihnen gelang es, einen Vertrag auszuhandeln, dem die Geistlichen der Stadt zustimmten und der per Ratsdekret bekräftigt wurde.Vgl. Koch, Anton Otho, 70f; Richter, Gesetz und Heil, 116f. Der so ausgehandelte Frieden hielt jedoch nicht lange, da Sybold bald erneut in seinen Predigten die Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit betonte – angeblich durch Schnepff dazu ermutigt.Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 117.
Im Jahr 1557 gewann der Streit abermals an Schärfe, da 30 deutsche ThesenSie finden sich abgedruckt bei Seehawer, Lehre und Brauch des Gesetzes, 97–99. über die Bedeutung und die Rolle des Gesetzes in der Stadt auftauchten. Hatte Melanchthon bei Otho bereits Anfang 1555 eine antinomistische Haltung erkennen wollen, so verbreitete sich nun in der Stadt rasch die Vermutung, in Otho den Verfasser der Thesen vor sich zu haben. Tatsächlich stammten sie aber wohl aus der Feder von Lukas Bornman, einem Vertrauten Othos. Daneben kursierten weitere 20 lateinische Thesen,Auch sie sind abgedruckt bei Seehawer, Lehre und Brauch des Gesetzes, 99f. gegen die sich Melanchthon entschieden wandte, insbesondere gegen den Satz, dass die höchste Kunst der Christen darin bestehe, das Gesetz nicht zu kennen.Es handelt sich dabei um die 17. These. Vgl. ebd., 99; Philipp Melanchthon an Hermann Wilcken. 12. August 1557, in: CR 9, Nr. 6305, S. 217f, bes. 218 = MBW 8306; offensichtlich wusste Melanchthon nicht, dass Luther diesen Satz bereits in seinem Galaterkommentar 1535 geäußert hatte: Summa igitur ars et sapientia Christianorum est nescire legem .Martin Luther, WA 40 I, 43,25f (Galaterkommentar, 1535). Da man Otho die Verfasserschaft unterstellte, wandte dieser sich an Joachim Mörlin in Braunschweig und an das Ministerium in Halle, um seine Rechtgläubigkeit zu beweisen.Vgl. Fabricius, Bericht vom Gesetz Gottes, C 1r, unsere Ausgabe Nr. 15, S. 339.
Am 20. Januar 1558 erließ der Stadtrat ein Dekret, in dem er den Kontrahenten gebot, persönliche Angriffe auf der Kanzel zukünftig zu unterlassen.
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Wegen der gleichwohl fortdauernden Auseinandersetzungen wandte sich der Stadtrat im Frühjahr 1558 mit der Bitte um die Abfassung von Gutachten an das Hallenser Ministerium und an Erasmus Sarcerius. Aus Halle antwortete der Superintendent Sebastian Boethius. Dieser mahnte zum Frieden und zeigte sich unparteiisch, denn er teilte mit, dass sie in Halleim Grunde nicht befinden konnen, Das ir einer als ein falscher lerer zu verurteln und verdammen sey.Gutachten des Hallenser Superintendenten über die Nordhäuser Händel, in: Seehawer, Lehre vom Brauch des Gesetzes, 100–106, bes. 101. Überhaupt sei er der Überzeugung, das solch gezencke nur aus dem alten Haß und neid damit sie kegen einander enzündet herfleust.Ebd. Er riet dem Stadtrat daher dringend, den für die Kirche so gefährlichen Streit durch entschiedenes Auftreten zu beenden, indem er den Pfarrer den weiteren Austrag der Kontroverse strikt verbiete.Ebd., 102–105.
Mit diesem Votum wurde die Kontroverse aber nicht beendet, sondern Otho geriet vielmehr seit dem Herbst 1558 noch mit Johann Fuß, dem Oberpfarrer an der St. Petrikirche in Nordhausen, in Streit und sah sich wohl vor dem Hintergrund der zahlreichen Angriffe auf ihn genötigt, sich öffentlich zu rechtfertigen. Darum publizierte er im Jahr 1559 den hier edierten Gütlichen Bericht.
2. Der Autor
Anton OthoZu ihm vgl. G. Frank, Art. Otto, Anton, in: ADB 24 (1887), 745f; Silberborth, Höhepunkt; Koch, Anton Otho; Richter, Gesetz und Heil, 112–121, 253–273. wurde vermutlich um das Jahr 1505 in Herzberg/Elster geboren. Er scheint das Böttcherhandwerk erlernt und in der Werkstatt seines Vaters gearbeitet zu haben. Über seine schulische Ausbildung ist nichts bekannt. Im Jahr 1533 immatrikulierte er sich an der Universität Wittenberg und wurde dort am 18. September 1539 zum Magister promoviert. Danach nahm er eine Stelle als Pfarrer in Gräfenhainichen an. 1543 wechselte er als pastor primarius nach Nordhausen.
Im Zuge der Kontroverse über den Umgang mit dem Augsburger Interim geriet Otho in Konflikt mit den Wittenberger Theologen, da er die konziliante Haltung Melanchthons nicht teilte, sondern sich vielmehr öffentlich gegen diesen positionierte.Vgl. Anton Otho, Die Vorrede Philippi vber das Regenspurgische Interim / mit einer erklerung Anthonij Othonis / Pfarhers zu Northausen / sehr lustig vnd nützlich zu lesen, [Magdeburg 1548] (VD 16 M 2392) = Philipp Melanchthon, Vorrede auf das fürgelegte Buch zu Regensburg (1541), in: CR 4, 728–734. Er erhob auch von der Kanzel herab Protest gegen die Durchführung der Bestimmungen des Augsburger Interims in Nordhausen.
In den folgenden Jahren griff Otho publizistisch in die Kontroverse um die Rechtfertigungslehre Andreas Osianders ein und widersprach entschieden4 der These Georg Majors von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit. Über Majors These und daran anknüpfend über die Bedeutung des Gesetzes für den gerechtfertigten Menschen entwickelte sich in den 1550er Jahren eine heftige Auseinandersetzung unter der Nordhäuser Pfarrerschaft, in deren Zentrum Otho als strikter Gegner majoristischen Gedankenguts und einer Vermischung der Gesetzespredigt und Evangeliumspredigt stand.
Mit der Berufung von Andreas Fabricius zum Pfarrer an der St. Petrikirche im Jahr 1564 erhielt Otho einen Mitstreiter in Nordhausen, der durch seine Äußerungen und Schriften zur weiteren Verschärfung des Streits unter den Pfarrern der Reichsstadt beitragen sollte.Vgl. dazu unten die Einleitungen zu Nr. 14, S. 303f, und 15, S. 323. Der Stadtrat reagierte darauf unter dem Druck Kurfürst Augusts von Sachsen im Juli 1568 mit der Amtsenthebung aller am Streit beteiligten Theologen.Vgl. unten die Einleitung zu Nr. 15, S. 323. Am 25. Juli 1568 verließ Otho daraufhin Nordhausen.
Nach seiner Abreise bewarb er sich bei Herzog Johann Wilhelm von SachsenWeimar um eine neue Stelle, worauf dieser ihm die Pfarrstelle in Buttstädt anbot und sich gegen die Beschwerden des Buttstädter Stadtrats über das fortgeschrittene Alter Othos durchsetzte, so dass er dort am 8. Januar 1569 als Pfarrer bestätigt wurde.
Nach dem Tod des Herzogs am 3. März 1573 übernahm Kurfürst August von Sachsen die Vormundschaft über die unmündigen Söhne des Herzogs und führte die Regentschaft im Herzogtum. Dies hatte die Ausweisung einer nicht unerheblichen Zahl von Theologen, darunter Anton Otho, zur Folge. Über sein weiteres Leben und seine späteren Aufenthaltsorte ist wenig bekannt. Er befand sich 1574 augenscheinlich bei Christoph vom Hagen in Deuna und unterhielt weiterhin gute Kontakte nach Nordhausen. 1575/76 bemühte er sich deshalb um eine Wiedereinsetzung in sein dortiges Pfarramt und berief sich dabei auf den Willen einiger ehemaliger Gemeindeglieder. Dazu ist es jedoch nicht gekommen; eventuell erhielt er Ende der 1570er Jahre die Pfarrstelle in Stöckey, eine Patronatspfarre der Familie vom Hagen.
In den Kontroversen der Zeit ergriff er weiterhin Partei. So stellte er sich im Erbsündenstreit auf die Seite von Flacius, was ihn in Gegnerschaft zu seinem ehemaligen Mitstreiter in Nordhausen, Andreas Fabricius, führte. Im Jahr 1578 veröffentlichte er eine Gegenschrift zur Konkordienformel, die er strikt ablehnte.DE IACOBINA || FORMVLA || adultero Lutherana, &c. || M. Antonius Otho exul Christi. || [Nürnberg: Nikolaus Knorr, 1578] (VD 16 O 1484).
Sein Todesjahr ist nicht bekannt. Da noch aus dem Jahr 1586 eine Veröffentlichung von ihm vorliegt,Wider das fau= || le / stinckende Scheidewas= || ser der Accidentzer: || Die verderbte Natur von der || Erbsuͤnde zuschei= || den. || M. Antonius Ottho. || [s.l. 1586] (VD 16 O 1496). ist sein Ableben irgendwann nach diesem Zeitpunkt anzusetzen.
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3. Inhalt
Otho unterscheidet sechs Arten von Antinomern:
1. Libertinisten, die in Sünde gegen Gottes Gebot und ihr eigenes Herz leben; 2. Werkheilige, die über einer Unmenge kleinlicher Gesetzlichkeit die wesentlichen Forderungen des Gesetzes, etwa nach Barmherzigkeit, vernachlässigen; 3. Leisetreter, die das Gesetz verkünden, wo es ohne sonderliche Folgen bleibt und womöglich schwadronieren, wo es weitgehend gefahrlos möglich ist, aber davor zurückschrecken, es durchzusetzen, wo es darauf ankäme; 4. die eigentlichen Antinomer wie Johann Agricola, gegen die bereits Luther ankämpfte, die den usus elenchthicus legis ablehnen und die Reue aus dem Evangelium herleiten und lehren wollen; 5. Inkonsequente, die leidlich korrekt über Gesetz und Evangelium lehren, aus dieser Lehre aber keine oder falsche Folgerungen für das Leben ziehen, als bedeute sola gratia und gratis in der Rechtfertigung, es bedürfe keiner guten Werke im Leben; 6. Konjunkturritter, Schwankende, Expectanten, die Irrlehren nicht entgegentreten, sondern abwarten wollen, welche Auffassung sich schließlich durchsetzen werde, um sich dieser dann anzuschließen.
4. Ausgaben
Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:
A:
Gütlicher bericht von || den Antinomern. || Antonius Otho Prediger || zu Northausen. || Jm v. Theil Lutheri / Pag: Clxv. || [20zeiliges Zitat] || Gedruckt zu Regenspurg / durch || Heinrichen Geißler.Heinrich Geißler betrieb in den Jahren 1558–1569 in Regensburg seine Druckerei, vgl. Reske, 730. [1559] [16 Bl. 4°] (VD 16 O 1483)
Vorhanden:
Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 26 in: Dm 3 R
Dresden, Sächsische Landes und Universitätsbibliothek: Hist.eccl.E 335,34
Halle, Universitäts und Landesbibliothek SachsenAnhalt: AB 48 462(7)
Jena, Thüringer Universitäts und Landesbibliothek: 4 Bud.Theol.181(6)