Controversia et Confessio, Bd. 4


Flacius, Dass die Buße allein aus dem Gesetz zu predigen sei (1559) – Einleitung Nr. 2: Flacius, Dass die Buße allein aus dem Gesetz zu predigen sei (1559) – Einleitung

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1. Historische Einleitung

Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, eine Einigung unter den Evangelischen herbeizuführen,Besonders bitter machte sich die Zerstrittenheit innerhalb der Protestanten im Wormser Religionsgespräch von 1557 bemerkbar, wo man den Altgläubigen nicht einmütig gegenübertreten konnte. Vor diesem Hintergrund ist auch die Schlusspassage zu sehen im : Wir bieten auch alle Menschen / das sie die wunden der Kirchen nicht groͤsser machen woͤllen durch falsche deütunge / vnnd vnnoͤtige gezenck. Es sind alle zeyt gewesen / vnd sind noch / vnd werden für vnd für sein / etlicher Leüt schwachheyt vnd fehle / Wenn sich nun die selbigen weysen lassen / soll man sich nicht / als Feynde / würgen / sondern man soll vnterscheid halten zwyschen Burgern vnd Feynden / zwyschen Gottsfoͤrchtigen / die vnterweysung annemen / vnd halßstartigen veraͤchtern / vnd soll gelindigkeit erzeigt werden gegen disen / welche guͤtiger vnd Christlicher vnterweysung nicht mGtwilligklich widerstreben. Vnnd in Summa / Wir sollen die ernstliche Gottes Gebott vor augen haben / welche gebieten / dz man die Kirchen nicht mit vnnoͤtigem gezenck zerstoͤren woͤlle / Wie auch imm Propheten Zacharia / Cap. 9. geschriben ist / Jr solt Warheyt vnd Friden lieben [Sach 8,19] / Das ist / erhaltet reynigkeyt der Lehr vnnd anruͤffung / vnnd vnter euch Friden vnd eynigkeyt / damit die A 4r anruͤffung nicht durch zweyffel geschwecht / oder gantz auß gelescht werde. ergab sich die Gelegenheit anlässlich der Kaiserproklamation in im März 1558.Zum Folgenden vgl. , 169–172. Die Kurfürsten , und , , und waren persönlich an den Verhandlungen beteiligt, und waren schriftlich einbezogen. Ein Gutachten von Den Text hatte in konzipiert; , vgl. auch . formuliert in seinem Einigungsvorschlag recht pointiert: Contra Antinomos constantissime retinenda est haec vera, et propriis verbis dicta sententia: Nova obedientia est necessaria eo ipso, quia creaturam rationalem Deo necesse est obedire, sicut Paulus inquit: Debitores sumus: Ac insulsitas est, fingere, haec vocabula, necessitatem et debitum significare terrore extortum, sed ordinem divinum et immotum in Deo significant. Et cum nova obedientia, et bona opera nominantur, non tantum externa facta intelligantur, sed iustitia bonae conscientiae interior, et exterior, iuxta mandata Dei, de qua dictum est: Milita bonam militiam, retinens fidem, et bonam conscientiam. Nec filius Dei ideo sudavit sanguinem, et in cruce pependit cruentus, ut tu spurcissimis libidinibus Deum offendas, et omnibus furoribus indulgeas: Sed passus est, ut lex Dei, et imago Dei in nobis restituatur. Est igitur barbarica impietas fingere, non esse necessariam hanc obedientiam, sed esse concessam licentiam omittendi eam, sicut non est peccatum vesci carne die sexta. Retinemus igitur hanc propositionem, et hanc formam loquendi: Bona opera sunt necessaria, et recte declaramus, non quod sint merita remissionis culpae, et poenae aeternae, nec quod sint merita vitae aeternae: Sed quia divino ordine homo debet obedientiam. Sed hac forma verborum non utimur: Bona opera sunt necessaria ad salutem, seu ad vitam aeternam, ne intelligatur meritum reconciliationis, aut vitae aeternae, et ne obscuretur consolatio Evangelica, quae agentibus poenitentiam concionatur de gratuita donatione vitae aeternae propter mediatorem. Ut igitur vitetur ambiguitas, velimus et nos omitti hanc additionem: Necessaria ad salutem. Rursus etiam velimus ab aliis omitti falsas hyperbolas . wurde approbiert und bildete die Grundlage für den am 18. März2 1558 unterzeichneten Rezess.Abgedruckt in , der Text wurde nach Mitteilung der Herausgeber aufgrund der Vorlage von formuliert. Dieser sollte kein neues Bekenntnis darstellen, sondern das Festhalten an der reinen Lehre bekunden, wie sie in der heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments enthalten und in den drei altkirchlichen Symbolen, dem Augsburger Bekenntnis und dessen Apologie bezeugt ist. Nach dieser Norm solle auch in den Kirchen gepredigt und keine abweichenden Lehren geduldet werden. Über einige strittige Punkte wolle man konfessionsweise repetieren, was die CA darüber lehre, und zwar 1. über Rechtfertigung, 2. über die Frage, ob gute Werke nötig seien zur Seligkeit, 3. über das Abendmahl und 4. über Adiaphora. Dabei wurde zum zweiten Punkt gelehrt, der neue Gehorsam sei in den Gerechtfertigten nötig, allerdings solle man wegen der naheliegenden Gefahr einer Fehldeutung auf den Zusatz zur Seligkeit verzichten.: Es ist gewiß göttliche, unwandelbare Wahrheit: Nova obedientia est necessaria, der neue Gehorsam ist nothwendig in den Gerechtfertigten; und sollen diese Worte in ihrem rechten Verstand bleiben. Nöthig heißt göttliche Ordnung: Nova obedientia est necessaria und nova obedientia est debitum, eo ipso, quia ordo immotus est, ut creatura rationalis Deo obediat, neuer Gehorsam ist nöthig, und, neuen Gehorsam sind wir schuldig, eben darum, daß es ist Gottes unwandelbare Ordnung, daß die vernünftige Creatur Gott gehorsam sey. Dagegen machen etliche eine grobe Deutung; nöthig heiße: das erzwungen ist durch Furcht oder Strafe. Diese Worte: gute Werke, werden auch grob verstanden, allein von äußerlichen Werken; diese Rede aber, nova obedientia, neuer Gehorsam, soll also verstanden werden: das neue Licht im Herzen, durch das Wort Gottes vom Sohn und heiligen Geist angezündet, und Freude in Gott, Anrufung, guter Vorsatz, daraus äußerliche gute Werke kommen. Unter den Abschlussbestimmungen ist besonders hervorzuheben, dass man übereinkam, sich über mögliche neue Streitfragen brüderlich zu verständigen und bis zur Klärung keine Abweichungen von der angenommenen Lehrform zu gestatten. Neue Streitfragen sollten nicht unter das Volk gebracht, sondern den Superintendenten und Konsistorien zur Prüfung vorgelegt werden. Theologische Schriften sollten nicht ohne Zensur gedruckt werden, Schmähschriften verpönt sein. Die übrigen evangelischen Stände sollten vertraulich zum Beitritt eingeladen werden, insbesondere durch ein gemeinsames Schreiben der Unterzeichner.

Der Zweck, die Streitigkeiten beizulegen, wurde durch den Rezess nicht erreicht. Das Echo auf den Rezess war geteilt, die schärfste Opposition kam erwartungsgemäß aus und : publizierte im Auftrag ein Öffentliches Bekenntnis der reinen Lehre des Evangelii und Confutatio der jtzigen Schwärmer.. [Die Publikation in unserer Ausgabe Bd. 5 ist geplant.] schrieb eine Refutatio Samaritani Interim, in quo vera religio3 cum sectis et corruptelis scelerate et perniciose confunditur und Grund und Ursach, warum das Frankfurter Interim in keinem Weg anzunehmen.Beide Texte blieben anscheinend ungedruckt und kursierten nur handschriftlich. Argumentativ stimmt damit im wesentlichen die offizielle Rekusationsschrift überein, die im Juni 1558 von seinen Theologen abfassen ließ und seinem Ablehnungsschreiben beifügte. Darauf antwortete im kursächsischen Auftrag mit einem Responsum Melanthonis de censura formulae pacis Francofordianae, scripta a Theologis Wimariensibus, datiert auf den 24. September 1558.. trug sich mit dem Plan, alle Gegner des Rezesses in zu versammeln und eine Gegenkundgebung zu veröffentlichen, doch scheiterte er damit. So wurde stattdessen das sogenannte Weimarer Konfutationsbuch. Unter VD 16 S 1099 ist ein weiterer Druck verzeichnet, 1559: Erben. zusammengestellt, das in der Endredaktion von erheblich zugespitzt und Anfang 1559 publiziert wurde.

In den Zusammenhang dieser Diskussionen gehören anscheinend auch die Texte, die in unserer Ausgabe unter den Nummern 2 bis 4 ediert sind, veröffentlicht in relativ dichter Folge im Jahre 1559.

Zu dieser Zeit war seit etwa zwei Jahren in Jena tätig als ObersuperintendentAnscheinend anfangs neben dem am 1. November 1558 verstorbenen ; vgl. . und als Professor für Neues Testament an der Universität, die von den ernestinischen Herzögen für ihre verbliebenen Lande als Ersatz für die an den albertinischen Zweig verlorene Universität Wittenberg und in Konkurrenz zu dieser gegründet worden war.

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2. Der Autor

AlsZu den folgenden Ausführungen vgl. allgemein ; , 206–214. , alias , am 3. März 1520 im venezianischen an der illyrischen Adriaküste geboren, bezog er auf den Rat seines Verwandten nennt ihn den Schwager seines Oheims, war also der Bruder einer angeheirateten Tante des . Er wurde im September 1556 nach langer Haft in als Ketzer ersäuft. Vgl. . , der den Ideen der Reformation aufgeschlossen gegenüberstand, die Universitäten in , und – ab 1541 – . Dank Seelsorge wurde von schweren Anfechtungen befreit, die ihn jahrelang gequält hatten, und die Lehre von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden wurde und blieb zeitlebens der Zentralartikel seiner Theologie. Darum dürfte auch die im vorliegenden Zusammenhang erörterte Frage nach der Definition des Evangeliums und nach der sachgemäßen Unterscheidung von Gesetz und Evangelium für theologisch nicht nur intellektuell­doktrinär von großer Bedeutung gewesen sein, sondern auch seelsorgerlich­emotional.

1544 erhielt eine Professur für Hebräisch an der Universität Wittenberg, und im Herbst 1545 heiratete er die Pfarrerstochter .Nach ihrem Tod 1564 heiratete er . 1546 wurde Magister. Während des Schmalkaldischen Krieges fand für einige Zeit Aufnahme in und lehrte am dortigen Pädagogium. Als er es nicht vermochte, die Wittenberger Fakultät zu einer gemeinsamen Abwehrhaltung gegen das Augsburger Interim zu bewegen, wandte sich 1548 als einer der ersten öffentlich gegen das Interim, dann auch gegen die Leipziger Landtagsvorlage (Leipziger Interim).

In den Jahren 1549 bis 1557 engagierte sich intensiv in und veröffentlichte zahlreiche Schriften in den theologischen Auseinandersetzungen um die Bewahrung des authentischen Erbes und zum Erweis der Katholizität der Reformation. Bis 1561 wirkte dann in als Generalsuperintendent und Professor an der Hohen Schule – 1558 durch als Universität bestätigt –, die so zu einem Hort unverfälschten Luthertums und Gegenpol zur Universität Wittenberg wurde, bis er und sein Kollege am 10. Dezember 1561 ihrer Ämter enthoben wurden. In den Folgejahren lebten und seine Familie in (1562–1566), (1566–1567), (1567–1573) und , wo er – von Ausweisung bedroht – am 11. März 1575 starb.

3. Inhalt

Die Aussage, das Evangelium sei eine Predigt der Buße und der Vergebung der Sünden, kann nach Ansicht des nur unter der Prämisse gelten, dass5 darin Evangelium als Oberbegriff für die gesamte christliche Lehre verstanden wird. Im strengen Sinne aber sei Evangelium die gnadenreiche Botschaft von Christus. Die Reue – denn so sei das Wort Buße hier, wie häufig in der Schrift, zu verstehen – sei nicht aus dem Evangelium, sondern aus dem Gesetz zu predigen. Er begründet dies folgendermaßen: Seit vierzig Jahren werde in den Kirchen der (lutherischen) Reformation entsprechend gelehrt. Die gegenteilige Auffassung bedeute eine unzulässige Vermischung von Gesetz und Evangelium, denn das Gesetz habe die Hauptfunktion, die Sünde aufzuzeigen und Reue zu wecken. Diese Vermischung sei die Wurzel zahlreicher Irrlehren (Antinomer, Schwenckfelder, Wiedertäufer) und nicht schriftgemäß. Ergänzend führt Belege vorwiegend aus Schriften und an. Abschließend weist er recht unvermittelt ihm zugeschriebene Äußerungen um einen Papagei als grobe Unwahrheit zurück.Vgl. dazu unten S. 68f mit Anm. 95; S. 87 mit Anm. 105.

4. Ausgaben

Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:

A:

Das die Buss / Rewe / || oder erkentnis des Zorns vnd der Suͤnden / || eigentlich allein aus dem Gesetz: Vnd widerumb die ver= || gebung der Suͤnden / oder Gnade allein aus dem E= || uangelio zu predigen sey / welcher vnterscheid || des GesetzesBei dem benutzten Exemplar ist der Buchstabe z in Gesetzes nicht abgedruckt. vnd Euangelij auffs || fleissigst zu Mercken || ist. || M. F. Illyr: || [Luther­Zitate] [Im Kolophon: Gedruckt zu Jhena / durch Thomam Rebart. || Anno M. D. LIX.] 8 Bl. 4° (VD 16 F 1331)

Vorhanden:

Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 20 in: Dm 3 R; 6 in: Dg 4

Halle, Universitäts­ und Landesbibliothek Sachsen­Anhalt: AB 154 378(6)

Jena, Thüringer Universitäts­ und Landesbibliothek: 4 Bud.Theol.181(7); 4 Theol. XLIII,6(14a); 8 MS 25 543(4)

Lüneburg, Ratsbücherei: Th 912(2)

München, Bayerische Staatsbibliothek: 4 Polem. 1213 n

New York, Union Theological Seminary: D 567

Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut.ben.Aut.Flacius(31)

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 151.41 Theol.(20); 506.5 Theol.(13); H 134.4 Helmst.(10); S 217b.4 Helmst.(5) [benutztes Exemplar]Köhler II–771 (Nr. 1406).