Controversia et Confessio, Bd. 4


Abschied der Eisenacher Synode (1556)

191 CONCLVSIO ET DECRETVM

SYNODI ISNACENSIS, ANNO 1556

celebratae, qua et error damnatus

est, cui adiecta est reuocatio.

Was der Son Gottes, vnser Herr vnd Heilandt Jesus Christus, vor seinem
leiden vnd aufferstehung den ewigen Vater mit hertzlichem seufftzen vnd flehen gebeten hatt, Das vns der vater wolte Heyligen in der warheitt,Vgl. Joh 17,17. Das ist: Jn seinem wort, vnd vns in ihme eynig machen,Vgl. Joh 17,11.21‒23. das bittet er ohne auffhoͤrenn, bis er das Reich Gott vnd dem Vater vberantworten wird, auff das Gott sey alles in allem.Vgl. I Kor 15,24.28. ZG diesem hohen vnd ewigen Priester sollen wir vns
auch halten vnd von hertzen bitten, das er vns sampt dem Vater vnd Heyligen geist woͤlle bey Reiner, vnuerfelschter lere des heiligen Euangelij, DartzG auch in Christlicher eynigkeitt vnd bestendiger bekentnüsim Druck: bekennüs. allezeitt bis ans ende gnediglich erhalten.Vgl. Hebr 3,1; 4,14‒16; 10,19‒25.

Dieweil dann zG vnserer zeitt allerley mißverstandt vnd irrige deutung neben
vielfeltigen ergernussen vnnd zwispalt diser Proposition halben: Das gGte werck zur seligkeitt noͤtig sein, fürgefallen vnd der leidige sathan auch in vnsere kirchen, welche durch Gottes gnade bisanher vnbefleckt seint erhalten worden, solchen sauerteig der PhariseerVgl. Mt 16,5‒12; Lk 12,1. gern hett eingetragen, So haben die Durchlauchtige, hochgeborne Fürsten vnd Herrn, die Hertzogen zG
etc. Gebruͤdere, vnsere gnedige Fürsten vnd Herrn, aus Christlichen vnd hochloblichen Eiffer vnd vorsorg, so sie für ihre Landkirchen tragen, einem Synodum oder conuentum ettlicher jhrer Predicanten vnd Theologen zG versamlet, dorinnen nach gehaltenem Colloquio oder vnterrede folgende sieben Artickell oder Propositiones einmuͤtiglich seind erklerett vnd
aus gottlicher heyliger schrift genGgsam beweisett worden.

Damit nu nicht allein dieser Landt kirchen, sonderen auch alle Christliche versamlung, wo sie seindt, wissen, was in gemeltem Synodo Gott zG ehren vnd menniglich zG trost sey gehandelt worden, Auch vnsere nachkommen sich haben auff diese zeugnüs zG beruffen, do diese disputation wider erre
gett wurde, Jst vns von hochgedachtenim Druck: hocgedachten. vnseren gnedigenim Druck: gn digen. Fürsten vnd Herrn befholen worden, die summen der handlung 192 in eine kurtze formam Confessionis zG fassen. Welchen befelch wir hiemit in aller vnterthenigkeitt gehorsam wollen leisten. Vnd bitten den Vatter vnsers Herrn Jesu Christi das1 er ime altzeit eine Christliche gemeine in diesen landen welle samlen vnd
erhalten vnd vns vor allen Rotten vnd secten gnediglich behuͤten. Amen.

Der erste Artickell oder Proposition.

Etsi haec oratio, Bona opera sunt necessaria ad salutem, in doctrina legis abstractiue, et de idea tolerari potest, tamen multae sunt graues causae, propter quas uitanda et fugienda est, non minus quam illa: Christus est
creatura.

Das ist:

Wiewol diese Rede GGte werck sind notig zur seligkeit mochte geduldett vnd gelitten werden, so ferne sie eine gesetzlehre ist vnd bleibett vnd verstanden wird abstractiue vnd de idea, Jedoch sind viel grob­wichtigersic. groß­wichtig? vrsa
chen, vmb welcher willen sie nicht jm predigen oder schreiben solle gebraucht werden, gleich wie man sich huͤtet vor diesen worten: Christus ist ein Creatur.

So viel nu diesen ersten Artickell belangt, Bekennen wir, das Gottes gesetz, in den zehen geboten begriffen, sey eine ewige vnwandelbar Regell oder
richtschnGr, welche von allen vernunfftigen creaturen, engeln vnd menschen, erfordert volkomenen gehorsam, das ist: hertzliche liebe gegen Gott vnd den menschen ohn alle sunde vnd bose luste, vnd verheissett denen, so solchen gehorsam leisten, zeittliche vnd ewige guͤter. Dargegen aber drawettdräut, droht an. sie Gottes zorn vnd flGch, zeittliche vnd ewige straff, allen Engeln vnd
menschen, welche nicht alles halten, was jm bGch des Gesetzes geschrieben stehett. Diese definition oder beschreibung soll vnd mGß verstanden werden de abstracto et de idea. Wie man in SchGlen pflegt zG reden: definitiones traduntur de ideis. Damit aber der gemeine man diese schGlwort verstehn konne, wollen wir vnsere meynung durch ein einfeltiges gleichnüs erklaͤren:

Es ist zweyerley frage von einem taler: die erste, was der taler geldte, die ander, wer den thaler hab.193 Auff die erste frage pflegt man also zG antworten: ein gGter, vnuerfelschter taler gelte 24. gr., oder 24.im Druck: 42. gr. sind noͤtig zG einem taler, vnd so ein heller dran mangelt, ist die müntz am schrott vnd kern zG geringe.Auf einen Taler kamen 24 Groschen oder 240 Heller. Die Taler waren Silbermünzen, die ihren Namen nach dem böhmischen St. Joachimsthal mit seinen reichen Silbervorkommen führten; die Heller waren ursprünglich silberne, später immer weiter verschlechterte Kleinmünzen und wurden nach ihrem Ursprungsort benannt. Schrot ist das Rau­ bzw. Gesamtgewicht einer Münze, Korn (hier evtl. irrtümlich Kern) der Feingehalt; vgl. ,1819; , 1777f. Auff die ander frage antwortet ein armer
Lazarus:Vgl. Lk 16,20. Jch habe keinen taler, kan auch als ein schwacher vnnd krancker man nicht einen heller mit meiner arbeit erwerben, sondern was ich esse oder trincke, das mGß man mir auß gnaden vmb Gottes willen geben.

Also hat es auch eine gelegenheit mit dem Gesetz Gottes, wenn man von demselbigen disputieret, Wie es an im selber ist, vnd nicht sehet auff die
arme vnd Sündliche natur menschliches geschlechtes, so moͤchte die meynung dieser proposition geduldet werden: GGte werck sind noͤtig zur seligkeit,im Druck: seligzeit. wie andere propositiones Legis geduldet oder verstanden moͤgen werden. Dann das Gesetz fordert nicht allein solchen gehorsam, wie oben gemeldet, sonder verheisset auch denen, so jn haben, das leben. Iuxta illud,
qui fecerit haec uiuet in eis.Vgl. Lev 18,5.

Vnd ist gleich geredt, als wenn man saget: ein rose ist eine blGme. Diese rede ist Sommer vnnd Winter war, ob schon im Winter keine rose nicht auf erden zG finden ist.

Wann man aber dieser Regel Iusticiam helt gegen menschlichem geschlecht
als gegen einem krummen vnd vngeschlachtenunförmigen. Vgl. , 847. holtz, so findet sich alsdann die vngleicheit des Gesetzes vnd vnser sündigen natur. Dauon S. Paulus sagt Rom. 7: Lex spiritualis, ego carnalis.Vgl. Röm 7,14. Jn dieser collation ist die frage, Ob wir armen sunder nach dem fallVgl. Gen 3,1‒24. den volkommen gehorsam haben oder nicht, Welchen das Gesetz erfordert vnd welchem es grosse ding verheisset.

Hierauff muͤssen wir alle mit S. Paulo antworten vnd bekennen Rom. 8: Cum impossibile esset Legi, quia infirmabatur per carnem, misit Deus filium.Vgl. Röm 8,3. Item: Sensus Carnis est inimicitia aduersus Deum, legi enim Dei non subijcitur, nec subijci potest.Vgl. Röm 8,13. Item Gal. 3: Si data esset Lex, quae posset uiuificare, utique per Legem esset iusticia.Vgl. Gal 3,21.

Hie fragen aber die einfeltigen warumm soll man diese Proposition GGte werck sind noͤtig zur seligkeit nicht brauchen im Predigen oder schreiben, so doch die meinung abstractiue vnd de Idea mochte nach der art des Gesetzes verstanden werden. Entweder die fürnemste vrsach 194 ist, das S. Paulus seinem Junger Timotheo vnd allen Christlichen Predigern ernstlich befhi
let: Formam habeto sanorum uerborum.Vgl. II Tim 1,13. Als wolt er sagen: Man soll in der kirchen Gottes nicht zweiffelhafftige, mißdeutliche, halbmündigedoppeldeutige, mehrdeutige, uneindeutige. Im DRW ist das Wort im Sinne von nicht voll geschäftsfähig, nicht voll verfügungsberechtigt zu finden, bezeichnet juristisch einen Status zwischen Unmündigkeit und voller Mündigkeit. Vgl. unten Anm. 89. wort brauchen, sonder helle vnnd deutliche rede fuͤren, Auff das beyde, die meynungen vnd weise zG reden, dem glauben vnnd der schrifft ehnlich sey. Iuxta illud: prophetia sit analogia fidei.Vgl. Röm 12,6. Item: Qui loquitur in Ecclesia, loquatur sermo
nes Dei.Vgl. I Petr 4,11.
Item: Vita prophanas uocum nouitates.Vgl. I Tim 6,20. Denn ob man gleich keinen zanckapffelAnlass zum Streit. Der Sage nach stiftete die Göttin Eris, weil sie zu einem Bankett der olympischen Götter nicht eingeladen worden war, aus Rache für die Schönste einen goldenen Apfel, um den Hera, Athene und Aphrodite stritten. Der trojanische Königssohn Paris erkannte den Preis der Aphrodite zu, die ihm dafür die schöne Helena, die Frau des spartanischen Königs Menelaos, versprochen hatte. Die Entführung der Helena führte zum Trojanischen Krieg. Vgl. , 232f. oder zanckeisenEin Vexierspiel aus Draht, auch chinesisches Ringspiel, im 16. Jahrhundert als Nürnberger Produkt bezeugt. Es ging darum, eine komplexe Verbindung von metallenen Ringen und Stäben zu trennen bzw. wieder zusammenzufügen. Vgl. , 234. vnder die einfeltigen wirfft, so hatt es dennoch muͤhe gnGg, das man einigkeit vnnd rechten verstand erhalte.

Die ander vrsach ist, das man sich vmb der feindt vnd jrer Calumnien willen wol mGs fürsehen im schreiben vnd reden, wie der Herr Christus zG seinen
Jüngern sagt: Estote simplices sicut columbae, et prudentes sicut serpentes.Vgl. Mt 10,16. Das ist: gleich wie eine taube keinen gallen hatAus dem Umstand, dass Tauben keine Gallenblase besitzen, schloss die mittelalterliche Naturwissenschaft, dass ihnen auch Zorn, Neid und Hass fremd sei. vnd niemand mit jrem schnabel oder kernlein beschedigt, also sollen auch die Christen nicht rachgeirig,sic; evtl. besser: rachgierig. sonder guͤtig vnnd freundtlich sein; wie aber eine schlange den kopff verwaret im streit oder die ohren zGstopffet, das sie des zauberers
beschwerung nicht anhoͤre,Tatsächlich ist bei der Schlangenbeschwörung die Bewegung des Instruments von entscheidender Bedeutung, nicht der Klang. Da Schlangen keine von außen sichtbaren Ohren besitzen, nahm man lange Zeit an, sie könnten nicht hören; sie können jedoch Schall als Erschütterung mit dem Körper wahrnehmen. Also gebürt vns fleißig auff die feinde des Euangely vnd der waren Kirchen achtung zG geben, damit sie nicht vrsach haben, vnsere leere zG lesteren oder zG uerkeren. Derhalben auch die Heyligen Vaͤtter nicht haben in der Kirchen dulden wollen diese proposition: Christus est creatura.Vgl. . Den obwol die menschliche natur in
Christo jhren anfang hat vnd nicht von ewigkeit gewesen ist, vnd kondte diese proposition per communicationem idiomatumAls Communicatio idiomatum bezeichnet man in der Christologie eine Redeweise, bei der der Person Christi insgesamt Eigenschaften zugeschrieben werden, die zunächst nur einer der beiden Naturen Christi zukommen. Während die reformierte Tradition hierin bloße Redeweisen sieht, lehrt die lutherische Orthodoxie, dass dieser Redeweise eine reale Mitteilung der Eigenschaften entspreche. Vgl. ; , 433f. im rechten verstand geduldet werden, Jedoch haben sich die Heyligen Vetter fürgesehen vnd behuͤtet für den gifftigen schlangen, den Arianern,Anhänger des alexandrinischen Presbyters (4. Jhdt.), der eine subordinatianische Christologie vertreten haben soll, der gemäß Gott der Sohn innerhalb der Trinität Gott dem Vater nicht gleichrangig, sondern untergeordnet sei. Vgl. , 738‒743. welche alsbald diese rede wolten ziehen vnd deuten auff die Goͤttliche natur in Christo mit
vnleidlicher blasphemia vnnd Gotteslesterung, also muͤssen wir vns auch für vnsern feinden vnd lesterern, denim Druck: der. Papisten, wol fürsehen, damit sie vns nicht diese wort gGte werck sind noͤtig zG seligkeit auß vnserm mund nemmen vnd jhres gefallens felschlich deuten vnnd also vns mit vnsern eigen schwert schlagen.

Die dritte vrsach ist, das dise proposition nit außgedruckt in derim Druck: den. Heyligen Schrifft zG befinden ist, vnnd kan die rechte meinung des gesetzes 195 wol mit andern vnd bessern worten, die nicht so streittig sein, fürgebracht vnd dargethon werden.

Die vierde vrsach ist, das dise proposition nit leichtlich in dem kercker des
gesetzes kan behalten vnd also verwaret werden, das sie nicht einschleiche in die lehre des Euangelij, weil den sunsten mit grosser muͤhe vnd arbeit der vnderscheid des gesetzes vnd des Euangelij schwerlich zG erhalten ist, so sollen wir hiemit nicht vrsach geben zG solcher schedlicher confusion beider lehr des gesetzes vnd Euangelij.

Auß diesen vnd andern vrsachen schliessen wir, das obwol die meynung der proposition GGte werck sind noͤtig zur seligkeit nach des gesetzes art vnd natur abstractiue vnd de Idea moͤchte geduldet werden, so sollen doch diese wort mit nicht gebraucht werden, weder in schreiben noch predigen, von denen kirchen, welche das reine Euangelium haben.

Der ander Artickel oder proposition.

In foro iustificationis et saluationis haec propositio: Bona opera necessaria sunt ad salutem, nullo modo ferenda est.

Das ist:

Jn dem Hauptartikel des Christlichen glaubens, da man leeret, wie der
mensch fuͤr Gott kondte gerecht vnd selig werden, kan man diese rede gGte werck sind noͤtig zur seligkeit gar keines wegs dulden oder leiden.

Jn diesem anderen artickel bekennen wir mit dem Heyligen S. Petro. Act. 4: Non est aliud nomen sub coelo datum hominibus, in quo oporteat nos saluos fieri, nisi nomen Iesu Christi: Neque enim in nullo alio est salus.Vgl. Act 4,12. Vnd mit
S. Paulo: Sine lege, sine operibus legis, gratis iustificamur et saluamur per fidem in Christum.Vgl. Röm 3,2428; Gal 2,16. Item: In semine non in seminibus, quasi in multis. Sed tanquam in uno, qui est Christus.Vgl. Gal 3,16. Den gleich wie denim Druck: die. Juden ernstlich verboten was, zweierley samen gemenget in einem acker zG sehen,säen. Vgl. Lev 19,19; , 692‒694. also ist vnsim Druck: v], könnte auch als vnd gelesen werden. mit hoͤchstem ernst von Gott verbotten, mehr [denn]ergänzt, evtl. durch Haplographie ausgefallen. , liest: mehr denn einen einigen. den einigeneinzigen. vnd
gebenedeigtengebenedeit = gesegnet, von benedicere. samen des weibs vnd Abrahe Jn den acker vndsic; vnserer? , liest: der. rechtfertigung vnd seligkeit außzGsehen.

So sind auch neben den exclusiuis, die alle vnsere werck von der rechtfertigung vnnd seligkeit rein abschneiden, vier hochwichtige vrsachen, 196im Druck falsche Seitenzählung: 169. warumb man obgemelte proposition in diesen acker nicht strewen soll,
sondern gentzlich daraus als ein anathema verwerffen:

Erstlich auff das vnserm Herrn vnnd heyland Jesu Christo seine gebürliche ehre nicht benommen, sondern dieselbige jme gantz vnd volkommen gegeben werde. Dann was man vnseren wercken, es sey gleych vil oderim Druck: nder. wenig, in diesem stuck, belangend die Justification vnd saluation, zGschreibet, das
geschicht mit verletzung vnd verkleinerung der ehren vnsers einigen erloͤsers, gerecht­ vnd seligmachers, sitenmalsic (mehrfach im Text).sintemal = zumal. er nicht allein iustus, sondern auch Saluator vom Propheten genennet wird.Vgl. Sach 9,9.

Zum andern, auff das die armen gewissen zG aller zeit vndim Druck: and. fürnemlich in Geistlichen kempffen, welche der Psalm nennet dolores mortis, et pericula
inferni,Vgl. Ps 114,3 (Vg iuxta LXX).
einen festen vnd vnbeweglichen trost haben wider Gottes zorn, wider den flGch des Gesetzes, wider sünd, todt, teuffel vnd Hell.Hölle. Denn es vnmüglich ist, das sich ein betruͤbtes vnd engstiges gewissen solte halb oder gantz auff eigene werck verlassen vnd darauff berugen, wie solchs zG anderer zeit weitleufftiger erklaͤret wird vnnd hie ohn not ist, alles zG widerholen.

Zum dritten So kan niemandt Gott den Herrn anrGffen, er setzt dan alle sein vertrauwen auff den einigen mitler Jesum Christum, wie er selbst spricht:im Druck: sprieht. Quicquid petieritis patrem in nomine meo, dabit uobis.Vgl. Joh 16,23. Vnd Paulus: Quomodoim Druck: Qnomodo. inuocabunt, si non credent.Vgl. Röm 10,14.

Zum vierden ist nicht müglich, das man erhalte vnterscheidt zischen dem
Gesetz vnd Euangelio, wann man nicht dringet auff das woͤrtlein Gratis vnd auff den einigen mitler zwischen Gott vnd den Menschen, Jesum Christum. Denn ob wol das Gesetz zeitliche vnd ewige guͤter verheist, so fordert es doch allwege die Condicion oder bedingung eines volkommenen gehorsams ohne sünde. Damitim Druck: Damtt. nu dem Herren Jesu Christo seine volkommene ehre
gegeben were vnd die gewissen einen festen vnd vnbeweglichen trost haben, auch das gebett nicht verhindert vnd der vnderscheid beder lehr, Gesetzes vnd Euangelij, nicht vertunckelt werde, so konnen wir der Proposition GGte werck sind noͤtig zur seligkeit keinen raum noch stadt lassen In Articulo Iustificationis et Saluationis.

197 Der dritte Artickell oder Proposition.

In foro nouae obedientiae post reconciliationem, nequaquam bona opera ad salutem, sed propter alias causas, necessaria sunt.

Das ist:

Jm Artickell, darinnen man lehret vom newen gehorsam, der nach der ver
suͤnung mit Gott folgen soll, sind die gGte werck vmb vieler vrsachen willen von noͤten, aber nicht mit diesem vnleidlichen anhang zur Seligkeit.

So viel diesen Artickel betrifft, ist dieses vnser richtig vnd einfeltig bekanntnus, das gGte werck dem glauben als rechtschaffene frucht folgen sollen vnd muͤssen vnd vmb vieler vrsachen willen noͤtig sindt, aber keins wegs zur
seligkeit, welche wir zGuor durch den glauben als ein geschenck Gottes auß lauter gnaden empfangen vnd erlangt haben; denn gleich wie zG der rechtfertigung vnsere werck nichts thGn koͤnnen, also vermoͤgen sie nichts zG thGn zG der Erbschafft des ewigen lebens, wie Paulus sagt, Rom. 4: Si ex Lege haereditas, iam non ex promissione, etc.Vgl. Röm 4,14. Item Ephesios 2: Gratia sal
uati estis, Dei donum est, non ex operibus, etc.Eph 2,8.
Wiewol aber viel vrsachen nach der lenge kondten ertzelet werden, vmb welcher willen gGte werck von noͤten sind so woͤllen wir doch auff dißmal vmb der kürtze willen nur drey erzelen:

Die erste vrsach ist, das wir Gott nicht allein als einen Schoͤpffer, sondern
auch als einen lieben Vatter mit vnserm schwachen gehorsam loben vnd preisen, wie der Herr Christus saget: Sic luceat Lux uestra, ut uideant opera uestra bona, et glorificent patrem, qui in coelisim Druck: eoelis. est.Vgl. Mt 5,16. Vnd 1. Cor. 10: Omnia facite ad gloriam Dei.Vgl. I Kor 10,31.

Die ander vrsach ist, das wir im glauben darreichen tugendt, wie Petrus
spricht.Vgl. II Petr 1,5 (Luther 1545). Das ist, das wir den glauben vben vnd nicht lassen muͤßig sein, sondern vnsern beruͤff vnnd erwelung fest machen. Den wiewol die erwelung bey Gott dem Herrn fest vnd vnbeweglich ist, sitenmalsic. der Herr die seinen kennet;Vgl. II Tim 2,19. so mGß doch die erwelung bey vns auch fest vnd bekandt sein, welchs dann geschicht, wo wir den glauben nicht lassen muͤßig liegen,
sonder jhn uͤben vnnd gebrauchen als einen lebendigen vnd thetigen schatz.

Die dritte vrsach ist, auff das die guͤten werck vnserm nechsten in vil 198 wege dienen. Denn gleich wie ein vnchristlich leben ander leut im jrrthumb stercket vnd von der lehr des Euangelij abschreckt, also leuchtet ein Christlich vnnd Gottselig leben andern leuten für vnd locket sie zG dem Euangelio
vnd zG rechter anrGffung Gottes.

Demnach ist kein zweiffel, das gGte werck von noͤten sein vnnd dem glauben folgen, als gGte vnd geschlachteedle, wohlschmeckende. Vgl. , 3897, 3899. fruchte. Aber dieser anhang soll gentzlich vnd rein daran abgeschnitten werden: zur seligkeit.

Denn gleich wie die Medici, so sie woͤllen einen ThiriacumTheriak. Zunächst Heilmittel gegen Schlangenbisse, später (angebliches) universelles Heilmittel, insbes. gegen Pest. Von griech. θηριακός (vgl. ), lat. theriacus (vgl. ); vgl. , 1373; , 367; , 1401‒1404. machen, muͤs
sen sie für allen dingen der Viperae oder Echitnae,Otter, Viper. Giftschlangengattung; vgl. , 1293[a]; , 2330. das ist: einer schlangen, die vns in Teutschlandt vnbekandt ist, den kopff vnd den schwantz abhauwen, auff das nit die heilsame Artzney dardurch vergifftet vnd verderbet werde. Also mGß man von den wercken diesen schwantz oder anhang zur seligkeit abschneiden, damit nicht der suͤsse vnd der liebliche honigschmackHoniggeschmack. Vgl. , 893‒896. durch
diesen eßig verseuretversauert, sauer gemacht. Vgl. , 1042f. vnd verbittert werde, vnd zwartenzwarten = zwar (mitteldeutsche Form). Vgl. . welchen die trefflichen vermanungen, so in der schrifft sind, nicht dahin bewegen, das er sich eines Gottseligen wandels befleisse, den wirdt man mit diesem falschen anhang zur seligkeit nimmermehr dahin treiben.

Der vierdte Artickel oder Proposition.

Sola fides iustificat et saluat, in principio, medio et fine.

Das ist:

Der glaube macht allein gerecht vnd selig, nicht allein im anfang, sondern auch durchauß biß anßim Druck: auß. ende.

Diesen Artickel bekennen wir darumb, das die particula Sola rein bleibe ohn
allen zGsatz aller ander dinge, sie haben namen, wie sie immer woͤllen. Denn die armen betruͤbten gewissen konnenim Druck: kommen. sonst niergend rGhe vnd friede mit Gott finden denn bey dem einigen mitler Christo. Es soll auch niemand gedencken, das der glaube alleine ratione principij oder im anfang gerecht vnd selig macht – das ist, wie , ab 1540 kaiserlicher Hofkaplan, legte bei den Reichsreligionsgesprächen in 1546 u. a. folgende Thesen vor: 3. Fides qua credimus historiae Euangelicae, et Deum Patrem misisse nobis Filium propitiatorem pro peccatis nostris, et per illius sanguinem remitti peccata est in adultis ad iustificationem esse necessaria. 4. Non tamen sola ad iustificandum sufficit, sed requiruntur etiam Spes et caritas, et actus poenitentiae caritate informatus. (). vnd andere Papisten fürgeben: das der
glaube allein ein vorbereitung sey zur gerechtigkeit vnnd Seligkeit – , sondern dafür soll man es halten, das der glaube sey das A vnd das O,Alpha und Omega als erster und letzter Buchstabe des griechischen Alphabets. das ist: der Anfang, mittel vnnd ende beider wolthat, der rechtfertigung vnd seligkeit.

Hie moͤchte aber yemand fragen, ob die gabe des Heyligen Geistes, welche allezeit mit der gnade, das ist mit der vergebung der sünde, den 199 gleu
bigen geschenckt wirdt, ein teil sey oder ein mitursach der rechtfertigung vnd seligkeit? Antwort: Wiewol es war ist, das gratia vnd donum per gratiam, wie Paulus redet Rom. 8,Vgl. Röm 5,1–6; 8,35.38f. nicht koͤnnen getrennet werden, sondern allezeit bey einander seind, so ist doch die gabe des H. Geistes nicht ein stuck oder teil, viel weniger aber ein mitursache der Justification vnd Saluation, sondern
ist ein anhang, folge vnd zGgabe der gnaden, das ist: der versuͤnung mit Gott vnd annemmung zum ewigen leben. Darumb jn auch S. Paulus 2. Cor. 1. nennet das sigell vnd pfandt vnser seligkeit.Vgl. II Kor 1,22. Denn gleich wie Arradas Angeld, Unterpfand, Weinkauf bei Vertragsabschlüssen (lat. arra bzw. arr[h]abo, griech. ἀῤῥαβών, von hebr. עֵרָבוֹן = Pfand), insbesondere bei der Verlobung vom Bräutigam der Braut gegeben, seit dem späten Mittelalter meist in Form des Verlobungsringes. Vgl. , 405f; , 585. nicht den Ehestand stifftet, sonder ist ein pfandt vnnd zeugnus der zGkünfftigen hochtzeit vnd heimfart,die heimkehr des eben verehelichten mit seiner braut in das eigene haus und die deswegen veranstaltete festlichkeit; vgl. , 870; , 1527. also ist der Heilige Geist ein gewisses zeugnus in
vnserm hertzen, das wir sind kinder Gottes.Vgl. Röm 8,16. Ja, er hilfft auch auff vnsererim Druck: vnsere. schwacheit vnnd schreiet für vns vor Gott mit vnaussprechlichen seufftzen, Rom. 8.Vgl. Röm 8,26.

Der fünffte Artickell oder Proposition.

Bona opera non sunt necessaria ad retinendam salutem.

Das ist:

GGte wercke sind nicht nicht noͤtig, die seligkeit zG erhalten.

Hie bekennen wir, das, obwol die gGten werck auß vielen vrsachen, wie oben gemeldet, noͤtig sind, so soll man doch nicht den wercken die erhaltung der seligkeit zGschreiben, welche krafft allein der glaube – oder das gleich viel
ist: Christus – hatt. Denn der gerechte lebet seines glaubens,Vgl. Röm 1,17; Hab 2,4. das ist: er hatt beyde, gerechtigkeit vnd seligkeit, durch den glauben, vnd Philip. 1: Qui coepit in uobis opus bonum, perficiet usque ad diem Jesu Christi.Phil 1,6. Als wolt er sagen: Christus ist nicht allein der anfenger, sonder auch der erhalter vnd volfuͤrerVollender. Vgl. , 644‒651; , 651f. der geschenckten seligkeit, vnd 1.sic, rectius: 2. Pet. 1: Veritate Dei
custodimini per fidem, ad salutem.II Petr 1,3.

So ist auch wider die natur, art vnd eigenschafft einer vrsach oder Causae, das sie solt von jhrem effectu oder frucht erhalten werden, als zum exempel: Der Schoͤpffer aller ding wirt nicht durch die Creatur erhalten, wie auch nicht der brunn von seinen bechlein oder der baum von seinen fruchten. Nun
ist aber nach yedermans bekantnus der Glaub ein vrsach, brun vnd baum der gGten wercke. Denn gleich wie die person ohne den glauben weder gerecht für Gott noch selig ist, also koͤnnen 200 die guͤten werck nicht gethon werden vnd sind Gott nichsic. angenem vnd gefellig ohne den glauben. Iuxta illud: Quicquid non est ex fide, peccatum est.Vgl. Röm 14,23. Item: Impossibile est Deo
placere sine fide.Vgl. Hebr 11,6.
Derhalben wird der glaube oder seligkeit nicht von den wercken, sonder von andern vrsachen, als von dem H.Heiligen. Geist durchs wortVgl. Röm 10,17; II Kor 4,6. erstlich angezündet, darnach erhalten, gesterckt vnd vermeret.

Auß diesem ist offenbar, das man nicht soll actiue reden: GGte werck erhalten den glauben, welchs ist eine Confusio causae vnd effectus. Vnd
hette weniger gefahr vnd mißuerstand auff sich, da man saget: GGte werck sind darzG noͤtig, das wir die sünde vnd ergernus darzG vermeiden, welche streben vnd streiten wider den glauben vnnd gGt gewissen. Dann es vnmüglich ist, das bey einem boͤsen gewissen oder vorsatz, hinfGrt zG sündigen, solte der glaube vnd seligkeit stadt haben.im Druck: habe.

Der sechste Artickel oder Proposition.

Synonyma sunt et aequipollentia, seu termini conuertibiles, Iustificatio et Saluatio, nec ulla ratione distrahi aut possunt aut debent.

Das ist:

Dise zwey woͤrtlein Rechtfertigung vnd seligkeit seind wechsellwoͤrtlein,Synonyme. .
das ist: es begreifft eins so viel als das ander vnd wird eins für das ander gebraucht, vnd diese zwo wolthaten, rechtfertigung vnd seligkeit, sollen vnd muͤgen nicht von einander gescheiden vnd getrennet werden.

Weil das 4. cap. zGn Roͤmern der brunn vnd lebendige quell ist, darauß man den Artickell von der Justification vnd Saluation schepffen soll, so woͤllen
wir kürtzlich anzeigen, wie am selben ort S. Paulus die seligkeit beschreibet. Es allegiertzieht heran, führt an. Vgl. , 323f. aber S. Paulus den 32. Psalm: Beati, quorum remissae sunt iniquitates, et quorum tecta sunt peccata. Beatus uir, cui non imputauit Dominus peccatum,Ps 32,1f; Röm 4,7f. vnd machet darauß eine solche definition, das die seligkeit sey nichts anders denn vergebung vnd zGdeckung vnd nicht zGrichtung der
sünden, wo aber vergebung der sünden ist, da ist gewiß auch die erbschafft der ewigen seligkeit, wie dann S. Paul bald hernach meldung thGt des erbtheils, als er spricht: Si ex Lege haereditas et non ex promißione, vana est fides, et ociosa promißio.Vgl. Röm 4,14. Denn wer ein kind ist, der ist auch ein erbe.Vgl. Röm 8,17; Gal 4,7. Nu ist das vnleugbar, wie man in schGlen redet, Quod definitio et definitum
con
201uertuntur. Derwegen folget, das Iustificatio eben so vil begreifft als Saluatio, sitenmal niemand für Gott kan gerecht sein, er sey dann noch lebendig vnnd selig; gleich wie auch niemand kan selig sein, er sey dann gerecht. Hieher gehoͤren diese nachfolgende zeugnus: Rom. 3. Iustificati gratis per gratiam.Röm 3,24. Ephe. 2, Gratia saluati estis.Eph 2,8. Ioannis. 3, Qui credit in filium
habet uitam aeternam.Joh 3,36.
Iohan. 5, Non ueniet in iudicium, sed transiuit per mortem in uitam.Vgl. Joh 5,24.

Es moͤchte aber ein einfeltiger, wenn er solchs hoͤret, by sich gedencken: Wie kann ich gerecht vnd selig sein, so ich doch in meinem fleisch noch sünde fuͤle vnd dem zeitlichen Todt vnderworffen bin? Hierauff ist richtig
zG antworten: Das Reich Christi in disem leben wird sein alles in allem, haben keinen vnderscheid re ipsa, sondern allein modo rei. Das ist: Hie haben wir beide, gerechtigkeit vnnd seligkeit, im glauben vnnd hoffnung. Dort aber, nach der Aufferstehung, werden wir es haben im schauwen. Als, wenn ein Junger Fürst geboren wird, ob er wol in der wiegen leit vnd kan
noch nicht von wegen seiner kindtheit das Regiment fuͤren, so ist er gleich wol nicht allein ein kind, sondern auch ein erbe vnd der Herr vber alle land vnnd Fürstenthumb, die sein Herr Vatter vnder jhm hatt. Nachmals, wenn er zG seinen tagen kompt,wenn er volljährig/geschäftsfähig/mündig wird. nimpt er sich umb die Regierung an etc. Also seind wir yetzund kinder Gottes vnnd ist vnser leben in Christo verborgen. Wenn
aber vnser Herr Jesus Christus sich wird offenbaren, so werden wir auch zGgleich mit jm offenbart vnd erklaͤret werden.Vgl. Kol 3,3f. Derhalben soll man keins wegs von einander trennen die gerechtfertigung vnd seligkeit, als wenig als man an einem jungen Fürsten vnd Herrn das erbe kan trennen von der kindschafft. Es sol auch niemand jmsich. treumen lassen, das wir durch den glauben
allein gerecht werden, aber nicht ohne werck koͤnnen selig werden, wie etliche falsche lehrer fürgeben. Denn wer jemand zG seinem kind annimpt, der macht jhn auch zum erben aller seiner guͤter, so er hat vnd vermag.über die er verfügt. Vgl. , 883‒889.

Wiewol aber diese warhafftige, wolgegrundete vnd noͤtige lehre von den EpicurischenAdjektiv zu Epikurer, Anhänger der Lehren des griechischen Philosophen , der als Hedonist und Gottesleugner galt. schweinen felschlich gedeutet vnnd zG sterckung des
sicherenüberheblichen, verantwortungslosen. vnd wildenzügellosen. lebens mißbraucht wird, so mGß man doch vil mehr sehen auff die Ehr Christi, des Sons Gottes, vnd auff den heilsamen trost engstiger gewissen dann auff die porcos Epicuri, von welchen Joan­202nes sagt: Qui facit peccatum, ex diabolo est.I Joh 3,8. Item: Qui sordet, sordescat adhuc.Vgl. Apk 22,11.

Der siebend vnd letzte Artickel.

Explodatur ergo ex Ecclesia cothurnusDer Kothurn ist eigentlich der Hochschuh der altgriechischen Tragödienschauspieler (κόθορνος). Aus der Sphäre des antiken Theaters ist auch das Verb explodere genommen, das so viel heißt wie auszischen, auspfeifen, ausbuhen (durch Klatschen), dann allgemein missbilligen, verwerfen. Die deutsche Version zeigt, dass hier als cothurnus papisticus die umstrittene These, gute Werke seien nötig zur Seligkeit, bezeichnet wird. Sie ist gleichsam der alte papistische Zopf, der ein für allemal abgeschnitten werden soll. Vgl. , 1726f; , 2590. Vgl. auch die Anmerkung 89 [zu halbmündig]. papisticus, propter scandala multiplicia et dissensiones innumerabiles, et alias causas, de quibus Apostoli Acto. 15. loquuntur.Bei dem in Act 15 geschilderten sogenannten Apostelkonzil wurde die Forderung nach Beschneidung der Heidenchristen abgewiesen und damit nach der Befolgung des mosaischen Gesetzes insgesamt. Stattdessen beließ man es bei Basisforderungen: Enthaltung von Götzendienst, Unzucht und Blutgenuss.

Das ist:

Derhalben soll auß der Kirchen Gottes verstossen vnd verworffen sein die halbmündige,uneindeutige. Mit halbmündig wird ein Aspekt von cothurnus in der lateinischen Fassung der These wiedergegeben, vgl. , 1763[b]: weil der Kothurn von beiden Geschlechtern getragen ward, und auf beide Füsse passte, übertr[agen] ein zweideutiger, wetterwendischer Mensch, der sich verschiedenen Parteien gleichmässig anzuschmiegen weiss, Achselträger umschreibt halbmündig als nur beschränkt verfügungsberechtigt (über sein Gut). Vgl. oben Anm. 17. mißdeutigemissverständliche, missdeutbare. vnd Papistische Proposition GGte werck sind noͤtig zur seligkeit von wegen vieler ergernus vnd vntzelichen getzencks, auch vmb ander vrsach willen, von welchen die Apostell Actor. 15. reden.

Diesen letzten Artickel verstehen vnd Declariren wir also, das die propositio
gGte werck sind noͤtig zur seligkeit, ob sie wol legaliter et abstractiue kan verstanden werden, yedoch vmb obberuͤrten vrsachen willen nicht, weder im schreiben noch Predigen, solle gebraucht werden, vnd auß den beiden Artickeln von der Justification vnd neuwen gehorsam aller dingaller ding = unter allen Umständen. verstossen vnd verworffen sein, fürnemlich weil sie so vil ergernus bey freunden vnd
feinden vnd so vil zweitracht erregt, auch nicht Christo, sondern dem bauch vnd Bapst, den zweien schendlichen Goͤttern, dienet vnd mit suͤssen vnd prechtigen worten die einfaltigen hertzen verfuͤret, wie zun Roͤm. 16 Paulus redet.Vgl. Röm 16,18. ZG diesem endtlichen beschlus, der bey vielen wird das ansehen haben, als sey er gar zG hart vnd streng, dringet vns das 15. Capittel Actorum,
darinnen eben die frage erortert wird, die yetzund von newen auff die ban ist gebracht worden: Wo jhr euch nicht beschneiden lassend nach der weise Moysi, so koͤnnet jhr nicht selig werden.Act 15,1. Item: Da tratten etliche auff von der Phariseer secten, die gleubig waren worden, vnd sprachen: man mGß sie beschneiden vnd gebieten zG halten das gesetz Moysi.Act 15,5. Von dieser
frage, welche der yetzigen Disputation so gleich ist als eine ye der anderen gleich sein kann, fellet Petrus, der Apostel, ein solch vrteil auß dem H. Geist vnd nicht yemand zG liebe oder zG leide: was versGchet jhr aber Gott mit aufflegen des jochs auff der Jünger helse, welchs weder vnse203re Vaͤtter noch wir haben moͤgen tragen, sondern wir glauben, durch die genad vnsers
Herren Jesu Christi selig zG werden, gleicher weise wie auch sie.
Act 15,10f. Was es aber für ein erschreckliche sünde sey, Gott den Herren versGchen, das bedenck eyn gGthertziger Christ tieffer vnd weiter bey sich selbst, denn wir es in einer kürtz auff diß mal erzelen koͤnnen. Denn Gott versGchen ist nichts anders, denn von seinem wort vnd willen, den er im wort offenbaret hatt,
mGtwilliger weise abtretten vnd auß eigenem gGtduncken vnd fürwitz sich vnderstehn, etwas bessers vnd kluͤgers zG machen, denn es Gott der Herr selbs geordnet vnd gestifftet hatt. Als wenn Gott der Herr saget: Du solt den Herren anbetten vnd jhme allein dienen.Dtn 6,13; Mt 4,7. Nein, sagt der Antichrist, der Bapst zG Rom. Es ist nicht genGg, das du Gott allein anbetest vnd jhme
dienest, Du mGst auch die mGtter Gottes vnd andere heyligen mit anbetten vnd selbst erweleten diensten ehren.
Heist das nicht, Gott den Herrn vbermeisternbekritteln, an ihm herumbessern. Vgl. , 416. vnnd vnsere grosse torheit Gottes weißheit fürziehen?Vgl. I Kor 1,20; 3,19. Also heisset das auch Gott verachten. Dann Gott der Herr spricht in seinem wort: Gratia saluati estis, non ex operibus,Vgl. Eph 2,8f. vnnd ein armer mensch sich
vnderstehet das gegenspilGegenteil. Vgl. , 2262f. zG lehren vnnd zG uertedigen: Nein traun, man kan nicht ohne gGte werck selig werden. GGte werck sind auch noͤtig zur seligkeit.

Darnach schreiben die Heyligen Apostel alle saͤmptlich an die kirchen in vnd :Tatsächlich ist in Act 15,23 von (Region im Südosten Kleinasiens) die Rede, nicht von . Dieweil wir gehoͤrt haben, das etliche von den vnseren
sind außgangen vnd haben euch mit lehren jrre gemacht vnd ewere seelen zGruttet vnd sagen, jhr sollend euch beschneiden lassen vnd das Gesetze halten, welchen wir nichts befohlen haben etc.
Act 15,23. Jn dieser schrifft werden zwo grewliche vnnd schreckliche sünde den Gesetz­ vnnd wercktreibern auffgelegt,angelastet, zur Last gelegt. Vgl , 684. nemlich verwirrung der kirchen oder ergernus oder zGruttung der see
len. Dann weil die kirch Gottes hauß vnnd Tempel ist, kan man leichtlich abnemmen,entnehmen, erschließen. Vgl. , 80. was für Sünde sey, diesen Tempel besuddeln vnd beflecken, gleich wie ein widhoͤpffe sein eigen nest beschmeisset,verschmutzt, besudelt. Vgl. , 1582‒1584. Der Wiedehopf (Upupa epops) sondert ein übelriechendes Sekret ab, um sich und seine Brut vor Fraßfeinden zu schützen, die Jungen schleudern Angreifern auch Exkremente entgegen. Vgl. , https://de.wikipedia.org/wiki/Wiedehopf, zuletzt besucht 08.06.2016. so doch geschrieben steht: Ne sitis scandalo Ecclesiae, uae illi per quem uenit scandalum.Vgl. Mt 18,7.

ZGletzt betrachte yederman mit hoͤchstem fleiß, was die zerruttung der
seelen auff sich habe. Er sagt, der Son Gottes: Was hilfft es einen menschen, wenn er gleich die gantze welt hett, vnd nimmet schaden an seiner seelen?Vgl. Mt 16,26. Jst dann an einer seelen, die da besser ist dann die gantze 204 welt, so vil vnd groß gelegen, wer kan den außsprechlichenunaussprechlichen (eigtl. aussprechbar, aber in der Regel mit Ausdrücken der Verneinung oder Unmöglichkeit verbunden; hier impliziert die Wendung wer kann ? ein niemand kann ). schaden vnd verterben vieler seelen genGgsam beweinen vnd beklagen?

Weil dann die Propositio GGte werck sind noͤtig zur seligkeit Gott den Herrn versGchet, die Kirchen Gottes betruͤbet, ergert vnd verwirret, endtlich auch die seelen grewlich zGruttet, so lassen wir es bey der Heyligen Apostel beschluß bleiben vnnd bitten den trewen Gott, das er vns sampt vnseren vnd anderen Euangelischen Kirchen vor solchem saurteig der PhariseerVgl. Mt 16,6. vnd
heuchler durch seinen Heyligen Geist gnediglich behuͤten.sic. Ergänze evtl.: wolle [so ], oder ist zu verbessern: behuͤte?

Wir bitten auch alle frommen Christen, wo sie sind in dieser letzten zerstreuung,im Original: zerstreung. das sie vnsern geringen dienst Gott zG ehren, der warheit zum zeugnüß, zum trost vnd sterckung der einfeltigen vnnd betruͤbten hertzen nach Christlicher liebe deuten vnd im bestenzum Besten, im besten Sinne, ad bonam partem. verstehen vnd auffnemmen woͤllen, wel
chen wir mit vnserm armen gebett vnd in andere wege nochnach. vermuͤge zu dienen gantz willig vnd bereit sind. Anno Domini. 1556.

Theologi et Concionatores subscripserunt.: Die Konfession wurde unterschrieben von: , Bischof; , Pastor und Superintendent in ; , Professor der Universität Jena; , Pastor in : , Pastor in ; , Hofprediger in ; (Weiß), Pastor und Superintendent in ; , Hofprediger in . unterschrieb, da er sich durch die ihm vorgelegte Widerrufsformel beschwert fühlte, mit der Bemerkung, daß er bisher immer so gelehrt und geschrieben habe. Da dies aber Anstoß erregte, fügte er folgende Worte mit eigener Hand hinzu: (siehe Haupttext) .

205 REVOCATIO IVSTI MAENII.Diese Überschrift wurde in der Druckausgabe (von ) hinzugefügt, sie gehört nicht zum ursprünglichen Text des .

Ego Zu vgl. oben die Einleitung, Abschnitt 2.3. hoc meo Chirographo protestor, hanc Confessionem
ueram et orthodoxam esse, eamque me pro dono mihi diuinitus collato, uoce et scriptis hactenus et publice defendisse, et porro defensurum esse. Cum autem eam uerborum formam, qua de necessitate nouae obedientiae reconciliatorum, in libello meo DE BEATITVDINE recens editoGemeint ist wohl: . In VD 16 ließ sich bislang kein selbständiger Druck finden, es handelt sich um die Blätter P 3r ‒ V 7r in dem Band Von der Bereitung zum seligen Sterben (VD 16 M 4590) [ein weiterer Druck, aus der Offizin von in 1556, hat die Nummer VD 16 M 4589, darin die Predigt VD 16 M 4596]. usus sum, in diuersam sententiam accipi a nonnullis intelligam. Polliceor me totum illum
locum retexturum, itaque sententiam explicaturum esse, ut piae Confessioniaufgelöst aus: Confess. per omnia consentanea futura, nihilque habitura ambiguitatis aut scandali sit.